Positionspapier Bundestagswahl 2025

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Positionspapier

der mittelständischen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2025 und für die 21. Legislaturperiode

Bundesvereinigung

Mittelständischer Bauunternehmen e.V.

Michael

Dirk Stauf

Syndikusrechtsanwalt

Geschäftsführer Recht

Daniel

Wer ist die BVMB?

Die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) setzt sich für die Wirtschafts-, Markt- und Wettbewerbsinteressen der mittelständischen Bauwirtschaft in Deutschland ein. Zu den Hauptaufgaben des tarifpolitisch unabhängigen Wirtschaftsverbandes zählen die Information, Beratung und Interessenvertretung der mittelständischen Bauwirtschaft gegenüber Auftraggebern, Verwaltung und Politik.

Bei den BVMB-Mitgliedern handelt es sich um hoch qualifizierte, häufig besonders spezialisierte und in vielen Sparten tätige Bauunternehmen. Sie erwirtschaften jährlich rund 30 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigen rund 250.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der gemeinsame Nenner der Unternehmen ist eine mittelständisch ausgeprägte Marktstellung und ein umfangreiches Leistungsspektrum im Wohnungs-, Wirtschafts- und öffentlichen Bau (Hoch-, Verkehrswege- und sonstiger Tiefbau).

Ziele

h Stärkung und Ausbau regionaler und überregionaler mittelständischer Strukturen als Rückgrat der deutschen Bauwirtschaft

h Faire und mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen in Bauausschreibungen durch die Fortführung bewährter Vergabemodelle bei gleichzeitiger Beibehaltung des Vorrangs losweiser Vergaben

h Verlässliche, planbare und langfristige Bereitstellung von ausreichenden Investitionsmitteln, um eine bedarfsgerechte Infrastruktur sicherzustellen

h Förderung und Unterstützung der Digitalisierung der Bauwirtschaft und von Building Information Modeling (BIM)

h Verbesserung der Rahmenbedingungen und Bürokratieabbau, um Kapazitäten der Bauunternehmen zu optimieren

h Gewinnung, Stärkung und Sicherung der Fachkräfte für die Bauwirtschaft

Positionen der mittelständischen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2025 und für die 21. Legislaturperiode

Vorwort

Positionen

A. Verkehrsinfrastruktur

1. Verlässliche finanzielle Perspektiven für alle Verkehrsträger schaffen

2. Planungs- und Genehmigungsabriss in der Verkehrsinfrastruktur verhindern

3. Ausweitung langfristiger Finanzierungsinstrumente

4. ÖPP im Bundesfernstraßenbau und Vergaberecht

B. Wohnungsbau

1. Steuerliche Anreize schaffen

2. Mietpreisbremse abschaffen

3. Bauvorschriften harmonisieren und reduzieren

4. Verlässliche Förderkulisse schaffen

C. Bürokratieabbau

1. Keine Übererfüllung europäischer Vorgaben

2. „One in, two out“-Regel einführen

3. Praxischeck für alle Gesetzesvorhaben einführen

4. Mehr Fortschritt bei der Genehmigungspraxis für Schwerlast- und Großraumtransporte

D. Arbeitsmarkt

1. Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit einführen

2. Bundestariftreuegesetz verwerfen, Tarifautonomie und Wettbewerb stärken

3. Fachkräfteeinwanderung vereinfachen

4. Aufhebung des Arbeitnehmerüberlassungsverbots in der Bauwirtschaft

5. Westbalkanregelung“ ausweiten

E. Finanzielle Entlastung der Wirtschaft und der Fachkräfte

1. Unternehmensbesteuerung auf maximal 25% deckeln

2. Mehr Netto vom Brutto – für gerechtere Steuern und stärkere Arbeitsanreize

3. Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen

4. Energiekosten senken

F. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft

1. Nachhaltigkeit

a) Abbau von Nachhaltigkeits-Bürokratie

b) Förderung des Wettbewerbs / Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen vor bürokratischer Überforderung

c) Nachhaltigkeit bei öffentlichen Auftragsvergaben

2. Kreislaufwirtschaft

3. IV. Novelle 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

die mittelständische Bauwirtschaft ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Als eine der tragenden Säulen unseres Wohlstands schafft sie nicht nur hunderttausende von Arbeitsplätzen, sondern trägt durch ihr erhebliches Steueraufkommen maßgeblich zur Stabilität und Finanzierung unseres Gemeinwesens bei. Ihre Bedeutung reicht weit über wirtschaftliche Kennzahlen hinaus – sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Tagtäglich gestalten die Unternehmen der Bauwirtschaft die Lebensrealität in Deutschland. Sie bauen und modernisieren die Infrastruktur, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft antreibt: Straßen, Schienen, Wasserstraßen und Breitbandnetze verbinden Menschen und Märkte; Schulen, Kindertagesstätten und öffentliche Gebäude fördern Bildung und Gemeinschaft; Moderne Energieanlagen sowie leistungsfähige Stromnetze sichern die klimafreundliche Transformation unseres Landes. Nicht zuletzt sorgt die Bauwirtschaft dafür, dass bezahlbarer und nachhaltiger Wohnraum entsteht. Auf 600 Mrd. EUR beziffern die Wirtschaftsforschungsinstitute IW und IMK den Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren, um die infrastrukturelle Grundlage für zukunftsfähiges Wirtschaften, Wohnen und Verkehr zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund richten wir als mittelständische Bauwirtschaft klare Erwartungen an die nächste Bundesregierung. Unsere Forderungen basieren auf der Überzeugung, dass eine zukunftsorientierte und pragmatische Politik die finanziellen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die tiefgreifende Sanierung der deutschen Infrastruktur schaffen muss, damit auch die Bauwirtschaft weiterhin ihrer Rolle als Motor für Fortschritt und Stabilität gerecht werden kann.

Ihr

Martin Steinbrecher

Präsident der BVMB

Positionen

A. Verkehrsinfrastruktur

1. Verlässliche finanzielle Perspektiven für alle Verkehrsträger schaffen

In ganz Deutschland ist sichtbar, dass die Verkehrsinfrastruktur in einem immens schlechten Zustand ist. Das schwächt und behindert immer mehr Wachstum und Beschäftigung in unserem Land. Die Deutsche Bahn, die Autobahn GmbH sowie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes benötigen schnellstmöglich Finanzierungssicherheit für die anstehenden Bauaufgaben in der sehr langfristig orientierten Sanierung der Verkehrsinfrastruktur. Finanzielle Unsicherheit im Infrastrukturbereich führt zu einem Stillstand der Planungs- und Bauaufgaben, den sich Deutschland nicht leisten kann.

2. Planungs- und Genehmigungsabriss in der Verkehrsinfrastruktur verhindern

Es muss verhindert werden, dass sich Infrastrukturvorhaben verzögern. Eine unsichere Haushaltslage darf keine Auswirkungen auf das Planen und Genehmigen haben. Wir fordern deshalb, dass alle öffentlichen und Sektorenauftraggeber verbindlich dahingehend angewiesen werden, Planungen und die Beantragung von Genehmigungen für neue Bauvorhaben auch vor der Verabschiedung eines neuen Bundeshaushalts weiter voranzutreiben.

3. Ausweitung langfristiger Finanzierungsinstrumente

Um eine verlässliche, langfristige und auskömmliche Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur zu erreichen, fordern wir die Einrichtung und Ausweitung von Finanzierungsinstrumenten, die eine von Haushaltsverhandlungen und -schwankungen unabhängige, langfristig orientierte Finanzierung sicherstellen. Diese schafft sowohl bei den Sektorenauftraggebern als auch bei der Bauwirtschaft mehr Planungssicherheit, Investitions- und Innovationssicherheit und gewährleistet damit nicht nur eine spürbare Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in der Zukunft, sondern unmittelbar auch Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und damit Steueraufkommen. Um die Mittelausstattung für diese langfristige und auskömmliche Finanzierung bereitzustellen, halten wir die Verwendung zweckgebundener Einnahmen, beispielsweise aus Mineralöl- und CO2-Steuern, sowie eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung, beispielsweise durch zusätzliche Mauteinnahmen und Abgaben auf Flug- oder Bahntickets, für sinnvoll.

4. ÖPP im Bundesfernstraßenbau und Vergaberecht

Eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung von ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau ist nicht möglich. Haushaltsmittel dürfen nicht durch privates Kapital gekürzt werden, denn niemand finanziert so günstig wie die Öffentliche Hand. Sowohl der Bundes- als auch der Europäische Rechnungshof negieren die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau. Erforderlich ist die konsequente Trennung der Finanzierung und des Betriebes vom Bau der Verkehrsinfrastruktur. Darüber hinaus fordern wir eine faire Risikoverteilung, mittelstandsgerechte Losgrößen und die Zulassung von Innovationen, insbesondere zur Verkürzung der Bauzeit. Schließlich verlangen wir die Fortsetzung der bewährten Vergabemodelle unter Beibehaltung des Vorrangs losweiser Vergaben.

B. Wohnungsbau

1. Steuerliche Anreize schaffen

Um den erlahmten Bau von dringend benötigtem Wohnraum wieder anzuregen, braucht es vor allem handfeste Investitionsanreize. Wir fordern die neu gewählte Bundesregierung deshalb dazu auf, starke steuerliche Anreize für den Wohnungsbau zu setzen:

Private Bauherren müssen die Grunderwerbsteuer für den erstmaligen Bau oder Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum sowie für den Bau oder Kauf von fremdgenutzten Mietwohnungen als abzugsfähigen Posten bei der Einkommensteuer geltend machen können. Dies würde die finanzielle Belastung beim Immobilienerwerb senken und private Investitionen in den Wohnungsbau erleichtern.

Für Institutionelle Investoren fordern wir von der Bundesregierung die Einführung einer Superabschreibung mit hohen Abschreibungssätzen in den ersten Jahren für die Schaffung von neuem Wohnraum, um Investitionsimpulse zu setzen.

2. Mietpreisbremse abschaffen

Zudem fordern wir die vollständige Abkehr von der Mietpreisbremse. Sie ist kein wirkungsvolles und geeignetes Instrument für den angespannten Wohnungsmarkt. Stattdessen führt sie zu Unsicherheit bei privaten Bauherren und Investoren, wodurch dringend benötigter Wohnraum nicht geschaffen wird.

3. Bauvorschriften harmonisieren und reduzieren

Ergänzend zu diesen Maßnahmen fordern wir eine Harmonisierung und Reduzierung regulatorischer Vorgaben: Die unterschiedlichen Landesbauordnungen müssen bundesweit harmonisiert werden, um einheitliche und übersichtliche Rahmenbedingungen für Bauprojekte zu schaffen. Zudem müssen regulatorische Vorgaben und Baustandards gezielt abgeschmolzen werden, um Baukosten zu senken und Planungsverfahren zu beschleunigen. Ein vereinfachtes und einheitliches Baurecht würde den Wohnungsbau effizienter gestalten und Investitionen erleichtern.

4. Verlässliche Förderkulisse schaffen

Wir fordern von der Bundesregierung eine übersichtliche, verlässliche, langfristige und gut ausgestattete Förderkulisse für den Neubau und die Sanierung von Wohnraum jeglicher Ausgestaltung. Private und institutionelle Bauherren und Investoren benötigen aufgrund langer Planungs- und Finanzierungszeiträume langfristige Sicherheit darüber, welche Förderungen ihnen in welcher Höhe zur Verfügung stehen werden. Dazu zählt beispielsweise auch die einkommensabhängige Einführung des Baukindergelds.

C. Bürokratieabbau

1. Keine Übererfüllung europäischer Vorgaben

Bürokratie in Deutschland kostet jährlich 146 Mrd. EUR an Wirtschaftsleistung. Das entspricht in etwa 30 % des gesamten Bundeshaushalts. Diese Kosten hemmen das Wirtschaftswachstum in Deutschland erheblich. Wir fordern von der neuen Bundesregierung deshalb, bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht nach dem Minimalprinzip auf eine Übererfüllung europäischer Vorgaben zu verzichten. Deutschen Unternehmen darf höchstens so viel Bürokratie zugemutet werden, wie es die europäische Gemeinschaft für alle Mitgliedsstaaten vorsieht.

2. „One in, two out“-Regel einführen

Wir fordern eine Reform der 2015 eingeführten „One in, one out“-Regel hin zu einer „One in, two out“-Regel. Bisher hat diese Regel bestenfalls dafür gesorgt, dass zusätzliche bürokratische Belastungen für die Unternehmen nur etwas langsamer zugenommen haben. Mit einer Reform erwarten wir, dass auch tatsächlich Bürokratie abgebaut wird: Für jede Belastung im Sinne von bürokratischem Erfüllungsaufwand, die durch eine neue gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene erzeugt wird, muss eine doppelt so hohe Entlastung durch den Wegfall von Erfüllungsaufwand an anderer Stelle erfolgen. Hierzu gehört auch, dass die Bundesregierung den Erfüllungsaufwand neuer Gesetzesvorhaben seriös und belastbar schätzt.

3. Praxischeck für alle Gesetzesvorhaben einführen

Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, der Empfehlung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) zur Einführung eines verpflichtenden Praxischecks für alle neuen Gesetzesvorhaben zu folgen und alle Ministerien zur Anwendung zu verpflichten. Bei Praxischecks wird untersucht, ob Gesetze und ihre Umsetzung bürokratieärmer gestaltet werden können. Durch den Austausch mit direkt betroffenen Personen und Fachleuten werden bürokratische Hindernisse ermittelt und Lösungen erarbeitet.

4. Mehr Fortschritt bei der Genehmigungspraxis für Schwerlast- und Großraumtransporte

An den Fortschritt bei der Genehmigungspraxis für Schwerlast- und Großraumtransporte (GST) muss angeknüpft werden, indem die Verfahren weiter vereinfacht, digitalisiert und standardisiert werden, um die Kooperation zwischen den Akteuren zu verbessern und den gesamten Genehmigungsprozess zu erleichtern.

D. Arbeitsmarkt

1. Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit einführen

Die im Arbeitszeitgesetz vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitszeit ist nicht mehr zeitgemäß und entspricht in einer modernen, digitalen Arbeitswelt weder den Anforderungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch denen der Arbeitgeber. Dies trifft insbesondere auf die mittelständischen Bauwirtschaft zu, die für ihre Baumaßnahmen flexiblere Arbeitszeitmodelle benötigt. Wir fordern von der Bundesregierung daher eine Flexibilisierung in Richtung einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit, so wie es die europäischen Arbeitszeitrichtlinie auch vorsieht und zulässt.

2. Bundestariftreuegesetz verwerfen, Tarifautonomie und Wettbewerb stärken

Das geplante Bundestariftreuegesetz ist mit unverhältnismäßig hohen Bürokratiekosten für Unternehmen und Verwaltung verbunden, widerspricht dem Grundsatz der Tarifautonomie und schränkt den unternehmerischen Wettbewerb ein. Die hohe Konkurrenz um Fachkräfte in der Bauwirtschaft und Regelungen wie das Arbeitnehmerentsendegesetz sorgen ohnehin dafür, dass ein solches Gesetz für unsere Branche keinerlei Steuerungswirkung hätte. Wir fordern deshalb, dass ein solches Gesetz nicht umgesetzt wird.

3. Fachkräfteeinwanderung vereinfachen

Der Fachkräftemangel in Folge des enormen Bedarfs in der Wirtschaft, vor allem in der Bauwirtschaft, lässt sich nicht allein aus Fachkräften in Europa decken. Notwendig ist dazu auch eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten. Die Vergabe von Visa und Arbeitserlaubnissen dauert in den Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden jedoch deutlich zu lange. Wir fordern deshalb eine Genehmigungsfiktion für die Arbeitserlaubnis, wonach diese nach Ablauf der gesetzlichen Regelfristen als erteilt gilt, wenn die zuständige Behörde nicht das Gegenteil entscheidet.

Um ausländischen Fachkräften, die in Mangelberufen ausgebildet sind, gezielt und getrennt von Asylverfahren die Einwanderung direkt in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist mittelfristig außerdem eine zentrale, digitale Anlaufstelle notwendig, die sich neben der Arbeitsplatzvermittlung auch um eine Überprüfung der Einreisevoraussetzungen, Vermittlung von Sprachkenntnissen, Anerkennung von Qualifikationen, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis kümmert.

4. Aufhebung des Arbeitnehmerüberlassungsverbots in der Bauwirtschaft

Wir fordern die Aufhebung des Verbots der Arbeitnehmerüberlassung in der Bauwirtschaft. Das nicht mehr zeitgemäße Verbot schränkt die Flexibilität der Bauunternehmen ein, auf den saison- und projektbedingt wechselnden Personalbedarf zu reagieren. Durch die Aufhebung des Verbots können Bauunternehmen gezielter Arbeitskräfte einsetzen, um auf saisonale Schwankungen und projektbedingte Engpässe besser zu reagieren. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit der Bauwirtschaft stärken und helfen, den Fachkräftemangel in einem entscheidenden Sektor zu bekämpfen, ohne die Qualität oder Sicherheitsstandards zu gefährden.

5. „Westbalkanregelung“ ausweiten

Die so genannte Westbalkanregelung mit ihren Vereinfachungen für die Arbeitserlaubnis und Visumsvergabe für Menschen aus der Balkan-Region hat sich in der Bauwirtschaft als wichtiges Hilfsmittel bei der saison- und projektbedingten Bekämpfung des Fachkräftemangels erwiesen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb dazu auf, einerseits das Kontingent der Westbalkanregelung selbst zu erhöhen sowie weitere Kontingentlösungen mit erleichtertem Zugang in den Arbeitsmarkt für weitere Staaten und Regionen einzurichten. Dies ist nicht als langfristige Lösung für den demografisch bedingten Teil des Fachkräftemangels zu sehen, kann jedoch die akuten Auswirkungen des derzeitigen Fachkräftemangels kurz- und mittelfristig abmildern.

E. Finanzielle Entlastung der Wirtschaft und der Fachkräfte

1. Unternehmensbesteuerung auf maximal 25% deckeln

Die Steuerlast für Unternehmen in Deutschland ist im europäischen Vergleich eine der höchsten und belastetet die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. Wir fordern die Bundesregierung deshalb dazu auf, die Unternehmensbesteuerung auf maximal 25% zu deckeln. Wir müssen verhindern, dass weitere Unternehmen aufgrund des Steuer- und Kostendrucks aus Deutschland abwandern und der deutschen Wirtschaft auf diese Weise verloren gehen.

2. Mehr Netto vom Brutto – für gerechtere Steuern und stärkere Arbeitsanreize

Wir fordern eine Anpassung der Einkommenstarifgrenzen, die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags und einen Tarif auf Rädern, der durch regelmäßige Anpassung des Einkommenstarif die kalte Progression ausgleicht. Eine gerechtere Steuerpolitik, die mehr Netto vom Brutto ermöglicht, schafft echte Arbeitsanreize und belohnt beruflichen Einsatz. Arbeitnehmer dürfen nicht das Gefühl haben, dass sich zusätzliche Anstrengungen oder Lohnerhöhungen nicht auszahlen, weil der Staat übermäßig zulangt. Mit einer automatischen Anpassung der Steuerprogression und einer Erhöhung des Grundfreibetrags setzen wir die richtigen Signale: Arbeit fördern, Leistung belohnen und die Kaufkraft der Beschäftigten stärken. Das stärkt nicht nur den Einzelnen, sondern auch die gesamte Wirtschaft.

3. Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen

Die BVMB fordert, die verbliebenen Teile des Solidaritätszuschlags schnellstmöglich abzuschaffen. Dies eröffnet Unternehmen finanziellen Spielraum für Investitionen und führt damit zukünftig zu mehr Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit. Wie auch die Wirtschaftsweisen betonen, hat der Soli längst seine ursprüngliche Zweckbindung verloren.

4. Energiekosten senken

Strom-, Gas- und Treibstoffpreise sind für Unternehmen in Deutschland die teuersten im internationalen Vergleich. Sie treiben auch in der Bauwirtschaft die Preise, da viele Baumaterialien unter hohem Einsatz elektrischen Stroms

und Gas hergestellt und mit hohem Treibstoffaufwand transportiert werden müssen. Wir fordern die neu gewählte Bundesregierung deshalb dazu auf, die von ihr beeinflussbaren Preisbestandteile der Strom-, Gasund Treibstoffpreise wie Steuern und Umlagen (z. B. CO2-Bepreisung) drastisch zu senken, um deutschen Unternehmen die Beschaffung zu einem konkurrenzfähigen Preis zu ermöglichen.

F. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft

1. Nachhaltigkeit

Die Bauwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit bewusst und arbeitet aktiv daran, einen substanziellen Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels, zum Umweltschutz, Schutz der Biodiversität, zur Kreislaufwirtschaft sowie zur Achtung und Stärkung von Arbeitnehmer- und Menschenrechten zu leisten. Die Vielzahl regulatorischer Auflagen von deutscher und EU-Seite ist in dieser Breite, Detaillierung und Ausweitung auf mittelständische und kleinere Unternehmen nicht zielführend. Das ist nicht zweckdienlich und überlastet viele Unternehmen bürokratisch. Deswegen erwartet die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) von der neuen Bundesregierung, sich unverzüglich der Entschlackung und Entbürokratisierung der Nachhaltigkeits-Regulatorik zu widmen und bei der Europäischen Union ebenfalls darauf hinzuwirken.

Des Weiteren muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle bei der nachhaltigen Ausgestaltung von Bauvergaben spielen. Bislang sind öffentliche Bauaufträge zumeist allein von Kostenkriterien geprägt und Nachhaltigkeitskriterien wie Kreislaufwirtschaft, Energieeinsatz und anderes spielen keine Rolle.

Insbesondere geht es der mittelständischen Bauwirtschaft um folgende Punkte:

a) Abbau von Nachhaltigkeits-Bürokratie

Deutsches Lieferkettengesetz (LkSG)

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) als rein deutscher Alleingang muss ausgesetzt werden, bis die europäische Lieferkettenrichtline in Kraft tritt. Nur so lassen sich unnötige Doppelarbeit und Bürokratie für mittelständische Unternehmen vermeiden.

Europäisches Lieferkettengesetz (CSDDD)

Die geplante stufenweise Einführung des CSDDD (2027/2028/2029) darf auf keinen Fall verkürzt oder die Unternehmensgrößenschwellen herabgesetzt werden. Im Gegenteil muss geprüft werden, inwieweit das CSDDD nicht schon durch die Einführung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) obsolet wird, wenn die entsprechenden Unternehmen im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts ab ihrem Geschäftsjahr 2025 auch über Auswirkungen, Risiken und Chancen in ihrer Lieferkette über Arbeits- und Menschenrechte berichten werden. Dazu müssen die Nachhaltigkeitsberichte für 2025 von der Kommission dahingehend ausgewertet werden, ob diese nicht schon den Zweck des CSDDD erfüllen und somit die CSDDD entfallen kann. Wenn die CSDDD dennoch eingeführt wird, sollte der Bericht des Unternehmens über die CSDDD integrierter Teil des Nachhaltigkeitsberichts werden. Ein gesonderter, zweiter CSDDD-Bericht wäre nicht zielführend und erhöht den Aufwand für die betroffenen Unternehmen erheblich.

Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD)

Die europäische Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) in ihrer sehr detaillierten Ausgestaltung überfordert mittelständische Unternehmen und ist so nicht zielführend. Eine starke Entlastung für den Mittelstand würden folgende Anpassungen der CSRD bringen:

Klimabilanz: Keine Scope-3 Bilanzierung von Treibhausgasen

Die vorgesehene Pflicht zur Erstellung einer Klima- oder Treibhausgasbilanz darf erst ab dem zweiten Berichtsjahr (also idR ab 2026) gelten. Und sie darf für mittelständische Unternehmen bis 750 Mitarbeitende (vorhandene Größenschwelle in CSRD) nur die Emissionen Scope-1 und Scope-2 umfassen, nicht die Scope-3 Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Der Aufwand für Scope-3 Bilanzierungen ist für mittelständische Unternehmen unverhältnismäßig hoch und kann nicht mit geeigneter Genauigkeit geleistet werden. Dann wiederum ist eine solche Scope-3 Bilanzierung von Treibhausgasen in ihrer Aussagekraft wenig sinnvoll.

Testat des Berichts für mittelständische Unternehmen aussetzen Das vorgeschriebene Testat des Nachhaltigkeitsberichts muss für alle mittelständischen Unternehmen ausgesetzt werden. Das muss mindestens für alle Unternehmen gelten, die 750 oder weniger Mitarbeitende haben (vorhandene Größenschwelle in CSRD). Wenn eine unbefristete Befreiung von der Testatspflicht nicht erreicht werden kann, dürfen die Unternehmen frühestens den Bericht für das Geschäftsjahr 2027 (und damit den dritten Bericht) prüfen lassen müssen. Für alle Unternehmen (ausgenommen die Unternehmen von öffentlichem Interesse, insbesondere also börsennotierte Unternehmen) muss bei einer unvermeidbaren Prüfung diese mit „eingeschränkter Sicherheit“ ausreichend sein (statt mit „hinreichender Sicherheit“). Neben den Wirtschaftsprüfern müssen auch andere Sachverständige den Nachhaltigkeitsbericht prüfen dürfen. Dies fördert den Wettbewerb, schafft mehr Kapazitäten, senkt die Prüfungskosten für die Unternehmen und lässt Sachverständige zu, die mitunter die Inhalte und die Unternehmen besser prüfen können als Wirtschaftsprüfer.

Taxonomie abschaffen

Die CSRD sieht die Ausweisung der Taxonomie für alle von der CSRD betroffenen Unternehmen ab 2025 vor. Das erzielt keinen Mehrwert, bedeutet unnötigen Aufwand und geht am eigentlichen Zweck der Taxonomie gänzlich vorbei. Für Unternehmen von öffentlichem Interesse (insbesondere börsennotierte Unternehmen) mag die Taxonomie eine eingeschränkt sinnvolle Transparenz für den Kapitalmarkt herstellen. Aber für mittelständische Unternehmen gibt es keinen Mehrwert, da sich diese Unternehmen in der Regel nicht an der Börse finanzieren, oftmals wenig Fremdkapital benötigen und die involvierten Banken ohnehin ihre eigenen ESG-Kriterien und -Analysen bei Finanzierungen anwenden. Die Taxonomie muss daher für alle Unternehmen ausgesetzt werden. Lediglich für Unternehmen von öffentlichem Interesse kann sie ggf. erhalten bleiben, wenn ein Mehrwert nachgewiesenermaßen entsteht.

b) Förderung des Wettbewerbs / Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen vor bürokratischer Überforderung

Selbst kleine und mittelgroße Bauunternehmen müssen bei Ausschreibungen oder als Auflage für Auftragsvergaben Nachhaltigkeits-Lieferantenkodizes bestätigen und in zunehmenden Maßen auch aufwändige Nachhaltigkeits-Assessments durchlaufen. Beispielsweise erwartet die Deutsche Bahn von ihren Lieferanten die erfolgreiche Teilnahme und das Erreichen von Mindestpunktzahlen bei ESG-Ratings wie ecovadis oder creditreform. Die Komplexität solcher Assessments überfordert viele kleine und mittlere Unternehmen. Deswegen muss die öffentliche Hand und öffentliche Auftraggeber

stärker auf die Unternehmensgröße der Lieferanten Rücksicht nehmen und entsprechende längere Übergangsfristen, geringere Mindestanforderungen und keinesfalls jährlich steigende Mindestanforderungen von kleinen und mittleren Lieferanten erwarten.

Wenn kleinere und mittlere Unternehmen von Ausschreibungen und Auftragsvergaben der öffentlichen Hand durch zu hohe Mindestanforderungen an Nachhaltigkeits-Assessments ausgeschlossen werden führt dies zu einem stark eingeschränkten Wettbewerb, zu höheren Kosten für die öffentliche Hand, zur Benachteiligung kleinerer, lokaler Anbieter und zur Oligopolisierung der Bauwirtschaft.

c) Nachhaltigkeit bei öffentlichen Auftragsvergaben

Was die Politik und Regulierung von Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit erwartet, muss auch bei Ausschreibungen und Auftragsvergaben der öffentlichen Hand sowie auch in der Kostenkalkulation von Projekten entsprechend berücksichtigt werden. Die öffentliche Hand als großer Auftraggeber muss Vorbild in Bezug auf Kreislaufwirtschaft, ressourcenschonendes Bauen, Recycling, Abschwächung des Klimawandels und Schutz der Biodiversität auch im Bauwesen sein und den Bauunternehmen die Möglichkeit geben, das in den Angeboten kostendeckend vorzusehen. Die Bauwirtschaft kann in vielerlei Hinsicht schon heute entsprechende Bauweisen, Prozesse und Materialien anbieten – nur werden diese heute von öffentlichen Auftraggebern weitgehend ignoriert.

2. Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft muss gestärkt werden, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Abfälle zu vermeiden. Das „PORR-Urteil“ vom 17.11.2022, in dem der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) feststellt, dass auf Baustellen ausgebautes Material unter bestimmten Umständen als Nebenprodukt eingestuft werden und durch eine Vorbereitung zur Wiederverwendung bereits auf der Baustelle die Abfalleigenschaft verlieren kann, bietet hierfür eine wichtige Grundlage. Auf dieser Basis fordern wir von der Bundesregierung, klare und rechtssichere Regelungen und vor allem praktikable Leitlinien zum Abfallende zu schaffen, um ausgebautes Material wiederverwenden zu können.

3. IV. Novelle 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung

Wir fordern von der Bundesregierung, im Rahmen einer Novellierung der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung Genehmigungserfordernisse für Zwischenlagerflächen im Zuge von Baumaßnahmen abzubauen, die nur kurzzeitig benötigt werden, um mineralische Bauabfälle zu beproben und zur Abholung bereitzustellen. Dazu ist notwendig, dass neben den bestehenden Ausnahmetatbeständen auch Zwischenlager für mineralische Abfälle nur dann einer Genehmigung bedürfen, soweit den Umständen nach zu erwarten ist, dass sie länger als zwölf Monate an demselben Ort betrieben werden (12-Monats-Privileg).

Auch der Ausnahmetatbestand „ausgenommen die zeitweilige Lagerung auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle“ muss dahingehend konkretisiert werden, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob sich die Lagerfläche räumlich unmittelbar im Baustellenbereich befindet oder nicht.

Zum anderen fordern wir, die Industrieemissionsrichtlinie (IED) strikt 1:1 in nationales Recht umzusetzen. Nach der IED stellen nur Zwischenlager von gefährlichen Stoffen „bis zur Durchführung einer in den Nummern 5.1, 5.2, 5.4 und 5.6 aufgeführten Tätigkeiten“ eine IED-Anlage dar. Nach der derzeit geltenden 4. BImSchV werden Abfallzwischenlager aber unabhängig davon, ob sich eine IED-Tätigkeit anschließt, als IED-Anlage eingestuft. Diese Verschärfung im nationalen Recht muss korrigiert werden, die Anwendung des „IED-Rechts“ auf bloße Zwischenlager-Anlagen ist überzogen.

Herausgeber

Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e. V. 2025 Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e. V. (BVMB) Königswinterer Straße 329, 53227 Bonn Tel.: 0228 91185-0 info@bvmb.de & www.bvmb.de Lobbyregister Nr.: R001874

Verantwortlicher Redakteur i. S. d. P.: Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer

Bildnachweise: Ievgen Skrypko/AdobeStock Supittra/AdobeStock KRIS/AdobeStock Summit Art Creations/AdobeStock Polonio/AdobeStock bilanol/AdobeStock Peggy_Marco/pixabay

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