AUSSTELLUNG IN DER BRIXNER HOFBURG
Kunst & Kultur
Die letzten Dinge H
euer hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert, der große Südtiroler Künstler Peter Fellin. Der am 6. September 1920 in Revó am Nonsberg als letztes von 16 Kindern einer Gastwirtfamilie geborene „Pierino“ galt allgemeine als „schwierig“. Kein Wunder, hatte er doch zeitlebens mit der Aufarbeitung seines Schicksals als Vollwaise zu hadern und an der Überwindung der Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Sein Onkel Giacomo nimmt den kaum Siebenjährigen in Pflege und übersiedelt berufsbedingt nach Graz. Piero darf aber nicht mit; er wird vorerst bei Giacomos lediger Schwester in Schwaz untergebracht. Er wird gedrillt und
lebt nach eigener Aussage wie eine Thomas-Mann-Figur. „Ich habe alles gehabt, mir ist nichts abgegangen… nur Wärme, Liebe, das hatte es nicht gegeben“, wird
Die Studienjahre. 1937 studierte
er in Graz an der Kunstgewerbeschule bei wichtigen Exponenten der österreichischen Zwischenkriegszeit. Fellin erlangt in sehr
„Ich habe immer dankbar sein müssen, das ICH war ausgeschaltet“_ Peter Fellin Fellin in einem Interview zitiert. Und es wird ihm verboten, Italienisch zu sprechen; Deutsch wird seine Muttersprache, und „Peter“ wird ein Leben lang Probleme mit dem Italienischen haben.
kurzer Zeit ein hohes Maß an Kunstfertigkeit und bekommt Einblick in alle gängigen Tendenzen in Europa. In dieser Zeit entsteht eine Reihe von Selbstbildnissen in den verschiedensten Techniken, wobei der junge Maler teils einen trotzig offensiven, teils einen düster depressiven Eindruck hinterlässt. Die Kunst in ihrer Ichbezogenheit bietet ihm erstmals die Gelegenheit, seine seelischen Verletzungen zu überwinden. „Ich habe immer dankbar sein müssen“, sagt Fellin, „das ICH war ausgeschaltet.“ Über die Selbstspiegelung hinaus fokussiert sich Fellin bereits auf religiöse Themen in größeren Formaten – ein Bereich, der ihn jahrzehntelang beschäftigen wird.
Zerfall der Welt. Fellins Wiss-
begierde zieht ihn nach Wien, wo er bei Herbert Boeckl studiert. Die kurze, aber intensive Zeit mit Boeckl schlägt sich in einem Stilwandel nieder. Die erkennbare Orientierung zum österreichischen Expressionismus erfährt eine Bereicherung durch 34
pastosen Farbauftrag und durch vielfältige Modulation innerhalb eines großzügigen Pinselstrichs; eine Technik, die er stets zu verbessern trachtet. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges versucht Fellin durch ständigen Ortswechsel zwischen Graz, Wien und Schwaz der Einberufung zu entgehen – vergebens. 1942 muss er einrücken und entscheidet sich für die Wehrmacht, da er schon damals das Italienische fast vergessen hat. Verwundungen und Lazarettaufenthalte alternieren sich, bis er Mitte März 1945 in amerikanische Gefangenschaft gerät. In einem Steinbruch in der Nähe von Neapel trifft er auf den Brixner Bildhauer Martin Rainer, und in Pisa ist zur gleichen Zeit auch Ezra Pound interniert, der aufgrund seines Engagements für Mussolini des Hochverrats angeklagt ist. Fellin wurde durch die „Affäre“ Pound bereits während der Gefangenschaft in hitzige Diskussionen um die politische Verantwortung von Künstlern eingebunden, um die Einschätzung dichterischer Qualität, um die Positionierung avantgardistischer Konzepte mit weitreichender Resonanz. Sie werden wichtiger Hintergrund im Ringen um die künstlerischen Zielsetzungen, die um Begriffe wie „Natur“, „Signatur“ und „Schriftzeichen“ kreisen. Kaum aus dem Lager entkommen, trifft er in Meran die Industriedesignerin Herta Huber wieder, die seine Mitschülerin in Graz gewesen war. Sie heiraten am 1. Dezember 1947, und Fellin wird in Meran sesshaft. „Sonst wäre
Foto: Oskar Zingerle
„Peter Fellin, Meditationen“ nennt sich die Ausstellung in der Hofburg, die noch bis zum 8. November 2020 zu sehen sein wird. In der eindrucksvollen Schau präsentiert Andreas Hapkemeyer Werke aus dem Bestand des Museions, dem Objekte aus dem Diözesanmuseum gegenübergestellt sind.