BLANK MAGAZIN März 2009

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JESUS CHRIST NEXT

SUPERSTAR TexT TeResa MohR

Das „Politische Lied“ ist mittlerweile - und nicht erst seit „What a beautiful day“ von U2 - ein feststehender Begriff. Googlet man in den erinnerungen an die eigene musikalische sozialisation begegnet man je nach Generation joan Baez und Bob Dylan, hannes Wader und Reinhard Mey oder Green Day und Rise against. Gekauft, kennt jeder und den Charme, der songs zwischen unschuldiger friedensromantik und wütender Regimekritik umgibt, wird wohl niemand in frage stellen. Was waren wir jung damals. Und sind es heute noch. Und sonst? Das „Religiöse Lied“ ist als Genre noch ein bisschen älter und hat inzwischen einzug in die Popkultur gefunden. Zumindest hier und da. Dass der Markt für songs, die von weitaus mehr als „einem bisschen frieden“ künden, gerade in den Usa stetig wächst, ist nicht überraschend. Wer in sachen segen das singen und sagen hat, weiß unsere autorin. Sarah Brendel Mal ehrlich: Wir haben doch alle schon mehr als einen sehnsüchtigen Gedanken an die Hippiezeit verloren und uns gewünscht, dabei gewesen zu sein – ob bei den Studentenprotesten oder den LSD-Happenings mit Timothy Leary. Sarah Brendel hätte die Sache mit dem LSD vielleicht weggelassen, dafür aber ganz sicher gerne in Woodstock gerockt. Der Soundtrack ihrer Kindheit, die Songs von Joan Baez und Bob Dylan, hat Brendel nie losgelassen, die als 78er-Jahrgang ein bisschen zu spät dran war. Sicher, ein bisschen cleaner ist das, was sie selbst macht, schon. Man will ja niemanden verärgern und außerdem fehlt es Brendel wahrscheinlich einfach an den nötigen Erfahrungen, um so richtig schön unsittlich zu werden. 2002 hat sie jedenfalls deutlich Position bezogen, als es darum ging, ihren Christival-Song „Be With You“ für die Ralf König-Comicverfilmung „Wie die Karnickel“ freizugeben. Was Brendel natürlich nicht tat – Gott und das Label Inpop Records dankten es ihr mit einem Plattenvertrag in den USA, wo sie daraufhin für ein paar Monate tourte und lebte. Dieser Aufenthalt in Tenessee hat sich nachhaltig auch auf den Sound der heute 30jährigen ausgewirkt, ja, ihn regelrecht verjüngt. Was drei Alben lang als seichter und leicht zuckriger Songwritersound an unser Trommelfell klopfte, hat sich auf dem im September dieses Jahres erschienenen Album „Early Morning Hours“ zu sehr schönem, entspannten Folk mit Indie-Attitüde transformiert. Womit Sa-

rah Brendel auf dem richtigen Pfad zu wandeln scheint, den Blick in Richtung Woodstock.

tobymac Toby McKeehan hat sich seinen Künstlernamen schon ganz passend ausgesucht, denn er ist der Mac. Zumindest, wenn es um „christliches Musikbusiness“ geht. In einem deutschen Online-Portal hat man sich sogar dazu verleiten lassen, ihn als „Justin Timberlake der christlichen Musik“ zu bezeichnen. Was den WorkaholicStatus betrifft, mag das stimmen; auch was die Äußerlichkeiten betrifft, kann man sich vorstellen, dass beide ähnliche Reaktionen in den Köpfen pubertierender Mädchen hervorrufen. McKeehan allerdings hat zehn Jahre mehr auf dem Buckel als Timberlake. Was man ihm allerdings nicht ansieht, vielleicht greift da ein ähnliches Prinzip wie bei Ned Flanders von den „Simpsons“, der dank seiner Gottesfurcht mit 60 noch von der Körperlichkeit eines Mittdreißigers profitiert. Auch was Award-Shows betrifft, verbindet die beiden, also Timerblake und TobyMac, ihr großer Erfolg. Allerdings bekommt McKeehan den Dove- und keinen MTVAward, quasi das christliche Pendant zum Grammy. Aber musikalisch, da haut der Vergleich hinten und vorne nicht hin: TobyMac präferiert schon seit DC TalkZeiten eine Mischung aus Hip Hop-Beats und Crossover-Riffs, während Timberlake Dancefloor-Pop mit RnB-Flair anbietet. Und: McKeehan hat eine Menge mehr

erreicht. Einstmals Mitglied der extrem erfolgreichen christlichen Band DC Talk, die sich 2001 auflöste, ist er heute Chef eines der bedeutendsten religiösen Labels der USA, Gotee Records, das christliche Künstler wie Paul Wright, Relient K und Out Of Eden supportet. Kein Wunder, dass TobyMac von der evangelikalen Zeitschrift „Christianity Today“ unter die Top 50 der evangelischen Vorbilder dieser Generation gewählt wurde. Nebenbei ist McKeehan seit 14 Jahren verheiratet und Vater von fünf Kindern. Und außerdem hat er die Stiftung E.R.A.C.E. gegründet, die sich gegen Rassismus engagiert, und mit seinem Ex-DC Talk Kollegen Michael Tait ein Buch herausgebracht, das Christen vorstellt, die sich im Laufe der Geschichte der USA für ihr Land eingesetzt haben. Puh.

paul wright Es macht eigentlich keinen guten Eindruck, wenn man gleich zu Beginn einer Besprechung eine Schublade aufmacht und das Opfer der eigenen Kartographierungswut darin verpackt. Ich behaupte aber, dass es auch darauf ankommt, wie die Schublade beschaffen ist – ob groß, klein, dunkel, zugig oder weich gepolstert. Das macht doch etwas aus! Deshalb: Paul Wright wird sich schon wohlfühlen in seiner Schublade, denn die hat erstens ein prima Klima und zweitens teilt er sie sich mit Jack Johnson und Jason Mraz. Sind doch nette Typen. Und scheinen neben Einflüssen wie A Tribe Called Quest

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