Politik & Gesellschaft
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Mehr Lebensfreude Vor 13 Jahren haben betroffene und engagierte Eltern viele bürokratische Hürden überwunden und die Sozialgenossenschaft „Efeu“ gegründet. Im Thalhofer-Hof oberhalb des Kinderdorfes finden junge Erwachsene mit Wahrnehmungsstörungen seitdem den Raum, in dem sie sich die Zeit nehmen können, sich zu entwickeln.
L
ang ist die Liste für die vorweihnachtlichen Aktivitäten, die die Klienten der Sozialgenossenschaft „Efeu“ selbst geschrieben haben. Von Kerzen, Adventskranz, Keksen und Weihnachtskonzert ist so ziemlich alles zu lesen, was sie bis Weinachten erledigen möchten. Damit ja nichts vergessen wird, ist die Liste an die Wand im Arbeitsraum gepinnt. Bei unserem Besuch im Talhofer-Hof steht gerade das gemeinsame Keksebacken auf dem Plan. In Kleingruppen sitzen die jungen Erwachsenen mit ihren Betreuerinnen an den Tischen und erfüllen ihre Aufträge: David zum Beispiel, der noch den Teig fertig rühren muss, und Stephanie, die die Aufgabe hat, ihm die nötigen Zutaten aus dem handgeschriebenen Rezept anzusagen. Stefan berichtet, dass er mit Bernd die Spitzbuben gemacht hat. Der selbstbewusste Bernd freut sich auf den Krampusumzug in Sterzing, und auf meine Antwort, dass ich keine Spitzbuben backe, fragt er: „Aber einen Adventkranz hast du schon, oder?“ Thomas hängt mit dem Betreuer Joachim Kugeln auf und freut sich wie ein Schneekönig, als es ihm gelingt, die Kugel aufzuheben und sie der helfenden Hand von Joachim entgegenzustrecken. Die Hand von Martin muss von der Betreuerin Sarah bei der Vorbereitung der Jause geführt werden.
10 Jahre Efeu. „Efeu ist ein Ort, der auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingeht, wo sich jeder die Zeit nehmen darf, die er braucht, um sich zu entwickeln“, schreibt Maria Oberhofer, die Präsidentin der Sozialgenossenschaft, zum 10-jährigen Jubiläum der 2005 eröffneten Tagesstätte. Diese Zeit brauchen sie auch, denn die jungen Erwachsenen, die in dieser Struktur zusammenkommen, sind mit ganz anderen Grundvoraussetzungen ins Leben gestartet als unsereins: Die therapeutische Tagesstätte ist nämlich für Menschen mit taktilen und intermodalen Wahrnehmungsstörungen gedacht. Ein Klient der Tagesstätte beschreibt das anschaulich: „Eine Wahrnehmungsstörung ist, wenn im Gehirn bestimmte Sachen durcheinandergehen, und man kann Sachen nicht wahrnehmen wie die anderen Leute.“ Die jungen Erwachsenen haben Schwierigkeiten, alle Sinne miteinander zu verbinden; in bestimmten Situationen können sie nur schauen oder nur hören. Den Alltag zu begreifen, Erfahrungen zu sammeln und über die Sprache die Sinne miteinander zu verbinden, ist das erklärte Ziel der Therapie für die Klienten im Thalhofer. „Unsere Klienten machen Übungen, die mit dem Alltag zusammenhängen. Sie brauchen keine sterilen Situationen“, erklärt
meinsamen Lernen, der Durchführung von kleinen Arbeiten in der Werkstatt oder im Gartenbereich, dem Planen und Durchführen von Einkäufen gefüllt. „Thomas braucht diese Struktur mit ihren geregelten Arbeitsabläufen“, ist dessen Mutter Veronika Noflatscher überzeugt, „für ihn ist ‚Efeu’ die zweite Familie. Thomas ist motiviert und ausgeglichener.“
„Ich gebe Stephanie nicht auf“
Maria Oberhofer ist Präsidentin der Sozialgenossenschaft „Efeu“ – und selbst betroffene Mutter
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Joachim Tauscher, der Leiter der Tagesstätte. Deshalb baut das Therapiekonzept auf dem sogenannten Affolter Modell auf (siehe Infokasten). Die positiven Erfahrungen, die damit bereits gemacht wurden, bestärken die Eltern, diese neuen therapeutischen Grundsätze mit dem Alltag zu kombinieren. So wird der Efeu-Alltag mit Hilfe der Ergotherapeuten und Sozialassistentinnen mit dem gemeinsamen Kochen, dem ge-
Auch Maria Oberhofer, die seit der Gründung der Sozialgenossenschaft „Efeu“ 2003 als Präsidentin fungiert, hat persönlich gute Erfahrungen mit diesem Therapiekonzept gemacht, denn auch sie ist eine betroffene Mutter. Frau Oberhofer, erzählen Sie uns bitte den Weg Ihrer Tochter Stephanie von der Geburt zur Aufnahme in die Sozialgenossenschaft „Efeu“. MARIA OBERHOFER: Die Geburt von Stephanie war problematisch. Zuerst gab es eine Notoperation, und dann ist Stephanie in den Brutkasten gekommen. Ich durfte sie nach einiger Zeit auf meinen Wunsch hin nach Hause nehmen, aber nach fünf Tagen war Stephanie wieder im Krankenhaus. Ich bin mit der Situation nicht zurechtgekommen. Stephanie hatte Schreiattacken und Ersti-
mit eigener Tischlerei Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 - 12 und 14 - 18 , Samstag 8.30 - 12 Uhr
Wir wünschen allen gesegnete Weihnachten, Glück und Gesundheit im neuen Jahr.
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