Brixner 382 - November 2021

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Brixner Nr. 382

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Perspektiven für ein schwieriges Erbe EISACKTAL: Hunderte von Bunkern wurden in Südtirol an strategisch wichtigen Punkten als militärische Verteidigungsbauten errichtet. Es sind ungeliebte und doch faszinierende Bauten – mit einer dramatischen Geschichte und einer offenen Zukunft.

Fotos: Oskar Zingerle

Heute ihrer militärischen Funktion enthoben, erinnern sie als stumme Zeugen an totalitäre Regime, an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und die drohenden Gefahren des Kalten Krieges. In den Dörfern rund um Brixen findet man sie zuhauf: Fünf sind es in Franzensfeste, vier beim Ochsenbühel, 43 entlang der Linie Rienz-Natz-Schabs und fünf in Mühlbach.

Verteidigungsanlagen Per definitionem ist ein Bunker ein der Verteidigung dienendes Bauwerk, das zur Tarnung in den Felsen gegraben oder gesprengt wurde, oberirdisch errichtet und nachträglich zugeschüttet oder entsprechend getarnt wurde. Noch vor dem Kriegseintritt Italiens herrschte großes Misstrauen gegenüber dem eigenen Verbündeten – Adolf Hitler und dem Deutschen Reich. Während Italien bereits Anfang der Dreißigerjahre Verteidigungsanlagen an den Grenzen zu Frankreich und Jugoslawien errichten ließ, wurde der Grenzschutz Richtung Österreich erst später wichtig. Den Anstoß für die Planung und den Bau eines dichten Verteidigungswalls, des „Vallo Alpino Littorio“, dürfte schließlich der so genannte „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 gegeben haben. Mit dem Bau des in der Bevölkerung etwas spöttisch „Linea non mi fido“ bezeichneten Grenzschutzes wurde Ende 1939 begonnen. Heimo Prünster, Leiter des Forschungsprojektes zum „Vallo“, beschreibt das Ausmaß dieser ungeheuer großen Bauarbeiten: „Geplant waren für Südtirol etwa 44 bis 46 Sperren mit 733 bis 806 Bunkeranlagen. Fertiggestellt wurden bis zur Einstellung der Arbeiten im Oktober 1942 306; weitere 135 Baustellen blieben unvollendet.“ Anders als etwa die Schutzbauten des von den Deutschen errichteten Atlantikwalls weisen die Bunker in Südtirol keine einheitliche Typologie auf. „Am Atlantik war klar, dass der Feind ausschließlich vom Meer kommen würde; in Südtirol ist die Ausgangslage viel komplexer.“ Die Bunker mussten den geographischen und geologischen Verhältnissen angepasst werden. Sie wurden teils in die Felsen gesprengt, teils zur Gänze aus Beton gegossen und sowohl auf freiem Gelände als auch an Hänge ge-

denn was hätte schon eine Maschinengewehrsalve gegenüber einem Panzer ausgerichtet?“ In der Eile und unter großem Druck geplant, kristallisierte sich bereits während des Baus heraus, dass sie nicht den neuesten ballistischen Notwendigkeiten entsprachen, was teilweise zu chaotischen Umplanungen führte.

Wein im Bunker

Matthias Lanz nutzt den Bunker naher seiner Raststätte und seinem Mini-Weingut an der Pustertaler Straße als Weinkeller duckt errichtet, in Talsohlen und Wäldern, im Mittelgebirge und in den Bergen. „Keine zwei Bunker in unserem Land sind vollkommen identisch“, weiß Heimo Prünster. „Der Bau von Bunkern war zwar absolut zeitgemäß, die Bauform mit Schießscharten für Maschinengewehre jedoch bereits überholt. Man hätte sie mit Panzerabwehrkanonen ausstatten müssen,

Matthias Lanz zeigt uns die Positionen für die Maschinengewehre in dem Bunker in Schabs, der seiner Familie gehört. Dieser sollte damals mit zahlreichen anderen – darunter einem auf der gegenüberliegenden Straßenseite – den Eingang ins Pustertal sichern. Von außen ist er nur auf den zweiten Blick als solcher erkennbar. Die rund 200 Meter langen Gänge und die angrenzenden neun Seitenräume wurden zum großen Teil in den Felsen gesprengt und anschließend innen mit Betonwänden ausgekleidet. Fertiggestellt wurde der Bunker nicht: Heute noch sieht man Reste von Holzverschalungen für den Betonguss, Granitwände fassen einen Teil der Gänge ein, vereinzelt sind die Sprenglöcher im Felsen auszumachen. „Als wir den Bunker übernommen haben, waren die Innenräume nicht verputzt. Es gab auch keine alten Stromleitungen oder Belüftungsvorrichtungen“, erinnert sich Matthias Lanz.


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