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fricktal.info n 16 n 17. April 2019
fricktal
Den Pfarrer im Dorf lassen Urs Zimmermann, leitender Priester im Pastoralraum Möhlinbach, hadert mit seiner Kirche Er will lieber nahe bei den Menschen sein, statt im Büro zu sitzen. Deshalb ist Urs Zimmermann Pfarrer geworden. Früher und jetzt wieder. Denn nach drei Jahren als Zeitungsredaktor ist der 55-Jährige neuerdings leitender Priester im Pastoralraum Möhlinbach. Doch eigentlich lehnt er die neuen gros sen Strukturen der katholischen Kirche ab. Quittierte 2013 aus diesem Grund auch den kirchlichen Dienst – nach 16 Jahren als Pfarrer in Rheinfelden und Bad Zurzach. Jetzt steht er wieder am Altar. Doch er hadert noch. Wird er sich mit den Verhältnissen arrangieren?
ren Strukturen, der seine Schäflein kennt, deren Sorgen und Nöte, und der ihnen nach dem sonntäglichen Gottesdienst am Kirchenportal noch die Hand geben und mit ihnen die Predigt diskutieren kann. Die Pfarrei Wegenstetten-Hellikon zählt aktuell etwas mehr als 800 Katholiken: «Wenn ich nur für die da sein könnte, wäre das ideal.» So aber, mit fünf Gemeinden im mit anderen Pastoralräumen vergleichsweise noch überschaubaren Möhlintal, ist die Zeit durchgetaktet. Wenn etwas Unvorgesehenes dazwischenkommt, gerät er schon mal in die Bredouille. Von Vorgänger Pasalidi weiss Zimmermann, dass dieser bei den Autofahrten zwischen den Pfarreien aus Zeitmangel oft nicht einmal mehr das Messgewand ablegte. Wenn jetzt die Erstkommunion ansteht, ziehen sich die Termine dafür bis in den Mai hinein hin – die Zeiten, an denen das nur am Sonntag nach Ostern hat erledigt werden können, sind lange schon vorbei.
HANS CHRISTOF WAGNER Seit Oktober 2018, seit er die 70-Prozent-Stelle im Möhlintal innehat, wohnt Urs Zimmermann im Pfarrhaus Wegen stetten, aber nur von Donnerstag bis Sonntag. Die restliche Woche verbringt er in seiner Wohnung in Koblenz, wo er zuhause ist. «Ich möchte mich nicht zu sehr auf Wegenstetten einlassen, schliesslich bin ich auch nicht der Pfarrer vom Dorf. Ich möchte noch Distanz wahren.» Nicht der Pfarrer vom Dorf – tatsächlich ist Zimmermann der Pfarrer von fünf Dörfern, von Möhlin, Zeiningen, Zuzgen, Wegenstetten und Hellikon. Denn diese fünf sind seit rund einem Jahr im neuen Pastoralraum Möhlinbach zusammengefasst. Zimmermann, der einzige geweihte Priester im Team, hält in allen fünf Gottesdienste ab, tauft, traut und beerdigt, betreut Ministranten, besucht Kranke und Sterbende.
Urs Zimmermann ist seit Herbst 2018 auch Pfarrer von Wegenstetten
2015 eine 100-Prozent-Stelle in Möhlin inne. Das traf auch auf Ralf Binder zu, der 2016 als Diakon die Gemeinde Zeiningen verliess. Etwas länger zurück hatte auch Zuzgen eine eigene Gemeindeleiterin, und sein Vorgänger im Amt des leitenden Priesters, Alexander Pasalidi, war ebenfalls Vollzeit tätig. «Unterm Strich sind es weit mehr als 150 Stellenprozent weniger geworden», rechnet Zimmermann vor – eingespart aus finanziellen Gründen und auch, weil die Stellen mangels Bewerber ohnehin nicht besetzt werden können.
warb und es nach dem Weggang Pasalidis ins Berner Oberland so gut wie keine Vakanz-Zeit gab. Doch als «verlorenen Sohn», den die Kirche barmherzig wieder in ihre Reihen zurücknahm, sieht er sich nicht. «Meine Vorgeschichte spielte im Bewerbungsgespräch eine Rolle, aber daran scheiterte meine Einstellung nicht», berichtet er. Seine Vorgeschichte: 2013 schied er aus eigenem Wunsch, amtsmüde und voller Distanz zur Kirche, als Pfarrer der Pfarrei St. Verena in Bad Zurzach aus.
150 Stellenprozent weniger Und das alles mit nur 70 Prozent-Stellenpensum? «Das reicht bei weitem nicht, aber auch 100 Prozent wären noch zu wenig», sagt er. 250 Stellenprozent haben er, Pastoralraumleiter Daniel Reidy und Pastoralassistentin Bettina Bischof inne. Wenn Zimmermann die Personaldecke mit früher vergleicht, wird deutlich, wie dünn diese in den vergangenen Jahren geworden ist. Pfarrer Werner Bau- Da war es für das Bistum Basel ein Und wechselte die Branche komplett, mann hatte bis zu seiner Pensionierung Glücksfall, dass sich Zimmermann be- wurde kurz darauf Redaktor bei der Regi-
Foto: Hans Christof Wagner
onalzeitung «Die Botschaft», die im Zurzibiet erscheint, wo er aufgewachsen ist. Ein Kirchenmann wechselt in den Journalismus – das hat damals Schlagzeilen gemacht. Doch die Trennung war nie ganz vollzogen. Zu stark war Zimmermanns Wunsch, in Seelsorge und Liturgie weiter tätig zu sein. Dorfpfarrer in überschaubaren Strukturen Bei Vakanzvertretungen lernte er Gemeinden kennen, zum Beispiel Pfaffnau (LU), wo er das sein konnte, was er immer sein wollte: Dorfpfarrer in überschauba-
Nah und doch so fern Urs Zimmermann ist sich des Widerspruchs bewusst: Er will Seelsorger sein, kann das aber in der katholischen Kirche nur mehr innerhalb von Strukturen, die er im Grunde seines Herzens ablehnt. Er sucht die Nähe zu den Menschen, findet diese aber nicht, weil er zu viele davon betreuen muss. Ob er mit diesem Dilemma leben kann, vermag er im Moment noch nicht abzuschätzen. Er will dem Pastoralraum Möhlinbach noch eine Chance geben, auch weil sein persönliches Verhältnis zu Daniel Reidy so gut ist: «Da kann, ein Jahr nach Gründung, noch vieles wachsen», glaubt er. Und er sieht sich mit seinen Zweifeln nicht allein auf weiter Flur. Urs Zimmermann: «Im Grund kenne ich niemanden in der Kirche, der uneingeschränkt hinter dem Konstrukt Pastoralraum steht.» Es sei eben aus der Not geboren. Aber für ihn ist die Not hausgemacht – hervorgerufen durch den Pflichtzölibat und dass Frauen vom Priesteramt ausgeschlossen sind. Für ihn gehört beides abgeschafft. Dann gäbe es auch wieder mehr Pfarrer, die im Dorf bleiben könnten.
«Raffeln» und «Osterscheit» Bekannte und weniger bekannte Osterbräuche – in Zuzgen gelebt (eing.) Was ein Eiertütsch ist, das ist allen wohl bekannt. Aber haben Sie in der Karwoche selbst schon einmal die grosse Kirchen-Raffel bedient? Oder am Osterfeuer ein Osterscheit anbrennen und segnen lassen? Die römischkatholische Kirchgemeinde der Pfarrei St. Georg Zuzgen lädt dazu ein, diese alten Bräuche und Traditionen kennenzulernen. In katholischen Gegenden schweigen über die Kartage die Kirchenglocken zum Zeichen der Trauer über den Tod Christi. So läuten auch in Zuzgen die Kirchenglocken am hohen Donnerstag, auch Gründonnerstag genannt, zum letzten Mal und erklingen erst wieder in der Auferstehungsfeier am frühen Ostermorgen. Traditionell wird in dieser Zeit das wohlklingende Geläute durch Raffeln mit «hart schlagendem Klang» ersetzt. Die Schläge sind Zeichen der Trauer und sollen das Beben der Erde beim Tod Jesu symbolisieren, von dem in der Bibel zum Todeszeitpunkt am Kreuz gesprochen wird. Das «Raffeln» erfolgte auf einer ganz aus Holz gebauten Raffel. Mittels zwei Handkurbeln werden zwei Reihen von gefederten Hammerköpfen in Bewegung gebracht und versetzen mit harten Schlägen den Resonanzkörper der Raffel in «ratternden Klang». Dies ist auch mit ein Grund dafür, dass nur wenige Zuzger die doppelreihige Raffel je gesehen haben. Die Raffel, welche hoch oben im Kirchturm oberhalb des Glockenstuhles platziert war, konnte nur
Bevor der Pfarrer das Osterfeuer segnet, legen die Gläubigen ihre Holzscheite ringsum ins Feuer, wo das Scheit im Osterfeuer angebrannt und gesegnet wird. Die verkohlten, geweihten Holzscheite werden dann in den Häusern, hauptsächlich in Scheune und Stall, zum Schutz vor Feuer und anderem Unheil und Gefahren aufgehängt. Interessiert dabei zu sein? Wer einmal selbst «Raffeln» möchte, kann dies am Karfreitag versuchen. Wer an einem Osterscheit für sein Haus interessiert ist, hat ebenfalls am Karfreitagmorgen die Gelegenheit, ein solches Osterscheit für das Osterfeuer am Ostermorgen vorzubereiten. Die Kinder der Religionsklassen und auch andere Interessierte sind eingeladen, dieses Brauchtum kennenzulernen.
Treffpunkt Kirchenraffel in Zuzgen
über schwindelerregende Holzleitern erreicht werden. Das Bedienen der Raffel war früher in Zuzgen ein Privileg der älteren Ministranten aus dem der Kirche nahegelegenen Dorfteil «Gassenbach», welche während des Kirchenjahres die damals noch von Hand geläuteten Glocken läuten mussten. Das Raffeln war für die Gassenbächler-Ministranten die Belohnung für das anstrengende Glocken-
Osterscheit
Seilziehen während des Jahres. Während der letzten Jahre wurde die Raffel in Zuzgen nicht mehr regelmässig genutzt. «Wir möchten jetzt die Gelegenheit bieten, die Raffel aus der Nähe zu betrachten und auch einmal selbst bedienen zu können. Dazu haben wir die historische Raffel im Kirchturm an einen sicheren Ort verschoben. Wir freuen uns auf viele Interessierte.»
Fotos: zVg
Das Osterscheit zum Schutz vor Feuer und anderen Gefahren In der Morgendämmerung des Ostermorgens wird auf der Wiese neben der Kirche das Osterfeuer entzündet. Das Osterfeuer gilt als ein Symbol für die Wiederauferstehung von Jesus Christus. Traditionell bringen auch in Zuzgen die Gläubigen jedes Jahr ein neues langes Holzscheit – das Osterscheit – zum Osterfeuer mit.
Raffeln Karfreitag, 19. April, um 10 Uhr in der Röm. Kath. Kirche Zuzgen Osterfeuer Das Osterfeuer wird am Ostersonntag, 21. April, um 7 Uhr beim Parkplatz neben der Kirche entzündet. Anschliessend findet der Ostergottesdienst und Eiertütsch im Spycher statt.