BLANK 02/2013

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MUSIK MAX PROSA, BABY IN VAIN, RETRO STEFSON FILM VERGISS MEIN NICHT

GESELLSCHAFT, DISKURS, DISKO

TÜCKISCHE WAFFEN

ÜBER FEMEN UND BRÜSTE MAXIM

NICHT SO DER MESSIAS-TYP

WARUM PEER STEINBRÜCK?

Frühjahr / 2013



Die

Richtung stimmt!

Warum Peer Steinbrück das Cover dieser Ausgabe ziert von Johannes Finke

Der Winter war hart. Das Leben ist hart. Aber Menschen sind nun mal nicht aus Seidenpapier. Auch wenn es zur Bundestagswahl im Herbst noch etwas hin ist, so wollen wir doch jetzt bereits Teil davon sein. Partizipieren. Frühling. Etwas einläuten, von dem man manchmal das Gefühl hat, es wird bereits nach Hause geläutet. Nur so ein Gefühl. Aber ein bedrängendes. Aber egal. In diesem Editorial geht es allein um die richtige Richtung. Nicht um den Weg. Der unser Cover zierende Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokratie hatte nicht unbedingt das, was man einen gelungenen Start nennen könnte und auch jetzt scheint man sich eher durch die Notwendigkeiten der Machtaquise zu quälen, als mit Freude einen Umschwung einzuläuten. So weiß man eigentlich auch gar nicht genau, um was es eigentlich geht. Nicht nur bei der Wahl. Mehr so in der Politik im Allgemeinen. Keine Visionen. Und schon gar kein utopistisches Potential. Um einen Systemwechsel scheint es jedenfalls nicht zu gehen, dafür wird zuviel über Banken und Finanzmärkte und zu wenig über die Menschen, Europa und Identität geredet. ‚Leistung muss sich lohnen‘ scheint durch alle Parteien des demokratischen Spektrums hindurch ein Nenner geworden zu sein, der unsere Gesellschaft maßgeblich mitdefiniert. Egal ob man damit den individuellen Erfolg oder den gesellschaftlichen Einfluss meint. Auch Steinbrück liegt es nicht fern unsere Gesellschaft als eine zu beschreiben, in der ‚Leistung‘ wichtig zu sein scheint und in der nicht an den Grundpfeilern gerüttelt werden darf. Leider sind diese Grundpfeiler mittlerweile die Schere zwischen Arm und Reich, der Generationen- und Geschlechterkonflikt und die Unfähigkeit den Menschen zu vermitteln, dass Europa mehr eine Chance als ein Problem darstellt und dass wir uns be-

mühen sollten, eine Identität zu schaffen, die der Vielfalt und Farbenfreude unserer deutschen und europäischen Gesellschaft gerecht wird und Grundlagen schafft die Menschen auch global zusammen zu führen. Von all dem ist jedoch nicht viel zu sehen. Warum dann Peer Steinbrück auf dem Cover, wenn wir das eher leidenschaftslos betrachten? Ganz einfach! Es muss endlich weitergehen. Auch ohne große Visionen in Politik und Philosophie. Auch ohne Konzepte, bei denen man das Gefühl haben könnte, sie sind eigentlich nur Schadensbegrenzung oder Selbststilisierung oder einfach nur in die Welt geworfen um Mitzuspielen, wenn es um Machtverteilung geht. Wir müssen aufbrechen, was bereits starr ist. Wir müssen Merkel abwählen, weil all das nur funktioniert, wenn Geschlechter und Generationen zu sich und zueinander finden und Gerechtigkeit nicht mehr nur beschreiben, sondern auch leben können, ohne fortwährend an deren Grenze zu stoßen. BLANK sitzt in Berlin. Eine Insel der Glückseligkeit für alle die ‚etwas mit Medien oder Mode‘ machen, den Fahrservice vom Bundestag nutzen oder das Geld ihrer Eltern gentrifizieren lassen. Das fühlt sich nicht immer gut an. Aber deswegen müssen wir mal über den Tellerrand schauen, ehe wir anfangen die immer gleiche Suppe auszulöffeln. Und soziale Gerechtigkeit ist an sich ja eigentlich die richtige Richtung. Doch wir sollten uns so langsam Gedanken machen, wie es dann weitergeht. Dann, wenn wir merken, dass Richtung und Wille vielleicht stimmen, wir aber einfach keinen Weg finden und uns am Ende des Tages immer noch schlecht fühlen und die Welt als ungerecht empfinden. Die Banken werden uns dabei nicht helfen. Aber Peer Steinbrück vielleicht ein bisschen mehr als Frau Merkel. Deshalb.

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BLANK NR. 12 / Frühjahr 2013 Titelfoto : Marco Urban

8 zum Vögeln zu fertig Deutschland treibt es nicht mehr allzu bunt. Und wenn, dann nur noch im Fernsehen und im Netz. Sind die Deutschen plötzlich prüde? Oder einfach nur zu müde? 12 Die GroSSe BLANK verlosung Wir erzwingen mit handverlesener Mode den Frühling, schicken euch auf Festivaltour, versorgen einige Gewinner mit Lesestoff und noch so viel mehr. 20 Ja? Nein? Vielleicht? Jana vielleicht! Jana ist die Dame, die euch euren guten Geschmack im Sommer befriedigen wird. Selbstbewusst, stilsicher, sportlich: Wie ihre Biermix-Kreation „Beck‘s Summer Holunder“. 22 Nicht so der Messias-typ Wenn deutschsprachige Popmusik anfängt, international zu klingen und trotz vieler guter Ideen nicht verkopft zu werden, dann liegt etwas Spannendes in der Luft. Dem Kölner Maxim ist mit seinem vierten Album „Staub“ diese Mischung gelungen und deswegen hat der Branchenriese Warner sich den stillen aber selbstbewussten Musiker ins Team geholt. Um jetzt mal richtig durchzustarten. 28 genug zeit für eine revolution Manchmal macht man sich auf die Suche nach etwas ganz Bestimmten, schaut dabei in eine vollkommen falsche Richtung – und findet trotzdem etwas Grandioses. In Dänemark sucht man meistens großartige Hardrockbands mit frischen Ideen und findet BABY IN VAIN.

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Für ein neues Jahr ganz anderen Kalibers: Orion Datum. Der patentierte Mechanismus ließ den Glashütter Klassiker leicht wachsen. So wirkt die Uhr noch flacher, noch schöner und schlicht umwerfend elegant. www.nomos-store.com und nomos-glashuette.com INHALT BLANK I 5


32 Max Prosa von A bis Z Max Prosa wurde 1990 in Berlin geboren. Im letzten Jahr erschien sein hochgelobtes Debütalbum „Die Phantasie wird siegen“. Darauf singt er ganz anders als alle, meinten viele und hatten sofort genug Gründe ihn, wie so einige vor ihm, mit dem oberflächlichen Etikett des deutschen Bob Dylan zu versehen. Für uns ist er einfach nur einer der besten Sänger, die wir haben. 38 Beweg Dich Nach der großen Resonnanz auf unser letztes Cover, wollten wir dem Thema Bondage nochmal etwas Raum einräumen. 50 Tatort: Liebe David Sieveking hat mit „VERGISS MEIN NICHT“ einen der außergewöhnlichsten deutschen Dokumentarfilme aller Zeiten gemacht. 62 Um nichts vorwegzunehmen … Roman Libbertz dieses Mal im Gespräch mit Joey Goebel. 66 Impressum

HEFT ZWEI Philipp Schiemann: Es führt kein Weg zurück Teresa M. Bücker: Tückische Waffen

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zum

Vögeln zu fertig

Text Eva Heidenfelder Fotografie flickr.com /Sian Murphy

Deutschland treibt es nicht mehr allzu bunt. Und wenn, dann nur noch im Fernsehen und im Netz. Sind die Deutschen plötzlich prüde? Oder einfach nur zu müde?

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in Stöhnen geht durchs Land. In einem nationalen G eschlechtsakt wälzen sich paarungsreife Bundesbürger jeder Couleur durch Betten, Büros, Bars und Bordells. Der deutsche Porno hat immer mehrere Akte und jeder Höhepunkt beschert den Darstellern multiple Orgasmen. Intellektuelle Saubermänner schwingen in der schlafzimmereigenen Folterkammer die Peitsche, ostdeutsche Hausfrauen frönen im Latex-Tanga samt bierbäuchigem Gatten der voyeuristischen Lust im Swingerclub und 13-jährige Mädchen glauben, es sei normal, ihre Unschuld in einem fröhlichen Gangbang an die Fußballmannschaft ihres Ortsvereins zu verlieren. Wer es in der Missionarsstellung im Ehebett treibt, ist verklemmt.

Wie Seifenblasen zerpoppt Das Land hat sich endgültig von der verlogenen Prüderie der Fünfziger über die sexuelle Revolution der Achtundsechziger und die Emanzipation der Frau in den Siebzigern zum Höhepunkt der sexuellen Befreiung hochgeschlafen, sämtliche Tabus sind gebrochen und alle Hemmungen wie Seifenblasen zerpoppt. Jeder schläft wann, wie und mit wem er will – und hat dabei schon lange die privaten Sphären verlassen. Wer ausnahmsweise selbst keinen Sex hat, kann andere schon zur Primetime auf sämtlichen TV-Kanälen dabei beobachten. Egal ob verklärtes Gefummel in einer der weichgespülten Nachmittagsserien in ARD und ZDF. Zärtliche Zungenküsse im Pool des Bachelor.

Eine handfeste Annäherung am Lagerfeuer des Dschungelcamps. Oder ein realer Akt auf youporn. com: Der Deutsche sieht Sex, ob er will oder nicht. Coitus germanicus simplex Doch langsam scheint sich die Nation an der eigenen Sexualität überfressen zu haben. Die Deutschen gelten plötzlich als „oversexed, but underfucked“, wahrlich unerotische Phantasien wie die von der „neuen Prüderie“ geistern sowohl durch die Journaille, als auch durch intellektuelle Gesprächsrunden im Fernsehen. Nicht umsonst beschreibt der Sexualforscher Volkmar Sigusch in seiner „Geschichte der Sexualwissenschaft“ aus dem Jahr 2008 etwas boshaft den Blümchensex als „Coitus germanicus simplex“ – die Deutschen scheinen

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wieder zu Sittenwächtern im eigenen Schlafzimmer zu werden. „Die Deutschen sind nicht prüde – eher lustlos“, widerspricht Prof. Dr. Peter Kaiser. Er lehrt Psychologie an der Universität Vechta und kann aus 35 Jahren

nun auch deren Schlafzimmer erreicht hat? Schließlich gilt Sex als die schönste Nebensache der Welt und wird gerade von Männern gerne als Entspannungsund Einschlafhilfe propagiert. „Das Zeitdepot schrumpft bei allen zusammen. Wohlbefin-

Wenn die Deutschen also keine Lust mehr auf die Paarung haben, warum werden sie dann 24 Stunden am Tag auf sämtlichen medialen Kanälen damit belästigt? Berufserfahrung als Sexual- und Paartherapeut schöpfen. „Bis Anfang der Neunziger kamen Frauen in die Sexualtherapie, weil sie keine Orgasmen bekamen, Männer, weil sie einen zu frühen Samenerguss oder Erektionsprobleme hatten. Heute kommen viele, weil sie keine Lust mehr auf Sex haben.“ Oligopol auf kleine Schweinereien Keine Lust auf Sex – wie konnte das denn passieren? „Der Leistungsdruck in der Gesellschaft wird immer größer. Erhöhter Stress im Alltag lässt die Lust erlahmen“, sagt Kaiser. Doch kann es wirklich sein, dass das gefährliche Burn-out-Syndrom über die Büros der Deutschen

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Musik

den, Zeit und Muße sind jedoch Grundvoraussetzungen für Sex und Erotik“, entgegnet Kaiser. Wenn die Deutschen also keine Lust mehr auf die Paarung haben, warum werden sie dann 24 Stunden am Tag auf sämtlichen medialen Kanälen damit belästigt? „Die Medien bilden eine Traumwelt dessen ab, was sich die Menschen wirklich wünschen.“ Wenn sie selbst im Bett seltener die Hüften schwingen, heißt das nicht, dass Sex in ihrem Leben keine Rolle mehr spielt – im Gegenteil: „Heute haben Internet, Pornoindustrie und Fernsehen das Oligopol auf kleine Schweinereien“, sagt Kaiser. „Was die Leute früher allerdings noch sehr naturgetreu betrieben, leben sie in ihrer medialen Phantasiewelt

nur noch theoretisch aus.“ Das findet der Psychologe mehr als schade: „Die Medien behindern eine erotische Kultur. Denn sie propagieren nur den Vollzug, aber nicht die zwischenmenschliche Annäherung. Dabei ist das doch gerade das Prickelnde.“ Die Latte liegt hoch Gleichzeitig kann Porno unter Umständen den Druck auf die paarungsbereiten Konsumenten der Sexindustrie erhöhen, statt Dampf abzulassen und die Matratzenakrobatik wieder weniger theoretisch zu betreiben. Denn in Wahrheit ist die Nation noch lange nicht derart enthemmt, wie es die Medien propagieren. „Es ist ein Mythos, dass die Gesellschaft keine sexuellen Tabus mehr kennt“, ist sich Kaiser sicher. Die sexuelle Revolution scheint zwar in den Köpfen der Menschen angekommen zu sein – nicht jedoch in ihren Herzen und Unterhöschen: „Die emotionale Entwicklung des Menschen hinkt seiner intellektuellen hinterher“, erklärt Kaiser. Das legt die Latte ziemlich hoch. Denn was der Deutsche in seinem Kopfkino anknipst, traut er sich noch lange nicht, wenn er einem Partner aus Fleisch und Blut gegenübersteht. „Die revolutionären Sexpraktiken der Siebziger und Achtziger wurden nur von wenigen und oft unter Drogeneinfluss praktiziert, da nur


so die natürlichen Hemmschwellen des Menschen derart rasch überwunden werden konnten“, erinnert sich Kaiser. Emanzipiert, trotzdem feige Wer hätte es gedacht: Auch die Emanzipation trägt zur fehlenden Kopulation der Nation bei. Denn Alice Schwarzer und Co. haben sich und ihren Geschlechtsgenossinen den Sex eher madig gemacht, als den Spaß daran zu befreien: „Männer wurden als Perverse gegeißelt, die Frauen nur als Lustobjekt betrachten, und Pornografie pauschal mit Gewalt und Unterdrückung der

dings noch – die Emanzipation scheint nicht bei allen Frauen für Verklemmung zu sorgen. Denn die Hälfte des deutschen Pornokonsums verbuchen mittlerweile die angeblichen Lustobjekte der Herren auf ihrem Erotikkonto.

schen wünschen sich eine feste Beziehung mit einem Partner, mit dem sie eine Familie gründen“, weiß Kaiser.

Keiner swingt

Doch versteckt sich nicht gerade in monogamen Beziehungen ungeahnter sexueller Freiraum? Haben Menschen nicht gerade zu einem festen Partner ein solch tiefes Vertrauen, dass es im Bett richtig rund gehen könnte? „Die Angst vom Partner abgelehnt zu werden ist in Beziehungen sehr groß, da der Mensch sich immer oft sehr von seinem Partner abhängig macht“, sagt Kaiser. „Außerdem gilt Sex in Beziehungen eher als Ausdruck der Liebe, weniger als Ausdruck erotischer Phantasien. Von diese Phantasien werden dem Partner, sei es aus Prüderie oder aus Angst, bei ihm anzuecken, jedoch oft nicht erzählt.“

Kann es aber wirklich sein, dass eine medienaffine Gesellschaft im Fernsehen begehrt, wovor sie sich im wahren Leben scheinbar ekelt? „Wenn etwas zur Leistungsnorm erklärt wird, reagiert der Mensch mit Verdruss und Angst – und macht es automatisch schlecht.“ Was der Deutsche also in den Medien sieht, muss er nicht zwin-

Wer hätte es gedacht: Auch die Emanzipation trägt zur fehlenden Kopulation der Nation bei. Frau gleichgesetzt, anstatt sie als erotische Stimulans zu betrachten“, kritisiert Kaiser. „Dabei ist es ein gängiges feministisches Klischee, dass eine emanzipierte Frau auch ihre sexuelle Erlebnisfähigkeit ausgebildet hat.“ Genau wie viele deutsche Herren sind auch die angeblich befreiten Frauen oft nicht in der Lage, offen über die eigene Lust zu sprechen oder deren Befriedigung gar einzufordern. Einen Hoffnungsschimmer gibt es aller-

gend ablehnen. Das heißt aber nicht, dass er die Turnübungen auf der eigenen Matratze sofort nachmachen möchte – und wenn doch, gibt er’s nicht zu. „Fragen Sie mal in einer geselligen Runde, ob jemand mal gerne in den Swingerclub gehen würde“, rät Kaiser zu einem kleinen gesellschaftlichen Experiment. „Da antwortet keiner.“ Hoppla, ist Gruppensex nicht schon längst salonfähig? Eigentlich nicht: „80 Prozent der Deut-

Der gordische Lustknoten

Was in der festen Beziehung nicht ausgelebt werden kann, suchen sich die Betroffenen teilweise bei Prostituierten oder im Internet. Wann aber wird Deutschland den gordischen Lust-Knoten im eigenen Bett endlich platzen lassen? „Es kann Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis die sexuelle Revolution auch im sexuellen Verhalten der Menschen angekommen ist“, sagt Kaiser. Bis dahin gilt: Gehet endlich hin und paaret euch – und nicht nur im Kopfkino.

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DIE GROSSE BLANK FRÜHLINGSVERLOSUNG Schnee an Ostern, Bayern Meister kurz nach Ostern und Oliver Pocher hat neulich in irgendeiner Sendung einen gelungenen Scherz platziert. 2013 hält schon einige Sensationen bereit. Zeit, sich in diese Liga der außergewöhnlichen Momente einzureihen. Mit einem außergewöhnlichen Gewinnspiel. So erzwingen wir mit handverlesener Mode den Frühling, schicken euch auf Festivaltour, versorgen einige Gewinner mit Lesestoff und noch so viel mehr. Apropos „so viel mehr“: Wer sich viel Mühe gibt, kann mehr gewinnen. Schickt uns bis zum 30.05. eine Mail mit eurem Lieblingsgewinn an verlosung@blank-magazin.de mit eurer Adresse, gegebenenfalls Größe und einem Vers, der sich auf „Frühling lässt sein blaues Band“ reimt. Mehrfacheinreichungen sind erlaubt!

ANTONY MORATOENSEMBLE Wenn der Frühling doch noch kommt, solltest du präpariert sein. ist der grill geputzt? das Fahrrad frühlingsfest gemacht? das outfit liegt bereit? zumindest bei letzterem können wir euch kurzfristig unter die arme greifen. denn wir haben hier ein anTony moraTo-ensemble aus hose (super skinny und Five pocket-optik) und lässigem shirt im streifenlook (100% baumwolle) für einen glücklichen gewinner liegen. die hose ist in 48/32, das shirt in größe l. ab auf Wolke 7 mit dir.

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SAILOR JERRY SPICED FESTIVAL PAKET okay, der Frühling war lahm. aber dafür wird der sommer umso fetter. denn sailor Jerry schickt zwei blank-leser aufs hurricane nach scheeßel. dort könnt ihr euch drei Tage lang von rammsTein, Queens oF The sTone age, den arcTic monkeys, deichkind, billy TalenT und vielen mehr ordentlich einen sonnenbrand rocken lassen. aber dabei bleibt es nicht. denn das beste Festival mit dem sexysten line-up ist nur die hälfte wert, wenn das equipment nicht stimmt. und so werden die gewinner von uns noch mit einer Flasche sailor Jerry spiced, zwei sailor Jerry spiced Trinkbechern, sonnenmilch, zwei sailor Jerry spiced shirts und zwei regenponchos (nur für den notfall) ausgestattet. das Festival läuft – nach dem blick auf die über 80 bands – aus gutem grund auf „ausverkauFT!“ zu. der glückliche gewinner des sailor Jerry spiced pakets kann sich also in aller ruhe in seinen campingstuhl zurück lehnen und zuschauen, wie die letzten Tickets über die Theke gehen, während er sich vielleicht schonmal in netter gesellschaft ein schlückchen sailor Jerry spiced rum einverleibt.

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BEASTS – KUSCHELTIERE FÜR ERWACHSENE

erst haben wir gelacht, dann geschmunzelt und inzwischen sind wir Fans: kuscheltiere für erwachsene aus dem hause sigikid haben die redaktion erobert. sigikid, seit vielen Jahren bekannt für Qualitätsspielzeug, führt tatsächlich eine linie mit kuscheltieren für nicht mehr ganz so Junge. ob als dekoartikel, zum kuscheln oder sammeln: die Tier-

chen – beasTs genannt und alle um die 30 zentimeter hoch und überaus flauschig – machen viel laune. unter anderem auch deshalb, weil sich der hersteller zu jedem protagonisten eine eigene biographie ausgedacht hat (nachzulesen auf www.beastsshop.de). da tummeln sich dann doc nightmare, aunt ant, kiez miez und viele, viele weitere Tierchen mit personality. Wir verlosen je einmal „doc nightmare“ – vormals psychoanalytiker, jetzt geisterbahn-darsteller – und „platy snappy“, das eierlegende schnabeltier auf selbstverwirklichungstrip.

BLUE SEVEN OUTFITS Wenn sich die ersten sonnenstrahlen endlich blicken lassen, seid ihr mit diesem outfit bestens vorbereitet. der lässige sommerpullover in der angesagtem sorbetfarbe apricot mit weitem v-ausschnitt ist herrlich kühl auf der haut. Trendy auf links gestrickt ist er über und über mit kleinen glitzernden pailletten gearbeitet. dazu die passende shorts in schlicht klassischem dunkelblau mit passendem gürtel – und der sommer kann kommen! blank und blue seven [blue] verlosen vier der lässigen sommer outfits im Wert von je 79,95€. bitte nicht vergessen, die größe anzugeben! (Wir verlosen folgende größen: 1x xs/36, 1xs/38, 1xm/40, 1x l/42)

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K-SWISS SNEAKER das Frühjahr ist die zeit für das große reinemachen, nicht nur im haus sondern auch im kleiderschrank. der neu geschaffene platz ist schnell gefüllt: k-swiss und blank verlosen zwei clean classic herren-modelle in weiß. das clean classic modell der kalifornischen brand wurde deutlich von deren reicher Tennis-Tradition inspiriert. cleanes design und sportlich-elegante details wie mikro-perforiertes leder bringen frischen Wind in die garderobe.

„SUPERIOR LEATHER SOFT POUCHES“ VON VICIOUS AND DIVINE selten sind die momente, in denen man ganz buchstäblich fühlt, dass sich klasse mit idee verbindet. solche wertvollen augenblicke können iphone 5-besitzer künftig ständig genießen. vicious and divine veredeln smartphones durch accessoires mit dem blick fürs detail, für´s Feine und fürs hochwertige. edel ist Trumpf, mit klasse. handverarbeitete materialien, die höchsten ansprüchen genügen sind die Werkstoffe, mit denen die smartphones der kundschaft umschmeichelt werden sollen. Wir verlosen drei „superior leather soft pouches“ – iphone-hüllen aus feinstem leder, verarbeitet von meisterhand.

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POKKETMIXER Wie cool ist das denn? du bist dJ, hast das gefühl für die geschmeidigen Übergänge und den todsicheren Floorburner, aber dafür absolut keine lust, dir zentnerweise teures mixing-equipment anzuschaffen? dann kann deine karriere jetzt trotzdem los gehen, denn mit dem pokkeTmixer hast du alles im hosentaschenformat dabei. stromlos und mit plug&play-logik ist dieses Wunderwerk made in berlin gerade dabei, nicht nur kult sondern auch zum anerkannten besteck für die könner der szene zu werden. misch dein set zusammen, wie es dir passt – ohne den lästigen overhead an Technik. immer dabei, überall einsetzbar: der pokkeTmixer ist jetzt schon das gadget für alle hobby-dJs und solche, die noch gar nicht wissen, dass sie es sind. Wecke den väth in dir und sicher dir einmal den pokkeTmixer in schwarz.

„KATERSTIMMUNG“ VON PHILIPP REINARTZ Was für eine schöne versuchsanordnung: max ist society-Journalist (paris hilton, pandababys und so...) und schaut auf einer party etwas zu tief ins glas und erliegt dem magischen charme der schönen spanierin ana. am nächsten morgen wacht max in einem fremden bett auf. ana ist weg, max‘ erinnerung auch. auf der suche nach der verlorenen Traumfrau fliegt er hals über kopf nach spanien. seine besten kumpels lenny und Wilhelm kommen mit, und eine wilde reise beginnt. denn als nachrichtenredakteur kann max den Trip nur rechtfertigen, wenn dort unten etwas passiert. dafür muss er sorgen ... Was nach dem klassischen hunter s. Thompsonstoff klingt, ist die ausgangslage für das debüt des Jungautoren philipp reinartz. ein aberwitziger Trip durch chaos, selbstgeschaffene softnews und liebeswirren – mit einem urkomischen Finale. Wir haben „katerstimmung“ aus dem rowohlt verlag achtmal für euch – ein gingetränktes lesevergnügen mit lachgarantie.

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FRÜHLINGSOUTFIT VON LEE denkt man an denim, kommt einem der name lee mindestens so schnell in den sinn, wie wenn jemand „Taschentücher“ sagt und du „Tempo“ denkst. Wir freuen uns außerordentlich, diese legendäre marke in diesem gewinnspiel präsentieren zu können. dass lee mehr kann als lässige Jeans, zeigt man mit diesem paket aus schicker Weste in geschmackvollem grün und dem frühlingshaften, luftigen kleid. Willkommen im Frühling! die beiden schmuckstücke haben wir einmal in s für euch.

MERRELL LIFESTYLE SCHUHE Frühling lässt sein blaues band, wieder flattern durch die lüfte... und ihr solltet einfach mitflattern. denn wie Flattern fühlt es sich an, wenn eine blank-leserin mit schuhgröße 40 die ersten schritte in einen zaghaften Frühling mit der sommersandale „henna“ aus der lifestyle kollektion von merrell geht. der Weltmarktführer für funktionelle und schicke outdoorschuhe präsentierte 2011 seine erste „barefoot“-kollektion und zeigt der Welt seitdem, dass

„barfuß“ nicht mehr nur noch mit „gesund“, „öko“ und „alternativ“ assoziiert werden darf – sondern auch mit „funktional“, „schick“, trendy“ und „komfortabel“. dank „kharkoum chukka“ darf sich dazu noch ein blank-leser von den vorzügen der „casual lifestyle“-kollektion und dem langjährigen know-how des herstellers überzeugen. optimale dämpfung und eine patentierte Technologie gegen geruchsbildung machen den schuh zum Trageerlebnis. Wir haben ihn einmal in 43.

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ST. MORITZ – TOP OF THE WORLD st. moritz - vielgerühmte perle der schweizer Wintersportwelt. dieses kosmopolitische Fleckchen erde hat die strahlkraft einer supernova und einen ruf wie donnerhall: hier versammelt sich der europäische stil- und geldadel (schnittmenge nicht ausgeschlossen), um outfits und haare zur schau zu stellen. da dabei meistens nichts gutes raus kommt, kümmert man sich unter dem label „st. moritz“ jetzt darum, die gegensätze des ortes in mode zusammen zu führen: rustikal und elegant, bodenständig und exklusiv. das alles in wenigen, aber toll verarbeiteten stücken stoff? doch, doch, das geht. und wie: Wir treten den beweis mit zwei blusen im rustikal-sweet alpen-look in rot (gr. 36) und zwei beigen shirts, ebenfalls in 36.

SUPERGRAU PACKAGE nachhaltigkeit kann so elegant sein: supergrau verarbeitet europäische hölzer zu dingen, die man ohne jeden skrupel lieben und ehren kann. denn was die möbelschmiede aus ausgesuchten materialien schafft, ist werthaltig und läuft damit dem Trend der Wegwerfgesellschaft schnellen schrittes zuwider. oder wie supergrau es selber sagen würde: „diese materielle opulenz durchkreuzt von zeitgeist und formaler leichtigkeit bildet den kern unserer gestalterischen handschrift.“ Wir haben ein supergrauliebhabereinsteigerpaket, bestehend aus einem schneidbrett (aus eiche, nussbaum, ahorn und kirschholz), einem supergrau-beutel in blau und einem ganz feinen Tropfen, dem supergrau-spätburgunder. Was zum Fühlen, was zum nutzen und was zum genießen. die große Welt von supergrau, vertreten durch drei kleine, aber feine dinge im gesamtwert von 150 euro. mehr infos: supergrau.de

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MARCHÉ ® GUTSCHEINE das lange Warten hat ein ende! die ersten blume blühen die sonne lässt sich nach einem langen Winterschlaf auch wieder blicken. und das beste: mit dem Frühling beginnt in jedem Jahr auch endlich die reisezeit. vielleicht plant ihr bereits jetzt ein Festivalwochenende, einen sommerurlaub, oder einen Wochenendausflug ans meer? dann seid ihr mit der marché customer card bestens vorbereitet, denn ein langer Tag auf der autobahn, im zug oder am Flughafen kann anstrengend werden. um euch den start in den urlaub versüßen, verlosen wir fünf gutscheine im Wert von je 30 euro für eines der zahlreichen marché® restaurants auf eurer reiseroute. gut gelaunt lässt es sich so unter

anderem mit handgepressten frischen säften, vielfältigen salat- und gemüsevariationen oder hausgemachten nudeln in den urlaub starten. standorte in eurer nähe findet ihr unter: www.marche-restaurants.com

BRAUN „cruZer face“ & „cruZer beard&head“ shaver raus, pelz stutzen. Freunde, der Winter war lang und hart. zeit, jetzt aus den höhlen zu kommen und sich ein bisschen frühlingsfein zu machen. am besten, akkuratesten und mit sicherheit elegantesten geht das mit diesem duo aus der cruzer-serie von braun: der „cruzer beard&head“ fräst sich entweder durch längere haare auf dem kopf oder im gesicht, schafft konturen und zaubert dir deine Wunschfrisur dorthin, wo du sie dir wünschst. der „cruzer face“ ist rasierer, Trimmer und styler in einem und sorgt für den eleganten, coolen Feinschliff. Wir verlosen jeweils ein modell. alle infos zu den braun cruzer produkten findet ihr hier: www.braun.com/cruzer experten und bart styling Tips: www.shaveyourstyle.com

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Ja? Nein?

Vielleicht? Jana vielleicht! Fotografie Miguel Ferraz Text Thomas Jäger

Jana ist die Dame, die euch euren guten Geschmack im Sommer befriedigen wird. Selbstbewusst, stilsicher, sportlich: Wie ihre Biermix-Kreation „Beck‘s Summer Holunder“.

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ls die Demokratisierung in die Biermix-Szene Einzug erhielt, stand zwar nicht die Welt für Minuten still, der Treibhauseffekt wurde nicht überwunden und die Bayern haben trotzdem gegen Chelsea das Champions League-Finale verloren. Aber trotzdem war es – gesprochen – eine kurze Zeitenwende, deren Zeugen wir 2012 werden durften: Der Brauund Mixprozess eines ganzen Bieres wurde aus den geheimen Labors der Beck‘s-Mixexperten ins Lichte einer interessierten Öffentlichkeit gezerrt! Totale Transparenz in Geschmacksfragen, promille-kompetente Schwarmintelligenz auf dem Weg zum Mix der Saison 2013, unser Bier fürs neue Jahr: Die Suche nach der „Beck‘s Limited Edition 2013“ elektrisierte – oder wenigstens interessierte – im vergangenen Jahr eine treue, stetig wachsende Anhängerschar der Mixe aus Bremen. Und die hat sich nach einem langen und intensiven Auswahlprozess auf „Beck‘s Summer Holunder“ als ihren flüssigen Soundtrack zum aufziehenden Sommer geeinigt. Rund 3000 Vorschläge wurden von der Community eingereicht, anschließend von den Mitbewerbern gründlich auf den Leckerfaktor geprüft und kritisch beäugt, bevor 20 Kompositionen aus Bier und Geschmack vor eine

hochkarätig besetzte Fachjury gewählt wurden. Unter anderem in diesem erlesenen Kreis dabei: Die von unserem Leser Markus stammende, „Tasty Blank“ getaufte und von der Redaktion favorisierte Genussexplosion aus Cola, Beck‘s und Wermut. Wir wären also fast bis ganz ans Ziel unserer Träume gekommen: Ein eigenes Bier, dank eurer Hilfe und ganz basisdemokratisch. Guter Geschmack wäre mit gutem Geschmack belohnt worden und Noel hätte dann vielleicht auch wieder Songs für Liam ge-

Vorlieben der Jugend, die geheimen Wünsche und Träume der Zielgruppe mitscharfer Präzision in 0,33er-Flaschen gießen kann, der hat es verdient, einen ganzen Sommer mit dem „eigenen“ Bier geehrt zu werden. Wie es sich anfühlt, das erste demokratische Biermix-Getränk kreiert zu haben und damit den ersten Geschmackstrend für 2013 gesetzt zu haben? „Unbeschreiblich“, sagt die 27-Jährige, die hauptberuflich Projektmanagerin im Motorsportbereich ist. „Davon werde ich noch meinen Enkel-

Wer die geheimen Wünsche und Träume der Zielgruppe mit scharfer Präzision in 0,33er-Flaschen gießen kann, der hat den Sieg verdient. schrieben. Stattdessen war die letzte Hürde aber doch noch zu hoch, wir haben sie gerissen und statt des „Tasty Blank“ gibt es in diesem Sommer die Kreation einer wunderbaren jungen Dame namens Jana, geboren in der Ukraine und aufgewachsen in Berlin. Wir sagen voller Ehrfurcht und präsentieren uns damit als entspannte Verlierer: „Beck‘s Summer Holunder“ überzeugt durch entwaffnende Schlichtheit, den Mut zur Kernschmelze und einen beherzten Griff an die Schulter des Zeitgeistes. Würdiger Sieger, denn wer die

kindern erzählen.“ Ihre Beschreibung für die eigene Kreation ist so simpel und begeisternd, wie der Mix selbst: „Erfrischend, lecker und einfach gut – das Beste für gesellige, laue Sommerabende.“ Na dann: Prost! „Beck‘s Summer Holunder“ ist ab sofort im Handel erhältlich. Aber beeilt euch, denn der Mix ist limitiert – und die Erschafferin hat bereits angekündigt: „Mein Beck‘s-Vorrat wird ab sofort sehr groß sein!“ Mehr Infos findet ihr hier: www.facebook.com/becks.de

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Nicht so der

Messias-typ Text Thomas Jäger Fotografie Warner Music

Wenn deutschsprachige Popmusik anfängt, international zu klingen und trotz vieler guter Ideen nicht verkopft zu werden, dann liegt etwas Spannendes in der Luft. Dem Kölner Maxim ist mit seinem vierten Album „Staub“ diese Mischung gelungen und deswegen hat der Branchenriese Warner sich den stillen aber selbstbewussten Musiker ins Team geholt. Um jetzt mal richtig durchzustarten.

BKANK: Wie spannend ist es denn gerade, du zu sein? Mit einer großen Plattenfirma im Rücken und der entsprechenden Power, jetzt wirklich allen interessierten Menschen deine Musik und dein neues Album“Staub“ vorstellen zu können? Maxim: Das ist etwas, das ich nicht gewohnt bin. Ich genieße es deshalb gerade sehr, ich zu sein. (lacht) BKANK: Was hat sich denn konkret geändert, seit du die neuen Möglichkeiten hast? Maxim: Es hat sich eigentlich alles geändert. Zunächst mal auf der musikalischen Seite... Das war ein echter Befreiungsschlag. Ich war schon immer der Meinung, dass meine Musik sehr aufwändig produziert werden müsste. Das war aber bisher

einfach nie drin. Wir konnten zum Beispiel nie echte Streicher aufnehmen – so was geht dann einfach auf einmal. Ich konnte alle Ideen verwirklichen, die ich hatte und niemand hat mir

und es hat mehr oder weniger nichts geklappt. Das ist schon eine große Veränderung. (lacht) BKANK: Was ist mit dem Thema Druck? Sorgen so viele

„Ich habe zehn Jahre Musik gemacht und es hat mehr oder weniger nichts geklappt.“ rein geredet. Das hatte ich so auch nicht erwartet. Ich habe zwar viel Feedback vom Label bekommen, aber entschieden habe am Ende ich, was gemacht wird. Jetzt ist seit einem Monat die erste Single raus und einfach alles klappt. Vorher habe ich zehn Jahre Musik gemacht

Möglichkeiten für größere Anspannung und Erwartungen? Maxim: Nein, dafür ist die Befreiung und die Begeisterung über die neuen Chancen und Ausdrucksmöglichkeiten viel zu groß. Wenn ich Streicher brauchte, habe ich beim Studio angerufen und gesagt „Lass uns

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ein paar Streicher aufnehmen“. In diesen Momenten denkt man an den Song, nicht an den Druck. BKANK: Wenn du an den Song dachtest: Kam da auch mal der Gedanke, dass zu viele Möglichkeiten auch viele Gefahren für den Song bedeuten? Maxim: Klares Ja. Aber deshalb haben wir auch bewusst darauf verzichtet, die Platte „zu groß“ zu machen. Zu viele gedoppelte Streicher, zu viel Pomp, zu viel Zirkus haben wir ausgeschlossen. Wir haben uns zwar vorgenommen, überall eine Schippe drauf zu legen,

BKANK: Stichwort „Schippe drauf“ legen: Norbert Rudnitzky, Chef von Downbeat, hat im Rahmen der Vorstellung deines Albums gesagt, er würde dich auf einer Stufe mit Peter Fox sehen. Dessen Debüt hat sich immerhin mehr als eine Million mal verkauft. Erschrickst du da? Maxim: Ja. (lacht) Er hat es ja aber eingeschränkt und gesagt, dass er es nicht so meinte, dass wir jetzt genau so viele Platten verkaufen würden. Dass das nicht so kommen wird, das ist ihm wohl schon klar. (lacht) Das Album transportiert einen ganz eigenständigen Sound, den es so in Deutschland noch nicht

„Ich glaube, wenn du ‚Stadtaffe‘ vorab an Outkast geschickt hättest, hätten sogar die erst mal geschluckt und sich gefragt, was sie denn da überhaupt vor sich haben.“ aber auf keinen Fall zu Lasten des Songs. Deshalb sind die Streicher ja auch nicht theatralisch oder orchestral, sondern eher intim und lenken nicht von der Idee der Stücke ab. Das war zumindest unser Ansatz – ob uns das alles so geglückt ist, müssen die Leute entscheiden. Ich jedenfalls bin super happy mit dem Ergebnis.

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gegeben hat. Der Gesamtentwurf aus Komposition, Texten, Style und Produktion ist so neu gewesen, so international. Da steckt so unheimlich viel drin. Ich glaube, wenn du „Stadtaffe“ vorab an Outkast geschickt hättest, hätten sogar die erst mal geschluckt und sich gefragt, was sie denn da überhaupt vor sich haben. Etwas ähnliches sah

Norbert wohl auch bei „Staub“ und ich fühle mich deswegen natürlich sehr geehrt. Was soll man auch anderes sagen? Unsere Produktion klingt jedenfalls auch nicht nach deutschem Pop. Das wollten wir vermeiden und das ist uns auch gelungen. Was jetzt mit dem Album passiert? Peter hatte sicher vorab auch nicht erwartet, dass das Ding so durch die Decke geht. (lacht) BKANK: In deinen Texten und auch in der visuellen Inszenierung präsentierst du dich sehr verletzlich, fast zerbrechlich. Bist das wirklich du oder ist das Image? Maxim: Weder noch. Das, was du meinst, bin nicht ich. Es ist aber ein Teil von mir. Ich möchte in alle Abläufe rund um mein Album involviert sein, der geschäftliche Teil interessiert mich genau so sehr, wie der künstlerische. Ich möchte wissen, wie oft welcher Song im Radio läuft und und und. Ich weiß, wie man in die Charts kommt und was für Songs ich dafür produzieren müsste. Wenn ich aber schreibe, dann mache ich Kunst und blende alles andere aus. Da ist kein Platz für Image oder kommerzielle Gedanken. So funktioniert das nicht für mich. Ich kann nicht Songs schreiben und produzieren, die irgendeinem Schema oder irgendeiner Vorgabe folgen. Würde ich anfangen zu analysieren, was die Leute hören wollen und darauf


„Wenn ich aber schreibe, dann mache ich Kunst und blende alles andere aus. Da ist kein Platz für Image oder kommerzielle Gedanken.“ hin zu produzieren, würde ich schnell einsehen müssen, dass dasselbe schon viele Leute vor mir gemacht haben. Also bleibe ich doch lieber bei mir. BKANK: Auf allen deinen Alben findet sich mindestens ein Song über eine sich gerade auflösende Beziehung oder eine, die sowieso nicht funktionieren kann. Glaubst du noch an die Liebe? Maxim: Na klar. Die Liebe muss ja erst mal da sein, bevor sie dann scheitern kann. Ich halte es auch mit Sting, der einen Satz gesagt hat, der mich als Songwriter sehr geprägt hat: „’Sie liebt mich und ich liebe sie’ ist langweilig, ‚Ich liebe sie und sie liebt mich nicht’ ist schon spannender und ‚Ich liebe sie und sie liebt einen anderen’ ist das Beste.“ Sting ist ja nun einer der tollsten Songschreiber aller Zeiten und manchmal sollte man so einen Rat einfach befolgen. (schmunzelt) Wenn es gut läuft, dann interessiert das doch niemanden. Wenn ich also so viele Songs vom Scheitern ei-

ner Beziehung auf meinen Alben habe, dann heißt das noch lange nicht, dass mein Leben eine einzige schlecht laufende Partnerschaft ist. (lacht) Man muss aber auch sagen, dass die erste Zeit nach einer Trennung für einen Songschreiber eine ungeheuer ergiebige Phase ist. BKANK: Ein anderes Thema behandelst du in „1980 – 2010“. Du beerdigst dort unsere Generation und übrig bleibt nichts weiter als ein leerer Grabstein, ein paar Trauergäste und Lassen wir wirklich nicht mehr zurück? Maxim: Ich glaube schon, dass das so ist. Ich sehe das aber auch gar nicht als Fehler, oder als Scheitern unserer Generation. Es ist keine Anklage. Es ist ein nüchterner Blick darauf, dass wir keine großen Veränderungen erreicht haben. Wir waren offensichtlich mit anderen Dingen beschäftigt, als die Welt aus den Angeln zu heben, wie es Generationen vor uns gemacht oder wenigstens versucht haben.

BKANK: Was hätten wir denn tun können oder sollen? Maxim: Wir haben schon alles ganz okay gemacht. Unsere Situation war ja auch nicht gerade einfach, um fundamentale Dinge anzustoßen. Die Utopie des Kommunismus hat sich aufgelöst, der Kapitalismus funktioniert auch nicht und wir sind mittendrin. Wir sind darauf konzentriert, erst mal einen Platz für uns selbst zu finden. Es gibt eine große relative Sicherheit und auch, wenn es sicherlich viele Dinge gibt, gegen die man auf die Straße gehen kann, funktioniert doch alles halbwegs. Wir müssen uns unsere Nischen suchen, in denen wir wirken können. Kein Fleisch mehr essen, aufs Auto verzichten, ein bisschen Geld spenden. Manches machen wir aus Überzeugung, anderes nur, weil es vielleicht erwartet wird oder um das eigene Gewissen zu beruhigen. Das Fundamentale, wie es noch früher bei den 68ern sichtbar war, dieses „Oben gegen unten“, „Links gegen rechts“, „Gut gegen Böse“ – das hat sich in unserer Zeit einfach aufgelöst. Man kann nicht mehr alles richtig machen, man kann sich nicht mehr uneingeschränkt auf der richtigen Seite wissen. Wir alle leben im Widerspruch und das macht es so unheimlich schwer, die Welt zu verändern.

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BKANK: Haben Musiker oder andere Künstler die Macht, die Welt zu verändern? Oder machen sie sich eher lächerlich, wenn sie behaupten, sie würden ausziehen, um die Welt zu verändern? Maxim: Ich finde, sie machen sich eher völlig lächerlich. (lacht) Wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, jetzt loszuziehen und die Welt durch seine Kunst zu verändern, dann kann ich ihn doch nicht ernst nehmen. Das ist mir etwas zu selbstbewusst und wer mit dieser Attitüde antritt, muss zwangsläufig scheitern. Sicher hat ein Bob Dylan mit seiner Musik die Welt verändert, aber auch nur, weil er das eigentlich gar nicht wollte. Die Menschen haben ihm zugehört und dann geglaubt, weil er eben nicht den Messias gegeben hat. Er fand auch die Leute latent lächerlich, die in ihm eine Art Ersatz-Jesus sehen wollten. BKANK: Glaubst du an die Macht des persönlichen Beispiels? Maxim: An was sonst? Eine Tat ist in jedem Falle viel inspirierender als eine Idee, die mal irgendein Künstler aufgeschrieben hat. Deshalb ist zum Beispiel auch Fußball viel fesselnder als es jede Kunst jemals sein könnte. Das, was auf dem Rasen passiert, passiert genau jetzt und keiner weiß, was als

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„Wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, jetzt loszuziehen und die Welt durch seine Kunst zu verändern, dann kann ich ihn doch nicht ernst nehmen.“ nächstes passieren wird. Das kann Kunst ja gar nicht leisten. BKANK: Auch die Singer-/ Songwriter-Kunst nicht, die ja genau das für sich in Anspruch nimmt? Das „Jetzt“ beschreiben und in Kontexte setzen – genau wie das Fußballspiel, das innerhalb bestimmter Regeln und Voraussetzungen das Unvorhersehbare produzieren soll. Maxim: Ich bin ja kein Singer/ Songwriter. Das war ich vielleicht am ehesten auf „Asphalt“, aber das habe ich auch schon wieder hinter mir gelassen. Ich wollte diesmal dieses Akustikgitarrending überwinden, das langweilte mich schon wieder. Außerdem bin ich eh nicht so der Messias-Typ. (lacht) BKANK: Ich habe gehört, dass du „Das Gebot der Rache“ gelesen hast, das aktuelle Buch des Kultautors John Niven. Maxim: Ja, wie alles von ihm. Er schreibt etwas und ich kaufe es. Der Typ ist einfach verdammt gut.

BKANK: Es geht darin um eine Serie grausamer Gewalttaten im unmittelbaren Umfeld eines Journalisten mittleren Alters. Wie sich im Verlaufe des Buches raus stellt, gibt es ein dunkles Geheimnis aus der Kindheit der Hauptfigur, das langsam und immer eindringlicher an die Oberfläche geholt wird. Die Gewalt, die ihm wiederfährt, ist eine Reaktion auf die Vergangenheit: Es geht um blutige Rache. Ist dir das Konzept „Rache“ selber fremd? Maxim: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube auch nicht, dass sich jemand von diesem

Gefühl freisprechen kann. Zumindest nicht, wenn er ehrlich zu sich selbst ist. Darum geht es ja auch bei Niven: In der Vergangenheit des Protagonisten ist etwas geschehen, für das er später – so stellt sich heraus – schlimm bezahlen muss. Und als Leser denkst du, dass das zumindest nicht völlig unverdient passiert. Man hat Verständnis dafür, dass schwere Schuld dramatisch gesühnt wird. Mehr dürfen wir jetzt hier aber nicht verraten. (lacht) Nur noch so viel: Fast interessanter als die Diskussion über die Idee der Rache finde ich die Frage nach der Macht des Gruppenzwangs. Die Erforschung des Mitläufer-Gens, wenn du so willst. Da kann man ja eine ganz große Debatte eröffnen und den Bogen bis hin zur Nazizeit schlagen. Jetzt aber genug gespoilt. Es lohnt sich auf alle Fälle, das Buch zu lesen und über diese Fragen nachzudenken.

„Fast interessanter als die Diskussion über die Idee der Rache finde ich die Frage nach der Macht des Gruppenzwangs. Die Erforschung des MitläuferGens, wenn du so willst.“ Musik BLANK I 27


BKANK: Dieses „MitläuferGen“: Kann es sein, dass es eine Generation übersprungen hat und bei uns wieder in der Erbmasse gelandet ist? Ist es bei uns aber vielleicht etwas mutiert und wir laufen nicht passiv mit, sondern haben uns aktiv dazu entschlossen, mal nicht die Welt zu verändern? Passiv ist das neue Aktiv? Maxim: Puh, darüber muss ich nachdenken. Ich weiß nicht, ob ich die Leute als bewusst passiv wahrnehmen möchte. Wir machen ja viel, ständig und in alle Richtungen.

trieren, morgen gegen den Verfassungsschutz und übermorgen gegen Google. Ist es da nicht ein sehr aktives Statement zu sagen „Ich ziehe mich ins Persönliche zurück, stelle mir ein paar Werte zusammen und gehe eben nicht mehr auf die Straße“? Maxim: Klar, das stimmt schon. Aber es ist quasi unmöglich, sich auf allen Ebenen moralisch korrekt zu verhalten. Manchmal ist es ganz banal schon eine finanzielle Frage, die einen ins Dilemma führt. Ökologisch korrekt ist teuer und niemand wird es schaffen, in jeder

„Es ist schrecklich, aber wie soll man damit umgehen, außer sich daran zu gewöhnen?“ BKANK: Ich meine es eher so, dass wir die großen Kämpfe der 68er weder austragen können noch es wollen. Die hatten damals klare Fronten. Oben vs. unten, links vs. rechts, gesellschaftlicher Fortschritt gegen Kontinuität der Nazi-Eliten. Uns fehlt die klare Kante, an der wir uns abarbeiten können. Täglich werden uns neue Kriegsschauplätze eröffnet, die eine Woche später von der nächsten ausgefaserten Front zumindest oberflächlich weggespült werden. Heute muss ich gegen oder für Griechenland oder so demons-

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Hinsicht richtig durchs Leben zu gehen. Da kommt man gar nicht drum herum, für sich einige Aspekte festzulegen, an die man sich halten will. Kein Auto fahren, kein Fleisch mehr essen, keine Textilien kaufen, die von Kindern oder unter unwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. Durch das Internet haben wir mehr Informationen als alle Generationen vor uns, das macht es komplizierter, sich irgendwie klar und verbindlich zu positionieren. Aber ein Gerüst aus kleinen Dingen, die man für richtig und erstrebenswert hält,

sollte doch jeder haben. Aber das als großartig aktive Entscheidung hinzustellen oder als Statement zu verstehen, ist glaube ich nicht richtig. Ich würde gerne alles richtig machen, an allen Fronten. Ich glaube, viele würden gerne alles richtig machen, an allen Fronten. Aber in Zeiten, in denen es so viele kleine und große Fronten gibt und es ganz oft einfach nicht klar ist, was richtig und was falsch ist, machen viele einfach gar nichts. Oder beschränken sich darauf, sich ihr kleines Wertegerüst zu bauen. Ich schaue inzwischen seit 17,18 Jahren die Nachrichten und sehe dabei jeden Tag dasselbe Gemetzel. Früher war es der Kommunismus gegen den Kapitalismus, Ost gegen West. Oder Vietnam. Es war klar, zumindest dachte man das sicher, wer der Gute und wer der Böse ist. Heute kann man durch die vielen Informationen doch gar nicht mehr klar differenzieren, wer da überhaupt gegen wen kämpft, für was und warum. Es ist schrecklich, aber wie soll man damit umgehen, außer sich daran zu gewöhnen? BKANK: Macht man sich damit nicht schuldig? Maxim: Ich würde gerne immer wissen, was richtig und was falsch ist. Tue ich aber nicht. Wenn ich es wüsste und trotzdem passiv bliebe, dann würde ich mich aber ohne Zweifel schuldig machen. Aber so?


BKANK: Kommt da nicht der Musiker ins Spiel, auf den die Massen hören und der die Welt in klaren Farben zeichnen könnte? Auf den die Jugend hört? Maxim: Vielleicht. Aber könnte man dem trauen? Ich könnte es jedenfalls nicht machen, denn ich halte mich für zu dumm. Ich beobachte gerne und ich hätte auch gerne ganz viele Antworten auf alles. Stattdessen habe ich nur so viel mehr Fragen. BKANK: Ist das nicht schon eine ziemlich gute Voraussetzung: Die richtigen Fragen zu haben und sie zu stellen? Maxim: Das mag sein, aber damit trifft man ja nicht den Nerv, den du freilegen musst, um bei den Leuten etwas auszulösen. Und wie gesagt, viele wollen ja etwas verändern, tun es aber nicht, weil sie sich nicht zutrauen, zu beurteilen, was richtig und was falsch ist. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob es richtig ist oder falsch, für Projekte in Afrika zu spenden und dort Brunnen buddeln zu lassen, oder ob es nicht besser wäre, die Leute öfter ihre Probleme selbst regeln zu lassen. Sogar in solchen Fragen gibt es ja geteilte Meinungen. Natürlich gibt es auf ein paar Ebenen objektive Wahrheiten, nach denen man sich richten kann. Das findet aber wirklich im privaten Bereich statt, die Zeit der globalen Wahrheiten ist glaube ich vorbei.

BKANK: Zum Abschluss noch einmal zu deinem Album. Gibt es in kommerzieller Hinsicht eine Marke, wo du für dich von einem erfolgreichen Album sprechen würdest, wenn sie erreicht ist? Maxim: Ja, die Marke gibt es und die ist wirklich rein kommerzieller Natur. Wenn der Punkt erreicht ist, ab dem alle Kosten wieder eingespielt sind, ist es okay. Dann ist das Album ein Erfolg. Alles, was darunter liegt, bedeutet für meine Karriere den ultimativen Selbstmord.

da. Das sehe ich ziemlich realistisch. Wenn es jetzt nicht klappt, sehe ich ein ganz großes Fragezeichen auf mich zukommen, ob es überhaupt noch weiter geht. Ich hätte auch keine Lust, jetzt wieder eine Stufe runter zu gehen. Ohne Geld in der Tasche und ständig befreundete Musiker anbetteln zu müssen, ob sie mir nicht dies oder jenes mal schnell einspielen können. Das ist kacke und ich musste das ewig machen. Denen immer nur Almosen hinwerfen zu können, darauf habe ich keinen

„Wenn es jetzt nicht klappt, sehe ich ein ganz großes Fragezeichen auf mich zukommen, ob es überhaupt noch weiter geht. Ich hätte auch keine Lust, jetzt wieder eine Stufe runter zu gehen. “ BKANK: Das klingt nicht besonders romantisch. Andere Künstler hätten jetzt gesagt, dass sie das bestmögliche Album abgeliefert haben und es ihnen egal ist, ob sie 100, 1000 oder 100.000 Stück verkaufen. Sie sind ja schließlich Künstler... Maxim: Ich mache das jetzt seit zehn Jahren und jetzt – mit der großen Plattenfirma im Rücken - ist meine große Chance

Bock mehr. Dafür schäme ich mich, denn die Jungs müssen ja auch Geld verdienen. BKANK: Hast du schon einen Plan B in der Tasche? Maxim: Nein, kein Plan B in Sicht. Ich bin kein Träumer, jetzt muss es einfach klappen. Und es lässt sich ja auch sehr gut an. Es besteht Anlass zur Hoffnung, dass alles wunderbar wird.

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genug

zeit für eine

revolution Fotografie Hugo Lager Text xxx

Manchmal macht man sich auf die Suche nach etwas ganz Bestimmten, schaut dabei in eine vollkommen falsche Richtung – und findet trotzdem etwas Grandioses. Columbus war auf dem Weg nach Indien und fand Amerika, John Pemberton erfand eine Medizin, die später zum berühmtesten Getränk der Welt wurde – und in Dänemark sucht man meistens großartige Hardrockbands mit frischen Ideen und findet BABY IN VAIN.

D

ie spielen mal gut abgehangenen Stoner Rock, mal hookorientiertes klassisches Material – aber immer das, was man von einer jungen All-Girl-Band keinesfalls erwarten würde.

über des Hauptbahnhofs. Oder aber in Valby, einem leicht ausgelagerten Stadtteil mit einem immer überlaufenen Park voller belebter Grünflächen. Grillen, Quatschen, den Jungs hinterher schauen und es sich gut gehen lassen. Oder man trifft sich an der Theke in einem kleinen,

In Kopenhagen, am Wasser gelegene Hauptstadt und Königssitz der Dänen, gibt es viele wunderschöne Plätze, wo sich junge Frauen und Teenagerinnen treffen und ihre Abende ansprechend totschlagen können. Im und rund um den Tivoli zum Beispiel, den beinahe historischen und vor allem in den Sommermonaten stets vibrierenden Freizeitpark gegen-

Die spielen mal gut abgehangenen Stoner Rock, mal hookorientiertes klassisches Material – aber immer das, was man von einer jungen All-Girl-Band keinesfalls erwarten würde.

leicht angeraut charmanten Club auf einen Drink und gründet nach dem ersten Augenkontakt eine gemeinsame Band. Die drei Musikerinnen von BABY IN VAIN haben sich für die letzte und damit beste Möglichkeit entschieden. „Es war

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„Unser Debüt wird vermutlich ‚We‘ve still got the balls’ heißen.“ tatsächlich so: Wir standen zufällig alle drei gleichzeitig an der Bar, orderten den selben Drink und mussten darüber lachen. Wir kamen ins Gespräch, hatten den selben Musikgeschmack und verabredeten uns einfach zum Jammen. Daraus entstand dann BABY IN VAIN“. Zwei Jahre ist das inzwischen her und Lola, Benedicte und Andrea, heute alle um die 15, blicken seitdem auf eine beeindruckende Livehistorie zurück, die Anfang Juli beim legendären Roskilde Festival fortgeschrieben wird. Dann auch mit dem ersten Release in der Tasche. „Unser Debüt wird vermutlich „We‘ve still got the balls“ heißen“, gibt die Band zu schmunzelnd aber selbstbewusst zu Protokoll. „Wir klingen vielleicht wie ein paar schlechtrasierte Jungs aus der Wüste, aber darüber machen wir uns keine Gedanken. Unser Ziel ist es, Platten aufzunehmen, zu touren und Geld mit dem zu verdienen, was wir lieben. Und nicht mehr unseren Eltern auf der Tasche zu liegen.“ Schon wieder dieses Augenzwinkern, irgendwo zwischen Koketterie und Selbstbe-

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wusstsein, das auch aus dem Sound der Teenager raus zu hören ist. Wie soll man auch anders durch die Welt gehen, in der das Vorurteil häufig viel mehr die Musik macht als der Ton? Ein Thema, bei dem es im Interview mal für Augenblicke so rauchig und roh zugeht, wie in den Songs von BABY IN VAIN: „Um ehrlich zu sein: Es kotzt uns an, mit Girlbands verglichen zu werden, die kein Stück klingen, wie wir. Nur, weil wir das selbe Geschlecht haben?“ In der Tat, wenn Kritiker

babyinvain liegt genug Material bereit, um zu verstehen, dass es bei der Einordnung mehr bedarf, als allein der Verweis aufs fehlende Y-Chromosom. „Wir selbst benutzen weder unser Alter, noch unser Geschlecht, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Viele kommen aber scheinbar nicht ohne Stereotypen aus. Das hat für uns sowohl positive als auch negative Effekte. Das wichtigste ist aber doch: Wir sind jung und haben noch ein komplettes Leben vor uns, um eine Rockrevolution herauf zu beschwören.“ Gut gebrüllt, junge Löwin. Aber wer harten Rock spielen möchte, muss außer harten Gitarren auch noch etwas anbieten. Die richtige Vision zum

„Es kotzt uns an, mit Girlbands verglichen zu werden, die kein Stück klingen, wie wir.“ keine andere Vergleichsgröße anbieten können, als andere All-Girl-Bands, dann ist das traurig. Für alle Beteiligten. Warum auch das zwanghaft kategorisieren, was sich sowieso jedem Vorurteil entzieht? Stattdessen kann man einfach mal die Musik das Wort führen lassen. Auf www.facebook.com/

Beispiel. Und da ist das doch gar kein schlechter Anfang. Wer also eine musikalisch Entdeckung machen möchte, die jetzt schon hält, was sie erst später versprechen wird, sollte in den nächsten Monaten mal die vitale Clubszene Kopenhagens im Auge behalten.


schaft des Violin-Virtuosen durchblicken. mit „Recital“ (zu deutsch schlichte Aufführung), seiner neuen cD und tour hat er sich nun dem Jazz der zwanziger Jahre verschrieben, huldigt Fats Waller, vergisst aber auch keineswegs seinen Bach. „Bach to the future“ heißt das von ihm interpretiert.

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nigel Kennedy sieht immer noch aus wie der Junge aus dem Arbeitermilleu, der er nie war, trinkt weiterhin auf der Bühne Bier und nimmt besonders mit seinen leisen tönen jedes Publikum mit in diese, seine wahnsinnig geniale Welt. (RL)

RETRo STEFSoN Retro Stefson

Konzertkritik Nigel Kennedy

„hello my name is nigel“ nigel Kennedy wurde mitte der fünfziger Jahre im englischen Brighton geboren und mag es zweifelsfrei authentisch. Auch wenn an diesem Abend in der münchner Philharmonie das geliebte „Aston Villa“-trikot im schrank blieb, ließ zumindest seine rechts rote und links graue socke die glühende Anhänger-

island, dieses karge stückchen Felsen mit dem charisma eines stumpfen Bleistifts schafft es in für die großen Kulturnationen beschämender Frequenz, spannende Popexporte auszuspucken. und damit ist hier nicht Björk gemeint. Der neueste Kulturexport von der insel ganz oben hört auf den typisch isländischen namen RetRO steFsOn und hat bereits im märz ein gleichnamiges Album vorgelegt, das sich

sämtlichen Kategorisierungsversuchen entzieht. syntie-Pop (aber von der guten sorte) trifft auf isländischportugiesischenglische Vocals und wenn man schon gar nicht mehr damit rechnet, legt sich über alles ein schwerer aber immer angenehm wärmender mantel aus den verschiedensten gitarren. Dass die musiker inzwischen in Berlin ansässig sind, hört man an allen ecken und enden, besonders dann, wenn das songwriting diesen schuss Prenzlberg verpasst bekommt. man schnallt dann die gitarren etwas höher, rückt die imaginäre Brille zurecht und fängt musikalisch an, eine Debatte über das sein an sich und die suche nach dem Blick aufs Leben zu führen. so hört es sich jedenfalls n bzw, fühlt es sich an, wenn sich inspiration und improvisation in einem einzigen song treffen und sich ganz am ende in perfekt aufgehenden Refrains auflösen. (tJ)

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Max Prosa von

A bis Z Text Roman Libbertz Fotografie Sony Music

Max Prosa wurde 1990 in Berlin geboren. Im letzten Jahr erschien sein hochgelobtes Debütalbum „Die Phantasie wird siegen“. Darauf singt er ganz anders als alle, meinten viele und hatten sofort genug Gründe ihn, wie so einige vor ihm, mit dem oberflächlichen Etikett des deutschen Bob Dylan zu versehen. Für mich ist er einfach nur einer der besten Sänger, die wir haben. Jetzt kommt sein neues Album. Es heißt „Rangoon“. 1. Wie hat alles (A)ngefangen? MP: „Anfangen, wo es anfängt: Es war Frühling, mondlose Nacht ...“ 2. Wie (B)ist du zur Musik gekommen? MP: Ich glaube eher die Musik ist zu mir gekommen. Ich habe im laufe der Zeit die Tür geöffnet. So fühlt es sich an. 3. Was sollte mal in deiner (C)hronik stehen? MP: Das müssen andere entscheiden. 4. Warum singst du auf (D)eutsch? MP: Für mich ist das natürlich. Ich muss fühlen was ich da singe, jeden der vielen Anklänge eines Wortes kennen. Das geht

nur in der Muttersprache, oder wenn man lange im Ausland lebt. Zu letzterem hatte ich keine Ambitionen. Die Sprache ist wie ein Instrument, eigen und vielseitig. Auf Deutsch ist vieles noch nicht probiert worden. Es hat seine Vorzüge und Nachteile, wie jede andere Sprache. Wieso also wechseln? 5. Was was das bisher größte (E)reignis deiner Karriere? MP: Auf der Bühne, wenn das Publikum und wir eine spirituelle Einheit bilden. Momente im Studio, wo alles aufgeht, anders und besser als geplant. 6. Wo (F)liegst du am liebsten hin? Ich fliege gar nicht gerne. Ich würde auch nicht von fliegen

reden. Man wird eher durch die Luft geschossen. Und es ist schlecht für die Umwelt. 7. Was ist für dich ein (G)enuss? MP: Viele kleine Dinge, in denen sich das Glück bemerkbar macht. Der Segen, das tun zu können, was man gut kann und gerne macht. Die Möglichkeiten zu haben, verschiedene Dinge zu probieren, ohne dass einem die Angst vorm Scheitern im Nacken sitzt. 8. Was wäre deine (H)enkersmahlzeit? MP: Brot und gutes Olivenöl. 9. Hast du (I)dole? MP: Ich glaube das wichtigste an Idolen und Vorbildern ist, dass man sich von ihnen löst. Die-

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sen Prozess bin ich einige Male durchlaufen. 10. Du trägst, so macht es den Eindruck, unglaublich gerne (J)acken, hat das eine bestimmte Bewandnis? MP: Das ist wohl anatomisch bedingt, mir ist schnell kalt. 11. Siehst du dich mehr als Sänger oder (K)ünstler? MP: Ich sehe mich nicht in diesen Begriffen. Für manche stimmt beides. Andere würden vielleicht behaupten, es trifft keins von beiden zu. Ich mache mir diese Gedanken nicht, ich mache lieber weiter.

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12. Hast du eine (L)ebensweisheit/motto, nach der du zu leben versuchst? MP: Hab keine Angst vor Fehlern, es gibt keine. (Miles)

singen zu tun hat, was tagsüber passiert. Organisieren, konzeptionieren. Nachts hab ich dann Ruhe und nutze sie von selbst. Sonst kann ich nicht schlafen.

13. Welche (M)usik hat dich am meißten inspiriert? MP: Schwer zu sagen, das wechselt mit der Zeit. Die großen Songwriter hatten alle ihren Einfluss, Dylan, Cohen, Waits. Auch Rio Reiser. Auch Miles Davis.

15. Was passiert dir zu (O)ft? MP: Dass ich mich mit Dingen beschäftige, die mich weder glücklich machen noch erfüllen.

14. Bist du eher ein Tag- oder (N)achtmensch? MP: Eher ein Nachtmensch. Zu meinem Beruf gehört auch vieles was nicht mit schreiben und

16. Wie kam es zum Zweitnamen (P)rosa? MP: Er kam eines Tages zu mir. Namen sind nichts natürliches, angeborenes, es kommt uns nur so vor, weil jeder den seinen von Geburt an hat.


17. Welches berühmte (Q)entchen fehlt noch zum großen Glück? MP: Es sind zu viele Quentchen, die das große Glück verdecken. 18. Was erwartet uns auf (R)angoon und warum der Name? MP: Es ist eine Reise. Mich hat dieses Land fasziniert und seine Gegensätze. Unberührte Natur, Paradies am Palmenstrand, Blutige Revolution, Unterdrückung, aber die Menschen leben und lieben überall. 19. Wie wird die erste (S)ingle heißen? MP: Zauberer. Es ist ein Lied über Sehnsucht. Die schöne, die gute, die alles erhellende Sehnsucht. Manche verbrennt sie, deshalb haben sie Angst. 20. Hast du einen bestimmten (T)raum, der immer wiederkehrt? MP: Ich verliere etwas und kann nicht dahin zurück. Nur in ultra langsamen Bewegungen. Ich habe Angst, dass es bald fort ist. 21. Welchen (U)nterricht hättest du deiner musikalischen Ausbildung gerne noch zugefügt? MP: Oh, da gibt es viele. Trompete und Kontrabass wären wohl die wichtigsten. Auch Harmonielehre würde ich gerne gut können. Aber da habe ich wohl sowas wie eine Legasthenie.

„Ich sehe mich nicht in diesen Begriffen ‚Sänger’ oder ‚Künstler’. Für manche stimmt beides. Andere würden vielleicht behaupten, es trifft keins von beiden zu. Ich mache mir diese Gedanken nicht, ich mache lieber weiter.“ 22. Was bedeutet (V)erlieren für dich? MP: Vielleicht zu scheitern, was weniger schlimm ist, denn wer nicht bereit ist zu scheitern, wird es nie weit bringen. Es ist wichtig, dass man als Künstler die Möglichkeit hat zu scheitern. 23. Wann ist Tag (X)? MP: Könnte schon morgen sein, keiner weiß mehr. „Seid also wachsam! Denn ihr kennt we-

der den Tag noch die Stunde.“ Matthäus 25 24. Wenn du Zurück in die (Z)ukunft reisen könntest, wohin würdest du den Timer setzen? MP: In die frühen Siebziger, ich würde auf ein Ziggy Stardust Konzert gehen und danach ins Café Lehmitz in Hamburg. Da gibt es ein Fotobuch drüber, das hat mich sehr fasziniert. Es war Inspiration für das Lied „Café Noir“.

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Lena Hoschek’s style is a nostalgic return to the female silhouette of the 1940s and 1950s, fusing traditional tailoring with her own passion for opulent, exquisite fabrics, floral prints and folklore from all over the world. The sexy retro look of her collections is marked by a careful attention to detail and always given a progressive finish, which is the expression of her love for Rock’n Roll and Heavy Metal. This summer, Lena Hoschek found her inspiration in the Dias de los Muertos – the Mexican custom to celebrate a fiesta with the dead. Ay caramba!

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Beweg Dich!

Fotografie monika finicky / www.monika-finicky.com

Nach der großen Resonnanz auf unser letztes Cover, wollten wir dem Thema nochmal etwas Raum einräumen. Bondage heißt ja nicht zwangsläufig Scharade, Latex und SMGedöns, sondern Bondage kann durchaus etwas mehr sein. Ein vermitteltes Gefühl von Freiheit. Ein esoterisches Selbsterlebnis. Ein ästhetischer Akt der Aufgabe. Und nicht zuletzt: Vertrauen. Die Fotografin Monika Finicky fesselt ihre Modelle selber und wir mögen die Bilder. Also lasst Euch inspirieren.

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Tatort:

Liebe Text Roman Libbertz Fotografie Farbfilm Verleih

David Sieveking hat mit „VERGISS MEIN NICHT“ einen der außergewöhnlichsten deutschen Dokumentarfilme aller Zeiten gemacht. Lieber David, seit einer halben Stunde bin ich nun schon aus dem Kino zurück. Seit einer halben Stunde mache ich nur Ausweichbewegungen. Ganz im Gegenteil zu sonst, herrscht in der ganzen Wohnung Stille. In meinem Kopf, vor allem aber in meinem Herzen verhält es sich anders. Ich weiß gerade überhaupt nicht was mit mir los ist. Während all meine Gedanken dem Film nachhängen, sagt mein Gefühl, dass ich gerade viel mehr als „nur“ einen Film gesehen habe. Ich fühle mich, als ob ich vorhin da im Monopol Kino in Lichtgeschwindigkeit durch all die zwischenmenschlichen Erfahrungen meines Lebens geschossen wurde. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich zu Tränen gerührt wurde, ich weiß nicht mehr wie oft sie geflossen sind und ganz generell, ob

das traurige oder Freudens-tränen waren oder beides zugleich. Ich will dir mein herzliches Beileid aussprechen, dir dabei aber zugleich vielmals danken, dass du eine der wohl schwersten Zeiten deines Lebens mit uns geteilt hast. Ich habe natürlich keine Ahnung, warum du deinem Schicksalsschlag dieses Mammut-Projekt zur Seite gestellt hast, aber ich wünsche mir, dass du durch diesen Film den Schmerz vielleicht zumindest ein bisschen lindern konntest. Mich hat dein Film tief berührt, ja, mich hat dein Film wirklich glücklich gemacht. Es ist unglaublich, wie du anhand der Erkrankung deiner Mutter den Vergangenheiten deiner Eltern nachspürst. Das Leben deiner Eltern ist schlicht-

weg unglaublich und allen voran sind natürlich deine Eltern zwei unglaubliche Persönlichkeiten. Als du die Revolutionsaktivitäten deiner Mutter aufdeckst, musste ich lächeln und dachte zwangsläufig an dein tolles Vorwerk „David wants to fly“. Einfach nur DANKE, dass du diesen Film gemacht hast. ***** Lieber Roman, Dank sei Dir für Deine sehr persönliche und rührende Reaktion! Ich hab den Film in erster Linie für meine Mutter und mich gemacht und auch für meine Familie als eine Art Denkmal. Film und Buch hat mir geholfen und waren im wahrsten Sinne des Wortes „Trauerarbeit“. Die Arbeit hat den Verlust und das

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„Wenn man Zuschauer hat in seinem Leben, dann gibt man sich mehr Mühe.“ Ende meiner Mutter auch in etwas Lebendiges für mich umgeformt und es freut mich sehr, dass der Film dankbar aufgenommen wird und den Menschen etwas geben kann. Meine Mutter hätte das als politischer Mensch, der sie war, sicherlich gefreut, wenn sie dazu beitragen kann, dass ein Tabuthema eine gewisse „Öffnung“ erfährt und nebenbei auch noch ein gehöriger Teil Deutscher Geschichte

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vorkommt, den es sich lohnt in Erinnerung zu rufen, wenn man mit Menschen umgeht, die ihr Gedächtnis verlieren. Insgesamt war der Film alles in allem ein riesiges Glück für mich und meine Eltern. Was hat dein Vater zum Ergebnis gesagt? Mein Vater ist vom Film total begeistert und sagt Dinge wie:

„Durch den Film sehe ich, wie schön das Leben ist.“ Er hat mein Filmteam und mich immer mit offenen Armen empfangen und fand: „Davids Film ist für Gretel die beste Therapie.“ Für sich selbst hat er im Film die Auseinandersetzung mit mir genutzt, um Lebensbilanz zu ziehen und daraus dann sein Verhalten neu entwickeln. Er sagte mir auch: „Wenn man Zuschauer hat in seinem Leben, dann gibt man sich mehr Mühe, dann will man sich von seiner besten Seite zeigen.“ Ich bin mir sicher, dass mein Vater auch ohne den Film alles für meine Mutter getan hätte, was er konnte, aber durch unsere Präsenz war er einfach


zusätzlich angestachelt und wir konnten ihn entlasten, so dass er wieder Kraft schöpfen konnte. Ganz offensichtlich fand er, dass meine Mutter vom Dreh profitiert. Er sagte auch, er sehe die Dreharbeiten in Bezug auf meine Mutter als eine Form der Zuwendung. Meine Mutter lebte durch das Interesse von mir und meines Teams richtiggehend auf und wir mobilisierten sie zu Dingen, die wir gar nicht mehr für möglich gehalten hätten. Und deine Schwestern? Meine Schwestern standen dem Projekt anfangs eher skeptisch gegenüber. Meine ältere Schwester wollte dann auch gar nicht im Film vorkommen. Die jüngere Schwester ließ sich nur unter der Bedingung auf die Dreharbeiten ein, dass sie später noch entscheiden dürfe, ob sie tatsächlich im Film bleiben wolle. Beide sahen den Prozess der Entsteheung des Films aber bald sehr positiv. Sie sahen ein, dass es unzweifelhaft gut für meine Mutter war, dass ich soviel Zeit für sie aufbringen konnte. Meine beiden Schwestern arbeiten und haben eigene Kinder. Da ist es höllisch schwer, sich nebenher um die Eltern zu kümmern. Mir gelang das ja nur dadurch einigermaßen, dass ich mein Leben zu Hause sozusagen zu meinem Job machte. Eigene Kinder habe ich auch noch nicht. Meine Schwestern fragten sich dann aber weiterhin, was für

ein Film denn da später an die Öffentlichkeit kommen würde und ob das auch im Sinne meiner Mutter gewesen wäre. Gar keine gute Idee fanden sie es dann zunächst auch, dass ich im Film die Geschichte der Liebe meiner El-

auch. Ich glaube wirklich, dass meine Mutter den Film in seiner Gesamtheit gut geheißen hätte. Und deine Großmutter? Die steht eigentlich hinter mei-

„Im Film geht es darum, wie man es in einer Familie trotz Krankheit und großer Veränderungen schafft, sich Liebe zu zeigen und Zuwendung zu geben. Wie in einer Krise auch eine Chance für positive Veränderungen liegt.“ tern erzählen wollte. Zum Glück legten sich die Sorgen dann, als ich den Film in einer fortgeschrittenen Rohschnittfassung meiner Familie zeigte. Er ist, glaube ich, für alle überraschend versöhnlich und heiter geraten, trotz des traurigen und schwierigen Themas. So hat der Film im Endeffekt den Segen meiner Familie bekommen, was meiner Mutter bestimmt gefallen hätte. Sie berief bei heiklen und schwierigen Fragen früher immer den „Familienrat“ ein, um das Kollektiv zu befragen. Mir war sehr wichtig, dass meine Mutter im Film ihre Würde behalten würde und in unseren Augen tut sie das

nem Vater in solchen Angelegenheiten. Was für ihren Jungen gut ist, heißt sie auch gut. Sie fragte sich natürlich auch, ob meine Mutter denn einverstanden gewesen wäre mit dem Projekt. Aber noch wichtiger war ihr die berechtigte Frage, ob sich mein Vater denn für meine Mutter aufopfern sollte. Ob es ihr denn etwas nützte, wenn er sich derart für sie querlegte und „aufbrauchte“, wie sie es ausdrückte. Ich finde es eine zentrale Szene des Films, in der sie auf einmal solch grundlegende Fragen stellt, die ich bis zu diesem Punkt mit meinem Vater gar nicht gewagt hatte, offen zu diskutieren. Mei-

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ne Großmutter ist jetzt sehr stolz auf dass, was mit dem Film und meinem Buch passiert. Sie findet es gesellschaftlich sehr wichtig, dass über Alter und Pflege nachgedacht wird. Im Film geht es ja im Grunde darum, wie man es in einer Familie trotz Krankheit und großer Veränderungen schafft, sich Liebe zu zeigen und Zuwendung zu geben. Wie in einer Krise auch eine Chance für positive Veränderungen liegt. Meine Großmutter wird im Sommer 99 und findet diese Nachricht wichtig heute. Das kann man auch gut verstehen: Sie lebt in einer „Seniorenwohnanlage“ und vermisst bei allem Komfort und auch regelmäßigen Besuchen die menschliche Zärtlichkeit und Zuwendung, die eine intakte Familie bieten kann. Hast du deine Mutter immer mit dem Vornamen angesprochen? Dass ich meine Mutter nicht „Mama“, sondern „Gretel“ nenne, ist schlichtweg auf meine Erziehung zurückzuführen. In meiner Familie haben wir Kinder unsere Eltern eigentlich immer nur beim Vornamen angeredet. Das war so eine 68er-Idee, die mit der damals populären antiautoritären Erziehung zusammenhing. Es ging wohl darum, die Eltern nicht als übermenschliche Respektpersonen zu sehen, sondern als ganz normale Menschen wie du und ich. In meinen Kindertagebüchern habe ich in-

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„Viele sagten mir, der Film habe sie zum Weinen gebracht, aber sie seien mit einem Lächeln nach Hause gegangen.“ teressanterweise festgestellt, dass ich meine Mutter dort trotzdem „Mammi“ nannte – vielleicht war das meine kleine Rebellion gegen zuviel Autoritätskritik meiner Eltern. Mein Vater war aber stets „Malte“ auch in den Tagebüchern. Er war aber vom Typ her auch nie so ein klassischer Vater, wogegen meine Mutter für mich schon eine richtige typische Mama war, auch wenn ich sie „Gretel“ nannte. Wie hast du abgeklärt dass es okay für deine Mutter war, dass ein Kameramann Teil eures täglichen Leben wurde? Ich wollte den Film nur unter der Bedingung machen, dass meiner Mutter die Dreharbeiten gut tun. Mit dem Gefühl, dass sie das Team gestört oder der Dreh ihr gar geschadet hätte, wollte ich auf keinen Fall arbeiten. Es stellte sich aber heraus, dass sie richtiggehend Freude daran hatte, wenn nicht nur ich, sondern auch noch andere junge Männer bei ihr waren und sich für sie interessierten. Dabei war es ihr egal, dass die Jungs Geräte in den Händen

hielten und in ihrem Schlafzimmer rumstanden. Das wir da etwas machten, was uns Spaß machte, fand sie gut und es mobilisierte sie. Die Kamera störte sie überhaupt nicht, aber es machte sie neugierig. Vor allem interessierte sie sich jedoch für die Menschen dahinter. Fragte, warum der Kameramann so ernst guckte oder warum er so große Augen habe. Sie zeigte immer erstaunlich viel Mitgefühl, wollte immer wieder vom Tonmann wissen, ob er müde sei und ob er sich nicht mal setzen wolle. Es ist im Film deutlich zu spüren, dass sie der Dreh an sich eigentlich nicht stört. Das hatte natürlich auch mit ihrer Demenz zu tun. Sie begriff nicht mehr worauf das Ganze hinaus lief, auch wenn ich ihr immer wieder erklärte, dass ich einen Film über sie machte. Und selbst wenn sie es mal ansatzweise begriff, hatte sie es sogleich wieder vergessen. Ein Indiz für mich dafür, dass sie den Film gut geheißen hätte ist, dass ich ja auch schon Aufnahmen von ihr gemacht habe, als sie noch geistig voll zurechnungsfähig war, viele Jahre bevor ihre Demenz diag-


nostiziert wurde. Damals redete sie sehr offen über intime Dinge und nahm offensichtlich kein Blatt vor den Mund, auch bei sehr privaten Angelegenheiten, die andere Menschen sicherlich als indiskret aufgefasst hätten. Im übrigen bin ich in meiner Familie immer schon der Junge mit der Kamera gewesen. Das ich zu Hause filmte hatte eine große Selbstverständlichkeit. Meine Mutter hat mich früher auch immer bei allem unterstützt was ich machte. Sie war überhaupt ein äußerst selbstlo-

ser Mensch, der fand, jeder sollte das machen, was ihm Spaß macht, wenn es keinem anderen schadete oder im Weg stand. Sie hat ihre Kinder nach ihren Möglichkeiten unterstützt. Jetzt ist der Film ja auch noch quasi über sich selbst hinausgewachsen, indem er viele Menschen erreicht und zu einem gewissen Grad ein gesellschaftliches Thema geworden ist. Gretel trat solange und so gut sie konnte für ihre Mitmenschen ein und ordnete sich hehren Zielen unter. Sie setzte sich ein für eine bessere Welt.

Seit der Premiere kamen jetzt immer wieder Zuschauer nach den Vorstellungen auf mich zu und sagten: „Gretel hätte den Film gut gefunden, weil sie ein politischer Mensch war.“ Der Film hat offenbar einen Nerv getroffen. Viele sagten mir, der Film habe sie zum Weinen gebracht, aber sie seien mit einem Lächeln nach Hause gegangen. Ich denke, das liegt daran, dass mein Film das Thema Alter und Demenz von einer anderen Seite beleuchtet als gewohnt und das Thema in ein interessantes

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ganz individuelles Schicksal einbettet. Leben und Tod gehören eben zusammen und die Trauer eines Abschieds birgt auch die Chance der Freude über das Schöne, das war und die Erfahrung eines Neubeginns. Wieviel Material hattest du vor dem Schnitt in etwa zusammengetragen? Gab es unterchiedliche

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Endversionen? Wenn ja – was war mehr oder weniger zu sehen? Wir haben meines Wissens an die 200 Stunden Material gedreht. Außerdem hatten wir im Schnitt fast 100 Stunden Archivmaterial zur Verfügung, aus eigenen und fremden Quellen. Eigentlich wollte ich den Film unbedingt zu Lebzeiten meiner

Mutter fertig kriegen. Der Film endete ursprünglich vor dem jetzigen Epilog, in dem meine Mutter zu Hause im Sterben liegt. Das war nie meine Absicht, meine Mutter noch in dieser Phase zu zeigen. Ich dachte eigentlich, dass ich keine Aufnahme mehr machen würde. Der Film endete mit der „romantischen“ Reise meiner Eltern nach Hamburg,


wo sie sich einst verliebten und heirateten. Sozusagen ein Happy End. Aber während ich fieberhaft daran arbeitete, den Film fertig zu kriegen und schon in der Tonmischung sozusagen auf der „Zielgerade“ war, verschlechterte sich der Gesundheitszustand meiner Mutter dramatisch und ich wurde sozusagen vom Leben beziehungs-

recht genaues Tagebuch. Als es uns dann zum Glück noch gelang, sie ohne „Schläuche“ zur Ernährung und Beatmung aus dem Krankenhaus nach Hause zu kriegen, um sie dort im Kreise der Familie friedlich zu verabschieden, entschloss ich mich, doch noch eine Aufnahme zu machen. Meine Produzenten und mein Kameramann haben

„Phase sammelte sie eine Zeit lang gerne Miniatur-Blumen-Sträußchen, die sie dann manchmal in ein winziges Schnapsgläschen stellte. Das fanden wir ganz entzückend.“ weise ihrem Sterben „überholt.“ Im Buch, das ich geschrieben habe nachdem der Film fertig war, schildere ich, unter welch dramatischen Bedingungen sie in dieser Zeit ins Krankenhaus kam und wie ihr Leben wochenlang am seidenen Faden hing. Diese Vorkommnisse wollte ich nicht im Film verarbeiten. Denn ich konnte ja nicht auf der Intensivstation eine Kamera aufbauen und in Interviews darüber zu berichten, passte nicht zum Film. Ich hatte da auch emotional gar nicht die Kraft, etwas zu drehen. Stattdessen machte ich mir im Hinblick auf das Buch Notizen, schrieb ein

da natürlich auch ihren Teil zu beigetragen, indem sie sich intensiv mit mir berieten. Ich hätte ja auch einfach eine schwarze Tafel oder Fotos ans Ende setzen können. Meinem Kameramann war es aber auch wichtig, noch persönlich von meiner Mutter Abschied zu nehmen, schließlich kannte er sie ja gut. Als er zu Besuch kam, hatte es die gleiche Selbstverständlichkeit wie beim Rest der Dreharbeiten vorher und es wurde eine wunderschöne Szene, in der meine Mutter von ihren Enkelkindern gefüttert wird, ein Bild, dass auf den Tod weist, aber vom Leben erzählt.

Wie kamst du auf den Titel und gab es einen Arbeitstitel? Der Titel war von Anfang an da, denn meine Mutter liebte kleine unscheinbare Blümchen wie eben ein hellblaues Vergissmeinnicht. Gretel mochte nicht so gerne opulente große Blumengestecke, sondern ganz kleine Pflänzchen. Besonders in ihrer „dementen“ Phase sammelte sie eine Zeit lang gerne Miniatur-Blumen-Sträußchen, die sie dann manchmal in ein winziges Schnapsgläschen stellte. Das fanden mein wir ganz entzückend. In der Titelwahl bestätigt hat mich außerdem der Besuch einer AngehörigenGruppe, so eine Selbsthilfegruppe, wo pflegende Angehörige sich austauschten über ihre Erfahrung im Umgang mit einer Demenz. Eine Frau erzählte da, dass sie mit ihrem Mann immer wenn es um „Alzheimer“ ging, stattdessen „Vergissmeinnicht“ sagte, sozusagen als Synonym für das böse Wort. Der Titel gefällt mir immer noch sehr gut für den Film, da er etwas schön Zweideutiges hat: „Vergiss mein nicht“ kann man einerseits von meiner Perspektive aus sehen: „Mutter, vergiss mich bitte nicht!“ Aber man kann es auch von meiner Mutter aus verstehen: „Vergesst mich nicht!“ Das einzige Problem bei dem Titel war, dass es vor einigen Jahren einen amerikanischen Spielfilm namens „Eternal Sunshine of

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„Ich glaube auch, dass wenn man überhaupt gar nicht kritisiert wird, man vielleicht etwas falsch gemacht hat. Dann sollte man nachdenken, ob man nicht zu brav und zu angepasst gearbeitet hat.“ the Spotless Mind“ gab, der den deutschen Verleihtitel „Vergiss mein nicht!“ hatte. Eine Weile lang strengten wir uns an, einen anderen Titel zu finden, um Verwechslungen vorzubeugen. Wir sind aber durch unseren deutlich späteren Erscheinungstermin, das andere Thema und Genre eigentlich klar genug abgesetzt voneinander. Interessanterweise hat mich „Eternal Sunshine“, dessen Regisseur Michel Gondry ich sehr, sehr schätze, irgendwie auch inspiriert und zumindest die Filmmusik hat uns ganz konkret beeinflusst. Es gab aber dann eine Zeit lang einige alternative Titel-Vorschläge. Mir fällt noch „Ich bin dein Sohn David“ ein, was ja ziemlich biblisch klingt oder „Liebe in Zeiten von Alzheimer“. „Vergiss Alzheimer“ gab es auch – noch lange bevor ein gleichnamiges Buch heraus kam. Oder etwas scherzhaft: „Die Sievekings“ in Anlehnung an „Die Buddenbrooks – Verfall einer Familie“ von Thomas Mann. Mei-

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ne Mutter hätte den Film wohl „Gewurschtel“ genannt, weil das ein Wort war, dass ihr noch sehr lange geläufig war und mit dem sie oft die Situation bei uns zu Hause beschrieb. Tut es dir weh, dass, ähnlich wie bei „David wants to fly“, deine schrankenlose Offenheit von einigen Seiten kritisiert wurde? Für mich hatten beide Filme bei allen Schwierigkeiten der Entstehung, irgendwie eine große Selbstverständlichkeit. Ich konnte in jeweiligen Zeit eigentlich nur jeweils diesen einen Film drehen, weil mein Leben das so verlangte. Ich persönlich bin froh, wenn ich das Gefühl habe, etwas im Kino zu sehen, woran jemand mit Leib und Seele an gearbeitet hat. Ich finde, man sollte generell mehr auf das Ergebnis schauen, als sich Gedanken zu machen, wo genau die Inspirationsquelle liegt, um das dann zu bewerten. Mir persönlich haben meine Filme ge-

holfen, mich zu entwickeln und mit meinem Schicksal produktiv umzugehen. Bei aller Offenheit, gibt es noch genug Rückzugsraum und Privatleben für mich. Wenn Leute meine Filme als Nabelschau kritisieren, ist das glaube ich meist ein automatischer Reflex, der passiert, wenn ein Regisseur in seinem Dokumentarfilm vor die Kamera tritt und zudem noch aus seinem Leben erzählt. Das ist für mich aber gar nicht obligatorisch. Ich mache das nur, wenn es ein spannendes und unterhaltsames Filmerlebnis verspricht, das durch meinen speziellen Zugang seinen Reiz gewinnt. Ich glaube im übrigen auch, dass wenn man überhaupt gar nicht kritisiert wird, man wahrscheinlich etwas falsch gemacht hat. Dann sollte man nachdenken, ob man nicht zu brav und zu angepasst gearbeitet hat. Außerdem: Auch in meinen Filmen gibt es jede Menge Distanz. Der Kameramann hat den Film sehr bewusst mitgestaltet, indem er eine bestimmte Erzählposition eingenommen hat. Meistens ist er ganz nah dran, wie ein Familienmitglied. Aber in manchem Momenten geht er auch einen oder mehrere Schritt zurück. Die Intimpflege meiner Mutter muss man nicht zeigen, es reicht wenn man sie andeutet. Mein Film führt seine Protagonisten nicht vor. Sie behalten ihre Würde. Das heißt nicht, dass man jemanden beschönigt oder nur


seine guten Seiten hervorkehrt, sondern dass man jemandem versucht gerecht zu werden, mit seinen Fehlern und seien Qualitäten, ohne ihn zu verletzen. Ganz grundsätzlich finde ich es in einem Film eigentlich immer gut und fesselnd, wenn in gewisser Weise „Grenzen“ überschritten werden. Ich will ja nicht immer das Gleiche sehen. Und ich möchte das Medium Film weiter erforschen und versuchen, interessante Geschichten zu erzäh-

Im Fall von solchen Tabuthemen wie Alter, Demenz und Pflege in der Familie halte ich es auch geradezu für angebracht, gegen die Regel zu verstoßen, nach der man eigentlich über private und intime Dinge nicht öffentlich redet. Indem meine Familie sich derart geöffnet hat, scheint es jetzt vielen leichter zu fallen, ihr Schweigen zu brechen, über sich zu reden und mit ihren Schwierigkeiten nach außen zu gehen, um sich Hilfe

„Mein Film führt seine Protagonisten nicht vor. Sie behalten ihre Würde. Das heißt nicht, dass man jemanden beschönigt oder nur seine guten Seiten hervorkehrt, sondern dass man jemandem versucht gerecht zu werden, mit seinen Fehlern und seien Qualitäten, ohne ihn zu verletzen. “ len, indem man etwas erlebt und nicht einfach etwas nacherzählt bekommt. Ich finde Filme spannend, in denen ich das Gefühl habe, dass der Ausgang nicht von Beginn an klar ist, sondern sich etwas wirklich entwickelt.

zu holen. Viele haben mir nach dem Film gesagt, er habe ihnen Mut gemacht, sich der Herausforderung eines schwer erkrankten Angehörigen zu stellen. Es freut mich natürlich, dass der Film jetzt in diesem Demenz-

Alzheimer-Kontext solchen Anklang findet. Ein bisschen würde ich mir manchmal wünschen, dass die anderen Aspekte des Films nicht zu sehr in den Hintergrund geraten, ich fühle mich ja hauptberuflich eigentlich nicht als Pflegebotschafter, sondern als Regisseur und Autor. „Vergiss mein nicht“ ist eine aus einem riesigen Materialberg mit Mühe und Sensibilität zusammengefügte Geschichte, die viel Humor hat. Dramaturgisch steckt eine Menge drin in dem Film. Die Figuren sind sehr plastisch und vieles hätte man sich nicht besser ausdenken können für einen Spielfilm. Ich kann gut mit etwas Kritik leben, finde aber diesen Vorwurf der Film sei „voyeuristisch“ etwas abgedroschen. Ich habe schließlich in keiner Weise mit versteckter Kamera gearbeitet, man merkt dass wir zusammen im Einvernehmen mit den Protagonisten gedreht haben. Und ist es denn nicht eine Eigenschaft von Film an sich „voyeuristisch“ zu sein? Was, denkst du, hat diese Lebenseinstellung begünstigt? Ich denke, das geistige Klima zu Hause, meine „antiautoritäre“ rationale Erziehung, wo man regelmäßig einen Familienrat einberief, hat so ein diskussionsbasiertes Zusammenleben für mich normal gemacht. Schwierig wurde es dann, als man mit meiner Mutter nicht

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mehr so richtig reden konnte. Dann mussten wir in der Familie lernen, nonverbal zu kommunizieren und unsere Gefühle direkter zu zeigen als es rein über Sprache möglich ist. Wie hast du von der Diagnose erfahren und wie ging es dir in diesem Moment? Mein Vater sagte mir eines Tages am Telefon, dass die Ärzte jetzt endlich offiziell eine Demenz diagnostiziert hätten. Das war 2009 und drei Jahre nachdem wir erste ernste Anzeichen

immer sogleich auf eine Demenz geschlossen, schon seit geraumer Zeit. Insofern brachte die Demenz-Diagnose keinen neuen Schrecken mit sich, sondern eher eine überfällige Gewissheit, dass wir uns mit der Situation abfinden mussten und nicht mehr auf Heilung hoffen durften. Hast du Angst vor AlzheimerDemenz? Klar habe ich Angst vor Alzheimer. Aber viel weniger als andere Menschen, wie ich im-

„Einer ihrer Merkzettel, der bis zuletzt am Küchenschrank hing, lautete: ‚Des Papstes letzte Worte: Ich bin froh, seid ihr es auch.’ Sie war kein Anhänger der Kirche, aber das hat ihr offenbar eingeleuchtet.“ von Gedächtnisproblemen bei meiner Mutter beobachtet hatten. Die Diagnose wunderte mich also kein bisschen, denn meine Mutter war schon seit längerem sehr verwirrt und nicht mehr fähig, alleine ihren Alltag zu meistern. Jeder Arzt, dem ich von ihr erzählte, hatte

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mer wieder feststelle. Sicherlich wäre es kein Zuckerschlecken, in relativ kurzer Zeit ein Pflegefall zu werden. Aber wenn ich liebe, fürsorgliche Menschen um mich weiß, die sich etwas auskennen, und sich um mich kümmern, müsste ich mir ab einem bestimmten Punkt, wo ich

diese explizite Angst vor Alzheimer nämlich auch vergessen hätte, und meine Erinnerung an mein altes Ich verweht ist, eigentlich keine allzu große Sorgen mehr machen. Anders als bei einer Krebserkrankung, wo ich ja Zeuge meines eigenen körperlichen Verfalls werde, ist es bei einer Demenz ja eigentlich geistig gesehen ein sanfter Abgang: Ich steige mit meinem alten Bewusstsein aus, bevor es voll und ganz ungemütlich wird. Ich verabschiede mich peu à peu und wenn es richtig ernst wird, krieg ich das meiste nicht mehr richtig mit. Das Ende wird verschleiert für den Menschen, der ich war. Natürlich hat man Angst die Kontrolle zu verlieren, aber nehmen wir mal den Idealfall an und man wird „getragen“ von seinen Mitmenschen. Da ich mit einer fortgeschrittenen Demenz nicht ständig meinen Zustand mit meinem früheren Zustand vergleiche, ist es bestimmt weniger traurig, als wir uns das vorstellen. Es hat ja auch etwas erleuchtetes, nur noch im Moment zu leben und einfach anzunehmen was da ist. Du hast dich sicher weitreichend informiert. Was tust du, um dem Vorzubeugen? Ich habe ziemlich viel gelesen zum Thema Demenz und bin, was pharmazeutische Hilfe anbelangt, sehr ernüchtert. Ich


denke, auf absehbare Zeit wird es kein wirksames Medikament und keine Impfung oder dergleichen geben. Alles, was man tun kann aus medizinischer Sicht als Vorbeugung lässt sich soweit ich weiß ganz einfach so zusammen fassen: Gute Ernährung, viel Bewegung und Neugierde – sprich geistige Bewegung. Also ein gutes, gesundes Leben führen. Was man sowieso tun sollte, wenn man gesund bleiben möchte, unabhängig von der Sorge Alzheimer zu kriegen. Wie geht es deinem Vater heute? Es geht ihm abgesehen von ein paar Wehwehchen gut. Er ist in einen Tischtennisverein eingetreten, macht wieder Mathe und hat eine neue Freundin. Nach dem Tod meiner Mutter war er aber erstmal für ein paar Monate in ein tiefes Loch gefallen. Eine Zeit lang machten wir Kinder uns große Sorgen. Er aß nicht viel und kippte auch mal um. Meine Schwester überlegte schon, ihn bei sich aufzunehmen. Aber dann rappelte er sich wieder auf. Spätestens seit unserer Weltpremiere in Locarno letzten August ist er wieder richtig auf dem Dampfer. Wir waren jetzt viel zusammen unterwegs für den Film und das hat ihm auch großen Spaß gemacht, die Publikumsgespräche zu führen und mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Er empfand die Reaktion auf den Film insge-

samt als eine „Welle der Liebe“. Kennst du das Lieblingszitat oder Lebensmotto deiner Mutter? Einer ihrer Merkzettel, der bis zuletzt am Küchenschrank hing, lautete: „Des Papstes letzte Worte: Ich bin froh, seid ihr es auch.“ Sie war kein Anhänger der Kirche, aber das hat ihr offenbar eingeleuchtet. À propos Kirche und Glauben – von meiner Mutter habe ich ein alternatives Vaterunser gelernt, das auf ihren Heim- und Herddichter Robert Gernhardt zurück geht: „Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was besondres bin und gib doch endlich einmal zu, dass ich klüger bin als du preise künftig meinen Namen, sonst setzt es etwas: Amen!“ Was ist das erste, das dir in den Sinn kommt, wenn du an deine Mutter denkst? Ihr Lächeln, leckeres Essen und Lebensfreude. ***** Lieber David, vielen herzlichen Dank, dass du diesen Film gemacht, dieses Buch geschrieben hast, für unser Interview und diese unglaubliche Welle der Liebe.

David Sieveking‘s „Vergiss mein nicht“ behandelt seine eigene Familie unter dem Schicksal einer Alzheimer-Demenz-Erkrankung. Das gleichlautende Buch ist ebenfalls gerade erschienen. Einem größeren Publikum wurde David Sieveking bereits durch seine kritische Dokumentation über Transzendentale Meditation namens „David wants to fly“ bekannt. Mit „Vergiss mein nicht“ wurde er bis dato mit dem Hessischen Filmpreis, einem der Hauptpreise des Internationalen Filmfestes in Locarno und dem Preis des GoetheInstituts beim Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar und Animationsfilm dekoriert. Gerade wurde der Film für den Deutschen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm nominiert, am 26. April findet die Verleihung statt. David Sieveking wurde 1977 in Friedberg (Hessen) geboren und lebt heute in Berlin.

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Um nichts

vorweg-

zunehmen, aber … Fotografie Richard Whitelaw Text Roman Libbertz

Bücher haben bei vielen meiner Freunde den Ruf, langweilig und einschläfernd zu sein. Umständliche Sätze, endlose Beschreibungen anstatt fesselnder Geschichten. Das muss verflucht noch mal nicht sein! Ein Ansatzpunkt. Durch den Bezug zum Autor oder die ­Hintergründe, warum dieser oder jener Roman geschrieben wurde, kann Verborgenes sichtbar und ein Buch zu mehr als einem Buch werden. Kinderleicht. Mir geht es jedenfalls so. Hier ein weiterer Versuch, ein Buch für dich lebendig zu machen. Diesmal: Joey Goebel

J

oey Goebel ist mit seinen zweiunddreißig Jahren bereits zu einem kleinen literarischen Schwergewicht aufgestiegen. Der, in Kentucky geborene, ehemalige Sänger einer Band namens „The Mullets“ hat mit „Ich gegen Osborne“ (die Geschichte eines einzigen brutalen Schultages im leben von James Weinbach) nun schon sein viertes Werk vorgelegt. Gibt man seinen Namen in eine der Suchmaschinen ein, steht da: „Joey Goebel, eigentlich Adam Joseph Goebel der Dritte. Seine Bücher beschreiben auf satirische Art die Eigenheiten der Popkultur im Mittleren Westen der USA.“ Verstanden? Ich

zumindest nicht wirklich, aber ich habe seine Bücher ja selbst gelesen und obwohl kein großer Zyniker oder Satiriker an mir verlorengegangen ist, konnte ich mich in fast allen seiner Helden problemlos wiederfinden. Goebel der Dritte oder Gesellschaftskritiker meinetwegen, aber seine Bücher machen vor allem eins: Unglaublichen Spass. Joey kommt ins Zimmer und entschuldigt sich erst einmal, weil er eine Minute zu spät ist. Dann entschuldigt er sich beim Rezeptionisten, weil wir einen, der sowieso ungenützen Räume für unser Interview benutzen. Er ist höflich, sehr höflich, ein wenig zurückhaltend, ein bisschen

breiter als ich ihn mir vorgestellt habe und mit diesem entwaffnenden Grinsen ausgestattet. Er begrüßt mich auf deutsch. BLANK: „Ich gegen Osborne“ ist das nicht ein sehr provokanter Titel? JG: Na ja, also alle Anderen schwärmen von ihren Ferien (dem Spring Break in Panama City) und James ist zuhause geblieben, weil sein Vater gestorben ist. Liegt der Titel da nicht sogar nahe? BLANK: Wie kamst du auf die Idee? JG: Teils meine eigene Schulerfahrung, teils meine Erfahrungen als Lehrer, nur die Höhepunkte habe ich mir schlichtweg ausgedacht.

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BLANK: Seit fast 5 Jahren bist Du jetzt Lehrer. Wie motivierst du deine Schüler beim Schreiben? JG: Ich sage oft: „Versucht immer die Sätze zu schreiben, die noch niemand vor euch geschrieben hat.“ oder „Schreibt genau so, wie nur ihr allein es zu Papier bringen könnt.“ BLANK: Was würdest du sagen, war die größte Herausforderung bei deinem neuen Werk? JG: Das Alles in Echtzeit zu erzählen. Also die ganze Geschichte an einem einzigen Schultag stattfinden zu lassen. Am An-

­ roße Gatsby“ existiert. Ich g habe das Buch daraufhin regelrecht studiert. Vor uns steht ein Wasserglas. Ich deute darauf. Halbvoll? will ich fragen, aber natürlich würde ihn da nur wieder als Pessimisten hinstellen, so steht es ja auch in jedem zweiten Interview. Gerade in Deutschland wollen sie ihn regelmäßig zu einem großen „Amerika“-Kritiker machen, doch so kritisch ist er überhaupt nicht. Nimmt man zum Beispiel seine „kleinen“ Alter Egos wie James oder Vincent,

„Musik war und ist immer meine Nummer eins. Das Schreiben hat sich nur früher gelohnt.“ fang hatte ich es sogar auf die Minute getimed, aber da wäre ich meinen Lesern wohl gehörig auf die Nerven gegangen. BLANK: Wie ist dir diese großartige Struktur gelungen? JG: Über die letzten Jahre habe ich hart an mir gearbeitet, ich habe nach und nach immer wieder versucht den Rhythmus einer Geschichte zu optimieren.Erst ziemlich spät habe ich dann plötzlich kapiert, dass dies in Perfektion bereits mit „Der

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LITERATUR

haben beide lediglich ein und dasselbe Bestreben: Sie wollen mit allen anderen gemeinsam durchs Leben zu gehen. Trotzdem kann ich nicht anders und konfrontiere ihn mit Sloterdijk. BLANK: „Ich bin ein Pessimist, aber das Leben hat mich eines besseren belehrt.“? JG: Hmmm, na gut, natürlich würde ich mich als Pessimisten bezeichnen, aber wenn man dem wirklich auf den Grund geht, ist dieser Pessimismus vielleicht

nur ein simpler gedanklicher Trick, um sich zu schützen. Ich glaube, das ist nur mein Weg sich auf Enttäuschung, Verlust und Trauer vorzubereiten. Man fällt dann vielleicht nicht so tief. BLANK: Inwieweit begünstigt Musik dein Schreiben? JG: Eine Menge. Seit ich wieder mehr Musik mache, bin ich auch wieder ein bisschen lockerer geworden. Über die letzten zehn Jahre seit „Vincent“ hat es mich irgendwie so weit in die ernsthafte Ecke verschlagen. Jetzt scheint es aber wieder zurück zum alten Joey zu gehen. Hochzeit, mein Kind und die Rezession war so eine riesige Menge Verantwortung und das musste ich ernst nehmen. Ich habe das alles ganz gut gemeistert und da wird man glaube ich automatisch wieder lockerer. Musik ist da auch ein ganz starkes Ventil. BLANK: Und wenn das mit dem Schreiben nicht geklappt hätte? JG: Musik war und ist immer meine Nummer eins. Das Schrei­ben hat sich nur früher gelohnt. BLANK: Wie geht’s eigentlich Vincent (der Held seines gleichnamigen Buches, dem, von einem Unternehmen gekauft, das Leben von Kindheitstagen an zur Hölle gemacht wird, um ihn


„Er hatte dunkle Augen und eins dieser Gesichter, die ich mir nicht ohne Schnauzbart vorstellen konnte.“ „Das fand ich ungerecht, denn meiner Meinung nach hätte draußen alles anhalten sollen, während wir hier drinnen litten.“ „Ich beschloss wieder asexuell zu werden.“ Einige der besten Zeilen im Buch: „Nach dem, was ich auf MTV ge-

sehen hatte, wusste ich, dass es ein heißer, stinkender, benutzter Tampon von einer Stadt war.“

zu einem perfekten Künstler heranreifen zu lassen) heute? JG: Ich glaube, er hat eine Frau und eine Tochter. Er ist so glücklich wie nie zuvor und schreibt nur noch zum Spass. BLANK: Wann schreibst du? JG: In der früh. Ich stehe auf, mache mir einen Kaffee und dann arbeite ich im Durchschnitt bis zum Nachmittag. Okay. Doch ganz ohne einen politischen Bezug, lass ich ihn

„Egal, was Pädagogen uns weismachen wollen, Pizza und Mais passen überhaupt nicht gut zusammen.“ „Vielleicht wurde ich gar nicht in der falschen Zeit, sondern am falschen Ort geboren.“

aber nicht davonkommen. Ich probiere es ganz fadenscheinig mit „Zero Dark thirty“? JG: Ist der Film nicht der unglaublich Beweis, wie schnell unsere Gesellschaft geworden ist? Da klopft es, die Zeit ist um. Wir müssten noch schnell ein Photo machen, sage ich, bitte ihn noch um eine Widmung und frage ihn beiläufig nach seiner Henkersmahlzeit. Scampi. Scampi und Donuts,

„Sie hatten Sex, und ich hatte den Tod.“ „Ich kam mir vor, als hätte mir jeder Mensch, den ich jemals kannte, „nein“ ins Gesicht geschrien.“ „Vielleicht waren sie die Klugen, weil sie wussten, dass die Zeit bald schneller vergehen würde, dass unsere Jugend aus uns herausströmen würde wie Bier aus einem Fass und unser aller Leben in vielleicht zehn Jahren nur noch daraus bestand, dass wir ziellos und benommen durch die Strassen gingen, bedrückt, weil wir kein Geld hatten.“

sagt er und da ist es noch ein letztes Mal, dieses übersympathische Grinsen. Anschließend stehe ich vor der Tür und lese die Widmung: „Yeah kick ass, take care, loved your questions, brother, yours pessimistically joey“. Viele hat das Joey-Fieber schon erreicht und es werden mehr und mehr werden, da bin ich mir sicher.

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IMPRESSUM

Reise Boris guschlbauer

Herausgeber, redaktionelle & künstlerische Leitung

Urbane Kultur, elektronische Tanzkultur Yuppi Buge

Romy Berger Johannes Finke

Anzeigen, Kooperationen, Advertorials Romy Berger | r.berger@blank-magazin.de

Kontakt BLAnK | Postfach 02 10 02 | 10121 Berlin Redaktionelle Ansprechpartner Gesellschaft & Politik Johannes Finke Musik & Literatur thomas Jäger Literatur Roman Libbertz

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iMPrEssuM litEratur

Art Direktion Romy Berger Online mario meißner V.i.S.d.P. Johannes Finke

Contributors Text & Reportagen elmar Bracht (www.dasbiestberlin.blogspot.com) Johannes Finke Boris guschlbauer (ichwilleineriesenbockwurst mitsenfundzwarsofort.de) Roman Libbertz (romanlibbertz.blogspot.com) teresa Bücker thomas Jäger Fotografie Roman Libbertz monika Finicky


HEFT ZWEI Es f端hrt kein Weg zur端ck von Philipp Schiemann

T端ckische Waffen von Teresa M. B端cker

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HEFT ZWEI

Es führt kein Weg zurück

haupt nicht so anfühlt. Später, wenn die Zufuhr der

von Philipp Schiemann

Stoffe nicht länger mit Sensationen einhergeht, sondern maßgeblich dazu dient, tiefste Depressionen,

Vorabdruck aus seinem neuen Buch „Gnadenlos“,

Delirien oder Krampfanfälle zu vermeiden, sieht die

Grupello Verlag, ISBN 978-3-89978-187-8, S.

Sache schon anders aus. Aber zu diesem Zeitpunkt

24–25.

ist nicht nur das Fundament längst zementiert, sondern längst sind ganze Städte erbaut worden, sind

Man nimmt sich nicht vor, süchtig zu werden.

innere Landkarten mit ausführlichen Verzeichnis-

Man stellt einfach irgendwann fest, daß man es ist.

sen entstanden, es ist vorwärts, vorwärts gegan-

Meist sind es Geldnöte oder Beschaffungsengpässe,

gen, und es führt kein Weg zurück.

die einen mit dieser Tatsache konfrontieren; beides führt zwangsläufig zu Entzugserscheinungen. Bis dahin kann jede kritische Reflektion ziemlich mühelos angepaßt, oder, so sie denn Schmerzen bereitet, umgehend betäubt werden. Weil das alles nicht schön ist, gibt es auch für alles eine Erklärung. Gele-

Tückische Waffen

gentlich ahnt man, daß eines Tages, möglicherweise

von Teresa M. Bücker

schon bald, ein hoher Preis für das harte Konsummuster fällig ist. Dies allerdings ist Zukunftsmusik,

Aktivist_innen sind dann erfolgreich, wenn sie

und das Leben --- wie wir alle wissen --- kennt we-

die Logik eines Systems unvermittelt und heftig auf

der Zukunft noch Vergangenheit, ist vielmehr stän-

den Kopf stellen. Denn nur aus der Asche des Kri-

dige Gegenwart, ist jetzt, jetzt, jetzt. Da kann man

tikgegenstandes, können die neuen Ideen erwachsen.

also nicht falsch liegen und überhaupt. Wenn mich

Chaos ist eines der Ziele von Femen, wie sie in ihrem

morgen früh ein Bus überfährt, kann ich mir von

Manifest erklären: „FEMEN – is the new Amazons,

meiner heutigen Abstinenz auch nix mehr kaufen.

capable to undermine the foundations of the patriar-

Habe ich mir aber ordentlich was eingeworfen, ja

chal world by their intellect, sex, agility, make dis-

--- dann interessiert mich weder der Bus von mor-

order, bring neurosis and panic to the men‘s world“.

gen noch das Geschwätz von heute. Es läuft alles an

Radikaler Aktivismus will keine bessere Welt, er will

mir vorbei, perlt ab wie ein Regenguß vom Ölmän-

eine neue. Die Aktivistinnen von Femen wollen ext-

telchen. All das Theater um mich herum, überhaupt

rem und kompromisslos sein. Doch ihre Idee ist alt:

alles da draußen: Das geht mich dann nichts mehr

Die Frauen der international organisierten Gruppe

an. Ich wähne mich vorbereitet, versichert für jeden

protestieren mit entblößten Brüsten. Ihre Idee ist

Ernstfall und genieße Immunität wie ein Diplomat

kraftlos – trotz hoher Medienpräsenz. In Deutsch-

zwischen den Welten. Was bleibt, sind die kleinen

land, wo Femen zuletzt in Hannover bei einemge-

und großen Sensationen, die ich mit Suchtmitteln

meinsam Auftritt vom russischen Präsidenten Wla-

aller Art auf meiner neurochemischen Klaviatur zu

dimir Putin und der Kanzlerin Merkel protestierte,

erzeugen vermag; Mitmenschen, Partner, Lover, al-

ist Nacktheit medialer Alltag. Eine freie Brust kann

les verkommt zu Kulisse und Instrument. Es ist ein

niemanden erschüttern – bis auf männliche Teenager

einsames Leben, wenngleich es sich zunächst über-

ohne Internetzugang.

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HEFT ZWEI

Die Fotos, auf denen die Politiker erschrocken

war, kann das Publikum kaum noch erinnern.

auf die Femen-Aktivistinnen blicken, dokumentieren

Brüste sind überall, doch sie sind schon lange nicht

wenige Sekunden Wirklichkeit. Nicht genug, um die

mehr politisch. Denn ihre Bilder erzeugen – anders

Zielpersonen zum Nachdenken zu bewegen. Dass

als Aktivismus es intendiert – keinerlei Bewegung

Ausziehen noch allzu oft als mutig bezeichnet wird,

mehr. Sie fügen sich ein in den Nachrichtenstrom,

ist eine Pseudomoral, die herangezogen wird, wenn

der zwar Informationen bewegt, aber weder Köpfe

der Narrativ fehlt. Denn welche Bilder eines Postpat-

noch Herzen. Erst unbeachtet und entpolitisiert ist

riarchats haben Femen tatsächlich vorgelegt – bis auf

die Brust frei – und damit ein Stück ihrer Trägerin.

bloße Ablehnung des Ist-Zustandes?

Sie ist bei Femen ein individuell selbstbestimmtes Mittel, doch kein universelles Symbol der Selbstbe-

Dass Femen dennoch Aufmerksamkeit erregen,

stimmung. Denn so unterschiedlich Frauen sind und

liegt nicht allein am Nachrichtenwert des entblöß-

so vielfältig der Feminismus, wird das Für-Frauen-

ten Frauenkörpers. Die straffen, naturbelassenen

Sprechen schnell zur Bevormundung, oder, wie zum

Brüste der jungen Frauen sind auf den ersten Blick

Beispiel bei Femen geschehen, zu Rassimus gegen-

zwar eine zweifelhafte Reproduktion des westlichen

über muslimischen Frauen. In dem sich ein Feminis-

Schönheitsideals der weiblichen Form, sie erfüllen

mus über den anderen erhebt, in dem sich Feminis-

jedoch auch die Ziele eines kontemporären Feminis-

tinnen gegenseitig Fehler und Schwächer vorwerfen,

mus. Sie suggerieren Aufbruch. Der nackte Protest

entwerfen sie eine öde Kopie des von ihnen kritisier-

bringt die Aktivistinnen in den Mainstream – der

ten politischen Systems.

Ort, an dem Feminismus sich entfalten muss, um die Geschlechterrevolution zu mehr als einer Theorie

Das Mutigste, das Frauen heute tun können, ist

werden zu lassen. Femen sprechen Männer an, weil

anstatt füreinander wieder mehr miteinander zu

Brüste nicht allein Fetischobjekt ihrer Besitzerinnen

sprechen, und Bündnisse ausgehend von ihren Un-

sind, und wirken damit in der öffentlichen Rezep-

terschieden zu schmieden. Eine radikale Allianz von

tion gegenüber Formen des Feminismus überlegen,

Frauen würde tatsächlich überraschen und wäre der

dem Lustfeindlichkeit vorgeworfen wird.

Beginn einer feministischen Utopie.

Femen beherrschen zudem den Umgang mit Medien auf zweifacher Ebene: sie surfen die Agenda und unterwerfen sich der Medienlogik. Denn der einfachste Weg von Journalisten beachtet zu werden, ist die Suche und die Attacke auf große Gegner; gepaart mit dem ultimativen weiblichen Reiz ist die Berichterstattung garantiert. Doch die Brust ist eine tückische Waffe. Sie katapultiert ein Thema in die Öffentlichkeit doch lässt die tieferen Inhalte in den Scherben ihres Sprengsatzes verblassen. In übersättigten Mark der sexuellen Bilder ist sie ohne Wert. Welche Brust heute mit welcher Botschaft verknüpft

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