Behörden Spiegel März 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. III / 38. Jg / 11. Woche

Berlin und Bonn / März 2022

Keine Akzeptanz für Rechtsverstöße Joachim Herrmann über konsequente Strafverfolgung.......................................... Seite 49

Flüchtlinge in Kommunen

(BS/mj) In den Kommunen laufen die Vorbereitungen für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge auf Hochtouren, erklären die kommunalen Spitzenverbände und fordern eine schnelle und gerechte Verteilung der Geflüchteten durch Bund und Länder sowie einen engen Austausch zwischen allen Beteiligten. Zudem müsse man den Fokus auf die Unterbringung der Geflüchteten legen, so Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages (DLT), “sollten die Menschen nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen”. Laut Dr. Gerd Landsberg, DStGB-Hauptgeschäftsführer, muss man sich darauf einstellen, dass “dieser Prozess länger dauern wird. Diese Menschen werden nicht in wenigen Monaten zurückkönnen.” Er fordert Bund und Länder dazu auf, diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Aufnahme, die Versorgung und die Integration dieser Menschen, dauerhaft zu finanzieren.

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Digitalisierung der Polizei

Notruf: “Bitte keinen Applaus!”

Dr. Sabine Sütterlin-Waack über Chancen in Schleswig-Holstein................................. Seite 52

Harun Sekman zu seiner Arbeit als Notfallpfleger ............................................ Seite 59

Einfach loslaufen

Neues Analysesystem in Bayern (BS/mfe) Bayerns Polizei erhält ein neues technisches System. Das Landeskriminalamt (LKA) hat den Zuschlag für das neue “Verfahrensübergreifende Recherche- und Analysesystem” (VeRA) erteilt. Vorausgegangen war eine europaweite Ausschreibung. Vor Einführung sollen aber sowohl die Software als auch der Quellcode zunächst durch ein unabhängiges deutsches Forschungsinstitut analysiert werden. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte: “Grundvoraussetzung für die Einführung der Software bei der Bayerischen Polizei ist, dass uns die Einhaltung der hohen Sicherheitsstandards zu 100 Prozent bestätigt wird.” Andernfalls werde das LKA vom Vertrag zurücktreten. Außerdem werde sich die Bayerische Polizei bei dem Projekt auch weiterhin eng mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abstimmen.

G 1805

Auf dem Weg zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat (BS/Jörn Fieseler) Krisen zwingen den Staat zum raschen Handeln. Das zeigt nicht nur der aktuelle Beschluss zum 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr im Zuge des Ukraine-Krieges (siehe unten und Seite 47), das zeigen auch die Herausforderungen der letzten Jahre. Doch während der Krisenmodus in seiner Kurzfristigkeit funktioniert, ist das alltägliche gesetzgeberische Agieren in der Kritik. Dabei könnte dieses mit einfachen Schritten verbessert werden. Zu Beginn der Corona-Pandemie waren sich die Vertreter von Bund und Ländern schnell einig. Ende Februar 2020 stiegen unter anderem im Landkreis Heinsberg die Infektionszahlen und weiteten sich rasant bundesweit aus. Nur drei Wochen später, am 16. März 2020, beschlossen Bundesregierung und Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) den ersten Lockdown. Doch je länger die Pandemie andauerte und je mehr der Krisenmodus zur “neuen Normalität” wurde, desto stärker geriet staatliches Handeln in die Kritik. Dabei wurde der Ruf nach bundeseinheitlichen Regelungen immer lauter. Trotzdem folgten einstimmig getroffenen Beschlüssen der MPK regionale Abweichungen durch die zweite Ebene des Staates: die Bundesländer. Und das nicht nur im Land des im letzten Jahr amtierenden Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, Armin Laschet. Dabei wurde immer auf die regionalen Unterschiede verwiesen, die ein anderes staatliches Agieren rechtfertigen würden. Diese regionalen Unterschiede sind in anderen Bereichen per Gesetzgebungskompetenzen zementiert. Sei es im Vergaberecht, wo neben den Normen des Bundes 15 Landesvergabegesetze unterschiedlichen Inhalts existieren, sei es im Polizeibereich mit seinen 17 Polizeigesetzen oder im

Eine bessere Gesetzgebung ist schon mit wenigen Schritten, quasi über die Sprintdistanz, zu erreichen. Dafür muss man nicht auf den Startschuss warten, die Ministerialbeamten könnten jetzt schon loslaufen. Foto: BS/Petair, stock.adobe.com

Bildungsbereich mit 16 unterschiedlichen Bildungssystemen. Doch was folgt daraus? Alle Macht oder alle Kompetenzen dem Bund? Nein. Das lässt Artikel 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Artikel 70 GG nicht zu. Man könnte zwar überlegen, dass Grundgesetz in die Zeit zu stellen, doch haben die bisherigen Föderalismuskommissionen eines gezeigt: Solche Prozesse sind langwierig und bedürfen überwältigender Mehrheiten, so

dass am Ende Kompromisse beschlossen werden, die der Sache nicht unbedingt dienlich sind. Stattdessen braucht es ein neues System von Gesetzgebung. Ein besseres Vorgehen bei der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Eine Stelle muss künftig den Rahmen setzen oder Standards vorgeben. Während der Pandemie hat der Bund beispielsweise Vorgaben für einen stufenweisen Lockdown

aufgestellt. Werden verschiedene Inzidenzwerte erreicht, greift die nächste Stufe von Maßnahmen. Die Digitalisierung der Verwaltung und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) mit dem “Einer-für-alle-Prinzip” (EfAPrinzip) sind hierfür ein weiteres positives Beispiel. Überhaupt stellt sich die Frage: Warum nicht das EfA-Prinzip auf andere Aspekte übertragen? Etwa auf das Beamtenrecht. Nach der Föderalismusreform I im Jahr

2006 haben die Länder das Beamtenrecht unterschiedlich ausgestaltet. Warum nicht das beste Landesbeamtengesetz küren und auf alle anderen oder möglichst viele Länder übertragen? Darüber hinaus ist auch die Erarbeitung eines Gesetzestextes neu zu organisieren. Anstatt einen schriftlichen Entwurf zu verfassen, der durch die Ressortabstimmung und – meist parallel durch die Verbändeanhörung – geht, wodurch schon früh um einzelne Formulierungen gerungen wird, sollte der Gesetzestext erst zu einem späteren Stadium erarbeitet werden. Zuerst sollten in Abstimmungsrunden Ziele definiert, aber Spielraum für die praktische Umsetzung belassen werden. Dabei ist der digitale Vollzug von Anfang an mitzudenken. Der zentrale Aspekt der Verwaltungsdigitalisierung “Form folgt Funktion” muss sich in jedem Gesetz wiederfinden. Für ein solches Vorgehen braucht es keine großen Änderungen. Dieser Ablauf entspricht dem Rahmen, den die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) bereits vorgibt und wie es Dr. Johannes Ludewig, ehemaliger Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates, bestätigt. Dafür braucht es nur ein bisschen Mut, auf diesem Weg voranzugehen und einfach loszulaufen.

Kommentar

Die Re-Positionierung des Zivilschutzes (BS) Was folgt auf das DopingPaket von 100 Mrd. plus zukünftig zwei Prozent des BIP für Verteidigung in Sachen Zivilschutz? Es bleibt bei vagen Forderungen und Überlegungen. Bis zur Wiedervereinigung galt der Zivilschutz als Appendix des Verteidigungsfalls. Den Ausgaben für die Bundeswehr folgten zwingend welche für den Zivilschutz. Der Friedensdividende zugunsten wurde ab Anfang der 90er-Jahre der Zivilschutz geopfert. Die Bundeswehr wurde reduziert und verkleinert, der Zivilschutz komplett aufgegeben. Stattdessen führte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily ein neues Konstrukt ein: Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Bis heute sind aber die Bereiche Verteidigung, Zivilschutz, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (Letzteres ist Ländersache) nicht neu austariert und miteinander verknüpft

worden. Was ist also zu tun? Die Stärkung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ist sicherlich eine notwendige Maßnahme. Finanzielle Mittel sind das eine, ob jedoch die vom BBK für die mittelfristige Haushaltsplanung bis 2026 vorgeschlagenen über 1.000 Planstellen alle Probleme lösen werden, sei dahingestellt. Generell gilt für den gesamten Themenkomplex: Auf nicht resiliente und unharmonische Strukturen ein großes personelles und finanzielles Gebäude neu aufzusetzen, ist ein Risiko. Erst einmal sollten die vorhandenen Strukturen auf Basis einer womöglich auch veränderten grundgesetzlichen Zuständigkeit geregelt werden. Das bedeutet, dass für den Zivilschutz das BMI zuständig sein muss, dass aber auch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Sachen Katastrophenschutz ge-

klärt werden muss. Schon die Flut zeigte, dass kommunale. Landes- und Kräfte des Bundes nicht ausreichend miteinander können. Von mangelnder technischer Resilienz der Ausstattung, Durchhaltefähigkeit der Kräfte und der Stäbe mal ganz zu schweigen. Im Anblick der Ukraine wird das Zivilschutz-Defizit ebenfalls klar: Keine Sirene kann eine Bevölkerung warnen, um in die nicht vorhandenen Schutzräume zu gehen. Ein Weißbuch zum Zivilschatz, besser zur zivilen Resilienz wäre wünschenswert: eine Bestandsaufnahme und ein Konzept für die Verzahnung von Heimatverteidigung (“Territorialkommunale Bundeswehr”), Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Das wäre der Re-Positionierung des Zivilschutzes angemessen! Uwe Proll

Sa sdorowje!


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel /März 2022

Immer wieder erschüttern nationale und internationale Ereignisse die Sicherheit verschiedener Handlungsfelder von Bund, Ländern und Kommunen wie auch die der Bevölkerung. Ob in der Cyber-Sicherheit, im Katastrophenschutz oder dem Risikomanagement bei Finanzen – Sicherheit spielt in allen Bereichen des Öffentlichen Dienstes eine große Rolle. Foto: BS/Photocreo Bednarek, stock.adobe.com

Mit Sicherheit Lösung: Flucht ins Vergaberecht

Mehr Akzeptanz für digitale Identitäten

Wie bei Grundstücksgeschäften das Beschaffungswesen genutzt werden kann .................. Seite 10

Wie können sichere digitale Identitäten den Menschen nähergebracht werden? ...................... Seite 44

Wie auf Bundes- so auch auf Landesebene

Sicherheitswirtschaft ist systemrelevant

Beginn des Kalten Krieges 2.0

Die Einsatzbereitschaft des Heeres

Politik sollte Rahmenbedingungen schaffen ............... Seite 30

Die aktuelle Neuordnung der Welt .............................. Seite 47

Bewusstsein und Beurteilen

IT ist erfolgskritischer Faktor

IT-Sicherheit im Alltag ................................................ Seite 31

Polizei ist auf funktionierende Systeme angewiesen... Seite 50

15 Punkte für den Katastrophenschutz....................... Seite 55

Wiederherstellung verlorener Fähigkeiten .................. Seite 57

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innenspiegel

Alles für den digitalen Staat Jahrbuch Deutschland+ informiert über neueste Trends

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(BS/sp/mj) Die Digitalisierung Deutschlands schreitet voran – gerade auch unter dem Eindruck der pandemischen Herausforderungen. Mit dem Auslaufen der OZG-Umsetzungsfrist, den angestrebten Reformen der neuen Ampel-Koalition auf Bundesebene und verschiedenen Konsolidierungsvorhaben warten auch 2022 wieder Novellierungen und Herausforderungen, an die es sich anzupassen und die es zu erörtern gilt. Für diese Diskussionen liefert das Jahrbuch Deutschland+ wichtige grundlegende Informationen und Impulse. Zahlreiche Behörden SpiegelVeranstaltungen aus dem vergangenen Jahr geben Anlass, die Entwicklungen zu resümieren und gleichzeitig nach vorne zu schauen. Die Kongresse wurden dabei entweder real, hybrid oder rein digital durchgeführt.

Regional- und Fachkongresse Neben der Ausweitung des eigenen digitalen Angebotes hat der Behörden Spiegel auch die Weiterentwicklungen in den einzelnen Ländern genau verfolgt. Darunter fällt zum einen die Reihe “Spot|On|OZG”, die kostenfrei in der Mediathek der Veranstaltungsplattform “Digitaler Staat Online” abrufbar ist, darunter fallen aber auch diverse Regionalkongresse, die auch im Jahr 2022 wieder stattfinden werden. Mit dem “Zukunftskongress Bayern”, “Baden-Württemberg 4.0”, “Digitale Verwaltung RLP”, “Nordl@nder-Kongress”, “e-nrw” und “HEssenDigital” wird hier mittlerweile ein beachtliches Spektrum der deutschen Länder abgedeckt. Auch die großen Kongresse “Digitaler Staat” und “PITS” (Public-IT-Security), die einen bundesweiten Fokus haben, konnten 2021 real bzw. hybrid durchgeführt werden. Hybrid wurde zudem ein “Cyber-Sicherheitstag Niedersachsen” durchgeführt. Mit dem “Innovationssymposium Künstliche Intelligenz” wandte man sich zudem einem wichtigen Zukunftsthema zu. Zum digitalen

Informationsangebot zählen zudem die Chefgespräche, OnlineDiskussionen oder der Defence Day, welche auf Digitaler Staat Online einsehbar sind und zum Mitdiskutieren aus dem Homeoffice oder dem Büro einladen. Dabei wird eine große Bandbreite an Themen abgedeckt. Von aktuellen Fortschritten beim Onlinezugangsgesetz für die einzelnen Bundesländer über Open Source in Kommunen bis hin zur CyberSicherheitsstrategie in Deutschland: 2021 haben wir den Maßstab für Qualität und Quantität der Diskussionen beim Digitalen Staat Online sehr hoch gelegt und werden auch 2022 daran anknüpfen. Auch in diesem Jahr erwartet das Fachpublikum bei Thementagen zur digitalen Souveränität und der Cyber-Sicherheitsarchitektur geballte Kompetenz und Themenvielfalt im digitalen Raum. Auf www.digitaler-staat.online finden Sie das kommende Programm unseres Digitalformats sowie bereits durchgeführte Diskussionsrunden übersichtlich dargestellt. Des Weiteren steht unter dem Menüpunkt “Jahrbuch” das gesamte Themenheft Deutschland+ zum Download bereit. Viel Spaß beim Schmökern!

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Feldmann Foto 2: BS/Frank Peter Foto 3: BS/Tasdemir

Herausgeber Dr. Eva-Charlotte Proll, Uwe Proll Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (Online-Redaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Sicherheitspolitik), Tim Rotthaus (Online-Redaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Büsra Tasdemir (OnlineRedaktion), Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Kerstin Wegner Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 32/2021, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz. Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / März 2022

Verhandlungen können noch Fahrt aufnehmen Erste von drei Tarifrunden im Sozial- und Erziehungsdienst hat stattgefunden (BS/Jörn Fieseler) Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und der DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) warnen die kommunalen Arbeitgeber wieder mit Streiks. Diesmal geht es um den Sozial- und Erziehungsdienst (S & E). Was bei der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für Irritationen sorgt, ist längst Standard gewerkschaftlicher Eskalationspolitik bei Tarifverhandlungen geworden. Doch diesmal könnten die Tarifverhandlungen deutlich länger dauern. Erinnerungen an 2006 werden wach. Am Internationalen Frauentag begannen die Warnstreiks zu den Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst. Zwölf Tage nach der ersten Verhandlungsrunde. Diese steht im Zeichen der Übergabe der Forderungen und der Konkretisierung. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis über den Verhandlungsgegenstand zu schaffen, anstatt über das Für und Wider einzelner Forderungen zu diskutieren. Entsprechend fällt die Reaktion von Karin Welge, Präsidentin und Verhandlungsführerin der VKA und Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen, aus: “Wir haben den Gewerkschaften schon Vorschläge gemacht, zu welchen Themen wir weiter verhandeln wollen. Dass die Gewerkschaften Verdi und DBB nun nach nur einer Verhandlungsrunde zum Streik aufrufen, entspricht nicht dem tatsächlichen Verhandlungsstand.” Dabei fielen die Reaktionen nach der ersten Verhandlungsrunde im Februar gedämpft aus. “Das war ein durchwachsener Beginn”, konstatierte der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach, nach den Auftaktgesprächen. Noch deutlicher wird Frank Werneke, Verdi-Vorsitzender und Verhandlungsführer: “Es ist unverständlich, dass die Arbeitgeber in dieser Auftaktrunde nicht schon ein klares Signal gesetzt haben, mit uns den gemeinsamen Weg zu besseren Bedingungen in den Kindertagesstätten einzuschlagen.” Schon jetzt würden allein in den Kindertagesstätten rund 173.000 Fachkräfte fehlen. Zwar habe man sich für die nächste Verhandlungsrunde am 21. / 22. März 2022 konkrete Themenblöcke vorgenommen, um nach sachgerechten Lösungen für komplexe Probleme zu

Zäh und langwierig

Nach zwei Jahren haben die Tarifverhandlungen für den S & E-Bereich wieder Fahrt aufgenommen. Foto: BS/Ralf Grosch, stock.adobe.com

suchen, ergänzt Silberbach. Zugleich bekräftigte er: “Von diesen Verhandlungen muss ein echtes Signal der Wertschätzung ausgehen, das dem gesellschaftlichen Stellenwert der frühkindlichen Bildung und der sozialen Arbeit gerecht wird.” Deshalb müsse es am Ende deutliche Entlastungseffekte geben.

Signalwirkung für andere Träger Drei Schwerpunkte haben die Gewerkschaften gebildet: die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit. Dabei geht es nicht nur um die Beschäftigten in den Kindertagesstätten. Zum Tarifbereich gehören neben den Erzieherinnen und Erziehern auch die Sozialarbeiter/-innen und etliche andere Berufsgruppen, die in der Arbeit mit Wohnungslosen, Straffälligen, Menschen, die sich

selber schon aufgegeben haben, und Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen tätig sind. Insgesamt 330.000 Beschäftigte sind betroffen. Der Großteil (245.000) ist in der Kinderbetreuung und -erziehung tätig. Weitere Bereiche sind die Sozialarbeit (55.000 Beschäftigte) und die Behindertenhilfe (rund 30.000 Mitarbeiter). Wobei dies nur die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sind. Insgesamt arbeiten rund 1,66 Mio. Menschen im Sozial- und Erziehungsdienst, von denen der überwiegende Teil bei privaten und freien Trägern beschäftigt ist. Allerdings hat der Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst für viele dieser Träger Signalwirkung.

Strukturelle Verbesserungen im Fokus Die Forderungen zielen erst in zweiter Linie auf eine Entgelterhöhung. Nicht das Einkommen aller Beschäftigten soll linear

angehoben werden, sondern die Eingruppierungsmerkmale in den verschiedenen Entgeltgruppen verbessert werden. Acht der insgesamt elf Forderungen der Gewerkschaften zielen auf diesen Bereich. So fordern die Gewerkschaften, die Tätigkeit der Kinderpfleger und Sozialassistenten in die EG S 4 einzugruppieren und die Erzieherinnen und Erzieher in die EG S 8 b. Des Weiteren sollen neue Merkmale für die Schulsozialarbeit geschaffen werden sowie in der zweithöchsten Entgeltgruppe der EG S 17 neue Merkmale für Tätigkeit in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und in der Leitungstätigkeit geschaffen werden. Darüber hinaus soll die Qualität der Arbeit verbessert werden. Etwa durch die Ausdehnung der Vorbereitungszeit, um so im Gegenzug mehr Zeit für die unmittelbare pädagogische Arbeit zu haben oder durch die Ausstattung von Zeitkontingenten.

Insgesamt werden die Aufwertungen und neuen Tätigkeitsmerkmale dazu führen, dass die Berufe insgesamt aufgewertet und besser bezahlt werden. Das wird sich auf die Kitagebühren auswirken (siehe Seite 19) Jedoch: Strukturelle Veränderungen ziehen schwierige und langwierige Verhandlungen nach sich. Die VKA hat schon deutlich gemacht, dass sie bei aller Bereitschaft für Verbesserungen im S & E-Bereich diesen nicht losgelöst betrachten könne. “Wir müssen auch das Gehaltsgefüge des gesamten kommunalen Öffentlichen Dienstes im Blick behalten. Verbesserungen kann es somit nicht mit der Gießkanne geben, sondern dort, wo sie angebracht sind”, sagt Niklas Benrath, Hauptgeschäftsführer der VKA. Zum jetzigen Zeitpunkt ist daher noch nicht absehbar, ob die Verhandlungen mit dem dritten Termin am 16./17. Mai 2022 beendet sein werden. Die Erfahrungen aus der Einführung einer Lehrerentgeltordnung 2015 und aus dem Jahr 2006, als die Arbeitszeit um 18 Minuten verkürzt wurde, zeigen, dass es durchaus länger dauern könnte. Vor 16 Jahren zog sich der Arbeitskampf über knapp acht Wochen hin. Gewerkschaftsseitig kann bei Streikaktionen noch mehr Fahrt aufgenommen werden. Das muss sich gerade in Pandemie-Zeiten, in denen der S & E-Bereich wie viele andere auch schon am Limit ist, nicht wiederholen. Beide Tarifparteien wären gut beraten, Arbeitsgruppen einzurichten, die die komplexe Materie der Eingruppierungsmerkmale vorab klären, und der Verhandlungsrunde mit den Spitzenvertretern konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

KNAPP Gender Pay Gap wächst

(BS/akh) In den ersten drei Jahren Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung liegt das durchschnittliche Jahresgehalt von Männern (38.772 Euro) rund ein Prozent höher als das der Frauen (38.335 Euro) – dies geht aus einer Befragung der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu hervor. Wie auch in anderen Branchen wächst diese Gehaltslücke mit der Berufserfahrung. So steigt sie bei Verwaltungsmitarbeitenden mit sechs bis zehn Jahren Berufserfahrung auf fünf Prozent an. Damit ist die öffentliche Verwaltung in dieser Auswertung die Branche mit den geringsten Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen, weist jedoch mit vier Prozent Wachstum einen der relativ höchsten Anstiege auf. Besonders groß sind die Unterschiede bei der Bezahlung in der Finanzbranche, mit 21 Prozent in den ersten drei Jahren Berufserfahrung und 26 Prozent in den Jahren sechs bis zehn.

Neue Vertretung für Nachwuchskräfte

(BS/akh) Seit dem 1. März finden die Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) in den Dienststellen des Bundes statt. Jugendliche Mitarbeiter/ -innen sowie Beschäftigte, die sich in der betrieblichen Ausbildung befinden, sind noch bis zum 31. Mai zur Stimmabgabe eingeladen. Die gewählten Jugend- und Auszubildendenvertreter/-innen – selber junge Mitarbeitende – sorgen dafür, dass die Anliegen der Nachwuchskräfte gehört werden. Sie vertreten deren Interessen nicht nur innerhalb der JAV, sondern darüber hinaus im Personalrat und schließlich gegenüber der Dienststellenleitung. Damit die JAV die Bedürfnisse und Ideen der jungen Mitarbeitenden möglichst authentisch repräsentieren kann, fordern die Gewerkschaften Nachwuchskräfte auf, sich an der Wahl zu beteiligen und so die JAV nach ihren Vorstellungen mitzugestalten.

Zukunft Führung 2022

Neue (Führungs-)Kraft in der Behörde entfalten Themen und Referenten, u. a.: • Wirksam führen – Hirnforschungsergebnisse für den Führungsalltag • Führung in der Verwaltung: Ein Ausblick ins Jahr 2030+

21.-22. Juni 2022

GOP Varieté-Theater Bonn

• Führen auf Distanz im digitalen Zeitalter • Führungsfallen erkennen und vermeiden • Führung 4.0 – Verloren in der Matrix-Organisation • Warum sollten sich Führungskräfte mit Mediation befassen?

Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Führung“


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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So geht Recruiting

E

in verzerrtes Kaninchen hüpft über die Hauswände Berlins. Dieser Anblick sorgte im vergangenen Jahr für viele fragende Blicke. “Die Aktion machte neugierig”, erklärt Markus Schlimm-Rebasti, Leiter der Personalgewinnung beim Bundesnachrichtendienst (BND). Genau das war die Idee hinter der Recruiting-Kampagne mit dem Hashtag #followtheglitchkarnickel. Solches Guerilla-Marketing ist eher ungewöhnlich für den Öffentlichen Dienst und doch – oder gerade deshalb – erfüllte es seinen Zweck. Vor allem in der IT-Zielgruppe konnte die gewünschte Aufmerksamkeit erzielt werden und auch aus eher kritischen Kreisen sei die Kampagne anerkennend gewürdigt worden. “Vielfach müssen wir noch feststellen, dass uns potenzielle Bewerbende noch gar nicht als Arbeitgeber auf dem Schirm haben”, berichtet Schlimm-Rebasti. Recruiting sei daher wichtig, in einer Sicherheitsbehörde aber auch mit Hindernissen verbunden. Man könne Stellen aus sicherheitlichen Gründen nicht sehr genau beschreiben. Diverse rechtliche Vorgaben und sicherheitliche Überprüfungen machten den Einstellungsprozess zudem zeitaufwendiger. Der BND setzt daher auf eine möglichst transparente Darstellung des Bewerbungsprozesses.

Neue Wege In den Sozialen Medien ist der BND noch nicht sehr lange unterwegs. Man habe nach Möglichkeiten gesucht, insbesondere die jüngere Zielgruppe anzusprechen, so sei der Instagram-Karrierekanal @bndkarriere entstanden. “Während früher zumeist Printanzeigen und Messen die Mittel der Wahl waren, agieren wir heute deutlich agiler, auf unterschiedlichen Plattformen und zielgruppenspezifischer hinsichtlich der Ansprache.” Neben Inhalten wie unterhaltsamen und historischen Fakten über den BND stehe der aktive Austausch mit der Community im Vordergrund, erklärt Schlimm-Rebasti. Um die richtigen Bewerber/-innen zu erreichen, sei der BND stets auf der Suche nach neuen Kanälen, verrät SchlimmRebasti. Für die Zukunft kündigt er an: “Wir werden uns das Active Sourcing zunutze machen und planen die Entwicklung einer Arbeitgebermarke. Überdies verfolgen wir auch die eine oder andere weitere Idee – lassen Sie sich überraschen.”

Behörden Spiegel / März 2022

Erfolgreiche Personalgewinnung dank Kampagnen (BS/Ann Kathrin Herweg) Monotone Einstellungsprozesse und bunte Kampagnen – erstere sind leider immer noch traurige Realität in so manchen Behörden, zweitere gewinnen glücklicherweise mehr und mehr an Bedeutung. Mithilfe von Recruiting-Maßnahmen kann sich die öffentliche Hand dem Fach- und Führungskräftemangel effektiv entgegenstellen. Doch es reicht nicht, nur die Bewerbungsprozesse zu polieren. Dass es solche Kampagnen dringend braucht, da ist sich der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach sicher. “Der Staat hat zu lange versäumt, sich systematisch und professionell um die Personalgewinnung zu kümmern. Auch wenn hier viele Bereiche des Öffentlichen Dienstes mittlerweile besser aufgestellt sind, gibt es noch viel Luft nach oben. Wenn alleine die 1,3 Millionen Kolleginnen und Kollegen ersetzt werden sollen, die in den nächsten zehn Jahren altersbedingt ausscheiden, wird es mehr maßgeschneiderte, zielgruppengerechte Recruiting-Kampagnen geben müssen – und natürlich attraktivere Arbeitsbedingungen.”

weiter. Sie hat sicherlich auch in die Verwaltung hineingewirkt und die Kultur beeinflusst – hin zu mehr Öffnung und Aktivität im Bereich Vielfalt. “Neben der Kommunikation nach außen war diese Sensibilisierung der Belegschaften ein weiteres wichtiges Ziel der Initiative. Zudem griffen Rathäuser und Ämter die Kampagne auf und trugen sie mittels eigener Aktivitäten weiter. Wir haben in Baden-Württemberg einen wichtigen Schritt hin zu einer vielfältigeren und diversen Verwaltung gemacht, dem noch weitere Schritte folgen werden”, so Klause abschließend.

Keine falschen Versprechen

Zielmarke statt Quote Das Ziel vieler Recruiting-Kampagnen im Öffentlichen Dienst ist die interkulturelle Öffnung. So auch bei “Wir sind Hamburg! Bist Du dabei?” Innerhalb von 15 Jahren konnte der Einstellungsanteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der hamburgischen Verwaltung fast vervierfacht werden – von 5,2 Prozent (2006) auf 20,5 Prozent (2020). Damit wurde nicht nur ein Höchstwert in der Laufzeit der Kampagne, sondern erstmals auch die Zielmarke von 20 Prozent erreicht, so Stefan Müller vom Landesbetrieb ZAF/ AMD, Zentrum für Aus- und Weiterbildung (ZAF). Das ZAF kümmert sich um die Umsetzung der Kampagne. Man arbeite dabei eng mit den weiteren Ausbildungsbehörden des Landes zusammen. Bei den angestrebten 20 Prozent handle es sich um eine Zielmarke, betont Müller, nicht um eine Quote. Auch seien in den Auswahlverfahren ausdrücklich keine Standards herabgesetzt worden. Man stelle weiterhin nach Eignung ein. Neben der gleichberechtigten Teilhabe liegt ein weiteres Ziel der Kampagne in der Verbesserung der Dienstleistungsangebote. Menschen mit Migrationshintergrund hätten besondere Qualifikationen: Mehrsprachigkeit, Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen und neue Perspektiven bereicherten die

Entscheidend für das Recruiting ist, die Zielgruppe zu kennen und die richtigen Medien und Kanäle zu wählen. Foto: BS/Chaay_tee, stock.adobe.com

Arbeit. Außerdem stiegen durch erhöhte Beschäftigtenanteile in der Ausbildung sukzessive die Beschäftigungsanteile in den Dienststellen. Dass der Zielwert erreicht wurde, bedeutet nicht, dass die Kampagne damit beendet ist. Laut Müller will man auch in Zukunft daran festhalten und bisherige Erfolge verstetigen und weiter ausbauen.

“Vielfalt macht bei uns Karriere” “Wir haben uns bewusst dazu entschieden, die Kommunikation sehr authentisch zu machen”, erinnert sich Ralph Klause an die Kampagne “Vielfalt macht bei uns Karriere – Willkommen im Öffentlichen Dienst!” in BadenWürttemberg zurück. Er begleitete die Kampagne als stellvertretender Referatsleiter. Auch die kommunalen Landesverbände, der Beamtenbund und der DGB waren an der Initiative beteiligt. Mit einem professionellen Casting suchte das Land nach Auszubildenden. Zehn Botschafter/-innen wurden ausgewählt und damit wurden sie nicht nur zu Gesichtern für Print- und Online-Werbung. Sie besuchten fortan auch Messen und andere Veranstaltungen oder nahmen

Videos auf, um so ihre Erfahrungen im und mit dem Öffentlichen Dienst weiterzugeben. Die jungen Menschen traten authentisch auf und informierten Gleichaltrige auf Augenhöhe über die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten in der Verwaltung. So konnten sie Hemmschwellen abbauen und zur Bewerbung motivieren. Diese Kommunikation sei erfolgreich und zielführend gewesen, so Klause. Auch die Partner waren von der Kampagne überzeugt. Aus der Politik gab es positive Rückmeldungen. Im Verlauf der Kampagne schlossen sich mehr und mehr Kommunen sowie weitere Unterstützer an. Neben dem Einsatz für mehr Vielfalt in den Behörden und Institutionen seien auch Werbebotschaften für die vielfältigen Berufsbilder transportiert worden, erklärt Klause. Er zieht eine positive Bilanz: “Es war spürbar, dass die Botschaften für alle eine Bereicherung waren”.

Verwaltungskultur beeinflusst Mit der Auflösung des eigenständigen Integrationsministeriums wurden dessen Zuständigkeiten und Kapazitäten auf verschiedene Ministerien verteilt. Die Kampagne lief in diesem Rahmen noch einige Zeit

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Antikorruptionsbeauftragte /r in der öffentlichen Verwaltung 28.03.–01.04.2022, virtuell

Bildnachweis: ©Bits and Splits, Fotolia.com

Die öffentliche Hand steht vor der verantwortungsvollen Aufgabe, innerhalb ihres Kompetenzbereiches ein Korruptionspräventionssystem zu schaffen. Eine wesentliche Maßnahme in diesem Sinne ist die Berufung einer/s Antikorruptionsbeauftragten. Er/sie ist Ansprechpartner/-in für alle Mitarbeiter/-innen hinsichtlich korruptionsrelevanter Verdachtsmomente und trägt wesentlich dazu bei, ein funktionsfähiges Präventionssystem in eine Behörde oder sonstige öffentliche Einrichtung zu implementieren. Alle wesentlichen Aufgabengebiete der/des Antikorruptionsbeauftragten werden in diesem E-Training vorgestellt und praxisnah vermittelt. Detaillierte Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchwort „Antikorruption“

Ihre Dozenten: Ingo Sorgatz Dipl.-Verwaltungswirt (FH), war als Erster Kriminalhauptkommissar in einer obersten Sicherheitsbehörde des Bundes mehrere Jahre für die Interne Revision und Korruptionsprävention zuständig.

Dr. Stefanie Lejeune Rechtsanwältin, Staatssekretärin a. D., ist Ombudsfrau zur Korruptionsprävention und in der Kanzlei GÖHMANN Rechtsanwälte als Of Counsel tätig.

Mit fachlicher Unterstützung von

BND, Hamburg, Baden-Württemberg und viele mehr zeigen, wie gutes Recruiting aussieht und dass dabei verschiedene Mittel und Wege genutzt werden können, um bei potenziellen Bewerber/-innen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Gerade – aber nicht nur – die jüngere Zielgruppe erreicht man heutzutage besonders gut über Social Media, doch dabei gibt es einiges zu beachten. In einem zweijährigen StArk-Forschungsprojekt haben Dr. Florian Keppeler und Prof. Dr. Ulf Papenfuß von der Zeppelin Universität Friedrichshafen bis 2020 die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität kommunaler Arbeitgeber untersucht und sich dazu die Social-Media-Profile verschiedener kommunaler Unternehmen und Kommunen angesehen. Es wurden Stellenanzeigen geschaltet und randomisiert gewissen Nutzergruppen angeboten. Eine der Erkenntnisse: ArbeitgeberWerteversprechen haben keine universale Wirksamkeit auf die potenziellen Bewerber/-innen. Häufig wird z. B. im Öffentlichen Dienst mit Arbeitsplatzsicherheit geworben. Das sei jedoch nicht immer ein Pluspunkt, wenn z. B. ein großes Unternehmen in unmittelbarer Nähe ebenfalls sichere Arbeitsplätze biete, erklärt Keppeler. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Abgrenzung auf dem örtlichen Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle bei der Personalgewinnung spielt. Womit genau geworben werden sollte, sollte vor Ort datenbasiert getestet werden, bevor man kostenintensive Kampagnen starte, so Keppeler. Die Studie hat zudem gezeigt, dass Authentizität wichtig für die Arbeitgebermarke ist. “Es sollte nichts versprochen werden, was dann schon in der ersten Woche nicht eingehalten werden kann”, so der Postdoktorand. Zielgruppenorientierter denken – das empfiehlt Keppeler den Arbeitgebern. “Man muss die Altersgruppen auf dem Schirm haben”, nennt er als Beispiel. Was ein gutes Werkzeug sei, um 18- oder 19-Jährige anzusprechen, das sei nicht unbedingt auch das richtige Werkzeug, um Bewerber/-innen mit Mitte 40 zu erreichen, vielleicht nicht einmal, um Anfang 20-Jährige anzusprechen. “Die Potenziale von Social Media sind noch nicht ausgereizt. Es gilt, die richtige Plattform und die richtigen Werteversprechen für die richtige Stelle zu finden”, erklärt Keppeler. Aktuell forscht er zur Direktansprache von Talenten durch öffentliche Arbeitgeber mithilfe von KI-Anwendungen. “Die öffentliche Hand ist hierbei noch sehr zurückhaltend, doch das Thema wird zunehmen”, gibt der Postdoktorand zu bedenken. Angesichts des Fach- und Führungskräftemangels müssten die Arbeitgeber sich überlegen, ob

sie Personalgewinnung und die Direktansprache von möglichen Mitarbeiter/-innen an Externe, z. B. Headhunting-Agenturen, abgeben oder doch lieber selbst Kompetenzen in diesem Bereich aufbauen möchten, findet Keppeler.

Die perfekte Stellenanzeige Mit Kampagnen und den richtigen Versprechen an die richtige Zielgruppe können Behörden in Sachen Recruiting und Arbeitgeberattraktivität einiges erreichen. Nicht selten steht sich die öffentliche Verwaltung bei der Personalgewinnung leider selbst im Weg. Diese Erfahrung hat auch Prof. Dr. Dominik Vogel von der Universität Hamburg gemacht. Gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Döring und Martin Sievert hat er in einer Studie die Effektivität von Stellenanzeigen im öffentlichen Sektor untersucht (2021). Erste gängige Fehler fangen schon bei den Formulierungen an. “Man sollte in einer Stellenanzeige bürokratische Sprache vermeiden”, so Vogel, “die schreckt viele Leute ab.” Ein Beispiel: Wenn in der Anzeige eine Entgeltgruppe genannt werde, sei dies für Mitarbeitende aus dem Öffentlichen Dienst logisch, andere könnten sich darunter nichts vorstellen. Eine einfache Lösung sei es, die Bezahlung in Zahlen zu benennen. Ebenfalls abschreckend: Als Antwort auf eine eingesendete Bewerbung bekommen die Absender laut Vogel häufig eine automatisierte Rückmeldung. Solche Mails enthielten oft den Hinweis, dass sich die Bewerber/-innen nicht selbstständig wieder melden, sondern auf eine Rückmeldung warten sollten. Hier warnt Vogel vor zu harsch formulierten Mailtexten. “Bitte gehen Sie uns nicht auf die Nerven”, sei da oft das, was den Bewerber/-innen indirekt vermittelt werde. In Stellenanzeigen fehle außerdem oft eine Angabe zum Ansprechpartner samt MailAdresse. Stattdessen gebe es eine Telefonnummer – doch viele Menschen telefonierten nicht gerne. Besser sei es, verschiedene Kanäle zu nutzen, so Vogel. Noch schlimmer: Mehrfach fand der Wissenschaftler Mail-Adressen in den Stellenanzeigen. Beim Versuch der Kontaktaufnahme stellte sich dann aber heraus, dass diese überhaupt nicht vergeben waren. Doch wie sieht die perfekte Stellenanzeige denn nun aus? “Vernünftig designt, gut lesbar, alle relevanten Infos zur Stelle sollten enthalten sein”, ist sich Vogel sicher. Außerdem sollten extrinsische Vorzüge genannt werden, Vorteile, die nicht alltäglich seien, da ist er sich mit Keppeler einig. Und auch der Hinweis auf einen positiven Effekt auf das Gemeinwohl habe Auswirkungen auf mögliche Bewerber/-innen und darf daher laut Vogel in der perfekten Stellenanzeige nicht fehlen. Wie im Servicedesign müsse auch hier nutzerzentriertes Design im Mittelpunkt stehen. Entscheidend sei: “Wie schaut ein Bewerber auf die Anzeige?” In der Praxis finde man allerdings eher Anzeigen, bei denen der Fokus darauf gelegt werde, keine Rechtsfehler zu begehen und sich nicht angreifbar zu machen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und mit Blick auf Recruiting-Kampagnen zieht Vogel ein klares Fazit: “Es hilft nicht, nur die Frontseite zu polieren, auch hinter den Kulissen muss etwas getan werden.” Für die Zukunft würde er sich die wissenschaftliche Begleitung von Kampagnen wünschen, um Effekte und Potenziale genauer ausfindig machen zu können und so Recruiting weiter zu verbessern.


PODCAST

Public im Ohr Sektor Meinung – Recherche – Menschen

Wir haben den

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IN S SI ECT DE OR R Der Podcast des

www.behoerden-spiegel.de/podcast


Bund

Seite 6

Behörden Spiegel / März 2022

Gebäude im modernsten Passivhausstandard Bauen nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit

MELDUNGEN

Wechsel bei der AÖGW (BS/bk) Dr. Dagmar Starke hat

(BS/Büsra Tasdemir) Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen am Bonner UN-Campus wird im fertiggestellten Erweiterungsbau, dem "kleinen die kommissarische Leitung Eugen", seinen Platz finden. Passend zur Einrichtung wurde das Hochhaus nachhaltig konzipiert und hat sogar den Goldstandard im Bewertungs- der Akademie für Öffentliches system Nachhaltiges Bauen erhalten. Gesundheitswesen (AÖGW) Der Erweiterungsbau steht dem langen Eugen gleich gegenüber. Langer Eugen, kleiner Eugen – woher kommen die Namen eigentlich? Der Bonner Volksmund taufte das damals höchste Bauwerk der Bundeshauptstadt Bonn, das ehemalige Abgeordnetenhaus, nach dessen Fertigstellung im Jahr 1969 Langer Eugen. Namenspatron war Eugen Gerstenmaier, der damalige Bundestagspräsident (1957 – 1961) und ein engagierter Befürworter des Hochhauses. Heute ist das Hochhaus das Zentrum des UN-Campus und Sitz verschiedener Instituti- Der Erweiterungsbau ragt über dem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages (rechts) und der Skulptur onen der Vereinten Nationen. “L’Allumé” von Mark di Suvero (links) auf (linkes Bild). Mit seinen rund 68 Metern Höhe bildet der Büroneubau eine (Fotos: BS/BBR, Nicole Compère) Was lag da näher, als den nun neue Landmarke zwischen den historischen Bauten auf dem UN-Campus (rechtes Bild). fertiggestellten Erweiterungsbau “Kleiner Eugen” zu taufen. In standard, heißt es seitens der Betrachtung des gesamten Le- Zugänglichkeit und Nutzung des das Gebäude ist das Klimase- Bundesanstalt für Immobilien- benszyklus: der ökologischen, Gebäudes und der Außenanlagen kretariat der Vereinten Nationen aufgaben (BImA). Das bedeutet, ökonomischen, soziokulturellen sicherzustellen. eingezogen. Die frühzeitige Planung der dass das Hochhaus im Winter und technischen Aspekte. Beim sogenannten lebenszyklu- Inbetriebnahme des Gebäudes ohne Heizverteilsystem und im Kleiner Eugen: Zentrum der Sommer ohne Klimaanlage aus- sorientierten Planungsprozessen habe zudem ein langfristiger und Nachhaltigkeit? kommt und trotzdem angenehme wurden Variantenuntersuchun- effizient funktionierende GebäuDer 68 Meter hohe Neubau am Temperaturen hat, da sie sich gen in Bezug auf passive und detechnik, so die BImA weiter. Bereits im letzten Jahr würregenerative Energienutzung beRheinufer zwischen dem Alten “passiv” heizt und kühlt. Bereits während der Planungs- achtet, um die Umweltwirkung digte die Energieagentur NRW Wasserwerk und dem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen phase spielten Kriterien der Nach- des Baus und seine Ressourcen- den Erweiterungsbau für seine Bundestages bietet mit 17 Ober- haltigkeit eine bedeutende Rolle. bedarfs so gering wie möglich geringen Treibhausgasemissigeschossen Raum für 330 neue Der Neubau sollte den Goldstan- zu halten. onen und seine Nachhaltigkeit Arbeitsplätze und wurde nach- dard im Bewertungssystem NachZudem wurden hohe Anforde- zeichnete ihn als “Energieeffihaltig konzipiert. Er orientiere haltiges Bauen (BNB) erreichen rungen an die Barrierefreiheit ge- zientes Nichtwohngebäude in sich energetisch am Passivhaus- – also durch eine umfassende stellt, um eine gleichberechtigte Nordrhein-Westfalen” aus.

übernommen. Die vorherige Direktorin Dr. Ute Teichert war zuvor ins Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gewechselt. Dort ist sie mit der Leitung der Abteilung sechs “Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit” betraut. Teichert leitete seit 2014 die AÖGW. Starke ist Diplompädagogin und seit 2010 an der Akademie tätig. Dort war sie unter anderem Referentin für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung sowie Gesundheitsförderung/ Prävention. Seit Oktober 2019 war Starke fachliche Koordinatorin und stellvertretende Leiterin. Vor ihre Tätigkeit bei der AÖGW war sie unter anderem Referentin für gesundheitspolitische Grundsatzfragen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und als Abteilungsleiterin für Gesundheitsförderung, Gesundheitsberichterstattung und Beratungsdienste beim Gesundheitsamt der Stadt Mülheim an der Ruhr tätig. Die kommissarische Leiterin kündigte an, dass der angestoßene Modernisierungskurs fortgeführt werden solle. Die Modernisierung wurde unter der Leitung von Teichert begonnen. In ihrer Amtszeit baute die Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen die länderübergreifende Aus-, Fort- und Weiterbildungsstätte für Fachpersonal im Öffentli-

Prof. Dr. Dagmar Starke übernimmt die kommissarische Leitung der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen (AÖGW). Foto: BS/AÖGW

chen Gesundheitsdienst (ÖGD) personell und fachlich aus und gründete eine Akademie-Niederlassung in Berlin. Ebenso stieg seit 2014 die Anzahl der Trägerländer der Akademie von sechs auf elf. Weitere Länder sollen folgen. Sie amtiert zudem seit 2010 als Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Dabei setzte sie sich für eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ein. Sie beriet in der Vergangenheit schon als Expertin die Bundesregierung, unter anderem zur Umsetzung des Pakts für den ÖGD und zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes. “Das Kuratorium bedauert zwar den Wechsel von Dr. Ute Teichert in das Bundesministerium für Gesundheit, wünscht ihr aber gleichzeitig alles Gute für den weiteren Berufsweg und bedankt sich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen fast acht Jahren”, sagte Dr. Klaus Jahn, Vorsitzender des Kuratoriums der AÖGW.

Dr. Freund folgt auf Fiedler

KOLUMNE

XXL-Themen – in kleinen Paketen besser lösbar So manches Mal erscheint der Berg unerklimmbar; ein massives Problem nicht auflösbar. Können agile Projektmethoden wertvolle Ansätze auch für die Auflösung organisatorischer Problemstellungen bieten? Nehmen wir als konkretes Beispiel die Einführung der elektronischen Akte. Einige werden sagen: aber das ist doch ein ITProjekt! Nun ja, ist es in Teilen auch; aber hauptsächlich ist es ein fachliches und organisato- Beate van Kempen ist IT-Architektin – risches Projekt. Prozesse und LVR-Digitalisierungsdezernat. Abläufe sollten bei einem Digi- Foto: BS/privat talisierungsvorhaben auf den Prüfstand gestellt – und wenn Definition der neuen Sollpromöglich – optimiert werden. Das zesse. erfordert eine Ist-Aufnahme der Für vorgangsgetriebene Fachbebestehenden Prozesse wie eine reiche ist die Umsetzung dieses

Vorhabens eine große Herausforderung. Abläufe, Rollen und Ablagemechanismen müssen betrachtet und neu bewertet werden. Übergreifende Prozesse bringen viele Abhängigkeiten, und Schnittstellen zu Tage. Der Berg erscheint immer höher, kaum erklimmbar – vor allem im weiterlaufenden Tagesgeschäft! Agile Projektmethoden wie Scrum bringen zwei Ansätze mit, welche analog angewendet werden können. Zum einen die Umsetzung von kleinen Arbeitspaketen in festen Zeitzyklen. Bei der Definition der Arbeitspakete wird darauf geachtet, dass diese im sog. Sprintzeitraum (3-4 Wochen) umsetzbar sind. Dies hat zur Folge, dass schnell erste

Teilergebnisse erreicht werden. Und es bietet den Projektmitgliedern im sog. Review die Möglichkeit, gemachte Erfahrungen für mögliche Anpassungen in den nächsten Arbeitspaketen zu nutzen. Zum Zweiten bringt dieses Vorgehen regelmäßige, kurze und gut strukturierte Kommunikation mit. Täglich wird 15-minütigen Sessions der aktuelle Stand, wie mögliche Hürden thematisiert. Es ist nun die Aufgabe des Scrum-Masters zusammen mit der Projektsteuerung die Hürden auszuräumen. Als Projektmitglied kann ich weiter an einer anderen Aufgabe meines Paketes arbeiten. So wird Schritt für Schritt wird der Berg erklommen.

(BS/mfe) Dr. Tessen Freund soll neuer Direktor als Beauftragter der Netze des Bundes bei der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) werden. Er würde damit die Nachfolge Ines Fiedlers antreten. Die Personalie ist noch nicht offiziell, aber wohl bereits BDBOS-intern durch die Hausleitung verkündet worden. Freund arbeitet seit Anfang 2014 als Geschäftsbereichsleiter “Nutzerservice, Serviceplanung und -steuerung sowie IT der Polizei” beim zentralen IT-Dienstleister des Landes Brandenburg (ZITBB). In München war er unter anderem im Direktorium der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt München tätig. Dort arbeitete er in der Stabsstelle

IT-Strategie, in der er stadtweite Projekte leitete. Seit Anfang 2014 ist er bei ZITBB tätig.

Dr. Tessen Freund soll neuer Direktor als Beauftragter der Netze bei der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) werden. Foto: BS/PMP

2G+

Präsenzveranstaltung unter 2G+ Regel. Anpassungen erfolgen situationsbedingt.

Post-Corona: Chance zur Neuaufstellung

Jetzt anmelden unter www.digitaler-staat.org Eine Veranstaltung des

/digitalerstaat

@digitaler_staat

/behoerdenspiegel


Zahlen & Daten

Behörden Spiegel / März 2022

Seite 7

Unsere Bundestagsabgeordneten

Wer sind sie und woher kommen sie? (BS/mfe/mj) Die Bundestagsabgeordneten der 20. Wahlperiode wurden am 26. September 2021 gewählt. Mit insgesamt 736 Sitzen handelt es sich um den größten Deutschen Bundestag in der Geschichte seines Bestehens. Derzeit sind neun Parteien vertreten, wovon fünf (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke) jeweils eigene Fraktionen stellen, zwei (CDU und CSU) sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen haben und die beiden übrigen Parteien (SSW und Zentrumspartei) mit je einem fraktionslosen Abgeordneten vertreten sind.

Mitgliedschaft der aktuellen Bundestagsabgeordneten seit den einzelnen Wahlperioden

Herkunft der Abgeordneten nach Bundesländern

Stand: 17.Dezember 2021 | Quelle: BS/Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages

Stand: 18. Februar 2022 | Quelle: BS/www.bundestag.de

seit 20. WP seit 19. WP seit 18. WP

28

seit 17. WP

16

seit 16. WP seit 15. WP

16

5

seit 14. WP

29

seit 13. WP

73

seit 12. WP seit 11. WP

seit 9. WP seit 8. WP

155

seit 7. WP 0 SPD

50 CDU/CSU

100

Grüne

150

FDP

200

AfD

Linke

25

18

Der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte der Bundesrepublik ist mittlerweile die 14. WP in Folge und seit rund 45 Jahren Teil des Deutschen Bundestages.

seit 10. WP

250

19

50

300

38

fraktionslos

36

Konfessionen der Bundestagsabgeordneten der 20. Wahlperiode (Angaben in Prozent)

9

Stand: 12. Januar 2022 | Quelle: BS/Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag, BAMF, fowid, DBK, EKD

117

27,9

evangelisch

24,3

102

26

katholisch

26,7 1

muslimisch

3,5 1,1

sonstige Konfession/ Religion

4,8 10,5

konfessions- bzw. religionslos

40,7 33,7

ohne Angaben*

0

unter den Bundestagsabgeordneten der 20. Wahlperiode

*Dies bedeutet nicht, dass Abgeordnete keiner Religionsgemeinschaft oder Konfession angehören.

in der Bevölkerung 2020

Aufteilung der Abgeordneten nach Landesliste und Direktwahl

Sitzverteilung des 20. Deutschen Bundestages

Stand: 18. Februar 2022 | Quelle: BS/www.bundestag.de

Stand: 22. Februar 2022 | Quelle: BS/www.bundestag.de

SPD

121

CDU/CSU

Die Linke

fraktionslos

3

16 92

143

Direktwahl Landesliste

AfD

16

54

85

FDP

Grüne

64

102

Direktwahl Landesliste

Landesliste Direktwahl

Landesliste

4

36

Landesliste Direktwahl

Landesliste Direktwahl

Landesliste

Alter der Abgeordneten in der 20. Wahlperiode nach Geschlecht und Partei

(Durchschnittsalter: alle MdB 47,3 Jahre; männliche MdB 48,3 Jahre; weibliche MdB 45,6 Jahre)

Stand: 18. Februar 2022 | Quelle: BS/www.bundestag.de 200

150

100

50

0

w

m

unter 30 SPD

CDU/CSU

w

m

30 – 39 Grüne

w

m

w

40 – 49 FDP

m

50 – 59 AfD

w

m

60 – 69 Linke

fraktionslos

Niedrige Werte können aufgrund des Druckrasters eventuell nicht optimal dargestellt werden.

Grafiken: BS/Hoffmann unter Verwendung von roadrunner, stock.adobe.com; pixelliebe, stock.adobe.com

w

70 – 79

m

w

über 80

m

Das jüngste Mitglied der 20. Wahlperiode ist Jahrgag 1998 und Mitglied der Fraktion Bündnis90/Die Grünen.

Das älteste Mitglied der 20. Wahlperiode ist Jahrgag 1941 und Mitglied der AfD-Fraktion.


Länder / Finanzen

Seite 8

Behörden Spiegel / März 2022

Nicht überall im Hauptamt

Solide Staatsfinanzen sind kein Selbstzweck

Organisation der Wahlleitungen unterschiedlich

Umwidmung von Corona-Hilfen in der Kritik

(BS/Marco Feldmann) Die Wahlleiterinnen und Wahlleiter in den einzelnen Bundesländern sind nicht immer (BS/Reinhold Hilbers) Die Ausgangslage ist klar: Die Covid-19-Pandemie sowie die zu ihrer Bewältigung erhauptamtlich tätig. Es gibt auch Beschäftigungen im Neben- oder im Ehrenamt, so wie zum Beispiel in Bran- griffenen Maßnahmen haben tiefe Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen. Zugleich stehen wir denburg. Die Ausgestaltung variiert. mit dem Klimawandel und der Digitalisierung vor großen Herausforderungen, die keinen Aufschub dulden. In der Mark ist der Landeswahlleiter – das Amt hat kürzlich der ehemalige Polizeiabteilungsleiter im Potsdamer Innenministerium, Dr. Herbert Trimbach, übernommen (siehe Behörden Spiegel-Ausgabe Februar 2022, Seite 7) – ehrenamtlich tätig. Er ist unabhängig und weisungsungebunden aktiv und nicht in die Hierarchie oder den Dienstweg des Innenministeriums eingebunden. Er fungiert autark und als eine Art Notar der Wählerschaft. Seine Geschäftsstelle ist bei einem Referat des Innenministeriums angesiedelt. In Wahlangelegenheiten ist er den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber weisungsbefugt. In Thüringen handelt es sich beim Amt des Landeswahlleiters ebenfalls um ein Ehrenamt. In der Bundeshauptstadt Berlin führen Beamtinnen und Beamte die Funktion weisungsungebunden im Nebenamt aus. In Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg werden die Ämter ebenfalls nebenamtlich wahrgenommen. In Bremen wird die Amtsinhaberin beziehungsweise der Amtsinhaber vom Senat ernannt und ist zugleich auch Landewahlleiter für Volksentscheide. In SchleswigHolstein ist der Landeswahlleiter in seiner Hauptfunktion der Leiter der für Wahlrecht zuständigen Kommunalabteilung im Kieler Innenministerium. Er wird auf unbestimmte Zeit von der Landesregierung ernannt und ist auch Landesabstimmungsleiter. Eine jederzeitige Abberufung ist möglich. In der Hansestadt Hamburg wiederum wird die Landeswahlleitung für Bundeswahlen vom Senat ernannt. Für Wahlen auf Landesebene erfolgt die Ernennung durch die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten der

Hamburger Bürgerschaft. Hier ist die Landeswahlleitung zugleich auch Landesabstimmungsleitung bei Volksentscheiden.

In Sachsen-Anhalt Ernennung durch Innenminister Auch im Saarland handelt es sich um ein Nebenamt. Die Beisitzer des Landeswahlausschusses dort sind hingegen ehrenamtlich tätig. Die Berufung der Amtsinhaberin beziehungsweise des Amtsinhabers sowie von dessen Stellvertretung erfolgt durch die Landesregierung auf unbestimmte Zeit. In Sachsen-Anhalt wird die Aufgabe ebenfalls als Nebenamt zur hauptamtlichen Tätigkeit wahrgenommen. Die Berufung erfolgt durch den Innenminister beziehungsweise die Innenministerin. Das gilt in Magdeburg auch für die Ernennung des Landeswahlleiters für die Bundestagswahlen sowie die Wahlen zum Europäischen Parlament. Ebenfalls durch das Innenministerium erfolgt die Ernennung in Baden-Württemberg. Auch dort wird das Amt als Nebenamt zur sonstigen Tätigkeit im Öffentlichen Dienst und nicht im Ehrenamt ausgeübt. Anders als im Parlamentswahlrecht kann die Berufung der Landesabstimmungsleitung im Ländle nicht dauerhaft, sondern auch nur für das jeweilige Volksbegehren oder die jeweilige Volksabstimmung erfolgen. In der Praxis sei die Landeswahlleiterin in der jüngeren Vergangenheit jedoch zugleich als Landesabstimmungsleiterin berufen worden. Zwingend sei diese Personalunion aber nicht, heißt es dazu aus dem Stuttgarter Innenministerium. In Rheinland-Pfalz wird die Aufgabe des Landeswahlleiters, der zugleich Landesabstimmungsleiter ist, im Nebenamt wahrge-

nommen. Die Ernennung erfolgt durch das Innenministerium. Im Freistaat Sachsen nimmt der Präsident des Statistischen Landesamtes die Ämter des Landeswahl- sowie des Landesabstimmungsleiters als Nebenämter wahr. In Niedersachsen gibt es im Landeswahlrecht keine ausdrückliche Regelung zur exakten Ausgestaltung des Amtes. Es handelt sich aber definitiv nicht um ein Ehrenamt. Die Berufung erfolgt auch hier durch das Innenministerium. Die Landeswahlleiterin ist dabei auch für die Durchführung von Volksabstimmungen zuständig.

Hauptamt unter anderem in Hessen Einen hauptamtlichen Landeswahlleiter gibt es hingegen in Bayern. Dort wird in der Regel – und auch momentan – der Präsident des Landesamtes für Statistik mit der Aufgabe betraut. Auch in Hessen wird die Funktion im Hauptamt wahrgenommen. Dort fungiert der Leiter der Rechtsabteilung im Innenministerium als Landeswahlleiter und zugleich als Landesabstimmungsleiter. Sein Stellvertreter ist der Leiter des für Wahlen zuständigen Referats im gleichen Haus. In Mecklenburg-Vorpommern fungiert die Leiterin beziehungsweise der Leiter des Statistischen Landesamtes als Landeswahlleiter oder Landeswahlleiterin. Die Bestellung erfolgt hier durch die Landesregierung. Der Landeswahlleiter leitet zugleich die Abstimmung bei einem Volksentscheid. Auf Bundesebene werden der Bundeswahlleiter sowie sein Stellvertreter auf unbestimmte Zeit vom Bundesinnenminister ernannt. Traditionell wird das Amt vom Präsidenten des Statistischen Bundesamtes ausgeübt.

Pandemie die exorbitante Kreditermächtigung eingeräumt. Es galt die Bevölkerung, die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Strukturen vor einer akuten und plötzlich aufgetretenen Bedrohung zu schützen. Diese Erlaubnis kann man nicht einfach für einen anderen, sich schon lange abzeichnenden Investitionsbedarf umwidmen. Nur, weil eine Ausnahme vom Neuverschuldungsverbot gilt, berechtigt dies noch lange nicht, allgemeine Schulden zu machen. Um einem Missverständnis zuvor zukommen: Uns alle eint das Ziel, auf dem Reinhold Hilbers (CDU) ist Finanzminister von NiederWeg zur Klimaneusachsen. tralität erfolgreich zu sein. Angesichts Foto: BS/MF, Henning Stauch spürbarer Klimarisiken, forcierter Industrialisierung in Ländern wie China Meine Bedenken gegen den und der immens gewachsenen Nachtragshaushalt des Bundes Weltbevölkerung hat der Klimawerden durch eine Stellungnah- schutz oberste Priorität. Der Staat alleine kann aber nicht me des Unabhängigen Beirates des Stabilitätsrates unterstützt. alle notwendigen Maßnahmen fiEr bezweifelt ebenfalls, dass es nanzieren. Vielmehr ist eine wirtzulässig ist, für eine Notlagenbe- schaftsfreundliche Fiskalpolitik kämpfung bewilligte Kredite für notwendig. Dem Klimawandel andere, allgemeine Zwecke ein- muss man auch mit privaten Inzusetzen. In seinem Bericht betont vestitionen begegnen. Dafür müser, dass die in den Planungen für sen Anreize geschaffen werden. 2021 befindlichen KreditermächDer Schutz der Atmosphäre lässt tigungen im Falle, dass sie nicht sich am besten über den Markt mehr benötigt werden, reduziert erreichen. Daher ist der Aufwerden müssen. wuchspfad der CO2-Bepreisung zu straffen. Dieser sorgt dafür, Politisch fragwürdig dass entlang der Grenzkosten der Unabhängig von der verfas- Unternehmen die Umstrukturiesungsrechtlichen Fragestellung rung vollzogen wird. Stattdessen scheinen bei der halte ich das Vorgehen der Bundesregierung auch für politisch Bundesregierung staatliche fragwürdig. Der Gesetzgeber hatte Subventionen in einem massivor dem Hintergrund der akuten ven Umfang eingepreist zu sein. Die Bundesregierung reagiert darauf mit einem Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 in Höhe von 60 Milliarden Euro, mit dem ein Klima- und Transformationsfonds gegründet wird. Dazu sollen Kreditermächtigungen genutzt werden, die für die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen gedacht waren. Dieses Vorgehen halte ich für verfassungsrechtlich problematisch. Ich sehe darin einen Verstoß gegen die Schuldenbremse.

Eine enorme Verschuldung des Bundeshaushalts wird als unausweichlich hingenommen. Nach Alternativen wird nicht gesucht. Mit Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit hat dieses Ansinnen nur noch wenig zu tun.

Tilgen statt neu verschulden Um den nächsten Generationen Handlungsfreiräume zu erhalten, sollte so schnell wie möglich auf Neuverschuldung und die Nutzung der Ausnahmeklausel von der Schuldenbremse verzichtet werden. Niedersachsen ist diesen Weg gegangen: Wir haben Kredite nur in dem Umfang in Anspruch genommen, der zur Pandemiebekämpfung wirklich notwendig war. Wir haben keine neuen Kredite eingeplant, sondern steigen in die Tilgung ein. Unsere Schuldenuhr läuft rückwärts. Bei alledem finanzieren wir die notwendigen Prioritäten und wichtigen Investitionen in die Zukunft des Landes. Für eine “Investitionsoffensive Niedersachsen” mobilisieren wir in unserer aktuellen mittelfristigen Finanzplanung zusätzlich 750 Millionen. Zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie wurden mit einem Sondervermögen die notwendigen Vorkehrungen getroffen. Solide Staatsfinanzen sind kein Selbstzweck. Sie schaffen Vertrauen und sind damit ein wirksames Mittel, der Inflation zu begegnen. Bindende Fiskalregeln wie die Schuldenbremse sind von entscheidender Bedeutung, um solide Staatsfinanzen verlässlich abzusichern. Wer gleich bei seiner ersten großen haushaltspolitischen Entscheidung diese Regeln umgeht, macht sich für die Zukunft unglaubwürdig.

Finanzierungsstreitigkeiten beim ÖPNV Kommunen fordern Koordinierungsstelle beim Bund

Berlin beschließt Haushaltsentwurf

(BS/mj) “Obwohl der ÖPNV in der Verantwortung der Länder liegt, finanziert ihn der Bund jährlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag”, kritisierte Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes, anlässlich der Veröffentlichung eines Sonderberichts über den Einsatz von Bundesmitteln für den Öffentlichen PersoHaushaltspolitische Vorsicht gilt weiterhin nennahverkehr (ÖPNV). Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert hingegen, “dass sich der (BS/lkm) Anfang März hat der Berliner Senat den Haushaltsentwurf für die Jahre 2022 und 2023 beschlossen. Bund auch aus Gründen des Klimaschutzes für den ÖPNV-Ausbau noch stärker engagiert”. Berlin plant demnach schon 2023 – also ein Jahr früher als ursprünglich geplant – mit der Tilgung seiner Schulden zu beginnen. Auch die Investitionsquote soll angehoben werden. Die erwarteten Einnahmen des Landes Laut Scheller finanziert der Bund “In der Praxis geben die Länder verhältnisse, zur Förderung des liegen in den Jahren 2022/23 nur noch leicht unter dem Niveau vor der Corona-Krise. den ÖPNV über viele Wege mit diese Mittel nicht vollständig für Tourismus oder zu einem proDerzeit lasse sich neben dem weiteren Pandemie-Verlauf schwer abschätzen, welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg und die geplanten Änderungen der Steuergesetzgebung des Bundes haben könnten. Zudem habe sich das Bevölkerungswachstum in Berlin infolge der Pandemie abgeschwächt, was die Einnahmeentwicklung ebenfalls dämpfe. “Solange die finanziellen Folgen der Pandemie und des UkraineKrieges nicht wirklich absehbar sind, sollte auch haushaltspolitisch Vorsicht gelten”, so Finanzsenator Daniel Wesener. Für das Jahr 2022 sieht der Haushaltsplan Einnahmen von rund 33 Mrd. Euro vor, nach knapp 36 Mrd. Euro im Vorjahr. Für das Jahr 2023 belaufen sich die prognostizierten Einnahmen auf 33,4 Mrd. Euro. Die vorgesehenen Ausgaben belaufen sich auf 36,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 und auf 35,7 Mrd. Euro für das Jahr 2023. Im Vergleich zu älteren Planungen bedeutet dies einen deutlichen Aufwuchs. Zum Ausgleich besonderer Belastungen durch die Corona-Pandemie hat das Berliner Abgeordnetenhaus 2020 die Bildung einer Pandemierücklage beschlossen. Im Haushaltsplan ist nun eine Entnahme von 2,3 Mrd. Euro im Jahr 2022 und von 3,1 Mrd. Euro im Jahr 2023 vorgesehen.

Die aus dem laufenden Haushalt finanzierten Investitionen sollen auf knapp drei Milliarden Euro im Jahr 2022 und rund 3,2 Mrd. Euro im Jahr 2023 ansteigen. Die Investitionsquote steigt damit auf 9,1 Prozent. “Berlin erreicht schneller als gedacht das Vorkrisen-Niveau bei den Einnahmen. Durch die positive Konjunkturentwicklung können wir beides leisten: eine Steigerung der realen Ausgaben bei den Investitionen, Personalund Sachkosten, aber auch finanzielle Vorsorge für künftige Belastungen. Dazu gehört auch eine frühere Tilgung von Schulden” so Berlins Finanzsenator Daniel Wesener. Für das Jahr 2023 sind Tilgungen von über einer Milliarde Euro vorgesehen. Ursprünglich waren diese zum Teil erst 2024 und 2025 vorgesehen. Zudem sind im Entwurf 750 Mio. Euro für mögliche Mehrausgaben im Rahmen der Pandemievorsorge und für eine höhere Krisenresilienz reserviert. Auch der Innovationsförderfonds des Landes Berlin soll um 300 Mio. Euro aufgestockt werden.

Hilfen für Landesbeteiligungen Um die Landesbeteiligungen für die Zeit nach Corona wirtschaftlich stark aufzustellen, soll ihnen

Eigenkapital in Höhe von 678 Mio. Euro (2022) bzw. 505 Mio. Euro (2023) zugeführt werden, das aus sogenannten Transaktionskrediten finanziert werden soll. Dabei handele es sich um Kredite, die den Landeshaushalt nicht unmittelbar belasten und darum nicht der Schuldenbremse unterlägen, so Wesener. Darüber hinaus sollen die Landesbeteiligungen Zuschüsse in Höhe von 721 Mio. Euro zum Ausgleich von Verlusten, die durch die Pandemie entstanden sind, erhalten. Die von der Pandemie ebenfalls besonders betroffene Messe Berlin GmbH sowie die Berliner Bäder-Betriebe sollen ebenfalls zusätzliche Zuschüsse von jeweils insgesamt 70 Mio. Euro erhalten.

unterschiedlichen Regeln, Verfahren, Voraussetzungen und Zuständigkeiten. Durch diese finanziellen Verflechtungen fehle dem Bund der Überblick und Transparenz und Wirtschaftlichkeit gingen verloren. Der Bundesrechnungshof fordert daher den Abbau von Mischfinanzierungen, ein einheitliches ÖPNV-Gesetz und eine koordinierende Stelle, um alle wesentlichen Informationen über die Finanzierung des ÖPNV zu bündeln. Zudem wird das Verhältnis der Regionalisierungsmittel von drei zu eins von Bund und Ländern kritisiert. Diese Finanzierungsmittel zahlt der Bund “nach einer starren gesetzlichen Systematik” und unabhängig davon, “wann die Länder die Mittel tatsächlich brauchen”, aus. Das Resultat laut Scheller:

den ÖPNV aus.”

ÖPNV-System und -Finanzierung sind komplex Auch der DStGB sieht, dass “die ÖPNV-Finanzierung auf Bundesebene in der Tat aufgrund der vielfältigen Programme nur schwer überschaubar” sei. Der Verband begründet das mit der Komplexität der ÖPNVSysteme, welche sich aus der Vielfalt an Zuständigkeiten und den diversen Zielen aus anderen Politikbereichen jenseits der Verkehrspolitik bezüglich des ÖPNV-Ausbaus ergäben. Außerdem habe sich das bestehende System beispielsweise bei der Angebotsfinanzierung über Regionalisierungsmittel bewährt. Zudem trage der ÖPNV-Ausbau zur Förderung gleichwertiger Lebens-

Mehr Stellen im Öffentlichen Dienst In den beiden Haushaltsjahren will das Land Berlin mehr als 3.700 neue Stellen schaffen. So soll die Polizei 610 zusätzliche Stellen erhalten, die Feuerwehr mehr als 100. Für die Schulen sind mehr als 770 neue Stellen für Lehrkräfte und mehr als 700 für sonstiges pädagogisches Personal vorgesehen. Hinzu kommen 400 neue Stellen in den Bezirken, um die Dienstleistungen Mit der Komplexität und Vielfalt der ÖPNV-Systeme geht auch eine Komplexität für Bürgerinnen und Bürger zu der Finanzierung einher. Ein großes Manko, erklärt der Bundesrechnungshof. Foto: BS/ Dominic Wunderlich, pixabay.com verbessern.

aktiven Strukturwandel durch besondere Infrastrukturprojekte und damit zu einer besseren Erreichbarkeit bei. Und: “Selbst in kommunalen Haushalten sind durch Tiefbauprojekte, Zuschüsse an kommunale Verkehrsunternehmen, Klimaschutzprojekte, Infrastrukturmaßnahmen oder Schülerverkehre verschiedene Verwaltungsbereiche in die ÖPNV-Finanzierung involviert.”

Forderungen des DStGB Der DStGB fordert daher, durch Digitalisierungsprojekte, Elektrifizierung der Fuhrparks oder neue Bedienformen die Modernisierung des ÖPNV voranzutreiben, wofür wiederum unterschiedliche Finanzierungsquellen aus mehreren Bundesressorts in Betracht kämen. Aus Gründen des Klimaschutzes sollte sich der Bund zudem noch stärker für den ÖPNV-Ausbau engagieren. Um eine gute Übersicht und vor allem klare Zuständigkeiten für die verschiedenen Fördermöglichkeiten zu erhalten, wäre daher auch im Sinne des Deutschen Städte- und Gemeindebunds eine Koordinierungsstelle beim Bund einzurichten. Ein ÖPNV-Gesetz könne dafür hilfreich sein, dürfe aber die dringend notwendigen Mittelerhöhungen nicht durch Finanzierungsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern verzögern.


Finanzen

Behörden Spiegel / März 2022

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012 wurde erstmals in der Geschichte der internationale Datenverkehr zwischen Swift und iranischen Banken aufgrund der Atomprogramm-Sanktionen blockiert. Irans Außenhandel brach daraufhin ein. Da Swift der wesentliche Knotenpunkt ist, mit dem sich Banken international vernetzen, konnten iranische Banken ohne Swift seitdem keine Verbindung mehr zu den europäischen Kreditinstituten herstellen. Der Iran war dadurch gezwungen, wieder an den Verhandlungstisch zu kommen. Die Sanktionen gegen Russland dürften jedoch nicht den gleichen Erfolg erzielen. Dies liegt zum einen daran, dass sie nicht das ganze Bankensystem betreffen, aber auch daran, dass Russland, um nicht ebenfalls Opfer von Sanktionen zu werden, 2014 ein Swift-kompatibles System einführte, mit dem zumindest der Transfer der Banken innerhalb Russlands abgesichert werden kann, betonte Elwira Sachipsadowna Nabiullina, Leiterin der russischen Zentralbank. Mit einigem Aufwand könnten möglicherweise auch Banken aus Staaten wie China angedockt werden. Zudem ist Russlands größte Bank, die Sberbank, nicht von den Swift-Sanktionen betroffen, nur die europäische Tochter der Sberbank ließ man in die Insolvenz gleiten. Auch die Gazprombank ist nicht von der Abkopplung durch Swift betroffen. Die EU begründet sie damit, dass einige EU-Länder – darunter auch Deutschland – besonders abhängig von Energielieferungen aus Russland seien und die beiden Banken die wichtigsten Banken für die Bezahlung der Energielieferungen seien. Stärker als die Swift-Abkopplung wirken indes die Sanktionen gegen die russische Zentralbank. Russlands Gold- und Devisenreserven werden auf 643 Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit den Sanktionen gegen die russische Zentralbank kappt der Westen den Zugriff auf den größten Teil

Russland unter Sanktionsdruck Krieg mit den Mitteln des Finanzmarktes (BS/lkm) Im aktuellen Ukraine-Krieg haben die westlichen Länder die härtesten Wirtschaftssanktionen, die je gegenüber Russland ausgesprochen wurden, verhängt: den Ausschluss aus dem Swift-System und die Sperrung von Transaktionen der russischen Zentralbank. Kritikern gehen die Sanktionen nicht weit genug, um die russische Volkswirtschaft vernichtend zu treffen, denn die Abkoppelung der russischen Wirtschaft durch Swift betrifft nicht die Zahlungsströme für Energielieferungen. Unternehmen in Russland sanktioniert und deren Vermögen verstaatlicht werden. Auf eine Aussage des französischen Finanzministers Bruno Le Maire auf Twitter, der dort von einem “totalen ökonomischen Krieg gegen Russland” sprach, antwortete Medwedew zudem, dass man nicht vergessen dürfe, dass sich in der Menschheitsgeschichte Wirtschaftskriege ziemlich oft zu richtigen gewandelt hätten.

Die russische Zentralbank kann aufgrund der Sanktionen den Rubel nicht mehr stützen. Die Landeswährung stürzt auf ein historisches Tief. Foto: BS/Evgeny GoTown.ru, pixabay.com

dieses Vermögens. Denn mutmaßlich liegen große Teile dieses Vermögens bei der deutschen Bundesbank, weitere Teile in Frankreich und Österreich und damit innerhalb des Euroraums und unter dem Zugriff der EU. Die Zentralbank hätte mit diesem Geld den Fall des Rubels bremsen, die Inflation bekämpfen und den russischen Banken Kreditlinien gewähren können. Da sie den Rubel nicht mehr stützen kann, stürzte die Landeswährung auf ein historisches Tief. Der Rubel war zeitweise nur noch 0,01 US-Dollar wert. Als Reaktion darauf hat die russische Zentralbank die Zinsen auf 20 Prozent angehoben, um dem hyperinflationären Druck entgegenzuwirken. Die russische Notenbank hat zudem den Handel an der Moskauer Börse ausgesetzt und Russlands Bürger dürfen keine Devisen mehr ins Ausland übertragen. Auf die wirtschaftlichen Sanktionen des Westens reagiert der

Die Spielräume werden enger Kein weiterer Schuldenaufwuchs in Thüringen (BS/lkm) Thüringen hat seinen vorläufigen Jahresabschluss 2021 vorgestellt. Der Freistaat schließt das Haushaltsjahr demnach mit einem geringeren Volumen gegenüber dem Haushaltsplan ab. Dort waren Ausgaben und Einnahmen in Höhe von 11,363 Milliarden Euro vorgesehen. Tatsächlich lagen die Einnahmen und Ausgaben 2021 rund 624 Millionen Euro darunter. Die günstige Entwicklung der Steuereinnahmen habe sich 2021 positiv ausgewirkt. So hättten die Einnahmen aus Steuern und Bundesergänzungszuweisungen um 565 Millionen Euro höher als geplant gelegen. Ausgabeseitig hätten sich geringere Personalausgaben und geringere Zinsausgaben bemerkbar gemacht. Aber auch Minderausgaben bei den Bund-Länder-Programmen und bei den Landesprogrammen seien zu verzeichnen gewesen. Belastend hätten sich dagegen Corona-bedingte Mehrausgaben ausgewirkt. “Der Vollzug des Haushalts 2021 war erneut maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt. Trotzdem sind wir besser durch das Jahr 2021 gekommen, als die Planung erwarten ließ. Die für 2021 vorgesehenen Kredite von 288 Millionen Euro mussten nicht aufgenommen werden und auch die Rücklagenentnahme konnte deutlich reduziert werden”, erklärte Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD). Damit sei Thüringen eines der wenigen Länder, das 2021 ohne Kreditaufnahme ausgekommen sei. “Dieses Ergebnis ist erfreulich, denn die Kredite, die heute aufgenommen werden, belasten die zukünftigen Generationen.

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Hier entgegenzuwirken, ist unsere Verpflichtung”, so Taubert. Thüringen wolle in diesem Jahr mit der Tilgung der 2020 aufgenommenen Kredite beginnen, während andere Länder weiterhin Kreditaufnahmen vorsähen. Auch die Tilgung nach dem Nachhaltigkeitsmodell solle 2022 wieder aufgenommen werden.

Umdenken notwendig Mit Blick auf die anstehende Haushaltsaufstellung sagt die Finanzministerin: “Es ist heute schon klar, dass keine Kreditaufnahme möglich sein wird. Gleichzeitig werden wir die jährliche Tilgung weiter steigern müssen, um die Corona-bedingte Kreditaufnahme bis 2029 zurückzuzahlen. Die Spielräume werden also enger. Die Haushaltsaufstellung in den kommenden beiden Jahren muss deshalb zwingend von einem Umdenken begleitet werden, denn wir können grundsätzlich nur ausgeben, was wir auch einnehmen. Deshalb plädiere ich für realistische Ausgabenwünsche und politische Schwerpunktsetzungen. Der Rückgriff auf die Rücklage zum Haushaltsausgleich sollte dabei das letzte Mittel und kein Selbstverständnis sein. Sie ist unsere Reserve und unser Puffer bei außergewöhnlichen Ereignissen.”

Kreml bislang mit weiteren Drohungen. Russlands ehemaliger Präsident, Dmitri Medwedew, kündigte ähnliche Gegensanktionen an. So sollen westliche

Militärische Macht hängt auf Dauer an Wirtschaftskraft Prof. Dr. Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), glaubt, dass Sanktionen vor allem langfristig wirken sollten. “Kurzfristig würde ein mit der Swift-Blockade ausgelöster Lieferstopp für Gas

dem Westen mehr schaden als Russland. Langfristig ist es umgekehrt. Realpolitisch zählt für Sanktionen daher das Timing, nicht der rasche Vergeltungsreflex, so populär er augenblicklich auch sein mag.” Sanktionen könnten den Krieg nicht über Nacht ausbremsen, sondern wirkten nur mit der Zeit. Entscheidend für den Rückzug Russlands werde das wirtschaftliche Kraftgefälle sein. Darauf müsse der Einsatz der Sanktionen hinwirken. Die Zeit spiele für den Westen. Denn die Kosten für den Umbau der Energieversorgung seien höher, je abrupter er erfolgen müsse, beziehungsweise niedriger, je länger noch Gas fließe. Ein sofortiger Lieferstopp würde der Ukraine in der momentanen Lage nicht helfen. “Der Westen hilft der Ukraine

nicht, indem er sich schwächt, sondern indem er sich stärkt und Russland wirtschaftlich in die Knie zwingt”, so Kooths. Simulationsrechnungen des IW Kiel hätten gezeigt, dass die russische Volkswirtschaft durch eine Entkoppelung ihrer Handelsbeziehungen von den USA und ihren Partnern langfristig deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen, als die der Alliierten. So werde Russlands Wirtschaftsleistung auf längere Sicht jährlich um knapp zehn Prozent geringer ausfallen, als wenn die Handelsbeziehungen fortbestünden. Die Alliierten hätten dagegen in diesem Zeithorizont deutlich geringere Einbußen zu beklagen. “Ein Handelskrieg zwischen Russland sowie den USA und ihren Verbündeten würde Russlands Wirtschaft langfristig empfindlich treffen. Die Alliierten dürften zwar kurzfristig ebenfalls zum Teil stark betroffen sein, auf längere Sicht haben sie aber im modellhaft simulierten Fall insgesamt nur eine um jährlich 0,17 Prozent geringere Wirtschaftsleistung zu befürchten”, sagt Alexander Sandkamp, Handelsforscher am IfW Kiel.

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Beschaffung / Vergaberecht

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Vorbereitung ist alles

Grundsätzlich ist eine Markterkundung immer möglich”, erklärt der Jurist. Conrads vermutet, dass die Unsicherheit noch von der “Zeit vor den Reformen” im Jahr 2016 herrührt. Damals stand in der Vergabeverordnung (VgV) zum Thema “Markterkundung” nur: “Die Durchführung von Vergabeverfahren lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke der Kosten- oder Preisermittlung ist unzulässig.” Dies gilt mit Paragraf 28 Absatz 2 immer noch. Doch sei der Umsetzung der europäischen Richtlinie heißt es nun dazu ausführlicher im gleichen Paragrafen der VgV in Absatz 1: “Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens darf der öffentliche Auftraggeber Markterkundungen zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen.” Conrads stellt klar, dass die Markterkundung noch vor dem formellen und physischen Vergabeverfahren stattfindet. Das bedeutet, dass das Vergaberecht nur auf die Markterkundung ausstrahlt. Der Auftraggeber müsse aber klar darstellen, dass am Ende der Erkundung noch kein Vertragsabschluss steht. Den Unternehmen müsse klar sein, wofür die Informationen abgefragt werden. “Erkundungen sind erstmal unproblematisch. Erst wenn die gewonnenen Informationen verwertet werden, sind diese für das Vergaberecht relevant”, erklärt Conrads. In der Konse-

Markterkundung für eine zielgerichtete Beschaffung (BS/bk) Vor einem Vergabeverfahren steht häufig von Auftraggeberseite eine Markterkundung. So auch geschehen bei der Stadt Hildesheim, die eine Erkundung für eine Rechtsberatung im Rahmen eines Smart City-Vorhabens durchführte. So fielen in der Veröffentlichung unterschiedliche Begriffe, wie Interessensabfrage, Markterkundung oder beabsichtigte Beschaffung. “Mein Bild der Praxis: Man weiß häufig nicht genau, woran man ist”, sagt Martin Conrads, Rechtsanwalt bei Bird & Bird LLP. Doch diese Unsicherheit bei einer Markterkundung muss nicht sein. und Gesprächsvermerke anzufertigen. So sei man auf rechtlich sichere Seite.

Nicht am Markt vorbei ausschreiben

Um zielgerichtet ausschreiben zu können, sollte man vorher auf Erkundungstour gehen. Foto: BS/S. Hermann & F. Richter, pixabay.com

quenz muss der Auftraggeber mit den Informationen, die er in der Markterkundung bekommen hat, transparent umgehen, wenn er diese im Vergabeverfahren nutzen will. Dabei müssen natürlich dann vergaberechtliche Vorgaben eingehalten werden. Deshalb sei

eine gründliche Dokumentation wichtig. Aber eine rechtliche Verpflichtung für eine Markterkundung gibt es nicht. Nur wenn der Auftraggeber das Vergabeverfahren in irgendeiner Art beschränkt, muss dieser dies begründen. Das

funktioniere am besten, wenn man sich vorher den Markt angeschaut habe, empfiehlt Conrads. Ebenso bestehe keine Dokumentationspflicht. Er wirbt jedoch dafür, den Schriftverkehr und weiteres Informationsmaterial als Teil der Vergabeakte abzuheften

“Grundsätzlich geht es bei der Markterkundung um das Recherchieren und Sammeln von Informationen”, erläutert Manuel Meier, Diplom-Betriebswirt bei Allgeier IT. Dies kann durch eine einfache Google-Suche, Messebesuche oder persönliche Gespräche geschehen. Wenn es zu persönlichen Gesprächen zwischen Auftraggeber und Unternehmen kommt, darf es jedoch nicht zu einer Bevorteilung durch beispielsweise Nennung des Ausschreibungstermins kommen, warnt Conrads. Ziel einer Erkundung solle nicht primär die Preisermittlung sein, sagt Meier. Ziel müsse sein, eine genaue und detaillierte Ausschreibung zu erstellen, damit sich die passenden Bieter auf die Ausschreibung bewerben und man nicht am Markt vorbei ausschreibt. Zudem sollten mit der Erkundung neben der Verfügbarkeit geprüft werden, welche Lieferzei-

Lösung: Flucht ins Vergaberecht

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rundstücksverkäufe fallen nicht unter das Vergaberecht, unterliegen aber regelmäßig dem Beihilferecht. Bei Letzterem ist entscheidend, dass die öffentliche Hand beim Verkauf eines Grundstücks eine marktgerechte Gegenleistung erhält. Dies ist entweder durch ein Wertgutachten oder durch ein bedingungsloses Bieterverfahren gewährleistet. Allerdings darf der öffentliche Auftraggeber bei dieser Veräußerung keine qualitativen Anforderungen an das Grundstück stellen, die über die üblichen städtebaulichen Anforderungen hinausgehen. Wer dies mache, begehe ein ernsthaftes Foulspiel im EU-Beihilfenrecht, unterstreicht Dr. Jan Scharf, Rechtsanwalt und Partner, Kanzlei Görg. In diesen Fällen sei es besser, eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Dafür müsse der Grundstücks-

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Wie bei Grundstücksgeschäften das Beschaffungswesen genutzt werden kann (BS/Jörn Fieseler) Eigentlich ist das Vergaberecht nur für die öffentliche Beschaffung, den Einkauf anzuwenden. Grundstücks- und Immobilienverkäufe zählen nicht zum Anwendungsbereich. Mitunter kann es trotzdem hilfreich sein, den Grundstücksverkauf über ein Vergabeverfahren abzuwickeln, um gravierendere Rechtsfolgen zu vermeiden. verkauf mit einem Bauauftrag verbunden werden, erläutert Dr. Henning Wendt, ebenfalls Rechtsanwalt bei Görg. Laut Vergaberecht liegt ein Bauauftrag vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen erbringt und ihm diese unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt. Außerdem muss er entscheidenden Einfluss auf die Art und Planung der Bauleistung nehmen.

Wirtschaftlich zugutekommen Wann ihm die Bauleistung wirtschaftlich zugutekommt, dafür

hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Rechtsprechung im Fall “Helmut Müller” fünf Fallgruppen definiert (Urteil vom 25.03.2010 – C-451/08). Demnach gilt ein Grundstücksverkauf als Bauauftrag und fällt somit unter das Vergaberecht, wenn: 1. der öffentliche Auftraggeber wird Eigentümer des Bauwerks; 2. der öffentliche Auftraggeber wird über einen Rechtstitel verfügen, der ihm die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrages sind, im Hinblick auf ihre

öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt. Dies könnte ein Mietvertrag oder das Erbbaurecht sein; 3. der öffentliche Auftraggeber kann wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen (z. B. eine Umsatzbeteiligung); 4. der öffentliche Auftraggeber beteiligt sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks, z. B. in Form von Zuschüssen; 5. der öffentliche Auftraggeber ist an den Risiken beteiligt, die im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags bestehen,

etwa bei einer garantierten Mindestauslastung. Zu diesen Fallgruppen müsse jedoch kumulativ der entscheidende Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf die Art und Planung der Bauleistung hinzukommen.

Frage der Abgrenzung “Nicht nur der Einfluss auf das “Ob”, sondern auch “Wie” etwas gestaltet werden solle, spiele dabei eine Rolle. Allerdings gelte es abzugrenzen, wann der Einfluss entscheidend sei. Hier gilt es zu unterscheiden. Die bloßen städtebaulichen Vorgaben, die

ten es für bestimmte Produkte gibt. Ein Augenmerk sollten die Auftraggeber auf die langfristige Lieferfähigkeit legen, so Maier. Dies sei besonders bei IT-Produkten wichtig, da diese über die komplette Vertragslaufzeit unterstützt werden müssten. Am Ende würden beide Seiten von einer Markterkundung profitieren, sagt der Betriebswirt. Die Auftraggeber hätten Klarheit darüber, ob man eine ober- oder unterschwellige Ausschreibung hat. Ebenso könnten durch eine genaue Erkundung die Beschaffungsrisken gesenkt und Alternativen zu Produktlösungen gefunden werden. Zudem helfe es bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien, wie Preis und Qualität. Die Bieterseite erlange durch die Erkundung ein besseres Verständnis für die konkreten Bedarfe und kann dadurch ein zielgerichtetes Angebot unterbreiten. Zudem könne so die Planbarkeit der eigenen Ressourcen und der Kapazitäten erhöht werden. Auch Martin Conrads empfiehlt, trotz fehlender rechtlicher Bindung, eine Erkundung unter der Einhaltung der Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung durchzuführen, weil dies betriebswirtschaftlich sinnvoll und auch häufig nötig sei und man sich so immer auf der rechtlich sicheren Seite befinde. Zudem könne so am besten eine “eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung” erstellt werden.

sich aus einem Bebauungsplan oder der Bauleitplanung ergeben, reichen nicht aus, damit das Kriterium der entscheidenden Einflussnahme erfüllt ist. Auch ist es unstrittig, wenn der öffentliche Auftraggeber Änderungen an den Innenräumen eines Gebäudes vornimmt, etwa bei Zuschnitt der Räumlichkeiten oder bei der Verkabelung. Diese Möglichkeiten habe auch ein frühzeitiger Mieter, der bei einem noch im Bau befindlichen Gebäude vor ab einen Mietvertrag unterzeichne. Von einem entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung könne nur ausgegangen werden, wenn der öffentliche Auftraggeber die Kubatur und den Zuschnitt des gesamten Gebäudes festlege, so Scharf. Klarheit zu diesem Thema schaffe eine der jüngeren Entscheidungen des EuGH gegen die Wiener Wohnen (vgl. Urteil vom 22.04.2021 – C-537/19).

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Beschaffung / Vergaberecht

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Eine Frage der Motivation

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Warum Gemeinderäte nicht immer Aufsichtsratsräte werden “wollen” ► WARTEFRIST

Keine Verlängerung Zuschlag montags früh möglich Am Donnerstag, den 20. Juni, hat die Vergabestelle den unterlegenen Bietern mitgeteilt, auf wen der Zuschlag erfolgen solle und dass er frühestens am 21. Juni erteilt werde. Bereits am 15. Juni hatte ein Bieter die Zuschlagsabsicht gerügt. Der Auftraggeber sandte am Freitag, den 18. Juni, die Nichtabhilfemiteilung. Nun wollte der Bieter ein Nachprüfungsverfahren in die Wege leiten. Dessen Rechtsanwalt teilt der Vergabestelle per Telefax am 21. Juni um 10 Uhr mit, dass er noch an diesem Montag die Vergabekammer anrufen werde und verwahrte sich gegen die Zuschlagsabsicht: Der Zuschlag dürfe nicht erteilt werden, wenn der Auftraggeber bereits Kenntnis von einem Nachprüfungsverfahren habe. Zudem sei die Wartefrist falsch berechnet. Sie ende erst am Dienstag, den 22. Juni. Der Nachprüfungsantrag war nicht mehr statthaft. Denn die Vergabestelle hatte bereits am Montag früh um 7:52 Uhr den Zuschlag erteilt. Die Vergabekammer klärt den Antragsteller (und dessen Anwalt) auf: Die Wartefrist nach § 134 GWB beträgt zehn Kalendertage – und nicht etwa zehn Werktage. § 193 BGB, der festlegt, dass eine Frist, die an einem arbeitsfreien Tag endet, sich bis zum Schluss des folgenden Werktages verlängert, entfaltet hier keine Wirkung. Denn diese Bestimmung gilt nur für Fristen, bis zu deren Ablauf spätestens eine Willenserklärung abgegeben werden kann. Hier aber bezieht sich die Frist nicht auf die Abgabe einer Willenserklärung, sondern auf das Unterlassen einer solchen. Diese Wartefrist kann also auch an Wochenenden und Feiertagen enden. Damit ist der Zuschlag auch ganz früh am Montag zulässig (oder sogar sonntags, falls die Frist an einem Samstag endet). VK Bund (Beschl. v. 28.06.2021, Az.: VK 2-77/21)

► EINHEITSPREIS

Bündelung unzulässig LV-Positionen einzeln auspreisen Der Auftraggeber hatte raumlufttechnische Anlagen ausgeschrieben. Sein Leistungsverzeichnis sah jeweils Gruppen von Leistungen vor, die die Bieter zu erbringen hatten. Diese Gruppen gliederten sich wiederum in Einzelpositionen, für die jeweils ein Einheitspreis einzutragen war. Ein Bieter hatte sich wohl Kalkulationsaufwand sparen wollen, und bepreiste stattdessen die Gruppe. So war seinem Angebot zwar für die erste Position ein Preis zu entnehmen, alle weiteren Positionen der Gruppe enthielten aber den Vermerk “Enthalten in Position 1.1.10”. Der Auftraggeber bat noch um Aufgliederung dieses Gruppenpreises in die Einzelpositionen. Nachdem der Bieter diese nachgereicht hatte, schloss er dennoch das Angebot aus. Dagegen wehrt sich nun der Bieter, der sich wunderte, wozu überhaupt die Preise nachgefordert würden, wenn er dann doch ausgeschlossen wird. Die Vergabekammer aber bestätigt den Ausschluss. Einerseits macht diese eigen-

mächtige Zusammenfassung von Positionen das Angebot nicht mehr vergleichbar. Andererseits scheidet eine Nachforderung der fehlenden Preise aus. Denn mit der Aufgliederung werden ja nicht nur die Lücken im LV gefüllt. Sie hat ja auch zur Folge, dass der Preis der Position 1.1.10 nun geringer ausfällt. Eine solche Änderung eines Einheitspreises ist aber immer unzulässig. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 19.04.2021, Az.: 1 VK 12/21)

► TESTSTELLUNG

Was wird geprüft? Wertend oder verifizierend Beschafft werden sollten “interaktive und nicht interaktive Displays” für den Einsatz im Unterricht. Zuschlagskriterium war allein der Preis. Der Auftraggeber behielt sich vor, von dem oder den führenden Anbietern eine verifizierende Teststellung zu verlangen, mit der die Einhaltung der technischen Kriterien überprüft werden soll. Bei Nichtteilnahme oder Nichterfüllen der Kriterien erfolgt der Angebotsausschluss. Die Teststellung ergab für alle Bieter, dass ihre angelieferten Produkte die Anforderungen erfüllen. Ein preislich unterlegener Bieter kann das nicht nachvollziehen: Nach seiner Marktkenntnis und aufgrund der Internetveröffentlichungen des Führenden sei davon auszugehen, dass dessen Gerät die Anforderungen nicht erfüllen könne. Das Testergebnis war jedoch nicht zu beanstanden. Dass die genauen Bedingungen für den Test nicht veröffentlicht waren, bleibt unschädlich angesichts dessen, dass nicht eine Wertung, sondern nur eine Überprüfung der Bieterangaben stattfinden soll. Dass der Unterlegene die Konkurrenzgeräte selbst mit negativem Ergebnis getestet hat, ist irrelevant, denn es ist nicht überprüfbar, ob diese Geräte tatsächlich mit denen der Teststellung identisch waren. Ebenso unschädlich ist eine sehr schlanke Dokumentation des Tests. Da keine Abwägungen hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen vorzunehmen waren, sondern nur das Vorliegen technischer Eigenschaften mit ja oder nein zu beantworten war, genügt es, dass genau diese Antworten protokolliert wurden. VK Hessen (Beschl. v. 05.07.2021, Az.: 69d VK 61/2020)

► PRODUKTNEUTRALITÄT

Gewohnter Arbeitsplatz Verkehrssicherheit geht vor Wer einmal nachts bei Schneetreiben auf der Autobahn gefahren ist, weiß, welch hohe Konzentration es erfordert, bei solchem Wetter sicher unterwegs zu sein. Das sah auch die Straßenmeisterei so, die den Fahrern des Winterdienstes in ihren Lkws eine gleichbleibende Arbeitsumgebung bieten wollte. Deswegen verlangte sie, dass auf den neu zu beschaffenden Fahrzeugen ebenso wie im Bestand nur ein einzelnes Display für alle Steuerungsfunktionen von Schneepflug, Streugerät etc. verbaut werden dürfe. Dies allerdings führte dazu, dass nur noch ein einziger Hersteller infrage kam. Alle anderen arbeiten mit mehre-

ren getrennten Anzeigen. Ein Konkurrent beantragte daher die Nachprüfung. Er blieb jedoch auch in der Beschwerdeinstanz erfolglos. Der Vergabesenat sah die mittelbar produktscharfe Ausschreibung als rechtens an, obwohl sie einen deutlichen Eingriff in den Wettbewerb darstellt. Es leuchte ein, dass die Beobachtung eines einzelnen Displays einfacher sei, als wenn zwei Displays im Auge behalten werden müssten. Ebenso verringert die Vereinheitlichung der Fahrer-Arbeitsplätze die Fehlerhäufigkeit bei der Bedienung, was für die Verkehrssicherheit entscheidend ist. Eine produktscharfe Ausschreibung benötigte einen objektiven auftragsbezogenen – ggf. erwiesenen – Grund. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit genügt dieser Voraussetzung, um diese einschränkenden Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand zu stellen. BayObLG (Beschl. v. 25.03.2021, Az.: Verg 4/21)

► LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Sicherheitsdienst Nicht jede Fachkraft ist ­“technisch” Für die Bewachung von Flüchtlingsunterkünften suchte der Auftraggeber einen Sicherheitsdienst. Er machte zur Voraussetzung, dass die Objektleiter eine abgeschlossene Fortbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit nachweisen können. Allerdings waren die Angaben in der Leistungsbeschreibung widersprüchlich, sodass unklar blieb, ob auch eine höherwertige Ausbildung zulässig sei. Auf eine Bieterfrage hin entschied sich der Auftraggeber für Letzteres. Nun streitet sich ein Bieter mit dem Auftraggeber um die Frage, ob die Berufsausbildung als “Servicekraft” höherwertig ist als die als “Fachkraft”. Die Vergabekammer lässt sich auf diesen Streit nicht ein, den sie im Übrigen auch nicht entscheiden könnte. Die Bestimmungen der zugrunde liegenden DIN-Norm sind nicht eindeutig. Welcher der beiden Abschlüsse höherwertig ist, spielt aber gar keine Rolle, denn die Anforderung leidet an einem formalen Mangel. Sie war als Eignungskriterium bekannt gemacht worden, doch das war nicht zulässig. Die Eignungskriterien sind in § 46 Abs. 3 VgV abschließend geregelt. Demnach darf die Angabe der “technischen Fachkräfte”, die zum Einsatz kommen, verlangt werden. Eine Sicherheitsfachkraft fällt aber nicht unter den Begriff “technisch”. Auch sei ein Objektleiter keine Führungskraft des Unternehmens, von dem ein Ausbildungsnachweis hätte gefordert werden dürfen. VK Berlin (Beschl. v. 28.07.2021, Az.: VK B 1-63/20)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

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(BS/Dr. Michéle Morner/Bettina Klimke-Stripf*) Aufsichtsratsmandate werden nicht immer danach vergeben, ob die mandatierten Personen über das nötige Know-how verfügen oder Interesse am Mandat haben. Doch was sind die motivationalen Aspekte zur Annahme und Ausübung von Aufsichtsratsmandaten? Kommunale Aufsichtsratsorgane werden aus Gründen der demokratischen Legitimation in aller Regel durch Gemeinderatsmitglieder besetzt. Das Mandat bringt jedoch sowohl in fachlicher Hinsicht als auch zeitlich gleich mehrere Herausforderungen mit sich. Die Aufwandsentschädigungen fallen hingegen äußerst gering aus. Gleichzeitig werden im Aufsichtsrat aber auch kommunalpolitisch interessante Themen mit einem exklusiven Personenkreis besprochen und das Mandat ermöglicht nicht nur eine Mitgestaltung der Stadtwirtschaft, sondern geht auch mit Macht und Prestige einher. Die Motivationsanreize, als Gemeinderatsmitglied ein Aufsichtsratsmandat anzunehmen und hierfür Leistungen erbringen zu wollen, können daher vielfältig sein.

Drei Arten von Motivation So veranschaulichen auch die Motivationsforscher Deci, Ryan und Gagné, dass sich im Wesentlichen drei verschiedene Ausprägungsformen der Motivation unterscheiden lassen. Hierzu zählen (erstens) intrinsische Motivation, welche bspw. durch Interesse und Freude an der Arbeit entsteht, (zweitens) ex­ trinsische Motivation, die bspw. durch Aufsichtsratsvergütung und Sitzungsgelder hervorgerufen wird, und (drittens) das Fehlen jeglicher Form von Motivation – auch Amotivation genannt –, wobei Personen dann weder in-

nere noch externe Beweggründe verspüren, Energie für eine bestimmte Tätigkeit aufzubringen. Klar ist, dass Letzteres, im Gegensatz zu den anderen beiden Ausprägungsformen der Motivation, in aller Regel nicht zu positiven Leistungsbeiträgen führt. In kommunalen Aufsichtsräten wurde fehlende Motivation, ein Aufsichtsratsmandat annehmen zu wollen, einer eigens durchgeführten Studie zufolge nur in sehr wenigen Fällen von deren Mitgliedern genannt. So kommt es beispielsweise ab und an vor, dass Gemeinderatsmitglieder von ihrer Fraktion ein Aufsichtsratsmandat “aufgedrückt” bekommen, um so die zahlreichen Fraktionsaufgaben “besser” entlang den Fraktionsmitgliedern verteilen zu können. Wenn das zugeteilte Mandat dann nicht im persönlichen Interessensbereich liegt und sich die Person hierfür auch nicht unbedingt als fachlich qualifiziert wahrnimmt, stehen die Chancen für positive Leistungsbeiträge im Aufsichtsrat durch diese Person äußerst schlecht. Allenfalls das Pflichtbewusstsein, der Fraktion zu dienen, kann dann – wenngleich auch nur einen sehr schwachen – externen motivationalen Leistungsanreiz darstellen.

Anlass für Tagung Vor dem Hintergrund einer qualifizierten Aufsichtsratszusammensetzung ist jedoch fraglich, ob derartige, durch ein enges

Personaltableau hervorgerufene Besetzungsentscheidungen seitens der politischen Fraktion angesichts der Bedeutsamkeit des Mandats nicht vermieden werden sollten. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie man intrinsisch und/oder extrinsisch motivierte Kandidatinnen und Kandidaten besser auf ein Aufsichtsratsmandat im kommunalen Unternehmen vorbereiten kann. Dafür bieten sich verschiedene Qualifizierungsmaßnahmen an, die es zunehmend zu diskutieren gilt. Die Speyerer Public-CorporateGovernance-Tagungsreihe, welche sich als maßgebliches Forum für Aspekte der Leitung, Kontrolle und Steuerung öffentlicher Unternehmen etabliert hat, stellt hierfür ein geeignetes Diskussionsforum bereit. Sie wird in diesem Jahr vom 4. bis 5. April 2022 als Online-Veranstaltung stattfinden. Anmeldungen sind unter folgendem Link möglich: www.uni-speyer.de/weiterbil dung/weiterbildungsprogramm-/ -online-anmeldung. *Prof. Dr. Michèle Morner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und leitet das Wissenschaftliche Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance. Dipl.Hdl. Bettina Klimke-Stripf ist dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt.

Krisenfest und einfacher Vergaberecht muss für Pandemien novelliert werden (BS/jf) Die Pandemie habe auch die Vergabewelt noch immer im Griff, unterstreicht Bettina Lenz, Staatsrätin in der Finanzbehörde Hamburg. Zudem habe die Praxis gezeigt, dass das Rechtsregime nicht krisenfest sei. Unter anderem auch, weil die alten Probleme immer noch nicht behoben sind. Mit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 haben Bund und Länder per Erlass die Vergaberegeln vereinfacht. Für ein einfaches und unbürokratisches Verfahren sind vielerorts die Schwellenwerte für die Verhandlungsvergabe bis zum EU-Schwellenwert angehoben worden. Diese liegen aktuell bei 215.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen und für Bauleistungen bei 5,382 Mio. Euro. In Hamburg hat die Finanzbehörde diese Maßnahme nun bis Mitte 2022 verlängert. “Dies erscheint deshalb nötig und wurde auch in fast allen anderen Ländern in ähnlicher Form geregelt, weil sich das Vergaberecht in Krisenzeiten, in denen der Staat zügig handeln muss, um die Daseinsvorsorge zu gewährleisten, als zu unflexibel erwiesen hat”, erläutert Bettina Lenz, Staatsrätin in der Finanzbehörde Hamburg, die Maßnahme. Jetzt müsse der Landesgesetzgeber prüfen, wie das Vergaberecht bei der nächsten Gesetzesänderung ausgestaltet werden könne, um es krisenfester zu machen. Gleichwohl habe der öffentliche Auftraggeber eine Marktmacht, weshalb in der Freien und Hansestadt das Vergabewesen weiter gebündelt und professionalisiert werden müsse. Dafür entwickle nicht nur der Bund eine einheitliche Plattform für die elektronische Vergabe. “Auch die Harmonisierung der derzeitigen E-Vergabe-Plattformen wir derzeit mit dem Ziel eines einheitlichen Standards für Hamburg angegangen”, so Lenz weiter. Diese Ankündigung stößt bei Thomas Rath, Vizepräsident der Handwerkskammer Hamburg

und Obermeister der Maler- und Lackierungsinnung Hamburg, auf Wohlwollen. Denn: “Wir haben nach wie vor den schwierigen und seit Langem kritisierten Zustand, dass verschiedene Auftraggeber in Hamburg verschiedene Plattformen nutzen.” Hamburg habe es in der Vergangenheit versäumt, eine landesweite Plattform vorzuschreiben. Insgesamt gebe es vier verschiedene Fragen, die mit Digi-

talisierungsthemen verbunden seien, so Rath weiter. An erster Stelle stehe die vereinfachte ­Suche nach Ausschreibungen, an zweiter die Angebotsabgabe. Darauf folge drittens die Frage, wie die Auftragnehmer an ihr Geld kämen, und viertens stehe die Reduktion von Bürokratie durch länderübergreifende Standards, wie beispielsweise beim vergaberechtlichen Mindestlohn, auf der Agenda.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Diplomaten Spiegel

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Freunde in der Not

S

eit 2010 ist die Republik der fünftgrößte Autobauer der Welt und globaler “digitaler Platzhirsch” mit seinen Elektronik-Erzeugnissen und wenn es darum geht, Geld für die Bildung auszugeben. Gemessen daran sind wir, laut OECD, “auf der ganzen Linie rückständig”. Andererseits ist Korea auch “bewusst gestrig” oder, besser gesagt, traditionsbewusster. Altes und Neues sind dabei keine Gegensätze, sondern gelebte Kultur, welche die kulturelle Hegemonie des Westens mit “Soft Power” wohl nachhaltig durchbrochen hat. Seit Jahren belegen Studenten das Fach “Traditionelle Ethik und Teezeremonien”. An der Universität lernen sie, was Frau/Mann korrekt zum Tee trägt, wie er/sie – sie/ihn dabei begrüßt, sich hinsetzt und wann welcher Tee wie zubereitet wird. Brotlose Kunst oder Bewahrung der Werte? Letzteres – ohne sich darauf wie “auf Lorbeeren” auszuruhen. Mit konfuzianisch geprägten Grundsätzen wie Fleiß, Sparsamkeit und Liebe schickt man sich selbstbewusst an, sowohl die IT-Branche des Nachbarn Japan, als auch die Autobauer im fernen Deutschland das Fürchten zu lehren. Es scheint, als wäre der Bayern-Slogan “Laptop und Lederhosen” sinngemäß auch an den 38. Breitengrad zu exportieren – von den ledernen Beinkleidern einmal abgesehen.

Der wichtigste europäische Handelspartner Wie auch immer, wir sind für Korea der wichtigste europäische Handelspartner mit einem bilateralen Handelsvolumen 2020 von rund 29,1 Milliarden Euro. Etwa 500 deutsche Unternehmen bzw. Firmen mit Kapitalbeteiligung aus Deutschland beschäftigen etwa 100.000 Arbeitnehmer in Korea. Im November 2020 kommt, mit entsprechend großen Erwartungen und Plänen, Dr. Hyun Ock Cho als Botschafterin dieser HightechHalbinsel zu uns, “um die gegenseitigen Beziehungen zu vertiefen. Aber mit Ausbreitung der Covid19-Pandemie”, so Dr. Cho, “war es auch für mich nicht leicht, dies zu verwirklichen. Die Zeit fühlte sich so an, als würde man durch einen langen und dunklen Tunnel gehen, aber ich hoffe sehr, dass diese Krise bewältigt wird.” Die 66-Jährige kennt unser Land schon aus den 90er-Jahren, als sie in Heidelberg studierte und promovierte. “Aber an bestimmte Dinge, wie zum Beispiel die Ästhetik der Langsamkeit und das Streben nach Stabilität, muss ich mich jetzt erneut anpassen, weil ich Deutschland nach meinem Studium für lange Zeit verlassen und in Korea gelebt habe, wo Geschwindigkeit an erster Stelle steht.” Der deutschen “Bedächtigkeit” ist es wohl geschuldet, dass unsere Beziehungen seit 1883 eng und vertrauensvoll sind. Was auch an unseren Landsleuten gelegen haben mag, die vor gut 140 Jahren

Behörden Spiegel / März 2022

Ein Gespräch mit der Botschafterin der Republik Korea in Berlin, Dr. Hyun Ock Cho. (BS/ps) Südkorea ist in etwa dreimal so groß wie Brandenburg. Nur dichter besiedelt als unser östliches Bundesland, wo nur zweieinhalb und nicht ca. 52 Millionen Menschen leben. Allein in der Hauptstadt Seoul leben knapp zehn Millionen. Die Supermärkte haben 24 Stunden geöffnet, Internet gibt’s aus der Steckdose und CDs, weil nicht mehr Stand der Technik – längst nicht mehr überall.

Ein Gespräch mit der Botschafterin der Republik Korea in Berlin, Dr. Hyun Ock Cho

Foto: BS/Botschaft Südkorea

Rezept der Botschafterin Bibimbap (Reis mit Gemüse und Kräutern)

Zutaten 800 g Rundkornreis (Milch- oder Sushireis), 200 g Sojabohnensprossen, 100 g Spinat, 3 Shiitake-Pilze, grobes Salz, 1/3 Karotte, 3 EL Sesamöl, 4 Eier, 3 EL klein gehackter Knoblauch, 3 EL Pflanzenöl, 3 EL rote Chilipaste. Zubereitung Gewaschenen Reis mit 3 Tassen Wasser in einen Topf geben. Ca. 15 Min. kochen, Hitze reduzieren

und weitere 5 Min. kochen. Den Deckel dabei nicht öffnen, bis der Reis gar ist. Die Sojasprossen halb garen und Sesamöl, Salz und Knoblauch dazugeben. Den Spinat kurz in kochendem Wasser erhitzen und dann in kaltem Wasser waschen, “auswringen” und mit Sesamöl und Salz würzen. Die Shiitake-Pilze in dünne Scheiben schneiden und sie dann in der Pfanne rösten. Karotten

in kleine dünne, 4–5 cm lange Streifen schneiden und schmoren, die Spiegeleier braten. Den Reis in eine große Schüssel füllen und dann das zubereitete Gemüse sowie die Chilipaste hinzufügen. Zum Schluss die Spiegeleier auf Reis und Gemüse legen. In Korea wird dazu Makgeolli, ein milchiger, cremefarbener und leicht sprudelnder Reiswein, mit sechs bis neun Volumenprozent kredenzt.

nach Korea kamen. “Zudem ist die von gegenseitiger Hilfestellung geprägte Historie, in Anlehnung an die Redewendung “Freunde in Zeiten der Not” zu sein, ein weiterer Grund für unsere engen und vertrauensvollen Verbindungen. Kurz nach dem Koreakrieg (1950 – 1953) entsandte Deutschland 1954 medizinische Hilfskräfte nach Korea und hat uns damit sehr unterstützt. Die koreanische Regierung hat diese Solidarität nicht vergessen und ernannte Deutschland 2018 zum “Land der medizinischen Unterstützung während des Koreakrieges.”

Der Wunsch nach einer friedlichen Wiedervereinigung

Bibimbap, ein beliebtes koreanisches Gericht, welches mit Reis und verschiedenen Gemüsesorten zubereitet wird. Wahlweise kann das Gericht auch mit etwas Rindfleisch oder Tofu zubereitet werden. Foto: BS/Botschaft Südkorea

In den 1960er- und 1970er-Jahren hingegen kamen zahlreiche Koreanerinnen und Koreaner als Krankenschwestern und Bergarbeiter nach Deutschland. Darüber hinaus verbindet uns die Teilung unserer Heimat, aber auch die Erfolgsgeschichte, diese nach dem Krieg innerhalb kurzer Zeit wiederaufgebaut und

entwickelt zu haben. “Selbstverständlich beneiden wir die Deutschen um ihre Wiedervereinigung.” Doch man gönnt sie uns auch und begeistert sich nach wie vor für deutsche Literatur, Musik, Fußball und Bier. Vice versa interessieren sich bei uns immer mehr Leute

Buddha-Statue im Haedong Yonggungsa in der südkoreanischen Hafenstadt Busan. Foto: BS/AdamHillTravel, pixabay.com

für koreanische TV-Serien oder K-Pop-Musik, beeinflusst von Stilen und Genres der ganzen Welt zusätzlich zu ihren traditionellen koreanischen Wurzeln. Mittlerweile bietet sogar ein Gymnasium in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) Koreanisch als Wahlfach an, die Zahl

Dachziegel am Changdeokgung Palast in der südkoreanischen Hauptstadt. 1405 wurde der Palast als zweiter neben dem Gyeongbokgung Palast erbaut. Beide Paläste wurden infolge der ersten japanischen Invasion zerstört. Der Changdeokgung Palast wurde entsprechend 1610 wieder aufgebaut. Foto: BS/Tampigns, pixabay.com

der Koreanistik-Studierenden im Lande steigt und koreanische Restaurants werden immer beliebter (siehe Kochrezept). Doch der Wunsch nach einer friedlichen Wiedervereinigung mit Nordkorea bleibt das Ziel – nicht nur der Weg. Wie einst hierzulande zweifelt man in Korea am “einig Vaterland” und die 20- und 30-Jährigen dort scheinen wenig Interesse daran zu haben. “Dies bedeutet aber nicht, dass unser Wille zur Wiedervereinigung immer schwächer wird, sondern dass sich die Wahrnehmung, Herangehensweise und Perspektive darauf verändert hat. Galt sie früher als eine nationale und selbstverständliche Aufgabe, wird die Einheit in der jungen Generation eher aus einer universellen, friedlichen und pragmatischen Perspektive betrachtet. Bei einer aktuellen Umfrage des koreanischen Wiedervereinigungsministeriums war die Zustimmung zu der Frage, ob das Land wiedervereinigt werden sollte, mit 71,4 Prozent überwältigend hoch. In Anbetracht der Realität Nordkoreas und der aktuellen Lage ist unsere Regierung der Ansicht, dass Frieden und Koexistenz zwischen den beiden Koreas und die Etablierung eines dauerhaften Friedens zunächst wichtiger sind als eine sofortige Wiedervereinigung. Und dafür setzt sie sich auch ein.”

Kommunikation und Kooperation statt nur Atomwaffen Doch das alles interessiert Kim Jong Un in Pjöngjang ebenso wenig, wie alles Bemühen der Weltgemeinschaft um die Beendigung seines Atomprogramms. “Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Dialog und Diplomatie die einzigen Möglichkeiten zur Lösung des nordkoreanischen KernwaffenKonflikts darstellen. Deshalb müssen wir etwas finden, damit Nordkorea mit der Weltgemeinschaft kommunizieren und kooperieren kann, statt nur auf Atomwaffen zu setzen, um sein Regime zu schützen. Zu diesem Zweck setzt sich die koreanische Regierung dafür ein, günstigere Bedingungen für Nordkoreas Rückkehr zum Verhandlungstisch zu schaffen. Im Rahmen dessen hat sie nicht nur humanitäre Hilfe, sondern auch eine umfassende wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgeschlagen, wenn sich Pjöngjang künftig an die UN-Resolutionen hält und auf weitere Atomwaffenversuche und Tests mit ballistischen Raketen verzichtet.” Unbeeindruckt von all dem “atomaren Säbelrasseln” erfreut sich der Tourismus in Südkorea zunehmender Beliebtheit. Gerade in diesen Pandemiezeiten hat das

Land mit seiner Impfquote von 90 Prozent einen guten Ruf und kann daher viel anbieten. Außer der Sicherheitszone im Grenzgebiet Panmunjom, an der sich Soldaten Nord- und Südkoreas gegenüberstehen, gibt es noch vieles andere und viel Schönes zu sehen.

Natur und Romantik “Ich würde beispielsweise die Insel Jeju und die Südküste mit ihren vielen kleinen und großen Inseln besuchen. Zudem sind 70 Prozent Koreas von Gebirge bedeckt. Wer mag, kann dort auf den Seoraksan, Jirisan oder den Hallasan klettern, alles Berge zwischen 1.700 und 1.950 Metern Höhe.” Drunten, wenn Sie es gern kommoder haben, gibt es z. B. um den Hallasan den Nationalpark, ein UNESCOWeltkulturerbe mit sieben verschiedenen Wanderwegen. Einige verfügen über Promenaden und Treppen, die den Aufstieg erleichtern und gleichzeitig die Umwelt schonen. Am Fuße der Berge gibt es viele Tempel, wo Besucher verweilen und übernachten können, um so das buddhistische Leben der Mönche zu erleben. Darüber hinaus verfügt Korea über ein breites kulturelles Spektrum, das von 5.000-jährigen Traditionen bis hin zu den modernsten Technologien reicht. “In vier großen Palästen in Seoul, wie etwa dem Gyeongbokgung-Palast, und in der tausendjährigen Stadt Gyeongju kann man auf den Spuren von Koreas langer Geschichte und traditioneller Kultur wandeln. Für alle, die sich für Computerspiele interessieren, möchte ich außerdem die Sangam Digital Media City (DMC), ein Zentrum für E-Sport (Wettkampf mit Computerspielen) als Reiseziel empfehlen.”

Kurzer Gedankenaustausch Nach über zwanzig Jahren im Öffentlichen Dienst, an Universitäten, Instituten und nun als koreanische Chefdiplomatin in Berlin kann Dr. Cho zufrieden sein, wie sie hier “ihr Haus bestellt” hat. “Eine der wichtigsten Aufgaben einer Botschafterin besteht darin, eine bestehende Brücke größer, breiter und stärker zu machen und eine neue zu bauen, wo es keine gibt und dadurch Möglichkeiten des Austauschs und der Zusammenarbeit zu eröffnen.” Letzte Frage – mit wem würde sie gern mal für einen Tag tauschen? “Na ja, wie wäre es mit einer 20-, 30-jährigen Frau, die in Berlin wohnt? In ihren Augen ist Berlin wohl eine noch interessantere und vielversprechendere Stadt als für die ältere Generation. Ich möchte gern einmal die Neuigkeiten und Vergnügungen erleben, die Menschen in meinem Alter eher seltener kennenlernen.” Ach was, Madame! Die wahren Abenteuer sind im Kopf. Sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo. Egal, wie alt man ist. Aber das ist eine andere Geschichte …

Im Herzen Südkoreas, in der Hauptstadt Seoul, harmonieren Tradition und Moderne. Foto: BS/viarami, pixabay.com


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Foto: BS/AdobeStock/sinha

Neue Legislatur, neue Gesichter

(BS/akh/mfe/jf) Sieben Männer und acht Frauen bilden zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz die Spitze der Bundesregierung als Bundesministerinnen und -minister. Das Bundeskanzleramt und die 15 Ressorts haben insgesamt 69 beamtete und parlamentarische Staatssekretäre oder Staatsminister (ohne Beauftragte im Range eines Staatessektretärs, die nicht zur Hausleitung gezählt werden). Von den 69 Personen waren 20 Prozent schon vorher in der Bundesregierung als Staatssekretäre tätig, sodass zahlreiche neue Gesichter unter den Staatsekretärinnen und -sekretären zu finden sind, die wir Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen. Wobei einige bereits auf Landesebene Regierungserfahrung gesammelt haben. Dabei reicht die Altersspanne von 31 Jahren (Reem Alabali-Radovan, Bundeskanzleramt) bis 72 Jahre (Dr. h. c. Thomas Sattelberger, BMBF).

Bundeskanzleramt

Kanzler: Olaf Scholz (SPD)

Bundesministerium der Finanzen (BMF)

Dienstsitz Bonn Adenauerallee 139/141 53113 Bonn

Dienstsitz Berlin Willy-Brandt-Straße 1 10557 Berlin

Minister: Christian Lindner (FDP)

Chef des Bundeskanzleramts

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Wolfgang Schmidt

Werner Gatzer

51 Jahre, Chef seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StS im Bundesministerium der Finanzen (2018 bis 2021)

Prof. Dr. Luise Hölscher

39 Jahre, StMin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: PStSin im Bundesministerium der Finanzen (2019 bis 2021)

31 Jahre, StMin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: Integrationsbeauftragte der Landesregierung im Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung in MecklenburgVorpommern (2020 bis 2021)

Carsten Schneider 66 Jahre, StMin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages (2013 bis 2021)

Katja Hessel

45 Jahre, StM seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland

Dienstsitz Berlin Scharnhorststraße 34 – 37, 10115 Berlin Postanschrift: 11019 Berlin Telefon: 030 18 615-0

Steffen Saebisch 51 Jahre, StS seit Dezember 2021; vorheriges Amt: StS im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (2009 bis 2014)

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS): Dr. Florian Toncar 49 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

42 Jahre, PStS seit Dezember 2021

Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI)

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Minister: Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)

65 Jahre, StS seit Januar 2022

50 Jahre, StSin seit Januar 2022; vorheriges Amt: StSin im Hessischen Ministerium der Finanzen (2010 bis 2013)

Reem Alabali-Radovan

Claudia Roth

Dr. Carsten Pillath 63 Jahre, StS seit April 2018; vorheriges Amt: StS im Bundesministerium der Finanzen (2005 bis 2017)

Staatsministerinnen (StMin) und Staatsminister (StM) Sarah Ryglewski

Dienstsitz Bonn Am Propsthof 78a 53121 Bonn Telefon: 030 18 682-0

Dienstsitz Berlin Wilhelmstraße 97 10117 Berlin Telefon: 030 18 682-0

Dienstsitz Bonn Villemombler Straße 76, 53123 Bonn Postanschrift: 53107 Bonn Telefon: 0228 99 615-0

Dienstsitz Bonn Graurheindorfer Straße 198, 53117 Bonn Postanschrift: 53107 Bonn Telefon: 0228 99 681-0

Dienstsitz Berlin Alt-Moabit 140 – 37, 10557 Berlin Postanschrift: 11019 Berlin Telefon: 030 18 681-0

Ministerin: Nancy Faeser (SPD)

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Anja Hajduk

Oliver Krischer

Hans-Georg Engelke

Mahmut Özdemir

58 Jahre, StSin seit Dezember 2021

Udo Philipp

52 Jahre, PStS seit Dezember 2021

58 Jahre, StS seit August 2015

Michael Kellner 58 Jahre, StS seit Dezember 2021, zuvor StS im Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein (2019 bis 2021)

Dr. Patrick Graichen

Dr. Markus Richter 44 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragter der Bundesregierung für Mittelstand (seit Januar 2022)

Dr. Franziska Brantner

Rita Schwarzelühr-Sutter

46 Jahre, StS seit Mai 2020, weiteres Amt: Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik (seit Mai 2020)

Juliane Seifert

50 Jahre, StS seit Dezember 2021

42 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Umsetzung der internationalen Initiative für mehr Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor in Deutschland (seit Januar 2022)

52 Jahre, StS seit Dezember 2021

Fotonachweise (je nach Ressort nummeriert, von oben nach unten, von links nach rechts)

34 Jahre, PStS Dezember 2021

59 Jahre, PStSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: PStSin im Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2013 bis 2018) und PStSin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2018 bis 2021) Johann Saathoff

44 Jahre, StSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StSin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2018 bis 2021)

54 Jahre, PStS seit Dezember 2021, vorheriges Amt: Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft (2020 bis 2021)

Sven Giegold Bundeskanzleramt Bundespresseamt, Nr. 1, 5 BMF, Photothek, Nr. 2 Bundestag, Inga Haar Nr. 3 Fionn Große Nr. 4 photothek.net Nr. 6

BMWK: BMWK, Dominik Butzmann: Nr. 1 BMWK, Susanne Erikson Nr. 2 – 8

BMF: BMF, Photothek, Nr. 1 – 7

BMI: Peter Jülich, Nr. 1 Henning Schacht, Nr. 2 – 7


Personelles

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Behörden Spiegel / März 2022

Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

Auswärtiges Amt (AA) Dienstsitz Bonn Adenauerallee 99-103, 53113 Bonn Telefon: 0228 9917-0

Dienstsitz Berlin Werderscher Markt 1, 10117 Berlin Postanschrift: 11013 Berlin Telefon: 030 1817-0

Ministerin: Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)

Ministerin: Christine Lambrecht (SPD)

Dienstsitz Berlin Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin Postanschrift: 11055 Berlin Telefon 030 182400-0

Dienstsitz Bonn Fontainengraben 150, 53123 Bonn Postfach 1328, 53003 Bonn Telefon 0228 120-0

Staatssekretäre (StS):

Staatsminister

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Andreas Michaelis

Dr. Anna Lührmann

Benedikt Zimmer

Siemtje Möller

62 Jahre, StS seit Januar 2022, zuvor StS im AA (2018 bis 2020)

Susanne Baumann

38 Jahre, StMin seit Dezember 2021

Katja Keul

56 Jahre, StSin seit Dezember 2021

60 Jahre, StS seit April 2018

38 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Dr. Margaretha Sudhof 52 Jahre, StMin seit Dezember 2021

Thomas Hitschler

62 Jahre, StSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StSin in der Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin (2012 bis 2019) und StSin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019 bis 2021)

39 Jahren, PStS seit Dezember 2021

Dr. Tobias Lindner 40 Jahre, StM seit Dezember 2021

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)

Bundesministerium der Justiz (BMJ):

Minister: Dr. Marco Buschmann

Dienstsitz Bonn Adenauer Allee 99 - 103 53113 Bonn Telefon: 0228 99580-0

Dienstsitz Berlin Mohrenstraße 37 10117 Berlin Telefon: 030 18 580-0

Minister: Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen)

Dienstsitz Berlin Wilhelmstraße 54,10117 Berlin Postanschrift: 11055 Berlin Telefon: 030 18529-0

Dienstsitz Bonn Rochusstraße 1, 53123 Bonn Postfach: 14 02 70, 53107 Bonn Telefon: 0228 99529-0

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Dr. Angelika Schlunck

Benjamin Strasser

Silvia Bender

Dr. Ophelia Nick

61 Jahre, StSin seit Dezember 2021

35 Jahre, PStS seit Dezember 2021

52 Jahre, StSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StSin im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (2019 bis 2021)

49 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Dr. Manuela Rottmann 49 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Minister: Hubertus Heil (SPD)

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Dienstsitz Bonn Rochusstraße 1 53123 Bonn Telefon: 0228 99527-0

Dienstsitz Berlin Wilhelmstraße 49 10117 Berlin Telefon: 030 18527-0

Ministerin: Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen)

Dienstsitz Bonn Rochusstraße 8 – 10 53123 Bonn Telefon: 0228 930-0

Dienstsitz Berlin Glinkastraße 24 10117 Berlin Telefon: 030 18555-0

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Leonie Gebers

Anette Kramme

Margit Gottstein

Ekin Deligöz

51 Jahre, StSin seit März 2018

Dr. Rolf Schmachtenberg 63 Jahre, StS. seit März 2018

54 Jahre, PStSin seit Dezember 2013

61 Jahre, StSin seit Dezember 2021, zuvor StSin für Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (2016 bis 2021) und StSin im Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen in Rheinland-Pfalz (2011 bis 2016)

Kerstin Griese 55 Jahre, PStSin seit März 2018

50 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Sven Lehmann 42 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter, seit Januar 2022)

Lilian Tschan 42 Jahre, StSin seit Februar 2022

Fotonachweise (je nach Ressort nummeriert, von oben nach unten, von links nach rechts) AA: Bündnis 90 / Die Grünen Nr. 1 Thomas Trutschel, Photothek Nr. 2 Thomas Imo, Photothek Nr. 3, 6 Bündnis 90 / Die Grünen Nr. 4, 5

BMJ: Julia Deptala Nr. 1 Bundespresseamt (BPA) Nr. 2 Tanja Rütz Nr. 3

BMAS: BMAS, Dominik Butzmann Nr. 1 BPA, Denzel Nr. 2, 5 J. Konrad Schmidt, BMAS Nr. 3, 4 Susie Knoll Nr. 6

BMVg: Bundeswehr, Tom Twardy Nr. 1 Bundeswehr, Jana Schmidt Nr. 2 Felix Oberhage Nr. 3 Bundeswehr Sebastian Wilke Nr. 4, 5

BMEL: BMAS, Thomas Tuschel, Photothek Nr. 1 Bundesregierung, Steffen Kugler, Nr. 2 – 4

BMFSFJ: Nils Hasenau Nr. 1 – 4


Personelles

Behörden Spiegel / März 2022

Seite 15

Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

Minister: Karl Lauterbach (SPD)

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Dienstsitz Berlin Friedrichstraße 108, 10117 Berlin Postanschrift: 11055 Berlin Telefon: 030 18441-0

Dienstsitz Bonn Rochusstraße 1 53123 Bonn Telefon: 0228 99441-0

Ministerin: Bettina Stark-Watzinger

Dienstsitz Berlin Kapelle-Ufer 1 10117 Berlin Telefon: 030 1857-0

Dienstsitz Bonn Heinemannstraße 2 53175 Bonn Telefon: 0228 9957-0

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (Parl. StS):

Dr. Antje Draheim

Sabine Dittmar

Kornelia Haugg

Dr. Jens Brandenburg

51 Jahre, StSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StSin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (MV) beim Bund (2019 bis 2021) und StSin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes Dr. Thomas Steffen

57 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Prof. Dr. Edgar Franke

60 Jahre, StS. seit Mai 2019, vorheriges Amt: StS im Bundesministerium der Finanzen (2012 bis 2018)

Judith Pirscher

62 Jahre, PStS. seit Dezember 2021

Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)

Minister: Dr. Volker Wissing (FDP)

62 Jahre, StSin seit Dezember 2021

Dr. h. c. Thomas Sattelberger StSin seit Januar 2022, vorheriges Amt: Regierungspräsidentin im Regierungsbezirk Detmold, Nordrhein-Westfalen (2019 bis 2021)

72 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragter für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft (seit Januar 2022)

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Dienstsitz Bonn Robert-Schuman-Platz 1, 53175 Bonn Telefon: 0228 99300-0

Dienstsitz Berlin Invalidenstraße 44, 10115 Berlin Telefon: 030 18300-0

36 Jahre, PStS seit Dezember 2021

Ministerin: Svenja Schulze (SPD)

Dienstsitz Bonn Dahlmannstraße 4, 53113 Bonn Postfach: 12 03 22 Telefon: 0228 99535-0

Dienstsitz Berlin Stresemannstraße 94, 10963 Berlin Telefon: 030 18535-0

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Stefan Schnorr

Daniela Kluckert

Jochen Flasbarth

Dr. Bärbel Kofler

59 Jahre, StS seit Dezember 2021

Hartmut Höppner

51 Jahre, PStSin seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragte für Ladesäuleninfrastruktur (seit Januar 2022)

59 Jahre, StS. seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StS im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2013 bis 2021)

Oliver Luksic

54 Jahre, StS seit Dezember 2021

Dr. Michael Güntner,

Niels Annen 42 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik (seit Januar 2022)

48 jahre, PStS seit Dezember 2021, vorheriges Amt: Staatsminister im Auswärtigen Amt (2018 bis 2021)

Michael Theurer,

48 Jahre, StS seit Dezember 2021

65 Jahre, PStS seit Dezember 2021, weiteres Amt: Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr (seit Januar 2022)

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMU)

Ministerin: Steffi Lemke (Bündnis 90 / Die Grünen)

54 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Dienstsitz Bonn Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn Telefon: 0228 99305-0

Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (BMWSB)

Dienstsitz Berlin Stresemannstraße 128 10117 Berlin Telefon: 030 18305-0

Ministerin: Klara Geywitz (SPD)

Dienstsitz Bonn Graurheindorfer Straße 198 53117 Bonn Telefon: 0228 99681-0

Dienstsitz Berlin Krausenstraße 17-18 10117 Berlin Telefon: 030 18681-0

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Beamtete Staatssekretäre (StS):

Parlamentarische Staatssekretäre (PStS):

Christiane Rohleder

Dr. Bettina Hoffmann

Dr. Rolf Bösinger

Cansel Kiziltepe

52 Jahre, StSin seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StSin im Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz und Landesbeauftragte für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität RLP (beides 2016 bis 2021) Stefan Tidow

62 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

55 Jahre, StS seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StS. im Bundesministerium der Finanzen (2018 bis 2021) und Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (2015 bis 2018)

Christian Kühn 54 Jahre, StS. seit Dezember 2021, vorheriges Amt: StS der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz im Land Berlin (2016 bis 2021)

46 Jahre, PStSin seit Dezember 2021

Sören Bartol 42 Jahre, PStS seit Dezember 2021

48 Jahre PStS seit Dezember 2021

Fotonachweise (jenach Ressort nummeriert, von oben nach unten, von links nach rechts) BMG: Thomas Ecke Nr. 1 Photothek, Thomas Trutschel Nr. 2 BMG, Schinkel Nr. 3 BMG Nr. 4 Photothek, Thomas Köhler Nr. 5

BMDV: Laurence Chaperon Nr. 1, 7 BMDV Nr. 2 BPA Nr. 3 Privat Nr. 4, 5, 6

BMU: Bundesregierung, Steffen Kugler Nr. 1 – 3 Bundesregierung, Jesco Denzel Nr. 4 Bundesregierung, Sandra Steins Nr. 5

BMBF: Bundesregierung, Guido Bergmann Nr. 1, 2, 4 Bundesregierung, Steffen Kugler Nr. 3, 5

BMZ: Bundespresseamt, Steffen Kugler, Nr. 1 – 4

BMWSB: Werner Schüring, Nr. 1 BMWSB Nr. 2 Photothek, Nr. 3, 4


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Kommune Behörden Spiegel

E

ine Kommune müsse ihre Bedürftigkeit nachweisen können, betonte Guido Heuer (CDU) im Finanzausschuss des Landtages. Das gehe nur mittels Jahresabschluss. Jedes Unternehmen, das keinen Jahresabschluss vorlege, stehe vor dem Insolvenzrichter. Eine Stadt oder Gemeinde sei wie ein Unternehmen zu führen, nur mit einem anderen Unternehmenszweck. Dieser Unternehmenszweck sei die Daseinsvorsorge, so Heuer. Auch der Landesrechnungshof fand deutliche Worte. Präsident Kay Barthel sieht die Kommunen hier in einer “Bringpflicht”. Sie seien seit 2013 zur Erstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Eine Gebietskörperschaft, die noch keinen Jahresabschluss für das Jahr 2013 vorgelegt habe, könne ihre finanzpolitische Lage überhaupt nicht beurteilen; das sei völlig unmöglich. Deswegen müsse Druck ausgeübt werden.

Horizontale Verteilung im Fokus Hintergrund der Debatte ist der Plan der schwarz-rot-gelben Koalition, den Finanzausgleich ab dem Jahr 2024 auf Basis eines Gutachtens grundlegend zu reformieren. Mit dem Gutachten sollen insbesondere die Schlüsselzuweisungen und die zur Anwendung kommende Berechnung der sogenannten Bedarfsmesszahl überprüft werden. Um das Gutachten gibt es nun Streit. Denn hier soll nur der horizontale Finanzausgleich – also die Verteilung der Gelder in den Kommunen untereinander – untersucht werden. “Bevor noch mehr Geld in das System gegeben wird, muss die Verteilung der Mittel innerhalb der kommunalen Familie analysiert und angepasst werden”, so Finanzminister Richter. Das Land geht davon aus, dass genügend Geld im System ist und lediglich die Verteilung zwischen Landkreisen, Städten und Gemeinden neu geregelt werden müsse.

Falscher Ansatz Sachsen-Anhalts Kommunen widersprechen dem vehement. Sie fordern, dass die Kommunalfinanzen grundlegend überprüft werden. Also auch der vertikale

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / März 2022

Ist die Decke wirklich zu kurz? Sachsen-Anhalt hegt Zweifel an der Bedürftigkeit seiner Kommunen (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Immer wieder beklagen sich Kommunen, dass sie zu wenig Geld von ihren Ländern erhalten. So auch die Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Doch bevor mehr Geld verteilt werden könne, müssten diese erst einmal ihre Hausaufgaben machen, kritisiert Landesfinanzminister Michael Richter (CDU). Denn von insgesamt 1.983 Jahresabschlüssen wurden laut Innenministerium bislang nur 731 aufgestellt. Dennoch fordern die Kommunen mehr Mittel vom Land. Ein Vorgehen, dass im Landtag auf Kritik stößt. Finanzausgleich, der die Verteilung zwischen dem Land und ihnen regelt, in den Blick genommen wird. “Ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass die ohnehin zu kurze Decke ein Stück nach rechts oder ein Stück nach links gezogen werden müsste, wird nicht weiterhelfen. Dadurch werden die Probleme zwar an einer Stelle etwas abgemildert, an anderer Stelle werden aber neue Probleme geschaffen”, begründet der Landtagsabgeordnete Andreas Henke (Die Linke), die Forderung nach einem weiteren Gutachten. Ein Gutachten, dass nur die Binnenverteilung unter den Kommunen betrachte, präjudiziere, dass die Finanzmittel, die zur Verfügung stünden, ausreichten, um die Kommunen zu finanzieren, und man müsse nur schauen, wie es innerhalb der kommunalen Familie verteilt werde, findet auch der Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt (SGSA), Bernward Küper: “Das ist nach unserem Dafürhalten ein falscher Ansatz”, betont Küper. Die Kommunen beziffern ihren Finanzbedarf auf mindestens 1,9 Milliarden Euro. Das Land stellt für die Jahre 2022 und 2023 je 1,735 Milliarden Euro zur Verfügung.

Mehr Wirtschaftlichkeit gefordert Laut Landesrechnungshof legt das Zahlenwerk für die laufende Rechnung nahe, dass die Finanzausstattung der Kommunen in den letzten Jahren in Ordnung gewesen sei. Sie sei so auskömmlich gewesen, dass die Kommunen im Jahr der Pandemie Schulden hätten tilgen können, während sich das Land mit zwei Milliarden Euro neu verschul-

betont Barthel. Das sehe auch die Landesverfassung nicht vor. Er plädiert dafür, das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Begutachtung zu beachten. “Wenn sich Land und Kommunen als Familie betrachten, dann gehört es dazu, sich nicht gegenseitig zu überfordern und mit dem anvertrauten Geld wirtschaftlich umzugehen”, betonte der Rechnungshofpräsident.

Bedürftigkeit nachweisen

Ein Gutachten, das zu dem Ergebnis komme, dass die zu kurze Finanzdecke ein Stück nach rechts oder nach links gezogen werden müsse, wird aus Sicht der Kommunen nicht weiterhelfen. Sie drängen auf Anpassungen auch im vertikalen Finanzausgleich. Das Land und der Rechnungshof hingegen sehen Städte und Gemeinden finanziell gut ausgestattet. Foto: BS/Fotoschlick,stock.adobe.com

det habe. Deshalb müsse es erst einmal um die Binnenverteilung gehen. Barthel sieht die Ursache für die Kommunalen Schulden zudem nicht in einer unzureichenden Finanzausstattung, sondern im Ausgabeverhalten der Kommunen. Die Kommunen hätten Entscheidungen getroffen, die auf der Ausgabenseite Schaden angerichtet hätten. Es sei auch falsch, die These aufzustellen, die Kommunen hätten alle Ertragsquellen erschlossen, meint Barthel. Als Beispiel

nannte er hier die Hebesätze. Auf kommunaler Ebene werde wegen politischer Entscheidungen auf Steuern verzichtet, die andernorts dem Grunde und der Höhe nach üblich seien. “Damit werden Millionenbeträge liegen gelassen”, so Barthel. In der aktuellen finanzpolitischen Situation dürfe das Land erwarten, dass die Gemeinden alle Einnahmen erlösten, die möglich und ortsüblich seien. “Das Land ist nicht dazu da, Unterlassungen und Unwirtschaftlichkeiten auf kommunaler Ebene auszugleichen”,

Henke sieht indes das Thema der Jahresabschlüsse als “überbewertet”. “Die Liquidität der Kommunen wird sich nicht drastisch verbessern und die Höhe der Kassenkredite nicht sinken, wenn die Jahresabschlüsse vorliegen”, so der Abgeordnete. Heuer sieht diese Einstellung äußerst kritisch. Man lebe in einer sozialen Marktwirtschaft und der Finanzausgleich stelle auf das Solidarprinzip ab. Das Land könne nicht immer mehr Mittel in den Finanzausgleich stecken, wenn die Voraussetzungen fehlten, mit denen die Kommunen ihre Bedürftigkeit nachwiesen. “Ginge es nach mir, würden Fördermittel nur die Kommunen erhalten, die Jahresabschlüsse vorgelegt haben”, so Heuer. Mittlerweile hat der Finanzausschuss des Landtages entschieden, in einem ersten Schritt die horizontale Verteilung gutachterlich prüfen zu lassen. Die Ergebnisse sollen bis Ende dieses Jahres vorliegen und im Rahmen der Weiterentwicklung des Finanzausgleichsgesetzes ab dem Jahr 2024 umgesetzt werden. Die Bemessung und Höhe der Finanzausgleichsmasse soll zwar auch erfolgen, aber erst dann, wenn dem Land die in vielen Kommunen noch fehlenden Jahresabschlüsse der letzten Jahre vorliegen.

DIE Plattform rund um die Digitalisierung von Schulen www.heise.de/goschulemorgen Heise Medien

KNAPP Digitale Partizipation

(BS/mj) Hamburgs Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) stellt Gelder in Höhe von 360.000 Euro für den Ausbau der demokratischen Teilhabe und Beteiligungsverfahren zur Verfügung. “Wir wollen die Chance ergreifen, um mit unseren bürgernahen, serviceorientierten und digitalen Angeboten einen noch intensiveren Austausch zwischen Bürger(inne)n und Verwaltung in Hamburg zu schaffen”, erklärte Bezirkssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Um Bürgerbeteiligungsverfahren erfolgreich zu konzipieren, durchzuführen und auszuwerten sollen Mitarbeitende geschult werden. Dafür hat der Senat die Ausarbeitung eines Fortbildungskonzeptes beschlossen. Zudem soll in der Verwaltung eine interne digitale Plattform eingerichtet werden, mit der die Bündelung und Vereinheitlichung von Bürgerbeteiligungsverfahren auf Bezirksebene künftig besser umgesetzt werden können.

Paragraf 315d mit GG vereinbar

(BS/bk) Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat erklärt, dass der Straftatbestand “Verbotene Kraftfahrzeugrennen” des Paragrafen 315d Abs.1 Nr. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Dieser Paragraf stellt sogenannte Einzelrennen unter Strafe. Zuvor hatte ein Amtsgericht die Auffassung vertreten, dass dieser Paragraf gegen den im GG nach Artikel 103 Abs. 2 verankerten Bestimmtheitsgrundsatz verstoße und ihn dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Dies wies das BVerfG zurück. Der Tatbestand sei hinreichend konkretisiert. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal “um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen” sei einer methodengerechten Auslegung durch die Fachgerichte zugänglich.


Kommunalpolitik

Seite 18

Behörden Spiegel / März 2022

Vier Fragen – vier Antworten. Interview mit Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf Foto: BS/Landeshauptstadt Düsseldorf, Melanie Zanin

Behörden Spiegel: Herr Dr. Keller, im Kommunalwahlkampf haben Sie u. a. einen besonderen Fokus auf Mobilitätsthemen gelegt. Was kennzeichnet in Ihren Augen eine moderne Verkehrspolitik in einer Metropole wie Düsseldorf?

Nachhaltig mobil Dr. Stephan Keller über moderne und nachhaltige Verkehrspolitik

(BS) “Jederzeit mobil zu sein, ist heute ein Grundbedürfnis vieler Menschen”, sagt Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, zu seinem Verständnis einer modernen Verkehrspolitik. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht er Keller: Eine moderne Verkehrs- über den Mobilitätsplan D, die umweltsensitive Verkehrssteuerung und die als Übel im Straßenbild empfundenen E-Scooter. Die Fragen stellte politik muss sich sowohl an den Büsra Tasdemir.

Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger als auch an den Zielvorstellungen der Stadt für eine stadtverträgliche und klimafreundliche Mobilität orientieren. Jederzeit mobil zu sein, ist heute ein Grundbedürfnis vieler Menschen. Deshalb ist es unser Anspruch, Mobilität für alle Generationen nachhaltig und effizient zu gewährleisten. Dafür ist das Zusammenspiel aller Verkehrsträger notwendig. Dazu bedarf es einer langfristigen, strategischen und inte -grierten Planung. In Düsseldorf ist das Instrument dafür der Mobilitätsplan D. Darin werden Visionen für den Stadtverkehr der Zukunft entwickelt und in konkrete Ziele umgewandelt. Um diese zu erreichen, enthält er thematische oder räumliche Strategien und konkrete Maßnahmen. Die Konkretisierung erfolgt über verschiedene Programme und fokussierte Strategien wie z. B. Nahverkehrsplan, Radverkehrs-

N

ach dem Landesforstgesetz ist das Land genauso wie die waldbesitzenden Kommunen in besonderem Maße dem Allgemeinwohl und damit den Bürgern verpflichtet. Ein Verkauf von Staatswald wurde damals von der Bevölkerung so verstanden, dass diese Vorbildfunktion politisch nicht mehr gestützt werde. Folgerichtig befürchteten die Bürgerinnen und Bürger den Ausverkauf von Wald zugunsten von wohlhabenden Privaten. Außerdem sah man die Gefahr, dass sich schnell neue Mehrheiten finden würden, die auch den Verkauf von Kommunalwald anstreben wollten.

Wirtschaftlich und emotional stark verbunden Die Einwohner in der Eifel sind sowohl wirtschaftlich als auch emotional sehr stark mit dem Wald verbunden. Er bietet uns allen Schutz und Erholung. Aber auch andere Leistungen aus dem Staatswald nehmen die Bürger/ -innen rege in Anspruch, z. B. Brennholzwerbung vor Ort oder kostengünstige Jagdmöglichkeiten für revierlose Jäger, die aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage sind, ein Revier zu pachten. Zwar besteht nach dem Landesforstgesetz auch im Privatwald der Anspruch auf Erholung und freien Zugang. Aber die Wirklichkeit ist eine andere. Wenn nun der Wald verkauft werden würde, befürchteten die Menschen, kein umfassendes Betretungsrecht mehr zu haben. So hatte ein Privatwaldeigentümer bereits in der Region Trier einfach in Teilen den Premiumwanderweg “Eifelsteig” (ein öffentlicher Waldweg) durch Schranken der Öffentlichkeit entzogen. Diese Sperrung wurde sogar durch das Verwaltungsgericht Trier sanktioniert. Die Bürger, aber auch die Touristen konnten diese Wege plötzlich nicht mehr nutzen. Besonders für die Bürgerschaft der Gemeinde Blankenheim hatte der beabsichtigte Verkauf ein

plan, Fußverkehrsplan oder ein integriertes Güterverkehrskonzept. Dieser Mobilitätsplan D wird in diesem Jahr in die politischen Gremien zur Beschlussfassung eingebracht. Behörden Spiegel: Wie im Wahlkampf angekündigt, wurden im vergangenen Jahr die Umweltspuren abgeschafft und durch umweltsensitive Ampelanlagen ersetzt. Welchen Mehrwert bieten diese gegenüber Umweltspuren? Keller: Bei der Umweltspur wurde eine Fahrspur ausschließlich für die Verkehre des Umweltverbundes sowie Elektroautos freigegeben und damit für den allgemeinen motorisierten Individualverkehr gesperrt. Die Kapazität der Straße wurde mit dieser Maßnahme somit um einen starren Wert reduziert. Mit der umweltsensitiven Steuerung hingegen kann die Menge des

einfließenden Verkehrs je nach Erfordernis präzise eingestellt werden. Es wird somit lediglich so stark reguliert, wie es zur Luftreinhaltung zwingend notwendig ist. Zusätzlich wird mit der umweltsensitiven Steuerung auf verkehrssicherheitsrelevante Ereignisse im Verkehrssystem, wie einen möglichen Rückstau auf die Autobahn, reagiert. Behörden Spiegel: Die Bürgerbeschwerden wegen falsch geparkter E-Scooter und der Unfallgefahr haben sich gehäuft. Sie haben vor Kurzem eine Reduzierung der E-Scooter im gesamten Stadtgebiet angekündigt. Welchen substanziellen Beitrag können diese Vehikel für eine moderne kommunale Verkehrsinfrastruktur leisten? Keller: Die Entwicklung der E-Scooter hat nach deren Zulassung für den Straßenverkehr mit

Inkrafttreten der Elektrokleinstfahrzeugverordnung einen sehr dynamischen Verlauf im Bereich des E-Scooter-Sharings genommen und es hat sich gezeigt, dass sie keinerlei verkehrspolitischen Nutzen erfüllen. Alle wissenschaftlichen Studien konnten bislang keinen Nutzen für den Klimaschutz belegen. Dafür haben das ungeordnete Abstellen einer Vielzahl von Fahrzeugen sowie die ordnungswidrige Nutzung für großen Unmut gesorgt. Da die bestehenden rechtlichen Grundlagen die E-Scooter generell zulassen, müssen wir das Angebot insofern steuern, dass der maximale Mehrwert für eine stadtverträgliche Nutzung erreicht werden kann. Mit dem Beschluss der “Strategie zum Umgang mit E-Scooter-Sharing in Düsseldorf” im Ordnungs- und Verkehrsausschuss hat die Stadt Düsseldorf ein deutliches Signal gesetzt, dass das Angebot an E-

Scooter-Sharing in Düsseldorf stärker reguliert werden soll. In Gesprächen mit den Anbietern wurde die Reduzierung der Flotten im Rahmen einer gemeinsamen Absichtserklärung erarbeitet und stellt die Grundlage der zukünftigen Zusammenarbeit dar. Darüber hinaus wurden weitere Vereinbarungen getroffen, die die Ordnung verbessern (z. B. durch stationsbasiertes Abstellen, Dokumentation des Abstellvorgangs) und die Verkehrssicherheit erhöhen sollen. Ziel ist es, dass keine Beschwerden mehr durch solche Vehikel entstehen. Behörden Spiegel: Mobilität endet nicht an der Stadtgrenze, sondern ist eines der klassischen Felder kommunaler Zusammenarbeit. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Kooperation und wo wollen Sie ggf. noch weiteres Potenzial heben?

Geduld haben mit unserem Wald

Keller: Die Landeshauptstadt arbeitet seit vielen Jahren konstruktiv mit den umliegenden Kommunen und Kreisen zusammen. Im Bereich der Mobilität werden konkrete Projekte umgesetzt, wie zum Beispiel die Planung und der Bau eines Radschnellwegs, die Reaktivierung der Ratinger Weststrecke oder die Stärkung der sogenannten K-Bahn einer Stadtbahnstrecke über Meerbusch nach Krefeld. Zusätzlich engagieren wir uns schon länger in verschiedenen regionalen Netzwerken, in denen die konzeptionellen Grundlagen erarbeitet und ein Konsens für die regionale Zusammenarbeit erzeugt werden. Mit der Metropolregion Rheinland wiederum ist es mein Anliegen, die Interessen bundesweit zu repräsentieren und das Rheinland in den Fokus zu rücken. In Zukunft wird es von Bedeutung sein, die vielen regionalen Initiativen zu bündeln und die Synergien noch besser zu heben. Wir alle stehen hinter den Zielen des Klimaschutzes und der Verkehrswende, jedoch hat jede Stadt und jeder Landkreis andere Kapazitäten und Chancen. In einem gemeinsamen Schulterschluss werden wir unsere Bemühungen weiter intensivieren.

ist. Waldgerechte Wildbestände sind geboten. Die Jagdzeiten auf Bundes- und Länderebene sollen einheitlich auf den früheren (BS/Rolf Hartmann) Es war das Jahr 2009. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) wollte große Teile des Staatswal- Vegetationsbeginn angepasst des in der Eifel für 24 Millionen Euro an eine Familienstiftung verkaufen. Nur aus Zufall erfuhr ich als Bürgermeister von Blankenheim von werden. Notwendig ist ferner diesen Absichten. Wald verkaufen, ohne die Bevölkerung mitzunehmen? Das lässt sich die Eifel nicht bieten. Natürlich hat auch das Land NRW ein bundesweites Monitoring der als Eigentümer von Waldflächen eine hohe Verantwortung und kann nicht nur die fiskalische Bedeutung im Blick haben. Wildbestände durch flächendeckende Verbissgutachten. Wir brauchen einen nationalen “Geschmäckle”. Die Gemeinnicht nur Fichten- und Kiefernde hatte Ende der 80er-Jahre wälder; auch Altbuchen, Eichen Investitionsfonds. Dieser soll Ka25,4 ha Waldfläche aus Gründen sowie Tannen siechen dahin. Die lamitätsflächen von Waldeigender Arrondierung an das Land traditionellen Baumarten können tümern aufkaufen, und zwar von NRW verkauft. Im Gegenzug überdie neuen klimatischen Bedin- denen, die ihren absterbenden nahm die Gemeinde Blankenheim gungen oftmals nicht verkraften. Wald aufgeben wollen. Klimastabile Wälder zur CO2–Bindung Waldflächen des Landes, die sich Wald mit Wild auch heute noch in ihrem Eigenmüssen absolute Priorität haben. tum befinden. Der Verkauf von Was ist nun zu tun? KurzfrisGemeindewald wurde seinerzeit tig sollte man eine temporäre Wie aber “neu bewalden?” innerhalb der Bevölkerung sehr Nutzung von Nadelholz-KalaEs bedarf ein Umdenken in der skeptisch gesehen. Die Bedenken mitätsflächen für Windkraft- Waldwirtschaft. Das Vorhandenkonnten ausgeräumt werden; anlagen ermöglichen. Dies ist sein klimastabiler Wälder zur aber nur deshalb, weil das Land nicht nur für die regenerative CO2-Bindung muss Vorrang vor NRW als Käufer auftrat und nicht Energiegewinnung vorteilhaft, den bisherigen ökonomischen eine Privatperson. Also blieben sondern auch für den Wald. Denn Erwartungen der Waldwirtschaft die Flächen in öffentlicher Hand. Waldbesitzende können sich so haben. Nur so werden wir die Wie mir damals ältere Mitbürger Der deutsche Wald liegt vielerorts im Sterben, Klimaveränderungen und Schäd- neue Einkommensmöglichkeiten wichtigen Waldfunktionen in der glaubhaft versicherten, handelte linge setzen ihm immer mehr zu. Ihn zu retten ist ein langwieriger, aber notwen- zur Finanzierung der Wiederbe- Zukunft nachhaltig erhalten. Alte Foto: BS/Detmold, pixabay.com waldung und des Waldumbaus und abgestorbene Bäume tragen es sich genau um den Wald, den diger Prozess. vor langer Zeit der letzte deutsche erschließen. wesentlich zum Erhalt der bioloKaiser Wilhelm I. der Gemeinde zu machen und große Teile des ze Landschaftsbilder verändern Auch die Jagd kann wichtige gischen Vielfalt der Wälder bei. geschenkt hatte. Und nun wollte Staatswaldes zu kaufen. Sodann sich in kürzester Zeit. Statt tief- Beiträge zur Entwicklung kli- Sie bilden für viele Mikroorgadas Land genau diesen Wald, wurde die Gemeindefahne ge- tannengrüner Forste entstehen mastabiler Wälder leisten. Es nismen die natürlichen Lebensalso den vom Kaiser geschenkten hisst. Der Wald blieb öffentlich. Mahnmale in Form von bräun- geht nicht um “Wald ohne Wild”, grundlagen. Wir brauchen stabile Wald, an eine private Stiftung Artenvorkommen. Diese Geschichte zeigt, welch lich-roten Baumgerippen. Die verkaufen. große Identifikationskraft der Forstwirtschaft fällt solche dem Diese sind von Wald in der Region hat. Die Men- Tod geweihten Bäume so schnell nachhaltigen ge“Es ist unser Büsch” schen in der Eifel sagen: “Es ist wie möglich, um die Bäume zu eigneten Habitaten abhängig. Dann retten, die noch gesund sind. Das konnte man nicht mit den unser Büsch.” Rolf Hartmann war von 2004 bis Ende Oktober 2020 BürUmso schmerzhafter ist es für Der Verlust der Erholungs- und müssen aber auch Menschen in der Eifel machen. germeister der Gemeinde die WaldbesitzenDie betroffenen Bürgermeister den Eifeler, mit anschauen zu Schutzwirkungen des Waldes ist Blankenheim. den – also auch die organisierten parteiübergreifen- müssen, wie der deutsche Wald nur die eine Seite der Medaille, erKommunen – im der Protest gegen das Vorhaben. nach und nach stirbt. Der Kli- hebliche wirtschaftliche ErtragsFoto: BS/privat Der Gemeinderat der Gemeinde mawandel lässt grüßen. Er ist verluste sind die andere Seite. Wege des VertragsBlankenheim mit absoluter Mehr- mit voller Wucht in den Wäldern naturschutzes entheit der CDU erließ eine Resolu- angekommen und setzt ihnen Schaden aus der Trias schädigt werden. tion gegen den von den eigenen schwer zu. Starke Stürme in Eine “nachhaltige Der Schaden erwächst aus der Parteikollegen in Düsseldorf ini- den letzten Jahren und extreme Trias: geminderte Holzqualität, aber um “Wald vor Wild” und Waldbewirtschaftung” muss im tiierten Staatswaldverkauf. In Dürre tun ihr weiteres dazu. Der verfallende Holzpreise und kom- “Wald vor Jägerinteressen”. Einklang zu den berechtigten Blankenheim wurden mehrere Borkenkäfer vermehrt sich mas- pliziertere Wiederbepflanzung. Vor allem die Überpopulation wirtschaftlichen Interessen der tausend Unterschriften gegen den senhaft. Er ist im Begriff, unseren Wir stehen vor gewaltigen Her- von Rotwild verursacht höhere Waldbesitzenden gebracht werStaatswaldverkauf gesammelt, Wald zu vernichten. Eigentlich ausforderungen. Es geht um un- Schäden als Einnahmen aus den. Das ist in Anbetracht der akdie ich persönlich dem dama- ist er nur millimetergroß. Aber sere Lebensgrundlagen. Wälder der Jagdpacht zu verzeichnen tuellen Dynamik des Geschehens ligen Minister für Umwelt und im Gemeinschaftsangriff ist er in haben eine existenzielle Bedeu- sind. Von den gewaltigen Um- nicht einfach. Vielleicht müssen Naturschutz, Landwirtschaft und der Lage, auch stattliche Fichten tung für die globalen Wasser- und weltschäden ganz zu schweigen. wir dem Wald auch nur die UreiVerbraucherschutz Eckhard Uh- großflächig zum Absterben zu Stoffkreisläufe. Sie bieten Le- Daher sind Wildbestände so zu genschaft zurückgeben, die wir lenberg (CDU) übergab. Es gelang bringen. Vor allem im Sauerland bensraum für Mikroorganismen, regulieren, dass eine natürliche ihm im einseitig wirtschaftlich der Gemeinde Blankenheim, von sieht man die Auswirkungen Pilze, Tier- und Pflanzenarten. Sie Verjüngung aller Hauptbaumar- ausgerichteten Waldbau genomihrem Vorkaufsrecht Gebrauch dieser Zerstörungsgewalt; gan- alle binden CO2. Betroffen sind ten ohne Einfriedungen möglich men haben: Geduld.

Kommunen und Bürger gegen den Verkauf von Staatswald in der Eifel


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / März 2022

“D

ie Frage ist: Was ist uns gute Bildung und Betreuung wert?”, fasst Andreas Magg, Erster Bürgermeister der Stadt Olching in Oberbayern, die Problematik der Kinderbetreuungskosten in seiner Stadt zusammen, welche derzeit über die Hälfte der Gesamtkosten für die Betreuung trägt. Jahr für Jahr steigen die Kosten durch tarifliche Personalkostensteigerungen und generelle Teuerungsraten sowie den zunehmenden Bedarf an Betreuungsplätzen, auch durch die Versprechen der Bundesregierung. Hinzu kommt eine steigende Geburtenrate in Olching und damit wiederum erhöhter Personalbedarf. In den letzten zehn Jahren ist in der Stadt der Bedarf an Kita-Plätzen um 55 Prozent gestiegen. Magg: “Olching ist eine sehr junge Stadt. In meinen vierzehn Jahren als Bürgermeister habe ich wenig anderes gemacht, als Schulen und Kindergärten zu bauen und zu erweitern.”

Ungleiche Lebensverhältnisse Das kann auch Ursula Krickl, Referatsleiterin für Soziales, Jugend und Gesundheit und stellvertretende Pressesprecherin beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), bestätigen: “Die Kosten laufen aus dem Ruder! Künftig werden noch mehr Kinder und damit Kosten auf die Gemeinden zukommen, denn die Nachfrage der Eltern ist heute noch nicht befriedigt und der Rechtsanspruch für Ganztagesbetreuung an Grundschulen kommt noch.” Kosten zu reduzieren, ist dabei kaum möglich, weiß auch Jörg Freese, Beigeordneter für Jugend, Schule, Kultur und Gesundheit beim Deutschen Landkreistag (DLT), da wegen der Vorgaben der Länder kaum Flexibilität in der Gestaltung der Betreuung bleibe. “Damit sind die Ausgaben fix”, fasst er die Problematik zusammen. Laut dem Beigeordneten bleibt vielen Gemeinden daher nur, innerhalb des eigenen Haushalts die Gelder umzuverteilen, freiwillige Aufgaben zu reduzieren oder eigene Einnahmen wie bspw. die Gewerbesteuer zu erhöhen. “Je nach Finanzausstattung der Kommune entstehen so große Ungerechtigkeiten”, kritisiert Magg. Als Kommunalpolitiker abwägen zu müssen, ob in Radwege, Spielplätze, Busse oder in die Energiewende investiert wer-

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“Die Kosten laufen aus dem Ruder!” Kinderbetreuung nimmt große Teile der kommunalen Haushaltskosten ein (BS/Malin Jacobson) Wo es in Deutschland Pflichten gibt, gibt es auch Regeln. Das gilt auch für kommunale Pflichtaufgaben wie die Kinderbetreuung. Da in diesem Fall sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen einzelne Aspekte regeln, sind die Ergebnisse und damit auch die Lebensverhältnisse für die Eltern von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Regierungswechsel sich nicht ändern würde. Krickl sieht die Abschaffung der Elternbeiträge nicht unkritisch, da sie eigentlich dem Qualitätserhalt dienen sollten und bei Wegfall die Kommunen die Differenz aufbringen müssten. In Fällen, in denen beispielsweise die Bundesmittel des “Gute-Kita-Gesetzes” für die Elternbeitragsbefreiung verwendet worden, seien die Qualität der Betreuung gesunken. Nur weil in einem Bundesland Elternbeiträge erhoben werden, sind diese allerdings noch nicht einheitlich. Zum einen wird nach Einkommen der Eltern gestaffelt, wobei die Kommunen selbst bestimmen können, ob sie zwei oder mehr Staffelstufen festlegen wollen, zum anderen werden je Finanzstärke der jeweiligen Kommune generell unterschiedlich hohe Beträge berechnet. In der oberbayerischen Stadt Olching kommt zudem zum Tragen, dass sie sich im Großraum München befindet. Das bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger insgesamt höhere Lebenshaltungskosten als in Gemeinden, die sich weiter weg von der Metropole befinden, während die Gemeinde nicht die hohen Einnahmen der Großstadt selbst hat, mit denen sie die Elternbeiträge auffangen könnte. Um die Lebenshaltungskosten des Betreuungspersonals aufzufangen, zahle Olching eine Großraumzulage, berichtet der Bürgermeister. Es handele sich dabei um eine freiwillige Leistung der Stadt, die aber notwendig sei, da der Bedarf an Personal riesig sei. “30 Kilometer weiter sind somit sowohl die Lebenshaltungskosten als auch die Elternbeiträge niedriger”, fasst er zusammen.

Betreuungspersonal ist ­Mangelware Das fehlende Betreuungspersonal sei ein bundesweites Problem, berichten die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände. Dies führe dazu, dass die Betreuungsstandards auf Dauer nicht gehalten werden könnten. Krickl schlägt daher vor, die Ausbildung

generelle Teuerungsrate gezeigt. Wieder andere hätten gemeint, sie verdienten heute ja auch mehr als bei der letzten Beitragserhöhung und hätten argumentiert, dass auch für sie die Lebenshaltungskosten gestiegen seien. “Letztendlich haben wir gemeinsam mit den Elternvertretern eine durchschnittliche Beitragserhöhung von 16,6 Prozent ab September 2022 beschlossen”, erklärt der Bürgermeister, “was allerdings bedeutet, dass die Stadt nach wie vor einen hohen Teil der Kosten selbst tragen muss. Um diese zu verringern, haben wir uns daher darauf geeinigt, die Personalkosten, welche rund 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, maßvoll zu verringern.” Dafür wolle man den Betreuungsschlüssel von durchschnittlich rund eins zu acht dem Bayernschnitt von rund eins zu neun annähern, indem man, wo es möglich sei, freiwillige Stundenreduktion zulasse und Personalreduktion durch Fluktuation weniger umfassend auffange.

Kommunales Vetorecht

Familien sind auf gute und verlässliche Kinderbetreuung angewiesen – das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Weder wollen noch können die Kommunen bei diesem Aspekt sparen, sie wollen und können die Kosten aber auch nicht alleine tragen. Foto: BS/Westfale, pixabay.com

können, sei wichtig, um den Familien eine gewisse Betreuungsverlässlichkeit bieten zu können, erklärt Magg. “Gerade für die Betreuung jüngerer Kinder ist die Planung des künftigen Bedarfs schwierig, da Geburtenzahlen und gebuchte Betreuungszeiten vorauszusagen einem Blick in die Glaskugel gleichkommt.”

Kostenkalkulation in Olching Im Zuge der neuen Kostenkalkulation musste nun ein Kompromiss gefunden werden, der alle Kosten und Abhängigkeiten berücksichtigt. Die letzte Kostenkalkulation der Stadt war 2015 auf Basis von Daten von 2014 berechnet und dann 2016 umgesetzt worden. Entsprechend veraltet waren die Berechnungen. Damals habe man sich auf eine

nicht dynamische Erhöhung der Elternbeiträge um 15 Prozent geeinigt – was weit weniger als die notwendige Kostendeckung gewesen sei. Daher hätten die Gebühren nur rund zwölf Prozent der tatsächlichen Kosten gedeckt, so der Bürgermeister. “Eigentlich gab es bereits 2019 eine neue Kostenkalkulation, die 2020 hätte umgesetzt werden sollen. Um die Eltern in der Pandemie nicht noch mehr zu belasten, haben wir das aber vertagt.” Daher sei man im Herbst 2021 das Thema erneut angegangen, nur um festzustellen, dass nach Berechnung des Landesgesetzes eine Erhöhung der Elternbeiträge von 140 Prozent nötig wäre, um eine Kostendeckung zu erreichen. Ein Umstand, der heftige Reaktionen bei den Eltern ausgelöst und

viel Kommunikation seitens der Stadtverwaltung nötig gemacht habe, um den Eltern die komplexen Berechnungen zu erklären und gleichzeitig zu versichern, dass eine derartige Beitragssteigerung nicht vorgesehen sei. Magg: “2015 haben wir die Erhöhung in den Mittelpunkt gerückt und viel Kritik geerntet. Dieses Mal wollten wir keine finale Erhöhung festsetzen, sondern über die Kosten informieren.” Im Austausch mit den Eltern über die Kostenaufstellung seien deren Reaktionen dann sehr unterschiedlich gewesen, berichtet Familienvater Magg. Während manche sich dafür ausgesprochen hätten, dass Kinderbetreuung gar nichts kosten dürfe, hätten andere Verständnis für die Personalkostensteigerungen, die Großraumzulage und die

“Dass Kinderbetreuung viel Geld kostet, ist berechtigt und ist es den Kommunen wert”, meint die Referatsleiterin des DStGB abschließend, “aber die Länder müssen die Gemeinden bei den linear steigenden Kosten unterstützen – zeitweise Finanzspritzen des Bundes sind zwar nett, reichen aber nicht.” Sie erwarte, dass der Bund sich auch über das 2022 auslaufende “Gute-Kita-Gesetz” hinaus finanziell an den Betreuungskosten beteilige. Krickl erklärt, die Kommunen bräuchten Planungssicherheit, weswegen Gespräche über die Finanzierung nicht erst im Sommer oder gar Herbst stattfinden dürften. Um den Kommunen langfristig mehr Mitbestimmung bei gesetzlichen Betreuungsansprüchen und Zuschüssen seitens der Länder zu geben, fordert Magg ein kommunales Gremium auf Länderebene – äquivalent zum Bundesrat auf Bundesebene. “Wir bräuchten einen Rat, der die Kommunen auf Landesebene vertritt und wenigstens ein Vetorecht bei Gesetzesvorhaben hat. Die kommunalen Spitzenverbände können die Beschlüsse nur kommentieren, aber letztlich nicht wirklich mitbestimmen.”

Housing First – Idee könnte gelingen Deutschland will bis 2030 die Wohnungslosigkeit überwinden (BS/Büsra Tasdemir) In den vergangenen Jahren sind die Wohnungsmieten und Immobilienpreise stark gestiegen. Das gilt nicht nur für die Metropolregionen oder Großstädte, sondern auch für die Universitätsstandorte. Die Folge: Die Konkurrenz um bezahlbare Wohnräume steigt und damit auch die Zahl der wohnungslosen Menschen. Die neue Bundesregierung plant, wohnungslose Menschen mit einem nationalen Aktionsplan zu unterstützen. Dazu müsste ein Paradigmenwechsel stattfinden.

Stein auf Stein – viele Faktoren kommen bei den Betreuungskosten zusammen. Hohe Kosten treffen auf komplizierte Berechnungen. Foto: BS/Esi Grünhagen, pixabay.com

den könne, verhindere gleichwertige Lebensverhältnisse – selbst innerhalb eines Bundeslandes.

Qualität der Betreuung Ein weiterer Faktor, der zu ungleichen Lebensverhältnissen führt, sind die bundesweiten Unterschiede bei den Elternbeiträgen in der Kinderbetreuung. Während in Bayern Elternbeiträge erhoben werden, ist die Kinderbetreuung in anderen Bundesländern, beispielsweise Berlin, kostenlos. Laut Freese gibt es eine Tendenz zur Beitragsfreiheit, da nach und nach sozialdemokratisch geführte Landesregierungen dies einführten und dies auch nach einem

von Erzieherinnen und Erziehern, die je nach Bundesland fünf Jahre in Anspruch nehmen kann, dual durchzuführen. Das würde zwar zu höheren Kosten bei den kommunalen Trägern führen, die die Auszubildenden entlohnen müssten, es würde den Einrichtungen allerdings auch schon früher mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Zudem bestehe so die Chance, das Personal an die kommunalen Betreuungseinrichtungen zu binden und dessen Abwanderung beispielsweise in die Jugendhilfe zu verhindern. Genug Personal zu haben, um auch auf Ausfälle oder eine steigende Nachfrage reagieren zu

“Der Grundgedanke von Housing First ist einfach: Allen Menschen wird bedingungslos ein Dach über dem Kopf gewährt, in dem sie sich ein sicheres Zuhause schaffen können. Dieses Dach über dem Kopf bildet den Grundstein, um gemeinsam mit Sozialarbeitern andere Probleme anzugehen”, erklärt Luisa Schneider vom Max-Planck-Institut. Das Problem sei jedoch, dass jetzige Systeme entgegengesetzte Wege gingen: Wohnungslose müssten erst ihre Probleme angehen und sich so eine Wohnung "verdienen". Dabei sei bekannt, dass Hilfen scheiterten, wenn die Barrieren zu hoch seien. Zudem neigten Menschen dazu, aufzugeben, wenn sie sich immer beweisen müssten, führt sie aus. Im Fokus des Housing-FirstKonzepts stehe ein Verständnis von Menschen und ihren grundlegenden Bedürfnissen, was ein Umdenken hinsichtlich der Herangehensweise an die Problematik deutlich mache. Housing First erkenne damit an, dass ein gewisses Maß an Sicherheit, Stabilität und Vertrauen nötig sei, um Wohnungslosen die Kraft zur Problembewältigung zu geben.

Dafür sei eine konzentrierte nationale Strategie notwendig. Als Musterbeispiel gelte hier der finnische Staat, dem es mit Housing-First bereits gelungen sei, unfreiwillige Wohnungslosigkeit fast zu beseitigen. Dafür habe Finnland aber in zehn Jahren 270 Milliarden Euro ausgegeben. So sei das Konzept kein Pflaster, sondern eine Therapie, die das Problem an der Wurzel packe. Die Investition sei zwar kostenintensiv, auf lange Sicht aber gewinnbringender als das Verwalten von Wohnungslosigkeit mit komplexen, fragmentierten Hilfesystemen, so Schneider weiter. Deutschland schrecke vor dieser Investition zurück und überlasse den Wandel den Kommunen, was dazu führe, dass es keinen Systemwechsel gebe. Stattdessen würden Housing-First-Modellprojekte an das existierende System angedockt, statt es zu ersetzen, erklärt Schneider weiter. Bisher sei es so, dass die Gemeinden, in denen sich die wohnungslosen Personen aufhielten, für die Hilfe zuständig seien, bestätigt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

Die Ampel hat im Koalitionsvertrag die Forderungen nach einem nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit bis 2030 aufgegriffen. Der Plan sieht vor, pro Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Dedy begrüßt, dass wohnungslose Menschen auf Ebene des Bundes und einiger Länder politisch in den Blick genommen würden. “Die Koalition muss jetzt klarstellen, welche Maßnahmen der angekündigte nationale Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungsnot

und Wohnungslosigkeit vorsieht”, sagt der Hauptgeschäftsführer. Auch Schneider findet, dass, wenn Deutschland dem Vorsatz der EU folgen und unfreiwillige Wohnungslosigkeit bis 2030 beseitigen wolle, man sich für den Wechsel auf eine nationale Strategie entscheiden müsse. Überlasse man den Wandel den Kommunen, müssten diese eigene Mittel aufbringen. Das Ergebnis wäre dann, dass weiterhin einzelne Hilfsprojekte lediglich Pflaster auf Wunden klebten, anstatt die Ursachen zu beheben.

Die Wohnungslosigkeit in Deutschland nimmt zu. Gleichzeitig findet Housing First als Ansatz, die Wohnungslosigkeit zu beenden, immer mehr Anklang in Europa. Das bisherige Hilfssystem gerät immer mehr in Kritik, wie eine Expertin erklärt. Foto: BS/josemdelaa, pixabay.com


Personelles

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Behörden Spiegel / März 2022

Entwickeln Sie mit Gestaltungsmotivation und Umsicht das Wohnzimmer der Region!

Wir bieten Ihnen beides: Führung eines motivierten Teams und spannende TGA-Projekte!

Stadtentwässerung, Stadtreinigung, Stadtgrün – managen Sie als Allrounder*in mit technischer Expertise die Leitung unseres Umweltbetriebes!

Die Stadt Wolfenbüttel kümmert sich als kommunaler Dienstleister um die öffentlichen Angelegenheiten im gesamten Stadtgebiet. 1.000 Beschäftigte bearbeiten Tag für Tag einen bunten Strauß an Themen für die rund 53.300 Bürgerinnen und Bürger Wolfenbüttels. Wir verstehen uns als historisch gewachsene und gleichermaßen weltoffene, freundliche und vielfältige Kreisstadt – als Wohnzimmer der Region.

Die Kreisstadt Bergheim positioniert sich mit ihren 66.000 Einwohnerinnen und Einwohnern als ein attraktives Mittelzentrum im Städtedreieck Köln, Aachen und Düsseldorf und besticht zusätzlich durch ihre Nähe zu den Niederlanden. Im Rahmen des Kohleausstieges befindet sich die Kreisstadt Bergheim mitten im Strukturwandel, der spannende Aufgabenbereiche für das Gebäudemanagement mit sich bringt. Die Abteilung Gebäudemanagement setzt sich aus den drei Sachgebieten „Technisches Gebäudemanagement“, „Kaufmännisches Gebäudemanagement“ und „Energiemanagement“ zusammen. Letzteres bietet vielfältige Aufgabenbereiche, die von der Projektarbeit an historischen Denkmälern bis hin zu innovativen Neubauprojekten reichen.

Die eigenbetriebsähnliche Einrichtung des Umweltbetriebes der Stadt Bielefeld (UWB) nimmt sich mit rund 1.200 Beschäftigten in sechs Geschäftsbereichen vielseitigen Dienstleistungen des Umweltschutzes und der Daseinsfürsorge an, die von der Stadtentwässerung, Abfallentsorgung und Straßenreinigung über die Pflege der Grünflächen und Friedhöfe bis zur Bewirtschaftung des Tierparks reichen. Mit einem Umsatzvolumen von 160 Mio. Euro verfolgen wir einerseits anspruchsvolle Nachhaltigkeitsstrategien und gewährleisten als Dienstleister andererseits eine permanente Daseinsfürsorge für die Bewohner*innen Bielefelds.

Als eine der investitionsstärksten Gemeinden Niedersachsens möchten wir Zukunft gestalten – hierzu suchen wir eine motivierte und zuverlässige Führungskraft. Übernehmen Sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Stadtbaurätin * Stadtbaurat (w/m/d) die Verantwortung für das Dezernat „Stadtentwicklung und Bauen“. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Eine anschließende Wiederwahl ist möglich.

Um die Abteilung Gebäudemanagement an entscheidender Stelle voranzubringen, suchen wir zur tatkräftigen Verstärkung unseres Teams zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte Persönlichkeit als

Sachgebietsleitung Energiemanagement (w/m/d)

Im Zuge einer Ruhestandsnachfolge suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine erfahrene und durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeit als

Technische Betriebsleitung des Umweltbetriebes (w/m/d)

Es erfolgt eine Vergütung bis nach Entgeltgruppe 12 TVöD.

Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe A 16 LBesG NRW besoldet. Tariflich Beschäftigte erhalten eine entsprechende außertarifliche Vergütung. Die Berufung zur technischen Betriebsleitung erfolgt durch den Rat für einen Zeitraum von fünf Jahren, eine Verlängerung ist möglich.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Theresa Meister, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Désirée Verhaert, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 3 NBesG sowie eine Dienstaufwandsentschädigung nach der NKBesVO.

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Anz_Stadtbaurat_Wolfenbuettel_02-2022.indd 1

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Verantworten Sie die zukünftige Verkehrsplanung unserer Stadt! Bei uns bewegt sich viel – Werden Sie Teil dieser Veränderungen! Gestalten Sie die Neuausrichtung unseres Fachbereiches 60 (Immobilien, Bauverwaltung und Wohnen) federführend mit: Dieser soll zukünftig um die Bereiche Verkehrsplanung sowie Grün- und Freiraumplanung erweitert werden. Durch die Steuerung bedeutender Bauprojekte sowie als Aufgabenträger für den ÖPNV übernimmt der Fachbereich relevante Aufgaben zur Umsetzung der Verkehrswende. Darüber hinaus fungiert er als Bauvergabestelle, Straßenbaulastträger sowie Auftraggeber gegenüber dem Wirtschaftsbetrieb Hagen. Auch die Koordination von Förderprogrammen, Angelegenheiten der Wohnungsbauförderung, der Vermittlung von geförderten Wohnungen sowie die An- und Vermietung und Verwaltung unbebauter Grundstücke werden im Fachbereich bearbeitet. Unterstützen Sie uns zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

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Heben Sie mit Ihrer Expertise unsere Stadtverwaltung auf das „nextLEVel“! Die Stadt Leverkusen ermöglicht ihren rund 167.000 Einwohner*innen ein Leben mit vielen Facetten. Industriell geprägt verbindet Leverkusen großstädtische Infrastruktur mit ländlicher Idylle und bietet eine hohe Lebensqualität zwischen den Städten Köln und Düsseldorf. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine gleichermaßen fachlich wie persönlich überzeugende Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Bauaufsicht (w/m/d)

Diese attraktive Position ist nach A 16 (LBesG NRW) bewertet bzw. auf Basis einer vergleichbaren außertariflichen Vergütung. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Wir bieten Ihnen eine interessante Managementaufgabe, in der Sie Ihr gestalterisches Potenzial voll ausschöpfen können. Daneben finden Sie bei uns flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Regelungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und ein vielfältiges Angebot im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Désirée Verhaert, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Johanna Emde, Waishna Jeyadevan und Dr. André Lerche zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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In herausgehobener Führungsposition schaffen Sie gemeinsam mit uns Perspektiven für die Zukunft unseres Landkreises! Der Landkreis Waldshut, mit seinen rund 171.000 Einwohner*innen, erstreckt sich vom Gipfel des Schwarzwaldes im Norden bis hin zum Rhein im Süden, der Landesgrenze zur Schweiz. Das Dezernat für Arbeit, Jugend und Soziales umfasst mit dem Jobcenter, dem Jugendamt, dem Amt für Soziale Hilfen, Behindertenund Altenhilfe sowie der Abteilung Zentrale Finanzsteuerung und der Kommunalen Stelle für Gleichstellungsfragen sämtliche Felder des kommunalen Sozialmanagements.

Dezernent*in (w/m/d) für Arbeit, Jugend und Soziales Diese attraktive Position wird nach A 16 LBesG BW bzw. alternativ als Beschäftigte*r in einer vergleichbaren Eingruppierung vergütet. Es wartet eine verantwortungsvolle und interessante Führungsaufgabe in einer modernen und zukunftsorientierten Verwaltung auf Sie! Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Johanna Emde, Waishna Jeyadevan und Dr. André Lerche zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und strategisch starke Führungspersönlichkeit als

Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zu Besoldungsgruppe A 16 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD.

Fachbereichsleitung Verkehr, Straßen und Liegenschaften (w/m/d)

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Personelles

Behörden Spiegel / März 2022

Setzen Sie in dieser Funktion Impulse für die Umwelt der Stadt Köln!

Ihre Vakanz ist unsere Herausforderung! Sie möchten eine Führungsposition besetzen, aber Ihnen fehlen qualifizierte Bewerber*innen? Sie suchen Spezialisten und wissen nicht, wie Sie die Zielgruppe ansprechen sollen? Sie haben qualifizierte interne Bewerber*innen und fragen sich, wer am besten zur Position passt? zfm ist dabei Ihr professioneller und verlässlicher Partner.

Sie suchen? Wir finden! Der Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt und der zunehmende Fachkräftemangel verlangen neue Vorgehensweisen, um auch künftig exzellente, qualifizierte, engagierte Führungskräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Seit 30 Jahren unterstützen wir insbesondere den öffentlichen Sektor bei der Suche, Auswahl, Beurteilung und Entwicklung von Fach- und Führungskräften. zfm kennt das kommunale Umfeld und ist routiniert im Umgang mit der Politik und Verantwortungsträgern aller Führungsebenen. In sensiblen Fragen der Führungskräftesuche und -auswahl bewegt sich zfm sicher im Umgang mit Aufsichtsräten, Personalfindungskommissionen, Verwaltungsvorständen und Fraktionen. Wir helfen Ihnen dabei, die Persönlichkeit zu finden, die den Unterschied macht. Sprechen Sie mit uns über Ihren Bedarf! Wir entwickeln gemeinsam mit Ihnen individuell abgestimmte Vorgehensweisen. Interessiert? Für einen vertraulichen Kontakt steht Ihnen Edmund Mastiaux, zfm-Inhaber und Geschäftsführer, persönlich unter der Rufnummer 0228/265004 oder auch per E-Mail an mastiaux@zfm-bonn.de, gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Wir verstehen uns als Dienstleister der Wasserwirtschaft und bilden einen wesentlichen Baustein der öffentlichen Daseinsvorsorge. Mit unserer wasser- und klimawirtschaftlichen Kompetenz gestalten wir das urbane Lebensumfeld in Köln. Unsere Arbeit betrifft dabei alle Einwohnerinnen und Einwohner sowie jeden Gast in Köln ganz unmittelbar. Dem Geschäftsbereich Planung und Bau kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. In den nächsten Jahren werden mehrere Großprojekte zur Modernisierung des Kanalnetzes geplant und umgesetzt sowie der Hochwasserschutz weiter ausgebaut. Daneben gehören die wasserwirtschaftliche Klimafolgeanpassung sowie die Generalentwässerungsplanung zu den wichtigen Zukunftsthemen für unsere Stadt. Im Rahmen einer Altersnachfolge suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine strategisch denkende und fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Unsere leistungsstarke Feuerwehr besteht aus einer hauptamtlichen Abteilung mit 45 Kräften und acht freiwilligen Abteilungen mit aktuell ca. 250 aktiven Mitgliedern, einer Altersabteilung und der Jugendfeuerwehr. Haupt- und ehrenamtliche Kräfte übernehmen seit vielen Jahren gemeinsam und verlässlich eine Reihe wichtiger Aufgaben für unsere Stadt – mit hoher Professionalität und großem Engagement an 365 Tagen im Jahr. Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine gleichermaßen umsichtige wie kommunikationsstarke und führungserfahrene Persönlichkeit als

Fachbereichsleitung Feuerwehr und Bevölkerungsschutz (w/m/d)

In dieser Funktion gehören Sie zur Geschäftsleitung der Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR und berichten direkt an die Vorständin.

Diese attraktive Position mit Dienstsitz in Aachen ist nach Entgeltgruppe 15 KAVO bewertet.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Dr. André Lerche, Johanna Emde und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Der Landkreis Holzminden liegt mit 71.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im landschaftlich reizvollen Weserbergland. Als Wirtschaftsstandort sind im Landkreis viele Global-Player und Hidden-Champions beheimatet. Der lebendige Studienort ermöglicht jungen Menschen die Ausbildung in den Studiengängen „Baumanagement“, „Effizientes und Nachhaltiges Bauen“ sowie „Green Building“. Vielfältige Kinderbetreuungseinrichtungen sowie alle weiterführenden Schulen sind selbstverständlich vorhanden. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt sucht das Landratsamt Holzminden eine menschlich wie fachlich überzeugende Persönlichkeit als

Dezernentin*Dezernenten (w/m/d) für den Bereich Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz Diese attraktive Stelle ist nach A 15 bewertet.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Waishna Jeyadevan, Dr. André Lerche oder Barbara Morschhaeuser zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Managen Sie als erfahrene Führungskraft komplexe Stadtplanungs- und Stadtentwicklungsprojekte! Die Stadt Bochum befindet sich im Aufbruch. Mit der „Bochum Strategie“ sind wichtige Weichen der Stadtentwicklung gestellt. An diesem Erfolgsprozess können Sie aktiv mitwirken. Hier wird eine fachübergreifende Zusammenarbeit an gesamtstädtischen Projekten großgeschrieben. Der Kompass für gute Zusammenarbeit und Führung schafft den Rahmen für eine moderne, gestaltende und dienstleistungsorientierte Stadtverwaltung. Das Amt für Stadtplanung und Wohnen ist mit seinen rund 140 Mitarbeiter*innen verantwortlich für Stadtplanung, Stadtentwicklung und -erneuerung, Bauleitplanung, Mobilitätsplanung, Wohnungsbauförderung (Neubau und Bestand), Denkmalschutz, städtebauliche Gestaltung sowie die Planung und Entwicklung von Großprojekten.

Amtsleitung für Stadtplanung und Wohnen (w/m/d) Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zu Besoldungsgruppe B 2 LBesG NRW bzw. auf Basis einer außertariflichen Bezahlung im Angestelltenverhältnis. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Johanna Emde, Dr. André Lerche und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Zum 01.08.2022 suchen wir im Zuge einer Altersnachfolge eine erfahrene und kommunikationsstarke Führungspersönlichkeit als

Mit dieser Stelle ist die Funktion als Kommandant*in der Feuerwehr verbunden. Die Eingruppierung erfolgt je nach Vorliegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen bis A 14 LBesGBW.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Das Dezernat Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz umfasst die Bereiche Verbraucherschutz und Tiergesundheit, Allgemeine Soziale Leistungen, Gesundheitswesen, Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und Kinder- und Jugendgesundheit sowie Seniorenfachdienst.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir suchen im Zuge einer Nachfolgeregelung zum 01.08.2022 eine kommunikative und souveräne Persönlichkeit als

Leitung (w/m/d) Qualitätsmanagement und Finanzcontrolling

Gestalten Sie mit uns gemeinsam die Zukunft unseres Landkreises!

Die Barockstadt Ludwigsburg ist mit ihren rund 93.500 Einwohner*innen Teil der Metropolregion Stuttgart und zentraler Bestandteil einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas.

MISEREOR, das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit, setzt sich unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion für die Menschen ein, denen das Recht auf ein Leben in Würde, Freiheit sowie ausreichender und gesunder Versorgung verwehrt bleibt. Hand in Hand arbeiten wir mit unseren Projektpartnern in Afrika, Asien und Lateinamerika und unterstützen die Menschen, ihr Leben aus eigener Kraft nachhaltig positiv zu verändern. Angesichts globaler, sozial ökologischer Zukunftsfragen machen wir in Deutschland und Europa auf die Ursachen von Ungerechtigkeit, Armut und Klimawandel aufmerksam und setzen uns für politische Veränderungen ein.

Geschäftsbereichsleitung Planung und Bau (w/m/d)

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Steuern Sie als umsichtige Führungspersönlichkeit unsere Feuerwehr in die Zukunft!

Leisten Sie als Expert*in für öffentliche Fördermittel einen maßgeblichen Beitrag zur solidarischen Entwicklungszusammenarbeit!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Personelles

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Behörden Spiegel / März 2022

Setzen Sie wesentliche Impulse für die zukünftige Entwicklung unseres attraktiven Wohn- und Lebensstandortes!

Prägen Sie in verantwortungsvoller Position die Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger!

Die Wohnbau GmbH Göppingen (WGG) ist seit mehr als 80 Jahren ein kompetenter und zuverlässiger Partner in der Wohnversorgung unserer Stadt (mit rund 2.000 eigenen und 1.100 fremdverwalteten Wohn- und Gewerbeeinheiten). Sie nimmt für unsere Bevölkerung, Stadt, Landkreis und heimische Wirtschaft die Wohnversorgung breiter Bevölkerungsgruppen wahr, insbesondere auch für soziale Notfälle und Fälle drohender Obdachlosigkeit.

Die Hansestadt Lüneburg ist das wirtschaftliche und kulturelle Oberzentrum Nordostniedersachsens mit rund 78.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Stadt liegt in reizvoller Umgebung am Rande der Lüneburger Heide mit günstigen Verkehrsverbindungen zu den Großstädten Hamburg und Hannover. Unsere Altstadt verbindet Historie und Innovation – so besitzt Lüneburg eine Universität, verfügt über Schulen aller Systeme und bietet moderne Sport- und Freizeitstätten sowie zahlreiche kulturelle Einrichtungen. Auch unsere Stadtverwaltung befindet sich im Wandel.

Das Portfolio wird kontinuierlich durch neue attraktive Wohnangebote ausgebaut, die einem engagierten Neubau- und Modernisierungsprogramm entstammen, das eng mit der Stadtentwicklung verzahnt ist. Gestalten Sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Zuge einer Altersnachfolge als

Geschäftsführung (w/m/d) der Wohnbau GmbH Göppingen die Wohnungslandschaft aktiv mit und leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für unsere lebenswerte und soziale Stadt.

Prägen Sie mit Ihren Ideen das Stadtbild der Großen Kreisstadt Winnenden!

Unterstützen Sie uns hierbei zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Dezernentin * Dezernent (w/m/d) für Bildung, Jugend, Soziales und Kultur

Die Große Kreisstadt Winnenden liegt mit ihren rund 28.500 Einwohner/innen landschaftlich reizvoll und verkehrsgünstig in der Region Stuttgart. Die älteste Stadt des Rems-Murr-Kreises bietet einen hohen Wohn- und Freizeitwert, eine Vielzahl an Betreuungseinrichtungen sowie alle Schulformen. Darüber hinaus sind zahlreiche leistungsfähige Wirtschaftsunternehmen in der Stadt ansässig. Das Bauamt der Stadt Winnenden beschäftigt sich mit allen Fragestellungen rund um die Themen Hoch-, Tief- und Straßenbau, Vermessung, Technische Gebäudeausrüstung und Energiemanagement, Zentrale Vergabe, Bauhof, Stadtgärtnerei, Kläranlagen sowie zukünftig Gebäudemanagement. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir eine erfahrene und fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Die Wahl erfolgt für die Dauer von 8 Jahren. Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe B 4 BBesG bewertet.

Amtsleitung Stadtbauamt (w/m/d) Die Vergütung erfolgt je nach Qualifikation und Berufserfahrung bis zu Entgeltgruppe 14 TVöD bzw. A 14 LBesG BW.

In dieser Funktion berichten Sie direkt an den Aufsichtsratsvorsitzenden. Zum Zwecke der engen Verzahnung mit der Stadtentwicklung steht Ihnen die Baubürgermeisterin beratend zur Seite.

Gesucht wird eine tatkräftige und innovationsfreudige Persönlichkeit, die nicht nur ausgeprägte organisatorische und kommunikative Fähigkeiten besitzt, sondern auch über politisches und gesellschaftliches Einfühlungsvermögen verfügt.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Désirée Verhaert, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Julia Schwick, Désirée Verhaert oder Raza Hoxhaj zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Johanna Emde, Dr. André Lerche und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Bergheim im Aufbruch – Gestalten Sie eine Stadt im Strukturwandel!

Abteilungsleitung Gebäudemanagement (w/m/d) Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe A 15 LBesG NRW besoldet. Tariflich Beschäftigte erhalten eine entsprechende Vergütung nach EG 15 TVöD. Wir bieten Ihnen neben attraktiven Fortbildungsprogrammen und diversen Angeboten zur betrieblichen Gesundheitsförderung flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum Home-Office, um eine Work-Life-Balance aktiv zu fördern. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Theresa Meister, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Leitung des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr (w/m/d) Die Stelle ist mit einer Nebentätigkeit der technischen Geschäftsführung der SEH GmbH und Co. KG bzw. technische Vorständin/ technischer Vorstand der SEH AöR in Personalunion verknüpft. Mit rund 160.000 Einwohner*innen im Zentrum des Ruhrgebietes zählt Herne zu den Großstätten des Reviers und verfügt, neben einer verkehrsgünstigen Lage über ein vielfältiges Freizeit- und Kulturangebot bis hin zu Industriekultur und beeindruckender Architektur. Die Stadt Herne bietet unter anderem flexible Arbeitszeiten und die dauerhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neben einer hohen Arbeitsplatzgarantie, die die Planbarkeit der beruflichen Zukunft sichert, bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Personalentwicklung. Begleitend werden Mitarbeitende mit einem aktiven Gesundheitsmanagement sowie bei der Nutzung nachhaltiger Mobilität unterstützt. Werden auch Sie Teil des Teams und prägen zusammen mit rund 3.000 Mitarbeitenden die Zukunft der Stadt Herne. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Die eigenbetriebsähnliche Einrichtung des Immobilienservicebetriebes (ISB) der Stadt Bielefeld bewirtschaftet mit ihren 800 Mitarbeitenden ein breitgefächertes Immobilienvermögen von rund 1.100 Gebäuden und 4.200 Hektar. Gemeinsam mit der Ersten Betriebsleitung sind die Kaufmännische und Technische Betriebsleitung für die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Betriebsführung sowie die Weiterentwicklung des ISB verantwortlich. Zentrale Aufgabe des ISB für die kommenden Jahre wird die Realisierung eines umfangreichen Bauprogrammes sein. Bis 2030 sind Neubau-, Erweiterungs- und Sanierungsprojekte mit einem Bauvolumen von mehr als 900 Millionen Euro vorgesehen. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine wegweisende und engagierte Führungspersönlichkeit als

Technische Betriebsleitung (w/m/d) des Immobilienservicebetriebes Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe A 16 LBesG NRW besoldet. Tariflich Beschäftigte erhalten eine entsprechende außertarifliche Vergütung. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Theresa Meister, Désirée Verhaert oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Steuern Sie anspruchsvolle Bauprojekte der Stadt Bielefeld!

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Die Stadt Herne sucht zum 01.07.2022 eine neue

Die Kreisstadt Bergheim positioniert sich mit ihren 66.000 Einwohnerinnen und Einwohnern als attraktives Mittelzentrum im Städtedreieck Köln, Aachen, Düsseldorf. Die Abteilung Gebäudemanagement mit 33 Mitarbeitenden umfasst die drei Sachgebiete, „Technisches Gebäudemanagement“, „Kaufmännisches Gebäudemanagement“ sowie „Energiemanagement“. Diese sind gemeinsam für den Bau, die Instandhaltung, den Betrieb und die Unterhaltung der etwa 350 Liegenschaften der Kreisstadt Bergheim zuständig. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich versierte und durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeit als

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Darüber hinaus bietet die Stadt Winnenden attraktive Leistungsanreize.

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Personelles / Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / März 2022

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Die nachhaltige Stadt 2030 finanzieren

Aktive Steuerung statt passiver Verwaltung

Förderbanken unterstützen Kommunen bei den anstehenden Investitionen

Leitbild für ein modernes kommunales Beteiligungsmanagement

(BS/Michael Stölting) Klimawandel und Nachhaltigkeitsziele fordern die Kommunen in vielen Bereichen – (BS/lkm) In den Kommunen ist ein ungebrochener Trend zur Ausgliederung zu beobachten. Aufgrund der von Mobilität über Energieversorgung und Wohnen bis hin zu Bauprojekten. Um all dies parallel zu erreichen, zunehmenden Relevanz und Komplexität des Beteiligungsbereichs ist ein modernes kommunales Beteilimüssen Kommunen heute für morgen investieren. Die NRW.BANK unterstützt sie dabei auf vielfältige Weise. gungsmanagement daher unabdingbar, so der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Martin Richter auf dem Tag der Beteiligungsverwaltung des Behörden Spiegel.

Wenn Städte einen Wunsch frei hätten, dann wünschten sie sich vermutlich komplette Nachhaltigkeit mit emissionsfreiem Verkehr, klimaneutraler Energieversorgung und grüne Quartier-Oasen mit ­generationsgerechtem Wohnraum. Durch das Klimaabkommen von Paris, wonach bis 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um bis zu 55 Prozent zu reduzieren sind, ist die ökologisch nachhaltige Stadt inzwischen ein konkretes Ziel. Um es zu erreichen, müssen die Kommunen – trotz angespannter Haushaltslage – spürbar investieren. In Nordrhein-Westfalen unterstützt die NRW.BANK als größter Kommunalfinanzierer die Städte, Gemeinden und Kreise dabei. Dazu bietet die Landesförderbank Infrastrukturfinanzierungen, Förderprogramme, Beratung und Vernetzung. Denn gute Ideen und innovative Ansätze müssen miteinander geteilt werden.

Ressource Natursand recyceln Für ein funktionierendes Netzwerk sorgt die NRW.BANK, indem sie Wettbewerbe und Preise ausschreibt. Beim NRW.BANKIdeenwettbewerb etwa können sich Kommunen und kommunale Unternehmen um ein wissenschaftlich begleitetes Ideenmining bewerben. Ein Gewinner des Wettbewerbs 2019/2020 war die GWM – Gesellschaft zur Weiterverwendung von Mineralstoffen. Das Gemeinschaftsunternehmen der Abfallwirtschafts-Tochter des Kreises Unna, GWA, und Gelsenwasser widmet sich dem Recycling von Bodenaushub beim Rohrleitungsbau. Die Ressource Natursand wird knapp. Beim Verlegen von Rohren und Kabeln genutztes Füllmaterial konnte bisher wegen

lässt. Es vergleicht Instandhaltungs-, Sanierungs- und Neubaumaßnahmen mitsamt den Michael Stölting, Vorstandsmitglied der NRW.BANK jeweiligen langfristigen Betriebs- und Foto: BS/NRW.BANK Finanzierungskosten sowie Nachhaltigkeitsaspekten einer Immobilie. Das Modell kann aufzeihoher Qualitätsanforderungen gen, welche Beschaffungsvariante nicht recycelt werden. Die Partner – ob Eigenrealisierung, Miete oder entwickelten ein Aufbereitungs- ÖPP – vorteilhafter ist. So finden verfahren, mit dem 90 Prozent kommunale Entscheidungsträger des Aushubs wiederverwendet heraus, ob beispielsweise die Mowerden können. Das spart zudem dernisierung eines vorhandenen Deponieplatz. Innovativ ist die Schulgebäudes oder ein kompletEntwicklung von sogenanntem ter Neubau wirtschaftlich sinnvolFlüssigsand, der sich bei beson- ler ist. Die lebenszyklusorientierte ders empfindlichen Rohren ein- Betrachtung von immobilienwirtsetzen lässt. 2021 hat die GWM schaftlichen Maßnahmen sorgt rund 13.000 Tonnen GWM-Sand für mehr Nachhaltigkeit. produziert und eingebaut. Auch bei Ausschreibungen wird diese Investitionen in nachhaltige Städte rechnen sich nachhaltige Komponente einbezogen. Die für die Transformation hin zu nachhaltigen Kommunen notBauprojekte auf Wirtschaftwendigen Investitionen werden lichkeit analysieren hoch sein. Doch sie werden sich Beim Risiko- und Förderma- rechnen. Die Auswirkungen des nagement unterstützt die NRW. Klimawandels, die auf NordrheinBANK die nordrhein-westfäli- Westfalen ohne sie zukämen, wäschen Kommunen durch Bera- ren in jedem Fall teurer, wie nicht tung. Denn jedes Projekt ist ein- zuletzt die Folgen der Flutkatastzigartig und braucht passgenaue rophe vom Sommer 2021 belegen. Unterstützung. Die Berater entwickeln optimale Finanzierungs- Fachkongress für die öffentliche Hand zur Infrastrukturförderung strukturen und binden neben eigenen Förderprogrammen auch Am 23. und 24. März 2022 findet in Weimar der erste gemeinsame Fachkondie der KfW sowie Zuschüsse von gress der Landesförderinstitute statt. Bund, Land und EU ein. Sein Motto: "Wir fördern nachhaltig und Beratung setzt oft weit vor der regional – Infrastruktur für Stadt und Finanzierung an. Gemeinsam Land". Ziel ist der Austausch von guten mit dem NRW-Finanzministeri- Ideen und innovativen Ansätzen zum um entwickelte die NRW.BANK Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz, zum Beispiel ein Tool, mit dem zur Rolle der Kommunen dabei und zur sich bereits in einer frühen Pla- Frage der Finanzierbarkeit. nungsphase herausfinden lässt, Für Gäste der öffentlichen Hand ist die wie sich ein Hochbauprojekt Teilnahme kostenfrei. Anmeldungen unam wirtschaftlichsten umsetzen ter: http://www.partner-regio.de/39.html

Richter betonte, dass mit den Beteiligungen wichtige öffentliche Zwecke erfüllt würden. Zudem seien sie finanziell – absolut und relativ zum Verwaltungshaushalt – “keineswegs vernachlässigbar”. Die negativen Folgen für die Kommunen könnten erheblich sein, wenn Risiken und Fehlentwicklungen hier nicht frühzeitig erkannt würden, warnt der ehemalige Lehrstuhlinhaber für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der Universität Potsdam. Zuständig und verantwortlich für die Steuerung und Überwachung der Beteiligungen einer Kommune seien die politische Vertretung, also der Gemeinderat, sowie die Verwaltungsführung. “Und zwar beide Institutionen nebeneinander und im vollen Umfang. Verantwortung ist nicht teilbar. Sie reduziert sich nicht dadurch, dass ein anderer ebenfalls die Verantwortung trägt”, mahnt Richter. Er sieht hier großes Verbesserungspotenzial – auch wenn sich in den letzten beiden Jahrzehnten hier bereits viel bewegt habe. Ob dies jedoch ausgereicht hat, bezweifelt er. Laut Richter wären Gemeinderat und Verwaltungsführung überfordert, wenn sie die Aufgaben des Beteiligungsmanagements persönlich erfüllen müssten. Hier bedürfe es professioneller Unterstützung. Ein Beteiligungsmanager fungiere als “Intermediär” zwischen einer Vielzahl von Akteuren. Hierzu gehörten unter anderem die Öffentlichkeit, der Gemeinderat, die Fraktionen und Parteien sowie auch die Verwaltung, die Aufsichtsräte, die Geschäftsführungen, die Kommunalaufsicht, Ministerien und Verbände. Diese müssten mit ihren sehr unter-

schiedlichen Merkmalen, Prägungen und Machtpotenzialen im Beteiligungsmanagement so koordiniert werden, dass sie im Interesse der Kommune agierten.

Konkrete Ansatzpunkte Großes Verbesserungspotenzial sieht Richter in der Beeinflussung der Verwaltungskultur. “Die Bedeutung der sogenannten “weichen” Faktoren für den Erfolg von Organisationen wird oft unterschätzt”, so Richter. Gerade das Beteiligungsmanagement sei ein Subsystem, in dem eine Normierung durch vorgegebene Regeln sehr schnell an ihre Grenzen stoße. Umso bedeutungsvoller werde hier die informale Organisation. Vertrauen sei dabei häufig wirkungsvoller als hierarchische Macht und essenziell für ein kooperatives Beteiligungsmanagement. Wichtig sei auch ein Fehlermanagement in der öffentlichen Verwaltung. “Unternehmerische Entscheidungen sind immer risikobehaftet. Fehlende Fehlertoleranz führt zum Vertuschen bzw. Leugnen von Fehlern, bis hin zur Flucht aus der Verantwortung”, warnt der Ökonom. Bedeutend für ein effektives Beteiligungsmanagement sei auch der Auswahl- und Besetzungsprozess von Aufsichtsräten. Empirische Ergebnisse zeigten, dass die Auswahl primär von den Fraktionen im Gemeinderat ohne Beteiligung des Beteiligungsmanagements vorgenommen würden. “Aufsichtsräte haben das Potential, ihre Überwachungsund Beratungsaufgaben effektiv wahrzunehmen, wenn sie unabhängig und fachlich kompetent sind, genügend Zeit haben und entsprechend motiviert sind”,

erläutert Richter. In der Literatur und Fachwelt gebe es jedoch eine “ausgeprägte Skepsis” bezüglich der Qualität der Aufsichtsratsarbeit. Laut Richter ist die Beeinflussung des Auswahl- und Besetzungsprozesses eine wichtige Aufgabe für das Beteiligungsmanagement. Eine weitere wichtige Aufgabe sieht Richter zudem in der Zusammenarbeit mit Prüfern. “Beteiligungen werden mehrfach extern geprüft, trotzdem bestehen große prüfungsfreie Räume”, meint Richter. Zudem werde die Qualität dieser Prüfungen zu selten hinterfragt. “Oft hat man hier nur “Copy und Paste” oder man hat etwas hingeschrieben, ohne das es geprüft wurde”, kritisiert der Wirtschaftsprüfungsexperte, der hier “erheblichen Verbesserungsbedarf” sieht. Wenn man mit den Prüfern zusammenarbeite, könne man seine Ausgangsbasis deutlich verbessern, denn man müsse sich vergewissern, ob die Informationen, die die Beteilgungen lieferten, valide seien und ob man sie in seine Entscheidungen integrieren könne. “Damit kann man sich viele Arbeiten erleichtern, aber man muss es auch entsprechend steuern”, so Richter. Nicht zuletzt sei auch die Evaluation des Beteiligungsmanagements von besonderer Bedeutung. “Die vielfältige Kritik an der Steuerung des Beteiligungsbereichs zeigt, dass das Beteiligungsmanagement nicht so wirkungsvoll ist, wie es sein könnte”, so Richter. Zudem sei das Selbstbild häufig positiver als das Fremdbild und nicht immer durch die realen Leistungen gerechtfertigt. Er empfiehlt hierfür Peer Reviews, die auch als Lernprozess konzipiert sind.

“Die Erheblichkeitsgrenze” Der Landrat Aldegreverstr. 10-14 33102 Paderborn Tel.: 05251/308-1102 www.kreis-paderborn.de

Erheblich oder nicht erheblich – das ist bei Investitionen die Frage Kommunale Investitionen haben regelmäßig auch Folgekosten (Unterhaltung etc.). Sie sind deswegen ebenso regelmäßig Grund für eine angespannte Haushaltslage. Demzufolge bestimmen die hessischen haushaltsrechtlichen Regelungen konsequenterweise, für und vor Investitionen von erheblicher Bedeutung Wirtschaftlichkeitsvergleiche bzw. Variantenuntersuchungen unter Berücksichtigung der absehbaren Belastungen durch Folgekosten durchzuführen (§ 12 Abs. 1 GemHVO). Die Betrachtung der Lebenszykluskosten zu einem frühen Zeitpunkt ist richtig und wichtig, weil die Folgekosten in der Planungsphase am stärksten beeinflusst werden können (s. Abbildung).

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

“Investition von erheblicher Bedeutung” in § 12 Abs. 1 GemHVO ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der es erfreulicherweise den Kommunen von Weißenborn (974 Einwohner) bis Frankfurt am Main (763.380 Einwohner) erlaubt, für sich selbst die jeweils treffende Grenze zu definieren. Deswegen sprechen nahezu alle anderen Flächenländer in ihren Gemeindehaushaltsverordnungen auch von In-

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Büttner, Otto „Kostenplanung von Gebäuden“, 1972

Abbildung: Kostenentstehung und ihre Beeinflussbarkeit im Lebenszyklus einer Immobilie Grafik: BS/Rechnungshof Hessen

vestitionen von “erheblicher Bedeutung”. Mit der Integration der Folgekosten von individuell erheblichen Investitionen in den Planungsprozess wird eine valide und transparente Basis geschaffen, um die Investitionsentscheidung, die absehbaren Gesamtkosten und die weitere Haushaltsplanung faktenbasiert treffen zu können. In der 226. Vergleichenden Prüfung “Immobilienmanagement” haben wir deswegen in 16  Städten und Gemeinden untersucht, ob jeweils die “Investition von erheblicher Bedeutung” definiert und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt wurden. Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Keine Kommune hatte die Erheblichkeitsgrenze für sich definiert. Vor Ort war also unklar, ab wann Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nebst Folgekostenberechnungen durchzuführen sind. Nur acht von 16 Kommunen hatten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen dokumentiert. Nur drei Gemeinden hatten

Folgekosten (ab einer nicht definierten Erheblichkeitsgrenze) ermittelt. Eine Ursache der fehlenden Festlegung von Erheblichkeitsgrenzen könnte im Missverständnis bei der Interpretation der Rechtsgrundlage liegen. Wie nahezu in allen Ländern spricht § 12 GemHVO in Hessen nur von Investitionen von “erheblicher Bedeutung”. Nur Niedersachsen ist mit § 12 Abs. 1  KomHKVO insofern etwas klarer, da von den Kommunen explizit gefordert wird, die Wertgrenze von “erheblicher finanzieller Bedeutung” festzulegen. Dabei ist in allen Fällen offensichtlich, dass es die Verwaltungskraft gerade kleinerer Kommunen überfordern würde, für alle finanzwirksamen Maßnahmen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen einzufordern. Es obliegt daher den Kommunen in ihrer Selbstverwaltung, zu definieren, wann eine Maßnahme von erheblich finanzieller Bedeutung ist. Wir empfehlen, die Erheblichkeitsgrenze jährlich in der Haushaltssatzung festzulegen. Lesen Sie mehr zum Thema “Erheblichkeitsgrenze von Investitionen” im Kommunalbericht 2021, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6484 vom 19. November 2021, S. 220 ff. Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Der Kreis Paderborn sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt für das Amt für Umwelt, Natur und Klimaschutz eine/n

Landespflegerin/ Landespfleger (m/w/d) in der Funktion der Sachbereichsleitung für die Sachgebiete Naturschutz, Landespflege und Klimaschutz. Eine ausführliche Stellenbeschreibung finden Sie im Internet unter www.kreis-paderborn.de, Rubrik Service – Stellenangebote. Ihre aussagekräftige Bewerbung reichen Sie bitte bis zum 26. März 2022 über Interamt ein.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung! Die Kreisstadt Siegburg (rd. 40.000 Einwohner) liegt in zentraler Lage zwischen den Metropolen des Rheintals (Köln und Bonn) und den Erholungsgebieten des Siebengebirges und des Bergischen Landes. Ihre verkehrsgünstige Lage (u.a. durch den Halt Siegburg/Bonn an der ICE-Strecke Köln-Frankfurt), ihre überdurchschnittliche Infrastruktur sowie ein reichhaltiges Kulturangebot machen sie zum attraktiven Mittelpunkt der Region. Bei der Kreisstadt Siegburg ist zum 1. August 2022 die Stelle einer/eines ERSTEN BEIGEORDNETEN (M/W/D) zu besetzen. Die/Der Beigeordnete wird vom Rat für die Dauer von 8 Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit gewählt. Die Besoldung richtet sich nach der Eingruppierungsverordnung (EingrVO) NRW (Besoldungsgruppe B 2 LBesO NRW); außerdem wird eine Aufwandsentschädigung gewährt. Bewerbungsfrist: 8. April 2022 Weitergehende Informationen erhalten Sie im Internet unter: www.siegburg.de


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Behörden Spiegel / März 2022

Foto: BS/ErichWestendarp, pixabay

Mobil auf Straße und Schiene

Sonderteil des Behörden Spiegel, März 2022

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amit das auch künftig so bleibt, stellt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr jetzt die Weichen für die klimafreundliche, nachhaltige und effiziente Logistik der Zukunft. Wir schaffen die passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, die unsere Infrastruktur leistungsfähig halten und die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen. Dazu arbeiten wir eng mit allen Beteiligten auf EU-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene zusammen.

Projekt “Silicon Economy” Die Rolle digitaler Vernetzung – nicht nur im Verkehr – wird dabei in den nächsten Jahren exponentiell zunehmen. Ob intelligentes Parkraum-Management für Lkws, Warnsysteme oder das selbstfahrende Binnenschiff, alles hängt von intelligenter Verkehrslenkung, Fahrzeugsteuerung und Verkehrsinfrastruktur ab. Deshalb investieren wir massiv in die Logistik der Zukunft. Zum Beispiel in das Projekt “Silicon Economy”, das wir mit 25 Millionen Euro fördern. Dabei geht es darum, Prozess- und Lieferketten mithilfe Künstlicher Intelligenz zu digitalisieren. Dazu gehört die Entwicklung von Softund Hardware, um etwa Transporte sekundengenau nachverfolgen zu können, oder die Prozesse vom Betriebsgelände bis zum Hafen intelligent und auto-

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ange Zeit wurde in Kommunen nicht Mobilität, sondern Verkehr geplant. Staus beispielsweise sind ein Anzeichen für einen ausgelasteten Verkehrsweg. Eine reine Anpassung der Kapazität durch Infrastrukturausbau löst das Problem nur kurzfristig. Der Ansatz einer integrierten Mobilitätsplanung sucht die Lösung in den Stauursachen: Welche Alternativen zum eigenen Auto gibt es? Wie gut werden diese angenommen? Lassen sich Verkehre bündeln oder Verkehrsspitzen entzerren? Mit der Mobilitätsplanung nehmen wir den Menschen in den Fokus. Wir analysieren das Bedürfnis nach Mobilität und setzen auf einen Dreiklang, nämlich Vermeidung von Verkehr, Angebot von nachhaltigeren Mobilitätsformen und eine effektivere Abwicklung des motorisierten Individualverkehrs. Denn es ist immer wichtig, dass wir Politik vom Menschen her denken – und das gilt im Besonderen auch für den Mobilitätssektor. Dazu gehört, die komplette Wegstrecke von der Haustür über alle Zwischenstopps bis ans Ziel zu berücksichtigen – und das nicht nur über verschiedene Verkehrsmittel, sondern auch über kommunale Grenzen hinaus.

Leistungsstark, belastbar, stabil Mit zukunftsweisenden Innovationen für leistungsstarke Lieferketten (BS/PSts Oliver Luksic) Die deutsche Logistikbranche ist leistungsstark, belastbar und Garant für stabile Lieferketten. Besonders deutlich wurde und wird das in der Zeit der Pandemie. Logistik versorgt uns mit Lebensmitteln und Konsumgütern, mit Corona-Tests und Impfdosen. Sie liefert Industrie und Unternehmen wichtige Produkte, Rohstoffe und Fertigteile. Kurzum: Sie hält Gesellschaft und Wirtschaft am Laufen. Möglich macht das der unermüdliche Einsatz aller Beteiligten, die unter erschwerten Bedingungen Großartiges leisten – und so zeigen, warum wir Logistikweltmeister sind! Automatisieren von Prozessen in der gesamten Logistikkette wollen wir außerdem die Potenziale noch Oliver Luksic ist Parlamenstärker heben, die tarischer Staatsekretär beim in der KombinatiBundesminister für Digitales on verschiedener und Verkehr. Verkehrsträger Foto: BS/Sandra Steins, Bundesregierung liegen. Denn Intermodalität verbinmatisiert zu gestalten. Ein wei- det die Vorteile der Verkehrsträteres Beispiel ist der elektronische ger Schiene und Schiff mit denen Frachtbrief. Im Moment läuft bei der Straße – und ist ein Herzstück Frachtbriefen und anderen Do- umweltfreundlicher Logistik. kumenten vieles noch analog. Das verursacht Bürokratie, kos- Mehr Tempo auf der Schiene tet Zeit und Geld. Mit dem EDie Schiene spielt dabei eine Frachtbrief erhöhen wir die Effi- Schlüsselrolle. Bis Ende des zienz und sparen Kosten. Dabei Jahrzehnts soll sie 25 Prozent setzen wir bewusst auf Open- aller Gütertransporte übernehSource-Entwicklungen. So stellen men. Dafür werden wir erstmals wir sicher, dass alle Marktteil- mehr in die Schiene als in die nehmer von der Digitalisierung Straße investieren und den Wettprofitieren können – vom trans- bewerb auf der Schiene stärken. europäischen Logistikriesen bis Insbesondere für den Güterverzum regionalen Mittelständler. kehr müssen wir aufgrund der Neben dem Digitalisieren und zunehmenden Nachfrage rasch

zusätzliche Trassen schaffen. Damit das künftig schneller geht, machen wir mehr Tempo beim Planen und Genehmigen. Hier knüpfen wir an die aktuellen gesetzlichen Möglichkeiten an und bessern dort nach, wo es nötig und sinnvoll ist. Im Koalitionsvertrag vereinbart haben wir zum Beispiel die Legalplanung von großen, besonders bedeutsamen Infrastrukturprojekten. Dabei geht es etwa um kritische Brücken, Bahnstrecken oder Stromtrassen. Bei diesem Verfahren entscheidet der Deutsche Bundestag per Gesetz, ohne dass Prüfstandards und Beteiligungsrechte gesenkt oder eingeschränkt werden. Mit dem Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz haben wir in Deutschland den nötigen rechtlichen Rahmen, um Pilotprojekte mit diesem Instrument durchzuführen. So sammeln wir Erfahrungen und können dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen wollen. Auf jeden Fall werden wir beim Pla-

nen Tempo machen, denn ohne belastbare Verkehrswege gibt es keine Logistik. Und wir setzen auf die Chancen der Digitalisierung, indem wir etwa den Hochlauf des "European Train Control"-Systems beschleunigen. So können wir das vorhandene Schienennetz optimaler nutzen und die Streckenkapazitäten erhöhen. Darüber hinaus setzen wir mit der "Digitalen Automatischen Kupplung" eine der wichtigsten Innovationen überhaupt im Güterverkehr um. Sie macht das Kuppeln von Güterzügen deutlich schneller und ist damit ganz entscheidend, um die Schiene gegenüber der Straße wettbewerbsfähiger zu machen. Denn Wettbewerb auf der Schiene ist das eine, Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern das andere.

Mobility Data Space Wichtiger Gestaltungsfaktor für die Mobilität der Zukunft auf allen Wegen sind dabei Daten. Sie

Der Werkzeugkasten Mobilität in Bayern Kommunen in Austausch über Praxisbeispiele nachhaltiger Mobilität bringen (BS/StMin Kerstin Schreyer) Mobilität prägt unser Leben, ist Voraussetzung für Bildung und Freizeit, Arbeiten und Versorgung sowie die Teilhabe am sozialen Leben. Standort- und Lebensqualität werden immer mehr durch ein gesundes Wohn- und Arbeitsumfeld bestimmt. Nicht zuletzt hat auch die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass wir Mobilität und Verkehr neu denken müssen. Und Mobilität kann nicht alleine, sondern muss immer im Zusammenhang mit Wohnen gedacht werden. Umso wichtiger ist es, dass ländliche Regionen gut erreichbar sind und dadurch an Attraktivität gewinnen. Jeder Mensch muss in Bayern frei entscheiden können, wo er wohnen möchte, und er muss von überall aus mobil sein können. Die Frage ist: Wie können wir Kommunen dabei bestmöglich unterstützen, eine bezahlbare und sichere Mobilität umwelt- und ressourcenschonend anzubieten, die für alle verfügbar ist? Denkverbote gibt es dabei nicht. Was die Mobilitätsplanerinnen und -planer Wegekette nennen, muss in ihrer Gesamtheit so gut geplant und aufeinander abgestimmt sein, dass die nachhaltige Mobilitätsalternative attraktiver ist, als den Stau im eigenen Auto auszusitzen.

Lösungsansätze der Mobilitätsbranche

Begriffe wie Sharing, Pooling, Mobility-as-a-Service, Digitalisierung, Elektromobilität, Mobilitätsmanagement und viele mehr haben Eingang in den Arbeitsalltag unserer Mobilitätsplanerinnen und -planer gefunden. Doch welche sind die richtigen Werkzeuge, um die Herausforderungen zu bewältigen? Die Antwort darauf muss für jede Kommune individuell gefunden werden. Es gibt kein Patentrezept, das über jede Kommune gestülpt werden kann, sondern jeder Fall muss Kerstin Schreyer (MdL) ist die einzeln genau anBayerische Staatsministerin geschaut werden. für Wohnen, Bau und Verkehr. MobilitätskonFoto: BS/Atelier Krammer, StMB Bayern zepte helfen den Verantwortlichen

dabei, die jetzige Situation abzubilden, Ziele zu definieren und neue Maßnahmen zu entwickeln. Diese müssen dann mit anderen Fachplanungen und Interessengruppen, wie der Siedlungsentwicklung, der Wirtschaftsförderung oder dem Tourismus, abgestimmt werden, bevor sie schlussendlich in die Umsetzung kommen. Zentrales Anliegen sollte sein, die verschiedenen Mobilitätsformen nicht getrennt voneinander und unabhängig von den Nachbarkommunen zu betrachten. Integrierte Mobilitätskonzepte müssen alle Verkehrsarten gleichwertig einbeziehen. Wir dürfen die verschiedenen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen. Das Auto mit Zwangsmaßnahmen aus der Stadt zu verbannen, ist dabei nicht der richtige Weg. Statt einer erzwungenen autofreien Stadt brauchen wir eine freiwillig autoarme Stadt. Dazu brauchen wir einen Mobilitätsmix und müssen die Attraktivität des ÖPNV noch weiter steigern.

Wir bewegen Bayern – der Werkzeugkasten Mobilität Innovative und nachhaltige Mobilitätsangebote gibt es in Bayern bereits zahlreiche. Oft fehlen aber der gegenseitige Austausch oder

Der Werkzeugkasten Mobilität des bayerischen Verkehrsministeriums in Aktion. Foto: BS/Canva, StMB Bayern

die Zeit für eingehende Recherche, um festzustellen, dass die Kolleginnen und Kollegen in einer anderen Kommune bereits Lösungen für ähnliche Herausforderungen gefunden haben. Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr will daher all diese Erfahrungen und das breite Know-how für alle bayerischen Landkreise, Städte und Gemeinden einfacher zugänglich und nutzbar machen. Mit dem Werkzeugkasten Mobilität haben wir als Verkehrsministerium deshalb eine neue Internetseite ins Leben gerufen, die kommunale Praxisbeispiele

für nachhaltige Mobilitätsangebote sammelt und der Öffentlichkeit vorstellt. Ziel der Webseite www. wir-bewegen.bayern.de ist es, die Fachebene über die bereits bestehenden, zahlreichen guten Mobilitätslösungen in Austausch zu bringen und dafür zu sorgen, dass zukunftsfähige Ideen auch Schule machen. Seitdem der Werkzeugkasten Mobilität im September 2021 an den Start gegangen ist, haben bayerische Kommunen bereits über 50 Projekte gemeldet und es kommen kontinuierlich weitere gute Ideen hinzu. Die Verantwortlichen tragen ihre Projekte ganz einfach selbst in ein

müssen möglichst breit verfügbar, zugänglich und nutzbar sein, damit zum Beispiel kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups mit ihrer Hilfe digitale Innovationen und Geschäftsmodelle entwickeln können. Dafür hat die Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft den "Mobility Data Space" aufgebaut. Diesen Datenraum für den freiwilligen, sicheren und souveränen Austausch werden wir weiterdenken. Mit der Innovationsinitiative mFUND fördern wir zudem zukunftsweisende Projekte, die unsere Logistikströme näher zusammenbringen. Parallel treiben wir die Entwicklung von Assistenzsystemen bis hin zu automatisierten Lkws, Zügen oder Binnenschiffen konsequent voran. Mit Förderprogrammen unterstützen wir außerdem Unternehmen beim Umstieg auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Wie nachhaltig und umweltfreundlich Logistikketten sind, entscheidet sich nicht zuletzt in unseren Städten. Daher wollen wir emissionsfreie Stadtlogistik und Lastenräder ebenso voranbringen wie Lieferdrohnen und automatisierte Paketdienste im ländlichen Raum. Überall gilt: Die Digitalisierung ist der größte Booster für mehr Wettbewerb, mehr Klimaschutz und mehr Fortschritt – in der Logistik und darüber hinaus.

Formular auf der Webseite ein. So wird sichergestellt, dass die Informationen und Erfahrungen aus erster Hand bei den Lesenden ankommen. Nicht nur die Kommunen erhalten die Möglichkeit, ihre innovativen Ansätze bekannt zu machen. Mobilitätsplanerinnen und -planer aus ganz Bayern finden im Werkzeugkasten Mobilität erprobte Ideen und Zugang zu authentischen Praxiserfahrungen. Zentrales Element für den gegenseitigen Austausch sind die Kontaktinformationen und die Auskunftsbereitschaft der Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Um bestmöglich auf die Bedürfnisse der Kommunen einzugehen, entwickeln wir den Werkzeugkasten Mobilität kontinuierlich weiter. Seit Februar 2021 haben kommunale Akteurinnen und Akteure aus Bayern beispielsweise die Möglichkeit, sich kostenfrei für einen Mitgliederbereich anzumelden. Sensible Informationen wie die Kosten einer Maßnahme bleiben so exklusiv dem registrierten Kreis vorbehalten.

Ausblick Die Idee Werkzeugkasten Mobilität geht noch weiter: Stück für Stück wollen wir die Webseite zur Informations- und Austauschplattform zum Thema nachhaltige und vernetzte Mobilität ausbauen. So können durch gebündelte, zielgerichtete Informationen zusammen mit Praxiserfahrungen und der Vernetzung der Beteiligten neue Impulse und Ideen entstehen, wie wir Mobilität in Bayern künftig noch nachhaltiger gestalten können.


Öffentlicher Sektor muss bei Ausschreibungen neues Gesetz beachten Die Clean Vehicles Directive (CVD) der EU legt Mindestziele für emissionsarme und -freie Fahrzeuge fest. Mit dem Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge sind die EU-Vorgaben in nationales Recht umgesetzt. Das hat Auswirkungen auf Ausschreibungen im öffentlichen Sektor.

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uftraggeber der öffentlichen Hand und Sektorenauftraggeber (Versorger) müssen seit August 2021 bei der Auftragsvergabe verbindliche Mindestziele für emissionsarme und -freie Pkws sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge erfüllen. Wer öffentliche Aufträge vergibt und dabei – je nach Auftraggeber verschiedene – EU Schwellenwerten überschreitet, muss diese neue Gesetzesregelung im Blick haben. Die neuen Mindestziele sind für zwei unterschiedliche Zeiträume definiert. Der erste Zeitraum gilt seit Inkrafttreten des Gesetzes am 2. August 2021 bis Ende 2025, der zweite

schließt unmittelbar daran an und gilt bis Ende 2030 (siehe Tabelle). Das Gesetz betrifft nicht nur die Beschaffung von Fahrzeugen, sondern auch Dienstleistungsaufträge über Verkehrsdienste, wie etwa Paket- und Postdienste. Das bedeutet: Wer Pakete oder Briefe verschickt, muss darauf achten, dass der Dienstleister die Kriterien der Clean Vehicles Directive erfüllt, um dokumentieren zu können, dass er die Anforderungen mit Blick auf emissionsarme und -freie Fahrzeuge einhält. Das Gesetz ermöglicht dabei eine Verrechnung: Behörden und Institutionen, die bei ihren Post-und Logistikleistungen

die Quoten übererfüllen, können damit andere Bereiche kompensieren, in denen sie die Zielquoten der CVD verfehlen. Drei wesentliche Punkte sollten Verantwortliche bei öffentlichen Ausschreibungen berücksichtigen: • Sind die Anforderungen der CVD und deren verbindliche Umsetzung in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich erwähnt? • Ist vereinbart, dass und wie Dienstleister den Fortschritt mit Blick auf die CVD regelmäßig dokumentieren und reporten? • Erhält das Thema Nachhaltigkeitsstrategie neben dem Preis und anderen Kriterien eine deutlich höhere Gewichtung, damit es in die Entscheidung für einen Dienstleister einfließt? • CO2-Verrechnung ist möglich. Die Wahl des Dienstleisters wird im Hinblick auf die CVD zu einem entscheidenden Erfolgskriterium, um eine individuelle und auftragsbezogene Ermittlung der relevanten, emissionsarmen beziehungsweise -freien Fahrzeuge erreichen zu können. Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Die CVD weist mit ihren Vorgaben den öffentlichen Auftraggebern eine Vorreiterrolle im Kampf gegen umweltschädliche CO2Emissionen und Luftschadstoffe zu. Deutsche Post und DHL beanspruchen ebenfalls eine Vorreiterrolle – im nachhaltigen Versand von Briefen und Paketen.

Sie verfolgen mit GoGreen seit 2007 eine Strategie, die die Brief- und Paket-Zustellung nachhaltiger gestaltet. Schon heute stellen sie in rund 50 Prozent ihrer Zustellbezirke emissionsfrei zu – unter anderem mit der europaweit größten Flotte an Elektrofahrzeugen. Derzeit sind rund 18.500 Elektrofahrzeuge im Einsatz. Bis zum Jahr 2025 wollen Deutsche Post und DHL ihre E-Flotte auf 38.000 E-Fahrzeuge und 14.000 E-Trikes ausbauen. Auch die Zahl der Packstationen steigt stetig: Schon im Jahr 2023 werden 15.000 Packstationen dafür sorgen, dass Fahrten gespart und Pakete klimafreundlicher zugestellt werden. Damit unterstützt der Konzern die öffentliche Hand bei der Einhaltung ihrer Zielquoten aus der Clean Vehicles Directive. Mehr Informationen zum Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge, zum Thema nachhaltiger Versand sowie zur Initiative GoGreen Plus der Deutschen Post und DHL erhalten Sie unter: deutschepost.de/cvd.


Mobil auf Straße und Schiene

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E-Fuels for Future?

H

auptstreitpunkt in der Diskussion um E-Fuels ist dabei das Auto. Für zusätzlichen Diskussionsstoff sorgte der neue Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), als er in einem Interview sagte: “Wir müssen die verschiedenen Energieträger dort einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Das ist beim Pkw der E-Antrieb.” Damit erteilte er Träumereien, künftig massenhaft Autos mit Verbrennungsmotor mit E-Fuels zu betanken, eine klare Absage und versetzte die E-Fuels-Branche in helle Aufregung. “Die einseitige Ausrichtung auf E-Mobilität sehe ich sehr kritisch – man kann mit erneuerbaren Kraftstoffen Klimaschutz machen”, sagt etwa Artur Auernhammer, CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Bioenergie e.V. (BBE). Auf dem “19. Internationalem Fachkongress für erneuerbare Mobilität”, ausgerichtet vom BBE und eindeutig eine E-Fuels-Lobby-Veranstaltung, outete sich der Politiker als “großen Fan der Verbrennertechnologie”, sofern man E-Fuels einsetze. Befürworter der Technologie wie Auernhammer werfen Minister Wissing vor, den Klimaschutz nicht technologieoffen, wie im Ampel-Koalitionsvertrag versprochen, umzusetzen. Daniela Kluckert, Parl. Staatssekretärin im BMDV und FDP-Bundestagsabgeordnete, bekräftigt zwar, dass, um die strengen Klimaschutzziele auch im Verkehrssektor zu erfüllen, ein technologieoffener Ansatz gewählt werden müsse. Gleichzeitig stellt sie sich hinter den Minister. Jede Technologie habe ihre ganz eigenen Stärken. E-Fuels seien zuvorderst da einzusetzen, wo es keine andere Möglichkeit gebe, sprich im Luft- und Schiffsverkehr. “Darauf müssen wir zunächst unser

Behörden Spiegel / März 2022

Welchen Beitrag strombasierte Kraftstoffe zur klimaneutralen Mobilität leisten können (BS/Matthias Lorenz) Wer an klimafreundliche Mobilität im Straßenverkehr denkt, dem kommt wahrscheinlich zuerst der batterieelektrische Antrieb und dann die Wasserstoffbrennstoffzelle, welche an Bord Strom für einen Elektromotor erzeugt, in den Sinn. Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit, die sogenannten E-Fuels. Hergestellt mittels grünen Stroms und CO2, das sonst in die Atmosphäre gelangt wäre, ist der Betrieb von Verbrennungsmotoren mit E-Fuels rechnerisch klimaneutral. Dementsprechend setzen Start Ups, aber auch große Mineralölkonzerne viel Hoffnung in die Technologie. Doch die Bundesregierung bremst die Goldgräberstimmung – zumindest teilweise. Zu Recht?

Über die Frage, inwiefern E-Fuels künftig eingesetzt werden sollen, wird viel diskutiert. Verschiedene Meinungen gibt es vor allem bezüglich des Einsatzes im Pkw-Bereich. Foto: BS/bere_moonlight0, pixabay.com

Augenmerk legen”, so Kluckert. Im Pkw-Bereich müsse man den Fokus auf die Elektromobilität und den Ausbau der Ladeinfrastruktur legen. Dr. Tobias Block von der Initiative “eFuel alliance” widerspricht: “Wir brauchen einen Wettbewerb der Technologien anstatt einer politischen Vorentscheidung. Er sieht viele Vorteile für den Einsatz von E-Fuels auch im Pkw-Bereich. “Wir dürfen zum Beispiel nicht die Bestandsflotte vergessen, auch für diese muss eine Lösung gefunden werden.” Schließlich würden auch 2030 noch deutlich mehr Autos mit Verbrennungs- als solche mit

Elektromotor auf den Straßen sein. Darüber hinaus hätten E-Fuels Vorteile im Bereich hoher Payload- und Reichweitenanforderungen. Ein weiteres gewichtiges Argument, welches die Befürworter von E-Fuels für den Pkw-Bereich vorbringen, ist die Möglichkeit, die vorhandene Infrastruktur wie Tankschiffe, Tanklaster und Tankstellen weiter zu nutzen. Darum hofft Block auf mehr Investitionen in E-Fuels aus der Automobilindustrie. Damit sich solche Investitionen für die Industrie lohnten, müsse der Staat E-Fuels regulatorisch besserstellen als fossile Kraftstoffe, so die Forderung Blocks. Sie sollten beispielsweise steuerlich bevorzugt werden; auch müssten E-Fuels in der CO2-Flottenregulierung der EU angerechnet werden dürfen. Dass andere Experten und das BMDV dem Einsatz von E-Fuels im Pkw-Bereich trotzdem kritisch gegenüberstehen, hat vielfältige Gründe. Zunächst sind E-Fuels in der Herstellung zurzeit noch sehr teuer. Darüber hinaus wird für die Herstellung von E-Fuels viel Energie benötigt – deutlich mehr, als man hinterher aus der Verbrennung der Kraftstoffe ziehen kann. Sie sind also energieineffzient – anders als ein batteriegetriebener Elektroantrieb. Das bedeutet, dass grüner Strom deutlich effizienter genutzt wird, wenn er direkt in Autos geladen wird, als wenn er zunächst für

Alle reden über den Vergabedschungel. Alles spricht für wegweisende Begleiter.

die Herstellung von E-Fuels genutzt wird. So kommt man zum eigentlichen Kernproblem der klimaneutralen Mobilität – der Verteilung des grünen Stroms. Denn egal für welche Technologie man sich entscheidet: Damit Mobilität klimaneutral wird, braucht man erneuerbare Energie, und zwar eine ganze Menge. Batterieautos müssen mit grünem Strom geladen werden, Wasserstoff muss sowohl für die Brennstoffzelle als auch für E-Fuels aus grünem Strom hergestellt werden. Das Knappheitsproblem lässt sich vor allem an Wasserstoff verdeutlichen. Die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) prognostiziert für die nächsten Jahre und Jahrzehnte einen deutlich steigenden Bedarf an (möglichst grünem) Wasserstoff. Zwar seien im Verkehrssektor die Prognosen allein bis 2030 schon

“Unsere Chance, die Transformation zu schaffen” ÖPNV der Zukunft ist flexibel und digital vernetzt (BS/Berthold Huber) Dort, wo die Schiene auf dem Land endet, soll es für die meisten Menschen nicht mehr nur mit dem Auto weitergehen. Klimafreundlicher und effizienter ist ein dicht getakteter ÖPNV, der auch in ländlichen Regionen zum Einsteigen begeistert: mit Regionalbahnen, Linienbussen und flexiblen On-DemandAngeboten – digital vernetzt und auf die Bedürfnisse der Fahrgäste vor Ort zugeschnitten. Zum ersten Mal soll mehr Geld in die Schiene als in die Straße fließen. So steht es im Koalitionsvertrag – ein starkes Zeichen für den Klimaschutz. Doch selbst wenn wir den Verkehr auf der Schiene verdoppeln: Die Straße ist und bleibt der mit Abstand größte Verkehrsträger in Deutschland. Wie ist die so dringende “Verkehrsverlagerung” also zu verstehen? Es geht nicht nur darum, dass Menschen ihr Auto stehen lassen und stattdessen direkt in einen Zug einsteigen. Das ist an vielen Orten schlicht unmöglich. Wir können nicht in jedes Dorf eine Schiene legen – das ist weder wirtschaftlich noch umweltfreundlich. Die Lösung? Ein ÖPNV, mit dem Menschen auch außerhalb der großen Städte alle alltäglichen Wege schnell und klimafreundlich zurücklegen können. Das geht mit einem Bus, der in hoher Frequenz fährt und ein dichtes Netz an Haltestellen ansteuert. Oder mit einem OnDemand-Shuttle, das wenige Meter entfernt anhält und den Fahrgast auf kürzestem Weg an sein Wunschziel bringt. Letztlich geht es darum, dass Menschen innerhalb von zehn bis 15 Minuten ein verlässlich verfügbares Angebot in direkter Nähe haben. Für die Zukunft bietet hierfür das autonome Fahren eine Riesenchance. Denn es herrscht Fachkräftemangel – die für mehr Nahverkehr zusätzlich benötigten Fahrer/-innen sind rar. Mit autonomen Bus-Shuttles wird der ÖPNV kostengünstiger und deutlich attraktiver, da mehr Fahrzeuge rund um die Uhr fahren können.

Der Takt macht den Unterschied

D R. J EN N Y M EH L I T Z, REC H T S A N WÄ LT I N

mit großen Unsicherheiten behaftet, erklärt Hannes Salomon, Experte für alternative Antriebe und strombasierte Energieträger bei der dena. Klar sei jedoch, dass der Straßenschwerlastverkehr 2030 den größten Bedarf im Verkehrssektor haben werde. Dazu kämen die Binnenschifffahrt, die Luftfahrt, der Schienenverkehr (Brennstoffzelle als Antrieb auf Strecken ohne Oberleitung) sowie die Raffinerien, die Wasserstoff bei der Herstellung von Kraftstoffen einsetzten. “Der Wasserstoffbedarf im Verkehr könnte 2030 problemlos durch die nationale Wasserstoffproduktion gedeckt werden”, so Salomon. Ganz anders sehe es allerdings aus, wenn man auch andere Sektoren wie die Industrie betrachte. Beispielsweise setzt die Stahlindustrie große Hoffnungen in Wasserstoff, um künftig grünen Stahl zu produzieren.

Da also erneuerbare Energie an sich wie auch (grüner) Wasserstoff auf absehbare Zeit knappe Güter bleiben werden, ist es wichtig, die vorhandenen Mengen möglichst effizient einzusetzen. Dies sind bei E-Fuels vor allem die Bereiche, in denen die Batterie- und Brennstoffzellentechnik auch mittelfristig keinen Ersatz für Verbrennungsmotoren liefern kann. Deswegen lautet die Einschätzung von Elena Hof, Teamleiterin Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie bei der bundeseigenen NOW-GmbH: “Im Pkw-Bereich ist die Batterie sicherlich gesetzt.” Im Schwerlastverkehr hingegen werde sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Brennstoffzelle durchsetzen, weil die Batterie für solch große Fahrzeuge schlicht und einfach zu schwer werde. “Bei Luft- und Schifffahrt kommt aber auch die Brennstoffzelle an ihre Grenzen, dort spielen dann Technologien wie E-Fuels eine große Rolle.” Dementsprechend sieht auch Staatssekretärin Kluckert einen großen Markt für E-Fuels in Luftund Schifffahrt, aber zum Beispiel auch in der Landwirtschaft. Der massive Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr scheint momentan jedoch unrealistisch.

Wir neigen oft dazu, die Welt vom Prenzlauer Berg aus zu betrachten. Hier stehen an jeder Ecke E-Roller, Leihräder und die U-Bahn fährt alle fünf Minuten. Ohne Privatauto – für das man obendrein keinen Parkplatz findet – lebt es sich hier leichter. Doch 35 Millionen Bundesbürger/innen wohnen in Städten und Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohner(inn)en. Für sie ist und bleibt die Straße eine wichtige

es Innovationsbudget in der Ausschreibung, wie wir es mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund vereinbart haben. Damit können Berthold Huber, Vorstand Personenverkehr bei der wir das MobilitätskonDeutschen Bahn, spricht zept von Jahr zu Jahr über Straßenverkehr. weiterentwickeln und mit innovativen ServiFoto: BS/Max Lautenschläger, Deutsche Bahn AG ces füllen, die wir heute vielleicht noch gar Lebensader. Daher entwickeln nicht kennen. Das ist der richtige wir Mobilitätsangebote, die sich Hebel. Und dafür brauchen wir wie ein Puzzlestück in den beste- gemeinsam Mut. henden Nahverkehr einfügen. Sie decken die Wege ab, die bisher Digitalisierung ist Trumpf ohne Auto unmöglich waren. Unser größter Trumpf auf dieUnd hier macht der Takt den sem Weg zu einem starken ÖPNV: Unterschied! Wer 1,5 Stunden die Digitalisierung! Zum Beispiel auf den nächsten Bus warten sehen wir mit datenbasierten müsste, nimmt das eigene Auto. Mobilitätsanalysen wie die unDie Menschen fahren nur dann serer DB-Tochter ioki genau den ÖPNV, wenn sie damit kosten- Bedarf der Menschen vor Ort. Wo günstig und schnell mobil sind, fehlt eine Haltestelle? Wie kann und zwar genau dann, wenn sie man von einem Wohngebiet aus fahren wollen. Deshalb setzen wir die nächste S-Bahn-Station besauf dichten Takt in der Fläche ser erreichen? Die Bedürfnisse zu und vernetzte Verkehrsträger, kennen, ist die Voraussetzung für die unsere Kund(inn)en je nach einen attraktiven ÖPNV, damit Bedarf nutzen können – S-Bahn, er im wahrsten Sinne bei den Linienbus, On-Demand-Shuttle, Menschen ankommt. Ein intelBikesharing. Die Zukunft des ligenter Algorithmus verknüpft Verkehrs liegt nicht im “Ent- klassische und neue Mobilitätsweder -oder”, sondern immer formen nahtlos miteinander. Die im “Sowohl-alsauch”. Seit 2019 Nutzer/-innen erleben eine Fahrt haben wir das Angebot an Lini- aus einem Guss. Viele Kommuenbussen schon mit rund 330 nen und Gemeinden bemühen On-Demand-Verkehren erweitert sich schon sehr, Zug und Bus und damit über sieben Millionen aufeinander abzustimmen. Wir wollen uns mit diesen AufgaFahrgäste befördert. benträgern auf den Weg machen Man bekommt, was man und darüber nachdenken, dass bestellt es eben nicht nur eine RegionalDoch wieso sieht die Realität buslinie mehr geben soll. Stattnoch so anders aus? Die Antwort dessen können wir mit einer liegt im Nahverkehrsmarkt selbst: Kombination aus Regionalbus Man bekommt, was man bestellt. und On-Demand-Services ein Und der ÖPNV, mit dem wir heute besseres, bedarfsorientierteres fahren, ist vielfach vor 15 Jahren Konzept stricken – davon bin ich bestellt worden – da gab es noch überzeugt! Wir als DB haben alle kein iPhone! Aus einem Kenntnis- Komponenten in der Hand! Jetzt stand des Augenblicks definieren wollen wir in der Branche dafür wir 20 Jahre in die Zukunft. Dabei sorgen, dass sie auch bestellt wissen wir noch gar nicht, was in und “an die Menschen gebracht” 20 Jahren alles möglich ist. Nur werden. Nur dann haben wir eine wenn wir das Mobilitätskonzept gute Chance, die Transformation während dieser Zeitspanne of- des ÖPNV gemeinsam zu schaffen und flexibel weiterentwickeln fen, das Klima zu schützen und können, wird am Ende das Beste gleichwertige Lebensverhältnisse für unsere Fahrgäste herauskom- in ganz Deutschland sicherzumen. Ein guter Ansatz ist ein frei- stellen.


Mobil auf Straße und Schiene

Behörden Spiegel / März 2022

“E

infach Mobil” ist seit 2013 das Offenburger Mobilitätsmotto. Einfach mobil zu sein, bedeutet nicht Mobilität als Selbstzweck, sondern ermöglicht den Zugang zum gesellschaftlichen Leben für alle. Dieser Blickwinkel führte zur aktuellen Erarbeitung des Masterplans Verkehr OG 2035, des neuen Verkehrsentwicklungsplans für die Stadt Offenburg. Das Konzept wird als sogenannter Klimamobilitätsplan erstellt. Dabei handelt es sich um ein neuartiges Planungsinstrument, das im Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg verankert ist. Damit verbunden ist das Ziel, bis zum Jahr 2030 die verkehrsbedingten CO2-Emmissionen um 40 Prozent und bis 2035 um 67 Prozent zu reduzieren. Offenburg war in Baden-Württemberg die erste Kommune, die über das neu aufgelegte Förderprogramm “Qualifizierte Fachkonzepte” eine Förderung des Landes in Höhe von 200.000 Euro für die Erstellung des Klimamobilitätsplans erhält.

Entwicklung eines Klimamobilitätsplans Der Masterplan Verkehr für Offenburg

Emissionsreduktion Trotz des umfangreichen Angebots nachhaltiger Mobilität

M

it ihren Mobilitätsbedürfnissen überschreiten Bürgerinnen und Bürger naturgemäß Stadt-, Gemeinde- und Kreisgrenzen. Jede Mobilitätsplanung muss daher grenzüberschreitend gedacht und gemacht werden. Städte, Gemeinden, Kreise, Verkehrsanbieter und Akteure in Nachbarregionen müssen dazu zusammenarbeiten. Vor allem ältere Menschen sind auf Alternativen zum eigenen Auto angewiesen, um in den nächsten Jahren nicht zunehmend vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten zu werden. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, wie der ÖPNV aufzustellen ist. Zweifellos stehen Schiene und ÖPNV für klimafreundliche Mobilität. Robuste Netze im Öffentlichen Personennahverkehr, der für alle Menschen verfügbar sein muss, sind die Basis der Verkehrswende. Sie werden stärker aus Steuern finanziert werden müssen.

Mobilität neu denken Doch orientiert man sich in den Diskussionen zur Verkehrswende oft an der Lebenssituation in und den Wegen zwischen Metropolen. Die ländlichen Räume brauchen aber eigene angepasste Konzepte. Im ländlichen Raum können unmöglich alle Transportbedürfnisse und -notwendigkeiten der Bürgerinnen und Bürger öko-

vielversprechendsten Maßnahmen ausgewählt und in ein Handlungskonzept überführt. Dabei werden auch Realisierungszeiträume, Kostenabschätzungen und Finanzierungsmöglichkeiten ausgewiesen. In der abschließenden Phase V wird der Masterplan finalisiert und beschlossen.

(BS/Mareike Sigloch/Dr. Thilo Becker) Die Stadt Offenburg – geografisch zwischen Karlsruhe und Freiburg gelegen – ist mit über 62.000 Einwohner/-innen ein wichtiges Oberzentrum der Region Südlicher Oberrhein. In der größten Stadt des Ortenaukreises arbeiten mehr als 30.000 Berufspendelnde. Dadurch entsteht ein hohes Verkehrsaufkommen, das besondere Anforderungen an das Verkehrssystem stellt. Mit dem “Masterplan Verkehr OG 2035” stellt sich die Stadt Offenburg den Problematiken und Veränderungen im Verkehrssektor und geht einen Schritt weiter auf dem Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern Weg zu mehr Klimaschutz im Verkehr.

Lückenlose Wegeketten Bereits heute ist das innovative und umweltfreundliche Mobilitätsangebot in Offenburg vielfältig. Im Jahr 2017 erhielt Offenburg zum zweiten Mal die Auszeichnung “Fahrradfreundliche Stadt”. Fahrräder können seit 2013 im bundesweit ersten vollautomatischen Fahrradparkhaus, dem “Radhaus” direkt am Offenburger Bahnhof, sicher geparkt werden. Diese Verknüpfung von Mobilitätsangeboten wird auch an sieben Mobilitätsstationen umgesetzt. An den Stationen werden Fahrradstellplätze, Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Sharing-Fahrräder und teilweise Sharing-Autos, E-Bikes und Lastenräder für lückenlose Wegeketten an einem Ort zusammengebracht. Mehr als die Hälfte der Sharing-Autos sind E-Autos. Das prägnante grüne Branding der “Einfach Mobil”-Marke sorgt dafür, dass die verschiedenen Mobilitätsangebote, etwa die Fahrradwege, visuell auffallen. Die Offenburger Mobilitätskarte “Einfach Mobil” ermöglicht Rabatte bei Bike-Sharing- und Car-Sharing-Fahrten.

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Bürgerbeteiligung mit lokalen Foren am Rathaus

Foto: BS/Stadt Offenburg

Die Offenburger Mobilitätsstation "Mühlbach/Alte Spinnerei"

Foto: BS/Stadt Offenburg

steigen die Emissionswerte des Verkehrssektors auch in Offenburg kontinuierlich. Mit dem Masterplan Verkehr OG 2035 wird nun der Verkehr ganzheitlich und integriert in den Blick genommen. Die Erarbeitung des stra-

tegischen Verkehrskonzepts mit dem Zielhorizont 2035 folgt den Leitlinien des "Sustainable Urban Mobility"-Plans der Europäischen Kommission. Der MasterplanProzess startete im Februar 2021. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch

keine andere Kommune Erfahrungen bei der Erstellung eines Klimamobilitätsplans gesammelt. In die Konzepterstellung sind zwei Ingenieurbüros eingebunden. Der Prozess gliedert sich in fünf Phasen. Phase I begann mit der

Die fachliche Erstellung des Plans wird durch einen umfassenden Bürgerbeteiligungsprozess ergänzt. In jeder Phase finMareike Sigloch ist Mitarbeiterin der Stadt Offenburg für det hierfür ein Mix strategische Verkehrsplanung. aus verschiedenen Formaten statt. Foto: BS/Stadt Offenburg Das Ziel ist es dabei, möglichst verschiedene Personengruppen zu erreichen. Neben zwei Bürgerforen und vier OnlineBeteiligungen findet daher auch Dr.-Ing. Thilo Becker leitet den Fachbereich Tiefbau und eine aufsuchende Verkehr der Stadt Offenburg. Beteiligung statt: Mit sechs lokalen Foto: BS/Stadt Offenburg Foren an verschiedenen Orten im Erarbeitung eines Zielkonzepts. Stadtgebiet, von der FußgängerInsgesamt wurden sechs Ober- zone über die Ortschaften bis ziele mit jeweils drei Unterzielen hin zu Einkaufszentren, wurden definiert. So wurden “Klima- Passanten angesprochen und zu und umweltschonende Mobilität ihrer Meinung, ihren Erfahrungen fördern” und “Verkehrsräume und Ideen befragt. Außerdem ist als Lebensräume gestalten” als geplant, mit temporären MaßnahZielstellungen hervorgehoben. In men, wie Pop-up-Fahrradwegen Phase II werden der Ist-Zustand oder Pop-up-Fußgängerzonen, des Offenburger Verkehrs und neue Ideen anzuregen und Zweifel seine Stärken und Mängel analy- und Vorbehalte abzubauen. Zusiert. Das Zielkonzept aus Phase dem werden regionale Stakeholder I, daraus abgeleitete Indikatoren im Bereich Verkehr und Mobilität zur Abschätzung des Zielerrei- als Mitglieder des Projektbegleitchungsgrads sowie die Situati- gremiums “Masterplanbeirat” einonsanalyse aus Phase II werden bezogen. Darin sind verschiedene dann in einem Zwischenbericht Vereine und Verbände, übergezusammengeführt. Gegenwärtig ordnete Verwaltungsinstitutiostartet parallel die Phase III zur nen, Fraktionsvertretungen sowie Personengruppen vertreten. Maßnahmenentwicklung. Parallel findet eine JugendbeRealisieren und Überprüfen teiligung mit Jugendcafés und Seit Beginn des Projekts wird Schulthementagen statt. Alle Inein multimodales Verkehrsmodell fos zum Projekt stehen auf dem mit allen Verkehrsarten erstellt. städtischen Beteiligungsportal Mithilfe dieses Modells werden unter mitmachen.offenburg.de/ die Wirkungen der Maßnahmen- masterplanverkehr. Die Erarbeitung des Masterplans pakete in verschiedenen Szenarien geprüft. Elementar für den Verkehr OG 2035 soll bereits EnKlimamobilitätsplan ist dabei die de des Jahres 2022 abgeschlosErmittlung des Potenzials zur sen werden. Danach kann mit CO2-Einsparung. In Phase IV wer- der Umsetzung der Maßnahmen den die zum Erreichen der Ziele begonnen werden.

Lokale Mobilitätspläne Mobilität der Zukunft wird vor Ort lokal und regional angepasst gestaltet (BS/Udo Schiefner) Mobilität sichert unsere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Zugang zu Arbeit, Schule und Dienstleistungen, zur täglichen Versorgung und der Gesundheitsvorsorge hängen von den Verkehrsangeboten ab. Doch alle Mobilitätslösungen müssen nachhaltiger und Mobilität muss klimaneutral werden. Unser Mobilitätsverhalten ist ein wesentlicher Baustein, um unsere Klimaziele zu erreichen. In den Städten, Gemeinden und Kreisen kann eine Verkehrswende gelingen, die im Blick behält, dass niemand dadurch sozial und kulturell abgehängt wird. von Fahrrad- und ÖPNV vereinfacht Nahmobilität auf leistungsfähiger RadverkehrsinUdo Schiefner (MdB SPD) ist frastruktur in Vorsitzender des Verkehrsausund zwischen den schusses im Bundestag. Kommunen. Organisatorische und Foto: BS/photothek infrastrukturelle Maßnahmen mit nomisch und ökologisch sinn- Mobilitätspunkten ermöglichen voll über eine hohe Taktung im aber erst das notwendige NetzÖPNV befriedigt werden. Was werk. An zentralen Umsteigewir brauchen, sind verknüpf- punkten werden lokale Verkehte Mobilitätsoptionen. Erst mit re des ÖPNV oder Bürgerbusse, multimodalen Netzen wird das regionale und Fernverkehre des Verkehrsangebot zukunftssicher. öffentlichen Verkehrs, das ParAlle Verkehrsträger müssen dafür ken und Leihen von Pkws, das sichere Abstellen und Leihen von intelligent vernetzt werden. Auto, öffentlicher Nahverkehr, Fahrrädern und E-bikes und das Schienenpersonenverkehr, Rad- Laden elektrischer Fahrzeuge verkehr und Sharing-Angebote möglich. müssen verknüpft und die Wege gebündelt werden. Die Mitnahme Straße neu definieren von Familienmitgliedern, NachDer Straßenraum in den Kombarn, Freunden und Unbekann- munen muss dabei neu definiert ten will organisiert sein. Eine werden: mehr Platz zum Leben, gute und sichere Verknüpfung mehr Raum für Fahrräder und

Fußgänger. Tempolimits, die lokal gezielt der jeweiligen Straßensituation angepasst werden, schaffen Verkehrssicherheit. Lokal angepasst sollte auch die Nutzerfinanzierung der Straßen verkehrs- und klimapolitisch neu diskutiert werden. Intelligente Mautsysteme könnten nach Ort, Zeit, Fahrzeugeigenschaften und Fahranlass differenzieren. So könnten sie eine stabile und verursachungsgerechte Infrastrukturfinanzierung gewährleisten, die Auslastung der Verkehrsinfrastruktur effizient steuern und Anreize schaffen, CO2- und SchadstoffEmissionen zu reduzieren. Die technischen Voraussetzungen für hoch differenzierende und gleichzeitig transparente Mautsysteme sind heute gegeben.

Güter neu verteilen Zukunftsfähige Lösungen sind ebenso für den Güterverkehr zu suchen. Nahezu drei Viertel aller Gütertransporte in Deutschland

finden auf der Straße statt. Dieser hohe Anteil ist zu reduzieren und weiter auf die Schiene auf der Mittel- und Langstrecke zu verlagern. Voraussetzungen dafür sind intermodale Güterknoten und Gleisanschlüsse. Jede Kommune sollte für ihre Gewerbeflächen intermodale Anlieferung mitplanen und berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Gütertransporte auch langfristig auf der Straße bleiben wird. Lange Planungs- und Bauzeiten bei Schieneninfrastrukturprojekten und die gebotene Eile bei der Dekarbonisierung erzwingen, dass diese auf der Straße und in den Fahrzeugen geschehen muss. Für alternative Lkw-Technologien steht Batterieelektrik im Fokus. Deshalb ist ein flächendeckendes Ladenetz schnell auszubauen. Damit und dafür sollten zusätzliche moderne und sichere Lkw-Stellflächen abseits der Bundesautobahnen eingerichtet werden. Mit der Bewirtschaftung solcher Flächen,

auch der Rastplätze an Bundesautobahnen, kann ein leistungsfähiges Netz für den Straßengütertransport entstehen. Lkw-Stellflächen sind dabei als Teil von Logistik-Hubs zu konzipieren. Für den innerstädtischen Güterverkehr schaffen multimodale Hubs Möglichkeiten, große Lkws in den Städten zu vermeiden und die Transporte besser zu bündeln. Lokal und regional angepasste Logistikkonzepte und deren schnelle Umsetzung erfordern zudem, dass Prozesse auf Unternehmens- und Behördenseite weiter digitalisiert werden.

Mobilität lokal gestalten Wie die Verkehrswende zur Mobilität der Zukunft letztlich gelingen kann, ist hiermit nur ganz grob angerissen. Entschieden wird dies von den lokal und regional Verantwortlichen. Ihre Aufgabe ist es, alle relevanten Akteure in Städten, Gemeinden und Kreisen und bei den Verkehrsträgern einzubinden und gemeinsam langfristige und nachhaltige Mobilitätspläne zu erstellen und umzusetzen. Die umfangreichen rechtlichen und finanziellen Rahmensetzungen, die im Bund wiederum getroffen werden müssen, sind hier nicht benannt. Den dazu notwendigen Diskussionen müssen wir uns im Bundestag ebenso engagiert stellen.


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ie Situation in Angermund steht exemplarisch für viele Orte in Deutschland. Unter den negativen Auswirkungen des Bahnverkehrs leiden Anwohner vor allem an viel befahrenen Strecken. Gleichzeitig ist die Eisenbahn für die neue Ampel-Regierung das zentrale Verkehrsmittel, um Deutschland auch im Mobilitätssektor klimaneutral zu machen. Laut Koalitionsvertrag will die Regierung “erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren”; das Streckennetz soll erweitert, nicht mehr befahrene Strecken sollen reaktiviert sowie Stilllegungen vermieden werden. Auf die Bundesrepublik kommen also allerlei Bahn-Großprojekte zu. Durch Bürgerproteste können solche Projekte verlangsamt werden, ja sogar scheitern. Ein Worst Case für die Klimaschutzpläne der Regierung. Klar ist somit: Die Interessen derjenigen, die sich eine stärkere Bahn wünschen, müssen mit den Interessen der Anrainer vor Ort zusammengebracht werden. Doch wie kann das gelingen? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst wichtig, sich die mit dem Bahnverkehr einhergehenden Probleme vor Augen zu führen. Dazu gehören beispielsweise Umweltprobleme (Stichwort Flächenversiegelung), CO2-Emissionen bei nicht-elektrifizierten Strecken und Erschütterungen durch schwere Züge. Vor allem aber geht es um den Lärm, welchen die Züge verursachen.

Das Lärmproblem Dieser stört die Betroffenen massiv. Der Verein “Pro Rheintal”, welcher sich für Beschränkungen an der viel befahrenen Rheintalstrecke starkmacht, hat eine Befragung unter rund 2.000 Bahnlärm-Betroffenen durchgeführt. Demnach empfinden 78 Prozent den Lärm nicht nur als störend, sondern auch als krankmachend. Als Beschwerden wurden unter anderem Schlafstörungen (89 Prozent), hoher Blutdruck (43 Prozent), Kopfweh (38 Prozent) sowie Herzrasen (30 Prozent) genannt. Vor den Gefahren des Lärms warnt auch Prof. Dr. Thomas Münzel. Es gebe eine drastische Zunahme von Schlafstörungen. Neue Untersuchungen zeigten außer-

E

s muss eine ganzheitliche Verkehrswende vorangetrieben werden. Sie basiert auf zwei Grundsäulen: einer Antriebswende und einer Mobilitätswende. Die Antriebswende beschreibt den technischen Umstieg von fossil zu regenerativ betriebenen Fahrzeugen, etwa batterieelektrisch oder mit erneuerbarer Energie erzeugten Kraftstoffen wie Wasserstoff. Die Mobilitätswende hingegen findet zunächst im Kopf der Verkehrsteilnehmenden statt und umfasst ein multimodales Mobilitätsverhalten, bei dem die Wege nicht nur mit dem Auto, sondern zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden.

Bochumer Akzeptanzstudie Nach Ansicht der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die innovative Projekte zur nachhaltigen Mobilität fördert, kann die Verkehrswende nur gelingen, wenn es für beide Grundsäulen ambitionierte, faire und attraktive Rahmenbedingungen für eine multimodale Fortbewegung gibt. Außerdem sollten die Wege, die mit motorisierten Verkehrsmitteln zurückzulegen sind, klimaneutral sein. Was aus Sicht von Bürgerinnen und Bürgern für einen erfolgreichen Wandel vor Ort notwendig ist, hat etwa das Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) an der Ruhr-Universität Bochum mit Unterstützung der DBU in drei Bochumer Stadtteilen un-

Behörden Spiegel / März 2022

Verheißung und Verderben Bahnausbau zwischen Klimaschutz und Anrainer-Interessen (BS/Matthias Lorenz) Angermund, der nördlichste Stadtteil von Düsseldorf, etwas über 6.000 Einwohner: Der Ort wird geteilt durch die viergleisige Bahnstrecke ins Ruhrgebiet. Mit bis zu 200 Stundenkilometern fahren ICEs vorbei an Wohnhäusern, Straßen und Gärten. Dazu kommen ICs, Regionalzüge und S-Bahnen. Lärm und Erschütterungen sind Alltag, Lärmschutzwände gibt es hingegen bis heute nicht. Die Bahn will die Trasse auf sechs Gleise erweitern, der Plan ist Teil des großen nordrhein-westfälischen Nahverkehrsprojekts Rhein-Ruhr-Express (RRX). Doch vor Ort regt sich Widerstand.

Mit 200 km/h durch Angermund: Dieser ICE rauscht über die Trasse nach Duisburg, die ohne Lärmschutzwände durch den Düsseldorfer Stadtteil führt. Foto: BS/Lorenz

dem, dass lärmbedingter Stress zu Gefäßentzündungen führen könne. “In der Folge können Herzinfarkte und Schlaganfälle auftreten”, erklärte der Direktor der Klinik Kardiologie I der Universitätsmedizin Mainz bei einer Online-Veranstaltung des Behörden Spiegel (abrufbar auf der Plattform NeueStadt.org). Zurück nach Angermund, wo Lärm ebenfalls eines der Hauptprobleme darstellt. Man könne selbst im Sommer sowohl tagsüber als auch nachts kein Fenster mehr öffnen, berichtet die Anwohnerin Elke Wagner, die sich ehrenamtlich in der “Initiative Angermund” engagiert. Die Initiative kämpft nach eigenen Angaben seit 1997 “für eine leise, immissionsarme und verträgliche Schiene” in dem Düsseldorfer Stadtteil. Erste Planungen für den sechsgleisigen Ausbau habe es bereits in den 1970er-Jahren gegeben, erzählt Wagner. “Schon damals gab es viele Einwendungen seitens der Bürger, unter anderem wegen des Lärmschutzes.”

Neuen Schwung bekamen die Planungen für den Trassenausbau mit Beginn des RRX-Projekts im Jahr 2006, welches ganz Nordrhein-Westfalen umfasst. Ziel ist es, dass Züge auf verschiedenen Linien im Kernabschnitt zwischen Köln und Dortmund im 15-Minuten-Takt verkehren. Die Strecke zwischen Düsseldorf und Duisburg, laut Deutscher Bahn “der am dichtesten befahrene Teilabschnitt auf dem RRXKernkorridor”, soll deswegen auf durchgängig sechs Gleise ausgebaut werden: je zwei Gleise für den RRX, den Fern- sowie den S-Bahn-Verkehr. Im Rahmen des geplanten Gleisausbaus bekamen die Bürgerinnen und Bürger Angermunds erst 2014 die Möglichkeit, von den weit fortgeschrittenen Planungen der Deutschen Bahn zu erfahren. “Dieses Verfahren war, so wie es hier durchgeführt wurde, eine Unverschämtheit”, sagt Wagner. Vor allem kritisiert sie, dass die Anrainer von den Planern quasi vor vollendete Tat-

sachen gestellt worden seien. Die Bürgerinnen und Bürger hätten zudem im Planfeststellungsverfahren nur wenige Wochen Zeit gehabt, um sich in ihrer Freizeit in die komplexe Planung einzuarbeiten und Einwendungen zu formulieren. “Die Bahn nutzt ihr Herrschaftswissen aus und überfordert die Leute”, so Wagner.

Gefühl von Ohnmacht Was Wagner beschreibt, ist für den stellvertretenden Leiter des Instituts für Demokratie und Partizipationsforschung der Bergischen Universität Wuppertal, Dr. Volker Mittendorf, ein oft gemachter Kommunikationsfehler im Kontext der Planung von Großprojekten. “Die Bürger fühlen sich oft überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt, wenn vor ihrer Einbeziehung schon viel entschieden wurde.” Daraus könne bei ihnen dann ein Gefühl von Ohnmacht entstehen. Also könne es passieren, dass sich Menschen gegen ein Projekt aussprächen, welches sie bei

früherer Einbeziehung vielleicht sogar befürwortet hätten. So kommt es, dass sich Planer und Anrainer manchmal unversöhnlich gegenüberstehen. “Hätte man den Immissionsschutz von vorneherein ernst genommen, wäre die Situation nicht so eskaliert”, vermutet Wagner. Anstatt bereits in der frühen Planungsphase miteinbezogen worden zu sein, konnte man seitens der Initiative erst mit einer Alternativplanung beginnen, als die Pläne der Bahn vorlagen. Die Initiative schlägt für den Lärmschutz einer ausgebauten Trasse eine Einhausung vor, weil sie der Überzeugung ist, dass Lärmschutzwände nicht ausreichen werden. Die Einhausung ließ die Initiative von einer externen Fachfirma planen, welche schon oft bei der Planung von Bahnprojekten miteinbezogen wurde. Dies zeigt: In Angermund will man den Ausbau keineswegs verhindern, sondern nach einer möglichst verträglichen Lösung suchen. Umso mehr ärgert es Elke Wagner, wenn sie und die Initiative als Verhinderer und Fortschrittsgegner präsentiert werden. Wagner berichtet von Beschimpfungen, die sie aufgrund ihres Engagements ertragen musste. “Es bräuchte das Selbstverständnis, dass wir alle zusammen das Land voranbringen wollen”, sagt sie. Es brauche also einen Mentalitätswechsel im Dialog. In Angermund stehen die Zeichen statt Einvernehmlichkeit nun auf Konfrontation: Die Bürgerinitiative klagt vor Gericht, auch die Stadt Düsseldorf hat sich inzwischen in den Planungsprozess eingeschaltet und Einwendungen vorgebracht. “Aufgrund der Komplexität muss sich die Stadt bei Planfeststellungsverfahren auf die Seite der Bürger stellen”, fordert Wagner.

“Ganzheitliche Verkehrswende” Mit attraktiven Angeboten zur nachhaltigen Mobilität (BS/Dr. Katrin Anneser/Martin Schulte) Im Pariser Klimaschutzabkommen haben sich die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, bis 2100 den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhausgaseffekt auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die seitdem realisierten Maßnahmen zur Kohlendioxid (CO2)-Minderung sind jedoch nicht ausreichend, um dieses Ziel zu erreichen. Während die Wirtschaft bisher die höchste Kohlendioxid-Minderung erreicht und der Gebäudesektor kleine Erfolge verzeichnet, ist der Verkehr immer noch eine Baustelle in Sachen CO2-Einsparungen. Fahrrad. Gründe fürs Radfahren sind zum Beispiel Sportbegeisterung und UmweltbeDr. Katrin Anneser ist Teil des wusstsein. Als Referats Klimaschutz und Energie der Deutschen Bundesstifechte sogenannte tung Umwelt (DBU). Gamechanger auf anspruchsvol Foto: BS/ DBU len Strecken und beim Transport bezeichneten die Befragten in der DBU-geförderten Studie sogenannte Pedelecs, also Martin Schulte ist Teil des Referats Deutscher Umweltmit Elektromotor preis und Umweltinformatiunterstützte Fahronsvermittlung der Deutschen räder. Bundesstiftung Umwelt (DBU). Wer ein Pede Foto: BS/ DBU lec besitzt, muss sich nach eigenen Angaben weniger tersucht. Die Ergebnisse der Ak- überwinden, das Fahrrad zu zeptanzstudie zeigen, dass bei nutzen. Zudem werden mehr der Wahl von nachhaltigen Mo- Kilometer zurückgelegt. Die inbilitätsangeboten drei Faktoren terviewten Bochumer wünschentscheidend sind: die zur Verfü- ten sich aber zudem räumlich gung stehenden Verkehrsmittel, getrennte Fahrradspuren sowie die intensive Nutzung der direk- eine bessere Beschilderung der ten Wohnumgebung und eine bereits vorhandenen Fahrradgrundsätzlich positive Einstellung wege. Umgebaute Bahntrassen zum jeweiligen Angebot, etwa zum und Freizeitradwege wurden als

positive Beispiele hervorgehoben. In dieser Hinsicht sollten Kommunen eine attraktive und vor allem sichere Fahrradin­frastruktur und Gelegenheiten für Probefahrten mit Elektrofahrrädern schaffen.

Verkehrsmittelmix als Alternative Für Menschen, die meistens das Auto nutzen, stellt laut Studie eine höhere Taktung des öffentlichen Nahverkehrs keinen Anreiz für einen Umstieg auf Bus und Bahn dar. Vielmehr müssten sich die Vorzüge des Autofahrens – Flexibilität, Sicherheitsgefühl und Ungestörtsein – in den nachhaltigen Mobilitäts-Alternativen widerspiegeln. Infrage kommen Angebote wie Car- und Bike-Sharing, autonom fahrende Minibusse oder Seilbahnkabinen. Wichtig ist, Autofahrende zu motivieren, andere Verkehrsmittel überhaupt als Alternativen wahrzunehmen – und diese dann auch zur Verfügung zu stellen. Ein Verkehrsmittelmix gehört aus Sicht der DBU deshalb zum Gelingen einer nachhaltigen Mobilitätswende. Inwiefern Seilbahnen eine attraktive umweltentlastende Alternative

zu bestehenden Verkehrsmitteln sein können, analysieren aktuell das Ingenieurbüro SSP Consult Beratende Ingenieure GmbH und die Universität Stuttgart in einem von der DBU geförderten Projekt., Seilbahnen haben einen geringen Flächen- und Versiegelungsbedarf und benötigen deutlich weniger Ressourcen bei kürzerer Bauzeit gegenüber anderen straßen- und schienengeführten Systemen. Seilbahnen verursachen überdies keine Staus, sind vielmehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln kombinierbar. Im Betrieb sind sie lärm- und emissionsarm und können aus erneuerbaren Stromquellen betrieben werden.

Digitalisierung bietet Vernetzung Um eine Wende hin zu nachhaltiger Mobilität in Städten und Kommunen zu erreichen, müssen zudem neue, attraktive Mobilitätsangebote optimal miteinander vernetzt werden. Die Digitalisierung bietet hier große Chancen und technologische Fortschritte ermöglichen neue Konzepte: So werden für das sogenannte

Somit wird anhand des Beispiels Angermund deutlich, was auch der Wissenschaftler Dr. Mittendorf betont: “Durch eine gute Bürgerbeteiligung lassen sich die meisten Punkte für die Allgemeinheit ausräumen, weil diese dann gut informiert ist.” Natürlich gebe es auch immer Menschen, die ein bestimmtes Problem mit einer Maßnahme hätten und diese auf jeden Fall verhindern wollten. Wie gut ihnen dies gelinge, hänge hauptsächlich davon ab, inwiefern sie es schafften, ihr Interesse als ein Allgemeininteresse darzustellen. “Man muss die Bevölkerung also frühzeitig sehr offen und transparent einbinden”, schlussfolgert Dr. Mittendorf. So könne man mehr Unterstützung für ein Projekt generieren.

Bürgerräte als Lösung? Als Format für eine gute Einbindung schlägt der Wissenschaftler Bürgerräte vor. Diese konstituierten sich aus einer Zufallsauswahl aus der Bevölkerung. “Gerade bei großen Verkehrsprojekten geht es meist um gesamtdeutsche Interessen, was einen bundesweiten Bürgerrat rechtfertigen würde”, so Mittendorf. Ziel des Bürgerrats sei es, unter Einbeziehung der Anrainer eine Stellungnahme zu erarbeiten. Diese mache es Entscheidungsträgern leichter, Einzelinteressen einzuordnen, denn: “Durch die Arbeit mit Bürgerräten lassen sich die Einzelinteressen von den Interessen der Allgemeinheit trennen. Somit kann man die allgemeine Plausibilität eines Projekts viel besser kommunizieren.” Auch die Anrainer fühlten sich deutlich besser einbezogen, als wenn sie bei einem Planfeststellungsverfahren mit fertigen Planungen konfrontiert seien. Auch die Bundesregierung will Bürgerräte einsetzen. “Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben”, heißt es im Koalitionsvertrag. Würde dies in die Praxis umgesetzt, wäre es sicherlich ein Fortschritt, denn: So, wie der Interessensausgleich bei (Bahn-) Großprojekten zurzeit funktioniert, kann es nicht bleiben.

Ridepooling Fahrtanfragen von Nutzern, die ähnliche Strecken zurücklegen möchten, gebündelt und das bestellte Fahrzeug mit Fahrerin oder Fahrer geteilt. Fahrtrouten können so optimiert werden, dass Wege, Kosten und Zeit eingespart werden können. Diese Mobilitätsart könnte in Zukunft ein interessantes Modell sowohl für den städtischen als auch den ländlichen Raum sein, da es eine Alternative zum eigenen Auto darstellt. Ebenfalls digital basiert ist für den individuellen Mobilitätsbedarf ein Vergleich verschiedener Alternativen möglich, sodass sich etwa statt Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Angebote einer Mitfahrzentrale als beste Transportmöglichkeit herausstellen können. Ansätze hierzu werden aktuell in einem DBU-Projekt von der worldiety GmbH in Kooperation mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg für den Raum Oldenburg untersucht. Klar ist, dass Städte und Kommunen mit einer ganzheitlichen Verkehrswende einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels leisten können. Die breit gefächerten Fördermöglichkeiten auf Bundes- und Landesebene bieten Anreize, konsequent in die Fahrradinfrastruktur zu investieren. Aber auch eine bessere Vernetzung des öffentlichen Verkehrs und nachhaltige Alternativen für das Auto sind wichtige Faktoren für den Klimaschutz.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / März 2022

E

in Ökosystem bezeichnet eine funktionale Einheit aus Gemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt. So sind beispielsweise Salzwiesen von periodisch überfluteten Böden und krautiger Flora gekennzeichnet, wodurch sie Brutgebiet zahlreicher Vogelarten sind. Streuobstwiesen hingegen vereinen Obstbaumbestände mit Wiesen oder Weideflächen und sorgen damit für ideale Lebensräume von bestäubenden Insekten.

Neue Ökosystemgesamt­ rechnung Ökosysteme und Biodiversität beeinflussen Lebensräume, Gesundheit, Sicherheit und Ernährung der Bevölkerung. Damit leisten sie einen elementaren Beitrag zu unserem Wohlstand. Schutz und Wiederherstellung intakter Ökosysteme ist daher auch Kern der EU-Biodiversitätsstrategie und des European Green Deal. Dazu bedarf es objektiver und neutraler Daten über Ausmaß, Zustand und Leistungen der Ökosysteme in Deutschland. Diesem Anliegen dienen die Ökosystemgesamtrechnungen des Statistischen Bundesamts. Die Ökosystemgesamtrechnungen ergänzen die bereits langjährig durchgeführten Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR). Die UGR erfassen die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Wirtschaft, beispielsweise die Umweltbelastungen durch wirtschaftliche Aktivitäten, oder auch den Wert von Umweltschutzmaßnahmen. Aufgabe der neuen Ökosystemgesamtrechnungen ist es nun, jene Funktionen der Ökosysteme für die Gesellschaft zu erfassen, die über

Ökosysteme in Deutschland Neuer digitaler Atlas des Statistischen Bundesamtes (BS/Marius Bellingen/Dr. Johannes Oehrlein*) Die Bundesregierung hat sich Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität zur zentralen Aufgabe ge­ macht. Mit den sogenannten Ökosystemgesamtrechnungen baut das Statistische Bundesamt bis 2025 stufenweise ein System auf, um Informati­ onen zu Ausmaß, Zustand und Leistungen der Ökosysteme für den Menschen systematisch zu erfassen. Im ersten Schritt bildet die Flächenbilanz lückenlos die Flächen aller Ökosysteme Deutschlands sowie ihre Zu- und Abnahme im Zeitverlauf ab. Im Ökosystematlas werden die Ergebnisse für alle Regionen visualisiert. eine Entnahme und Abgabe von Materialflüssen an die Umwelt hinausgehen. Beispiele hierfür sind die Luftreinhaltung, der Hochwasserschutz oder auch der Erholungswert der Natur. Die Ökosystemgesamtrechnungen ermöglichen im Zeitverlauf aber auch eine Analyse der Auswirkungen des menschlichen Handels auf die Natur und machen diese sichtbar.

Entscheidungsfindungen unterstützen Ziel ist es, politische und gesellschaftliche Entscheidungsfindungen effektiv zu unterstützen und relevante Daten zur Bedeutung der Ökosysteme in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch zeitlich konsistente Methoden und regional aufgeschlüsselte Daten wird ein breiter Nutzerkreis angesprochen, nicht nur aus der Politik. Zusätzlich sind die Ergebnisse durch international standardisierte Methoden länderübergreifend vergleichbar. Grundlage hierfür ist das neue internationale Rahmenwerk System of Environmental Economic Accounting – Ecosystem Accounting (SEEA EA) der Vereinten Nationen. Seit 2020 erfolgte erstmals eine lückenlose räumliche Erfassung

aller Ökosysteme Deutschlands in einer Flächenbilanz, die die Verteilung von bis zu 74 Ökosystemklassen in den Regionen Deutschlands beschreibt. Die Ergebnisse wurden im November 2021 vom Statistischen Bundesamt als Online-Atlas sowie in Tabellenform veröffentlicht und stehen damit einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Flächenbilanzen visualisiert Die Flächenbilanz basiert auf einer neu erstellten nationalen Ökosystemklassifikation und garantiert anhand von Landbedeckung und -nutzung sowie ökologischen und strukturellen Eigenschaften eine jeweils eindeutige Zuweisung einer bestimmten Ökosystemklasse. Dies geschieht für alle Flächen ab einer Größe von einem Hektar. Hierfür notwendige Informationen wie Bodentyp, Seehöhe, Baudichte oder Vegetationsgrad werden durch die Kombination zahlreicher, unterschiedlicher räumlicher Datenquellen gewonnen. Die Basis hierzu bildet das vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) erstellte Landbedeckungsmodell für Deutschland. Für ökologische und strukturelle Informationen werden neben Gelände- und Landschaftsmodellen auch Bodenprofile, Biotoptyp-

Startschuss in Kötke Kommunales Giganetz an den Betreiber DNS:NET übergeben (BS/Bianka Schulz*) Es ist soweit: die Altmark kann ihr Gigabitnetz in Betrieb nehmen. Rund 600 Hausan­ schlüsse in neun Ortschaften aus den Bereichen Tangermünde und Tangerhütte können demnächst durch den Breitbandausbau mit dem zukunftssicheren Highspeed-Internet (Telefonie, Datenflat und TV) versorgt werden, der erste Bauabschnitt wurde am 24. Februar aktiviert, an diesem Tag gingen die ersten 337 Haus­ halte direkt ans Netz. Schon Anfang Februar wurde im Projektgebiet eins im Landkreis Stendal der letzte sogenannte “Point of Presence” (POP, Technikstandort) gesetzt, die Voraussetzung für die Übergabe des Netzes und der Signale für den Netzbetreiber – die DNS:NET. Das bedeutet: die Ausbauarbeiten für das Glasfasernetz im ersten Bauabschnitt des Projektgebietes eins für das kommunale Netz des Zweckverbandes Breitband Altmark sind abgeschlossen. Am 24. Februar 2022 wurde zuerst das Band zum Start für das Altmarknetz zerschnitten und dann auf den Roten Knopf gedrückt, womit die Lindenallee in Köckte/Tangermünde direkt ans Netz geschaltet wurde. Pünktlich um neun Uhr hieß es im Heilpädagogischen Kinder- und Jugenheim im Ortsteil Köckte: das Highspeed Internet für die Region kann starten. Der anschließende Speedtest zeigte: das Kinder- und Jugendheim kann ab sofort Datenraten von 500 Mbit/s nutzen. Anlässlich der Übergabe des Netzes an den Netzbetreiber, die DNS:NET, kamen u.a. das Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes SachsenAnhalt, die beiden Landräte für den Altmarkkreis Salzwedel und Landkreis Stendal, die Bürgermeister der Einheitsgemeinden Stadt Tangermünde und Tangerhütte, die ateneKOM GmbH, der Zweckverband Breitband Altmark sowie die Vertreter der DNS:NET, welche nun das Giganetz übernimmt und betreibt, zusammen. “Ich freue mich, dass wir nun das erste fertige Bauprojekt der neuen Förderprojekte an unseren jahrelangen Partner und Netzbe-

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In Kötke viel der Startschuss für den Breitbandausbau in der Altmark. Das Ziel ist, sämtliche Orte in der 4.700 Quadratkilometer großen Region mit einem Glasfasernetz zu erschließen. Foto: BS/ZBA

treiber DNS:NET Internet Service GmbH übergeben können. In den letzten Tagen haben die Tiefbauer, die Mitarbeiter der DNS:NET und des ZBA eng an eng unter Hochdruck an der Fertigstellung gearbeitet. Ich bin mir sicher, dass die Bürger mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein werden”, so Andreas Kluge, Geschäftsführer des ZBA. Rainer Piroth, Mitglied der Geschäftsleitung und Chief Networking Officer der DNS:NET ergänzte: “Mit dem Start im Projektgebiet eins geht es nun beim Ausbau und der Versorgung mit Glasfaser durch die DNS:NET Tag für Tag mit großen Schritten voran. Als technologischer Partner und Netzbetreiber erweitern wir kontinuierlich unsere Netzinfrastruktur in Sachsen-Anhalt und sind aktiv mit dabei, die Altmark zukunftssicher zu machen.“ Die beiden Landräte kommentierten: “Es macht mich stolz, das größte Projekt in unserer Altmark von Anfang an begleitet zu haben und nun bei der Endphase, der

Aktivierung, dabei zu sein. Bereits mit dem Pilotcluster ArneburgGoldbeck haben wir mit unserem Vorhaben bewiesen, dass es für die Altmark als ländlicher Raum wichtig ist, diese Infrastruktur als Basis für die Digitalisierung der Wirtschaft und aller Lebensbereiche der heimischen Bevölkerung zu etablieren”, so Landrat Michael Ziche vom Altmarkkreis Salzwedel. Der Landrat für den Landkreis Stendal, Patrick Puhlmann, ergänzte: “Was 2012 mit der ersten Bedarfsabfrage bei Bürgern, Einrichtungen und Betrieben begann, ist zehn Jahre später auf Erfolgskurs. Schnelles Internet ist essentiell für unsere Region. Ich freue mich, dass die Ausbauarbeiten für das moderne Glasfasernetz im ersten Bauabschnitt abgeschlossen werden konnten.” Weitere Informationen unter www.breitband-altmark.de * Bianka Schulz ist beim Zweckverband Breitband Altmark beschäftigt.

kartierungen der Bundesländer sowie des Copernicus-Satellitendatenprogramms und Daten zur Berichterstattung im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie räumlich verknüpft. Dadurch gelingt es, auch kleinflächige, hochrelevante Ökosysteme wie Streuobstwiesen oder Auenund Moorwäldern ausweisen zu können. Der neue Ökosystematlas visualisiert die Resultate der regionalen Flächenbilanzierung in interaktiven Online-Karten. Nutzerinnen und Nutzer können dort auf Ebene der Gemeindeverbände sowie für Meeresgebiete die Verteilung der Ökosysteme deutschlandweit erkunden. Über das interaktive Dashboard sind für jede Gemeinde bzw. jeden

Gemeindeverband genaue Flächendaten und Diagramme zur Verteilung und Veränderung abrufbar. Der Atlas sowie detaillierte Flächenbilanzen der Ökosysteme stehen online auf der Themenseite “Ökosystemgesamtrechnungen” des Statistischen Bundesamtes zur Verfügung.

Datenbank mit Detailtiefe Im Online-Ökosystematlas geben beispielsweise Visualisierungen von Feuchtgebieten und Laubwäldern einen interessanten Überblick über die bundesweite Verteilung und zeigen die Detailtiefe der neuen Datenbank. So verrät ein genauer Blick auf die Feuchtgebiete einer Gemeinde bzw. eines Gemeindeverbandes exakt, wieviel Fläche auf Sümpfe,

Moore mit Torfabbau, Niedermoore, Hochmoore oder Salzwiesen entfällt. Ebenso erkennt man für die Ökosystemgruppe Laubwald jene Gemeinden mit besonders hohen Flächenanteilen von Mooroder Auwäldern. In der nächsten Ausbaustufe der Ökosystemgesamtrechnungen wird das Statistische Bundesamt zunächst den Zustand — biotische, abiotische und landschaftliche Eigenschaften — der Ökosysteme erfassen und ausweisen. Bis 2025 werden dann für den Menschen relevante Leistungen bilanziert. Beispielsweise können Kohlenstoffspeicherung, Überflutungsschutz oder lokale Kühlungsleistung von Grünflächen bei Hitzewellen in dichtbesiedelten Gebieten basierend auf den Ausmaß- und Zustandskonten berechnet werden. Den Online-Ökosystematlas finden Sie unter: https://destatis. de/ugr *Marius Bellingen (Geograph) und Dr. Johannes Oehrlein (Geoinformatiker) sind Wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich Ökosystemgesamtrechnungen beim Statistischen Bundesamt (Destatis).

MELDUNG

Kirche als Zentrum der Quartiersentwicklung (BS/mj) “Flächen rund um die Kirchen in unserer Stadt bieten eine riesige Chance für eine sozialverträgliche Quartiers- und Stadtentwicklung”, erklärt Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator der Hansestadt Hamburg, bezüglich der geplanten Sanierung der denkmalgeschützten Hauptkirche St. Trinitatis. Im näheren Umkreis um die Kirche soll in den kommenden zweieinhalb Jahren ein neues, vielfältiges und inklusives Quartier der Begegnung entstehen. Das Projekt “Trinitatis Quartier” ist Teil des Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE). RISE vereint verschiedene Aspekte der Städtebauförderung und soll durch Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und soziale Infrastruktur, in das Wohnumfeld, in die Qualifizierung öffentlicher Plätze, Freiflächen und Grünanlagen sowie durch die Stärkung von Versorgungsstrukturen die Lebensqualität in den Quartieren verbessern, heißt es seitens des Hamburger Senats. Konkret sind auf dem Areal in der Altona-Altstadt ein Ensemble von fünf neuen Gebäuden geplant, welche unter anderem ein neues Gemeindehaus und Pastorat, eine Kindertagesstätte und Sozialwohnungen umfassen. Hinzu kommen ein Café und eine Pilgerherberge, welche als Treffund Begegnungsstätte sowie betreute Arbeitsplätze und Beschäf-

So soll das Gelände rund um die historische Kirche St. Trinitatis in Hamburg aussehen. Foto: BS/KBNK Architekten GmbH.

tigungsmöglichkeiten für junge Menschen dienen. “Zusammen mit der parallel stattfindenden Aufwertung und Neugestaltung des städtischen Grüns im südlichen Teil des Grünzugs NeuAltona, die aus RISE-Mitteln gefördert wird, bietet das “Trinitatis Quartier” einen echten Mehrwert für Altona-Altstadt”, freut sich Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. “Mit der umfangreichen Unterstützung für die Sanierung der Hauptkirche St. Trinitatis möchten wir neben unserer Verantwortung für dieses bekannte Altonaer Baudenkmal auch unsere Wertschätzung gegenüber der Kirchengemeinde und dem hohen Wert ihrer Arbeit auch über die Quartiersgrenzen hin-

aus für die Menschen in Altona ausdrücken”, erklärt Dressel. Altonas Bezirksamtsleiterin Dr. Stefanie von Berg ergänzt, man plane einen qualitätsvollen Umgang mit Gründächern im Kontext mit hochwertiger Architektur und Denkmalschutz, um die ehemals dänische Kirche weiterhin zur Geltung zu bringen. Dies freut auch Dr. Karl-Heinrich Melzer, Propst des Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein: “Das Trinitatis-Quartier verbindet die Möglichkeit, einen prominenten kirchlichen Standort weiterzuentwickeln mit der Chance einen wichtigen Beitrag für die Stadtentwicklung zu leisten. Insbesondere AltonaAltstadt und das östliche St. Pauli werden von den sozialen Angeboten profitieren.

SAVE the DATE Forum für Kämmerei und Kassenwesen, Beteiligungen, Personal, Organisation und Rechnungsprüfung

Kommunaler Finanzgipfel

14.–15. Juni 2022, GOP Varieté-Theater Bonn Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie Online-Anmeldemöglichkeit unter: www.finanz-gipfel.de


Kommunale Sicherheit

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Behörden Spiegel: Herr Graf, Sie sind neuer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Was sind Ihre wichtigsten Ziele? Was steht auf Ihrer Agenda ganz oben? Florian Graf: Die Sicherheitswirtschaft mit ihren heute rund 265.000 Beschäftigten leistet einen enorm großen Beitrag zum Schutz der Wirtschaft und zur Absicherung Kritischer Infrastrukturen. Dabei sind in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben und zu schützende Bereiche dazugekommen. Außerdem haben Akzeptanz und Bedeutung der Branche zugenommen. Und sie wird auch in Zukunft noch wichtiger werden für die Sicherheit Deutschlands. Diese Entwicklung werden wir als Verband mit unseren Mitgliedern mitgestalten und unseren Partnern auf politischer Ebene Angebote zur Bewältigung der bestehenden Herausforderungen präsentieren. Es ist daher mein Hauptziel, den Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und die gesamte Branche weiter nach vorn zu bringen, die Verbandsarbeit zu modernisieren und die professionelle Interessensvertretung weiter auszubauen. Die Sicherheitswirtschaft wird auch weiterhin eine starke und verlässliche Stimme auf der Bundesebene haben. Behörden Spiegel: Welche weiteren Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung mit

Sicherheitswirtschaft ist systemrelevant Politik sollte dafür entsprechende Rahmenbedingungen schaffen (BS) Er ist das neue Gesicht beim Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Florian Graf ist dort der neue Hauptgeschäftsführer. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert er seine Agenda und stellt Forderungen auf. Das Interview führte Marco Feldmann. Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Florian Graf ist der neue Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Er setzt große Hoffnungen in das geplante Sicherheitsdienstleistungsgesetz. Foto: BS/BDSW

Blick auf die private Sicherheitswirtschaft? Graf: Die Corona-Pandemie hat erneut deutlich gemacht, wie wichtig die Dienstleistungen der privaten Sicherheitswirtschaft sind. Deshalb ist für uns das im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vereinbarte Sicherheitsdienstleistungsgesetz von entscheidender Bedeutung. Wir hoffen, dass es dazu bis Jahresende einen Referentenentwurf aus dem federführenden Bundesinnenministerium

(BMI) gibt. Denn obwohl sich das Aufgabenspektrum der privaten Sicherheitswirtschaft deutlich erweitert hat, sind die rechtlichen Regelungen stehen geblieben und stellen meist auf reine Bewachungstätigkeiten ab. Solche Dienstleistungen machen allerdings mittlerweile nur noch rund 30 Prozent der Tätigkeiten unserer Unternehmen aus. Wir brauchen hier politische Rahmenbedingungen, die dieser Entwicklung Rechnung tragen und die Qualität der Sicherheitsdienstleistungen weiter steigern.

Nicht nur in Großstädten relevant "Fun Games" sind inzwischen ein bundesweites Problem

Graf: Es kommt ebenfalls darauf an, endlich die volle Funktionsfähigkeit des Bewacherregisters herzustellen und die Systemrelevanz der privaten Sicherheitswirtschaft festzuschreiben. Das muss nicht alle Tätigkeitsbereiche unserer Unternehmen betreffen, aber doch zumindest die, in denen enge Kontakte zu Kritischen Infrastrukturen bestehen. Da geht es gerade in der aktuellen Situation unter anderem auch

Über 1.400 Spielorte ausgewertet Im Rahmen der Untersuchung Trümpers wurden insgesamt mehr als 1.400 Spielorte in 13 Bundesländern und 150 Kommunen analysiert. Dabei konn-

ten nahezu 1.100 illegale “Fun Games” in 626 Betrieben festgestellt werden. Als Ursachen analysiert Trümper die bereits genannte höhere Attraktivität der illegalen Geräte für Spielerinnen und Spieler sowie das Verbot und den damit verbundenen Abbau des dritten Geldspielgerätes in gastronomischen Betrieben ab November 2019. Denn diese Maßnahme habe dort zu Umsatzeinbußen geführt, die über die Aufstellung illegaler “Fun Games” kompensiert werden sollten. Hinzu komme, dass die Organisierte Kriminalität (OK) und die Clan-Kriminalität die Verbreitung der illegalen Geräte steuere. Außerdem sei aufgrund von Personalmangel und Informationsdefiziten aufseiten der kommunalen Ordnungsämter die Kontrolldichte völlig unzureichend. Des Weiteren würden bei Verstößen zu milde Sanktionen ohne abschreckende Wirkung verhängt. Entsprechende rechtliche Zuwiderhandlungen würden von den Behörden noch zu häufig nur als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat behandelt, kritisiert Trümper. Das sei angesichts von 948 festgestellten illegalen Spielorten und 460 sogenannten "Problemgastronomien", also Betrieben, die nicht überwiegend Speisen und Getränke verkaufen, sondern ihren Betrieb vielmehr um das verbotene Spielgerät herum organisieren, falsch.

Zusammen agieren Trümper, dessen Untersuchung vom Dachverband der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW) finanziert wurde, fordert daher ein entschiedeneres, gemeinsames Vorgehen von Legislative, Exekutive und Judikative gegen das Aufstellen und Betreiben illegaler “Fun Games”. Dafür sei es unter anderem erforderlich, die Geräte aus dem Markt zu entfernen, illegale Spielorte konsequent zu schließen und die Betreiber ver-

botener Spielgeräte nachhaltig zu sanktionieren. Außerdem komme es darauf an –, sofern nicht bereits geschehen – auf Länderebene behördenübergreifende Taskforces gegen illegales Glücksspiel einzusetzen und sie bei den jeweiligen Innenministerien anzusiedeln. An diesen Ermittlungsgruppen sollten aus Trümpers Sicht neben den Innenressorts selbst die Polizeien, die Ordnungsämter, die Staatsanwaltschaft, die Steuerfahndung und der Zoll beteiligt sein.

Vollzug stärken Der Sprecher des DAW-Vorstandes, Georg Stecker, sieht ähnliche Probleme wie Trümper und meint zur Studie sowie zur Ausbreitung illegaler Spielangebote: “Eine gute Regulierung produziert keine Illegalität, sondern verhindert sie. Wenn das legale Angebot in seiner Verfügbarkeit und in seiner Attraktivität drastisch reduziert wird, entsteht illegales Angebot.” Der Abbau des dritten Geldspielgeräts in der ordentlichen Gastronomie und die Abschwächung der Attraktivität des Spiels durch die Technische Richtlinie fünf hätten zu einer erheblichen Ausbreitung illegaler Automaten im Markt geführt. “Wer diese Fehlentwicklung beseitigen will, muss umsteuern. Der Vollzug muss deutlich verstärkt werden, aber es müssen auch die erlaubte Zahl der legalen Geräte und die Attraktivität des Spiels wieder erhöht werden, um das Problem an der Wurzel zu packen”, so Stecker weiter. Er betont: “Illegales Glücksspiel ist uns ein Dorn im Auge. Die Feldstudie ist ein Beitrag im Kampf gegen den Schwarzmarkt, indem sie offenlegt, was in Hinterzimmern oder auch ganz offensichtlich geschieht.” Nur wer die Umstände des Schwarzmarktes und seine Ursachen verstehe, könne realistische Lösungsansätze diskutieren und den Schwarzmarkt wirksam bekämpfen.

auf den Weg gebracht und unterstützen Sicherheitsmanagementstudiengänge. Der Prozess der Optimierung und Qualitätsverbesserung ist dabei ein stetiger. Wir sehen aber auch auf staatlicher Seite Veränderungsbedarf. Behörden Spiegel: Worum geht es Ihnen dabei ganz konkret? Was wünschen Sie sich? Graf: Im Vergaberecht sollten Qualitätskriterien eingeführt und festgeschrieben werden, damit es nicht mehr nur zu Billigst-Verga-

“Es ist daher mein Hauptziel, den Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und die gesamte Branche weiter nach vorn zu bringen, die Verbandsarbeit zu modernisieren und die professionelle Interessensvertretung weiter auszubauen.” um Quarantäneregelungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Behörden Spiegel: Welchen Reform- und Verbesserungsbedarf sehen Sie in der privaten Sicherheitswirtschaft selbst? Graf: Als Bundesverband der Sicherheitswirtschaft rufen wir mit unseren Unternehmen nicht nur nach dem Staat, sondern handeln auch selbst. So haben wir zum Beispiel zwei Ausbildungsberufe

(BS/Marco Feldmann) Illegales Glücksspiel nimmt immer weiter zu. Ein besonderes Problem sind dabei sogenannte “Fun Games”. Dabei handelt es sich um manipulierte und deshalb verbotene Spielgeräte. Besonders problematisch wird es, wenn sie in Hinterzimmern betrieben werden. Und inzwischen zeigt sich: “Fun Games” gibt es auch in Mittelstädten und kleinen Kommunen. Insbesondere in Letzteren – aber nicht nur dort – ist das Vorgehen der Behörden gegen die Geräte schwierig. Denn es mangelt oftmals an Personal und teilweise auch am Kooperationswillen der beteiligten Akteure (mehr dazu auch in der Dezember-2021-Ausgabe des Behörden Spiegel, Seite 57). Dabei nimmt das Problem immer mehr zu. Die Geräte erleben eine Renaissance, vor der Polizeibeamte und Insider, darunter auch die Verbände der legalen Automatenwirtschaft, schon seit Langem warnen. Diese Wiederbelebung zeigt sich dabei nicht mehr nur in einzelnen Hotspots, sondern im gesamten Bundesgebiet. Das wird auch in einer Untersuchung von Jürgen Trümper deutlich. Der gelernte DiplomSozialarbeiter ist seit 1992 Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht. Im Rahmen seiner Feldstudie “Einblicke in den illegalen Glücksspielmarkt 2021” waren von 3.327 zur Aufstellung gebrachten Glücksspielgeräten 1.099 “Fun Games” und damit illegal. Anders ausgedrückt: Fast jedes dritte Gerät wurde verbotenerweise betrieben. Zudem waren die “Fun Games”, deren Software oftmals aus Asien stammt, etwas stärker ausgelastet als die legalen, von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Geldspielgeräte. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, sind die “Fun Games” für die Spieler doch attraktiver. So bieten sie zum Beispiel ein schnelleres Spiel, keine Spielzeitlimitationen und deutlich höhere Einsatz-, Gewinn- und Verlustgrenzen als legale Automaten.

Behörden Spiegel / März 2022

ben kommt. Außerdem brauchen wir schnellere und flexiblere Verfahren bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen und vor allem keine Mehrfachüberprüfungen. Nur so können die Unternehmen schneller und flexibler tätig werden. Ausgeweitete Zuverlässigkeitsüberprüfungen für alle Tätigkeitsbereiche brauchen wir nicht – für die, in denen es notwendig ist, bestehen bereits Regelungen. Zudem sollte sich der Markt der Qualifizierungsanbieter öffnen. Auch andere regulatorische Pro-

bleme, wie das monopolisierte Unterrichtungsverfahren bei den Industrie- und Handelskammern, müssen dringend angegangen werden. Behörden Spiegel: Wie wird es den privaten Sicherheitsunternehmen künftig gelingen, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen? Braucht es hier neue Ansätze und Wege der Rekrutierung? Graf: Wir müssen die Attraktivität der Arbeitsplätze, der Tätigkeiten und der Branche im Allgemeinen weiter steigern. Dann wird es uns auch in Zukunft gelingen, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen. Behörden Spiegel: Welche Aufgaben könnten private Sicherheitsdienste aus Ihrer Sicht künftig noch übernehmen, auch um Staat und Kommunen zu entlasten? Wo könnte Ihre Branche da in fünf oder in zehn Jahren stehen? Graf: Unsere Branche leistet bereits heute vielfältige integrierte Sicherheitsdienstleistungen. Wir betreiben bereits heute Kriminal- und Gewaltprävention und verhindern so Straftaten. Damit entlasten wir die staatlichen Sicherheitsbehörden bereits. Natürlich erkennen wir dabei das staatliche Gewaltmonopol an und suchen die Kooperation mit dem Staat.

Kräfte bündeln Verbundeinsätze sind sehr wichtig (BS/Ronald Mikkeleitis) In Corona-Zeiten wird es nochmals besonders deutlich! Wenn Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, müssen auch genügend Mitarbeitende da sein, um das durchführen zu können. Insbesondere bei zu wenig Personal lohnt es aber, über den eigenen Tellerrand zu schauen, wer sich hier gegenseitig helfen könnte. Polizei und Ordnungsamt haben sehr viele gemeinsame Schnittmengen, arbeiten aber oft unbemerkt voneinander und zum Teil dadurch auch weniger effizient. Dort, wo man schon schnell erkannte, dass gegenseitiges Unterstützen im vernünftigen Rahmen auch deutlich bessere Ergebnisse erzielt, möchte man diese Zusammenarbeit nicht mehr missen. Zunächst müssen sicherlich gewisse “Berührungsängste” abgebaut werden. Das ist aber schnell zu erreichen, wenn man sich in gemeinsamen Besprechungen mit Polizei und Ordnungsamt nochmals detailliert die eigenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten erläutert. Gemeinsame Ziele sind schnell gefunden. Auch andere Hindernisse, etwa unterschiedlich genutzte Begriffe wie Einsatzbefehl, Kräfteansatz, Störer etc., kann man mit kurzen Erklärungen abbauen. Was bedeutet das nun in der Praxis? Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind vielfältig, beispielhaft bei Gewerbekontrollen, Jugendschutzeinsätzen, Verkehrskontrollen im ruhenden Verkehr und vielem mehr. Aktuell lohnt sich natürlich besonders auch ein Blick auf erforderliche und gemeinsame Kontrollen der Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen. Teilweise scheitern solche notwendigen Kontrollen insbesondere aufgrund von zu wenig Personal in den Ordnungsämtern. Wenn hier aber bewusst gemeinsam und mit entsprechender Aufteilung der Arbeiten nach Kernkompetenzen gearbeitet wird, werden schnell und nachhaltig Erfolge erzielt.

Deeskalierende Wirkung Bei Kontrollen in aus Sicht der Eigensicherung bedenklichen Objekten betritt die Polizei zunächst die Räume und sichert ab. Die Mitarbeitenden der

Ordnungsämter übernehmen die erforderlichen Personenkontrollen und können sich komplett darauf konzentrieren. Ihre Sicherung wird ja durch die Polizei gewährleistet. Dies macht eine sehr schnelle Kontrolle und kompetente Überprüfung möglich, wodurch auch die kontrollierten Gäste und das Personal zeitlich nur kurz in Anspruch genommen werden. Das wirkt sich äußerst deeskalierend aus, da sich bei Kontrollen häufig erst im Laufe der fortschreitenden Kontrollzeit unnötige Aggressionen aufbauen, die der Eigensicherung entgegenstehen.

Ronald Mikkeleitis ist ausgebildeter und langjährig tätiger Polizeivollzugsbeamter. Inzwischen arbeitet er als leitender Mitarbeiter in einem Berliner Ordnungsamt. Foto: BS/privat

Wer erst einmal erkannt hat, wie gut und sicher gerade Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeiten können, wird dieses erfolgreiche Modell sogar vertiefen wollen. Nichts geht über Kontaktaufnahme und -pflege durch gegenseitiges Verstehen. Es muss gemeinsam gehandelt werden, wo immer es geht. Gemeinsam sind wir stark.

MELDUNG

Krisenstäbe und Notfallpläne anpassen (BS/mfe) Nach dem Amoklauf an der Universität Heidelberg mit einer Toten und drei Verletzten sollten lebensbedrohliche Lagen, Evakuierungen und Krisenmanagement wieder stärker in den Fokus der Zuständigen rücken. Das fordern die Verantwortlichen des Deutschen Expertenrates Besuchersicherheit (DEB). Außerdem sollten Notfallpläne und Krisenstäbe entsprechend angepasst werden. Olaf Jastrob und Dr. Hans-Walter Borries vom DEB betonen: “Universitäten und Hochschulen, gleichsam auch Schulen, sind sogenannte “weiche Ziele” für jegliche Anschlagsattentäter und auch Terroristen, da diese Ein-

richtungen relativ offen und frei zugänglich sind.” Denn Abschottungsmöglichkeiten zum Schutz der Studierenden sowie der Schülerinnen und Schüler würden weitgehend fehlen. Deshalb brauche es an (Hoch-)Schulen ein angepasstes ganzheitliches Sicherheitskonzept. Dazu meint Borries: “Wichtig ist, dass hohe Sicherheitsstandards den Betrieb von Hochschulen gewährleisten.” Dazu gehörten auch ausgebildete Notfall- und Krisenmanager sowie Pandemiemanager und ein Mehr an Sicherheitsstandards durch kompetente Krisenstäbe, die im Umgang mit solchen Schadenslagen regelmäßig ausgebildet und trainiert würden.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / März 2022

KNAPP

Bewusstsein und Beurteilen

FITKO wird Mitglied der govdigital

IT-Sicherheit im Alltag (BS/Matthias Lorenz) Die Digitalisierung schreitet nicht nur in der Wirtschaft und in der Verwaltung voran, sondern auch im Leben der Bürgerinnen und Bürger. Jeder Mensch kommt heutzutage fast zwangsläufig in Kontakt mit vernetzten Geräten und Anwendungen. Dadurch sind die Menschen auch im Alltag IT-Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Seit Kurzem vergibt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in diesem Kontext das IT-Sicherheitskennzeichen. Doch wie können Nutzerinnen und Nutzer insgesamt effektiv vor den Risiken geschützt werden? Um die Verbraucher dabei zu unterstützen, sicher durch den digitalen Alltag zu kommen, verfolge man mehrere Ziele, sagt Nadine Nagel, Leiterin der BSI-Abteilung Cyber-Sicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft, auf dem ITSicherheitskongress der Bonner Behörde. “Man muss sowohl das Risikobewusstsein als auch die Beurteilungsfähigkeit der Bürger stärken.” Doch schon beim ersten Punkt stößt man auf Probleme. “Das Risikobewusstsein der Menschen fehlt oft”, konstatiert Prof. Dr. Melanie Volkamer, die am Karlsruher Institut für Technologie die Forschungsgruppe “Security * Usability * Society” leitet. In der IT-Sicherheit verhalte es sich meist wie beim Datenschutz, wo das Phänomen des Privacy-Paradoxes bekannt sei. Das bedeutet, Nutzer geben an, ihnen seien Datenschutz oder ITSicherheit wichtig, in der Praxis interessieren sie sich allerdings kaum dafür. Dazu könne ein Gefühl der Überforderung kommen, erklärt Volkamer weiter. Dies bestätigt auch Katharina Korczok, politische Referentin für IT-Sicherheit und Daten beim Verbraucherzentrale Bundesverband. “Technische Entwicklungen sind so schnell, das IT-Sicherheitslösungen, die ein Jahr alt sind, heute schon wieder veraltet sein können.” Dadurch entstünde bei den Verbrauchern der Eindruck, sie könnten der Herausforderung gar nicht gerecht werden. “Die große Mehrheit der Verbraucher fühlt sich nicht ausreichend geschützt und informiert”, berichtet Korczok weiter. Hier müsse man den Staat und die Hersteller in die Pflicht nehmen. Doch natürlich kann man den Nutzer nicht aus seiner Pflicht

Immer wachsam sein: Im digitalen Alltag gibt es IT-Sicherheitsrisiken nicht nur für professionelle Anwender, sondern auch für normale Verbraucherinnen und Verbraucher. Foto: BS/StockSnap, pixabay.com

entlassen. Dies betont zum Beispiel Christian Schmickler, Geschäftsführungsmitglied im Kompetenzzentrum “DIGITAL. SICHER.NRW”, welches sich vor allem mit IT-Sicherheitsthemen rund um Unternehmen befasst. “Gerade kleine Unternehmen sind jedoch ganz oft in einer ähnlichen Position wie Verbraucher, beide setzen zum Beispiel vielfach die gleichen Programme ein”, so Schmickler. Verbrauchern wie kleinen Unternehmen müsse gezeigt werden, dass man auch mit wenig Aufwand einen guten Grundschutz erlangen könne: “IT-Sicherheit muss keine Raketenwissenschaft sein.” Viele Kleinigkeiten führten in der Summe schon dazu, dass man deutlich sicherer werde. Erst wenn es um Hochsicherheit gehe, werde es wirklich aufwendig und damit auch teuer, erläutert Schmickler. Was jedoch können diese einfachen Maßnahmen sein? Hier fallen oft Stichworte wie das Erstellen regelmäßiger Back-ups,

die konsequente Durchführung von Updates, die Nutzung von Zwei-Faktor-Authentifizierung und sicheren Passwörtern. Gerade Letzteres ist ein fast schon berühmt-berüchtigtes Beispiel für angeblich naive, unwissende Nutzer. Die Diskussion brandet besonders immer dann auf, wenn Statistiken veröffentlicht werden, wonach “1234” das meistgenutzte Passwort sei. “Es ist suboptimal, immer auf den Nutzern herumzureiten. Mein Appell ist: Don‘t blame the user”, sagt Prof. Volkamer hierzu. Schließlich wolle man diese ja motivieren, mehr für ihre ITSicherheit zu tun, und nicht mit dem Finger auf sie zeigen. Beim Passwort “1234” müsse vielmehr die Frage gestellt werden, warum die betroffenen Dienste ein solches Passwort überhaupt zuließen. Dazu würden die Menschen gerade in der Passwortfrage auch verwirrt, denn: “Jeder empfiehlt bei Passwörtern etwas anderes.” Hier müsse sich auf gemeinsame

Standards geeinigt werden. Eine Forderung, die Christian Schmickler bekräftigt: “Eine klare Guideline ist wichtig für Verbraucher.” Dies zeigt also: In puncto Sensibilisierung der Nutzer ist noch Luft nach oben. Dasselbe gilt auch für die Beurteilungsfähigkeit. Bestenfalls können die Verbraucher beurteilen, wie ein Produkt in Sachen IT-Sicherheit abschneidet. Um ihnen diese Beurteilung zu erleichtern, bietet das BSI seit neuestem ein IT-Sicherheitskennzeichen an. Dieses soll laut dem Amt die Sicherheitseigenschaften von ITProdukten transparent machen und Verbrauchern Orientierung geben. “Die Einführung des IT-Sicherheitskennzeichens ist ein erster wichtiger Schritt”, analysiert Verbraucherschützerin Korczok. Dies helfe dem Nutzer, Entscheidungen zu treffen, ähnlich wie bestimmte Siegel oder Packungsangaben im Lebensmittelbereich. Prof. Volkamer sieht

trotzdem auch Schwierigkeiten in Bezug auf das Siegel. Es dürfe nicht dazu kommen, dass mit dem IT-Sicherheitskennzeichen ähnliche Probleme wie bei den Bio-Siegeln entstünden, wo bei vielen Produkten auch nicht mehr klar sei, warum sie dieses Siegel eigentlich tragen dürften. “Der Laie darf nicht denken, das BSI-Siegel bedeutet automatisch, dass ein Produkt sicher ist.” Der Verbraucher müsse sich aber darauf verlassen können, dass es ein Mindestmaß an Sicherheit gebe. Deswegen lautet ihr Plädoyer: “Der Staat muss dafür sorgen, dass nur noch Produkte mit einem Mindeststandard an IT-Sicherheit angeboten werden.” Käuferinnen und Käufer sollen sich also sicher sein können, dass sie ein Produkt kaufen, welches in Bezug auf Cyber-Sicherheit nicht komplett unsicher ist. Auch dieses Konzept ist ähnlich wie im Supermarkt, wo sich Verbraucher schließlich auch darauf verlassen können, dass gekaufte Lebensmittel auch ohne Bio-, Fairtrade- oder sonstige Siegel keine giftigen Stoffe enthalten. Für diese Mindeststandards in der IT-Sicherheit streiten deswegen auch die Verbraucherzentralen. “Hier müssen wir die Hersteller in die Pflicht nehmen”, fordert Korczok. Gleichzeitig solle man ihnen die Umsetzung solcher Standards aber auch erleichtern, zum Beispiel durch gemeinsame europäische Vorgaben.

Am 4. und 5. Oktober veranstaltet der Behörden Spiegel wieder die Public-IT-Security-Konferenz. Weitere Informationen zur PITS gibt es unter: www.public-it-security.de

(BS/lma) Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) ist das 23. Mitglied der Genossenschaft govdigital. Damit wachse die übergreifende Vernetzung der govdigital um eine bedeutende Organisation, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der FITKO und der Genossenschaft. “Die FITKO ist durch ihre zentrale Rolle im föderativen Gefüge ein wichtiger Akteur in der Verwaltungsdigitalisierung, der die Genossenschaft bereichern wird”, erklärt Martin Schallbruch, CEO der govdigital. Die erste konkrete Zusammenarbeit existiere mit der Umsetzung zum EfA-Marktplatz der govdigital bereits. “Der Beitritt der FITKO ist ein wichtiger Schritt hin zur Realisierung eines ganzheitlichen EfA-Nachnutzungsmodells”, ergänzt Dr. Annette Schmidt, Präsidentin der FITKO. Ein ausführliches Interview mit Dr. Schmidt ist in dieser Ausgabe auf S. 43 zu lesen.

Weiterentwicklung des OZG gefordert

(BS/lma) In einem Positionspapier fordern neun Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen) den Bund dazu auf, das Onlinezugangsgesetz (OZG) weiterzuentwickeln. Im Kern geht es den Ländern, welche die Bundes-Planungen für die Erarbeitung von Eckpunkten für ein OZG 2.0 grundsätzlich begrüßen, laut bayerischem Digitalministerium dabei um fünf Kernforderungen: Demnach werden eine qualitative Weiterentwicklung des OZG sowie eine effizientere und transparentere Steuerung und Finanzierung gefordert. Auch müssten die “Einer-für-Alle”-Leistungen wettbewerbskonform weiterentwickelt, das Gesetz in die Fläche und zu den Kommunen gebracht und der OZG-Rechtsrahmen zeitnah föderal fortgeschrieben werden.

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Sehnsuchtsort Cloud

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Behörden Spiegel / März 2022

Foto: adobe stock/pickup

Sehnsuchtsort Cloud

Viele Wege führen nach...

A

uch der Ansatz der neuen Bundesregierung, wie diese Ziele erreicht werden sollen, ist längst hinreichend bekannt. Wie schon bei der Großen Koalition wird auch unter der Ampel-Regierung der Multi-Cloud-Ansatz verfolgt. Kurz gesagt bedeutet dies, dass die Verwaltung mehrere Cloud-Angebote nutzt, die jeweils die entsprechenden Anforderungen an IT-Sicherheit, Datenschutz, Nachhaltigkeit, Skalierbarkeit und weitere Punkte erfüllen. Diese Anforderungen beinhalten Zielkonflikte: Die technisch hohen Anforderungen können bis heute meist nur große, US-amerikanische Hyperscaler erfüllen. Diese Erfahrung hat Marco Gräf, Abteilungsleiter der Abteilung IV Applikationsbetrieb im Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), beim Aufbau der sogenannten Bundescloud gemacht. “Wir haben dabei unsere Grenzen erkannt. Wir können mit den Hyperscalern nicht Schritt halten”, beschreibt Gräf die Situation in der Online-Veranstaltung “Sehnsuchtsort Cloud” auf der Behörden Spiegel-Plattform Digitaler Staat Online. Heißt: Man ist zurzeit auf deren Innovationskraft angewiesen. Gleichzeitig können diese außereuropäischen Großunternehmen die Anforderungen insbesondere an den Datenschutz kaum erfüllen, da nicht garantiert ist, dass beispielsweise US-Behörden Zugriff auf bestimmte Daten erhalten könnten. Das es zur Nutzung der Hyperscaler (noch) keine deutsche oder europäische Alternative gibt, weiß auch Harald Joos, Abteilungsleiter der Abteilung VI Informationstechnik im Bun-

Behörden Spiegel: Herr Dr. Beyer, die Bundesregierung will einen Multi-Cloud-Ansatz verfolgen, bei dem auch US-amerikanische Hyperscaler einbezogen werden. Datensouveränität soll dadurch garantiert werden, dass deutsche Unternehmen Schlüsselstellen des Cloud-Betriebs übernehmen. Wie bewerten Sie grundsätzlich diesen Ansatz? Dr. Beyer: Der Multi-CloudAnsatz ist grundsätzlich zu begrüßen, eine einzige Cloud, von wem auch immer diese betrieben werden würde, nicht alle Anforderungen der deutschen Verwaltung gerecht werden könnte, sowohl vom Service- also auch vom Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsniveau. Im Übrigen sollten Wettbewerb und Innovation ein wichtiges Element in der Auswahl und Bereitstellung von CloudAngeboten sein. In solch einem Ansatz können die Hyperscaler mit ihren spezifischen Vorteilen dort einbezogen werden, wo sie einen echten Vorteil in der ITDienstleistungserbringung bringen. Die Datensouveränität kann durch einen konsequenten Portabilitätsanspruch gewährleistet werden, d. h. jede in der Cloud betriebene Anwendung muss mit einem überschaubaren Aufwand auf eine souveräne Infrastruktur übertragbar sein.

Alle wollen die Cloud – doch was ist die beste Strategie? (BS/Matthias Lorenz) Die deutsche Verwaltung braucht die Cloud-Technologie – soweit sind sich inzwischen alle Experten und Entscheidungsträger in der Praxis einig. Doch wenn es um den richtigen Weg zu einer Cloud-Infrastruktur für den Staat geht, stößt man schnell auf einige Probleme, denn viele Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. Die Cloud-Infrastruktur soll technisch auf modernstem Niveau sein, gleichzeitig sind Wünsche und rechtliche Vorgaben sowohl an die technische als auch an die Datensouveränität groß. Dazu plant die Regierungskoalition, den Einsatz von Open Source zu forcieren. Es gibt also viele Anforderungen, die zusammengebracht werden müssen. desministerium der Finanzen (BMF) und IT-Beauftragter der Bundesfinanzverwaltung. Er hofft deswegen zumindest im Übergang auf die Lösungen, welche die Hyperscaler momentan zur Schaffung von mehr Datensouveränität verfolgen, auf die Kooperation mit deutschen Betreibern. Microsoft lässt seine Cloud von der SAP und Avarto betreiben. Google plant mit TSystems ein vergleichbares, wenn auch in einigen Details durchaus unterschiedliches Konstrukt. Das Ziel ist immer: Die Daten bleiben in Deutschland!

Nationaler Hyperscaler? “Natürlich verfügt man so nur über die Datensouveränität”, erläutert Joos. Deswegen müsse man parallel auch einen nationalen Hyperscaler aufbauen, um auch technologische Souveränität zu erlangen. Eine positive Nachricht kann Joos in diesem Bereich bereits vermelden: Die SAP habe zugesagt, ihre Services auch auf der Cloud eines solchen nationalen Hyperscalers laufen zu lassen, nicht nur auf der Microsoft-Cloud. Damit ein solcher Hyperscaler wirklich entstehen kann, fordert Joos: “Es braucht das Geld, einen professionellen Partner sowie eine klare Zusage von Bund, Ländern

und Kommunen, die Plattform dann auch zu nutzen”, so Joos. Ansonsten werde sich der Betrieb nicht rechnen. Somit hat das Modell, was Deutschland bei der Cloud-Infrastruktur nicht nur die Daten-, sondern auch die technologische Souveränität gewähren soll, seinen Investitionspreis. Für die Modelle der US-amerikanischen Hyperscaler müsse laut Joos hingegen von staatlicher Seite zunächst niemand investieren. “Die Firmen erstellen die Angebote vollständig aus eigenwirtschaftlichen Interessen und tragen das Risiko”, erläutert der Abteilungsleiter. Bund, Länder und Kommunen müssten später genau den Umfang an Services zahlen, den sie aus dem Angebot nutzten. Also drängt sich die Frage auf, ob eine Reihe von Firmen und Firmengruppen souveräne CloudAngebote für den öffentlichen Sektor wirtschaftlich betreiben kann. Mit anderen Worten: Ist die Nachfrage nach solchen Angeboten groß genug? Schließlich muss sich die deutsche Verwaltung darauf verlassen können, dass ein souveränes Cloud-Angebot für sie auch langfristig nutzbar ist und nicht aus wirtschaftlichen Gründen plötzlich wieder vom Markt genommen wird. T-

Systems und Google gehen davon aus, dass ihr Angebot nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern auch im Privatsektor auf Nachfrage stoßen wird (siehe hierzu das Interview auf S. 34 in dieser Ausgabe). Diese Vermutung teilt Dr. Mario Walther, Partner im Bereich Public Sector bei der Beratungsfirma PwC. “Alle Hyperscaler wollen ihre souveränen Clouds auch in der Privatwirtschaft anbieten.” Eine Nachfrage sei hier ebenso vorhanden wie von staatlicher Seite. Walther nennt als Beispiele Banken und Versicherungen. Natürlich spiele letztendlich auch der Kostenfaktor eine Rolle – der Bedarf sei aber definitiv vorhanden. Für die öffentliche Hand bedeutet diese Entwicklung: Sie wird aus den Cloud-Produkten mehrerer Anbieter wählen können. Dies stimmt grundsätzlich auch mit dem hinter dem MultiCloud-Ansatz steckenden Ziel, Abhängigkeiten von einem Anbieter zu reduzieren, überein. Damit diese Abhängigkeiten nicht auch auf den einzelnen CloudInfrastrukturen entstehen, ist es das Ziel des BMF, dass neu entwickelte Anwendungen den Nachweis erbringen müssen, dass sie auf mindestens zwei unterschiedlichen Clouds laufen,

wie Joos erläutert. “Bei Lösungen, die essenziell für den Staatsbetrieb sind, darf ich mich nicht in ein Ökosystem begeben, aus dem ich nicht mehr herauskomme.” Vor solchen Abhängigkeiten warnt auch Jochim Selzer aus dem erweiterten Sprecherkreis des Chaos Computer Clubs. “Je tiefer man in die Welt eines Anbieters proprietärer Software einsteigt, desto schwieriger ist es, dort wieder herauszukommen.” Die Multi-Cloud-Strategie sieht er deswegen grundsätzlich positiv. Sie sei ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem man weiter aufbauen könnte. Grundsätzlich herrscht also eine positive Grundstimmung gegenüber dem Ansatz. Er könnte es der Verwaltung ermöglichen, moderne Cloud-Technik zu nutzen, Abhängigkeiten zu reduzieren und zumindest datensouverän zu agieren. Jedoch könnten auch Schwierigkeiten entstehen, wenn verschiedene Behörden verschiedene Clouds nutzen (was ja Kern des Ansatzes ist) oder sogar verschiedene Clouds innerhalb einer Behörde genutzt werden. Es muss also auch dafür gesorgt werden, dass das Zusammenspiel der unterschiedlichen Clouds funktioniert. An dieser Stelle kommt das Bundesministerium des Innern

Zu Cloud-Brokern werden Kommunen sollten auf die Innovationskraft des Wettbewerbs setzen (BS) Was halten die kommunalen IT-Dienstleister vom Multi-Cloud-Ansatz des Bundes? Welche Rolle können öffentliche IT-Dienstleister dabei spielen? Wie sieht das zukünftige Cloud-Szenario im kommunalen Umfeld aus? Die und weitere Fragestellungen waren Gegenstand eines Gespräches des Behörden Spiegel mit dem Vorstandvorsitzenden von Vitako, Dr. Rolf Beyer. Die Fragen stellte Guido Gehrt. Behörden Spiegel: Die öffentlichen IT-Dienstleister arbeiten selbst an Cloud-Lösungen, prominentestes Beispiel ist das Projekt Phoenix. Fühlen Sie sich von der Bundesregierung übergangen?

Behörden Spiegel: Stimmt die Einschätzung der Bundesregierung, nationale Cloud-Angebote könnten technologisch mit jenen US-amerikanischer Hyperscaler nicht mithalten?

Dr. Beyer: Nein, die Aktivitäten der Bundesregierung in diesem Gebiet waren den IT-Dienstleistern bekannt und es gab einen

Dr. Beyer: Die Antwort ist ein eindeutiges Nein! Im Sinne von Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind die Hyperscaler sicher im Vorteil. Es stellt sich je“Die kommunalen IT-Dienstleister doch die Frage, ob stehen bereit, einen nationalen das die eigentlichen Kriterien sind. Ich Hyperscaler zu realisieren.” sehe die öffentlichen intensiven Austausch darüber. IT-Dienstleister hier durchaus Die Anforderungen des Bundes auf Augenhöhe und fachliche sind sicher nicht die gleichen wie deutlich im Vorteil. Anwendungsdie von Ländern und insbeson- management im öffentlichen Sekdere Kommunen, dennoch haben tor beginnt häufig erst dort, wo alle Seiten konstruktiv in diesem das Dienstleistungsangebot der Diskurs beigetragen. Nicht zuletzt Hyperscaler längst zu Ende ist. haben eine Vielzahl der IT-DienstBehörden Spiegel: Teil der leister in der AG Cloud des ITPlanungsrats an einem Konzept Strategie der Bundesregierung zur Realisierung der deutschen ist der Aufbau eines nationalen Verwaltungs-Cloud gearbeitet, Hyperscalers, um nicht nur Dawelches eine gute Grundlage für tensouveränität, sondern auch ein einheitliches Vorgehen bildet. technologische Souveränität zu

Dr. Rolf Beyer, Verbandsgeschäftsführer des Zweckverbandes Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO), ist zudem Vorstandsvorsitzender von Vitako, der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister. Foto: BS/KDO

erreichen. Welche Rolle sollten die kommunalen IT-Dienstleister an dieser Stelle spielen und welche Eigenschaften sollte diese “nationale souveräne Cloud” haben? Dr. Beyer: Die kommunalen IT-Dienstleister stehen bereit einen nationalen Hyperscaler zu realisieren. Wir haben die govdigital e.G. gegründet, um eine

Organisation bereitzustellen, die gemeinsame Anstrengungen realisieren kann, sozusagen vor die Klammer zieht. Gerade zentrale Infrastrukturen bereitzustellen, war von Beginn an ein wichtiges Ziel dieser Organisation. Das wir gemeinsam technisch in der Lage sind solche Infrastrukturen auch kurzfristig zur Verfügung zu stellen, haben wir im Projekt für den nationalen Impfausweis schon bewiesen. Die Eigenschaften einer nationalen souveränen Cloud sind durch das oben Gesagte schon gut beschrieben: Öffentlich-rechtlich getragen, Open-Source basiert und eine Referenz für Portabilität. Damit und nur damit ist die nachhaltige Unabhängigkeit der deutschen Verwaltungs-IT sichergestellt. Behörden Spiegel: Eine Überlegung ist, mehrere kommunale IT-Dienstleister zu konsolidieren, um ein großes Unternehmen zu schaffen. Braucht es bei den kommunalen IT-Dienstleistern eine weitere Konsolidierung?

und für Heimat (BMI) ins Spiel. Dort hat man die übergreifende Deutsche VerwaltungscloudStrategie (DVS) entwickelt. Einigen DVS-Zielen wie der Reduktion von Abhängigkeiten oder der Stärkung des Datenschutzes dient der Multi-Cloud-Ansatz. “Ganz zentrale Voraussetzung für die DVS-Konformität der Clouds ist aber, dass sie offene Schnittstellen und Standards haben”, erklärt Pia Karger, Abteilungsleiterin “Digitale Gesellschaft” und IT-Beauftragte im BMI. Heißt: Nach den Vorstellungen der Bundesregierung muss beispielsweise das CloudAngebot von SAP/Microsoft/ Avarto mit dem von Google und T-Systems interagieren können, damit der Datenaustausch funktioniert. Karger kündigt an: “Wir schauen ganz genau hin, welche Angebote der Hyperscaler mit der DVS kompatibel sind.” Es zeigt sich also: Mittels der DVS in Kombination mit dem Multi-Cloud-Ansatz kann es gelingen, eingangs beschriebene Zielkonflikte zumindest teilweise aufzulösen. Richtig umgesetzt, könnten so bei Nutzung konkurrenzfähiger Cloud-Infrastruktur (beispielsweise hinsichtlich Skalierbarkeit) Abhängigkeiten reduziert und die Datensouveränität gestärkt werden. Bis zum Erreichen technologischer Souveränität im Cloud-Bereich durch den Aufbau eines nationalen Hyperscalers ist es hingegen noch ein weiter Weg. Auf Seite 36 dieser Ausgabe erklärt Karger die DVS im Detail. BMF-Abteilungsleiter Harald Joos spricht auf der gleichen Seite im Interview über die Cloud-Aktivitäten der großen Hyperscaler.

Dr. Beyer: Sicher ist, dass wir ein großes Unternehmen brauchen. Für mich haben wir mit der Gründung der govdigital e.G. den entscheidenden Schritt gemacht, und zwar in Kooperation. Eine weitere Konsolidierung der kommunalen IT-Dienstleister wird sicher in den nächsten Jahren aufgrund wirtschaftlicher Erfordernissen und der weiter steigenden Komplexität unausweichlich sein, für einen erfolgreichen Betrieb einer deutschen Verwaltungs-Cloud ist sie aber nicht notwendige Voraussetzung. Behörden Spiegel: Wie sähe Ihrer Ansicht nach eine “perfekte” Cloud-Infrastruktur für die Kommunen aus? Dr. Beyer: Ich wünsche mir, dass sich die kommunalen ITDienstleister zu Cloud-Brokern weiterentwickeln, die ihren Kunden Leistungen aus der deutschen Verwaltungs-Cloud, diversen privaten fachspezifischen Clouds und auch Public Clouds der Hyperscaler bereitstellen und diese Angebote auf den Arbeitsplätzen der Bediensteten so integrieren, das diese effizient arbeiten können. Sowohl die Kommunen als auch die ITDienstleister können so auf die Innovationskraft des Wettbewerbs der Cloud-Anbieter setzen.


Ihre Daten. Ihre Cloud. Die Partner T-Systems und Google Cloud beschreiten neue Wege und entwickeln gemeinsam ein so bisher einzigartiges Portfolio souveräner Cloud-Lösungen. Damit können Kunden sensible Daten und Arbeitslasten in einer Souveränen Cloud verarbeiten – und gleichzeitig die Skalierbarkeit, Innovationskraft und Zuverlässigkeit von Public-Cloud-Diensten nutzen. Das Management der souveränen Dienste sowie der Betrieb der Souveränen Cloud liegt dabei in der Verantwortung von T-Systems. Erste Dienste des gemeinsamen Angebots werden ab Frühjahr 2022 zur Verfügung stehen und in den darauffolgenden Monaten stetig ausgebaut. T-Systems wird eine Reihe operativer Kontrollmechanismen im Betrieb der Cloud-Dienste übernehmen, um die Souveränität zu wahren - unter anderem Verschlüsselung und Identitätsmanagement. Darüber hinaus wird T-Systems relevante Teile der deutschen Google-Cloud-Infrastruktur beaufsichtigen. Physische oder virtuelle Zugriffe auf Einrichtungen in Deutschland (z. B. bei routinemäßiger Wartung und Upgrades) werden von T-Systems kontrolliert. Zur erweiterten Partnerschaft gehört auch die gemeinsame Innovation. Experten-Teams beider Partner werden gemeinsam an Open-Source-Technologien und -Lösungen arbeiten, welche die Anforderungen der Kunden an Effizienz, Datensicherheit und technische Souveränität erfüllen (Daten-, Betriebs- und Software-Souveränität). Mehr zum Thema souveräne Cloud nach deutschen Maßstäben finden Sie auf g.co/cloud/meinecloud.

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Sehnsuchtsort Cloud

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Neue Wolke auf dem Radar

B

ehörden Spiegel: Wie sieht Ihr Plan für eine souveräne Cloud aus und welche Rollen übernehmen Google und T-Systems dabei genau? Holfelder: Wir haben im Austausch mit unseren Kunden, auch speziell mit jenen aus der öffentlichen Verwaltung, schon länger gehört, dass für bestimmte Bereiche mehr Souveränität gewünscht wird. Gleichzeitig wollen sie natürlich weiterhin von der Innovationskraft der Google Cloud profitieren. Um den Kunden beides bieten zu können, haben wir eine Architektur konzipiert, in der wir mit einem vertrauensvollen Partner wie nun der T-Systems zusammenarbeiten. Wir bauen dabei in unsere Plattform Souveränitäts-Kontrollpunkte ein und geben diese Kontrollmöglichkeiten aus der Hand – von Google Cloud in die Hände von T-Systems. Ahrens: Im Kern reden wir über die Datensouveränität, und diese ist sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Industrie ein hochrelevantes Thema. Die hier manchmal fehlende Klarheit ist unserer Meinung nach ein wesentlicher Hinderungsfaktor der Digitalisierung, sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch in sensibleren Bereichen der Industrie. Genau diesen Punkt wollen wir adressieren. Wir wissen, dass unsere Kunden ein gewisses Spektrum an Anforderungen haben. Diesen Anforderungen wollen wir mit verschiedenen Souveränitätsstufen unserer Lösung gerecht werden, sodass der Kunde für die jeweilige Fragestellung die passende Lösung bekommt. Behörden Spiegel: Was macht diese verschiedenen Souveränitätsstufen genau aus?

Ahrens: Unser Angebot besteht, grob gesagt, aus zwei Varianten. Da ist zum einen die “Sovereign Cloud”, die T-Systems aber nicht in einem eigenen Rechenzentrum betreiben wird, sondern in einigen der vorhandenen Rechenzentren von Google in den Regionen Frankfurt und zukünftig auch Berlin. In diese Lösung sind technisch tiefgreifende Kontrollpunkte eingebaut, die wir als T-Systems dann managen: Da geht es um Dinge wie Verschlüsselung, Datenhaltung und Monitoring. Die zweite Variante nennt sich “Google Distributed Cloud”. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine einzelne Instanz, die wir sowohl in den Rechenzentren der T-Systems, aber

Behörden Spiegel / März 2022

Google Cloud und T-Systems erklären ihre souveräne Cloud im Detail (BS) Immer mehr Akteure drängen auf den Markt der souveränen Clouds. Neben Microsoft, SAP und Arvato werfen nun auch Google und T-Systems ihren Hut in den Ring. Im Interview erläutern Dr. Maximilian Ahrens, Chief Technology Officer bei T-Systems, und Dr. Wieland Holfelder, Vice President Engineering und Leiter des Google-Entwicklungszentrums in München, das Vorhaben. Die Fragen stellten Uwe Proll und Matthias Lorenz. en Funktionen und Fähigkeiten, Skalierungsfähigkeit und niedrige kommerzielle Einstiegshürden eine Cloud-Beschaffenheit, wie sie sein sollte. Auch haben wir ein klares Open-Source-Versprechen von unserem Partner. Wie eben bereits angeschnitten, sind wir als T-Systems dadurch in der Lage, das System auch im Katastrophenfall in einem klar definierten Umfang weiterzubetreiben. Eine solche Situation wäre zum Beispiel die Abschneidung des Zugangs zur Technologie aus geopolitischen Gründen. In einer solchen Situation könnten mögliche Sicherheitslücken dann dank Open Source weiterhin behoben werden.

Dr. Maximilian Ahrens, Chief Technology Officer bei T-Systems (links), und Dr. Wieland Holfelder, Vice President Engineering und Leiter des Google-Entwicklungszentrums in München, sprechen mit dem Behörden Spiegel über die gemeinsamen Cloud-Pläne beider Unternehmen. Fotos: BS/Telekom/Google

auch in einem Kundenrechenzentrum betreiben könnten. Dort gibt es dann die Möglichkeit der vollen Kontrolle, also auch inklusive der Hardware. Andererseits sind die höherwertigen Funktionen der Cloud wie zum Beispiel Anwendungen für Künstliche Intelligenz dann etwas eingeschränkt. Die Basisthemen sind allerdings auch dort alle vorhanden.

Prinzip gilt. Darüber hinaus ist noch die Software-Souveränität zu nennen. In diesem Kontext stellen wir sicher, dass die Grundfunktionalität der Cloud auch in Katastrophenfällen erhalten bleibt. An dieser Stelle setzen wir stark auf Open-Source. Dass wir viele unserer Lösungen auch als Open Source-Produkte anbieten, ist eine unserer großen Stärken.

Holfelder: Wir begreifen bei Google das Thema Souveränität in mehreren Schichten: Da gibt es zum einen die Datensouveränität. Die werden wir beispielweise mit dem externen Key-Management und der Tatsache, dass die Daten Frankfurt oder Berlin nicht verlassen, sicherstellen. Dann gibt es die operationelle Souveränität. Hier ist garantiert, dass wir als Google Cloud selbst nicht auf unsere Plattform zugreifen können. Das heißt, in der Endausbaustufe dieses Produkts wird T-Systems auch das Identitätsmanagement der Plattform übernehmen. Zur operationellen Souveränität gehört auch, dass T-Systems die Gewährleistung der physischen Sicherheit der Rechenzentren mit uns teilt, dort also ein Vier-Augen-

Behörden Spiegel: Wahrscheinlich hat ein Teil der Bundesregierung an der zweiten Variante, also der Distributed Cloud, ein besonderes Interesse, oder? Ahrens: Sowohl als auch. Wir haben zu beiden Varianten gute Gespräche mit möglichen Nutzern aus Bund und Ländern. Wenn man als mögliche Kunden sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Industrie betrachtet, glauben wir nicht, dass mittelfristig das eine oder das andere den Kundenstamm dominieren wird. Die ersten Kunden werden zwar sicherlich aus der Industrie kommen. Nach und nach könnte aber durchaus eine 50/50-Verteilung erreicht werden. Das hängt natürlich immer davon ab, wie

die Digitalisierung in der öffentlichen Hand vorangeht. Behörden Spiegel: Die T-Systems hat sich gemeinsam mit Microsoft schon mal an einer souveränen Cloud versucht. Das Projekt unter dem Stichwort “Datentreuhändermodell” scheiterte damals. Was waren die Gründe für dieses Scheitern und wo liegen heute die Unterschiede zum damaligen Vorgehen? Ahrens: Wir verfolgen heute einen grundsätzlich unterschiedlichen Ansatz. Zunächst mussten Kunden damals für die Nutzung des Angebots einen Preisaufschlag von rund 20 Prozent zahlen. Das war ein Teil, aber nicht der Kern des Problems. Das Kernproblem war vielmehr, dass die Kunden nicht sicher sein konnten, dass Features der Public Cloud auch immer unter dem Datentreuhändermodell nutzbar sein würden. Viele Kunden haben sich dann, vor allem wenn es in Richtung Skalierung ging, gegen die möglichen Funktionalitätseinschränkungen entschieden. Dieses Mal schaffen wir deswegen keine abgeschlossene Insel. Dadurch erreichen wir in puncto Einbindung von neu-

Behörden Spiegel: Eine Frage, die uns beim Thema Digitale Souveränität und Cloud auch immer wieder beschäftigt, ist die Frage nach dem Personal. Bei US-amerikanischen Staatsbürgern steht der US Cloud Act im Raum, auf Basis dessen US-Behörden von diesen Staatsbürgern die Datenherausgabe verlangen könnten. Welche Mitarbeiter sind bei Ihrem Projekt involviert?

VISION | AGENDA | UMSETZUNG

08. Juni 2022 | Bad Homburg www.hedigital.de

Holfelder: Wir haben vor, dies als eine langfristige Kooperation zu betreiben, dafür wollen wir auch binnen Jahresfrist die wirklich sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit auch auf der technischen Ebene in einem neuen Co-Innovation-Center in München ausbauen, für das es auf beiden Seiten auch eines entsprechenden Investments bedarf. Behörden Spiegel: Laut Koalitionsvertrag verfolgt die Bundesregierung wie bereits die vorherige eine Multi-Cloud-Strategie. Dazu zählt die Nutzung mehrerer Angebote von Hyperscalern in entsprechenden Souveränitätskonstruktionen wie der Ihren, ein anderes Beispiel wäre hier das Cloud-Angebot von SAP, Microsoft und Arvato. Daneben soll auch eine eigene Open-Source-Cloud entstehen. Als Nutzer muss ich ja dann vermutlich mehrere dieser Angebote wahrnehmen und auch von der einen in die andere Cloud wechseln können. Sehen Sie für den Nutzer dort Herausforderungen völlig neuer Art?

Ahrens: Ich glaube, es ist gut und richtig, dass der Bund eine Multi-Cloud-Strategie anstrebt. Er täte auch gut daran, bestimmte Kernanwendungen festzulegen, die auf einer von ihm definierten Cloud-Formlandschaft gleicherHolfelder: Für die ersten Sup- maßen laufen sollen. Darüber port-Kontakte können wir Personal hinaus sollte der Bund sich aber in der EU garantieren. Falls es sich davor hüten, zu verlangen, dass alle Workflows beispielsweise auf allen um ein kom“Ich glaube, es ist gut und Plattformen plizierteres funktionieren. technisches richtig, dass der Bund Problem han- eine Multi-Cloud-Strategie Der Grund für eine solche delt, kann es anstrebt.” Strategie ist natürlich sein, ja, dass man dass der oder die zuständige Experte bzw. Ex- die verschiedenen Stärken der pertin außerhalb der EU sitzt. Hier Plattformen nutzen will. Das wäre haben wir eine Technologie entwi- auf der Google-Plattform zum ckelt, über welche dieser Experte Beispiel Data Analytics, während mittels eines geteilten Bildschirms die Microsoft-Lösung zunächst unterstützen kann. Dieser Exper- sehr stark im Office-Umfeld sein te kommt dann aber nicht selbst wird. Eine dritte Säule könnte an die Daten heran, sondern nur dabei noch eine reine Open-Sourein Ingenieur in der EU, der das ce-Plattform für ausgewählte AnProblem unter Beaufsichtigung wendungsgebiete sein. Sicherlich von T-Systems praktisch umsetzt. wäre das mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden und der Ahrens: T-Systems hat ja, wie Innovationsaspekt würde hierbei bereits beschrieben, verschiedene hinter den Hyperscaler-PlattforKontrollpunkte innerhalb der men zurückfallen, jedoch wäre es Lösung. Für uns ist klar, dass der erweiterten Unabhängigkeit dort ausschließlich deutsche Mit- zuträglich. Insgesamt wäre das arbeiterinnen und Mitarbeiter eine sehr gelungene Gesamtstrategie. eingesetzt werden.

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Sehnsuchtsort Cloud

Behörden Spiegel / März 2022

Deutsche Verwaltungscloud-Strategie

sowie den Betrieb des CloudService-Portals steuern soll.

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m die Abhängigkeiten von einzelnen Softwareanbietern zu reduzieren, wurde vom ITPlanungsrat die Arbeitsgruppe “Cloud-Computing und Digitale Souveränität” (AG Cloud) gegründet. Eine Maßnahme zur Stärkung der Digitalen Souveränität in der öffentlichen Verwaltung (ÖV) ist die Deutsche Verwaltungscloud-Strategie (DVS), auch “Multi-Cloud-Strategie der ÖV”. Diese wurde gemeinsam mit Bund, Länder und Kommunen in der AG Cloud erarbeitet.

Die Multi-Cloud-Strategie der öffentlichen Verwaltung (BS/Pia Karger) Im Jahr 2019 wurde eine durch das Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) beauftragte “Strategische Marktanalyse zur Reduzierung von Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern” veröffentlicht. Die Ergebnisse der Studie zeigen eine hohe Abhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern und wurden nicht nur in der Fachöffentlichkeit diskutiert (auch der Behörden Spiegel berichtete).

Die Multi-Cloud-Strategie der Öffentlichen Verwaltung “Auf Basis einer Multi-Cloud Strategie und offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben bauen wir eine Cloud der öffentlichen Verwaltung auf.” So steht es explizit im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Mit der zusätzlichen Betonung auf offene Schnittstellen und strenge Sicherheits- und Transparenzvorgaben hat der Koalitionsvertrag die Notwendigkeit klarer Rahmenbedingungen für die Cloud-Vorhaben der ÖV noch einmal bestärkt. Ziel der DVS ist es, diese Anforderungen umzusetzen. Der Fokus der DVS liegt auf der Nutzung offener Standards und Schnittstellen und auf der Vereinheitlichung verschiedener Cloud-Vorhaben innerhalb der ÖV. Zwischen den verschiedenen Clouds der ÖV soll Interoperabilität und Kompatibilität von Cloud-Anwendun-

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ehörden Spiegel: SAP und Arvato Systems haben am 3. Februar öffentlich angekündigt, eine “erste souveräne CloudPlattform für den öffentlichen Sektor in Deutschland” auf Grundlage der Microsoft-CloudTechnologie anbieten zu wollen. Waren Sie davon überrascht?

Als Multi-Cloud-Strategie verbindet die Deutsche Verwaltungscloud-Strategie verschiedene Clouds unterschiedlicher Anbieter. Grafik: BS/BMI

Nachnutzung einmal entwickelter Anwendungen in möglichst vielen Cloud-Instanzen Pia Karger ist Abteilungsleiterin “Digitale Gesellschaft” zu ermöglichen und IT-Beauftragte im Bun(“build once, run desministerium des Innern anywhere”). Dies und für Heimat. steigert insbesondere die EfFoto: BS/BMI fizienz und Effektivität beim gen hergestellt werden, um u.a. Einsatz von Cloud-basierten die Wiederverwendbarkeit bzw. Software-Lösungen und soll so

Ein Markt für die Verwaltung

Joos: Die Erwartungen, dass es damit einen richtigen Schub bei der Digitalisierung der Verwaltung geben wird, sind in der Tat stark gestiegen. Wir werden jetzt versuchen, so schnell wie möglich voranzukommen. Wichtiger Bestandteil wird dabei auch das Ergebnis unseres Proof of Concept im Bund sein. Wir versuchen nachzuweisen, dass die Anforderungen zum Beispiel an die Informationssicherheit und den Datenschutz einer nationalen Microsoft-Cloud auch tatsächlich erfüllt werden. Die Frage des Betreibers ist jetzt geklärt, sodass wir diese neue Rahmenbedingung in unserem Projekt mitberücksichtigen werden. Wir sind zuversichtlich, dass wir erfolgreich nachweisen können, was die Firmen angekündigt haben. Konkret wissen werden wir es allerdings erst, wenn der Nachweis in einer entsprechenden produktiven Umgebung auch tatsächlich erbracht wurde.

Die DVS ist längst mehr als ein theoretisches Konstrukt. Im Rahmen einer ersten Pilotstudie mit über zehn aktiv beteiligten IT-Dienstleistern der ÖV hat sich ein grundlegendes Konzept der DVS – der einheitliche Betrieb von Anwendungen unter Einhaltung erster gesetzter DVSStandards in unterschiedlichen Datenzentralen – bereits als funktional erwiesen. Die Standards der DVS selbst wurden innerhalb der Pilotierung verfeinert, weiterentwickelt oder als für den praktischen Gebrauch geeignet identifiziert. “Bei der Machbarkeitsstudie merkte man sehr schnell, was gut funktioniert und wo es noch hakt. Diese Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung der DVS ein. Wir sind aber mit den ersten Ergebnissen sehr zufrieden”, berichten beteiligte Personen. Die Bedeutung der DVS ist immens. Wo bisher zahlreiche IT-Lösungen in der Verwaltung nebeneinanderstanden, die kaum oder gar nicht interoperabel und nicht untereinander nachnutzbar waren, haben wir durch gemeinsame Anstrengungen Standards geschaffen, die Interoperabilität und Modularität sicherstellen, unsere Digitale Souveränität stärken und die bestehende, teils wirklich kritische Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern reduzieren.

tionalen Cloudplattformen der Hyperscaler über das ITZBund seinen Kunden zur Verfügung gestellt werden.

Verschiedene Cloud-Angebote sorgen für Auswahlmöglichkeiten

(BS) Auf dem Markt der Cloud-Angebote für die öffentliche Verwaltung gibt es derzeit viel Bewegung. Wie bewertet man innerhalb der Bundesregierung die Aktivitäten verschiedener internationaler Hyperscaler, welche ihre Cloud-Dienste auch gerne der öffentlichen Verwaltung anbieten Behörden Spiegel: Sind die würden? Hierzu ein Gespräch mit Harald Joos, dem Abteilungsleiter der Abteilung VI im Bundesministerium der Finanzen und IT-Beauftragten eigenen IT-Dienstleister der Öffentlichen Hand damit geder Bundesfinanzverwaltung.

Joos: Den Wortlaut der Presseveröffentlichung kannten wir vorher nicht, waren aber auch nicht überrascht. Wir haben im letzten Jahr immer klargemacht, dass wir eine solche Plattform nicht finanzieren und auch keine Abnahmeverpflichtungen eingehen können. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass zwei große bedeutende Firmen aus Deutschland in das unternehmerische Risiko gehen und Deutschland unterstützen wollen, schneller bei der Digitalisierung voranzukommen. Insofern begrüße ich das Angebot sehr. Behörden Spiegel: Auf die Ankündigung gab es viele positive Reaktionen, damit sind die Erwartungen allerdings auch ganz schön gestiegen. Wie schätzen Sie das ein?

Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern verringern. Zusätzlich gibt die DVS strenge Informationssicherheits- und Datenschutzrichtlinien vor. Die DVS bezeichnet kein eigenes neues Cloud-Vorhaben im Sinne des Aufbaus eines eigenen Rechenzentrums zum Anbieten von Cloud-Lösungen der ÖV, sondern die Festlegung auf bestimmte rechtliche und technische Standards, sodass die bestehenden Cloud-Lösungen

von IT-Dienstleistern der ÖV aus Bund, Ländern und Kommunen einheitlich genutzt werden können. Auch der Begriff “Nationaler Hyperscaler” trifft nicht auf die DVS zu, auch wenn sie in der Öffentlichkeit stellenweise so bezeichnet wird. Zur Umsetzung der DVS gibt es im aktuellen Konzeptionsstand drei zentrale Elemente. Erstens sind die IT-Dienstleister der ÖV zu nennen, welche die Rechenzentren bzw. -kapazitäten bereitstellen, die innerhalb der DVS verfügbar gemacht werden. Sie dienen als sog. Plattformbetreiber und bieten Cloud-Dienste, beispielsweise in den Liefermodellen IaaS, PaaS, und CaaS an. Die IT-Dienstleister können auch als Software-Betreiber dienen und auf eigener oder fremder Cloud-Infrastruktur SaaS-Dienste anbieten. Zweitens dient ein Cloud-Service-Portal als zentraler Einstiegspunkt der IT-Dienstleister der ÖV zur Bestellung und Verwaltung von Cloud-Diensten innerhalb der DVS. Drittens ist eine Koordinierungsstelle der DVS geplant, welche die Weiterentwicklung der DVS, die Teilnahme an der DVS,

Praktische Umsetzung

scheitert? heute bereits die Joos: Diese Frage höre ich Lösungen der Hyperscaler, die wir im immer wieder. Wir haben richtig Augenblick nicht im gute und stark engagierte KolleAngebot haben und ginnen und Kollegen im IT-Beauch nicht nach- reich in der Verwaltung, die probauen können. Die blemlos in der Privatwirtschaft “Bundescloud” des arbeiten könnten und sich in ITZBund, also die der täglichen Arbeit stets und Cloud-Plattform, stark engagieren. Ohne diese die in den Rechen- Kolleginnen und Kollegen würde zentren des ITZ- heute vieles überhaupt nicht Bund läuft, kann laufen! Wir haben allerdings a u s m e h r e r e n so viel unerledigte Aufgaben Gründen nicht mit vor uns, dass wir nach anderen den Cloud-Plattfor- Lösungen suchen müssen. Wir Harald Joos, Abteilungsleiter der Abteilung VI im BMF und IT-Beauftragter der men der Hypersca- haben keinen Vorteil mehr daBundesfinanzverwaltung, im Behörden ler mithalten und durch, indem wir jeweils selbst Spiegel-Interview zu Clouds für die öfdamit auch nicht ein Rechenzentrum betreiben. fentliche Verwaltung. uneingeschränkt Rechenzentrumsbetrieb und konkurrieren. In- Infrastructure as a Service werFoto: BS s o f e r n w i r d d a s den Commodity und wir können Diese nationale Lösung muss ITZBund zukünftig sein Ange- unsere Ressourcen, die wir an dann natürlich auch wirtschaft- bot für die Bundesverwaltung dieser Stelle frei bekommen, lich sein und mit den Angeboten erweitern. Neben der eigenen besser anderen wertigen AufBundescloud sollen auch die na- gaben widmen. konkurrieren können. Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, müssen wir unsere Nachfrage auf eine Plattform und eine Entität konzentrieren, denn wenn 100 IT-Dienstleister 100-Mal einen 24/7-Betrieb, 100-Mal den Grundschutz des Lieber Leserinnen und Leser, Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, 100zum Thema Cloud haben sich in den Mal den Rechenzentrumsbetrieb Chats unserer Online-Veranstaltunund 100-Mal andere identische gen sehr viele Zuschauerinnen und Foto: BS/Nicole Schnittfincke Dinge parallel umsetzen, dann Zuschauer zu Wort gemeldet. Auch ist das nicht wirtschaftlich. erreichen viele Mails zu diesem Thema die Zeitungsredaktion Nicht zu vergessen sind die des Behörden Spiegel. Daher wollen wir Ihnen auch hier Herausforderungen eines klieine Stimme geben. Schreiben Sie uns kurz Ihre Meinung maneutralen Rechenzentrumszum Thema Cloud in der öffentlichen Verwaltung. Welche betriebes. Auch IT-Personal ist Chancen und Vorteile sehen Sie, was halten Sie besonders nicht im Überfluss vorhanden. beachtenswert? Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit und was sehen Sie kritisch? Behörden Spiegel: Wie steht Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihre Meinung in die Diskusdas Informationstechnikzentsion einzubringen. In der nächsten Ausgabe des Behörden rum Bund (ITZ Bund) zu diesen Spiegel werden wir dann den Stimmen unserer Leserinnen Aktivitäten? Schließlich betreibt und Leser breiten Raum geben. das Zentrum ja selbst seit dem Schreiben Sie mir direkt und persönlich zu diesem Thema: Jahr 2017 die sogenannte “Bunuwe.proll@behoerdenspiegel.de descloud”. Ich freue mich über Ihren Diskussionsbeitrag. Joos: Die Kundinnen und Uwe Proll, Chefredakteur Kunden des ITZBund fordern

“Wir haben keinen Vorteil mehr dadurch, indem wir jeweils selbst ein Rechenzentrum betreiben.”

Behörden Spiegel: Es gibt jetzt ein Angebot von SAP/Arvato mit Microsoft, von der Deutschen Telekom mit Google und vielleicht kommt auch noch ein Angebot von Amazon hinzu. Was ist eigentlich mit einem eigenen, nationalen Angebot, welches nicht auf Grundlage der Plattformen der Hyperscaler steht? Joos: Je mehr solcher Angebote wir haben, desto größer ist die Auswahl für uns. Es entsteht ein Markt für die Verwaltung. Eine Plattform eines “nationalen Hyperscalers” ist eine wichtige Ergänzung hierzu, auch um die Resilienz zu stärken. Behörden Spiegel: Was versteht man unter einem “nationalen Hyperscaler”? Reichen die Angebote der heutigen ITDienstleister dazu nicht? Joos: Die großen Hersteller wollen ihre Produkte hochverfügbar und immer aktuell an den Kunden ausliefern, damit die Kunden die Produkte direkt konsumieren können. Die heterogenen Betriebsinfrastruk-

turen der vielen Rechenzentren sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft führen immer wieder zu neuen Fehlersituationen. Außerdem müssen relativ viele alte Software-Versionen weiter unterstützt werden. Daher sind die großen Hersteller dazu übergegangen, ihre Lösungen nur noch auf standardisierten, also den eigenen, Plattformen anzubieten. Diese sind so groß, leistungsfähig und wegen der hohen Nachfrage auch wirtschaftlich, dass auf ihnen auch beliebig andere Lösungen laufen können, also auch die Lösungen, die wir mit Open Source Software erstellen. Die Plattformen wachsen damit immer weiter und lassen wenig Raum für andere Plattformen. Bei den ganzen Cloud-Themen handelt es sich daher auch um eine Frage der Plattformstrategie. Wollen wir, dass es nur Plattformen der heutigen Hyperscaler gibt, oder schaffen wir es, eine nationale oder im Idealfall europäische Lösung danebenzustellen, die mit den anderen Plattformen mithalten kann?

Ihre Meinung bitte


Sehnsuchtsort Cloud

Behörden Spiegel / März 2022

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er Staat hat mit seinen Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen deutlich höhere Anforderungen an IT-Lösungen als andere Organisationen: Staatliche Souveränität, die garantierte Sicherheit der Daten und Prozesse sowie Datenschutz, wie er auf europäischer Ebene beispielsweise in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verankert ist. Wichtig ist auch der selbstbestimmte Umgang mit Daten und Diensten. Daher gehört die Entwicklung einer autonomen und abgrenzbaren technischen Infrastruktur zu den vorrangigen Zielen der Digitalisierung im öffentlichen Sektor.

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Schluss mit Schlusslicht Digitale Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung – so geht’s (BS) Dass die öffentliche Verwaltung in Deutschland in Sachen Digitalisierung zu den europäischen Schlusslichtern gehört, ist spätestens seit der Corona-Pandemie hinlänglich bekannt. Zeit, aktiv zu werden und die Digitalisierung jetzt anzugehen. Die gute Nachricht: Digitale und sichere Plattformen, die für die hohen Anforderungen öffentlicher Verwaltungen konzipiert wurden, sind bereits verfügbar – mit der dPhoenixSuite zeigen Dataport und IONOS Cloud, wie Digitalisierung für Behörden sicher und komfortabel gelingen kann.

Deutsche und europäische IT-Anbieter statt US-Provider Die öffentliche Verwaltung ist im Rahmen der Digitalisierung dazu verpflichtet, vertrauensvolle Technologien aus dem nationalen oder europäischen Kontext zu implementieren und einen potenziellen Missbrauch durch private Interessen oder andere Institutionen auszuschließen. Das umfasst auch die Intervention durch andere Staaten und meint nicht nur Hackerangriffe aus Russland, China, Nordkorea oder anderen besonders kritischen Ländern, sondern seit 2018 auch ausdrücklich den offiziellen Zugriff von US-Behörden im Rahmen des sogenannten “US CLOUD Act”. Dieses Gesetz mit dem Namen “Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act” verpflichtet amerikanische Internetfirmen und IT-Dienstleister wie Apple, Google, Microsoft und Co. dazu, auf Anfrage gespeicherte Daten an die US-Behörden weiterzugeben – und das selbst dann, wenn die Speicherung nicht in den USA erfolgt. Die Sicherheit deutscher Verwaltungsdaten zu gewährleisten, bedeutet daher auch, sie vor dem Zugriff omnipräsenter, US-dominierter IT- und Cloud-Anbieter zu schützen. Um der öffentlichen Verwaltung Orientierung zu bieten und die Auswahl geeigneter IT-Dienstleister zu unterstützen, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) spezielle Richtlinien veröffentlicht, die beispielsweise von Cloud-Anbietern verbindlich zugesichert werden müssen. Sie betreffen u. a. die Unabhängigkeit von ausländischen Interessen, die länderübergreifende Speicherung oder Verarbeitung von Daten, die Transparenz in Leistungsbeschreibungen sowie Zertifizierungen (siehe Infobox).

Bürgernah und effizient durch automatisierte Verwaltungsprozesse Dass und wie die Digitalisierung im öffentlichen Sektor funktionieren kann, zeigen die Beispiele aus Dänemark und Estland. In Deutschland hat die Politik die öffentliche Hand mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet, bis 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen online anzubieten. So soll Bürgern eine funktionierende OnlineService-Infrastruktur bereitgestellt werden, damit sie Services auch online, unabhängig von Öffnungszeiten, nutzen können und Verwaltungsmitarbeitende dadurch gleichzeitig entlasten. Darüber hinaus geht es darum, Medienbrüche abzubauen und Verwaltungsprozesse durchgängig zu gestalten. Ziel ist die Automatisierung und Vernetzung von alltäglichen Arbeitsabläufen, um beispielsweise Online-Kollaboration, zentrales Datenmanagement und prozessübergreifende Verfügbarkeit von Informationen zu erreichen. Im Zuge dieser Digitalisierung gilt es außerdem, Mitarbeiter mit ins

dPhoenixSuite im Überblick Die dPhoenixSuite bietet einen cloudbasierten digitalen Arbeitsplatz für Behördenmitarbeiter. Sie umfasst verschiedene Softwaremodule, die unabhängig voneinander genutzt und durch spezialisierte Fachanwendungen ergänzt werden können. Die dPhoenixSuite wird auf Basis der BSI ITGrundschutz-konformen IONOS Cloud Services mit folgenden Funktionen bereitgestellt: Groupware-Dienste: E-Mail Adressen Kalender Dashboard Speicher-Funktionalitäten: Speicher Dateiaustausch Versionskontrolle Dokumente bearbeiten: Textverarbeitung Tabellenkalkulation Präsentationen Kommunikation: Chat, Messaging Konferenz (Video/Audio) Bildschirmübertragung

Eine Cloud-Nutzung ist auch für die öffentliche Hand bereits heutzutage möglich. Einen vollständigen Arbeitsplatz stellt die dPhoenixSuite bereit. Foto: BS/IONOS

Projekt zu nehmen, Kosten im Auge zu behalten und in Sachen Datenschutz sowie Datensouveränität keinerlei Kompromisse einzugehen.

Sichere Arbeitsplätze übers Web: Open-Source- und cloudbasiert Die Vorteile cloudbasierter Arbeitsplätze haben sich in der Privatwirtschaft gezeigt und auch unter Pandemiebedingungen bewährt: Jederzeit und von überall mit unterschiedlichen Endgeräten sicher auf einen digitalen Arbeitsplatz zugreifen zu können, bietet hohe Flexibilität. Das sorgt in Krisenzeiten für Arbeitsfähigkeit und ermöglicht darüber hinaus, organisatorische Prozesse immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Die Türen für die Digitalisierung via Cloud stehen deshalb auch für die öffentliche Hand weit offen: Hier steht in

vielen Behörden die Einrichtung cloudbasierter Web-Arbeitsplätze auf dem Plan. Welche Anforderungen Cloud-Anbieter dabei zu erfüllen haben, um die staatliche Souveränität digital sicherzustellen, hat das BSI in seinen speziellen Richtlinien (siehe Infobox) definiert. Bei der Entscheidung für einen IT-Anbieter oder -Dienstleister ist es für die öffentlichen Verwaltungen außerdem wichtig, nicht in die Abhängigkeit eines einzelnen IT-Anbieters – den sogenannten Vendor Lock-in – zu geraten. Wer das vermeiden will, setzt auf Open-SourceLösungen: Sie bieten maximale Transparenz beim SoftwareCode und sorgen durch eine Community von Lösungsentwicklern für wichtige Peer Group Reviews und profitieren meist auch von zahlreichen Anwendungsmodulen, die gut integrierbar sind.

Für die öffentliche Verwaltung plattform auf Basis etablierter gemacht: dPhoenixSuite Open-Source-Lösungen (siehe Als Anstalt öffentlichen Rechts und spezialisierter IT-Dienstleister der öffentlichen Verwaltung hatte Dataport die Digitalisierungsanforderungen von Behörden frühzeitig erkannt und proaktiv ein Projekt zur Entwicklung einer Plattform für digitale Arbeitsplätze gestartet. Das Unternehmen entwickelte Schritt für Schritt eine Plattform, die auf dem Open-SourceKonzept basiert und Behörden eine Alternative zu etablierten proprietären Softwareprodukten bietet. Mit der dPhoenixSuite steht heute ein vollständiger digitaler Arbeitsplatz zur Verfügung, der klassische Office-Pakete ersetzen kann: Ob E-Mail-Programm, Office-Funktionalität, Filesharing, Messaging oder Videokonferenzen – die dPhoenixSuite ist eine webbasierte Kollaborations-

Produktbox).

BSI-konform: sicher und geschützt in der IONOS Cloud Mit der IONOS Cloud als Infrastruktur-Basis haben Dataport und die dPhoenixSuite den perfekten Partner gefunden: Der europäische Cloud-Anbieter sorgt dafür, dass hoheitliche Befugnisse ausschließlich bei den Behörden und den zuständigen Mitarbeitern bleiben. Persönliche Daten von Angestellten oder Bürgern genießen maximale Sicherheit vor unbefugtem Zugriff. IONOS Cloud unterhält mehrere Datacenter in Deutschland und Europa und garantiert Einrichtungen der öffentlichen Hand digitale Souveränität. Sie basiert auf Open-Source-Technologien und erfüllt die Bedingungen des BSI-Kriterienkatalogs. Darüber hinaus sind Datensicherheit und

Digitale Souveränität: BSI-Anforderungen an Cloud-Anbieter Das BSI stellt mit folgenden Richtlinien hohe Anforderungen an die Anbieter von Cloud-Services für die öffentliche Verwaltung. Diese Kriterien bilden eine solide Basis für eine langfristig stabile und zuverlässige Infrastruktur – jede Behörde sollte sie sorgfältig prüfen und nur Anbieter in Betracht ziehen, die diese Anforderungen weitgehend erfüllen. Keine Abhängigkeit von ausländischen Interessen: • Der Cloud-Anbieter darf keiner Jurisdiktion eines Drittlandes i.S.v. Kap. V DSGVO unterliegen. Das gilt auch für die vom Cloud-Anbieter i.S.v. Art. 28 DSGVO qualifizierten Nachunternehmer. Keine Übermittlung von Daten an Drittländer: • Kunden- bzw. Nutzungsdaten aus dem Cloud-Service dürfen nicht an Drittländer i.S.v. Kap V DSGVO übertragen werden. Datenverarbeitung in Deutschland: • Die relevanten Daten dürfen nur in Rechenzentren verarbeitet werden, die sich auf deutschem Boden befinden. Transparente System- und Leistungsbeschreibung: • Der Anbieter des Cloud-Services muss eine Beschreibung seines Systems vorlegen können, aus der hervorgeht, dass alle Vorgaben des Kriterienkatalogs für das Cloud Computing des BSI erfüllt werden (aktuelles Testat nach C5, Stand 2020). • Der Cloud-Anbieter macht nachvollziehbare und transparente Angaben zur Gerichtsbarkeit sowie zur Lokation der

Kundendaten in der Cloud. Dies gilt für die Verarbeitung, die Sicherung und die Speicherung der Daten – sowohl im Verantwortungsbereich des Cloud-Anbieters als auch bei seinen Unterauftragnehmern. • Die Angaben des Cloud-Anbieters zum Umgang mit Ermittlungsanfragen staatlicher Stellen sind nachvollziehbar und transparent. Hierbei wird vor allem der mögliche oder ausgeschlossene Zugriff auf oder die Offenlegung von Daten der Cloud-Kunden klar kommuniziert – inklusive der eindeutigen Positionierung in Bezug auf den US CLOUD Act. Zertifizierungen: • Der Cloud-Anbieter stellt nachvollziehbare und transparente Informationen zu vorhandenen und gültigen Zertifikaten oder Bescheinigungen unabhängiger Dritter zur Verfügung. Diese betreffen insbesondere die Themen Konformität und Einhaltung der DSGVO sowie Angemessenheit und Wirksamkeit interner Kontrollsysteme. Hinzu kommen Angaben zu Zertifizierungen in Bezug auf branchenspezifische Anforderungen des einzelnen Cloud-Kunden. • Zudem muss der Anbieter mindestens einen offenen Standard unterstützen, der als “Infrastructure-as-Code” angesehen wird.

Datenschutz DSGVO-konform organisiert. Die Zertifizierung gemäß ISO 27001 IT-Grundschutz nach BSI von IONOS Cloud belegen die Qualität und Sicherheit der Leistungen.

Modernste Cloud-Technologie im Behördendienst Ein Vorteil der IONOS Cloud ist der besonders schnell reagierende Block Storage mit garantierter Bandbreite. Massendaten ruhen im IONOS Cloud S3 Object Storage – dank Object Lock dabei auch revisionssicher. Für konsistente Datenführung bei häufigeren Schreib-Lese-Vorgängen im laufenden Behördenalltag kommen Datenbanken zum Einsatz. Managed Database-as-aService von IONOS Cloud bietet hier einen leicht umzusetzenden Dienst bei niedrigem Administrationsaufwand. Moderne Software muss gleichermaßen schlank und agil sein. Software-Container haben hier in den letzten Jahren die Entwicklungsumgebungen geradezu revolutioniert. IONOS Cloud Managed Kubernetes sorgt bei der dPhoenixSuite dafür, dass Container perfekt orchestriert werden können. Tools für Infrastructure-as-Code und Konfigurationsmanagement wie Terraform und Ansible bilden außerdem eine valide Stütze im kontinuierlichen Development und Deployment rund um die Software Suite für die öffentliche Verwaltung. Mit der dPhoenixSuite von Dataport auf Basis der IONOS Cloud erhalten Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen eine leistungsfähige und sichere Lösung für die Digitalisierung. Die IONOS Cloud punktet dabei durch ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis und eine transparente Preisstruktur ohne versteckte Kosten. Institutionen des öffentlichen Sektors gewinnen so Budgetsicherheit und können mit voller Kostenkontrolle rechnen. Die Zeiten als europäisches Schlusslicht der Digitalisierung sind vorüber. IONOS Cloud: https://cloud.ionos.de/ Sprechen Sie uns an: +49 30 57700-840


Sehnsuchtsort Cloud / KI

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Unverzichtbar

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ie Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist ohne zuverlässige und leistungsstarke Rechenzentren nicht denkbar. Dort laufen die neuen Plattformen und Anwendungen, die digitale Services für Bürger und Unternehmen erst möglich machen und die die internen Abläufe in den Behörden verbessern. Angesichts der zunehmenden Anforderungen an Sicherheit, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit erscheint es wenig sinnvoll, dass viele einzelne Behörden oder Kommunen damit beginnen, eigene Rechenzentren auf- oder auszubauen, denn kleine Rechenzentren lassen sich nicht so effizient und nachhaltig betreiben wie große. Zudem sind sie schwerer zu schützen und ausfallsicher zu gestalten. Nicht umsonst wird das Wachstum im Rechenzentrumsmarkt von großen Anlagen getrieben, während die Gesamtleistung der kleineren Installationen kontinuierlich schrumpft. Auch der Bund arbeitet seit Längerem an der Konsolidierung seiner IT-Infrastruktur und führt seine Rechenzentren und Serverräume zusammen. Darüber hinaus erfordert der Betrieb von Rechenzentren viel Personal, Fachwissen und Erfahrung – etwas, das insbesondere kleinere Landes- und Kommunalbehörden aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels nicht dauerhaft sicherstellen können. Der Königsweg für sie ist die Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die auf den Bau und Betrieb von Rechenzentren nach höchsten Standards spezialisiert sind. Selbst der Bund vertraut auf diese Expertise und nutzt seit Langem Rechenzentren von NTT, einem der Marktführer in Deutschland.

Eine Frage der digitalen Souveränität Alternativen zu Rechenzentrumsdienstleistern haben Behörden kaum. Anders als bei vielen Unternehmen ist die Nutzung öffentlicher Cloud-Angebote oft nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Zu wichtig sind die meisten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, als dass sie die Kontrolle über IT-Systeme, Plattformen, Anwendungen und Daten aus der Hand geben dürfte. Schließlich droht in der Cloud nicht nur ein Vendor Lock-in, der den Anbieterwechsel deutlich erschwert oder sogar faktisch unmöglich macht. Es besteht

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as wollen die Autor(inn) en eines neuen Papiers ändern, das im Rahmen einer NExT-Werkstatt (https://nextnetz.de) über alle Ebenen und Strukturen der öffentlichen Hand hinweg gemeinsam erarbeitet wurde. Der gemeinnützige NExT e. V. – das Netzwerk: Experten für die digitale Transformation der Verwaltung – bringt Beschäftigte aus allen Ebenen der öffentlichen Hand zu Fragen der Digitalisierung in den Austausch. Die Autor:innen des NExT-Papiers machen konkrete, konstruktive Vorschläge zur operativen Umsetzung der KI-Verordnung: Von der Frage, wie das von der Verordnung vorgegebene strukturelle Rahmenwerk aus notifizierender Behörde, notifizierten Stellen und Konformitätsbewertungsstellen (KBS) in die bestehende föderal und sektoral differenzierte Verwaltungslandschaft in Deutschland integriert werden kann, über die nötige Qualifizierung und Gewinnung von Fachkräften bis hin zu Rahmenbedingungen für transparente, verlässliche und gemeinwohlorientierte Prüfprozesse behandelt das Papier eine Reihe von operativen Aspekten, die bisher wenig beachtet wurden. Für jede dieser Fragen werden konkrete Ideen vorgestellt: Die Etablierung von Landesprüfstellen, um insbesondere kleinen und

Behörden Spiegel / März 2022

Moderne Rechenzentren sind die Basis jeder digitalen Verwaltung (BS/Günter Eggers) Bund, Länder und Kommunen benötigen mehr sichere, hochverfügbare und nachhaltige Rechenzentren, als sie eigenständig bauen können. Deshalb ist die öffentliche Verwaltung auf spezialisierte Dienstleister angewiesen, die Rechenzentren nach höchsten Standards errichten und betreiben. Nicht jeder Anbieter kann und will das. NTTs Global Data Centers Division kennt und versteht die Anforderungen der öffentlichen Verwaltung und ist seit Jahren ein zuverlässiger Partner.

Blick auf die PV-Anlage auf dem Dach der größten Rechenzentren von NTT Foto: BS/NTT Global Data Centers

überdies das immanente Risiko, von den eigenen Daten und Diensten ausgesperrt zu werden, sollte der Cloud-Anbieter die Zugänge blockieren oder seine Services abschalten. Da die meisten CloudAnbieter ihren Sitz außerhalb der EU haben und die Zahl der Handelskonflikte sowie geopolitischen Krisen in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, könnten Cloud Services früher oder später ein starkes Druckmittel in den Auseinandersetzungen werden. Daher scheidet für Behörden in der Regel auch die Nutzung von ITSystemen in außereuropäischen Rechenzentren aus. Ihre digitale Souveränität kann nur gesichert werden, wenn auch weiterhin Rechenzentren auf deutschem Boden genutzt werden, deren Betrieb konsequent aus Deutschland heraus erfolgt. Lediglich in dieser Kon­ stellation behalten sie die Hoheit über die Geräte und alles, was sich darauf befindet, und können sich auf die Einhaltung europäischer und deutscher Rechtsvorschriften verlassen.

Eingespielte Prozesse für den Ernstfall Ein Colocation-Anbieter garantiert Behörden ein Höchstmaß an Sicherheit und Verfügbarkeit. Die meisten Betreiber stellen Rechenzentren zur Verfügung, die nach dem IT-Sicherheitsgesetz zu den Kritischen Infrastrukturen zählen

und die strengen Sicherheitsanforderungen des BSI erfüllen müssen. Seit dem vergangenen Jahr liegt der Schwellenwert für die KRITIS-Einstufung von Rechenzentren bei einer IT-Leistung von 3,5 MW. Die Rechenzentren bieten einen hohen physischen Schutz, unter anderem durch strenge Standortkriterien, besonders stabile Gebäude, konsequente Zutrittskontrollen und kontinuierliche Überwachung. Die erforderliche hohe Betriebssicherheit wird durch redundante Kühlsysteme, zuverlässige unterbrechungsfreie Stromversorgung und Notstromversorgung erreicht. Dazu kommen qualifizierte Mitarbeiter, die sich um die Sicherheit und den Rechenzentrumsbetrieb kümmern, sowie eingespielte Prozesse und Notfallmaßnahmen, die regelmäßig getestet und gegebenenfalls angepasst werden.

Funktionierende IT in Krisen­ situationen Damit erreichen die Rechenzentren von NTT eine garantierte jährliche Verfügbarkeit von über 99,99 Prozent und weisen zahlreiche Zertifizierungen wie ISO 27001 oder EN 50600 auf. Allerdings ergeben sich aus den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung teilweise noch deutlich höhere Anforderungen, da wichtige Verwaltungsdienste auch nach

einen klimaneu­ tralen Betrieb vor. Ein Ziel, das in der Branche als ambitioniert, aber Günter Eggers leitet den Geschäftsbereich Öffentlierfüllbar eingestuft che Auftraggeber bei NTT wird und u. a. die Global Data Centers EMEA vollständige Ver Foto: BS/NTT Global Data Centers sorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen Großschadensereignissen wie z.B. voraussetzt. Als einer der ersNaturkatastrophen, Terroran- ten Rechenzentrumsbetreiber in schlägen oder Indus­trieunfällen Deutschland setzt NTT deshalb funktionieren müssen. Die di- schon heute auf Power Purchase gitalen Infrastrukturen von Be- Agreements (PPA) mit entsprehörden sind in solchen Ausnah- chenden Stromanbietern. Ohnehin ist NTT ein Vorreiter mesituationen entscheidend für eine schnelle und koordinierte beim Klimaschutz und engagiert sich im Climate Neutral Data Krisenbewältigung. Um beispielsweise während eines Centre Pact. Bis 2030 will das länger andauernden, großflächi- Unternehmen sämtliche Rechengen Stromausfalls handlungsfähig zentren klimaneutral betreiben zu bleiben, benötigen Behörden und nutzt schon heute – wo imNotstromversorgungen, die ohne mer das möglich ist – besonders Nachtanken für mindestens fünf nachhaltige und energieeffiziente Tage zuverlässig funktionieren. Technologien, wie z. B. FrischluftNicht jeder Rechenzentrumsbetreiber kann oder will derartige Vorgaben erfüllen, die weit über die branchenüblichen Anforde- MELDUNG rungen hinausgehen. Ähnlich sieht es mit den flexiblen Leis- Neuer Mustervertrag für tungszusagen aus, die sich Be(BS/lma) Ab sofort steht der öfhörden oft wünschen und die den fentlichen Hand ein Mustervertrag Anbietern einiges an Planung und zur Beschaffung von CloudleistunVorabinvestitionen abverlangen. gen zur Verfügung. Eine entspreNTT versteht diese besonderen chende Vereinbarung hat der BunAnforderungen der öffentlichen des-CIO Dr. Markus Richter mit Verwaltung und ist für viele Be- der IT-Wirtschaft, vertreten durch hörden schon lange ein zuverläs- den Bitkom-Verband, verhandelt. siger Partner. Die in den Verhandlungen vereinbarten Regelungen werde die vom Grüner Strom für klimaneutra­ Bitkom vertretene IT-Wirtschaft len Rechenzentrumsbetrieb zukünftig bei öffentlichen BeschafModerne, hochverfügbare Re- fungen grundsätzlich akzeptieren, chenzentren erreichen mit PUE- kündigte der Bundes-CIO in einer Werten (Power Usage Effective­ Mitteilung an. Konkret sind nun sogenannte ness) zwischen 1,2 und 1,4 bereits eine sehr gute Energieeffizienz “ergänzende Vertragsbedingungen – nur ein kleiner Teil ihres Ener- für die Beschaffung von Cloudgieverbrauchs entfällt auf die In- leistungen” (EVB-IT Cloud) onfrastruktur zur Stromversorgung line abrufbar. Diese beinhalten und Kühlung der IT-Systeme. laut CIO nicht nur das VertragsIm Koalitionsvertrag schreibt die muster, sondern auch MusterBundesregierung allerdings ab Einkaufsbedingungen (AGB), ei2027 für neue Rechenzentren nen fachlichen Kriterienkatalog

Neue KI-Verordnung Was die öffentliche Hand jetzt braucht, um sie sinnvoll umzusetzen (BS/Anita Klingel) Im April 2021 verabschiedete die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz. Dieser Vorschlag wurde von der breiten Öffentlichkeit in Deutschland grundsätzlich positiv aufgenommen und wird inzwi­ schen auch außerhalb der EU als Blaupause für die regulative Rahmung Künstlicher Intelligenz verwendet. Die Herausforderung dieses Rahmens ist, eine Balance zu finden zwischen gesellschaftlichem Gemeinwohl einerseits und innovativer Freiheit andererseits. Während wirtschaftliche und technische Perspektiven im öffentlichen Diskurs über die KI-Verordnung stark diskutiert werden, kommt eine Stimme bisher relativ selten vor: Die derjenigen, die für die tägliche Umsetzung dieser Verordnung in der öffentlichen Hand zuständig sein werden. sourcen verfügen. Die Definition von KI-spezifischen Kompetenzarten und -tiefen, um über Behörden Anita Klingel ist Leiterin der Werkstatt “KI-Verordnung” des hinweg QualifiNetzwerks NExT. kationen einheitlich beschreiben Foto: BS/NExT e. V./privat zu können. Und nicht zuletzt die mittleren Kommunen den Zugriff Einrichtung eines bundesweiten auf die nötige Prüfexpertise zu Transparenzregisters, in dem alle ermöglichen. Die Verankerung Akteure jederzeit nachvollziehen sektoraler Leitprüfstellen, die aus können, welches algorithmische den allgemeingültig vorgegebenen System (“KI”) sich aktuell bei Standards und Kriterien für den welcher Prüfstelle in welchem jeweiligen Sektor nutzbare und Prüfstadium befindet. Diese konkreten Vorschläge für alle KBS dieses Sektors verbindliche Prüfprozesse ableiten werden in vier Handlungsfeldern und so die Ausnutzung regu- gebündelt: 1. Klare Zuständigkeiten lativer Unterschiede zwischen und übergreifende Zueinzelnen KBS vermindern. In vielen Fällen können hier bestesammenarbeit hende Aufsichtsbehörden erwei Nur wenn klar ist, wer was macht tert werden – müssen dann aber (und wer was nicht macht), auch über die erforderlichen Reskönnen Ressourcen sinnvoll

und bürger/-innenfreundlich eingesetzt werden. Davon profitieren auch Unternehmen und andere Organisationen, deren KI-Anwendungen künftig zertifiziert werden sollen. 2. Sektorale Prozessverantwortung KI-Anwendungen müssen immer in ihrem fachlichen Kontext betrachtet werden – das können die jeweils sektorspezifischen Aufsichtsbehörden am besten. Ihnen muss daher die Prozess- und Standardisierungsverantwortung innerhalb eines bestimmten Sektors obliegen, damit weder “Gießkannenzertifikate” noch regulative Arbitrage möglich sind. 3. Breite, auswirkungsorientierte Definition von KI O b eine KI-Anwendung dem Gemeinwohl dient oder nicht, hängt nicht zwingend von der ihr zugrunde liegenden Tech-

nologie oder dem Bereich ab, in dem sie eingesetzt wird. Die aktuell vorgeschlagene Definition nutzt aber eben diese beiden Kategorien und bürdet damit sowohl zu Prüfenden als auch Prüfenden unnötige Prozeduren auf bzw. schafft blinde Flecken. 4. Ressourcen, um zu handeln Ohne die zu ihrer Umsetzung nötigen Ressourcen bleibt die KI-Verordnung ein zahnloser

und Grundwasserkühlung, wo immer das möglich ist. Einige Rechenzentren sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, andere besitzen begrünte Dächer und fangen Regenwasser für die Nutzung im Sanitärbereich auf. Zudem kompensiert NTT unternehmensweit die Emissionen seines Fuhrparks und ist dabei, alle Standorte mit Ladesäulen für Elektroautos auszustatten. Viel Potenzial steckt überdies in der Nutzung der Abwärme der Rechenzentren. Während große Rechenzentren heute – wenn überhaupt – nur sehr kleine Anteile ihrer Abwärme abgeben, ermöglicht NTT an den ersten deutschen Standorten bereits die Nachnutzung von 20 bis 50 Prozent der anfallenden CO2-freien Abwärme. Gebremst wird eine umfangreichere Abwärmenutzung vielerorts aber noch durch fehlende oder veraltete Wärmenetze und fehlende Abnehmer – hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Nachhaltigkeit ist für NTT ein strategisches Ziel. Als Partner der öffentlichen Verwaltung können sie Behörden auf allen Ebenen unterstützen, ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und moderne, digitale Verwaltungsdienstleistungen umweltfreundlicher zu erbringen.

Cloud-Beschaffungen sowie eine Anlage zur partiellen Einbeziehung von Anbieter-AGB. Dadurch könnten die hohen Anforderungen der Verwaltung an Leistungsqualität, Daten- und ITSicherheit sowie Kontrollrechte bei der Nutzung von Cloudleistungen berücksichtig werden, heißt es weiter. Umgesetzt würden auch die vertraglichen Mindeststandards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie die Basisanforderungen des C5-Katalogs (Cloud Computing Compliance Criteria Catalogue). Der Bundes-CIO kündigte an, dass die EVT-IT Cloud nach 18 Monaten einer erneuten Prüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst werden sollen. Hierzu sei man auch das Feedback der Anwender angewiesen. Dies kann per E-Mail an DGI5@bmi.bund.de gegeben werden.

Papiertiger. Die öffentliche Hand muss jetzt anfangen, intern Personal und Kompetenzen aufzubauen, wenn sie bis zum Inkrafttreten der Verordnung handlungsfähig sein will. Die KI-Verordnung kann ein vielversprechender regulativer Rahmen für den Einsatz von KI-Systemen in Deutschland werden. Diese Systeme können, richtig eingesetzt, wiederum der vielfach geforderten Nutzer/innenorientierung dienen und nicht zuletzt auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung erhalten, indem sie vorhandene Datenmengen nutzbar machen. Um dieses Potenzial für die öffentliche Hand als Anbieterin algorithmischer Systeme zu nutzen, aber auch ihrer Verantwortung als Prüferin derselben gerecht zu werden, “brauchen wir mehr als nur geduldiges Papier” – so das Fazit der Autor(inn)en.

Veranstaltungshinweis (BS) Am 22. März (10:30 Uhr bis 12:00 Uhr) stellen die Autor(inn) en des Papiers die Kernthesen und -ideen zu den einzelnen Handlungsfeldern auf Digitaler Staat Online vor. Interessierte Teilnehmende sind herzlich eingeladen, gemeinsam über nächste Schritte für die öffentliche Hand zu diskutieren, wie die KI-Verordnung in ihrer voraussichtlichen Form wirksam umgesetzt werden kann. Die kostenfreie Anmeldung zu der Veranstaltung “KI-Verordnung: Was die öffentliche Hand jetzt braucht, um sie sinnvoll umzusetzen” ist unter www.digitaler-staat.online möglich.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / März 2022

Datenabruf für den Grundrentenzuschlag

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ereits im Vorfeld war klar: Um den Grundrentenzuschlag innerhalb der bestehenden Strukturen für die rund 26 Millionen Rentenzahlungen antragsfrei überprüfen und dann für die Anspruchsberechtigten berechnen sowie auszahlen zu können, braucht es automatisierte Abläufe – und das nicht nur rentenversicherungsträgersondern behördenübergreifend. Denn für die Berechnung der Zuschläge greift die Rentenversicherung auf Daten aus den Einkommenssteuerbescheiden der Finanzverwaltung zurück. Das Besondere daran: Ein solches Datenabrufverfahren zwischen Rentenversicherung und Finanzverwaltung hatte es bisher nicht gegeben. Folglich musste jeder Arbeitsschritt von A bis Z neu geplant und organisiert werden. Diese hoch komplexe Aufgabe wurde verwaltungsübergreifend von allen Beteiligten erfolgreich und fristgerecht umgesetzt. Inzwischen rollt der Verkehr auf der Datenautobahn für den Grundrentenzuschlag sicher und störungsfrei.

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Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt von Rentenversicherung und Finanzverwaltung (BS/Andreas Schneider/Antje Schmilgus/Torsten Schießler) Die Einführung des Grundrentenzuschlags gehört zu den technisch größten sozialpolitischen Reformprojekten seit der deutschen Wiedervereinigung. Dabei hatte das Gesetz selbst kaum mehr als ein halbes Jahr benötigt, um das parlamentarische Verfahren zu durchlaufen, bevor es im Sommer 2020 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Zum 1. Januar 2021 trat es dann in Kraft. Die Abfolge bedeutete für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) eine große Herausforderung. Denn für die umfangreichen administrativen und vor allem technischen Vorbereitungen stand der Organisation nur ein kleines Zeitfenster zur Verfügung.

Paradebeispiel für ressortübergreifende Zusammenarbeit

Planung und Abstimmung im Multi-Projekt Bereits zum Vorliegen des Koalitionsbeschlusses zur Grundrente Ende 2019 kümmerten sich insgesamt drei Teilprojekte um die technischen Vorbereitungen. Eine im Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichtete Lenkungsgruppe koordinierte die Planungen und stimmte die Arbeitsschritte ab. Im aufwendigsten Teilprojekt wurde unter der Federführung der DRV IT das Kernsystem der Rentenversicherung angepasst. Konkret ging es darum, aus etwa 26 Millionen Versichertenkonten die Anspruchsberechtigten für den Grundrentenzuschlag herauszufiltern, die Anforderungen für die Finanzverwaltung zu erzeugen und die umfangreiche Berechnung des Grundrentenzuschlags einschließlich Einkommensprüfung unter Berücksichtigung auch des Einkommens der Ehepartnerinnen und -partner sowie Lebenspartnerinnen und -partner sicherzustellen. Mehr als 40 Entwicklungseinheiten aus ganz Deutschland kümmerten sich um die notwendigen Änderungen und automatisierte Abläufe. Im zweiten Teilprojekt organisierte eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe die Details für den Datentransfer zwischen den Rentenversicherungsträgern und der

Binnen weniger Monate hat das vom Land Nordrhein-Westfalen federführend betreute Projekt eine funktionsfähige und hoch effiziente Infrastruktur für die Abfrage der Informationen bereitgestellt. Gerade einmal zwei Arbeitstage benötigen die Finanzverwaltungen der 16 Bundesländer im Durchschnitt, um die Anfragen der 16 Rentenversicherungsträger zu beantworten.

Quelle: BS/Deutsche Rentenversicherung Bund

Andreas Schneider, Leiter der DRV-IT Geschäftsstelle/ Projektleiter Datenaustausch, DRV Bund Foto: BS/privat

und störungsfreien Ablauf. In vornehmlich virtuellen Meetings wurden die Projektpläne kontinuierlich abgeglichen Torsten Schießler, Verfahrensmanager DAME, Rechenund bei Bedarf zentrum der Finanzverwaltung angepasst. Zur Nordrhein-Westfalen Entwicklung des DatenabrufverFoto: BS/privat fahrens gehörten Finanzverwaltung. Gemeinsam auch regelmäßige Tests und ein erarbeiteten Mitarbeitende des Risikomanagement dazu. Die Produktmanagements der DRV Inbetriebnahme des Verfahrens IT, der Datenstelle der Rentenver- wurde zusätzlich von allen Besicherung, der koordinierenden teiligten durch ein engmaschiges Stelle der DRV Bund, des Bun- Monitoring begleitet. Bei der Frage, woher die Rendeszentralamts für Steuern und der Finanzverwaltung detaillierte tenversicherung verlässliche Projektpläne für einen sicheren Daten für ein automatisiertes

Bönig wechselt

Antje Schmilgus, Referentin Kommunikation, Stabsstelle Direktorium, DRV Bund Foto: BS/privat

Verfahren zur Auszahlung der Grundrentenzuschläge erhält, kam die Finanzverwaltung mit dem Vorhaben KONSENS – so-

zusagen das dritte Teilprojekt – ins Spiel. KONSENS verwaltet die entscheidende steuerliche Informationsquelle, nämlich das zu versteuernde Einkommen, das als letzte Position im Einkommensteuerbescheid aufgeführt ist und die Basis für die festzusetzende Steuer bildet. Bereitgestellt werden die benötigten Daten durch das Verfahren DAME, das auf eine schnelle Analyse und einheitliche Auswertung vorhandener Informationen ausgerichtet ist.

Die erfolgreich umgesetzten Teilprojekte waren die Voraussetzung dafür, dass die Deutsche Rentenversicherung seit Mitte des Jahres 2021 die für die Bearbeitung der Grundrentenzuschläge erforderliche Einkommensprüfung antraglos vornehmen kann. Der in dieser kurzen Zeit eingeführte automatisierte Datentransfer zwischen der Rentenversicherung und der Finanzverwaltung ist für alle Beteiligten ein enormer Erfolg. Gleichzeitig ist er ein Paradebeispiel in Sachen Digitalisierung und Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg, von dem Mitarbeitende und Versicherte gleichermaßen profitieren. Und längst sind es nicht nur die Rentenversicherung und die Finanzverwaltung, die die neuen digitalen Pfade nutzen. In einem Dankesschreiben an die Mitarbeitenden der DRV Bund merkte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an, dass die neu geschaffenen Datenwege aus dem Datenabrufverfahren Grundrente ohne größeren Aufwand auch für die Auszahlung von CoronaHilfen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie genutzt werden konnten. Für Heil ein bemerkenswertes Ergebnis, welches deutlich macht, dass Synergien möglich sind und der Aufwand sich lohnt.

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Bisheriger CIO/CDO Münchens geht nach Stuttgart (BS/lma) In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart soll ab April 2022 das neu geschaffene Amt für Digitalisierung, Organisation und IT seine Arbeit aufnehmen. Das aus fünf Abteilungen bestehende und rund 400 Mitarbeitende umfassende Amt wird dann von Thomas Bönig geleitet. Der 61-Jährige wurde mit großer Mehrheit vom Stadtrat gewählt. Bisher leitete Bönig in München das IT-Referat und war außerdem Chief Information sowie Chief Digital Officer (CIO/CDO) der bayerischen Landeshauptstadt. Aufgrund der Tatsache, dass sich das Amt noch im Aufbau befinde, sei unklar, wann genau Bönig das Amt antreten könne, teilte die Landeshauptstadt Stuttgart mit.

Scheitern gehört dazu „Meine Heimatstadt Stuttgart hat sich große Ziele bei der Digitalisierung gesetzt. Das ist richtig und wichtig, wenn man effektiv weiterkommen möchte. Vielleicht werden wir auf dem Weg manchmal scheitern. Aber wer nicht scheitert, hat sich keine großen Ziele gesetzt und entwickelt sich nicht weiter”, erklärte Bönig. Eine gelingende Digitalisierung erhöhe die Geschwindigkeit, mache eine Stadt anpassungsfähiger und entlaste die Mitarbeiterin-

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper beglückwünscht Thomas Bönig.

nen und Mitarbeiter. “Ich will Risiken nicht überbewerten, agile Ansätze ausprobieren und baue auf Innovation als Schlüssel für die Leistungsfähigkeit der Stadt”, so Bönig, der vor seiner Tätigkeit in München acht Jahre lang als Abteilungsleiter IT bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder arbeitete. Mit dem neuen Amt will die Neckarmetropole sichtbar machen, dass

Foto: BS/Leif Piechowski, Landeshauptstadt Stuttgart

sie die Herausforderungen der Digitalisierung annimmt und Chancen durch die Bündelung von Kompetenzen nutzt. Bönig soll in seiner neuen Funktion die Geschwindigkeit der digitalen Transformation erhöhen, die Verwaltung als modernen und attraktiven Arbeitgeber erscheinen lassen und digitale Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger entwickeln.

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Zukunftskongress Bayern

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8. Zukunftskongress Bayern

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Oans, Zwoa, Zack, OZG is! Mit neuem Schwung in die digitale Verwaltung

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as die Digitalisierung der Leistungen angeht, sieht Gerlach Bayern auf einem guten Weg: “Was den Freistaat anbelangt, werden wir alle für das OZG relevanten staatlichen Leistungen bis Ende des Jahres digitalisiert haben.” Die Ministerin identifiziert als größte Herausforderung momentan die Flächendeckung. Der Erfolg des OZG entscheide sich auf der kommunalen Ebene. Die Kommunen müssten bei der Umsetzung nun mitziehen. Dies sei schon oft der Fall. Um trotzdem einen weiteren Ansporn zu geben, habe man die Auszeichnung “Digitales Amt” ins Leben gerufen, die Kommunen erhielten, die mindestens 50 Leistungen digital anböten.

Unterstützungsangebote für Kommunen Dr. Vanessa Greger, die im Bayerischen Staatsministerium für Digitales (StMD) die Abteilung “Digitale Verwaltung, Onlinezugangsgesetz, Identitätsmanagement” leitet, beschreibt weitere Maßnahmen, mit denen der Freistaat die Kommunen bei der OZG-Umsetzung unterstützt. Neu etabliert habe man zum Beispiel OZG-Checklisten sowie ein OZGMonitoring, mit welchem die Kommunen immer den aktuellen Umsetzungsstand einzelner Leistungen verfolgen könnten. Außerdem gebe es mit dem “BayernLOZe” einen Leitfaden zur OZG-Umsetzung. Des Weiteren habe man zentral Informationsveranstaltungen durchgeführt, die sehr gut angenommen worden seien. Immer drängender wird im Kontext der Umsetzung jedoch die Frist Ende 2022. Inzwischen hört man von den meisten OZGVerantwortlichen mehr oder weniger deutlich, dass sie die Einhaltung der Frist inzwischen für

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mberg ist eine Bildungsstadt und Standort der ostbayerischen technischen Hochschule und bietet mit Studiengängen wie Digital Business, Digital Technology, Digital Healthcare und Künstliche Intelligenz Fächer an, die sich der Entwicklung des Digitalisierungsprozesses und neuer Technologien verschrieben haben. Julia Schönhärl, die Leiterin Smart City der Kreisstadt, sieht die Voraussetzungen für das Modellprojekt als gegeben an: “Wir haben hier flächendeckende Breitbandraten von 50mbit/s und können auch mit der Initiative der Nachhaltigen

Auf die Kommunen kommt es an Es braucht Unterstützung und eine EfA-Weiterentwicklung (BS/Matthias Lorenz) 2022 ist ein entscheidendes Jahr für die Verwaltungsdigitalisierung – so drückte es Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales und Schirmherrin des Zukunftskongresses Bayern, zu Beginn des Online-Events aus. Denn: Man befindet sich inzwischen auf der Zielgeraden des Onlinezugangsgesetzes (OZG), dessen Umsetzungsfrist Ende des Jahres abläuft. Doch wie ist in Bayern der Stand der Umsetzung? unrealistisch halten. Doch wie könnte man auf diese Situation reagieren? An diesem Punkt sieht Dr. Greger vor allem die Herausforderung, die kommunalen Leistungen, welche den Großteil der OZG-Leistungen ausmachten, in die Fläche zu kriegen. “Das bedeutet, dass hier priorisiert werden muss”, schlussfolgert die Abteilungsleiterin. In Bayern habe man mit der Ausrufung sogenannter TOP-Leistungen eine solche Priorisierung bereits vorgenommen, auch der Bund werde 40 Leistungen vorschlagen und diese auf dem bundesweiten OZG-Dashboard monitoren. Das Motto der Priorisierung soll laut Dr. Greger “Konzentration auf das, was gefragt ist” lauten. Heißt: Der Fokus müsse jetzt auf Leistungen mit einer großen Wirkorientierung gelegt werden. “Es gibt viele Leistungen, die gar kein Digitalisierungspotenzial haben”, erklärt Greger. Als Beispiel nennt sie Leistungen, die nicht in jeder Kommune angeboten würden (Stichwort Anwohnerparkausweis) oder solche, die nur eine geringe Nachfrage hätten. “Diese Leistungen kann man getrost erstmal hintenanstellen”, so Greger. Trotzdem stellt gerade die OZGUmsetzung die Kommunen jedoch weiterhin vor große Herausforderungen, wie auf dem Kongress durch Chatbeiträge und Aussagen von Kommunalvertretern deutlich wurde. Thomas

super.” Als Beispiel nennt die CSU-Politikerin das Unternehmenskonto. Da Unternehmen meist deutschlandweit agierten und einen Single Point of Contact bräuchten, sei es unsinnig, wenn jedes Land eine eigene Lösung baue.

Was folgt?

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach auf dem Zukunftskongress Bayern 2022 Screenshot: BS/Lorenz

Bönig, CIO/CDO der Landeshauptstadt München, kritisiert das Gesetz scharf: “Das OZG geht zulasten der Kommunen.” Schließlich schreibe es ja gerade nicht die Digitalisierung der Verwaltung vor, sondern nur die der Antragsstellung. München setze deswegen auf eine eigene Digitalisierungsplattform. Auch Olaf Kuch, Leiter des Direktoriums für Bürgerservice, Digitalisierung und Recht der Stadt Nürnberg, hält das OZG nicht für eine “echte Digitalisierung”. Deswegen betrachte man in Nürnberg bei der Digitalisierung von Leistungen immer den gesamten Prozess. “Die Prozessveränderung muss immer von Anfang an mitgedacht werden, ansonsten bauen wir altbackene analoge Prozesse einfach nur mühsam digital nach”, warnt Kuch. Auch versuche man, direkt die Fachver-

fahren mit einzubinden, was sich aber unter anderem aufgrund der starken Auslastung der Fachverfahrenshersteller als eine große Herausforderung darstelle.

Kritik an EfA Die Beispiele aus München und Nürnberg zeigen: Kommunen werden selbst aktiv, weil ihnen die Vorgaben des OZG nicht weit genug gehen oder sie diese sogar kontraproduktiv finden. Dies widerspricht teilweise dem Einer-für-Alle (EfA)-Prinzip, welches dafür sorgen soll, dass Leistungen möglichst einheitlich sind und nicht jeder alle Leistungen selbst digitalisiert. Während Bönig große Zweifel an dem Konzept äußert, sieht Ministerin Gerlach EfA zumindest für Bereiche, in denen es eine große Einheitlichkeit braucht, positiv. “Bei diesen Leistungen ist EfA

Trotzdem meint auch Gerlach: “Das EfA-Prinzip sorgt bei Kommunen für Verunsicherung.” Dies liege zu einem großen Teil daran, dass es nicht klar sei, wie es nach 2022 weitergehe. Stichwort ist hier die Folgefinanzierung, also die Frage, wie man Betrieb und Wartung einer Leistung regelt, falls man eine Leistung als Nachnutzer im Sinne des EfAPrinzips übernimmt. Hier, so Gerlachs Forderung, müsse der Bund klare Regelungen treffen. Vom “Dogma EfA”, so die Ministerin, müsse man sich ein Stück weit lösen und mehr Flexibilität zulassen. E-Government sei zu 90 Prozent kommunal und damit sehr heterogen. “In diesen Bereichen wird es sehr schwierig, eine komplette Vereinheitlichung zu erreichen”, analysiert Gerlach. Es werde Fälle geben, in denen sich Kommunen unterschiedlich entscheiden würden. Gerlach plädiert deswegen dafür, das EfAPrinzip in diesen Fällen durch andere Nachnutzungsmodelle abzulösen, etwa unter dem Stichwort “Einer-für-Viele”. Derweil muss auch die Frage diskutiert werden, wie es nach

Amberg und der Weg zur Smart City Breite Vernetzung notwendig (BS/Paul Schubert) Um Aushängeschilder für die erfolgreiche Digitalisierung von Kommunen und Städten zu etablieren, können derzeit nur die über die Bundesförderung finanzierten Modellprojekte wirklich durchstarten, den anderen Kommunen fehlt es oft an den finanziellen Kapazitäten – gerade in der Zeit nach der Corona-Pandemie. Smart Citys können als Vorzeigeprojekt dienen und eine große Außenwirkung entwickeln, das gilt für kleinere wie größere Kommunen. Die bayerische Stadt Amberg befindet sich seit 2021 auf dem Weg zur Smart City. Die Voraussetzungen dafür scheinen ideal, aber es gibt noch einige Hürden. Auch die Stadt Regensburg verfolgt einen Smart-City-Ansatz und setzt dabei auf kreative Bürger/-innenbeteiligung. Entwicklungsziele eine gemeinwohnorientierte, nachhaltige Stadtentwicklung anstreben.” Als Leiterin des Prozesses möchte Schönhärl die Prozesskosten in der Verwaltung reduzieren und Wirtschaft, Wissenschaft und

Verwaltung zusammenschließen – ein Vorgehen, das durch die Smart City gestärkt werden könnte. Besonders wichtig ist Schönhärl die Etablierung von Bürger/-innenbeteiligung als Schlüsselelement – nur so könn-

Smart City zu werden hat sich die bayrische Kreisstadt Amberg seit 2021 auf die Fahne geschrieben und hat sich auf den Weg gemacht. Die Voraussetzungen scheinen gut, auch wenn das Vorgehen unter den üblichen schwierigen Vorzeichen zu leiden scheint. Foto: BS/Gerd Altmann, pixabay.com

ten Digitalisierung und Smart City auf die angezielte Akzeptanz stoßen.

Regensburg setzt auf Begegnungsräume Auch Franziska Meier, SmartCity-Koordinatorin der Stadt Regensburg ordnet Bürger/ -innenbeteiligung eine hohe Relevanz zu, wenn es um SmartCity-Ansätze geht. Dabei fordert Meier, die Vernetzung auch vor Ort stattfinden zu lassen und bestimmte Zielgruppen nicht von der Diskussion auszuschließen: “Die Diskussion muss dort stattfinden, wo die Menschen schon jetzt unterwegs sind und bereits kreative Prozesse gestartet haben.” In Regensburg sei dafür ein Gestaltungsraum eingerichtet worden, in dem sich Bürger/ -innen beteiligen können und in dem auch Workshops stattfinden. Student(inn)en der Uni Regensburg unterstützen dort das Projekt unter anderem bei der Erprobung eines neuen Parti-

zipationsformates. Des Weiteren merkte die Projektleiterin Schönhärl auf dem Zukunftskongress Bayern an, dass eine traditionell starke Vernetzung als Basis für breit angelegten Austausch und Wissenstransfer auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene vonnöten wäre: “Denn nur gemeinsam können wir innovative Lösungen für die Stadt finden und das Ganze sozial und insbesondere auch gerecht gestalten.”

Viele Steine noch im Weg Es gebe allerdings einige Herausforderungen, sagte Schönhärl: “Der Mehrwert der Digitalisierung ist landesweit zu wenig transparent kommuniziert. Die Motivation der Akteure zur Nutzung ist viel zu gering. Die Bayern App und das Bayernportal für den digitalen Verwaltungsservice werden nur von einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung aktiv genutzt.” Auch weil die Registrierung aufwendig

dem OZG weitergeht. StMDAbteilungsleiterin Greger sagt, man werde viele Erkenntnisse aus dem OZG mitnehmen und in einem Nachfolgegesetz fortschreiben. Hier würden dann die Weichen in Richtung Ende-zuEnde, Registermodernisierung und weiteren Aspekten gestellt. Laut Ansicht vieler Expertinnen und Experten ist es für diese Weichenstellung auch höchste Zeit. “Bis jetzt wird meist nur der Online-Zugang gesehen”, kritisiert etwa Torsten Frenzel von der Stabstelle Digitale Verwaltung der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Je mehr Fachverfahren allerdings in eine digitale Leistungsbearbeitung integriert würden oder je sauberer die digitalen Prozesse an sich gestaltet würden, desto mehr Vorteile bringe die Digitalisierung auch für die Verwaltungsmitarbeitenden selbst. Bei der AKDB arbeitet man laut Frenzel deswegen bereits an sogenannten “GenerationM-Fachdiensten”. Für diese werde es kein eigenes Portal mehr brauchen, vielmehr könnten sie beliebig in Websites oder andere Portale eingebunden werden, kündigt Frenzel an. Des Weiteren könnten die Kunden diese Fachdienste individuell nach ihren Vorstellungen konfigurieren, sowohl in den Bereichen Layout/Design als auch Text. Alle GenerationM-Fachdienste würden EfA-konform umgesetzt, basierten auf Open Source und verfügten über FachverfahrensSchnittstellen. Deutlich wird also: An der Volldigitalisierung der Verwaltung wird auch in Bayern längst gearbeitet. Ein OZG 2.0, so wie von vielen Beteiligten gefordert, wird diese Punkte adressieren. Dr. Greger verspricht: “Wir gehen diesen Part mit Volldampf an!”

sei. Weitere Probleme seien die knappen Ressourcen. Ohne Fördermittel könne der Öffentliche Dienst bei den Gehältern der Fachkräfte kaum mithalten, kritisierte die Projektleiterin auf dem Zukunftskongress. Damit fehlten aktuell die nötigen Kompetenzen zur ganzheitlichen Umsetzung, schlussfolgert Schönhärl: “Die Modelle allein sind nicht ausreichend. Ein flächendeckender Support wäre nötig, insbesondere von kleineren Kommunen.” Doch man hat sich auf den Weg gemacht – und Schönhärl kann auf viele engagierte Kolleg(inn)-en bauen. Auch wenn sich die meisten sicher erst noch anfreunden müssen, auch “smart” zu nennen, was smart ist. Eine Strategie soll den Mehrwert klar erkennbar machen, den die Verwaltung und die kommunalen Unternehmen haben müssen: “Wir müssen alle Mitarbeitenden mitnehmen”, so die Projektleiterin. Zeitnah solle dann die Stadtgesellschaft zur Mitgestaltung eingeladen werden. Schließlich, so äußerte sich Schönharl weiter, müsse man den Nachhaltigkeitsaspekt im Vordergrund sehen: “Ein wichtiger Punkt ist die Vernetzung mit allen relevanten Akteuren des urbanen Ökosystems. Die Smart City muss ein Ziel haben, das werden wir gemeinsam definieren”, folgerte die Leiterin des Projektes.


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ückwirkend betrachtet lagen mit der Rückendeckung durch entscheidende Stakeholder und der Handlungsempfehlung einer externen Beratungsgesellschaft gute Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Start einer agilen Transformation in einem skalierten Umfeld vor. Aber wie wird jetzt der Transformationsprozess in der Praxis zur Implementierung des Scaled Agile Frameworks angegangen und wie viel externe Unterstützung wird dafür wirklich benötigt? In Niedersachen haben wir uns hierzu an der SAFe Implementation Roadmap orientiert und diese für die Verwaltung Schritt für

$JLOLWÃW LQ GHU 3UD[LV 7HLO Schritt fortentwickelt. Rückwirkend betrachtet war der wichtigste erste Schritt die Implementierung eines kleinen, agilen Kompetenzzentrums, des sogenannten LeanAgile Center of Excellence (LACE). Das LACE kann als methodischer Nukleus verstanden werden, dessen Implementierung gem. SAFe ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zwischen Organisationen ist, die die agile Transformation wirklich ernst meinen und solchen, die eine Transformation nur dem Namen nach betreiben. Echte Agilität greift tief in die Organisation, Kultur und auch Strukturen ein und verlangt über einen langen Zeitraum viel Disziplin aller beteiligten Akteure. Daher ist es absolut erfolgskritisch, dass das LACE mit Methodenexperten besetzt ist, die über die notwendigen langjährigen praktischen Erfahrungen in großen agilen Transformationen verfügen – ein einfaches Zertifikat reicht hier nicht aus. Dank des

Das LACE Erfolgsfaktor einer agilen Transformation im skalierten Umfeld (BS/André Henke) Im ersten Teil der Serie “Agilität in der Praxis” berichtete ich über das mir entgegengebrachte Vertrauen und die schnelle Entscheidung des CIOs des Landes Niedersachsen, Dr. Horst Baier: “Sie bekommen ein LACE und wir machen SAFe”. Was ich bisher nicht erwähnte, war die Durchführung eines Programm-Reviews durch eine in Deutschland führende Beratungsgesellschaft, die auf Basis identifizierter Druckpunkte im Programm Digitale Verwaltung Niedersachsen ebenfalls die Einführung des Scaled Agile Frameworks (SAFe) empfahl. Rahmenvertragspartners unseres Landes-IT-Dienstleisters hatten wir auch hier etwas Glück und konnten u. a. einen der erfahrensten und profiliertesten agilen Berater für SAFe in Europa mit seinem Team für das LACE gewinnen. Die Frage nach der Größe des LACE lässt sich mit einer Empfehlung seitens SAFe beantworten. Empfohlen wird eine Größe von vier bis sechs engagierten Personen, die einige hundert Praktiker unterstützen können. Im Transformationsprozess in Niedersachsen hat eine Größe des LACE von vier Personen ausgereicht. “Weniger ist mehr” lautet hier die Botschaft. Die Leitung des LACE erfolgt durch mich in der Rolle als Programmleiter, was sich als zielführend erwies, da die notwendige Umsetzungsbefugnis einzelner Transformationsschritte damit gegeben war. Kritischer Erfolgsfaktor eines LACE ist Entscheidungs- und Umsetzungsbefugnis, ohne die es unweigerlich zu Verzögerungen im Transformationsprozess kommt. Die Rolle der Leitung des LACE muss auch als Brücke zwischen den beiden Welten der Agilität und der Verwaltung verstanden werden. Methodenkompetenz ist auch hier unerlässlich.

Aber was genau macht jetzt das LACE? Nachdem das LACE installiert war, begannen wir im ersten Schritt in Anlehnung an die bereits erwähnte SAFe Implementation Roadmap, einen groben Plan zur Transformation zu erstellen. Hierzu gehörten u. a. die frühzeitige Durchführung einer Informationsveranstaltung für Top-Entscheider und die

MELDUNG

Materna übernimmt Virtual Solution (BS/gg) Die Materna-Gruppe hat zum 15. Februar das Münchener Software-Unternehmen Virtual Solution AG zu 100 Prozent übernommen. Das Unternehmen beschäftigt rund 90 Mitarbeitende und entwickelt Software für eine sichere ultramobile Arbeitsumgebung auf Smart Devices für die Betriebssysteme iOS und Android. Zur Kundenstruktur von Virtual Solution gehören hunderte Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden, BOS und KRITISUnternehmen, die mithilfe der BSI-zugelassenen Lösungen über

Behörden Spiegel / März 2022

ultramobile Endgeräte bis auf Geheimschutzniveau DSGVOkonform kommunizieren und arbeiten. Es ist die bislang einzige plattformübergreifende Lösung dieser Art. Mit dem Kauf und der Weiterentwicklung der Software-Produkte von Virtual Solution will Materna die Marktposition als Lösungsanbieter für die öffentliche Verwaltung weiter ausbauen. Virtual Solution wird als eigenständiges Unternehmen in der MaternaGruppe geführt. CEO der Virtual Solution AG bleibt Sascha Wellershoff.

Abhängigkeits-Board mit abgestimmten Zulieferungen aller Projekte nach einem PI-Planning mit dem niedersächsischen LACE unter Leitung von André Henke (2.v.r.), Programmleitung Digitale Verwaltung Niedersachsen, Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Foto: BS/privat

schrittweisen Schulungen der internen Mitarbeiter sowie die Identifikation der Punkte, mit denen wir schnellstmöglich die

Vorteile einer agilen Transformation sichtbar machen konnten. Die wesentlichen Quick-Wins waren die Transparenz über

den fachlichen und finanziellen Fortschritt des Programmes, die Planbarkeit trotz hoher Komplexität und Ungewissheit sowie die

Ertüchtigung zu einer schnellen bzw. frühzeitigen Wertschöpfung. Konkret wurden daher Schritt für Schritt die relevantesten agilen Regeltermine, Rollen und sogenannten Planungsartefakte implementiert und nicht mehr benötigte abgeschafft. Verschiedene Transformationsschritte stellten große Herausforderungen dar, die gemeinsam mit den Experten der Verwaltung und der Expertise des LACE gelöst werden konnten oder sich aktuell in einem Lösungsprozess befinden – tarifrechtliche oder haushaltsrechtliche Rahmenbedingungen in der öffentlichen Verwaltung seien hier nur als Beispiel genannt. Einer der ersten großen sichtbaren Implementierungsschritte, die wir unter Federführung des LACE vorgenommen haben, war die Implementierung des PI-Plan­ nings, des agilen Herzschlags des Scaled Agile Frameworks. Einmal im Quartal kommen alle Programm-Mitarbeiter/-innen ebenenübergreifend zusammen und verhandeln projektübergreifende Abhängigkeiten und beplanen gemeinsam das weitere Vorgehen der nächsten drei Monate. Ohne dieses Planungsevent funktioniert SAFe nicht. Aber wie genau ein PI-Planning abläuft und welche Herausforderungen wir meistern mussten, wird im dritten Teil der Serie “Agilität in der Praxis” erklärt.

Mehr Transparenz Die fünf Seiten einer Nachricht (BS/Dirk Weingarten) Einst gab Friedemann Schulz von Thun sein “Vier-Seiten-Modell” zum Besten. Nun legt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seit 2018 noch einen drauf. Denn diese öffnet langsam, aber sicher die Büchse der Pandora. Und da sind sie: Rechtsanwälte, Beschäftigte, ­Aufsichtsbehörden, Bürger und Gerichte. Ihnen gemein ist das Streben nach Transparenz (und Geld). Was hat es nun damit auf sich, wenn der Postmann fünfmal klingelt? Schaut man sich der Reihe nach die Artikel der DSGVO an, wird dem geneigten Leser schnell klar, warum der Gesetzgeber im Anschluss an die “Allgemeinen Bestimmungen” und die “Grundsätze” sicherheitshalber schon mit Artikel 12 beginnend die “Rechte der betroffenen Personen” formulierte. Ob ihrer Bedeutung. Und genau daran knüpfen dann auch die verwegenen Fünf an.

Zu Rechtsanwälten: Hier sind sich die Gerichte noch ein wenig uneinig, was warum wie abgemahnt werden darf oder eben nicht. So sieht beispielsweise das LG Frankfurt am Main (Urt. v. 26.09.2019 – 2-03 O 402/18) durchaus diese Möglichkeit beim unerlaubten Verbreiten eines Fotos und auch das OLG München (Urt. v. 21.03.2019 – 6 U 3377/18 und 07.02.2019 – 6 U 2404/18) sieht einen UWG-Anspruch wegen unerlaubter Telefonwerbung

durch die DSGVO nicht ausgeschlossen. Ebenso das LG Würzburg (Beschl. v. 13.09.2018 – 11 O 1741/18 UWG) und das OLG Hamburg (Urt. v. 25.10.2018 – 3 U 66/17). Die Gegenposition vertreten unter anderen das LG Wiesbaden (Urt. v. 05.11.2018 – 5 O 214/18) und ebenso das LG Bochum (Urt. v. 07.08.2018 – I-12 O 85/18). Das LG Stuttgart, welches DSGVOVerstöße als nicht abmahnbar und nicht verfolgbar erachtete (Urt. v. 20.05.2019 – 35 O 68/18 KfH), musste sich dann kürzlich durch das OLG Stuttgart (Urt. v. 27.02.2020 – 2 U 257/19) belehren lassen: Verstöße gegen die DSGVO sind dann doch, so dass OLG, Wettbewerbsverletzungen und somit gerichtlich verfolgbar. Das gibt somit dann Wettbewerbsverbänden auch die Möglichkeit, bestimmte Verstöße abzumahnen. Bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten; der Trend scheint sich derzeit jedoch pro Abmahnung zu bewegen. Dazu passt auch, dass Dr. Stefan Brink, der LfDI BadenWürttembergs, am 16.05.2019 seine damalige Twitter-Gemeinde wissen ließ: “Es gab seit Februar 2019 über 1.500 Abmahnungen. (…) In BaWü waren besonders Ärzte und ihre Webseiten betroffen.”

Zu Beschäftigten: Getreu dem Motto “Was ich immer schon mal fragen wollte” wendet sich der eine oder andere Beschäftigte an seinen Arbeitgeber oder auch Dienstherrn, um ein wenig über sich zu erfahren. Hilfreich sind hierbei sicherlich im Netz frei verfügbare “Folterfragebögen”, die den Brotgeber wissen lassen, welche Rechte – insbesondere das auf Auskunft, Art. 15 DSGVO – der Beschäftigte hat und wie lange man sich mit der Beantwortung der Fragen Zeit lassen darf oder was eben gemacht werden muss,

Dirk Weingarten, Erster Polizeihauptkommissar, Ass. jur. und zertifizierte Fachkraft für Datenschutz, ist seit über zwölf Jahren behördlicher Datenschutzbeauftragter (bDSB) bei der Polizei Hessen und koordiniert seit über zehn Jahren die bDSBn der Polizei Hessen. Foto BS/HöMS

Datenschutz in der Polizei

Teil 3: TRANSPARENZ

wenn die Antworten nicht gleich parat liegen. Schließlich wird zudem dezent darauf hingewiesen, dass man als Betroffener sich vertrauensvoll an die jeweilige Datenschutzaufsichtsbehörde wenden kann und dies auch macht, fallen dem Arbeitgeber/ Dienstherrn nicht dann doch die richtigen Dinge ein. Und da sind wir auch schon bei den Nächsten.

Zu Aufsichtsbehörden: Derzeit scheinen sich die Aufsichtsbehörden mit der Höhe der Bußgelder – bei nicht öffentlichen Stellen – gegenseitig zu überbieten (tagesaktuelle Auflistung unter: https://www.dsgvo-portal.de/dsgvobussgeld-datenbank.php). Sollte es dann möglicherweise eines Tages so sein, dass die Bußgelder in das Budget der Aufsichtsbehörden fließen, dürfte die Motivation noch einmal steigen. Auch könnte die derzeitige Bußgeldspirale noch mal an Fahrt gewinnen, wenn Bußgelder auch gegen Behörden möglich wären. Davon hat der Gesetzgeber (bisher) keinen Gebrauch gemacht, obwohl die DSGVO diese Möglichkeit prinzipiell zulässt, Art. 83 Abs. 7 DSGVO. Daneben haben die Aufsichtsbehörden mannigfaltige

Möglichkeiten wie anzuweisen, Prüfungen durchzuführen, hinzuweisen, Zugang zu erhalten, zu warnen, zu verwarnen, Verbote zu verhängen und manches mehr. Obacht jedoch: Wird die Löschung einer Gesichtserkennungsdatei der Polizei angeordnet oder müssen Beamte mehr als eine Million Akten überprüfen (https://www. abendblatt.de/hamburg/article 226124957/Datenschutz-Polizeimuss-Mehrheit-der-alten-Aktenloeschen.html), kann es passieren, dass der Datenschützer wichtige Befugnisse verliert (https:// netzpolitik.org/2019/hamburgerpolizeigesetz-datenschuetzer-sollwichtige-befugnis-verlieren/).

Zu Bürgern: Diesem geht es ähnlich wie dem Beschäftigten. Nur wendet sich dieser nicht an seinen Arbeitgeber/Dienstherrn, sondern an alle, bei denen er seine Daten vermutet. Ob Firmen, Behörden, Einrichtungen, Vereine oder was auch immer. Dort werden Sie geholfen! Eingereicht wird der “Folterfragebogen” und postwendend kommt dann die Antwort. Ganz praktisch, auch das personenbezogene Datum als portables Gut zu begreifen. Das Recht auf Datenübertragbarkeit, Art. 20 DSGVO, macht es möglich.

Zu Gerichten: Je nach Datenschutz-Affinität oder Notwendigkeit wird sich im Verfahren der eine oder andere Spruchkörper Gedanken um den Datenschutz machen. Möglicherweise verhelfen auch mal die Parteien. Und dann wird im Verfahren geklärt: Wie ist es um ihr Datenschutzmanagement bestellt? Wie steht es um die Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO)? Das Gesamtverzeichnis, Art. 30 DSGVO? Und so weiter. Fragen über Fragen. Und Antworten? Hoffentlich! Spätestens jetzt ist gewiss, wo Gefahren lauern. Die Büchse ist nämlich bereits geöffnet. Ludi incipiant. Die Spiele mögen beginnen.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / März 2022

B

ehörden Spiegel: Wo stehen wir rund zehn Monate vor Fristende der OZG-Umsetzung? Schmidt: Ich glaube, es ist allen bewusst, dass die Digitalisierung der Verwaltung eine Aufgabe ist, die nicht zum Ende des Jahres mit Ablauf des OZG beendet sein wird. Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine dauerhafte Aufgabe, die eine ständige Weiterentwicklung erfordert. Wie diese Entwicklung genau aussehen wird und ob sie OZG 2.0 heißt oder ein anderes Format zum Tragen kommt, wird sich zeigen. Entscheidend ist: Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, aber das Ziel ist noch nicht erreicht.

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Ein funktionierendes Gesamtgefüge Die OZG-Umsetzung braucht gemeinsame Schnittstellen und Standards (BS) Die FITKO (Föderale IT-Kooperation) agiert als Organisation des IT-Planungsrats an der föderalen Schnittstelle der Verwaltungsdigitalisierung. Welche Rolle die FITKO bei der OZG-Umsetzung hat und welche Personalbedarfe sich aus den Aufgaben der Organisation ergeben, erklärt FITKOPräsidentin Dr. Annette Schmidt im Gespräch mit Matthias Lorenz.

“Die Herausforderung liegt darin, aus der Vielzahl der Ideen und Möglichkeiten ein funktionierendes Ganzes zu machen.”

Behörden Spiegel: An welchen Stellen des OZG-Umsetzungsprozesses ist die FITKO im Moment besonders gefordert? Schmidt: Wir sorgen beim Umsetzungsprozess vor allem im Rahmen des übergeordneten Programm-Managements gemeinsam mit dem BMI für die Informationsbereitstellung und den Austausch. Hier haben wir die Informationsformate mittlerweile optimiert und besser an den Bedürfnissen derjenigen ausgerichtet, die mit dem OZG in Bund, Ländern und Kommunen betraut sind. Diese neuen Formate werden gut angenommen, wir haben meist zwischen 200 und 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dies zeigt, dass wir bei unserer Schwerpunktsetzung auf dem richtigen Weg sind. Daneben unterstützen wir im Auftrag des IT-Planungsrats die Nachnutzung von Leistungen im Sinne des Einer-für-Alle-Prinzips (EfA), beispielsweise mit dem FIT-Store oder FIT-Connect. Behörden Spiegel: Damit arbeiten Sie an der Schnittstelle der föderalen Koordination und Kooperation. Wie kann man hier erfolgreich sein? Schmidt: Das föderale Umfeld, das erleben wir in Zeiten von Corona und auch im Bereich der Digitalisierung, ist ausgesprochen vielschichtig und häufig geprägt von Partikularinteressen. Diese Vielfalt ist zwar eine Herausforderung, sie bietet aber auch Chancen. Durch sie werden viele Ideen, Umsetzungsszenarien und Umsetzungsmöglichkeiten generiert. Die Herausforderung liegt darin, aus der Vielzahl der Ideen und Möglichkeiten ein funktionierendes Ganzes zu machen. Technisch lässt sich dieses Problem durch entsprechende Schnittstellen und Standards relativ einfach lösen, organisatorisch ist es schwieriger. Hier kommt es darauf an, die Mehrwerte für alle Beteiligten aufzuzeigen, Akzeptanz zu schaffen und es bedarf der Bereitschaft der Akteure, Kompromisse einzugehen. Als FITKO nehmen wir dabei eine neutrale Rolle ein. Sie besteht darin, für die Zusammenarbeit zu werben und Lösungen anzubieten bzw. zu unterstützen, die möglichst vielen Anforderungen gerecht werden. Wir setzen uns dafür ein, dass standardisierte Schnittstellen und IT-Architekturrichtlinien umgesetzt werden, damit ein föderales Gesamtgefüge entsteht, in dem möglichst alles miteinander kompatibel ist. Am Ende sollen vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger mit dem Erzielten zufrieden und die Verwaltung gut für die Herausforderungen der Zukunft aufgestellt sein. Behörden Spiegel: Ist dies eine der Erfahrungen, die man aus der OZG-Umsetzung für andere Großprojekte der Digitalisierung mitnehmen sollte? Schmidt: Hier möchte ich etwas differenzieren. Zum einen, und darüber haben wir gerade gesprochen, müssen alle an einem

Dr. Annette Schmidt, Präsidentin der FITKO, spricht im Interview mit dem Behörden Spiegel über die OZG-Umsetzung, IT-Großprojekte und die Organisation FITKO. Foto: BS/FITKO

Strang ziehen. Andererseits gibt es ein paar weitere Dinge, nämlich die klassischen Erfolgsfaktoren des Projektmanagements, die im föderalen Umfeld etwas schwieriger umzusetzen sind. Wichtig ist zunächst, dass die Projekte von den Anforderungen und nicht von einer bestimmten Lösung her gedacht werden. Dies ist leider nicht immer der Fall. So besteht die Gefahr, dass wichtige Aspekte übersehen und neue Entwicklungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Darüber hinaus muss klar geregelt sein, wer welche Rollen und Verantwortlichkeiten übernimmt. Ferner wäre es an vielen Stellen hilfreich, wenn nicht nur Berater, sondern auch die vorhandene Fach- und Projektmanagementkompetenz in den eigenen Reihen verstärkt zum Einsatz kommt.

Unter Umständen kann auch mit einer angepassten Schwerpunktsetzung auf Leistungen mit einer sehr großen Reichweite eine schnellere Verbreitung unterstützt werden. Behörden Spiegel: Derzeit gibt es auf der FITKO-Homepage bis auf eine Ausnahme keine offenen Stellenausschreibungen. Ist Ihr

Personalaufbau weitestgehend abgeschlossen? Schmidt: Der Personalaufbau für 2021 ist abgeschlossen. Derzeit sind 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der FITKO beschäftigt. Wir haben im letzten Jahr eine Personalbedarfsermittlung auf der Grundlage unserer Aufgaben – Stand Mai

Behörden Spiegel: Stichwort EfA: In manchen Ländern wächst die Ungeduld angesichts ausbleibender Leistungen, die eigentlich von anderen Ländern entwickelt werden sollten. In Thüringen plant man, Leistungen, die bis Mai noch nicht als EfA-Leistungen vorhanden sind, selbst zu entwickeln. Was halten Sie von dieser Vorgehensweise? Schmidt: Ich kann die Ungeduld verstehen. Wir sehen es ja im Zusammenhang mit dem FIT-Store, wie wenig EfA-fähige Leistungen bisher überhaupt zur Verfügung gestellt werden können. Wir rechnen jedoch damit, dass es zum Jahresende einen deutlichen Sprung geben wird.

Behörden Spiegel: Was kennzeichnet den “FITKO-Spirit”? Schmidt: Die FITKO kennzeichnet eine sehr kollegiale, wertebasierte Kultur. Wir haben eine ausgeprägte Vertrauensund Fehlerkultur, außerdem ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Flexibilität. Das sind Dinge, die sehr gut ankommen und die man in der Verwaltung eher weniger erwartet. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht aus, dass sie mit ganz unterschiedlichen Leidenschaften, Stärken und Kenntnissen an den vielfältigen Aufgaben arbeiten. Sie machen die FITKO zu dem, was sie ist. Daher achten wir bei der Auswahl nicht nur auf die fachliche Kompetenz. Diese ist uns natürlich wichtig, aber wir wollen, dass die Person auch unsere Werte und unsere Auffassung von Arbeit teilt. Hier hatten wir bisher ein glückliches Händchen, sodass wir ein Team haben, welches super funktioniert, hoch motiviert ist und die FITKO und ihren Spirit trägt.

LEVEL UP YOU CAREER

Behörden Spiegel: Welche anderen Großprojekte beschäftigen Sie denn im Moment? Schmidt: Die Schwerpunkte der FITKO liegen 2022 im Wesentlichen im Bereich IT-Architektur und Standards, um eine möglichst breite Kompatibilität der Systeme herzustellen. Darüber hinaus ist ein zentrales Thema die Förderung der Nachnutzung von OZG-Leistungen im Sinne des EfA-Prinzips auch im kommunalen Bereich, die wir z. B. mit dem FIT-Store unterstützen. Darüber hinaus sind wir dabei, die Übernahme von weiteren Produkten des IT-Planungsrats vorzubereiten und natürlich unsere Organisation weiterzuentwickeln. Bei anderen föderalen Großprojekten, wie z. B. der Registermodernisierung und der Verwaltungscloud, sind wir in den für uns relevanten Gremien vertreten.

2021 – gemacht, die insgesamt 67 Beschäftigte bis Ende 2023 vorsieht. Die Stellen können wir entsprechend den Vorgaben der Finanzminister/-innen von Bund und Länder voraussichtlich ab Mitte 2022 und 2023 besetzen. Dieser Zeitplan ist ausgesprochen sportlich, weil wir Anfang 2023 einige weitere Produkte des IT-Planungsrates

übernehmen müssen. Dazu gehören unter anderem die einheitliche Behördenrufnummer 115, die interoperablen Servicekonten und GovData. Dazu bedarf es auch eines umfassenden Wissenstransfers, der nur gelingen kann, wenn die benötigten Ressourcen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Gerade bei den sehr dynamischen Digitalisierungsaktivitäten erschwert der vorgelagerte Haushaltsprozess häufig den erforderlichen, flexiblen und bedarfsgerechten Personaleinsatz.

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Sichere digitale Identitäten

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D

as Forschungsprojekt wurde 2020 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (damals noch das BMWI) aus einer Reihe von Projekten im Zuge eines Innovationswettbewerbs zum Thema sichere digitale Identitäten ausgewählt. Es ist nun eines von insgesamt vier geförderten Schaufensterprojekten. Ziel von SDIKA ist es, sichere digitale Identitäten in eine breite Anwendung in der Bevölkerung zu bringen. Das Förderprojekt wird von der Stadt Karlsruhe als Konsortialführer und dem FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe sowie 12 weiteren Partnern durchgeführt. “Die Idee hinter dem Projekt ist, zu erforschen, wie man die Akzeptanz solcher digitaler Identitätslösungen steigern kann”, erklärt Jan Sürmeli, Abteilungsleiter im Bereich Innovation, Strategy and Transfer beim FZI. Es habe in der Vergangenheit schon mehrere gute Ansätze zum Thema sichere digitale Identitäten gegeben, jedoch seien diese nie wirklich angenommen worden, so Sürmeli. Aus diesem Grund werde nun zum einen die Interoperabilität solcher Lösungen gesteigert und zum anderen auf regionale Schaufensterprojekte gesetzt, um den Nutzen sichere und souveräne Lösungen nachvollziehbarer zu demonstrieren.

Breiter Anwendungsbereich Obwohl es sich bei SDIKA um ein regionales Schaufensterprojekt handelt, ist das Projekt schnell gewachsen und konnte auch überregionale Partner für sich gewinnen. “Wir sind mit sechs Partnern in die Wettbewerbsphase gestartet und sind mit mittlerweile vierzehn Partnern um einiges größer geworden”, so Sürmeli weiter. Dies habe sich aus dem breiten Anwendungsbereich des Projektes ergeben. So zählen jetzt auch überregionale

Behörden Spiegel / März 2022

Mehr Akzeptanz für digitale Identitäten Wie können sichere digitale Identitäten den Menschen nähergebracht werden? (BS/Tim Rotthaus) In dem Projekt “Schaufenster Sichere Digitale Identitäten Karlsruhe”, oder kurz SDIKA, steht die Souveränität der Nutzerinnen und Nutzer an erster Stelle. Aus diesem Grund entwickelt SDIKA eine Identitätslösung, welche es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen soll, selbst zu entscheiden, wie ihre digitale Identität verwaltet wird. Partner, wie zum Beispiel die Metropolregion Rhein-Neckar oder das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland, dazu. Auch in den Bereichen Mobilität, E-Government, Gesundheit, Digitales Planen und Bauen sowie Digitale Stadtgesellschaft ist das Schaufensterprojekt vertreten. In diesen Anwendungsbereichen sollen bereits entwickelte Identitätslösungen erprobt werden. Ein Anwendungsbeispiel im Bereich E-Government ist der Karlsruher Pass. Dabei handelt es sich um eine Berechtigungskarte für sozial und finanziell schwache Bürger in Karlsruhe, welche dadurch verschiedene Vergünstigungen erhalten. “Dies ist momentan ein rein papierbasiertes Verfahren, an dem knapp 16.000 Bürger teilnehmen. Durch SDIKA wird dies zum einen digitalisiert und zum anderen wird auch die digitale Identität eingeführt, welche es den Menschen erlaubt, auch barrierefreien Zugang zu digitalen Einkaufsmöglichkeiten zu erlangen”, erklärt Dr.-Ing. Sascha Alpers, Abteilungsleiter im Bereich Software Engineering beim FZI. So können sich rabattberechtigte Bürger zum Beispiel per App eine Eintrittskarte für den Karlsruher Zoo kaufen, ohne auf den Rabatt verzichten zu müssen. Dies geschehe mithilfe der sogenannten digitalen Wallet, so Alpers.

Alles zur Hand haben Doch wie genau können diese sicheren digitalen Identitäten abgerufen werden? Das eigens ent-

wickelte SDI-X-System soll mithilfe eines Open-Source Adapters ermöglichen, digitale Identitäten verschiedener Ausgabestellen in unterschiedlichen Anwendungsfällen zu nutzen. Der SDI-XAdapter bildet die Schnittstelle zwischen der Akzeptanzstelle, also dem Dienst, bei dem sich der Nutzer identifizieren will, und der digitalen Wallet, in welcher die digitale Identität gespeichert ist. Der Vorteil diese Systems ist, dass der Nutzer selbst auswählen kann welche Form der Identifizierung bevorzugt wird. Das SDI-X-System ermöglicht es jeder Akzeptanzstelle, speziell auf alle in dem sogenannten Ökosystem verfügbaren Identitätslösungen zuzugreifen. So können Menschen, aber auch Unternehmen selbst entscheiden, welche Lösung sie bevorzugen. “Im Beispiel des Karlsruher Zoos wäre die Möglichkeit nun, über den eingebundenen SDIX-Adapter meinen Karlsruher Pass, digital, als Nachweis zu hinterlegen”, erklärt Alpers weiter. Dieser Anwendungsbereich sei natürlich um einiges breiter. So könne man mit dem System auch andere Nachweise, wie zum Beispiel eine Fahrerlaubnis oder eine Mitgliedschaft in einem Verein, erbringen.

Sicherheitsbedenken Eine große Herausforderung des Projekts sei natürlich, die Sicherheit und Authentizität der in der digitalem Wallet gespeicherten Daten zu gewährleisten, so Alpers. Durch ein kryptogra-

fisches Verfahren würden die einzelnen Nachweise von dem ausstellenden Organ verifiziert werden. “Man kann sich diesen Vorgang wie einen Brief vorstellen, der mit Wachs versiegelt wurde. Sollte jemand irgendwas an dem Nachweis verändern, würde in dem Moment das digitale Siegel brechen. So kann die Akzeptanzstelle nachvollziehen, dass der Nachweis gültig ist." Ein weiterer Vorteil dieses Verfahren ist auch, dass großer Wert auf Datensparsamkeit gelegt wird. Es werden nur nötige persönliche Daten weitergegeben. “Zum Beispiel soll einer Autovermietung nur gezeigt werden, dass der Mieter eine gültige Fahrerlaubnis besitzt, irrelevante Daten werden jedoch

nicht weitergeleitet”, erklärt Wolfgang Toppazzini, Ansprechperson und SDIKA-Konsortialführer der Stadt Karlsruhe.

Einfacher Zugang für alle Bei einem so breit aufgestellten Projekt wie SDIKA stellt sich die Frage, wie zugänglich die Funktionen des digitalen Wallets für die Bürger sind. Auch hier legen die Stadt Karlsruhe und das FZI großen Wert darauf, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Toppazzini versichert, dass schon seit Beginn des Projekts die Bürgerbeteiligung sehr wichtig gewesen sei. “Wir sind nicht auf einer grünen Wiese gestartet und haben nur für uns selbst geplant. Das Feedback der Nut-

zer war uns von Anfang an sehr wichtig und wird auch in zukünftige Planungsprozesse mit einbezogen." Momentan wird lokal aus Karlsruhe ein Querschnitt aus der Bürgerschaft erstellt, um regelmäßig an Feedback zu gelangen. So erhoffen sich die Betreiber des Projekts auch, die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen.

Die nächsten Schritte Momentan befindet sich SDIKA noch in der Umsetzungsphase und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Eine öffentliche Nutzung ist noch nicht möglich, da in Teilabschnitten noch geforscht wird. Dr. Sascha Alpers ist jedoch zuversichtlich, dass bald auch öffentliche Nutzungsmöglichkeiten und am Ende auch finale Nutzungsmöglichkeiten den Bürgern zur Verfügung stehen. “Wir bauen das Produkt nach und nach für einzelne Anwendungsfälle auf. Der Projekterfolg hängt auch für mich davon ab, wie viele Leute wir am Ende damit erreichen”, so Alpers.

Sichere digitale Identitäten in Sachsen Papierbasierte Nachweise hindern digitale Verwaltung (Prof. Dr.-Ing. Jürgen Anke/Prof. Dr. Stefan Handke) Für zahlreiche Vorgänge in der Verwaltung müssen Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibende Dokumente einreichen, um ihre Identität sowie ihre Anspruchsgrundlagen nachzuweisen. Dazu gehören Verfahren im Meldewesen, der Wirtschaftsförderung und Sozialleistungen. Bei der digitalen Nutzung solcher Verwaltungsdienstleistungen müssen diese Dokumente umständlich eingescannt und hochgeladen oder als Kopien per Post versendet werden. Zur Identifikation ist die Nutzung der eID-Funktion des neuen Personalausweises vorgesehen. Falls dies nicht angeboten wird, ist die Erstellung eines Benutzerkontos notwendig, z. B. als Servicekonto der Bundesländer. Neue technische Standards und Entwicklungen schaffen das Potenzial für einen vereinfachten Umgang mit digitalen Nachweisen nach dem Prinzip der selbstbestimmten Identitäten (SSI – Self Sovereign Identity). Kernelement sind digitale Nachweise, die Angaben über eine Person oder einen Sachverhalt überprüfbar machen. Dazu werden kryptografische Verfahren eingesetzt, die den Herausgeber von Informationen eindeutig bestimmbar machen und Manipulationen verhindern. Solche Nachweise können Bürgerinnen und Bürger z. B. in einer App auf dem Smartphone speichern, die als digitale Brieftasche dient. In einem digitalen Verwaltungsvorgang können benötigte Nachweise angefragt werden. Dabei entscheiden die Nutzerinnen und Nutzer selbst, ob sie die gewünschten Daten für den jeweiligen Zweck freigeben oder nicht.

Modellregion Sachsen Das Schaufensterprojekt “IDIdeal” (www.id-ideal.de) hat das Ziel, den Umgang mit digitalen Nachweisen in realen Geschäftsund Verwaltungsprozessen in Sachsen zu erproben. Ein Konsortium aus 15 Partnern unter Leitung der HTW Dresden ist eines von vier Projekten im Programm “Sichere Digitale Identitäten” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Ab Ende 2022 sollen Bürgerinnen und Bürger erste Anwendungen in Verwaltung, Mobilität und Handel unter Nutzung standardisierter IDDienste praktisch ausprobieren können. Damit verbessern sich Komfort und Datenschutz für Bürgerinnen und Bürger, da umständliche Registrierungen entfallen und Transparenz über die Bereitstellung eigener Daten entsteht. Das Verbesserungspotenzial für Verwaltungen besteht insbesondere in einer deutlichen Vereinfachung von Prüfprozessen, da die bereitgestellten Daten bereits verifiziert sind. So können Fachverfahren deutlich beschleunigt werden. Um dem Charakter des Schaufensters gerecht zu werden, sollen mithilfe von Demonstratoren die Möglichkeiten von selbstbestimmten Identitäten erlebbar gemacht und die

daher die Interessen des Personals, das mit der Erledigung von Aufgaben in den Fachverfahren betraut ist. Die Akzeptanz für die neuen Anwendungen soll dadurch gefördert werden, dass Verwaltungsmitarbeiter in ihrer Prof. Dr.-Ing. Jürgen Anke (links) ist Professor für Softwaretechnologie und Informationssysteme so­ täglichen Arbeit wie Leiter der AG Digitale Dienstleistungssyste­ tatsächliche Verme an der HTW Dresden. Prof. Dr. Stefan Handke besserungen er(rechts) ist Professor für Verwaltungsmanagement fahren. Hierzu der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der HTW gehören z. B. die Dresden. Foto: BS/Peter Sebb, HTW Dresden Entlastung von manuellen Prüfvorgängen oder Akzeptanz dieses Konzepts bei zeitaufwendigen Fehlerkorrekder Bevölkerung getestet werden. turen in der Antragsbearbeitung. Die Nutzung der digitalen ProAnwendungsfelder in zesse soll dabei keineswegs dazu Kommunen führen, dass die menschliche Die meisten Kontakte zwischen Tätigkeit in der Verwaltung erWirtschaft, Verwaltung und ein- setzt wird. Vielmehr sollen die zelnen Bürgerinnen und Bürgern Qualität der Aufgabenerledigung finden auf kommunaler Ebene und die Arbeitszufriedenheit der statt. Daher konzentrieren sich Beschäftigten im Öffentlichen die Partner im Projekt “ID-Ideal” Dienst gesteigert werden. zunächst auf häufig genutzte Anwendungsfälle in den Groß- Blick in die Zukunft durch das "ID-Ideal"-Schaufenster städten Dresden und Leipzig. Hierzu gehören unter anderem Eine moderne Verwaltung mit der gesamte Prozess zur Initi- zufriedenen Mitarbeiterinnen ierung und Durchführung von und Mitarbeitern wird zunächst Bürgerentscheiden, die Nut- durch das “ID-Ideal”-Schaufenszerverwaltung von städtischen ter zu sehen sein. Der Blick durch Bibliotheken oder das Antrags- das Fenster erlaubt aber gleichverfahren für kommunale Sozial- zeitig auch einen Ausblick auf die pässe, die zur Inanspruchnahme Zukunft. Nach der Erprobung von Ermäßigungen berechtigen. von Anwendungsfällen in einigen Alle Fachverfahren werden dabei Modellkommunen werden auch als SSI-Anwendungen konzipiert, sogenannte Follower-Kommunen die den verwaltungsspezifischen eigene Erfahrungen mit den neuAnforderungen an Ordnungsmä- en Prozessen machen. Hierfür ßigkeit, Rechtmäßigkeit, Zweck- werden Leitfäden erstellt, die mäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Empfehlungen für das Projektgenügen. management und die Anpassung interner Verwaltungsprozesse Verwaltung als Gewinner der beinhalten. Diese HandreichunDigitalisierung gen stützen sich auf ErkenntIm Mittelpunkt vieler Digitali- nisse und Erfahrungen aus dem sierungsprojekte steht die Nut- Projekt und sollen später allen zerperspektive. Bürgerinnen und Verwaltungen in Deutschland Bürger sollen Angebote nutzen zur Verfügung stehen. Mit dem können, die aufgrund ihrer Be- Ansatz der Interoperabilität, also dienfreundlichkeit und ihrer der Möglichkeit, verschiedene Sicherheit auf möglichst große Techniken in unterschiedlichen Akzeptanz stoßen. Das Projekt Organisationen nutzen zu kön“ID-Ideal” legt darüber hinaus nen, sollen die SSI-basierten Anaber auch ein Augenmerk auf die wendungen damit eine weitreiverwaltungsinterne Perspektive. chende Nutzung über das Projekt Besonders berücksichtigt werden hinaus erfahren.


Sichere digitale Identitäten

Behörden Spiegel / März 2022

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Die Gefahr von Deep Fake

SSI – Nukleus der Staatsmodernisierung

Manipulation von biometrischen Merkmalen

Innovative und sichere Selbstkontrolle

(BS/Paul Schubert) Mediale Identitäten sind zum Alltag geworden. Fingerabdrücke, Sprach- und Gesichtserkennung sind Features der meisten neuen Smartphones zur Sicherung von persönlichen Daten. Durch Deep Fakes werden diese eingebauten Sicherheitsmechanismen fragil. Ohne Sicherheitsmaßnahmen kann unsere mediale Identität bald überall verändert werden.

(BS/Michael Sasdi) Die herausragende Bedeutung digitaler Identitäten für die Verwaltungsmodernisierung bedarf gerade an dieser Stelle keiner besonderen Erwähnung. Wir wollen kurz skizzieren, warum wir dabei voll auf die selbstsouveräne Identität (SSI) setzen.

Mediale Identitäten repräsentieren Individuen in einem digitalen Medium. Anhand biometrischer Merkmale wie der Stimme oder dem Gesicht werden Bürgerinnen und Bürger identifizierbar. Mittlerweile gebe es diverse Techniken zur Manipulation dieser Identitäten, warnt Matthias Neu, Experte für biometrische Verfahren beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Durch Face Swap, Face Reenactment, Text to Speech und Voice Conversion gelingt es Kriminellen, biometrische Merkmale zu manipulieren, Zugang zu digitalen Geräten zu erhalten oder sich online als eine andere Person zu authentifizieren. Dabei sei die Deep-Fake-Technologie noch relativ jung, betont Neu, die Digitalisierung schreite jedoch voran und damit auch das Anwendungs- und Gefahrenpotenzial.

Täuschend echte Sprache Beim 18. Deutschen IT-Sicherheitskongress des BSI zeigte der Experte, wie in der Praxis eine Manipulation vonstattengehen könnte: Mit einem Voice-Conversion-Programm sprach er einige Worte zum Test auf. Danach wandelte das Programm seine Sprache in die der Zielperson um. Heraus kam ein Statement mit der Stimme von BSI-Präsident Arne Schönbohm. “Dazu braucht man nur eine etwa fünfminütige Sprachaufnahme und dann kann das Programm die Sprache umwandeln”, erklärt Neu.

Das Gefahrenpotenzial dieser Technologie ist riesig. Als Gegenmaßnahmen nannte der Experte Aufklärung und Awareness über die Technologie sowie die Verwendung von Authentifizierungsnachweisen wie der kryptografischen- Sicherung von Medien. Auch technische Anwendungen wie Multifaktor- und Mehr-Personen-Authentifizierung sollten genutzt werden, um das Gefahrenpotenzial einzudämmen. Des Weiteren fordert Neu auf, hier einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen: “Wir brauchen eine klare KI-Regulierung durch die EU-Kommission.”

Verhaltensbasierte Authentifizierung hilfreich Ferner solle die Detektion dieser Techniken gestärkt werden. Durch medienforensische Untersuchungen sollte die Manipulation bereits auf Pixelebene detektiert werden, erklärt der BSI-Experte. Auch verhaltensbasierte Authentifizierung sei als relativ sicher einzustufen. Dennoch werde die Manipulationsgefahr von Deep Fake bei Wirtschaft und Verwaltung bisher unterschätzt: “Detektionsmöglichkeiten von Deep Fakes müssen gefördert und präventive Maßnahmen ergriffen werden, wir müssen auch die Qualität der Sicherheitstools stärken. Die Bedienbarkeit der Werkzeuge zur Erstellung von Deep Fakes wird immer einfacher, hier muss gegengesteuert werden”, schlussfolgert Neu.

Das Ökosystem der digitalen Identitäten ist groß: Zur Wahrheit gehört aber auch, dass keine der bisher etablierten Lösungen nachhaltig überzeugt hat. Umständlich, unverständlich oder schlicht nicht vertrauenswürdig sind häufige Anwenderreaktionen. Es braucht deshalb ebenso alltagstaugliche, wie sichere Lösungen. Postbürokratisch innovativ und nach vorne schauend.

SSI fördert digitale Souveränität Was ist ein Identifikationsprozess? Wir legen einen Nachweis vor, der Empfänger prüft die Echtheit und erteilt daraufhin bestimmte Berechtigungen. Wir sind es gewohnt, diese Kette mit der Vorlage des Personalausweises abzukürzen und damit regelmäßig viel zu viele Informationen zu offenbaren. SSI ermöglicht es für Personen, Organisationen oder Maschinen, eine digitale Identität zu erzeugen und selbst zu kontrollieren. Und darüber hinaus erlaubt sie die Kontrolle darüber, wie unterschiedlichste persönliche sowie amtliche Nachweise geteilt und verwendet werden. Wenn beispielsweise ein Gastronom die Volljährigkeit zu prüfen hat, gehen ihn Geburtsort oder Augenfarbe des Gastes eigentlich nichts an. Nicht einmal das genaue Alter wäre relevant. SSI ermöglicht, tatsächlich nur die spezifische Frage der Volljährigkeit nachzuweisen und sicher zu bestätigen. Herzstück der SSI-Technologie für Anwender ist die Wallet, die digitale Brieftasche. Nutzer laden dafür ein sogenanntes Creden-

Mit einer selbstsouveränen Identität sollen nur die Daten weitergegeben werden, die für die Zielstelle wirklich vonnöten sind. In der Wallet – also der digitalen Brieftasche – sind dann zwar viele Informationen eingespeichert – der Nutzende kann allerdings selbst entscheiden, welche Daten er an wen freigeben möchte. Foto: BS/ar130405, pixabay.com

tial einer staatlich autorisierten Organisation wie der Bundesdruckerei (über die Online-Funktion des Personalausweises), in eine Wallet-App. Überall dort, wo Nachweise erforderlich sind, kann dann der entsprechende Nachweis eindeutig mit der Identität verknüpft werden. Um solche Nachweise zu laden oder im physischen Raum zu teilen, wird ein QR-Code eingelesen. Der Nutzer entscheidet selbstbestimmt darüber, welche der abgefragten Informationen er teilen möchte. Selbstverständlich können Nachweise implementiert werden. So wie ein Polizist auch seinen Dienstausweis vorlegt, ist ein Request des Nachfragers nur mit einem gültigen Zertifikat möglich.

SSI nutzt etablierte Technologie Um Vertrauen und Transparenz beim Bürger zu ermöglichen, nutzt SSI im besten Fall internationale Standards (DIF,

W3C), Interoperabilität, Open Source und die Blockchain. Diese hat in den vergangenen Jahren die wohl größte und intensivste Sicherheitsüberprüfung in der Geschichte der IT durchlaufen, Stichwort: Bitcoin. Vor allem Cyber-Kriminelle oder ganze Staaten versuchen seither erfolglos, die Technologie zu knacken. Das macht die Technologie um Blockchain nicht nur resilient, sondern antifragil. Die SSI-Blockchain kennt weder die eigentliche Identität noch die digitalen Nachweise der Nutzer. Sie überprüft Echtheit, Ursprung und Unversehrtheit der Identitätsdaten. Es werden nicht die Credentials selbst, sondern lediglich die Schemata und die genutzten Schlüssel hinterlegt. Auch Zugriffe werden nicht auf der Blockchain ge-

speichert. Ob ein Ausweis ausgestellt wird oder 80 Millionen – die Blockchain enthält kein einziges Byte zusätzlich. Sie beinhaltet schlicht keine personenbezogenen Daten und ist damit konform mit den europäischen Datenschutzgrundsätzen. Auch die Anwendung kann sicher aufgesetzt werden: Falsche QR-Codes zur Identifizierungsaufforderung können jederzeit vom Nutzenden überprüft und aufgedeckt werden. Diese Deep Links bestehen aus Domain und Pfad. Nutzer können diese Anfrage zulassen oder ablehnen. Insbesondere bei hoheitlichen Nachweisen wird gleichzeitig das Extended Validation (EV)SSL-Zertifikat der Domain ausgewertet, um die sogenannten “Man-in-the-Middle”-Attacken zuverlässig auszuschließen. SSI ermöglicht es, Nachweise (hoheitliche wie privatwirtschaftliche) alltagstauglich zu kombinieren und selbstbestimmt zu nutzen: vom Gesundheitszeugnis bis zum Stadionticket. Jede Institution, die Zertifikate erstellt, sollte diese Nachweise im SSIÖkosystem digital zur Verfügung stellen. Das kann der Nukleus für eine effiziente und vor allem souveräne digitale Zukunft sein.

Michael Sasdi ist Leiter der Blockchain Community in der Geschäftsstelle für den Öffentlichen Dienst der SVA System Vertrieb Alexander GmbH. Foto: BS/SVA System Vertrieb Alexander GmbH

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Seminarmanager (all genders) in Vollzeit Die Cyber Akademie ist ein Aus- und Fortbildungszentrum für die Kompetenzbereiche IT-Sicherheit, Datenschutz, Business Continuity und Digitalisierung. Das Fortbildungsangebot ist zielgruppen- und sektorenübergreifend und unabhängig von der Größe der jeweiligen Organisation. Entscheidungsträger*innen, Experten*innen, Fachkräfte und Einsteiger*innen werden in praxisnah gestalteten Präsenzseminaren, Workshops und Webinaren von erfahrenen Dozenten*innen geschult. Die Cyber Akademie ist selbst Kompetenzträger und identifiziert gemeinsam mit dem Programmbeirat die aktuellen Bedarfe und Wissenslücken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Austausch mit den Dozenten*innen werden die Schulungsinhalte entsprechend angepasst und fortentwickelt.

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IT-Sicherheit

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KI ohne Vorurteile

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ehörden Spiegel: Was ist das Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (ZVKI) und was ist das Ziel der Einrichtung?

Margraf: Mithilfe von KI-Systemen werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf unser Leben haben. Denken Sie z. B. an autonomes Fahren, medizinische Forschung, Bewerbungsmanagement oder auch Bürger/-innen-Beteiligung. In allen diesen Bereichen werden Systeme der Künstlichen Intelligenz genutzt. Ziel des Zentrums ist es, Vertrauen in diese Systeme zu schaffen, indem wir Anforderungen an die Systeme formulieren und vor allem die technischen Grundlagen schaffen, diese Anforderungen umzusetzen und nachweisen zu können. Aktuell sehen Bürger/-innen KI-Systeme zum Teil aus gutem Grund sehr skeptisch, weil vielen Menschen die Funktionsweise dahinter nicht klar ist, aber eben auch, weil KI-Systeme viele der wichtigen Anforderungen noch nicht umsetzen. Behörden Spiegel: Was sind das für Anforderungen? Margraf: Dazu zählt zuallererst der Schutz der personenbezogenen Daten. Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass in KI-Systemen personenbezogene Daten so stark “abstrahiert“ werden, dass sie nicht mehr rekonstruiert werden können. Das ist aber falsch. Dazu kommt das Ziel, die Systeme erklärbar zu machen. Also transparent darzustellen, wie KI-Systeme zu ihren Entscheidungen kommen, damit es auch Nutzende, die sich wenig mit technischen Details beschäftigen, nachvollziehen können. Dann muss sichergestellt werden, dass die Systeme diskriminierungsfrei arbeiten,

Behörden Spiegel / März 2022

ZVKI möchte Rahmen für gesetzliche Grundlagen für IT-Systeme schaffen

Werkzeuge entwickeln, damit Entwickler/-innen diese Anforderungen unproblematisch in ihre Systeme integrieren können. Behörden Spiegel: Wie können

(BS) Die Nutzung von KI-Systemen birgt ein enormes Potenzial für Wirtschaft und Verwaltung, muss allerdings technisch sicher ausgestaltet denn Dritte prüfen, dass KI-Syswerden. Das Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (ZVKI) möchte dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Prof. teme bestimmte Anforderungen Dr. Marian Margraf ist an dem Projekt mit mehreren Kooperationspartnern beteiligt und erklärt, auf welche Bereiche sich das ZVKI fokussiert und erfüllen? inwiefern KI-Systeme im Bewerbermanagement diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Das Gespräch führte Paul Schubert. also bestimmte Personen oder Gruppen nicht benachteiligen. Die letzte Anforderung ist die IT-Sicherheit der KI-Systeme. Dabei wollen wir Cyber-Angriffe verhindern, die dafür sorgen könnten, dass die Systeme zu falschen Entscheidungen kommen könnten. Behörden Spiegel: Eine große Aufgabe des ZVKIs ist es, den Bürger/-innen den Nutzen von Künstlicher Intelligenz nahezubringen. Wie kann so etwas gelingen?

“KI-Systeme müssen diskriminierungsfrei arbeiten, wir möchten das technisch garantieren.” Prof. Dr. Marian Margraf ist Professor für Informationssicherheit an der Freien Universität Berlin und Abteilungsleiter am Fraunhofer AISEC. Foto: BS/Fraunhofer AISEC

sollte als Stoppschild erkannt werden und nicht als Vorfahrtsschild. Um hier Vertrauen zu Margraf: Indem man Vertrauen schaffen, müssen Sicherheitsschafft. Da würde ich vor allem kriterien klar definiert werden. den Schutz der personenbezoge- Hier muss beispielsweise verhinnen Daten voranstellen. Wenn dert werden, dass Angreifer/innen durch ich KI-Systeme nutze, möchte gezieltes Ein“Wenn ich KI-Systeme ich nicht, dass schleusen nutze, möchte ich, meine Daten, von Bildern z. B. durch KI-Systeme dass meine Daten Anfragen an manipulieren nicht irgendwo das KI-Syskönnen. Dann anders verarbeitet tem, rekonstkönnte ein ruiert werden Stoppschild werden.” können. Und zum Beispiel als ein andeich möchte mir natürlich auch sicher sein, res Schild erkannt werden und dass KI-Systeme die richtigen die Systeme könnten dementEntscheidungen treffen, z. B. sprechend anders reagieren. Hier beim autonomen Fahren. ist es unsere Aufgabe als ZVKI, technische Lösungen zu erarbeiBehörden Spiegel: Bitte erläu- ten, sodass solche Angriffe auf tern Sie das näher. KI-Systeme nicht möglich sind. Margraf: Beim autonomen Fahren treffen KI-Systeme Entscheidungen, um sicheres Fahren zu garantieren: Ein Stoppschild

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen bei der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen von KI-Systemen wichtig?

Margraf: Denken Sie zum Beispiel an die Partizipation von Bürger/-innen bei der Befragung zu gesellschaftlichen Prozessen. Wenn ich dort Eingaben tätige und das KI-System aber aufgrund der Wünsche vieler anderer Personen zu einer Entscheidung kommt, die ich nicht mittrage, dann möchte ich wissen, warum mein Vorschlag nicht übernommen wurde. Es muss also für die Nutzer/-innen zurückgespielt werden, warum das System diese Entscheidung getroffen hat und warum auf dieser Grundlage weitergearbeitet wird. Behörden Spiegel: Vorhin sprachen Sie auch davon, dass KI-Systeme diskriminierungsfrei arbeiten sollen. Wie kann ich mir so etwas vorstellen? Margraf: Man könnte zum Beispiel im Bewerbungsmanagement dazu kommen, Bewerber/innen mit Migrationshintergrund anhand ihres Namens einfach vorab auszusortieren oder männliche Bewerber zu präferieren. Ich bin kein Jurist, aber meines Erachtens sollte sich schon aus dem Grundgesetz ableiten, dass hier KI-Systeme nicht diskriminieren dürfen. Die Frage ist, wie

setzen wir das technisch um und wie kann die Umsetzung nachgewiesen werden. Behörden Spiegel: Aber bevor etwas gesetzlich reguliert werden kann, muss doch erst sichergestellt werden, dass das technisch überhaupt möglich ist, oder? Margraf: Korrekt. Hier müssen wir den Gesetzgeber befähigen, überhaupt gesetzliche Grundlagen zu schaffen, indem wir klären, dass diese Anforderungen technisch überhaupt umsetzbar sind, wie sie konkret umgesetzt und nachgewiesen werden können. Genau dies ist ein wichtiges Ziel unseres Zentrums. Behörden Spiegel: Wer ist in dem Zentrum involviert und übernimmt welche Aufgaben und was ist Ihre Rolle dabei? Margraf: Insgesamt sind an dem Zentrum vier Institutionen beteiligt. Dazu zählen die Fraunhofer-Institute für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC und für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, die Freie Universität Berlin (FU) und das iRights.Lab als Konsortialführer im Projekt. Neben der Projektleitung führt iRights. Lab auch eigene Arbeiten durch, arbeitet z. B. die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Allgemeinheit, Politik und Wirtschaft auf. Mit meiner Arbeitsgruppe an der Universität und am Fraunhofer AISEC klären wir dabei vor allem technische Fragen. Dabei wollen wir die Grundlagen erarbeiten, wie man die vier genannten Anforderungen tatsächlich in den KI-Systemen umsetzen kann. Dafür möchten wir auch

Margraf: Dafür wollen wir ein Zertifizierungsschema mit Prüfkriterien erarbeiten. Das soll erkennen, inwiefern die vier Anforderungen nachweisbar in die KI-Systeme implementiert wurden. Dazu müssen wir natürlich auch Zertifizierungs- und Evaluierungsstellen in das Projekt integrieren. Diese Prüfkriterien entwickeln wir also nicht alleine. Behörden Spiegel: In welcher Phase des Projektes steht das Zentrum aktuell? Margraf: Noch sind wir in der Anfangsphase. Der Mittelgeber, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), hat uns zunächst für zwei Jahre finanziert. Die Idee dabei ist, den Start des Zentrums zu finanzieren. Ziel ist es natürlich, weitere Mittelgeber mit in das Projekt zu holen. Da denke ich vor allem an die Zivilgesellschaft und die Industrie. Wir wollen die gesamte Forschungsarbeit nicht nur intern durchführen, sondern weitere Beteiligte aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft in das Projekt holen. Behörden Spiegel: Wie sieht die weitere Zukunftsplanung des Zentrums aus? Margraf: Wir möchten langfristig der Ansprechpartner in Deutschland werden, wenn es um Vorteile, Herausforderungen und Lösungen im Bereich Künstlicher Intelligenz geht. Dazu soll auch die Zusammenarbeit mit der Industrie gestärkt werden, indem wir die Anforderungen an die KI-Systeme zusammen diskutieren und Lösungen erarbeiten.

Ukraine rekrutiert IT-Armee Deutsche Sicherheitsbehörden sehen Vorgehensweise kritisch (BS/Paul Schubert) Der Krieg in der Ukraine findet nicht nur physisch auf dem Schlachtfeld statt. Auch im Digitalen bekämpfen sich die Ukraine und Russland mit Cyber-Attacken. Ukrainische Vertreter/-innen rufen nun vermehrt zur Hilfe aus dem Ausland auf. Gerichtet sind diese Anfragen vor allem an die Zivilgesellschaft. Die sogenannte “IT-Army” unterstützt die Ukraine dabei mit Angriffen auf russische Institutionen und Infrastruktur. Das Vorgehen sei allerdings “ethisch und rechtlich fragwürdig”, heißt es von deutschen Sicherheitsbehörden. Bereits einen Tag vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine seien massive Hackerattacken von russischer Seite aus gestartet worden, schildert ein ukrainischer IT-Sicherheitsexperte aus Kyiv bei einer Veranstaltung des G4C German Competence Centre against Cyber Crime (G4C). In einem Workshop des Vereins stand vor allem die Situation in der Ukraine und in Deutschland im Vordergrund. Der ukrainische Cyber-Experte – welcher aus Kyiv zugeschaltet wurde - berichtete von zahlreichen Störungen bei ukrainischen Regierungsseiten. Die Bandbreite der Attacken erstreckten sich auf Distributed Denial of Service (DDoS), Phishing, Defacement und Deep Fake, so der Experte. Auch die Kommunikation mit Messenger-Diensten sollten behutsam getätigt werden: “Es gibt keinen Messenger, der für die Kommunikation sicher ist, weder WhatsApp noch Telegram, man muss aufpassen, was man schreibt.” Mittlerweile habe sich die ukrainischen Regierung Hilfe von außen gesucht. So solle die IT-Infrastruktur durch globale Cyber-Kompetenz beschützt werden, sagte der Ukrainer. Des Weiteren seien Aufrufe gestartet worden, eine “IT Army” zu bilden. Aktuell würden sich etwa 277

Menschen aktiv beteiligen. Sie folgten dabei einem Aufruf des ukrainische Vizepremiers und Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow auf Twitter. Die IT-Spezialisten aus aller Welt greifen seit einigen Tagen russische IT-Infrastrukturen, Banken, Regierungswebseiten und staatstreue Medien an.

Hacker drohen mit Vergeltung Die russische Ransomwaregruppe Conti hat bereits Vergeltungsmaßnahmen angekündigt, sollten sich die Attacken auf Kritische Infrastrukturen in Russland ausweiten, erklärte eine Vertreterin einer Cyber-Sicherheitsbehörde. Deutsche Sicherheitsbehörden bewerten die Aktionen der IT Army und deren “Hacktivism” für kritisch: “Man muss bedenken, dass diese Attacken aus der Cyber-Zivilgesellschaft der Ukraine nicht helfen und die Atmosphäre eher erschweren”, sagte die Behördenvertreterin. Zudem wären die Maßnahmen “ethisch und rechtlich” fragwürdig. Auch ein Vertreter einer deutschen Strafverfolgungsbehörde bewertet die Aktivitäten der Hackergruppierungen kritisch: “Durch diese Angriffe besteht die Gefahr, dass in Russland ansässige Ransom-

waregruppen als Reaktion auf die Cyber-Angriffe vermehrt eingesetzt werden.” Anhänger der IT Army vermelden derweil die ersten Erfolge: so seien russische Staatsmedien, das Verteidigungsministerium und Banken massiv durch die Cyber-Angriffe beeinträchtigt worden. Allerdings ließen sich diese Informationen schwer durch unabhängige Stellen verifizieren, erklärt der Kriminalbeamte. Derweilen konnte die Häufung der Cyber-Attacken auf die ukrainische Infrastruktur durch deutsche Behörden bestätigt werden. Aktuell bestehe für Deutschland allerdings keine akute Gefährdung aufgrund der Entwicklungen in der Ukraine, heißt es aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Allerdings soll es Störungen bei Satelliten gegeben haben, welche zu einer eingeschränkten Kommunikation bei der NATO-AWACS-Flotte führten. Sicherheitsexperten vermuten, dass die Ursache dafür ein russischer Angriff auf die Kommunikation der ukrainischen Armee gewesen sei. Nun wächst die Angst, dass Schadsoftware bereits vor Monaten in die technischen Geräte der westlichen Infrastruktur geschleust werden könnte.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / März 2022

Beginn des Kalten Krieges 2.0

KNAPP Erhöhung für den Zivilschutz angekündigt

Die aktuelle Neuordnung der Welt

(BS/Dorothee Frank) Der Ukraine-Krieg führt der demokratischen Wertegemeinschaft die Grenzen der Vereinten Nationen und des durch sie festgelegten Völkerrechts vor. Im Wunsch, (BS/bk) Nach der Ankündigung alle Länder zu vereinen, wurden die Möglichkeiten des Eingriffs so reduziert, dass aktuell ein Land um seine Souveränität kämpft und dabei auf ein Weltgremium trifft, bei dem Russland eines Sondervermögens in Höhe seit Anfang Februar dem Sicherheitsrat vorsitzt und bereits von seinem Vetorecht bei Sondersitzungen zur Ukraine-Krise Gebrauch machte. von 100 Milliarden Euro für den Anfang März verurteilte die Vollversammlung der Vereinten Nationen entschlossen den Angriff Russlands auf die Ukraine. 141 Staaten stimmten für diese Resolution, welche den Abzug Russlands aus der Ukraine fordert, 35 Staaten (darunter China) enthielten sich, fünf (darunter Russland) lehnten die Resolution ab. Diese Abstimmung hat allerdings reinen Symbolcharakter. Sie verdeutlicht die Isolierung Russlands und zeigt vor der Welt auf, wer der wahre Aggressor ist, mehr allerdings nicht. Resolutionen der Vollversammlung sind völkerrechtlich nicht bindend, das wären nur Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates – und dort hat Russland ein Vetorecht. Andererseits würde auch für eine militärische Unterstützung der Ukraine keine Resolution und kein Beschluss der Vereinten Nationen benötigt, da die Ukraine ein durch die UN anerkannter Staat ist und es in ihrer Macht und Verantwortung liegt, andere Nationen zum Schutz der eigenen Unversehrtheit in das eigene Land einzuladen. Ähnlich hatte Kasachstan russische Truppen im vergangenen Jahr angefragt, ein völkerrechtlich unbedenkliches Vorgehen.

Die Angst vor dem dritten Weltkrieg Der russische Präsident Wladimir Putin nutzt allerdings das Vernichtungspotenzial Russlands, um die demokratische Gemeinschaft von einer Unterstützung der Ukraine abzuhalten. Mit Erfolg. So sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an eine Sondersitzung der NATOVerteidigungsminister: “Wir verstehen die Verzweiflung. Aber wir glauben, dass wir damit [einem

Soldaten mehr”, sagte Stoltenberg Ende Februar. “Ich habe kürzlich NATO-Truppen, US-Truppen, deutsche Truppen und andere Einheiten in Rumänien besucht. Ich habe sie in Estland und auch in Polen getroffen. Dies ist also die unmittelbare Reaktion und wir werden tun, was nötig ist, um alle Verbündeten zu verteidigen und zu schützen.”

Der neue Warschauer Pakt ohne Warschau

Am 2. März 2022 verurteillte die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit 141 gegen fünf Stimmen den Angriff auf die Ukraine und forderte Russland auf, alle Truppen vom ukrainischen Staatsgebiet abzuziehen. Foto: BS/UN Phot, Loey Felipe

militärischen Engagement in der Ukraine] riskieren würden, in einem ausgewachsenen Krieg in Europa zu enden, an dem noch viel mehr Länder beteiligt wären und der noch mehr menschliches Leid verursachen würde. Aus diesem Grund haben wir die schmerzhafte Entscheidung getroffen, schwere Sanktionen zu verhängen, erhebliche Unterstützung zu leisten und die Hilfe zu verstärken. Aber gleichzeitig werden die NATO-Truppen nicht direkt in den Konflikt in der Ukra­ine eingreifen, weder am Boden noch in ihrem Luftraum.” Stattdessen setzt die Weltgemeinschaft auf wirtschaftliche Sanktionen (siehe hierzu den Artikel “Russland unter Sanktionsdruck” auf Seite 9 in dieser Ausgabe). Diese werden allerdings in erster Linie die russische Bevölkerung treffen – und die spürt bereits die diktatorischen Maßnahmen eines Regimes, das jede Fassade von Demokratie hat fallen lassen. So bereitet die russische Regierung das

Abschalten des Internets vor, um die eigene Bevölkerung von Informationen – wie dem Abstimmungsergebnis der Vereinten Nationen – abschneiden zu können und sie in eine Isolation zu treiben, die zuletzt während des Kalten Krieges die Blöcke trennte. Bis zum 11. März sollten alle Seiten, Shops und Portale auf in Russland befindliche Server umgesiedelt werden. Danach sollten alle nicht-russischen IPs sowie VPN-Verbindungen geblockt werden. Ebenfalls als Zeichen des Durchgreifens der Diktatur werden jene Menschen verhaftet, die in Russland gegen den Ukraine-Krieg demonstrierten. Laut der Bürgerrechtsorganisation OVD-Info sollen bis Anfang März über 13.000 Russen bei Antikriegsdemonstrationen in vielen russischen Städten verhaftet worden sein. Die Demonstranten erwarten laut OVD-Info bis zu 30 Tage Haft und eine Geldstrafe von bis zu 300.000 Rubel, was dem durchschnittli-

chen Einkommen eines halben Jahres entspricht.

Längerfristige Anpassung der NATO Es stellt sich dementsprechend die Frage, wie lange eine durch eine Diktatur unterdrückte Bevölkerung die Wirtschaftssanktionen aushalten kann. Wird der Kalte Krieg als Maßstab genommen, könnten es durchaus Jahrzehnte sein. Die NATO bereitet sich auf das neue aggressive Russland vor – inklusive einer starken Truppenpräsenz alliierter Kräfte in den neuen “Frontstaaten”. “Wir müssen zwischen der unmittelbaren Reaktion der NATO und der längerfristigen Anpassung unserer Aufstellung im östlichen Teil des Bündnisses unterscheiden. Was die unmittelbare Reaktion anbelangt, so haben wir unsere Präsenz bereits erheblich verstärkt. Wir haben jetzt über 200 Schiffe vom hohen Norden bis zum Mittelmeer, 130 Flugzeuge in höchster Alarmbereitschaft und Tausende von

Putin hat mit dem Angriff auf die Ukraine eine neue (alte) Weltordnung geschaffen, nur dass diesmal nicht Deutschland die Front bildet, sondern die baltischen Staaten, Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Die bisher neutralen nordischen Staaten Finnland und Schweden erwägen angesichts der russischen Ausweitungspolitik den Beitritt zur NATO, da aktuell nur die NATO einen Schutz bieten kann. Und dieser Schutz gilt nur für Mitglieder. Der Kalte Krieg ist zurück und mit ihm die Drohung eines Nuklearschlags. Eine Karte, die Putin bereits mit der Erhöhung der Alarmbereitschaft seiner nuklearstrategischen Kräfte zu Beginn des Angriffs auf die Ukra­ine gezogen hat. Die nukleare Abschreckung sorgte während des Kalten Krieges für eine stabile Gebietszuordnung, ist allerdings stark abhängig von der geistigen Gesundheit einzelner Personen. So bleibt als Hoffnung auf Frieden und Freiheit in Europa nur die Wirksamkeit der Wirtschaftssanktionen und der eventuelle Sturz der russischen Diktatur. Denn wie der Kalte Krieg 2.0 sich entwickelt, wird kaum jemand vorhersagen können. Schließlich sah auch niemand den russischen Angriff auf die gesamte Ukraine wirklich kommen.

25. Europäischer Polizeikongress

Wehretat von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte der niedersächsische Innenminister, Boris Pistorius (SPD), ein Ad-hoc-Paket zur Ertüchtigung des Zivil- und Katastrophenschutzes in Niedersachsen an. Aufgrund der veränderten Sicherheitslage brauche es neben der Erhöhung der Verteidigungsausgaben gleichzeitig Investitionen in die zivile Verteidigung und den Bevölkerungsschutz, so Pistorius. Das Ad-hoc-Paket soll durch eine Erweiterung des Verwendungsrahmens des Corona-Sondervermögens finanziert werden. Mit dem Paket sollen unter anderem Sirenen, Notstromaggregate, Fahrzeuge, Zelte zur Notunterbringung, Trinkwassernotversorgung, Sanitätszüge, mobile Sanitätseinrichtungen oder Ersatz-Kommunikation wie Satellitentelefone finanziert werden.

Führungsprinzipien neu gefasst (BS/mfe) Das Düsseldorfer Innenministerium hat zusammen mit den Polizeibehörden sowie mit wissenschaftlicher Unterstützung die Führungsprinzipien der Landespolizei grundlegend überarbeitet und neu gefasst. Nun existiert eine Rahmenkonzeption “Verantwortliche Wahrnehmung von Führung in der Polizei Nordrhein-Westfalen”. Sie richtet sich an alle polizeilichen Führungskräfte und ist die erste ihrer Art. Denn bisher genutzte Handreichungen wie die “Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung” aus dem Jahre 2004 richten sich an die komplette Innenverwaltung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Der neue Leitfaden ist hingegen speziell für die Polizei konzipiert worden. Er beschreibt erstmals aus unterschiedlichen Perspektiven, wie gute Führung entsteht und wie sie für die Polizei definiert ist.

2G+

Präsenzveranstaltung unter 2G+ Regel. Anpassungen erfolgen situationsbedingt.

Jubiläumskongress 11.—12. Mai 2022 Neuer Veranstaltungsort 2022:

Foto (links): © Sliver, stock.adobe.com

hub27 Berlin

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Eine Veranstaltung des


Innere Sicherheit

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enn KI sei für die Polizeiarbeit von herausragender Bedeutung. Die Technologie ermögliche neue Ermittlungsansätze und -möglichkeiten. Da aber auch Kriminelle den technologischen Fortschritt nutzten, müssten die BOS hier immer auf der Höhe der Zeit sein, so Steingaß weiter. Wichtig beim KI-Einsatz sei zudem der kontinuierliche Ausgleich zwischen dem Schutz der Grundrechte einerseits und der Schaffung eines Mehrwertes für die Sicherheitsbehörden andererseits. Zudem komme es auf die Vernetzung und den Austausch zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren an. Das gelte besonders für die Kooperation zwischen Polizei und Wissenschaft, wie sie in Rheinland-Pfalz bereits institutionalisiert sei. Nur wenn sie gelänge, könne KI auch tatsächlich polizeitauglich gemacht und entsprechend eingesetzt werden, meinte die Mainzer Staatssekretärin auf dem Digitalen Polizeitag des Behörden Spiegel.

Technologie kann entlasten KI könne den BOS bei ihrer Arbeit helfen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort entlasten. Das gelte unter anderem mit Blick auf die Auswertung von Missbrauchsdaten und -aufnahmen. Davon zeigte sich der Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS), Wilfried Karl, überzeugt. Es gebe auch schon Machine-Learning-Systeme, die sich im Einsatz befänden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, denen die BOS im Bereich von Daten begegnen müssten, sei dies auch dringend notwendig. So seien etwa die zu analysierenden Datenmengen immer größer und heterogener. Hinzu komme oftmals der zeitliche Ermittlungsdruck. Hier könne KI die Arbeit erleichtern. Die Technologie werde aber auf absehbare Zeit keine Mitarbeiter bei den BOS ersetzen. Allerdings werde sich wohl das Anforderungsprofil an Beschäftigte wandeln, prognostizierte Karl.

Digitale Souveränität behalten Der ZITiS-Präsident plädierte dafür, die digitale Souveränität Deutschlands zu bewahren. Dafür sei zwar keine vollständige Autarkie erforderlich. Sehr wohl brauche es aber immer die Möglichkeit zum autonomen Handeln, insbesondere im Hinblick auf Ressourcen und Technologi-

Jetzt steht fest, dass der besondere Polizeiaufwand wegen kommerzieller Hochrisikoveranstaltungen den Veranstaltern als Gebühr in Rechnung gestellt werden darf. Dies hatte die DFL in einem langen Rechtsstreit immer wieder versucht, in Zweifel zu ziehen. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) erklärte dazu: “Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner aktuellen Entscheidung erneut von der DFL GmbH als “Nutznießerin der verstärkten Polizeipräsenz” gesprochen. Durch alle Instanzen hinweg war die DFL GmbH als Veranstalterin der Bundesligaspiele festgestellt worden.” Es sei an der Zeit, dass sich die DFL nunmehr ihrer Verantwortung stelle und einen Kurswechsel vornehme. Das Bundesverwaltungsgericht hatte schon im März 2019 entschieden, dass für den besonderen Polizeiaufwand aus Anlass einer kommerziellen Hochrisikoveranstaltung eine Gebühr erhoben werden dürfe. Die rechtliche Auseinandersetzung wurde auf Basis eines Gebührenbescheides der Bremer Polizei aus dem Jahre 2015 geführt. Ende 2020 ging der Rechtsstreit vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen jedoch in eine weitere

Behörden Spiegel / März 2022

KI von herausragender Bedeutung BOS brauchen Technologien, um nicht ins Hintertreffen zu geraten (BS/Marco Feldmann) Künstliche Intelligenz (KI) ist aus der Arbeit von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) kaum mehr wegzudenken. Diese disruptive Technologie verändere nahezu alle Lebensbereiche. Das gelte auch für die BOS, so die Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium, Nicole Steingaß (SPD).

Diskutierten über die Befugnisse der Bundespolizei, auch im Bereich von KI (im Uhrzeigersinn): Uwe Proll (Moderator), Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Brand (CDU) und Manuel Höferlin (FDP). Screenshots: BS/Feldmann

der Auswertung von Chats im kinderpornografischen Umfeld sowie der Erstellung von Profilen und Dossiers zu den einzelnen Chatnutzern sinnvoll, erläutert Carsten Gußmann von der “Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime der Justiz NRW”. Auch im Kampf gegen Hasskriminalität könnten sie nützlich sein, so der Jurist. Auch die Polizei nutzt KI-Systeme im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen. Dafür gibt es mit “Kipo Analyzer” zwei Software-Lösungen, die unter anderem in Niedersachsen, aber auch in anderen Bundesländern im Einsatz oder zumindest in der Pilotierung sind. Ziele der Programme seien eine schnellere Analyse, eine höhere Effizienz, eine Minimierung der Fehleranfälligkeit

en. Wichtig ist aus Karls Sicht, dass bei der Beschaffung von KI nicht auf geschlossene Systeme gesetzt werde, sondern auf Modularität und offene Schnittstellen. Gleichwohl sei KI kein Allheilmittel, zumal der Begriff teilweise inflationär verwendet werde.

Auf Algorithmen kommt es an Zuspruch für diese Feststellung erhielt Karl von Dr. Martin Thüne von der Thüringer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Auch aus dessen Sicht wird der Terminus zum Teil plakativ und uneinheitlich genutzt, was zu Misstrauen führe. Klar sei allerdings, dass bei KI-Technologie algorithmenbasierte Polizeiarbeit eine zentrale Rolle spiele. Davon versprechen sich die Verantwortlichen und Anwender laut dem Wissenschaftler unter anderem eine Verbesserung von Auswerteprozessen durch eine (Teil-)Automatisierung, die schnellere Verarbeitung von (heterogenen) Text, Bild-, Video- und Audiodaten sowie die Ermöglichung schnellerer, effizienterer und flexiblerer Analysen bei gleichzeitiger Sicherstellung der Vertrauenswürdigkeit und Nachvollziehbarkeit der zugrundeliegenden Prozesse. Aus Thünes Sicht handelt es sich jedoch nicht bei allen Predictive-Policing-Anwendungen, die derzeit

Die Staatssekretärin im Ministerium des Inneren und für Sport Rheinland-Pfalz, Nicole Steingaß, unterstrich die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Umfeld der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).

genutzt werden, tatsächlich um KI-Technologie.

Nicht nur auf Technik verlassen Diese sollte im Sicherheitsbereich jedoch ohnehin nur eine unterstützende Rolle einnehmen. Sie dürfe den Menschen keinesfalls völlig ersetzen, warnt Dr. Matthias Leese vom Center for Security Studies an der ETH Zürich. Eine zu starke Automatisierung könne sich negativ auf die menschliche Kontrolle auswirken und dazu führen, dass menschlichen Analysten nur noch eine Zuschauerrolle zukomme und sie nicht mehr in Entscheidungsprozesse eingreifen könnten. Aus diesem Grunde sollte eine vollständige Automatisierung von Prozessen und Auswertungen unbedingt ver-

Der Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS), Wilfried Karl, geht davon aus, dass KI den BOS helfen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort entlasten kann.

mieden werden, meint der Forscher. Zudem machte er darauf aufmerksam, dass Daten die Realität nur selektiv abbildeten und immer von den Methoden ihrer Generierung abhängig seien. Deshalb sollten Daten nie als wahres Abbild der Welt missverstanden werden. Vielmehr sei eine gesunde Skepsis gegenüber Daten angebracht, findet Leese. Zudem eignen sich KI-gestützte Analyseverfahren aus seiner Sicht zwar für die Erkennung von Mustern. Laut dem Wissenschaftler geben sie dabei allerdings in der Regel keine Einblicke in komplexe soziale Zusammenhänge.

Bereits in der Anwendung Ungeachtet dessen sind KI-Anwendungen bei Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bereits im Einsatz. So seien sie etwa bei

sowie die Entlastung der Ermittlerinnen und Ermittler, erklärte Carsten Reinhardt, Themenführer des Projektes “KiPo” im niedersächsischen Landeskriminalamt.

Verhältnismäßigkeit wahren Aus Sicht der Bundespolitik sollten BOS KI-Technologien auch nutzen können, um mit den Kriminellen Schritt halten zu können. Allerdings sollte dieser Einsatz nicht schrankenlos erfolgen, unterstrichen mehrere Bundestagsabgeordnete. Entsprechend äußerte sich unter anderem der Innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin. Er plädiert dafür, KI im polizeilichen Bereich dort einzusetzen, wo dies sinnvoll ist. Etwas zurückhaltender gibt sich Marcel Emmerich, Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im In-

DFL wird in Bremen zahlen müssen Hansestadt obsiegt vor Bundesverwaltungsgericht (BS/Marco Feldmann) Die Deutsche Fußball Liga (DFL) wird sich künftig definitiv an den polizeilichen Mehrkosten bei Hochrisikospielen beteiligen müssen. Dies entschied nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Damit konnte sich das Land Bremen nun endgültig gegen das Unternehmen durchsetzen. Runde. Hier ging es lediglich um die Frage, ob Kosten der Ingewahrsamnahme von fast 90 Störern im Zusammenhang mit der Partie im April 2015 von den Betroffenen selbst statt von der DFL hätten übernommen werden müssen.

Gerichte dürfen Frage klären Trotz einer Einigung, die Gebührensumme zu reduzieren, wollte die DFL dennoch die Frage grundsätzlich klären lassen, ob der Gesetzgeber nicht hätte genauer regeln müssen, wie die Kosten aufzuteilen sind, wenn neben der gewinnorientierten Veranstalterin auch Störer Kosten verursachen. Die Revision gegen das OVG-Urteil wurde nicht zugelassen. Dagegen reichte die DFL vergeblich Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Leipziger Bundesrichter entschieden nun, dass diese Frage durchaus durch Gerichte geklärt

werden dürfe und dies nicht Aufgabe des Gesetzgebers sei. Inzwischen hat die Bremer Polizei der DFL Gebührenbescheide zugestellt, zwei weitere stehen noch aus. Es geht mittlerweile um eine Gesamtsumme in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro. 1,5 Millionen Euro davon hat die DFL bereits entrichtet.

Andere Länder und der Bund sind nun gefragt Auch in Zukunft werden polizeiliche Kosten für Fußballspiele, die nicht als Hochrisikopartien eingestuft sind, nicht dem Veranstalter in Rechnung gestellt. Gleiches gilt bei Hochrisikospielen für Kosten, die das Land bei jeder anderen Partie ebenfalls hätte tragen müssen. Der DFL werde auch in Zukunft nur die jeweilige polizeiliche Mehrbelastung in Rechnung gestellt, betont Mäurer. “Das betrifft nur wenige Spiele pro Saison. Die Kosten für die polizeiliche Grundlast trägt weiterhin der

Steuerzahler”, so der Innensenator gegenüber dem Behörden Spiegel. Der Ressortchef will die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch seinen Kolleginnen und Kollegen in Bund und Ländern zur Verfügung stellen. “Aus den Innenressorts der Länder war in den zurückliegenden Monaten zunehmend mehr Interesse an einer gerechten Kostenverteilung geäußert worden.” Eine Ursache sei sicherlich die klare Positionierung der Rechnungshöfe von Bund und Ländern, die sich einstimmig dafür ausgesprochen hätten, die Polizeikosten im Sinne der Steuerzahlerinnen und -zahler geltend zu machen. Denn, so Mäurer: “Es ist aus meiner Sicht absolut unverhältnismäßig, dass der Steuerzahler alle Kosten der Fußball-Bundesligen tragen soll.” Nun liege es an Bund und Ländern, ob sie auf Grundlage einer Mustergebührenordnung ebenfalls einzelne Gebührenbe-

scheide erstellen, sich auf eine einheitliche Gebührenregelung verständigen, eine gemeinsame Fondslösung entwickeln oder auf die Gelder verzichten wollten. Er selbst präferiere eine Fondslösung und sei gegen ein kompliziertes Abrechnungssystem. “Eine Entscheidung ist – auch wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Geisterspielen – aber noch nicht gefallen”, berichtete der Sozialdemokrat, der aufgrund der “eindeutigen Entscheidung der Bundesrichter” davon ausgeht, dass die DFL nun auch noch die Zahlungen aus den Bescheiden leistet, deren Vollstreckung zunächst ausgesetzt wurde.

Kaum Nachahmer Es muss allerdings bezweifelt werden, dass neben Bremen mehrere andere Bundesländer Gebührenbescheide an die DFL versenden. So heißt es beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen, dass dort entsprechende Pläne

nenausschuss des Deutschen Bundestages. Er sperrt sich zwar nicht gänzlich gegen diese Technologie, legt aber Wert auf deren verhältnismäßige Nutzung. Für Reformen des Bundespolizeigesetzes – auch zur intensiveren Nutzung von KI – spricht sich Michael Brand, Berichterstatter der Unions-Bundestagsfraktion für die Angelegenheiten der Bundespolizei, aus. Das Scheitern des letzten Novellierungsversuches der Rechtsvorschrift in der vergangenen Legislaturperiode im Bundesrat bedauert Brand. Denn Reformen brauche es dringend. Schließlich sei die Vorschrift letztmals 1994 angepasst worden. Er wünscht sich explizit die Aufnahme der Befugnisse zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) sowie zur OnlineDurchsuchung. Die Realisierungschancen sind jedoch recht gering. Denn die Ampel-Parteien haben genau diese Rechte in ihrem Koalitionsvertrag von einer Reform ausgenommen. Vielmehr wollen sie eine Überwachungsgesamtrechnung vornehmen. Die Methodik hierfür werde zeitnah entwickelt, so Höferlin. Ein konkretes Datum blieb er – trotz entsprechender Forderung des Abgeordneten Brand – schuldig. Emmerich sieht die Überwachungsgesamtrechnung derweil als ein gutes Fundament für anschließende Diskussionen über die Befugnisse für die BOS.

Technisch zahlreiche Möglichkeiten Rein technisch ist im KI-Bereich bereits heute viel möglich. So erläuterte Jan Hennies, Director Business Development – Public bei stashcat, Möglichkeiten der Interaktion heterogener Kommunikationstools. Dominik Lawatsch, AI Business Development Manager in der Division Homeland Security von secunet, präsentierte Möglichkeiten zur anonymisierten Bild- und Videoanalyse mittels datenschutzorientierter KI. Christian Fischbach stellte das Programm “Helsing” vor, während Martina Tschapka vom Unternehmen T3K-Forensics Möglichkeiten zum schnellen KI-Datenscreening nach illegalen Inhalten darstellte. Dem Thema “Einsatz von KI in behördenübergreifenden Ermittlungsverfahren” widmete sich Thomas Feld von Materna. Und auch Ulrich Wilmsmann, Head of KI, Big Data and Geo Analytics bei Atos, stellte KI-Möglichkeiten im Arbeitsalltag von Polizistinnen und Polizisten vor.

derzeit nicht verfolgt würden. Denn das Ausstellen von Rechnungen löse das Grundproblem der Gewalt in und rund um die Stadien nicht. Entscheidend für die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen sei vielmehr, dass jeder der Beteiligten für seinen Bereich Verantwortung übernehme. Dazu gehörten etwa bessere Einlasskontrollen, die konsequente Durchsetzung bundesweiter Stadionverbote gegenüber Gewalttätern und Stadionallianzen. Gleiches ist aus Baden-Württemberg zu hören. Auch dort setzen die Verantwortlichen im Innenministerium eher auf die Stadionallianzen. Und während in Hamburg die interne Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist, ist die Reaktion aus Bayern eindeutig. Aus dem Münchner Innenministerium heißt es, dass für den Freistaat Kostenbescheide an Vereine beziehungsweise die DFL wegen Polizeikosten bei Fußballspielen nicht infrage kämen. Denn die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei und bleibe Kernaufgabe des Staates, egal ob bei Fußballpartien oder anderen Großveranstaltungen. Wirtschaftliche Betrachtungen stünden dabei nicht im Vordergrund.


Behörden Spiegel / März 2022

Innere Sicherheit

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die Bewegung “Letzte Generation”?

Keine Akzeptanz für Rechtsverstöße

Joachim Herrmann: Diese Bewegung ist in letzter Zeit mit einer Reihe eindeutig rechtswidriger Aktionen in Erscheinung getreten, etwa durch Straßenblockaden oder das Blockieren von Zufahrten zu Flughäfen. Andere Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freiheit zu beschränken oder Lieferketten zu stören, sind keine legalen Mittel der freien Meinungsäußerung mehr. Das sind Straftaten, die für uns absolut inakzeptabel sind. Behörden Spiegel: Die Szene der Demonstranten gegen CoronaMaßnahmen ist sehr heterogen. Von welchen Gruppen droht aus Ihrer Sicht die größte Gefahr? Herrmann: Das Demonstrationsgeschehen müssen wir unbedingt differenziert betrachten. In Bayern geht unser Verfassungsschutz davon aus, dass unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstrationen nur wenige Rechtsextreme sind. Wir sprechen hier von einer niedrigen einstelligen Prozentanzahl. Der weit überwiegende Teil der Teilnehmer bei uns in Bayern stammt aus dem demokratischen Spektrum und hat sehr unterschiedliche Ansichten. Einige lehnen eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus ab, andere wehren

Eingriff ist nicht zu rechtfertigen Albers hatte gegen seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand geklagt. Diese war nach den Geschehnissen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015/2016 erfolgt. Die erste Instanz, das Verwaltungsgericht Köln, hatte seine Klage noch abgewiesen. Daraufhin hatte Albers Berufung beim OVG Münster eingelegt. Dessen Richter führten im Vorlagebeschluss an Karlsruhe im Rahmen des konkreten Normenkontrollverfahrens nun aus, dass die Rechtsvorschrift des nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetzes aus ihrer Sicht verfassungswidrig ist. Denn als politischer Beamter müsse ein Polizeipräsident unter geltender Rechtslage jederzeit befürchten, in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden. Selbst dann, wenn er den Anforderungen des Amtes vollumfänglich gerecht werde. Ein derartiger Eingriff ins Lebenszeitprinzip sei nicht gerechtfertigt, da ein Polizeipräsident nicht zum engen Kreis der Regierungsberater zählt. Auch komme ihm nicht die Umsetzung politischer Zielvorstellungen an der Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung zu. Er sei vielmehr nur Leiter einer nachgeordneten Behörde und habe seinen Fokus auf admi-

Behörden Spiegel: Sie sind in diesem Jahr Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK). Was haben Sie sich vorgenommen?

Joachim Herrmann fordert konsequentes Vorgehen gegen Straftaten

Herrmann: Selbstverständlich

(BS) Bayerns Innenminister übt eindeutige Kritik an den jüngsten Aktionen der Gruppierung “Letzte Generation”. Gleiches gilt für die sogenann- geht es aktuell um die sicherten “Spaziergänge” gegen die Corona-Maßnahmen. Hier würden bewusst Straftaten begangen, meint Joachim Herrmann. Dagegen müsse strikt heitspolitischen Konsequenzen vorgegangen werden, ebenso wie gegen Radikale im Öffentlichen Dienst. Das Interview führten Uwe Proll und Marco Feldmann. aus dem Krieg in der Ukraine sich gegen die noch bestehenden Corona-Einschränkungen. In anderen Bundesländern sieht die Szene aber ganz anders aus.

des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist ein klares Zeichen an “Reichsbürger” und Anhänger ähnlicher Bewegungen, dass wir sie konsequent aus dem Öffentlichen Dienst entfernen. Radikale haben dort nichts zu suchen.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die sogenannten “Spaziergänge”? Herrmann: In Deutschland ist die Versammlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützt. Das steht für uns außer Frage. Dazu gehört aber auch, dass Versammlungen grundsätzlich vorher anzumelden sind. Genau das wurde bei den sogenannten “Spaziergängen” bewusst nicht getan, um die Versammlungsregeln zu unterlaufen. Das akzeptieren wir nicht. Inzwischen sind die Teilnehmerzahlen dieser “Spaziergänge” aber auch rückläufig. Behörden Spiegel: Sie haben das jüngste Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zur Aberkennung des Ruhegehalts eines pensionierten Polizeibeamten aus der “Reichsbürger”-Szene begrüßt und ein noch härteres Vorgehen gegen Angehörige dieser

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ie Münsteraner Richter selbst (Aktenzeichen 6 A 739/18) halten die landesgesetzliche Zuordnung der Polizeipräsidenten im bevölkerungsreichsten Bundesland zum Kreis der politischen Beamten für verfassungswidrig. Da sie ein Parlamentsgesetz jedoch nicht selbst verwerfen dürfen, haben sie die Rechtsfrage nun dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Aktenzeichen 2 BvL 2/22). In erster Linie geht es darum, ob die Zuordnung der Polizeipräsidenten zum Kreis der politischen Beamten, wie sie in Paragraf 37 Absatz 1 Nummer 5 des nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetzes fixiert ist, gegen das Lebenszeitprinzip gemäß Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes und damit gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verstößt.

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Behörden Spiegel: Wie geht es mit der Bayerischen Grenzpolizei weiter? Herrmann: Wir wollen die Zahl der Kräfte der Bayerischen Grenzpolizei von anfangs knapp 500 auf 1.000 im Jahr 2025 verdoppeln. Wir sind auf einem guten Weg. Inzwischen haben wir bereits mehr als 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort. Für unsere Grenzfahnder gibt es jedenfalls genug zu tun. Das zeigt auch die jüngst von mir vorgelegte Einsatzbilanz für das vergangene Jahr. Die Anzahl der jährlich bearbeiteten Fälle stieg 2021 auf insgesamt gut 53.000, ein Plus von 24 Prozent. Dazu zählen festgenommene Schleuser wie auch Rauschgift- und Waffenschmuggler sowie eine Vielzahl weiterer Straftäter.

Joachim Herrmann (CSU) ist seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtags und seit 2007 Bayerischer Innenminister. Im Zuge einer Kabinettsbildung im März 2018 hat das Innenressort zusätzlich die Aufgabenbereiche für die Integrations- und Migrationspolitik erhalten. Zudem ist Herrmann aktuell Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK). Screenshot: BS/Feldmann

Bewegung, auch in der Polizei, angekündigt. Was ist geplant? Herrmann: Wir verfolgen hier eine sehr konsequente Linie, auch wenn es sich nur um Einzelfälle handelt. Denn wenn jemand die verfassungsmäßige Ordnung ablehnt und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland

leugnet, kann er nicht gleichzeitig Gesetzeshüter sein. Außerdem kann er als Beamter dann nicht erwarten, dass er vom Staat besoldet wird. Das widerspricht sich und das können wir auf keinen Fall akzeptieren. Wer Beamter sein will, muss eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Das Urteil

Karlsruhe muss entscheiden Polizeipräsidenten in NRW weiterhin als politische Beamte? (BS/Marco Feldmann) Der Rechtsstreit zwischen dem ehemaligen Kölner Polizeipräsidenten Wolfgangs Albers und dem Land Nordrhein-Westfalen muss nun höchstrichterlich entschieden werden. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ausgesetzt. nistrativ-gesetzesvollziehenden Aufgaben. Auch sei der Eingriff in das Lebenszeitprinzip unvereinbar mit der besonderen rechtsstaatlichen und politischen Unabhängigkeit von Polizeibehördenleitern, so die Richter weiter. Nun sei es sehr wichtig, die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Landesbeamtengesetz zu klären. Denn im Übrigen sei Albers' Versetzung in den einstweiligen Ruhestand rechtlich nicht zu beanstanden. Wann das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ist noch unklar. Aus dem Düsseldorfer Innenministerium war aufgrund des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme zu erhalten.

Schon vorher in der Kritik Albers war von 2011 bis Anfang 2016 Polizeipräsident. Zuvor war der studierte Jurist unter anderem Bonner Polizeipräsident (2002 bis 2011) und persönlicher Referent des nordrhein-westfälischen Innenministers. Außerdem arbeitete der Sozialdemokrat zeitweise in Brandenburg und bei der Düsseldorfer Bezirksregierung. Albers wurde während seiner Zeit als Kölner Polizeipräsident mehrfach für seine Amtsführung kritisiert. Dabei ging es unter anderem um das angebliche Unterschätzen der Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen, vermeintliche polizeitaktische Fehler sowie eine Affäre bei einem Spezialeinsatzkommando (SEK). Nach den massiven sexuellen Übergriffen in der Domstadt in der Silvesternacht 2015/2016 wurde Albers schließlich in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Überholtes Instrument Gewerkschaftsvertreter halten es für inzwischen überholt, dass Polizeipräsidenten in NordrheinWestfalen zwingend politische Beamte sein müssen. So äußert sich etwa der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Erich Rettinghaus. Er erwartet durch mehr

Fachlichkeit auf der Ebene der Behördenleitung auch eine bessere polizeiliche Führung. Zudem macht er darauf aufmerksam, dass die Landesämter der nordrhein-westfälischen Polizei (LAFP, LZPD und LKA) bereits heute von Polizeibeamten des höheren Dienstes geführt würden, auch wenn die Position des LAFP-Chefs derzeit noch vakant sei. Das sollte in Zukunft auch vermehrt für Polizeipräsidenten gelten, findet er.

Funktionen ausschreiben Aus dem Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kommt die Forderung an die Landesregierung, frei werdende Funktionen von Polizeipräsidenten ab sofort auszuschreiben. Grundlage der Ernennung müsse ausschließlich die fachliche Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber sein. Parteipolitische Motive dürften keine Rolle spielen. Der Landesvorsitzende Michael Mertens meint dazu: “Die Polizeipräsidenten wären bei ihren Entscheidungen dann nicht länger von der politischen Rückendeckung aus dem Innenministerium abhängig, sondern könnten sich ausschließlich daran orientieren, was für die Sicherheit der Menschen erforderlich ist.” Zudem plädiert die GdP dafür, dass die Ausschreibung der Stellen so gestaltet wird, dass sich auch Polizistinnen und Polizisten bewerben können. Denn: Von den 18 Polizeipräsidien im bevölkerungsreichsten Bundesland würden derzeit nur sieben von Polizeibeamten geführt (Bochum, Köln, Bonn, Essen, Wuppertal, Krefeld und Hamm). In einigen Dienststellen sei die Präsidentenstelle aktuell zudem nur kommissarisch besetzt. Unterdessen wurde Ursula Tomahogh zur neuen Hagener Polizeipräsidentin ernannt. Kritik an der derzeitigen Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, wo die meisten Kreispolizeibehör-

das Bundesverfassungsgericht die bislang geltende gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig und nichtig erklären, hätte der Dienstherr ein großes Problem. “Denn dann wäre die Versetzung von Albers in den einstweiligen Ruhestand ohne gültige Rechtsgrundlage und damit rechtswidrig erfolgt. Er hätte dann bis zum Erreichen des Pensionsalters einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung gehabt.” Diese Grenze hat der frühere Kölner Polizeipräsident inzwischen erreicht, sodass eine Weiterbeschäftigung nicht infrage kommt. Allerdings könne es sein, dass der Dienstherr dann die Differenz zwischen den Bezügen während des einstweiligen Ruhestandes (Übergangsgeld etc.) und jenen der regulären Amtsbesoldung nachzahlen müs-

den noch immer von gewählten Landräten, die keine politischen Beamten sind, geleitet werden, kommt auch von Staatsrechtlern. So urteilt Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht sowie Verwaltungs- und Kommunalrecht, an der Universität Potsdam: “Das Instrument des politischen Beamten ist ein Eingriff in die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Es sollte nur bei Staatssekretären Anwendung finden, da sie ein Ministerium leiten und deshalb vom besonderen Wohlwollen der Ministerin oder des Ministers abhängig sind.” Der Hochschullehrer hält die Vorlagebegründung des OVG Münster für völlig richtig und nachvollziehbar. Und Schmidt weist auf noch etwas hin: Sollte

und dem Angriff Putins. Die schnelle Hilfe für ukrainische Kriegsflüchtlinge steht ganz oben auf der Agenda, aber beispielsweise auch die Gefahren von gezielten Cyber-Angriffen Russlands. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist, dass wir uns in diesem Jahr im Rahmen der IMK besonders mit Fragen des Katastrophenschutzes beschäftigen. Denn es müssen unbedingt Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gezogen werden. Zumal Starkregenereignisse jeden Ort in Deutschland jederzeit treffen können. Dagegen müssen wir gewappnet sein.

Mehr zum Thema Das komplette Videointerview mit Staatsminister Joachim Herrmann (CSU) findet sich in der Mediathek von "Digitaler Staat Online" unter www. digitaler-staat.org, Suchbegriff Herrmann.

se, meint Schmidt. Das Düsseldorfer Innenministerium hält entgegen, dass es eben genau die Polizeipräsidien seien, die vor Ort unmittelbar mit Vollzugsaufgaben betraut seien und die das Gewaltmonopol des Staates umsetzten. Außerdem habe die gesetzliche Option, Polizeipräsidenten in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition.

Keine Gefahrenabwehr in der Fläche Die Landesoberbehörden der Polizei hingegen würden bestimmte spezialisierte Behördenaufgaben und zum Teil auch Unterstützungsaufgaben für die Polizei des Landes zentral wahrnehmen, ohne Gefahren in der Fläche abzuwehren. Insoweit seien sie von der Organisations- und der Aufgabenstruktur nicht mit den Polizeipräsidien vergleichbar. Die Polizeipräsidien bildeten eine Art “Scharnierfunktion” zwischen Politik und Verwaltung. Dies sei bei den Landesoberbehörden nicht in diesem Maße der Fall.

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Behörden Spiegel / März 2022

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ort wird ihr Handeln dokumentiert. Sie ermöglicht Auswertungen im konkreten Fall oder dient der Lageerstellung und -bewertung. Über den Einsatz dieser IT-Anwendungen wird die Polizei abrechenbar. Dies ist ein erfolgskritischer Faktor, auch für das Vertrauen in die Polizei als Institution. Mit dem Bundesprogramm “P20” wurden die Grundlagen geschaffen, die “Saarbrücker Agenda” umzusetzen. P20 soll abgestimmt eine gemeinsame, einheitlichere Informationstechnik schaffen. Dies ist aus meiner Sicht ein bislang einmaliger, richtiger Schritt und nicht minder ambitioniert. Es gilt nun, mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen die gesetzten Ziele verantwortungsbewusst, fokussiert und maßvoll umzusetzen.

Auch Betroffenheit nimmt zu Das Bundesprogramm P20”dient nicht sich selbst, sondern schafft neue, bestenfalls bessere Arbeitsbedingungen, um den gesetzlichen Auftrag an die Polizeien des Bundes und der Länder bestmöglich zu erfüllen. Mit Zunahme der Programmaktivitäten in Bund und Ländern, welche ich ausdrücklich begrüße, steigt jedoch auch die Betroffen-

IT ist erfolgskritischer Faktor Polizei ist auf funktionierende Systeme angewiesen (BS/Horst Kretzschmar) Die Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger ist das Primat polizeilicher Aufgabenerfüllung. Aus dieser Verpflichtung der Polizeien in Bund und Ländern erwächst der Anspruch, dies mit höchster Fachexpertise und mit modernsten Mitteln jeden Tag, rund um die Uhr zu gewährleisten. Dabei ist die Werkbank der Kolleginnen und Kollegen die IT. se und dem freien Markt, zwischen gemeinsamen Zielen und Länderhoheiten, aber auch zwischen Sicherheit und Freiheit. Dieses Austarieren gilt im Großen bei der Gestaltung der Informationsarchitektur sowie im Kleinen im Einsatz konkreter Software. All die Vorhaben sind nur umsetzbar, wenn gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der Polizei stets gewährleistet ist. Die sächsische Polizei hat seit ihrem Bestehen immer diese Abwägungen vorgenommen und sich selbstbewusst im Bereich der polizeilichen IT eine hohe fachliche Expertise aufgebaut. Damit war und ist sie auch zukünftig ein verlässlicher Partner. Hiesige IT-Lösungen sind fachlich

Horst Kretzschmar ist seit dem 1. Januar 2019 Landespolizeipräsident Sachsens und Leiter der Abteilung 3 – Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Landespolizeipräsidium – im Sächsischen Staatsministerium des Innern. Seine Verabschiedung in den Ruhestand erfolgt am 31. März. Foto: BS/SMI

heit der Teilnehmer. Diese zeigt sich in verschiedenen Facetten abseits der Informationstechnik, denn die Aktivitäten haben unmittelbare Auswirkungen auf die Haushalte der Teilnehmer, auf Arbeitsweisen und damit auch auf bestehende Organisationen oder Stellenbedarfe. Sie tangieren aber insbesondere bereits getätigte Investitionen oder hiesiges Landesrecht. Hier bedarf es eines gerechten Ausgleichs zwischen den Teilnehmern, zwischen eigener Experti-

ausgereift und erfüllen verlässlich bisher alle rechtlichen sowie Bund-Länder-Anforderungen. Daher sind sie für das Portfolio mit zu bedenken.

Priorisiert mit Grundsatzfragen beschäftigen In Anbetracht eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Haushaltsmitteln sowie der Tragweite des geplanten Portfolios plädiere ich für eine priorisierte und gewissenhafte Auseinandersetzung mit den Grundsatzfragen. Dazu zähle ich das Datenhaus, bestmögliche Kooperationsformen sowie den Datenschutz, aber auch eine vergaberechtskonforme Handhabung, insbesondere wenn landesspezifische Anforderungen umgesetzt werden sollen oder gar müssen. Die eingangs erwähnte Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger ist der Kompass unserer Bemühungen. An ihr wird sich

die sächsische Polizei ausrichten, um diesen Auftrag und mit meiner Perspektive daher vornehmlich im Freistaat Sachsen ohne Kompromisse umzusetzen. Denn über die IT werden polizeiliche Werkzeuge bereitgestellt. Deren Art, Umfang, Funktionalität und Usability machen zudem den Polizeiberuf attraktiv und stiften Arbeitszufriedenheit. Die Ziele und Leitlinien der “Saarbrücker Agenda” stehen hierzu nicht in Widerspruch – das gewählte Vorgehen unter Umständen schon.

Mehrwert-Verlust-Waage etwas schief Im Kern geht es um die für die polizeiliche Aufgabenerfüllung benötigten Informationen, die je nach Anlass und Berechtigung den Polizeibediensteten jederzeit zur Verfügung stehen sollen. Die Umsetzung dieses Ziels der “Saarbrücker Agenda” stellt den Brennpunkt dar. Folgerichtig

hätte hier ein Schwerpunkt der Bemühungen gebildet werden müssen. Bislang vernehme ich jedoch nur Zielbilder und methodische Überlegungen zum gemeinsamen Datenhaus, währenddessen bestehende Landeslösung respektive Investitionen vorab einer solchen Lösung per Federstreich abgelöst werden sollen. Zum jetzigen Zeitpunkt steht die Mehrwert-Verlust-Waage etwas schief. Aber darin liegen eben auch die Herausforderungen für die Beteiligten aller Ebenen. Der Diskurs ist zu führen. Dennoch sind die Interessen zu wahren. Transparenz in allen Entscheidungen und fachlicher Mehrwert sind oberste Gebote. Die Ernte dieser Anstrengungen werde ich zwar nicht in meiner aktiven Amtszeit, aber gewiss mit einigem Interesse als Landespolizeipräsident a. D. weiterhin verfolgen. Meiner Amtsnachfolgerin beziehungsweise meinem Amtsnachfolger möchte ich an dieser Stelle symbolisch den Staffelstab überreichen und allen Beteiligten viel Erfolg für diese Aufgabe wünschen. Ganz persönlich liegt mir das Bundesprogramm P20 sehr am Herzen, weil es eine Zeitenwende polizeilicher Arbeit herbeiführt.

Sehr weit reichende Neuordnung

Auf dem Weg zur digitalen Polizei

P20 bedeutet nicht nur Vereinheitlichung und Konsolidierung

Weg von Insellösungen, hin zur Einheitlichkeit

(BS/Sebastian Fiedler*) Wer das Programm “P20” (Polizei 20/20) für Europas größtes IT-Projekt hält, hat recht. Zugleich irrt man, wenn man glaubt, es handele sich “nur” um eine Vereinheitlichung und Konsolidierung der IT-Landschaft der deutschen Polizei. In Wahrheit ist es die weitreichendste Neuordnung der deutschen Sicherheitsarchitektur seit Jahrzehnten.

(BS/Karsten Seliger*) Viele verschiedene Systeme zur Bearbeitung von Vorgängen, Ermittlungen sowie der Sammlung von Informationen: Die aktuell sehr heterogene IT-Landschaft der Polizei wird den Anforderungen an eine moderne Polizeiarbeit längst nicht mehr gerecht. Eine Integration der Einzelsysteme für einen direkten und sicheren Austausch von Informationen ist dringend notwendig. Auch Föderalismus und Datenschutz stellen die Datenhaltung der Polizeibehörden bereits seit Jahrzehnten vor Herausforderungen.

Die 20 im Programmnamen steht dabei für die Anzahl der Projektpartner: 16 Länderpolizeien, das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei, der Zoll sowie die Polizei beim Deutschen Bundestag. Zur Erinnerung: Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die “Saarbrücker Agenda zur Digitalisierung der Inneren Sicherheit”, die die Innenministerkonferenz beschlossen hat. Die Polizeiarbeit solle auf ein neues, modernes Niveau gehoben und damit die Kriminalitätsbekämpfung effektiver gemacht werden, forderte die Runde damals. Ziel der Agenda sollte vor allem “die Schaffung einer gemeinsamen, modernen, einheitlichen Informationsarchitektur” sein. Der damalige Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) sagte dazu: “Die Zeit ist reif für eine grundlegende Modernisierung der IT bei der Polizei. Wir wollen eine moderne IT, besseren Datenschutz und mehr Nutzerfreundlichkeit, damit die Polizei insgesamt besser arbeiten kann. Ein Polizist in Saarbrücken muss wissen, dass sein Kollege in Stuttgart gegen die gleiche Person ermittelt wie er!” Ich fasse die Zielvorgaben etwas abstrakter und zugleich präziser zusammen. Jede Polizistin und jeder Polizist muss innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit und überall Zugriff auf die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Daten haben. Die zukünftige IT muss einfach, anwenderfreundlich sowie immer auf dem jeweiligen

Stand der Technik und IT-Sicherheit sein. Für Bund und Länder relevante polizeiliche IT-Angebote werden nur einmal entwickelt und stehen den jeweiligen Bedarfsträgern zur Verfügung. Die neue Informationsarchitektur bildet die Grundlage für digitale und medienbruchfreie Vernetzung der Polizei mit ihren nationalen und internationalen Partnern. Diese Zielbeschreibungen kann man vernünftigerweise nur unterstützen. Mit dem Programm werden zugleich Digitalisierungsprojekte der Polizei vorangetrieben und eine Konsolidierung der Systemlandschaft erreicht. Vor allem Letzteres wird ein neues Zeitalter der Systemlandschaft hervorbringen. Das Ausmaß der derzeitigen Heterogenität ist Außenstehenden nur schwer vermittelbar und sorgt im Übrigen für grundsätzliche Probleme an anderen Stellen, denn Veränderungen der Sicherheitsarchitektur lösen zwangsläufig auch systemseitig immense Herausforderungen aus. Die einschneidendste Veränderung der letzten Jahre war die Herauslösung der Analyse der Geldwäscheverdachtsmeldungen aus der Zuständigkeit der Landeskriminalämter einschließlich der Verlagerung der Financial Intelligence Unit (FIU) vom BKA zum Zoll. An diesem Beispiel wird sichtbar, dass die Gewährleistung einer hinreichenden Informationsbasis für die neue FIU beim Zoll allein aus systemischtechnischen Gründen vor einer Umsetzung von P20 nicht möglich

ist. Andererseits sind die Chancen für die künftige Polizeiarbeit riesengroß und möglicherweise noch nicht überall hinreichend präsent. In der Zukunft werden Prozesse kriminalpolizeilicher Sachbearbeitung in ganz Deutschland einheitlich sein. Die IT-Ausstattung aller Polizeibeschäftigten wird ebenfalls vereinheitlicht sein. Dadurch, dass die Datenqualität um ein Vielfaches höher sein wird, verbessert sich die Erkenntnisgewinnung bei Ermittlungen. Durch schnelleren, medienbruchfreien Informationsaustausch wird die Reaktionsgeschwindigkeit der Polizei steigen. Polizeiliche Anwendungen werden genutzt werden können, unabhängig davon, wo und mit welchem Endgerät sie bedient werden. Und nicht zuletzt verbessern sich die Fähigkeiten der deutschen Polizei, mit internationalen Partnern zu kooperieren (“Interoperabilität”). Ich verbinde diese Entwicklungen jedoch mit einer Forderung, die ich seit vielen Jahren gebetsmühlenartig wiederhole: Auch nach vollständiger Implementierung von P20 werden sich polizeiliche Anwendungen nicht selbst bedienen. Die Qualifikation der Anwenderinnen und Anwender ist und bleibt die größte Achillesferse der deutschen Sicherheitsarchitektur. *Sebastian Fiedler (SPD) ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort ist er Mitglied des Innenausschusses sowie der kriminalpolitische Sprecher seiner Fraktion.

Grafik: BS/Logicalis

In der Vergangenheit sind bereits einige IT-Konsolidierungsprojekte der Polizei gescheitert. Die Ursachen lagen unter anderem in Inkonsistenzen zwischen Datenbeständen oder unterschiedlichen Rollen und Zugriffsrechten. Das aktuelle Projekt P20 (ehemals Polizei 20/20) des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) soll die digitale Transformation der Polizeiarbeit vorantreiben – mithilfe eines Datenhauses, das eine gemeinsame Datenbasis für alle deutschen Polizeibehörden darstellt. Die Polizisten im Land sollen damit jederzeit und überall Zugriff auf wichtige Informationen haben. Da eine Ablösung und/oder Vereinheitlichung aller bestehenden Einzelsysteme auf absehbare Zeit aber wenig realistisch erscheint, ist ergänzend eine Integration zwischen den Einzelsystemen erforderlich – Stichwort

Enterprise Application Integration (EAI). Damit wäre zusätzlich der direkte Austausch von Informationen und Vorgängen möglich. Die Polizei profitiert zudem von einer hohen Flexibilität und unkomplizierten Skalierbarkeit. Der automatische Abgleich von Informationen, semantische Konsistenz und die Vergabe von Zugriffsrechten sind ebenfalls nötig, um die Polizeiarbeit transparenter zu gestalten.

Externe Hilfe in Anspruch nehmen Eine weitere Chance für die Transformation der Polizei in Deutschland: der Einsatz von Container-Plattformen oder Private-Cloud-Infrastrukturen. Diese ermöglichen es, über die Grenzen der Bundesländer hinweg, standardisierte Betriebsumgebungen zu schaffen. Zudem können die Polizeibehörden hierbei umfassende Managed

Services in Anspruch nehmen, die ihre internen IT-Ressourcen entlasten. In jedem Fall ist es ratsam, für die Bereiche Datenhaltung, Applikationsintegration und Cloud-Infrastrukturen einen externen Experten hinzuziehen, der zusätzlich ein großes Managed-Services-Portfolio anbietet. Die Logicalis GmbH verfügt über branchenübergreifende Erfahrung und ein breit aufgestelltes Team, das kompetent zu Security- und Datenschutzaspekten bei Datenhaltungsprojekten berät und alle Anforderungen proaktiv im Blick behält. Die Logicalis Group ist mit mehr als 6.500 Mitarbeitern in 27 Ländern für über 10.000 Kunden aktiv. Weitere Informationen: www.de.logicalis.com *Karsten Seliger arbeitet bei der Logicalis GmbH.


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Behörden Spiegel / März 2022

Polizeilich gesucht

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it dem Konzept einer Data Fabric von IBM und anderen Unternehmen können die historischen Prozesse des Meldewesens grundlegend modernisiert werden. Die richtigen Daten werden den richtigen Akteuren im Polizeidienst zur richtigen Zeit zur Verfügung gestellt, damit faktengetriebene Erkenntnisse aus Big Data Analytics und Informationsmanagement ohne aufwendigen Transport der Daten in die Polizeiarbeit einfließen und sie optimieren helfen. Gerade die föderalen Datenstrukturen erschweren eine regelkonforme Konsumierung der Daten in hoher Qualität und Aktualität für die einzelnen Akteure aus Bund und Ländern. Oftmals sind Daten nicht verfügbar oder nicht aktuell sowie unvollständig und können nicht zeitnah für die Polizeiarbeit genutzt werden. Doch gerade hier hilft die konzeptionelle Stärke der Cloudera Data Platform.

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Der digitale Transformator (BS/Jörg Scholz/Jürgen Bienzeisler*) Das Programm “P20” mit seinem angestrebten Datenhaus und dem Ziel, eine gemeinsame, moderne und einheitliche Informationsarchitektur für die Polizeien des Bundes und der Länder bereitzustellen, erscheint uns sowohl zielführend als auch überfällig, um das polizeiliche Informationswesen angesichts der digitalen Aufrüstung der Gegenseite auf den Stand der Zeit zu bringen und effiziente Polizeiarbeit zu gewährleisten.

Außergewöhnliche Fähigkeiten Cloudera Data Platform enthält eine durchgängige Governance- und Policy-Verwaltung der gesamten Informationskette, von der Datenerhebung in den Vorgangssystemen über die Funktionen des Data Engineerings zur Qualitätsverbesserung, der Datenkonsumierung für autorisierte Nutzer und der Datenanalyse bis hin zur Einbindung von Künstlicher Intelligenz oder Machine Learning als Querschnittsservice. Das heißt: Die Regeln für den Zugriff und die Nutzung der Daten (beispielsweise HyDaNe) werden über den kompletten Lebenszyklus der Daten an genau einer Stelle definiert, verwaltet und gepflegt. Somit wird eine sehr komplexe Aufgabenstellung klar, transparent und beweissicher über Audit-Logs umsetzbar und es gelingt, große Datenmengen auch granular einer großen An-

Die Umsetzung von integrierten und sicheren Datendiensten gelingt dank einer hybriden Cloud-Plattform. Grafik: BS/Cloudera

zahl unterschiedlich berechtigter Akteure zeitnah zur individuellen Analyse bereitzustellen. Oftmals scheitern Big DataProjekte genau an dieser Stelle, da sie nicht in der Lage sind, regelkonform und trotzdem zeitnah und nachvollziehbar neue Informationsbedarfe auch lage- oder einsatzbedingt ad hoc bereitzustellen. Cloudera ist im Markt bekannt für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, eine per Design auf Vollständigkeit, Automatisierung und Durchgängigkeit ausgerichtete Open Source-Datenplattform für die Gewinnung und Verarbeitung großer, heterogener Datenmengen anzubieten. Im Bereich öffentlicher Verwaltung arbeiten

wir bereits erfolgreich bei Bundes- und Sicherheitsbehörden in mehr als 40 Ländern zusammen (https://de.cloudera.com/ solutions/public-sector.html). Gemeinsam mit dem Informationstechnikzentrum Bund und dem Statistischen Bundesamt setzen wir bereits Standards für die Einhaltung einschlägiger deutscher Sicherheits- und Datensicherheitsbestimmungen. Die Offenheit der Data Platform-Architektur ist bereits bei “Konzeption, Planung, Aufbau, Migration und Transformation” eines Datenhauses nicht nur für die Datengewinnung in der Datenplattform von signifikanter Bedeutung, sondern auch, um die gesammelten und verwalteten

Polizei-IT: Die Basis steht Jetzt geht es um die Modernisierung der Fachverfahren (BS/Ricardo Kollek*) Die IT-Systeme der Polizeien fit für die Zukunft machen – das ist das Ziel der Agenda “P20” des Bundes. Dafür sollen die verschiedenen dezentralen Fachanwendungen samt Datenbanken der Polizeibehörden von Bund und Ländern konsolidiert, an zentralen Stellen transformiert und vereinheitlicht werden und zudem sollen weitere neue Fachanwendungen medienbruchfrei entwickelt werden. Grundvoraussetzung ist eine agile und softwaredefinierte IT-Infrastruktur auf Bundes- und Länderebene. Doch was sind die Anforderungen an eine solche Plattform? Wichtige Kriterien sind betriebliche Effizienz, Einsatzagilität und der Ausbau der digitalen Fähigkeiten der Polizeien. Dies kann durch die Nutzung lokaler Private Clouds, das heißt Services aus den On-Premise-Rechenzentren verschiedener Behörden und deren Cloud-Umgebungen, erreicht werden. Die Vorteile gegenüber den vorhandenen, isolierten LegacySystemen sind offensichtlich: Cloud-Plattformen sind kosteneffizient, ermöglichen einen Datenaustausch über die lokale Infrastruktur hinaus, sind bedarfsgerecht skalierbar und fördern die gemeinsame Weiter- und Neuentwicklung von Verfahren im Community-Ansatz.

Hohe Anforderungen an IT- und Datensicherheit Dabei ist auf die IT-Sicherheit der Plattform sowie auf DatenCompliance zu achten. Auch hier punkten Private- und MultiCloud, denn die Daten werden sicher in den lokalen Rechenzentren vorgehalten. Die Verfahren können davon getrennt und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Berechtigungen modernisiert, entwickelt und betrieben werden. In puncto IT-Sicherheit empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit einem Technologiepartner, der eine End-to-End-Sicherheitslösung anbietet und alle Komponenten

schützt – vom Rechenzentrum über das Verfahren bis zum (mobilen) Endgerät, vom Netzwerk bis zum externen Cloud-Provider.

Schnell zu modernen Verfahren Auf Bundesebene ging zwischenzeitlich eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnilk (BSI) begutachtete und freigegebene Cloud in den Wirkbetrieb. Eine derartige Cloud ist für alle Polizeibehörden die Basis ihrer IT-Transformation. Mit Tanzu Application Services als zentralem Bestandteil dieser Cloud-Umgebung können die Legacy-Systeme sukzessive modernisiert und Verfahren Cloudnativ transformiert werden. Neuanwendungen lassen sich dank leistungsstarkem Framework mit hohem Automatisierungsgrad entwickeln. Setzen

die Polizeien übergreifend auf ähnlich geartete Infrastrukturen, profitieren sie von weiteren Vorteilen: Dienstleistungen können für Verfahren wechselseitig erbracht werden, zudem lassen sich Verfügbarkeit sowie Ausfallsicherheit erhöhen, da im Fehlerfall Verfahren geschwenkt werden können. Kommt die Cloud im Verbund der Polizeibehörden zum Einsatz, lässt sich Kapazität im Falle von Bedarfsspitzen elastisch im Verbund nutzen. Eine derart agil gestaltete, effiziente und übergreifende IT ist die Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Polizei. Weitere Informationen unter www.vmware.com *Ricardo Kollek ist Senior Account Executive Public Sector (Inner Security) bei VMware.

Auf einen Blick Lösungen für eine moderne Polizei-IT: • VMware Tanzu Labs: Befähigung der Entwickler mit Methodiken zur Beschleunigung des Modernisierungsprozesses. Sukzessive Neuausrichtung der IT in Richtung DevSecOps. • VMware Tanzu: integrierte Kubernetes-Infrastruktur für den Betrieb Cloud-nativer Micro-Services-Anwendungen. • VMware Cloud Foundation: Lösung für ein software-definiertes Rechenzentrum – inklusive Server-, Netzwerk- und SpeicherVirtualisierung. • VMware/Dell: Bereitstellung der physischen RechenzentrumsInfrastruktur.

Daten über sichere Schnittstellen und Protokolle wieder an weiterführende Drittsysteme zu leiten. Eine offene Datenarchitektur ist hier also Key-to-Success: Die Datenplattform sammelt, hält und verwaltet die Datenzugriffe und ist gleichfalls in der Lage, Datenströme oder Subsets of Data an externe Anwendungen unter Einhaltung der in der Datenplattform definierten Governanceund Policy-Regeln weiterzugeben.

Funktionsumfang erweiterbar Ein weiterer Nutzenaspekt besteht in der Erweiterungsmöglichkeit des Open Sourcebasierten Funktionsumfangs:

Nicht eine Technologie für die Aufgabenstellung bei Data Engineering oder Data Analytics ist enthalten, sondern eine Vielzahl. Daher schränkt die Datenplattform die Nutzbarkeit nicht ein, sondern erlaubt konkurrierende Technologien, um die jeweilige Aufgabenstellung am effizientesten durchzuführen. Ergänzt wird die Cloudera Data Platform durch ihre Anlage zum “SelfService”, womit erreicht wird, dass die Verbundpartner ihre Aufgabenstellung weitgehend ohne Zuarbeit von Programmierern oder IT-Fachpersonal erledigen können. Auf diese Weise wird die Zeit von der Datenverfügbarkeit bis zum Vorliegen von Ergebnissen oder Insights auf wenige Stunden verkürzt, im Gegensatz zu sonst typischen Projektlaufzeiten von Monaten. Der Nutzen und das Werteversprechen der Cloudera Data Platform bestehen also in der nachweislichen Effektivität, große und heterogene Datenmengen auch in einem deutschen föderalen Datenschutzumfeld zuverlässig, sicher und regelkonform so zu sammeln und zu verarbeiten, dass die Nutzer und Akteure eines “Datenhauses” auftragsorientiert und schnell auf die eingefügten Daten zugreifen können, um dann innerhalb kürzester Zeit ihre jeweilige Aufgabenstellung mithilfe modernster AnalytikMethoden zu realisieren. Die CDP Private Cloud ist eine Hybrid-Datenplattform der nächsten Generation mit nativen

Cloud-Self-Service-Analyse-Erfahrungen, die Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Cloud bietet. Die wichtigsten Unterschiede zu einem herkömmlichen Big Data Stack sind: • anpassungsfähige Analysen, die in einer containerisierten Compute Cloud ausgeführt werden, • hoch skalierbarer Objektspeicher, der von der Rechenschicht getrennt ist, • ein sicherer und zuverlässiger Data Lake, der Daten über das gesamte Unternehmen hinweg kombiniert, • konsistente Verwaltungsdienste über alle Betriebsmodelle hinweg, die eine On-Premiseund Hybrid-Cloud ermöglichen. Mit der CDP Private Cloud kann für das Datenhaus “P20” Folgendes gewährleistet werden: • zehn Mal schnellere Bereitstellungen von Analyse- und ML-Diensten als herkömmliche Datenverwaltungslösungen, mit einer Hybrid-Datenarchitektur im Petabyte-Bereich, • 100-prozentige MandantenIsolation in Bezug auf die Einhaltung der SLA bei missionskritischen Workloads, wobei benutzerdefinierte Umgebungen das “Noisy Neighbors”Problem beseitigen, • um 50 Prozent geringere Rechenzentrumskosten durch drastische Verbesserung der Effizienz und Auslastung der Recheninfrastruktur und Eliminierung der Datenreplikation beziehungsweise Netzwerkbelastung *Jörg Scholz ist Business Development Technology Public Sector bei IBM DACH. Jürgen Bienzeisler ist Sales Management Account Manager bei Cloudera (jbienzeisler@cloudera.com).

ZUSAMMENARBEIT STÄRKEN, SICHERHEIT SCHAFFEN.

rola ist seit vielen Jahren verlässlicher Partner der deutschen Polizeibehörden. Mit leistungsstarken Softwaresystemen „made in Germany“ unterstützen wir sie bei ihren täglichen Herausforderungen in der Ermittlungsarbeit. Kriminalpolizeiliche Fallbearbeitung Asservatenmanagement Social Media Monitoring Objekterkennung in Bild- und Videodateien Datenbank- und verfahrensübergreifende Recherche und Analyse

rola Security Solutions GmbH | Essener Str. 5 | 46047 Oberhausen www.rola.com | vertrieb@rola.com | +49 (0) 208 - 3066160


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Behörden Spiegel / März 2022

Digitalisierung der Polizei

Auf einem guten Weg

Herausforderung und Chancen in Schleswig-Holstein

Wesentliche Umsetzung konnte aber erst spät starten

(BS/Dr. Sabine Sütterlin-Waack) Es mag etwas abgedroschen klingen, gerade weil es für uns so selbstver- (BS/Sebastian Schütt) Das Gesamtprogramm Polizei 20/20 ist auf einem guten Weg. Nach zweieinhalb Jahständlich ist. Die Entwicklungen der Digitalisierung sind für die Gestaltung unseres privaten Lebens nicht ren ist der Ist-Stand des polizeilichen Informationswesens erhoben, die Ziele sind formuliert und der Weg zum mehr wegzudenken. Ich möchte dies mit einem Beispiel deutlich machen. Ziel ist beschrieben. Dies bedeutet aber auch, dass (erst) mehr als fünf Jahre nach dem politischen Beschluss des Programms durch die “Saarbrücker Agenda” mit der wesentlichen Umsetzung begonnen werden kann.

Einen großen Teil unseres Lebens organisieren wir mittlerweile mit dem Smartphone. Termine, Absprachen, Navigation, Steuererklärung. Das Telefonieren gerät beinahe zur Nebensache. Wer hätte vor 15 Jahren erahnen können, dass Handys ohne Tasten funktionieren und man nur noch auf dem Bildschirm tippt? Dass wir mit einer digitalen Kreditkarte auf dem Handy an der Kasse bezahlen können? Mittlerweile muss das Mobiltelefon nicht einmal mehr in die Hand genommen werden, um nahezu alle Funktionen nutzen zu können. Aber verläuft die digitale Transformation unserer eigenen, polizeilichen Arbeitswelt genauso unerwartet schnell? Die Frage, die wir uns unbedingt stellen müssen: Wie wollen wir in Zukunft mit der immer schnelleren digitalen Entwicklung umgehen? Eines ist völlig klar: Wir müssen mit der Digitalisierung der Gesellschaft und damit gleichzeitig der Kriminalität schritthalten. Auch im digitalen Raum gilt die polizeiliche Maxime “Wir müssen vor die Lage kommen”.

Daten immer wichtiger Daten gewinnen als Beweismittel immer mehr an Bedeutung. Es fallen mittlerweile bei vielen der eher klassischen Delikte massenweise auszuwertende Daten an, zum Beispiel Bewegungsdaten von Smartphones im Rahmen eines Einbruchdiebstahls. Gleichzeitig haben wir es aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft mit neuen Tatbegehungsformen und einem Anstieg von Cyber Crime zu tun. Im Zusammenhang mit dem Ermittlungsgeschehen rund um die Causa EncroChat werden Kommunikationsdaten ausgewertet, die sich über einen Zeitraum von drei Monaten erstrecken. Die Gefahr, dass einige der erheblichen Straftaten, für die Beweise vorliegen, aufgrund der schieren Masse an Beweisen nicht verfolgt werden können, ist greifbar. Ähnliches gilt für den Bereich der Kinderpornografie. In diesem Deliktsfeld werden schnell Terabytes an Daten beschlagnahmt. Konkret bedeutet

W

gut aufgestellt: Unser VorgangsbearbeitungssysDr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ist seit 2020 Ministe­rin tem @rtus dient für Inneres, ländliche Räuals eines der drei me, Integration und Gleich­­ Interimsvorgangsstellung des Landes Schles­ bearbeitungssyswig-Holstein. Zuvor war sie teme, welche den Justizministerin. Transformationsprozess hin zur Foto: BS/Frank Peter einheitlichen Vorgangsbearbeitung das mehrere hunderttausend maßgeblich formen – fachlich wie Bilder und hunderte Stunden technisch. Vom Vorgangsbearbeitungssysan Videomaterial, welche bislang manuell ausgewertet werden tem @rtus existiert ebenfalls eine mobile Version. Damit können müssen. In Schleswig-Holstein soll die- die Kolleginnen und Kollegen ser Bereich verstärkt durch eine “vor Ort” mit ihren dienstlichen KI-Anwendung unterstützt wer- Smartphones einen Vorgang anden. Dadurch können die anfal- legen und medienbruchfrei auf lenden Datenmengen schneller ihren Dienstrechner übertragen. analysiert und gleichzeitig die Glücklicherweise sind wir ein Kolleginnen und Kollegen ent- großes Stück in der digitalen Verlastet werden; psychisch sowie waltungsarbeit vorangekommen, auf Arbeitsebene. Im Ergebnis die Papierakte ist mittlerweile können die Straftäter entspre- ein Auslaufmodell. In Zukunft chend schneller belangt werden. wird das Führen und VersenEin immer größerer Teil der den von Ermittlungs-, Straf- und Kommunikation verlagert sich Bußgeldverfahren mit der sogein den digitalen Raum. Für die nannten elektronischen Akte in Bürger hat der zwischenmensch- Strafsachen so einfach sein wie liche Kontakt über das Internet das Verfassen und Verschicken mittlerweile einen fast so hohen einer E-Mail. Diese E-Akte kann Stellenwert wie der persönliche beispielsweise mithilfe der VorKontakt. Alleine schon, weil es gangs- und Fallbearbeitungsso schön einfach ist. Nachrich- systeme – auch hier wieder meten, Bilder und Videos können dienbruchfrei – befüllt und dann per Messenger oder anderen auf elektronischem Wege an die Sozialen Medien miteinander Staatsanwaltschaften übermittelt geteilt werden. Aufgrund dieser werden. Immer wieder werden Stimmen Entwicklung müssen wir die Ansprechbarkeit sowohl online als laut, dass die digitale Transforauch offline auf der Dienststelle mation der öffentlichen Hand, gewährleisten, die Online-Wache und in diesem Sinne auch die der ist ein erster Schritt hin zur ver- Polizei, zu langsam voranschreibesserten digitalen Kommuni- tet. Bei aller verständlichen Kritik kation mit dem Bürger. Weiter müssen die Schwierigkeiten, die ausgebaut wird dieses Angebot eine solche Transformation mit durch das geplante Bürgerportal: sich bringt, betrachtet werden. Das Aufsuchen einer Polizeiwa- Um die fachlichen Ressourcen che entfällt. Die Bürgerinnen der Polizei besser zu nutzen, entund Bürger können Daten wie wickeln die Länder gemeinsam Bilder, Videos oder beispielsweise im Kontext des Programms “P20” Sprachdateien direkt der Polizei neue, moderne Anwendungen. übermitteln. Dieser gemeinsame Ansatz spart mittelfristig Zeit und RessourGut aufgestellt für “P20” cen bei allen Beteiligten und beÜberdies muss das Ziel der ver- schleunigt damit alle zukünftigen netzten, gemeinsamen Zusam- Vorhaben. Man sieht: Sowohl in Schleswigmenarbeit der Polizeien von Bund und Ländern im Rahmen des Holstein als auch im Bund begegProgramms “P20” weiter vorange- nen wir den Herausforderungen trieben werden. Wir in Schleswig- der Digitalisierung mit konkreten Holstein haben uns diesbezüglich Umsetzungsvorhaben.

Und wir wissen jetzt auch, dass es keine Garantie gibt, dass wir die Programmziele umfassend erreichen. Das Programmumfeld verändert sich ständig. Die Bundesländer müssen die bundesweite polizeispezifische Transformation in Einklang mit eigenen Harmonisierungsvorhaben bringen. Wesentliche Erfahrungen, die als Anhaltspunkte für die Bewältigung künftiger Veränderungsvorhaben in der öffentlichen Verwaltung – insbesondere aus Sicht eines Bundeslandes – dienen könnten, sind: Personelle Ressourcen in der öffentlichen Verwaltung sind rar. Die Bewältigung von Veränderungsvorhaben kommt häufig als “ungeplante” Aufgabe zum eigentlichen Tätigkeitsfeld hinzu, bedeutet also Mehrarbeit. Zudem sind die Veränderungen häufig keinem einzelnen Auf-

chenschaftspflicht verbleibt beim Auftraggeber. Es ist daher von grundsätzlicher Bedeutung, Rolle Sebastian Schütt ist Leiter des Landesprogramms Poli­ und Handlungszei 2020 in Mecklenburg-Vor­ spielraum des pommern. beauftragten Managements klar Foto: BS/Innenministerium M-V zu definieren. In Behörden ist zugeklärt werden, indem Regeln zur dem darauf zu achten, dass der Vorhabendurchführung definiert regelmäßig genutzte Begriff der werden. Dies spart Nacharbeiten “Fachaufsicht” auf einen Pround zusätzliche Klärungsschritte gramm- oder Projektkontext übertragen beziehungsweise eine im Umsetzungsprozess. Eine gemeinsame Orientierung Abgrenzung zur “Lenkung” oder an Zielen ist unumgänglich. Ge- “Leitung” definiert werden sollte. meinsam bedeutet hier, dass alle, Veränderungen gezielt herbeizudie am Vorhaben beteiligt sind, führen, erfordert Zeit, Geld und dieselben Ziele verfolgen. Dies Personal. Soll die Veränderung sind nicht nur diejenigen, die bei einer dieser drei Stellschraudas “Projekt” oder “Programm” ben eine Minimierung bewirken, umsetzen. Die gesamte Organi- führt dies automatisch zu einem steigenden Aufwand in den beiden anderen Kategorien. Dies gilt, entgegen häufig verbreiteter Annahmen, auch für die Digitalisierung.

Noch mehr auf Strategie der Harmonisierung setzen gabenbereich zuzuordnen, sondern erfordern ein übergreifendes Zusammenwirken verschiedener Bereiche. Es lohnt daher unbedingt, vorab die verschiedenen Rollen zur Bewältigung des Veränderungsvorhabens zu identifizieren (zum Beispiel Fachlichkeit, Technik, Organisation, Wirtschaftlichkeit, Recht) und personell zu unterlegen. Zudem ist es unabdingbar, das Zusammenwirken der Rollen insbesondere durch Beschreibung von Eskalations- und Entscheidungswegen vorab zu klären.

Rahmenbedingungen vorab klären Standards aus dem Programmund Projektmanagement sind auch der öffentlichen Verwaltung nicht fremd, gelten aber häufig als Spezialdisziplin. Begriffe wie Programm, Projekt und Portfolio werden zum Teil synonym gebraucht. Die Erwartungshaltung der Organisation an das Vorhaben weicht dann schnell vom Auftrag ab. Es sollten möglichst viele Rahmenbedingungen vorab

sation und alle Mitarbeitenden, welche die Veränderung betrifft, müssen diese Ziele verfolgen. Ein breiter Konsens und ein gemeinsames Zusammenwirken, hergestellt durch umfangreiche Change-Management-Maßnahmen, wirken sich positiv auf Grad und Geschwindigkeit der Zielerreichung aus und verhindern Doppelaufwände.

Leitung bedeutet nicht per se Gesamtverantwortung Wird die Steuerung von Veränderungsvorhaben beschrieben, sind häufig die Begriffe “Lenkung”, “Leitung” und “Fachaufsicht” anzutreffen. Zuweilen werden “Leitung” und “Lenkung” synonym verwendet. Das kann mit fortschreitender Vorhabenbewältigung dazu führen, dass der Handlungsspielraum des Managements (scheinbar) überschritten wird oder die Ziele nicht erreicht werden. Es ist zu beachten, dass die Bezeichnung “Leitung” nicht per se zur Übertragung der Gesamtverantwortung auf diese Person führt. Die Re-

arum seid Ihr von den Polizeien Rheinland-Pfalz und Hessen zu Atos gewechselt?

IT-Infrastruktur bremst Behörden aus

Felix Abresch: Der Polizeiberuf hat so viele unterschiedliche Facetten wie wahrscheinlich kein anderer. Und dennoch zieht sich durch die unterschiedlichen Aufgabengebiete eine zentrale Gemeinsamkeit: Sowohl alle Einsätze und Lagen als auch sämtliche Auswerte- und Ermittlungstätigkeiten werden in den polizeilichen Informationssystemen abgebildet. Zwar habe ich in Rheinland-Pfalz eine hervorragend ausgebildete und arbeitende Polizeiorganisation erlebt, jedoch wird diese häufig durch die ihr zur Verfügung stehende IT-Infrastruktur ausgebremst und teilweise sogar behindert. In meiner Rolle als Berater bei Atos will ich meine Erfahrungen einbringen, um die dringend notwendige digitale Transformation der Polizei erfolgreich mitzugestalten.

(BS) Um die Polizei und ihre Bedarfe angemessen verstehen zu können, bedarf es des Wissens um die Funktionsweise ihres Handelns, den Ablauf ihrer Prozesse und ihre Organisationsstruktur. Da diese wichtigen Innensichten für Außenstehende oft allenfalls an der Oberfläche zugänglich sind, ist es umso bemerkenswerter, dass Atos sich im vergangenen Jahr mit ehemaligen Polizeibeamten verstärkt hat. Nachfolgend stellen sich Felix Abresch und Steve Haas vor, erklären die Beweggründe für ihren “Seitenwechsel” und geben einen Ausblick über die Ziele, die sie gemeinsam mit Atos für die Polizei erreichen wollen.

Steve Haas: Das Beschriebene deckt sich mit meinen Erfahrungen aus über 20 Dienstjahren bei der hessischen Polizei. Im

Atos verstärkt sich mit Polizeiwissen aus der Praxis

Laufe meines polizeilichen Werdegangs hat die IT einen immer größer werdenden Anteil eingenommen. Blicke ich zurück auf meine ersten Berufsjahre und vergleiche dies mit den heutigen Möglichkeiten, erscheint mir die Aufnahme von Strafanzeigen mit der Schreibmaschine wie aus der Steinzeit. Meinem Wechsel zu Atos liegt die Motivation zugrunde, unsere Polizei und die Arbeit meiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von dieser Seite aus künftig deutschlandweit bestmöglich zu unterstützen. Die erfolgreiche Transformation der polizeilichen IT-Infrastruktur ist ein zweifelsfrei komplexes Unterfangen mit noch offenen Fragen. Hier wollen wir Antworten geben. Was sind eure Ziele für die Polizei?

gen gerecht wird und sie so bei der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages unterstützt. Es ist für mich ein zentrales Anliegen, den fachlichen Bedarf und den tatsächlichen Nutzen für die Felix Abresch ist Senior Consultant – Public Sector & Defense Central Europe bei Atos. Steve Haas ist Anwender stets Senior Sales Manager – Innere Sicherheit, PS&D Ciim Blick zu havil Security Authorities bei Atos. ben. Denke ich an die digitale Fotos: BS/Atos Transformation der Polizei in dieAbresch: Mein langfristiges Ziel sem Jahrzehnt, ist für mich klar: ist es, dass meine ehemaligen Historisch gewachsene Silos, Kolleginnen und Kollegen über Aufwände durch Mehrfacherfaseine solche Informationsarchi- sung und -pflege sowie die mantektur verfügen, die endlich gelhafte Verfügbarkeit benötigter ihren fachlichen Anforderun- Informationen müssen endgültig

als Relikte vergangener Tage verstanden werden, für die in der modernen Polizeiarbeit kein Platz mehr ist. Deshalb setze mich mit Atos für die Transformation hin zu einer solchen IT-Architektur ein, die die Polizei unterstützt und nicht lähmt. Kurzum, für eine IT-Architektur, die die Polizei verdient. Haas: Schon während meiner aktiven Dienstzeit war es mir immer ein Anliegen, die polizeilichen Arbeitsprozesse zu verbessern. In meiner Rolle im Vertrieb bei Atos verfolge ich dieses Ziel auch weiterhin, indem ich die Fähigkeiten und Potentiale eines führenden IT-Konzerns und die erkannten Bedarfe der Polizei zusammenbringe. Ich bin davon überzeugt, dass die digitale Transformation der Polizei nur

Globalisierung, demografischer Wandel und Digitalisierung betreffen auch die öffentliche Verwaltung. Die Anzahl an Vorhaben zur Bewältigung dieser massiven Veränderungen wächst permanent. Jedes selbst initiierte Programm oder Projekt unterliegt Veränderungen in seinem Umfeld, die eine stetige Prüfung erfordern, ob der Zweck und die Ziele des Vorhabens noch erreichbar sind. Ist der Zweck erfüllt oder dessen Erreichen aussichtslos, muss ein Vorhaben abgeschlossen werden. Die öffentliche Verwaltung muss zur Bewältigung der globalen Trends sowohl auf kommunaler wie auch auf Landes-, Bundesund europäischer Ebene noch stärker die Strategie der Harmonisierung verfolgen, um Doppelaufwände zu verhindern und mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Aus dem Programm Polizei 20/20 lassen sich dafür übergreifende Erfahrungswerte ableiten, für deren Beachtung und Bereitstellung ich gerne werbe.

Save the Date Treffen Sie uns auf dem Europäischen Polizeikongress am 11. und 12 Mai 2022 in Berlin. Vertiefen Sie mit den AtosExperten an unserem Stand (Nr. 22) aktuelle Themen zur Modernisierung der Polizeiarbeit und zu innovativen Lösungsansätzen. Besuchen Sie unseren Beitrag im Eröffnungsblock am 11. Mai 2022, in dem Udo Littke, CEO Atos Deutschland, Streiflichter aus den bisherigen Erfahrungen der Zusammenarbeit mit der Polizei diskutiert.

im Schulterschluss von Polizei und Wirtschaft zum Erfolg geführt werden kann. Mein Ziel bei Atos ist es daher, mich für diese dringend erforderliche Zusammenarbeit stark zu machen und diese weiter auszubauen. Auf diese Weise will ich mich auch in meiner neuen Rolle weiterhin für die Belange der Polizei und somit für die Innere Sicherheit in Deutschland einsetzen.


P20

Behörden Spiegel / März 2022

Seite 53

Die Digitalisierung des Föderalismus

Mit KI den Tätern auf der Spur

Programm “P20” steht vor einem Dilemma

LKA Niedersachsen nutzt Software zur Datenanalyse

(BS/Peter Beuth) Das Ziel und Potential des Programms “P20” ist klar: eine zentrale Polizei-IT, die sichere Lösungen für alle Teilnehmer kosteneffizient entwickelt und damit allen Polizistinnen und Polizisten die benötigten Informationen und Werkzeuge zur Verfügung stellt. Der Weg dahin birgt jedoch einige Herausforderungen.

(BS/Carsten Reinhardt) Ein zentraler Aspekt polizeilicher Kriminalitätsbekämpfung und -verhütung umfasst den Schutz von Kindern vor allen Formen der Gewalt. Im Jahr 2020 registrierte die deutsche Polizei beispielsweise 18.761 Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Dies entspricht einem Zuwachs von fast 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Um diese zu verstehen, kann ein kurzes Beispiel dienlich sein: Stellen wir uns vor, in einer Nachbarschaft wohnen 20 Personen, die alle den gleichen Arbeitgeber haben. Für den täglichen Arbeitsweg nutzt jeder sein eigenes Auto, wobei es bereits auch erste Fahrgemeinschaften gibt. Schließlich kommt man gemeinsam zu dem Ergebnis, dass ein Bus für alle die umweltfreundlichste und kostengünstigste Lösung sei. Doch obwohl alle von der Idee überzeugt sind, gestaltet sich die Umsetzung schwierig. Welche Stationen sollen in welcher Reihenfolge angefahren werden? Außerdem müssen spezielle Regelungen, wie Einbahnstraßen oder verkehrsberuhigte Bereiche, berücksichtigt werden. Schnell wird klar: Die perfekte Lösung lässt sich nicht im Voraus definieren. Ein ähnliches Problem stellt sich bei der Digitalisierung der deutschen Polizeibehörden im Rahmen der 2016 beschlossenen “Saarbrücker Agenda”. Hieraus ist das Programm “P20” entstanden, das diesem Dilemma durch eine agile Herangehensweise begegnen will. Auf dem Weg dorthin sind jedoch – ähnlich zu unserem Beispiel des gemeinsamen Arbeitswegs – diverse Hürden zu überwinden. Es beginnt bei einfachen Dingen und potenziert sich zu der Problematik, vor 16 unterschiedlichen Landesgesetzen und Datenschutzvorschriften zu stehen, die alle zusätzlich zu den übergeordneten Regeln auf Bundesebene beachtet werden müssen.

Die gestiegenen Fallzahlen lassen sich unter anderem auf intensivierte polizeiliche Ermittlungen zurückführen. Die sichergestellten Datenmengen stellen die Polizei jedoch häufig vor enorme Herausforderungen. Um die Auswertung und Analyse der immensen Datenmengen im Zuge strafrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Ermittlungen effizienter und effektiver zu gestalten, wurde durch das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen das Projekt KiPo mit den Software-Anwendungen “Kipo Analyzer” und “Tracebook Kipo”, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, zur Klassifizierung von sichergestelltem Bild- und Videomaterial im Phänomenbereich Kinderpornografie entwickelt. Dieses Projekt ist Teil des Programms “P20”, die Entwicklung erfolgt im Auftrag und in Abstimmung mit dem Projekt.

tige Informationen schnell verbreiten zu können, sollen die Einsatzkräfte eben auch über Landesgrenzen Peter Beuth (CDU) ist hessischer Innenminister. hinweg mit ihren dienstlichen Foto: BS/Stefan Krutsch/Hessischer Landtag Smartphones Nachrichten austauschen können. Hierfür wurde ein Hier einen Konsens für 20 Teil- Konzept entwickelt, dass den Pronehmer herzustellen, funktio- grammteilnehmern alle Optionen niert nur so lange, wie die Ausge- offenlässt – vom Anschluss ihrer staltung der Lösung hinreichend aktuellen Software bis zur Nutabstrakt bleibt – die Idee des zung eines zentral angebotenen, Busses ist gut, die tatsächliche neuen Messengers. Doch statt Umsetzung problematisch. nun gemäß der agilen Idee des Denn sobald es darum geht, Programms eine erste Umsetein Produkt konkret umzuset- zung zu wagen und schrittweise zen, treten Details zutage, die zu lernen, welche Verbesserunbei einzelnen Teilnehmerinnen gen noch implementiert werden und Teilnehmern Schwierigkeiten sollen, wird gefordert, zunächst verursachen. Dabei muss jedes alle Anforderungen aller Länder Vorhaben in mehreren Gremien, zu identifizieren, um damit die die um einstimmige Ergebnis- perfekte Lösung zu beschreiben. se bemüht sind, verabschiedet Vor diesem Hintergrund ist es werden. Im Ergebnis heißt das: nicht verwunderlich, dass die Viele gute Ansätze schaffen es finale Zielerreichung des Pronicht über die Konzepterstellung gramms selbst bei idealem Verlauf nicht vor 2030 angestrebt hinaus. Das Programm muss sich aber wird. Doch damit man überhaupt nicht an den guten Ideen, son- dort ankommt, wird es Zeit, enddern den tatsächlichen Lösungen lich aufzubrechen, auch wenn messen, die bei den Polizistinnen nicht jede Lösung sofort den komund Polizisten in der täglichen binierten Anforderungen aller 20 Arbeit ankommen und diese in Teilnehmer genügt. ihrem Dienstalltag unterstützen. Oder um es mit dem Bild der Sinnbildlich für das Dilemma 20 Nachbarn auszudrücken: Es rund um das Programm “P20” wird Zeit, das Reißbrett hinter steht für mich die Debatte um sich zu lassen und einen Testden polizeilichen Messenger. betrieb zu starten. Nur so lässt Denn um eine länderübergrei- sich herausfinden, welche Routen fende Kommunikation zu ermög- funktionieren und wo ein Umlichen und bei Einsätzen wich- denken notwendig ist.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten Bei der KI-unterstützten Erkennung kinderpornografischen Bild-/ und Videomaterials handelt es sich um ein neuronales Netz, das im Kern die Reduktion des von Sachbearbeitenden zu bewertenden Materials (insbesondere des nicht-pornografischen Materials) zum Ziel hat. Mit Hilfe von KI kann die Anwendung “Kipo Analyzer” unter Berücksichtigung der individuellen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen mittels einer Vorauswertung große Datenmengen in kürzester Zeit hinsichtlich pornografischer und

unter anderem eine verbesserte beziehungsweise noch robustere Carsten Reinhardt ist Themenführer des Projektes Performance bei KiPo im Landeskriminalamt der Bearbeitung (LKA) Niedersachsen. großer DatenmenFoto: BS/Polizeiakademie gen, Anpassungen Niedersachsen zur Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit und die Implementierung erweinicht-pornografischer Inhalte se- terter Auswertemöglichkeiten. lektieren und priorisieren. Das neuronale Netz ist trainiert auf Neuronale Netze wurde intensiviert trainiert die Ausgabe der sechs verschiedenen Unterklassen KinderporWeiterhin erfolgte ein intensinografie, Jugendpornografie, viertes Training des neuronalen Porno, Manga, Games/PC und Netzes, um eine verbesserte ErAlltag. kennungsleistung zu erreichen. Das nachtrainierte neuronale Anderen Bundesländern Netz erlangte im Juli 2021 seine bereitgestellt Release-Fähigkeit und wurde den Die Anwendung “Tracebook Ki- Pilotteilnehmenden anschließend po” unterstützt die polizeilichen zur Verfügung gestellt, eine BeErmittlungs- und Analysekräfte reitstellung weiterer verbesserte bei der anschließenden Auswer- Versionen ist für dieses Jahr getung der Daten in einer anwen- plant. Der planmäßige Projektderfreundlichen Auswerteumge- abschluss und die Aufnahme bung. Über das Programm “P20” des Wirkbetriebs sind zum 31. wurden die Software-Anwendun- Dezember diesen Jahres vorgegen des LKAs Niedersachsen seit sehen. Beide Software-Anwendungen Juni 2020 bereits 13 weiteren Bundesländern und dem Bun- stützen damit zukunftsorientiert deskriminalamt im Rahmen ei- sowie innovativ das Fundament nes Pilotprojekts zur Verfügung einer ganzheitlichen Kriminaligestellt. tätsbekämpfung im Kontext von Seit Roll-Out der Software- Sexualdelikten zum Nachteil von Anwendungen konnten durch Kindern und Jugendlichen. Rückmeldungen der PilotteilnehMehr zu den beiden Anwendunmenden bereits wertvolle Erfahrungen gesammelt werden, die gen im Kampf gegen Kinderporunmittelbar bei den Entwicklern nografie und zum Vortrag des geprüft und nach Möglichkeit Gastautoren auf dem Digitalen umgesetzt wurden. Wesentli- Polizeitag des Behörden Spiegel che Änderungen waren bisher findet sich auf Seite 48.

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Digitaler Katastrophenschutz-Kongress

Seite 54

D

ie Krisen und Katastrophen, vor denen der (deutsche) Katastrophenschutz steht, sind vielfältig. Die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe und deren Folgen, die Energiekrise sowie die Afrikanische Schweinepest (ASP) fordern die Strukturen gleichzeitig. “Es gilt, alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um resilienter zu werden”, sagte Dr. h.c. Thomas Sattelberger (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF). Besonders die Flutkatastrophe habe Defizite aufgezeigt. Im Grunde habe es im vergangenen Sommer zwei Katastrophen im Zuge des Unwetters in Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen gegeben, so Sattelberger. So sei die Flut als Folge des Unwetters die erste und das anschließende Chaos bei der Bewältigung die zweite Katastrophe gewesen. Die Gründe für die Katastrophen seien vielfältig gewesen. So hätten die fehlende Sireneninfrastruktur, der Ausfall der Funkinfrastruktur sowie eine fehlende Führungsstruktur ihr Übriges getan. In der Konsequenz führe dies vor Augen, dass Deutschland nicht so krisenfest und nicht so gut vorbereitet sei, wie man angenommen habe.

Behörden Spiegel / März 2022

Krise als Alltag – Alltag als Krise Zweiter Digitaler Katastrophenschutz-Kongress (BS/Bennet Klawon) Die Gegenwart ist durch viele gleichzeitig stattfindende und parallel laufende Entwicklungen, die im Ergebnis in einer gefähr­ lichen Mischung aus lang andauernden Lagen, flächendeckenden Schadensgebieten und unerwartetem Aufkommen von Katastrophen kulminie­ ren, krisenhafter geworden. Deshalb muss sich der Katastrophenschutz weiterentwickeln. Darin sind sich die Expertinnen und Experten auf dem zweiten Digitalen Katastrophenschutz-Kongress einig. Die Liste der geforderten Maßnahmen ist dabei lang. greifenden Lagen kommen. Als zweite Lehre aus dem aktuellen Krisengeschehen zog der BBKChef, dass es vermehrt auf die Selbsthilfe der Bevölkerung ankomme. Zudem würde durch die Katastrophen wieder das Dilemma des BBK bewusst: “There is no glory in prevention.”

GeKoB soll im ersten Halbjahr stehen Um besser auf die zukünftigen Krisen und gebietsübergreifenden Schadenslagen reagieren zu können, brauche es eine bundesweite Koordinierung und ein übergeordnetes Lagemanagement, erklärte Schuster. Mit dem

Generalmajor Carsten Breuer (rechts), Leiter des Corona-Krisenstabes der Bundesregierung, zeigt sich überzeugt, dass es eine gemeinsame Sprache im Katastrophenschutz brauche. Fotos: BS/Klawon

-gebenden und der -nehmenden Seite gestiegen. Man könne die Zwänge und die Abhängigkeiten der jeweils anderen Seite besser verstehen. Dies müsse unbedingt erhalten bleiben. Der Leiter des Bereichs Nationale Hilfsgesellschaft des DRK, René Burfeindt, identifizierte im Nachgang der Flutkatastrophe, welche zu einer der größten Einsätze der Organisation geführt hätte, vier Lehren, die angegangen werden müssten. Als Erstes müssten die Zivilschutzreserven des Bundes, hierbei besonders das sogenannte Modul “Labor Betreuung 5.000” ausgebaut werden. Dieses Pilotprojekt, an

Silostrukturen aufbrechen “Wir müssen lernen, unsere Strukturen und unsere Gesellschaft krisenfester zu machen”, forderte der Staatssekretär auf dem Digitalen Katastrophenschutz-Kongress. Dafür müssten die Silostrukturen aufgebrochen und disruptive Technologien genutzt werden. Die Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) müssten durch intelligente Lösungen besser geschützt werden. Aber neben der Gesellschaft müsse auch der Einzelne resilienter werden. Diese Mosaiksteine müssten zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden, erklärte Sattelberger die Aufgabe, die vor den Behörden, der Gesellschaft und dem Katastrophenschutz liegt. Besonders die Bevölkerung müsse erreicht und ein neues Bewusstsein für Katastrophen – Sense of Urgency – etabliert werden. Es zeige sich, dass es regelmäßige Notfallübungen analog wie digital - brauche, so der Staatssekretär. Die Bevölkerung sei zu erfolgsverwöhnt und habe die Großelterngeneration belächelt, als diese noch Notfallreserven angelegt hatte. Aber auch die Verwaltung denke nicht mehr an Krisen. Dies müsse sich ändern.

Sicherheitsarchitektur evaluieren Sattelberger kündigte zudem im Zuge des Resilienzaufbaus an, die Sicherheitsarchitektur zu evaluieren. Zwar gebe es in Deutschland ein großes Netzwerk an Institutionen und Organisationen im Katastrophenschutz, die über viele Ressourcen und Fähigkeiten verfügten, doch könne diese Vielzahl auch die Bewältigung von komplexen Lagen erschweren. Deswegen würden, aufbauend auf einer Analyse, die Stärken und Schwächen herausarbeiten soll, Empfehlungen für eine funktionsadäquate Governance und Ausgestaltung der Sicherheitsarchitektur erstellt. Man müsse lernen, auch überrascht zu werden. Ein “Lessons Learned” nach Katastrophen reiche nicht mehr aus, sagte Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Diese Lehren zieht der Behördenchef aus den vergangenen und laufenden Katastrophen in Deutschland. Keine Katastrophe wiederhole sich, deshalb müssten Katastrophenschützer lernen, besser auf die unerwarteten Lagen zu reagieren, meinte Schuster. Ebenso würde es in Zukunft häufiger zu gebietsüber-

Die Trennung zwischen Zivil- und Katastrophenschutz müsse aufgehoben werden, meint Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

Dr. h.c. Thomas Sattelberger (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF), fordert ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung.

dentin der Deutschen LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG), Ute Vogt, dass die Fähigkeiten gerade ihrer Organisation von anderen Führungskräften oft nicht ausreichend bekannt seien. Bei der Flutkatastrophe leisteten die Kräfte des DLRG rund 2.700 Helfertage. Dabei hätten sie zum Beispiel Drohnen eingesetzt, um ein Lagebild zu erstellen. Dennoch sei dieses Einsatzmittel häufig viel zu spät angefordert worden. Deshalb fordert Vogt, dass ein Register für Einsatzmaterial und Personal erstellt werden müsse, damit dieses zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zum Einsatz komme. Die Führungskräfte müssten auch die Fähigkeiten ander Organisationen kennen, sagt Vogt. So seien die DLRG-Strömungsretter für den Fluteinsatz ideal gewesen. Jedoch sei auch diese Fähigkeit zu wenig bekannt. Die DLRG-Präsidentin stimmte Schuster zu, dass die Trennung von Zivil- und Katastrophenschutz überholt sei. Es komme eher auf die Größe der Schadenslage an, wann übergeordnete (Bundes-)Stellen tätig werden sollen. Zudem sieht Vogt, wie die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Hilfsorganisationen, erheblichen Handlungsbedarf bei der Gleichstellung von Helfern der Hilfsorganisationen mit den Kräften von Feuerwehr und THW. So sei die Finanzierung der Freistellung vom Arbeitgeber immer noch nicht ausreichend geklärt. Schlussendlich forderte Vogt, dass die DLRG stärker in die Katastrophenschutzstrukturen integriert werden solle.

Das Ausland als Inspiration

Ute Vogt, Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), möchte ihre Organisation stärker in den Katastrophenschutz integrieren.

Der Leiter des Bereichs Nationale Hilfsgesellschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), René Burfeindt, mahnt eine komplette Helfergleichstellung an.

gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern beim BBK befinde man sich auf dem richtigen Weg. Dafür sei keine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nötig. Generell zeigte sich Schuster überzeugt, dass die Trennung zwischen Zivilschutz und Katastrophenschutz überholt sei. Eher sollten Katastrophen unabhängig von den Auslösern bewältigt werden. Im Grunde sei es egal, was der Grund für die Schadenslage sei. Durch das Kompetenzzentrum sollte nicht die Führung der Einheiten vor Ort ersetzt werden, sondern durch ein Informationsmanagement und die Koordinierung im rückwärtigen Raum ergänzt werden. Krisen müssten mehr als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden. Das Lagemanagement werde durch das Zentrum gestärkt. Der Schritt soll mit dem Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) von Bund und Ländern vollzogen werden. Schuster hofft, dass das Zentrum noch im ersten Halbjahr, voraussichtlich im Mai, komplett seine Arbeit aufnehmen kann. Zu den Aufgaben zählten unter anderem das Zusammenführen von Informationen sowie die Erstellung eines Überblicks über die verfügbaren Fähigkeiten und Ressourcen. Eine bundesweite Übersicht gebe es bisher noch nicht, sagte Schuster. Wenn das Zentrum etabliert wurde, sollen Kontaktpersonen des BBK in die Länder gesendet werden, um die Vernetzung zu gewährleisten. Ebenso kündigte der Amtsleiter als eine weitere Lehre an,

ren nutzen”, sagte Breuer. Dann werde die Führung in der Krise gelingen.

Deutschland beim Dauerthema “Warnung der Bevölkerung” fitter machen zu wollen. So soll unter anderem die NINA-WarnApp weiter ausgebaut sowie die Corona-Warn-App auch nach der Pandemie weiter genutzt werden. Dazu gebe es bereits erste Ideen. Dennoch sei weniger die Technik das Problem, sondern eher das Wissen der Bevölkerung um das Thema Warnung mangelhaft.

“Köpfe kennen” reicht nicht mehr Die Flutkatastrophe und die Corona-Pandemie haben altgeglaubte Prinzipien des Katastrophenschutzes überholt. “In der Krise Köpfe zu kennen” reiche nicht mehr aus, sagte Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw) und Leiter des Corona-Krisenstabes der Bundesregierung. Ebenso reiche es nicht mehr aus, sich gegenseitig unter den Katastrophenschutzakteuren die eignen Fähigkeiten vorzustellen, in der Hoffnung, dass die andere Seite die richtigen Schlüsse ziehe. Vielmehr müsse neben den Fragen der praktischen Ausbildung die gemeinsame und harmonisierte Ausbildung der Führungskräfte in den Blick genommen werden. “Die, die vor Ort Verantwortung haben, und die, die in der und durch die Krise führen, müssen aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen den gleichen Krisenwortschatz haben. Sie müssen für das Führen in der Krise gleich ausgebildet sein. Sie müssen die gleichen Verfah-

Den Schwarzen Schwänen begegnen Dazu gehört laut dem Kommandeur auch, dass Szenarien gemeinsam bearbeitet und gleiche Verfahren genutzt werden, damit man sich auf unbekannte und noch nicht gedachte Szenarien einstellen könne. Die “Schwarzen Schwäne” und die “unknown unknowns ließen sich so in den Griff bekommen. Ebenso mahnte der Generalmajor an, dass man das “WorstCase-Denken" bewahren müsse. Denn nur dieses Denken schaffe die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Krisenbewältigung. Es dürfe nicht wegdiskutiert werden, weil man die Auswirkungen oder die Befürchtungen nicht haben möchte. Aber auch die sich verändernde Sicherheitslage in der Welt habe unmittelbare Auswirkungen auf den Katastrophenschutz. Die Grenzen zwischen Krise, Katastrophe und Spannungsfall verwischten zunehmend. Innere Sicherheit ließe sich nicht mehr von der äußeren Sicherheit trennen. Dies müsse in Zukunft mehr in den Blick genommen werden.

Komplette Helfergleich­ stellung gefordert Aber Breuer hofft auch, dass die positiven Auswirkungen der Corona-Pandemie in der Katastrophenschutz-Community erhalten bleiben. So seien die Strukturen gestärkt worden, aber vor allem sei das Verständnis der Amtshilfe

dem neben dem DRK auch die anderen Hilfsorganisationen beteiligt seien, müsse auf zehn Standorte in ganz Deutschland erweitert werden. Als zweite Lehre mahnte der Rotkreuzler die Helfergleichstellung von Kräften der Hilfsorganisationen mit den Kräften der Feuerwehr sowie des Technischen Hilfswerks (THW) an. Besonders bei der Freistellung vom Arbeitgeber und der Lohnfortzahlung seien Helferinnen und Helfer des DRK noch benachteiligt. Burfeindt blickt deshalb positiv auf die Vorhaben im Koalitionsvertrag in diesem Bereich. Drittens müssten im Hinblick auf die Pandemie, den Klimawandel und Cyber-Angriffe die Konzepte im Bevölkerungsschutz angepasst werden. Zu dieser Anpassung zähle eine nachhaltige Finanzierung für eine angemessene Bevorratung, Infrastruktur und ehrenamtliche Unterstützung. Als letzte Lesson Learned sieht Burfeindt eine Stärkung der Resilienz der Bevölkerung. Diese müsse befähigt werden, sich in Krisen und Katastrophen selbst zu helfen und zu schützen. Es müsse außerdem Ziel sein, eine bundesweite Reserve an Pflegehelferinnen und -helfern aufzubauen. Dazu sollen durch bundesweite Qualifizierungen zwei Prozent der Bevölkerung zu Helfern ausgebildet werden. Während der Flutkatastrophe kamen zahlreiche Katastrophenschutzeinheiten und -organisationen zum Einsatz. Zahlreiche Fähigkeiten wurden eingesetzt. Dennoch kritisierte die Präsi-

Man müsse bereit sein, Erfahrungen aus dem Ausland zu importieren, sagte Albrecht Broemme, Vorsitzender des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit und THW-Präsident a. D. Dies umfasse zwei Erkenntnisse, die er im Zuge seiner Aufarbeitung der Flutkatastrophe für die Innenministerien von NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz ziehen konnte. Zum einen müsse gelernt werden, wie man wochenlange Einsätze abarbeite. Dies betreffe die Durchhaltefähigkeit von Stäben, Einsatzkräften und der Bevölkerung. Dies könne man zwar schlecht üben aber durch einzelne Bausteine besser vorbereiten. Der zweite Punkt, der der Verbesserung bedürfe, ist laut Broemme der gebietsübergreifende Einsatz von Kräften, also von Kräften eines Bundeslandes in einem anderen Bundesland. Für beide Punkte gebe es bewährte Konzepte aus dem Ausland, wie man diese Kräfte am besten einbinden und die Durchhaltefähigkeit gewährleisten könne. Aber auch die Zuführung von Kräften müsse im Auge behalten werden. “Ein Prinzip muss sein: Hilfe nur auf Anforderung”, betont der THWPräsident a. D. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Hilfe gar nicht erst ankomme, weil wichtige Zugänge verstopft würden. “Das muss alles geplant sein. Man braucht Übergabepunkte und Abgabepunkte. Man muss in die Lage eingewiesen werden. All das ist gerade im Ausland schon oft genug geübt worden. Nur in Deutschland nicht, weil man gesagt hat: Wir brauchen so was nicht”, kritisiert Broemme. Gerade bei gebietsübergreifenden Lagen könnten örtliche Katastrophenschutzeinheit dies nicht leisten. Es müsse noch viel geübt werden. Doch das trifft nicht nur auf die örtlichen Einheiten zu, wie der Digitale KatastrophenschutzKongress gezeigt hat. Die Liste der Lehren reicht von Helfergleichstellung, Einbeziehung der Bevölkerung in den Katastrophenschutz hin bis zur Etablierung einer gemeinsamen Sprache.


Digitaler Katastrophenschutzkongress

Behörden Spiegel / März 2022

Viele Hemmnisse im Weg

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Hilfe für Helfende

Digitalisierungsprojekte müssen schneller umgesetzt werden

Bundeskompetenzzentrum der psychosozialen Notfallversorgung

(BS/bk) Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Digitalisierungspilotprojekt vorgestellt wird. Auch der Bereich des Katastrophenschutzes macht hier keine Ausnahme. Doch bleiben die geweckten Hoffnungen auf eine baldige Umsetzung in die Praxis manchmal auf der Strecke, dabei gibt es einige vielversprechende Ansätze.

(BS/Sebastian Hartmann) Die Erfahrung vieler – ziviler wie militärischer – internationaler Einsätze und nicht zuletzt die Flüchtlingsbewegung 2015/16 haben einen Bedarf an psychosozialer Notfallversorgung ebenso wie der Einsatznachsorge erneut deutlich gemacht. Nationale wie internationale Hilfsorganisationen bilden ihre Einsatzkräfte in nahezu jeder Hinsicht optimal aus, bereiten sie auf ihre Einsätze vor; längst spielt die psychosoziale Vorbereitung und Begleitung eine große Rolle. Dies gilt auch für die Einsatznachsorge. Doch der Bedarf ist national wie international groß. Dies allein schon, um Helferinnen und Helfer nach ihrem Einsatz nicht alleine zu lassen. Sonst gehen Organisationen Helfende verloren, die im schlimmsten Fall langfristig traumatisiert sind. Hinzu kommt: Nicht in allen Staaten sind Forschungen und Betreuungsmöglichkeiten so weit wie in Deutschland.

So entwickelte das Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) ein Tool, mit dem ein Lagebild aus frei zugänglichen Daten im Internet erstellt werden kann. Mit diesem Lagebild, das mit bestimmten Kategorien arbeitet, sollen Lagen erkannt werden, bevor ein Amtshilfeantrag bei der Bundeswehr eingeht. Die Bundeswehr erhofft sich dadurch einen Zeitvorsprung und mehr Zeit zur Vorbereitung auf einen möglichen Einsatz, erklärte Nikolaus Erbach, Innovation Manager beim CIHBw, auf dem Digitalen Katastrophenschutz-Kongress. Ein anderes Beispiel ist eine Hochwasserfrühwarnsystem, bei dem ein mit Pegel- und Niederschlagssensoren verbundene Software Alarm schlägt, sobald Messwerte überschritten werden. Die Werte seien ständig über das Internet abrufbar und das System versendet selbstständig Push-Nachrichten, erläutern Martin Halbinger und Christian Eder von der ACS Control-System GmbH. Aber auch um den Leitstellen oder den Führungskräften ein Bild von der Einsatzstelle zu vermitteln, obwohl diese nicht vor Ort sind, gibt es mittlerweile Lösungen. So bietet die Corevas GmbH mit Emergency Eye Software an, mit der die Leitstelle auf Smartphones von Einsatzkräfte oder von Notrufenden zugreifen kann. So können sich die Leit-

Woran scheitern Digitalisierungsprojekte im Katastrophenschutz? Dazu diskutierten (im Uhrzeigersinn): Rupert Heege, Bennet Klawon (Moderation), Martin Halbinger, Christian Eder und Nikolaus Erbach. Screenshot: BS/Klawon

stellendisponenten zum Beispiel durch die Aufnahmen der integrierten Smartphones selbst ein Bild von der Lage machen und müssen sich nicht auf Augenzeugenberichte verlassen.

Goldrandlösungen sind nicht erstrebenswert Damit sich diese Ansätze und die Digitalisierungsprojekte im Allgemeinen in der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr schneller und effektiver verbreiten, müsse an einigen Stellschrauben gedreht werden, erklärte Rupert Heege, Katastrophen- und Gefahrenschutzexperte der Corevas GmbH. Zum einen müssten bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Ebenso müsse das “Schwarze-Peter-Spiel” zwischen Bund, Länder und den Kommunen beendet und schneller Entscheidungen getroffen werden, da sonst die Gefahr bestünde, von

der technischen Entwicklung einund überholt zu werden, sodass die technischen Möglichkeiten beim Rollout schon veraltet sind. Anschließend an diese Forderung sollten Behörden nach bereits am Markt vorhandenen Lösungen suchen und diese ggf. weiterentwickeln. Auf keinen Fall müsse immer alles von der Pike auf neu und selbst entwickelt werden. Ebenso müssten Behörden ihre Suche nach allumfassenden Lösungen aufgeben. Goldrandlösungen seien der Digitalisierung nicht zuträglich und verhinderten diese eher, so Heege. Generell müsse ein behörden- und organisationsübergreifendes Denken Einzug halten. Erbach stimmte diesem zu, forderte aber zugleich auch, dass eine neue Fehlerkultur in der Behördenlandschaft etabliert werden müsse, damit Digitalisierungsprojekte erfolgreich werden.

Wie auf Bundes- so auch auf Landesebene 15 Punkte für den Katastrophenschutz (BS/bk) Das Kompetenzteam Katastrophenschutz, das vom Innenministerium in Düsseldorf einberufen wurde, hat seinen Abschlussbericht vorgelegt. Der Abschlussbericht umfasst 15 Punkte für mögliche Verbesserungen im Katastrophenschutz. Unter anderem fordern die Experten eine stärkere Koordinierung durch das Land. Diese Koordinierung soll durch die Einrichtung eines ständigen operativtaktischen Führungsstabes auf Landesebene geschehen. Dazu soll auch eine sogenannte “Crisis Response Unit” aufgebaut werden. Diese Einheit wird mit der “Informationsgewinnung und -bewertung” beauftragt und soll diese Erkenntnisse regelmäßig in ein “Lagebild Brand- und Katastrophenschutz” zusammentragen. Dieses Lagebild soll dann auch in das nationale Lagebild des Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) von Bund und Ländern, welches sich im Aufbau beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) befindet, fließen. Um die Führung zu verbessern, spricht sich das Team für die Einrichtung von Stäben für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) in kreisangehörigen Kommunen sowie Etablierung von verbindlichen Rahmenalarm- und Einsatzplänen (RAEP) aus. Dies soll verpflichtend sein.

Vorhaltungen auch auf Landesebene Eine ähnliche Spiegelung von Vorhaben, die auf Bundesebene angegangen werden, soll es auch im bevölkerungsreichsten Bundesland geben. So schlägt das Kompetenzteam die Schaffung von dezentralen Katastrophenschutzdepots vor. Diese Lager sollen Geräte und Material bereithalten. Neben Lagern in den Kreisen und den kreisfreien Städten soll es auch Landeslager geben. Auch das Dauerthema Digitalisierung findet sich in dem Papier wieder. Die Katas-

Die Liste der Verbesserungsvorschläge des Kompetenzteam Katastrophenschutz ähnelt den Forderungen auf Bundesebene. Foto: BS/Alex Barcley, pixabay.com

trophenschutzexperten fordern eine Digitalisierungsoffensive im Katastrophenschutz. Dabei soll eine landesweite kompatible Vernetzung aller verfügbaren und lagerelevanten Daten erfolgen. Ziel dieser Vernetzung ist es das schon genannte Lagebild zu erstellen. Ebenso soll die Lagemanagementsoftware vereinheitlicht sowie Redundanzen der kommunalen Leitstellen geschaffen werden. Das 13-köpfige Kompetenzteam, bestehend aus Experten aus verschiedenen Organisationen und Verbänden, wurde im September 2021 von dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU) im Zuge der Flutkatastrophe einberufen. Dabei sollte sich das Team nicht nur auf die Flutkatastrophe beschränken, sondern auch andere Bedrohungslagen wie Dürren, CyberAngriffe oder Stürme in den Blick nehmen.

Positives Echo Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutsch-

land NRW (AGBF NRW), welche zu den Sitzungen des Kompetenzteams und in den Sitzungen der Arbeitsgruppen eingeladen wurde, um sich einzubringen, begrüßt den Abschlussbericht. So stehe der Bericht auch nicht in einem Wiederspruch der eigenen Veröffentlichung “Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen – Vorschläge für eine Weiterentwicklung”. So würden sich die beiden Publikationen gegenseitig ergänzen, sagte Thomas Lembeck, Vorsitzender der AGBF NRW. “Unsere Expertenkommission “Starkregen”, die sich mit der Aufarbeitung des Gesamteinsatzes vom Sommer vergangenen Jahres beschäftigt, setzt sich bereits intensiv mit dem Abschlussbericht des nordrheinwestfälischen Kompetenzteams Katastrophenschutz auseinander”, sagt der Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), Dirk Aschenbrenner. “Wir haben festgestellt, dass es bei den im Fokus stehenden Themen große Übereinstimmung gibt.” Besonders positiv sei, dass es in vielen Punkten schon eine Konkretisierung gebe, die eine Umsetzung kurzfristig möglich erscheinen lasse. Durch entsprechende politische Beschlüsse und Initiativen könne etliches schnell in die Tat umgesetzt werden. Eine weitere wichtige Rolle spiele die Forschung. Der vfdbPräsident plädierte in diesem Zusammenhang für die Schaffung eines Zentrums, das Forschung, Entwicklung und Transfer in der Gefahrenabwehr bündele. Gerade die Phase des Transfers müsse dringend vorangetrieben werden. “Dazu bieten wir jederzeit gern unsere Expertise an”, so Aschenbrenner.

Mehr als 2.250 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind derzeit international im Einsatz, außerdem nahezu 1.000 Fachkräfte im Entwicklungsdienst, vorwiegend von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Mehr als 7.000 Freiwillige wurden 2019, im letzten Jahr vor Corona, ins Ausland vermittelt. Zahlreiche Menschen im Dienst nationaler und internationaler Hilfsorganisationen kommen hinzu. Viele von ihnen werden bei ihren Auslandseinsätzen mit Situationen und Ereignissen konfrontiert, die potenziell traumatisch verlaufen können: neben kriegerischen Auseinandersetzungen und Attentaten auch durch Umweltkatastrophen, Auswirkungen extremer Armut oder einer allgemein als ausweglos empfundenen Lage. (Das gilt auch für Einsätze im Inland, wie wir sie beim Hochwasser im Juli 2021 erlebt haben.) Für die Auslösung eines Traumas gibt es dabei keine "objektive" Skala. Erfahrungen von extremer Angst, Kontrollverlust oder Ohnmacht sind subjektiv. Neben einer guten – auch psychosozialen – Vorbereitung und Begleitung solcher Einsatzkräfte, bedarf es daher dringend einer psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) traumatisierter ziviler wie militärischer Einsatzkräfte auf höchstem Niveau. Leider wird regelmäßig festgestellt, dass es noch erheblichen Forschungsbedarf für die Trauma-Therapie gibt, so dass eine Bündelung der vorhandenen Kompetenzen und des vorhandenen Know-hows sinnvoll erscheint. Der Aufbau eines Netzwerkes zum dauerhaften Austausch der Erkenntnisse auch international, die Schaffung ausreichender Kapazitäten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind wichtige Schlüssel. Ich schlage daher die Einrichtung eines Bundeszentrums für die psychosoziale Notfallversorgung und zur Einsatznachsorge von

Einsatzkräften im Raum Bonn vor. Im Rahmen des Bonn/Berlin Vertrages zur Regelung des zweiten Regierungssitzes Bonn, der nach Willen der AmpelParteien in dieser Wahlperiode mit den Ländern NRW und Rheinland-Pfalz zu schließen ist, kann ein solcher Ansatz organisatorisch und finanziell vereinbart werden. In Bonn haben nicht nur das Bundeverteidigungsministerium und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ihren ersten Dienstsitz, sondern auch viele nachgeordnete Behörden, vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bis zum Technischen Hilfswerk (THW), die GIZ als größte Organisation internationaler Entwicklungszusammenarbeit, viele Hilfsorganisationen – und nicht zuletzt zahlreiche Einrichtungen der Vereinten Nationen. Deren Erfahrungen und gegebenenfalls sogar BestPractice-Cases liegen unmittelbar vor Ort "auf dem Tisch". Nicht zu unterschätzen ist die Nähe zum BBK in Bonn, das für die PSNV von Helferinnen und Helfern im Katastrophenschutz seit 20 Jahren Standards definiert. Seit 2004 nimmt das BBK eine zentrale fachliche Rolle in Forschung, Ausbildung und Innovation ein. Der bedeutende BundeswehrStandort Koblenz mit seinem Bundeswehrzentralkrankenhaus ist nur 60 Kilometer entfernt. Deren Kompetenz bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen können wir in Bonn auch verstärkt zivil nutzbar machen und für eine Stärkung der friedlichen internationalen Kooperationen nutzen. Die Ausweitung der Erkenntnisse und Erfahrungen über den Kreis der Einsatzkräfte auf die Opfer von Katastrophen und kriegerischen

Sebastian Hartmann vertritt seinen Heimatwahlkreis Rhein-Sieg seit 2013 für die SPD im Deutschen Bundestag und ist seit der Wahl 2021 deren Innenpolitischer Sprecher Foto: BS/privat

Auseinandersetzungen werden der nächste, logische Schritt. Neben den wissenschaftlichen und praxisrelevanten Synergieeffekten kommt der herausragenden medizinischen Infrastruktur vor Ort eine besondere Rolle zu. Neben dem nahen Bundeswehrzentralkrankenhaus sind Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis selbst Standort einer Uniklinik und mehrerer Krankenhäuser mit für die PSNV relevanten Spezialistinnen und Spezialisten. Bonn ist einer der medizinisch herausragend gut versorgten Orte mit überregionaler und durch die Vereinten Nationen auch internationaler Bedeutung. Die in dem neuen Zentrum gewonnen Erfahrungen, Erkenntnisse und Forschungsergebnisse müssen dann auch für die Betreuung ziviler Opfer und traumatisierter Flüchtlinge genutzt werden – international. Das gilt für UN-Hilfsorganisationen wie für die EU und unsere Bündnispartner. Die Region Bonn könnte somit entlang eines Netzwerkgedankens sämtliche vorhanden Ressourcen bündeln und zu Forschung und Betreuungskapazitätsaufbau konkret beitragen. Der Ukraine-Krieg zeigt uns, dass es nur noch geringe Unterschiede zwischen militärischen und zivilen Traumata gibt – und dass nur internationale Zusammenarbeit weiterer solcher Kriege verhindern kann. Ein Bundeszentrum für die psychosoziale Notfallversorgung ziviler Einsatzkräfte wäre weiterer friedlicher Beitrag aus Deutschland (und Bonn) für die internationale Zusammenarbeit.

Drohnen unterstützen Unbemannte Systeme liefern detaillierte Informationen (BS/mfe) Drohnen sind bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) immer verbreiteter im Einsatz. Das gilt auch für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). So berichtet Alexander Kille, seit letztem Jahr stellvertretender Leiter Einsatz im DLRG-Präsidium, dass die unbemannten Systeme sehr viele und detaillierte Informationen liefern. So stünden zum Beispiel Lagedarstellungen und Übersichtsaufnahmen mindestens in HD-Qualität zur Verfügung. Oftmals sei die Auflösung sogar noch höher. Das helfe im Einsatzgeschehen sehr, so Kille, der von 2017 bis 2021 Projektleiter für den Bereich Drohnen in der DLRG war. Seine Hilfsorganisation nutze die Geräte, die zwingend auf eine zuverlässige Internetverbindung und das Vorhandensein von Fachpersonal zur Steuerung angewiesen seien, auch unter Wasser. Dabei handele es sich um eine sinnvolle Ergänzung bestehender Einheiten. Denn mit den Drohnen seien auch Einsätze in Wassertiefen von mehreren hundert Metern oder an Orten möglich, an denen es für Taucher zu gefährlich sei. Inzwischen

gebe es auch Empfehlungen für gemeinsame Regelungen zum Einsatz von Drohnen im Bevölkerungsschutz, berichtete der studierte Soziologe, der sich zuletzt stark in einem Impfzentrum in Frankfurt am Main engagierte. Es gebe aber auch Schwierigkeiten und Probleme beim Drohneneinsatz im BOS-Bereich. Hierzu zählt laut Kille unter anderem der Umstand, dass moderne Kommunikationseinrichtungen immer komplexer werden. Dadurch nehme die Anfälligkeit für Störungen zu. Außerdem würden Fragen der Datensicherheit sowie der Schaffung von Redundanzen immer wichtiger. Zumal fortlaufend neue Schadenslagen entstünden, gab der DLRG-Vertreter zu bedenken. Hier sei es nicht immer von Vorteil, dass BOS in der Regel sehr konservativ und vorsichtig bei der Einführung neuer Technologien agierten. Auf die Relevanz von Cyberund digitaler Sicherheit macht auch Dr. Sandra Kreitner, Bot-

schafterin der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge für Bayern, aufmerksam. Hier seien die Risikowahrnehmung und die Awareness oftmals noch sehr gering. Zudem brauche es diesbezüglich mehr Vorsorge, auch im Bereich der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS). Gleiches gelte für den kommunalen Bereich mit Blick auf Attacken aus dem digitalen Raum. Auch hier sei die Sensibilität einiger Akteure noch nicht ausreichend hoch, warnte FinnChristopher Brüning, Referatsleiter Katastrophenschutz beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Hier müsse sich dringend etwas tun, denn die Kriminellen agierten sehr professionell und arbeitsteilig. Aus seiner Sicht müsse das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weiter gestärkt werden. Außerdem brauche es eine bessere Vernetzung aller beteiligten Akteure.


Verteidigung

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Das Geld und der Krieg

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ährend der erste Punkt noch relativ einfach ist – Deutschland lieferte nach aktuellen Informationen aus Bundeswehrbeständen 1.000 Panzerfaust 3, 500 Boden-LuftRaketen Stinger sowie weitere 18.000 Helme an die Ukraine – stellt der zweite Teil durchaus eine Herausforderung dar. “Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung am 27. Februar. “Aber machen wir uns nichts vor: Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld. Wir werden dafür ein Sondervermögen Bundeswehr einrichten und ich bin Bundesfinanzminister Lindner sehr dankbar für seine Unterstützung dabei. Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen. Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren. Meine Damen und Herren, ich richte mich hier an alle Fraktionen des Deutschen Bundestages: Lassen Sie uns das Sondervermögen im Grundgesetz absichern.” Die Finanzierung der Bundeswehr in einer Minimalhöhe im Grundgesetz abzusichern, ist ein revolutionärer Ansatz, schließlich stünde sie damit gleichberechtigt neben der Schuldenbremse, die ab dem nächsten Jahr wieder wirksam wird (wir berichteten). Womit dann überall gespart werden dürfte, nur nicht bei der Bundeswehr. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, sagte in seinem Tagesbefehl zum 1. März: “In einem richtungsweisenden und historischen Schritt hat der Bundeskanzler am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag ein umfangreiches Finanzierungspaket verkündet, bestehend aus einem Sondervermögen von einmalig 100 Milliarden Euro sowie der Aufstockung des Verteidigungshaushalts auf kontinuierlich über zwei

Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands (BS/Dorothee Frank) Der Februar brachte zu seinem Ende hin noch mehrere Überraschungen vonseiten der deutschen Regierung. Zum einen die Abkehr von der Prämisse, keine Waffen in Krisen- und Kriegsregionen zu liefern. Zum anderen die Ankündigung eines unerwarteten Geldsegens für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Prozent des Bruttoinlandsprodukts.” Diese Mittel sollten die Grundvoraussetzung dafür schaffen, dass die Bundeswehr ihren militärischen Verpflichtungen nachkommen könne. General Zorn betonte: “Rückgrat der Bundeswehr müssen wieder vollausgestattete, aus dem Stand projektionsfähige Streitkräfte sein, die zur hochintensiven Gefechtsführung im Rahmen von NATO und EU befähigt sind. Geld ist dabei aber nicht alles. Gleichzeitig müssen wir bürokratische Hürden abbauen, Strukturen modernisieren und Maßnahmen ergreifen, die die Einsatzbereitschaft der Truppe in der Fläche schnell und sichtbar erhöhen. Dazu zählt auch, die entsprechenden Führungsverfahren und -prozesse effektiv, standardisiert und national wie multinational interoperabel auszugestalten.”

Verwendung der Mittel Eine Herausforderung wird wahrscheinlich das Ausgeben der Mittel. Weder das BAAINBw noch die Rüstungsunternehmen können schließlich von jetzt auf gleich ihre Kapazitäten so hochfahren, dass 100 Milliarden innerhalb eines Jahres ausgegeben werden könnten. Bei den Neuvorhaben lassen sich weder das neue Luftkampfsystem NGWS (Next Generation Weapon System) noch das neue Landkampfsystem MGCS (Main Ground Combat System) so beschleunigen, dass der für sie vorgesehene Betrag sich wesentlich erhöhen ließe. Auch beim Taktischen Luftverteidigungssystem (TLVS) wären weitere Versuche notwendig. Von der Stange ließen sich hingegen ein neuer schwerer Transporthubschrauber sowie die Tornado-Nachfolger beschaffen. Ansonsten blieben bei den Waffensystemen im Grunde nur weitere Lose. Das Heer hätte hier aktuell lediglich das zweite Los Puma und den Tiger Mk3 im Ak-

“Selten waren wir und unsere Partner so entschlossen und so geschlossen”, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung am 27. Februar. Foto: BS/Bundesregierung, Bergmann

tenkoffer, während die Luftwaffe und Marine sicherlich mehrere weitere Lose in der Schublade haben, von U-Booten, Korvetten und Fregatten über Seefernaufklärer bis zu Eurofightern und Transportflugzeugen.

Kann Deutschland sich verteidigen? Es bleibt dementsprechend spannend, was bis Ende des Jahres tatsächlich unter Vertrag geht. Oder ob – wie in der Vergangenheit bei plötzlichen Etaterhöhungen – ein Teil wieder an das Finanzministerium zurückfließt, weil die Beschaffungsprozesse nicht rechtzeitig fertig waren. Ebenso interessant wird sein, wie die Finanzierung der Bundeswehr im Grundgesetz verankert werden soll. Dass dies unter einer rot-grün-gelben Regierung geschieht, hätte vor diesem Wochenende wohl niemand erwartet. Vorher herrschte in der sicherheitspolitischen Community eher

Kommentar

Wehrpflicht – ein Allheilmittel? (BS) Bei jeder sicherheitspolitischen Diskussion kommt irgendwann aus irgendeiner Ecke die Forderung nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Nur dadurch ließen sich Deutschland verteidigen, die Resilienz der Bevölkerung stärken und der Nachwuchs der Bundeswehr nachhaltig sichern. Die Rückkehr in die gute alte Zeit mit ihren wehrhaften Männern ist das Ziel. Nach dieser Theorie wird jemand durch das Leisten des Wehrdienstes ein besserer Mensch, der an sich schon zur Verteidigung Deutschlands herangezogen werden könnte. Vorgetragen wird es meistens von Zivilisten, die an ausgewählten Wochenenden vereinzelt Reserveübungen machen. Diese idealisierte Fassung wird wahrscheinlich deshalb hauptsächlich durch Zivilisten getragen, weil Berufssoldaten einen etwas anderen Blick auf die Wehrpflicht haben. Zum einen konnte in den Jahren vor dem Aussetzen nicht mehr von einer Wehrgerechtigkeit gesprochen werden. Das Einziehen oder Nichteinziehen der jungen Männer geschah willkürlich anhand der vorhandenen Kapazitäten. Zum anderen war die Grundausbildung viel zu kurz, um den jungen Rekruten viel Sinnvolles beizubringen. Die Wehrpflichtigen waren selten eine Antwort, sondern vielmehr zusätzlicher Aufwand ohne wirklichen Nutzen. Der eigentliche und fast schon einzige Vorteil lag darin, dass die meisten Zeit- und Berufssoldaten aus dem Pool der Wehrpflichtigen rekrutiert wur-

Behörden Spiegel / März 2022

Ein Zug der letzten Wehrpflichtigen unter dem Kommando von Oberleutnant Anke H. beim Antreten am 6. Januar 2011. Foto: BS/Bundeswehr, Andrea Bienert

den. Eine Personalbeschaffungsmaßnahme rechtfertigt allerdings kaum einen Eingriff in die Grundrechte, wozu ein Zwangsdienst durchaus zu zählen ist. Das Heranziehen zum Dienst für Deutschland wurde im Grundgesetz mit der Verteidigungsfähigkeit begründet. Zu dieser hat die Wehrpflicht in den Jahren vor der Abschaffung nichts mehr beigetragen. Und sie würde auch heute nichts dazu beitragen können. Zu komplex sind die Systeme geworden, zu anspruchsvoll die Anforderungen an die Soldaten. Abgesehen von der Ansicht, dass

früher alle härter, zäher und besser gewesen seien, fehlt ein wissenschaftlicher Beweis, dass jene Generationen, die keinen Wehrdienst mehr geleistet haben, verteidigungsunwilliger wären. Oder weniger hart, zäh oder resilient. Von den ganzen angeblichen Vorteilen bleibt dementsprechend bis auf die vereinfachte Personalgewinnung und anekdotische Erinnerungen kaum etwas übrig. Denn Deutschland lässt sich nicht durch Wehrpflichtige schützen, sondern nur durch Zeit- und Berufssoldaten sowie Fachreservisten. Dorothee Frank

Katzenjammer angesichts der russischen Eroberungen in der Ukraine. Aktive und ehemalige Generalität überbietet sich weiterhin in öffentlichkeitswirksamen Auftritten, um das Ende der Bundeswehr und der Verteidigung Deutschlands zu verkünden. Besondere Höhepunkte dieses Selbstmitleids fanden kurz nach dem Beginn der Invasion statt. Allgegenwärtige Experten verkündeten, dass Deutschland weder in der Lage noch bereit sei, sich oder das Bündnis zu verteidigen. Sogar die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die bis zum 8. Dezember 2021 für die Bundeswehr verantwortlich war,

meldete sich zu Wort: “Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben. Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet, was Putin wirklich abgeschreckt hätte. Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann.”

Alleine gewinnt Deutschland nicht All dies erweckt den Anschein eines vergangenen Paradieses, aus dem die Bundeswehr aufgrund von Sparmaßnahmen vertrieben wurde. Dabei hätte die Frage, ob

Deutschland sich gegen Russland ganz alleine verteidigen könnte, zu jeder Zeit und von jeder Regierung mit “Nein” beantwortet werden müssen. Vom Kalten Krieg über zwei Weltkriege bis hin zu Friedrich dem Großen: Niemals wäre ein isoliertes Deutschland in der Lage gewesen, sich gegen Russland zu verteidigen. Nicht ohne Partner. Im Kalten Krieg war es das Ziel, lange genug durchzuhalten, um bei Versagen der konventionellen Verteidigung ggf. auch einen nuklearen Gegenschlag durchführen zu können. Sollte es bei einem konventionellen Krieg bleiben, sahen die Pläne der Alliierten eine Verstärkung und das Halten der Rhein-Grenze vor. Von Deutschland wäre in beiden Fällen nicht viel übrig geblieben. Allerdings ist bereits das Narrativ verkehrt. Deutschland muss sich schließlich nicht alleine verteidigen, da die Politik die Bundeswehr fest in der NATO verankert hat. Die Frage müsste also sein, ob die NATO gegen Russland bestehen könnte. Und ob die NATO bereit ist, ihre Mitgliedsländer mit allen Mitteln zu verteidigen. Die Antwort auf beide Fragen ist ein klares Ja. In diesem Bündnis, das sich im Fall eines Angriffs Russlands auf die NATO formieren würde, käme auch der Bundeswehr eine wichtige Rolle zu. Die sie ausfüllen könnte, da sie der Allianz hochwertige Waffensysteme zur Verfügung stellen kann. Die Bundeswehr ist aktuell unterfinanziert, der Klarstand und die Anzahl der Waffensysteme und Ausrüstung sind nicht zufriedenstellend, die Ersatzteil- und Munitionslager müssen aufgefüllt werden – aber daraus mangelnden Willen oder mangelhafte Fähigkeiten zum Bestehen gegen einen Angriff auf die NATO abzuleiten, ist falsch. Woran es tatsächlich mangelt, ist der politische Wille, eine kriegerische Auseinandersetzung als Ultima Ratio einzugehen, um die Unversehrtheit der Ukraine zu schützen. Ob dies falsch oder richtig

Hürden der Verlegefähigkeit Von der Logistik zum Host Nation Support (BS/df) Verlegungen von Menschen und Material stellen in der heutigen Zeit durchaus eine Herausforderung dar. Die Brückenzeichen für die Panzer wurden abmontiert, in den Kasernen sind keine Tankstellen mehr vorhanden, die Versorgung wurde flächendeckend an Dienstleister ausgelagert. Damit das Verteidigungsministerium am 25. Februar melden konnte: “Wir haben die NATOOstflanke verstärkt. In der letzten Woche sind bereits die ersten Kräfte in Litauen eingetroffen: 100 Fahrzeuge, Artillerie-, Aufklärungs-, Sanitäts- und Feldjägerfähigkeiten, zusätzlich 350 Soldatinnen und Soldaten”, musste erst einmal die Streitkräftebasis (SKB) erneut durch die Bewältigung einer äußerst komplexen Aufgabe ihre Kaltstartfähigkeit beweisen. Schließlich ist nicht nur die Bundeswehr aktuell auf die logistischen Fähigkeiten der SKB angewiesen, auch die Anfragen im Rahmen des Host Nation Supports haben sich deutlich erhöht.

Host Nation Support So unterstützt Deutschland im Rahmen des Host Nation Supports die US-Kräfte bei der Verstärkung der NATO-Ostflanke. Zuständig ist hierfür ebenfalls die Streitkräftebasis. Deren Inspekteur, Generalleutnant Martin Schelleis, bezeichnete Deutschland mehrfach als logistische Drehscheibe der NATO und besonders der USA – und bereitete seinen militärischen Organisationsbereich mit regelmäßigen internationalen Übungen auf genau diesen Fall vor. Deutschland liefert beim Host Nation Support als “Gastgeber” Unterstützungsleistungen an befreundete Truppen während

deren Verlegung, wie beispielsweise sichere Stellplätze für militärische Systeme, Kraftstoff, Verpflegung und Unterkunft. Diese Fähigkeiten wurden früher – vor den Sparmaßnahmen unter den ehemaligen CDU-Verteidigungsministern und -ministerinnen – durch die Kasernen geleistet. Seit der Auslagerung von Dienstleistungen aus dem militärischen Betrieb ist ein Host Nation Support, wie ihn die USA und andere Verbündete aktuell eigentlich bräuchten, nicht mehr möglich. So verfügt beispielsweise kaum noch ein Bundeswehrstandort über genügend Kraftstoff, weshalb zuletzt auch amerikanische Apache Longbow beim Auftanken auf einem zivilen Flughafen bei Dresden gesehen wurden.

Veränderung der Bundeswehr Bisher konnte die SKB zwar allen Anfragen befreundeter Streitkräfte genügen, der Aufwand ist allerdings ungleich höher als früher, wo die Einheiten sich von Kaserne zu Kaserne fortbewegen konnten. Eine gewisse Entlastung der Streitkräftebasis versprach der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, in seinem Tagesbefehl vom 1. März. “Von besonderer Bedeutung ist in dieser angespannten Lage der Grundbetrieb. Munitionsdepots, Sanitäts-, Logistik- und Führungseinrichtungen, Lagezentren

und viele andere unterstützen bei der kurzfristigen Umsetzung all dieser umfassenden Maßnahmen. Deutschland als “Drehscheibe” für Marschbewegungen unserer Bündnispartner bindet insbesondere die territoriale Organisation, unsere zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unsere Reservistinnen und Reservisten”, sagte der Generalinspekteur. “Unser Kontingent in der Amtshilfe Corona werden wir deshalb deutlich reduzieren. Diese Soldatinnen und Soldaten werden im Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung gebraucht.” Diese zusätzlichen Kräfte werden dringend gebraucht, da durch den Wegfall der Strukturen des Kalten Krieges die Sicherungsmaßnahmen der militärischen Systeme während der Verlegung wesentlich aufwendiger durchzuführen sind, was wiederum mehr Personaleinsatz bedeutet. Und dieser steht dann der bereits zum Standard gewordenen Amtshilfe nicht mehr zur Verfügung. Den neuen militärischen Anspruch betonte auch General Zorn in seinem Tagesbefehl: “Wir leben in Zeiten des weltpolitischen Umbruchs. Der rücksichtslose Angriffskrieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine hat eine neue Realität geschaffen, die unsere Gesellschaft und auch die Bundeswehr tiefgreifend verändern wird.”


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / März 2022

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orauf der Inspekteur sich bezieht, ist die unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg begonnene “Ausrichtung auf den Einsatz”, die im Grunde eine Reduzierung der Bundeswehr auf das als absolutes Minimum empfundene Maß – und noch ein wenig darunter – bedeutete. “Schlanker und einsatzorienter” sollte die Bundeswehr nach den Wünschen zu Guttenbergs werden, mit schnell verlegefähigen, kleineren Verbänden. Wenn allerdings nur noch kleine Einheiten zu versorgen sind, geht die entsprechende Fähigkeit für die Großverbände verloren. Zumindest, wenn sie sich nicht in der heimischen Kaserne befinden. Darunter leidet auch der Host Nation Support (siehe hierzu den Artikel “Hürden der Verlegefähigkeit” auf Seite 56).

Schleichende Steigerung der Defizite Diese Erkenntnisse sind allerdings nichts Neues. Sie waren auch Generalleutnant Mais, der seit zwei Jahren Inspekteur Heer ist, bekannt. “Wir haben es alle kommen sehen und waren nicht in der Lage, mit unseren Argumenten durchzudringen, die Folgerungen aus der Krim-Annexion zu ziehen und umzusetzen”, schreibt Generalleutnant Mais. Noch sei das NATO-Territorium seiner Einschätzung nach nicht direkt bedroht, aber “die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert”. Generalleutnant Mais fordert dementsprechend: “Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt, den Afghanistaneinsatz strukturell und materiell hinter uns zu lassen und uns neu aufzustellen? Sonst werden wir unseren verfassungsmäßigen Auftrag und unsere Bündnisverpflichtungen nicht

S

o verkündete das BMVg bereits vier Tage nach der russischen Invasion: “Die Bundesregierung hat aufgrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage und in enger Abstimmung mit der slowakischen Regierung und weiteren Partnern entschieden, sich im Rahmen der NATO bei der Aufstellung einer “enhanced Vigilance Activity Battlegroup” in der Slowakei zu engagieren. Die Bundesministerin der Verteidigung hat sich hierzu am 25. Februar 2022 intensiv mit ihrem slowakischen und niederländischen Amtskollegen ausgetauscht.” Die Slowakei war im Zuge der zweiten NATO-Osterweiterung 2004 gemeinsam mit Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien und Slowenien der NATO beigetreten und kann sich somit auf den Schutz des Bündnisses gegen den russischen Aggressor verlassen. Der deutsche Beitrag für die neue enhanced Vigilance Activity (eVA) Battlegroup soll aus Infanteriekräften des Heeres in Kompaniestärke bestehen, die unter Beteiligung weiterer Partner bis April 2022 zu einem gemischten Kampftruppen-Bataillon verstärkt werden sollen. Hinzu kommen Luftverteidigungssysteme Patriot.

Deutsche Luftwaffe verstärkt Kontingent in Rumänien Auch das deutsche Engagement beim Air Policing in Rumänien wird sowohl ausgeweitet als auch verlängert. Ursprünglich sollten sich drei deutsche Eurofighter vom 21. Februar bis zum 3. März am “enhanced Air Policing South” (eAPS) in Rumänien beteiligen. Bereits Mitte Februar wurde der Beginn vorgezogen, die drei Eurofighter landeten am 17. Februar am Zielflughafen. Nun

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Die Einsatzbereitschaft des Heeres Wiederherstellung verlorener Fähigkeiten (BS/Dorothee Frank) “Du wachst morgens auf und stellst fest: Es herrscht Krieg in Europa”, sagte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, kurz nach der russischen Invasion der Ukraine mittels seines LinkedIn-Accounts. “Ich hätte in meinem 41. Dienstjahr im Frieden nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.” mit Aussicht auf Erfolg umsetzen können.” Deutschland bräuchte nun eigentlich eine starke Bundeswehr, deren Rückgrat schon immer das Heer, die “Boots on the Ground” waren. Nur stehe dieses nach viel zu vielen Sparrunden aktuell blank da. Ein Zustand, über den sich Generalleutnant Mais in Verbindung mit der mangelnden Reaktion auf die Annexion der Krim Luft machte: “Das fühlt sich nicht gut an! Ich bin angefressen!”

Fähigkeiten der Luftverteidigung Diese Botschaft wurde augenscheinlich von der Bundesregierung erhört, weshalb der Bundeswehr in diesem Jahr 100 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen sollen. Dank dieser zusätzlichen Investitionen in die Bundeswehr kann der Inspekteur Heer nun Zeichen setzen. So ließe sich die Qualifizierte Fliegerabwehr realisieren, die bereits von seinem Vorgänger, General Jörg Vollmer, als priorisiertes Vorhaben bezeichnet wurde, danach in der Folge von Sparzwängen allerdings nur in einer homöopathischen Menge für die VJTF 2023 unter Vertrag ging. Die Rede ist von den Protector RS4 Waffenstationen von Kongsberg auf dem Boxer. Im Rahmen der Qualifizierten Fliegerabwehr gingen im Dezember 2019 zehn Protector RS4 Counter UAS Systeme auf Boxer-Basis unter Vertrag, die sich aktuell in der Auslieferung

Landes- und Bündnisverteidigung gegen hochwertige Gegner bestehen zu können.

Ausrichtung des Heeres Mit der Entscheidung, ob ein zweites Los Puma geordert wird oder weitere Varianten des Boxers zur Ausstattung von Mittleren Kräften unter Vertrag gehen, wird der Inspekteur Heer die Ausrichtung seiner Teilstreitkraft für die nächsten Jahrzehnte bestimmen. Diese Entscheidung lässt sich dann auch nicht mehr rückgängig machen, weil je nach Entscheidung die Kapazitäten in der Industrie verlagert werden und dann in einem Jahr eben nur noch Schützenpanzer oder nur noch Boxer produziert werden können. Die Frage, ob Mittlere Kräfte tatsächlich zur “Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank Landes- und Bündnisverteidida”, sagte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, zum aktu- gung ausreichend sind, hat also ellen Zustand seiner Teilstreitkraft. Foto: BS/Bundeswehr eine Tragweite wie seinerzeit die Ausrichtung auf den Einsatz. Innerhalb des Teilprojektes 1 Ebenfalls fertig aus der Schubbefinden. Im Dezember 2021 folgte ein Vertrag über zwei Nach- “Erstbefähigung Land” stand lade könnte zudem der Kampfweismuster für das deutsche die Beschaffung von Fahrzeu- hubschrauber Tiger mit Mk3 in Programm “Joint Fire Support gen zum Schutz vor Feuerwaf- die Kampfwertanpassung gehen, Team, schwer” (JFSTsw). fen, Lenkflugkörpern, Rake- so denn das Heer KampfhubParallel zur Fliegerabwehr ten, Marschflugkörpern und schrauber im Portfolio der Multi wurde das Programm Nah- und unbemannten Fluggeräten an. Domain Battle halten will. Auch Nächstbereichsschutz (NNbS) Vorgesehen ist ein Umfang von hier kann der Inspekteur Zeichen der Luftwaffe aufgesetzt. Mit vier Feuereinheiten, die Aus- setzen, in welche Richtung sich NNbS soll die entsprechende schreibung ist für dieses Jahr die Kampfkraft der Bundeswehr Fähigkeitslücke in der mobilen vorgesehen. Das gewissermaßen entwickeln soll – und welche InLuftverteidigung geschlossen designierte System ist IRIS-T SL. dustrien das Kommando Heer werden, die sich nach dem Kal- Mit den vier geplanten Feuer- dabei als besonders vertrauensten Krieg durch das Ausphasen einheiten würde der Schutz von würdig ansieht. der Systeme und Fähigkeiten drei Brigaden und Divisionstrupvor allem aus dem Heer ergab. pen einer Division möglich, so Dringendster Beschaffungsbedarf Das Projekt wurde in mehre- die Einschätzung der Bundesren durchführbaren Phasen ge- wehr. Der Auftrag ließe sich also Bei all diesen Großprojekten ausweiten, um im Rahmen der darf allerdings nicht vergessen plant.

Deutsche Unterstützung der NATO Verstärkungen der Ostflanke (BS) Der russische Angriff auf die Ukraine hat alle umliegenden Staaten in Alarmbereitschaft versetzt. Darunter sind auch etliche NATO-Nationen, die das Bündnis um Hilfe baten, um gegen ein weiteres Vordringen russischer Truppen gewappnet zu sein. Alle NATO-Staaten reagierten schnell und schickten zusätzliche Truppen in die bedrohten Länder – darunter auch Deutschland. verlängerte die Ministerin sowohl den Zeitraum – die Eurofighter sollen mindestens bis Ende März in Rumänien bleiben – als auch die Anzahl der Maschinen. Bis zu sechs Eurofighter werde die Luftwaffe stellen, meldete das BMVg. Das eAPS ist eine kollektiv-defensive Maßnahme der Allianz zum Schutz der Integrität des südlichen NATO-Luftraumes. Hierzu sind Kampfflugzeuge der Bündnisnationen in wechselnden Rotationen auf dem rumänischen Luftwaffenstützpunkt “Mihael Kogalniceanu” in der Nähe der Stadt Konstanza am Schwarzen Meer stationiert. Das deutsche Kontingent aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg an der Donau wird dabei weitestgehend in das bereits vor Ort befindliche italienische Kontingent integriert. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten unterstützen den “Quick Reaction Alert” (QRA) der NATO. Darüber hinaus sollen durch den Einsatz Verfahren und Konzepte gemeinsam mit den Verbündeten geübt und standardisiert werden. “Unser Beitrag im Rahmen des eAPS ist langfristig geplant, eine erste Teilnahme an eAPS erfolgte bereits 2021 gemeinsam mit der Royal Air Force”, berichtete ein Sprecher der Luftwaffe gegenüber dem Behörden Spiegel und ergänzte zum weiteren deutschen Engagement zum Schutz des NATO-Luftraums: “Die erneute Teilnahme am verstärkten Air Policing im Baltikum (VAPB) ist,

werden, dass am dringendsten Munition und Ersatzteile zu beschaffen sind. Die Liste ist lang, da in der Vergangenheit oft an der Munition gespart wurde, weil dies in Friedenszeiten weniger auffällt als nicht vorhandene Panzer oder Flugzeuge, vor allem wenn große Teile der Ausbildung in der Simulation stattfinden können. Der Klarstand ist bei vielen Systemen weder ausreichend noch im Rahmen der Landesund Bündnisverteidigung hinnehmbar. Ein Großteil der zur Verfügung stehenden 100 Milliarden müssten also in Ersatzteile, Wartungsfähigkeiten und Modernisierungen von vorhandenen Systemen fließen. So sind beispielsweise der Klarstand der vorhandenen Seefernaufklärer oder der Zustand der vorhandenen Transporthubschrauber CH-53G so ungenügend, dass kaum auf den Zulauf der neuen amerikanischen Systeme gewartet werden kann. Es gilt, die Jahre bis zur Lieferung der ersten P-8A Poseidon oder der ersten Schweren Transporthubschrauber zu überbrücken. Der Gegner wartet nicht. In die Digitalisierung der Landstreitkräfte müssten ebenfalls Milliarden investiert werden, um die Führungsfähigkeit in die moderne Zeit zu holen. Die aktuell vorhandenen, unsicheren und wenig performanten Funkgeräte genügen weder den Ansprüchen von noch den Anforderungen an die Bundeswehr. Der Reformbedarf ist also groß und für das BAAINBw wird es eine herausfordernde Aufgabe, die Flut an Anfragen in Beschaffungsprozesse und Verträge zu gießen. Durch die Steuerung der Vorhaben kann Generalleutnant Mais nun allerdings die Ausrichtung des Heeres für die nächsten Jahrzehnte bestimmen. Die Politik scheint bereit, sehr viel mitzutragen.

trag, von denen das erste 2027 in Dienst gestellt werden soll. Am selben Tag wie die “Erfurt” lief auch das Flottendienstboot “Alster” aus dem Marinestützpunkt Eckernförde aus, um in der Ostsee die See- und Küstengebiete elektronisch zu überwachen. Der Inspekteur Marine, Vizeadmiral Jan C. Kaack, betonte: “Die Deutsche Marine, die Bundeswehr und das gesamte Bündnis brauchen jetzt ein gesichertes Lagebild. Dazu trägt die Marine neben anderen Aktivitäten auch mit der “Alster” bei.”

Deutsches Engagement mit Truppen

Deutschland verlegte zeitnah nach dem Angriff Luftverteidigungssysteme Patriot in die Slowakei. Foto: BS/Bundeswehr, Andreas Freude

ab August 2022, erneut für acht Monate am Stück – zweimal vier Monate als feststehender Zeitraum – geplant.”

Deutsche Verteidigung der NATO-Gewässer Neben Land- und Luftstreitkräften hat die Bundeswehr auch mehrere Marine-Einheiten zur Sicherung der NATO-Gebiete entsandt. So unterstützen drei Schiffe die Standing NATO Maritime Group 1 (SNMG 1) und die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2), hinzu kommt eine Aufklärungseinheit. Fünf Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine lief die Korvette “Erfurt” in Wilhelmshafen aus, um sich der SNMG 1 an-

zuschließen, dem Einsatzverband der NATO für den Nordatlantik. Zu diesem Verband gehört bereits der Einsatzgruppenversorger “Berlin”. Ursprünglich war die “Erfurt” für den UNIFIL-Einsatz im Mittelmeer vorgesehen, wurde aufgrund der aktuellen Lage allerdings zur SNMG 1 beordert. Sie wird nun vor allem die Nordund Ostsee sichern. Das Einsatzgebiet der SNMG 2 ist das Mittelmeer, zu der die deutsche Fregatte “Lübeck” seit Anfang Februar gehört. Zudem entsandte die Bundeswehr ein Flottendienstboot zur Überwachung der russischen Aktivitäten. Bei diesen Schiffen zur Nachrichtengewinnung und Aufklärung handelt es sich um

Einheiten des CIR, die von der Deutschen Marine betrieben werden. “Mit Systemen zur Detektion und Ortung von Signalen, Über- wie Unterwasser, können die drei Flottendienstboote einen wesentlichen Beitrag zur strategischen Informationsgewinnung leisten”, beschrieb die Deutsche Marine die Fähigkeiten. Allerdings wurden alle drei Boote noch zum Ende des Kalten Krieges in den Dienst gestellt, was bedeutet, dass sie den technologischen Stand der Vor-iPhone-Ära darstellen, daran können auch die zwischenzeitlich erfolgten Modernisierungen nichts ändern. Deshalb gingen im vergangenen Sommer neue Flottendienstboote unter Ver-

Deutschland beteiligt sich also nicht nur finanziell, sondern auch mit “Boots on the Ground” an der Verteidigung der NATO. So wies das BMVg ebenfalls auf das starke Engagement der Bundesregierung hin: “Deutschland ist aktuell mit 13.700 Soldatinnen und Soldaten ein wesentlicher Truppensteller der schnellen Eingreiftruppe der NATO (NATO Response Force – NRF). Etwa 900 Frauen und Männer stärken als Enhanced Forward Presence Battlegroup in Litauen unter deutscher Führung die Ostflanke. Die Bundeswehr ist einer der wesentlichen Truppensteller der NATO.” Es ist zwar sehr deutsch, immer die Verbesserungsmöglichkeiten zu sehen, das oft vor allem durch “Sicherheitsexperten” in den (Fernseh-)Medien transportierte Bild eines mangelnden Verteidigungswillens ist allerdings falsch. Besser geht es sicherlich immer, die deutschen Leistungen und die Geschwindigkeit, in der diese geleistet wurden, sind allerdings ebenfalls zu würdigen. Und zeigen, dass Deutschland bereitsteht, wenn es darauf ankommt.


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / März 2022

MELDUNGEN

Erste C130J der Bundeswehr ist gelandet

Dieses Foto zeigt den zu Beginn der Ukraine-Krise einzigen einsatzklaren deutschen Seefernaufklärer, der für einen Tag werbewirksam nach Finnland geschickt wurde, um im Zuge der Ukraine-Krise die Ostsee zu überwachen. Foto: BS/Deutsche Marine

Der letzte fliegende Seefernaufklärer Wichtige Spezialfähigkeit in ungenügender Stückzahl (BS/df) Die Krise in der Ukraine zeigt auf, was verschleppte Beschaffungen für die Fähigkeiten der Bundeswehr bedeuten. Besonders die Ära von der Leyen verfestigte die Lücken im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr, die ihre Nachfolgerinnen bisher nur bedingt ausgleichen konnten. So verzögerte sich auch die Vergabe von neuen Seefernaufklärern über Jahre, was bedeutet, dass die Bundeswehr zu Beginn der Ukraine-Krise nur noch über einen einzigen verfügte. “Zurzeit befindet sich ein einsatzklarer Marineseeaufklärer auf dem Fliegerhorst Nordholz, der durch eine elfköpfige Crew geflogen wird”, sagte ein Sprecher der Deutschen Marine am 15. Februar gegenüber dem Behörden Spiegel. Zu jener Zeit hatten sich bereits russische Truppen um die Ukraine versammelt, angeblich, um eine Übung abzuhalten. Deutschland schickte seinen Seefernaufklärer daraufhin auf den Stützpunkt Helsinki in Finnland, um einerseits den designierten Inspekteur Marine nach Finnland zu bringen und gleichzeitig von dort aus Aufklärungsflüge in der mittleren und östlichen Ostsee durchzuführen. Die Marine betonte: “Die Deutsche Marine zeigt damit verstärkte Präsenz an der Nordflanke der NATO.” Sie zeigte diese verstärkte Präsenz allerdings nur einen Tag lang, weil der Seefernaufklärer danach zum Manöver Dynamic

Manta nach Sigonella auf Sizilien verlegen musste, um den Verpflichtungen gegenüber der NATO nachzukommen. Eine weitere Überwachung der Ostsee wäre mit diesem Spezialsystem also nur möglich gewesen, wenn die Bundeswehr die Maschine von der NATO-Übung abgezogen hätte. Was wiederum eine Blöße gegenüber den Verbündeten wäre.

Nachfolger: fünf P-8A Poseidon Der Sprecher der Marine äußerte sich gegenüber dem Behörden Spiegel zwar zuversichtlich, dass bald wieder mehr Seefernaufklärer zur Verfügung stehen – “Der Verfügungsbestand wird sich aber zeitnah, nach gestaffeltem Rücklauf von Maschinen aus der planmäßigen Instandsetzung, wieder erhöhen” – die Krise mit der Notwendigkeit zur Überwachung wartet allerdings nicht auf deutsche Wartungs- und Beschaffungswege.

Die Nachfolger der P-3C Orion, fünf P-8A Poseidon von Boeing, gingen am 30. Juni 2021 unter Vertrag (wir berichteten). “Mit dem Bau des Nachfolgers der P-3C wird voraussichtlich im Dezember 2023 begonnen. Daraus resultiert eine erste Zuführung im Oktober 2024. Die selbstverständlich in Nordholz stationiert werden”, berichtet der Sprecher der Marine. “Die Umschulung und Qualifizierung des fliegenden Personals wird dabei rund ein Jahr dauern. Die Ausbildung hierfür wird hauptsächlich bei der US-Navy in NAS Jacksonville, Florida, USA – bei VP-30 “Patrol Squadron 30” – stattfinden. Die Zertifizierung und Ausbildung des technischen Personals nach DEMAR 66 wird circa zwei Jahre in Anspruch nehmen.”

Ab 2025 neue Systeme Die Bundeswehr wird also erst ab 2025 wieder über genügend einsatzfähige Seefernaufklärer

verfügen, um alle Aufgaben tatsächlich erfüllen zu können. Bis dahin ist sie weiterhin auf die Aufklärungsergebnisse aus den USA angewiesen. Ein deutsches Lagebild oder auch nur ein Abgleich der eingehenden Daten wird schwierig, wenn nicht genügend Systeme für alle Verpflichtungen vorhanden sind. Und die Behebung des Mangels braucht Zeit. Die Bundeswehr wird also weiterhin durch die Fehler der vergangenen Regierungen in gewissen Bereichen nur eingeschränkt handlungsfähig sein, trotz der versprochenen hundert Milliarden. Weil die Vergaben in der Vergangenheit zu zögerlich angegangen bzw. keine Entscheidungen getroffen wurden oder kein Geld zur Verfügung stand. Bis 2025 kann Deutschland also diese Spezialfähigkeit der NATO nur eingeschränkt zur Verfügung stellen. Dabei ist Aufklärung die Grundlage jeder Handlung – auch für die Politik.

Das Transportproblem der Bundeswehr SALIS – vom Erfolgs- zum Auslaufmodell (BS/df) Drei russische Transportflugzeuge An-124 befanden sich Anfang März auf dem Flughafen Leipzig, nachdem Deutschland den Luftraum für russische Flugzeuge sperrte. Hinzu kam eine ukrainische Maschine gleichen Typs. Der Flughafen Leipzig ist der Standort des militärischen Transportprogramms SALIS, an dem auch Deutschland beteiligt ist. Dass Deutschland für den militärischen Lufttransport auf gemietete Flugzeuge angewiesen ist, hängt mit der Auslagerung von Fähigkeiten zusammen – und mit dem Bundeswehr-Transportflugzeug A400M. Als kurz nach dem Ende des Kalten Krieges der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe über das neue Transportflugzeug der Bundeswehr die Entscheidung fällte, standen zwei Optionen im Raum: Ein gemeinsam mit Russland zu entwickelnder AntonovNachfolger oder ein vollständig neu zu erfindendes deutschfranzösisches Transportflugzeug. Die Bundeswehr und der Verteidigungsminister entschieden sich für die Antonov-Nachfolge. Der französische Staatspräsident François Mitterrand rief den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl an und erinnerte ihn an die deutsch-französische Freundschaft. Die A400M ging unter Vertrag. Aufgrund des notwendigen Abgleichs der unterschiedlichen Anforderungen Deutschlands und Frankreichs kann die A400M allerdings nicht alle notwendigen Transporte leisten. Es musste also zusätzlich etwas Größeres bereitstehen: die Antonovs. Bei der An-124 handelt es sich schließlich um das größte jemals in Serie produzierte Transportflugzeug der Welt. Da Deutschland mit seinem Mangel an Transportflugzeugen in der NATO nicht alleine war, schlossen sich mehrere Nationen zur “Strategic Airlift Interim Solution” (SALIS) zusammen.

Auftrag durch die NATO Für SALIS schloss die NATO Support Procurement Agency (NSPA) im Namen der beteiligten Nationen – aktuell sind es Belgien, Deutschland, Frankreich, Norwegen, Polen, die Slowakei,

Slowenien, Tschechien und Ungarn – einen Vertrag mit der Ruslan SALIS GmbH, einem Joint Venture aus dem russischen Unternehmen Volga-Dnepr Airlines und der ukrainischen Firma Antonov Airlines, sodass die Transportkapazitäten von bis zu sechs Antonovs genutzt werden konnten. SALIS galt als großer Erfolg, weil kostengünstig und zuverlässig. Die russischen und ukrainischen Maschinen flogen auch in Krisengebiete, sogar der Bundesrechnungshof lobte die Wirtschaftlichkeit. Die Situation änderte sich allerdings mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland. Das Joint Venture Ruslan SALIS GmbH zerbrach, die NSPA schloss Einzelverträge mit dem russischen und dem ukrainischen Unternehmen. Gleichzeitig wurde das “Interim” aus dem Namen des NATO-Programms entfernt, es Diese Panzerhaubitze 2000 wurde für den Afghanistan-Einsatz mit einer russiFoto: BS/Bundeswehr,Schmidt heißt seitdem “Strategic Airlift schen Antonov An-124-100 transportiert. International Solution” (SALIS). Ein Problem ist die Wartung Als 2018 die Verträge mit beiden die NATO Support Procurement Partnern ausliefen, verkündete Agency 2018 einen neuen SALIS- der SALIS-Maschinen und dedie russische Volga-Dnepr Air- Vertrag. Die Firma verpflichte- ren Versorgung mit Ersatzteilen. lines, dass sie aus dem Programm te sich zur Bereitstellung der Schließlich kann die Ukraine aussteigen werde. Sie wolle sich vertraglich vereinbarten Luft- aktuell nicht liefern und die Ruskünftig auf zivilen Lufttransport transportkapazitäten. Wie sie sen werden kaum einspringen. konzentrieren. dies zu erfüllen gedenke, blieb Hinzu kommt die Nationalität ihr überlassen. Da die Antonov der Piloten, da bisher durchHeutige Situation Logistics SALIS GmbH mit ihren aus Russen die ukrainischen 2018 wurde dementsprechend rund 20 Mitarbeitern reine Ver- Maschinen geflogen sind. Sollte ein neues Joint Venture von An- mittlungsdienste leistet, werden Deutschland – und die weiteren tonov mit dem Logistikdienst- die Flugzeuge angemietet. Zum SALIS-Partner – also eine schnelleister Cargo Air Solutions unter Redaktionsschluss standen am le Verlegung von Waffensystemen ukrainischer Führung gegrün- Flughafen Leipzig vier Antonovs: an die Ostflanke der NATO bedet: die Antonov Logistics SA- eine aus der Ukraine, drei aus nötigen, wäre der Lufttransport LIS GmbH. Mit diesem Unter- Russland. Die Antonov Logistics wahrscheinlich zum ersten Mal in nehmen mit Sitz in Schkeuditz, SALIS GmbH wollte sich bisher der Geschichte der Bundeswehr einem Ort bei Leipzig, schloss nicht äußern. keine wirklich sichere Option.

(BS/df) Ende Februar meldete das BAAINBw die erfolgreiche Landung der ersten C130J Super Hercules der deutschen Luftwaffe in Évreux. Die Beschaffung der “Super Hercules” wurde aufgrund der Ausmusterung der Transall notwendig. “Der A400M kann (Feld-)Flugplätze nicht anfliegen, wenn diese nicht über die notwendige Infrastruktur verfügen”, berichtet die Bundeswehr zum eigentlichen Trans­all-Nachfolger. “Mit der Außer­dienststellung der in die Jahre gekommenen C-160 Transall und deren Ausmusterung Ende des Jahres 2021 ist eine Fähigkeitslücke im Bereich des geschützten taktischen Lufttransportes entstanden. Das schließt Einsätze im Rahmen des Nationalen Risiko- und Krisenmanagements und das gesamte Spektrum von Spezial-Operationen, über Land oder im maritimen Umfeld, ein.” Die Super Hercules von Lockheed Martin ist ein bewährtes, einsatzerprobtes Transportflugzeug, das seit Jahrzehnten von mehreren Streitkräften weltweit genutzt wird.Deutschland wird gemeinsam mit Frankreich eine Flotte bestehend auf fünf C130J-30 und fünf KC-130J (die

Tankversion) betreiben, wobei Deutschland sechs Maschinen (drei C-130J und drei KC-130J) beisteuert. Die Bundeswehr erläutert: “Zum allerersten Mal werden hier französische und deutsche Piloten, Mechaniker, Avioniker und technische Ladungsmeister gemeinsam leben, trainieren und arbeiten. Binationale Crews fliegen die Einsätze und am Boden werden deutsche und französische Maschinen ebenfalls gemeinsam gewartet. Die Möglichkeit rein nationaler Einsätze bleibt dabei erhalten.” Nun ist also die erste deutsche Maschine der gemeinsamen Transportflotte in Évreux gelandet. Beschafft wurde die Maschine durch einen Foreign Military Sale (FMS). Wie reibungslos im Rahmen eines FMS neue Technologien zulaufen können, zeigte diese Beschaffung. Im April 2018 wurde der Letter of Request an die US-Regierung übermittelt. Im September 2018 folgte der Letter of Approval, die Grundbedingung für den Kauf. Im Dezember 2021 konnte die erste Maschine durch die U.S. Air Force geprüft und abgenommen werden.

Senkrechtstarter für die F126 (BS/df) Die neuen deutschen Fregatten F126 erhalten MK 41 Senkrechtstarter für Evolved Sea Sparrow Missile Block 2. Das MK 41 VLS (Vertical Launch System) wurde ursprünglich für den gleichzeitigen Abschuss von Flugabwehr-, Bodenabwehr-, Angriffs- und U-Boot-Abwehrraketen entwickelt. Das Besondere ist die Modularität sowie die große Zahl bereits integrierter Flugkörper. Dadurch kann jede MK 41-Zelle jeden integrierten Flugkörper abfeuern, wodurch die Flexibilität erhöht wird. Die für die deutschen Fregatten F126 vorgesehenen MK 41 werden jeweils über acht Zellen verfügen. Beim MK 41 VLS handelt es sich um ein kampferprobtes System. Es wird bereits in über 150 Schiffen weltweit eingesetzt. Die Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) ist eine in internationaler Zusammenarbeit entwickelte Weiterentwicklung des RIM-7

Seasparrow Lenkflugkörpers. Er wurde von der U.S. Navy und neun weiteren Mitgliedsstaaten des NATO Sea Sparrow-Konsortiums entwickelt und bietet neue Fähigkeiten zur Abwehr von Schiffsraketen. Zu den Mitgliedern des Konsortiums gehören Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Türkei und die USA. Damen Naval baut die vier Fregatten der F126-Klasse zusammen mit Blohm+Voss und Thales. Damen Naval wurde nach einem mehrjährigen europäischen Ausschreibungsverfahren im Jahr 2020 als erfolgreicher Bieter ausgewählt. Das erste Schiff wird voraussichtlich im Jahr 2028 an die Deutsche Marine ausgeliefert. Alle Bauarbeiten werden in Deutschland auf Werften in Kiel, Hamburg und Wolgast durchgeführt.

Die 50 Geparden bei KMW (BS/df) Aus den Gepard-Beständen, die Krauss-Maffei Wegmann (KMW) seinerzeit von der Bundeswehr zurückkaufte, um sie für den Export aufzufrischen, stehen beim Unternehmen noch rund 50 Stück bereit zum Verkauf, konnte der Behörden Spiegel von KMW erfahren. Für die Bundeswehr wäre eine Wieder-

einführung des Flak-Panzers zwar nicht interessant, sie wären allerdings durchaus für den Export an die Ukraine geeignet. Aktuell nutzen unter anderem Rumänien, Brasilien und Katar die Luftverteidigungssysteme, die nach dem Ende des Kalten Krieges bis 2010 aus der Bundeswehr ausgephast wurden.

USA benötigen mehr Eisbrecher (BS/df) Der Klimawandel sorgt zwar einerseits dafür, dass die Nordmeere mehr Monate im Jahr passierbar werden, andererseits hat dies auch zu einem erhöhten Interesse an der arktischen Region seitens Chinas und Russlands geführt. Neben Handelsrouten und dem kommerziellen Fischfang werden noch wertvolle Mineralien und bis zu 90 Milliarden Barrel nicht erschlossenes Öl in der Region vermutet. Dabei sind die Gewässer des High North keineswegs eisfrei, wer dort agieren will braucht Eisbrecher. Aktuell besitzt die U.S. Navy allerdings keinen einzigen und die U.S. Coast Guard nur zwei einsatzbereite Eisbrecher. “Strategisch gesehen bieten Eisbrecher eine dauerhafte Präsenz, die von nichts anderem in der maritimen Region erreicht wird”, sagte Randy Kee, der als geschäftsführender Direktor des

Ted Stevens Center for Arctic Security Studies tätig ist. “Denken Sie daran, dass die Arktis eine maritime Region ist, und das Eisbrechen bietet Ihnen das ganze Jahr über die Möglichkeit, in die Region zu gehen.” Derzeit seien sechs neue Eisbrecher, die in der Arktis eingesetzt werden könnten, zur Verstärkung der Eisbrecherflotte der Küstenwache genehmigt, sagte Kee. Bezüglich der gestiegenen Anzahl an russischen Eisbrechern in der Region erläuterte Kee, dass diese zwar ebenfalls zur Aufrechterhaltung einer souveränen Präsenz vor Ort seien, sich gleichzeitig aber auch viele russische Gemeinden an der Küste des arktischen Ozeans befänden. Kee erläuterte: “Sie nutzen sie auch für die logistische Unterstützung ihrer nördlichen Gemeinden, weil sie keine andere Möglichkeit haben, die Produkte zu diesen Gemeinden zu bringen.”


Behörden Spiegel / März 2022

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ärz 2020 – Nullpatient steckt sich mit einem für viele Menschen bis dato unbekannten Virus an. Die ersten Infektionszahlen weltweit steigen, Fotos aus überlasteten Krankenhäusern haben eine erhebliche mediale Präsenz – der erste Lockdown kommt. Für viele ist diese Zeit die ungewöhnlichste überhaupt. Auch für Harun Sekman, der seit 2008 in der Pflege tätig ist. Seine erste berufliche Station führt ihn nach dem Abitur im Jahre 2008 ins evangelische Klinikum nach Duisburg. Dort fängt er mit seiner Ausbildung an. Damals noch waren es verschiedene Krankenhäuser, in denen er eingesetzt wurde. Nach der Ausbildung im Jahr 2011 wechselt der gebürtige Duisburger ins Universitätsklinikum Essen, vertieft seine Kenntnisse im Bereich der Kardiologie und beschäftigt sich zunächst mit Patienten, die unter schweren Herzerkrankungen leiden. Anschließend wechselt er in die Zentrale Notaufnahme, wo er bis heute tätig ist. In der Notaufnahme macht er täglich ambulante Versorgungen bei Patienten, die akute Beschwerden haben, oder behandelt Patienten, die an anderen Kliniken nicht mehr versorgt werden, da sie spezielle therapeutische Behandlungen benötigen.

Der Schatten des Jahres 2007 Nach dem Abitur war Sekman sich sicher, dass er eine Ausbildung machen möchte, die zukunftssicher ist. Seine Entscheidung fiel schon damals auf ein Berufsfeld, wo er viel mit Menschen arbeiten kann. “Die Physiotherapie-Ausbildung war zu Beginn ein Wunsch, den ich mir aber aufgrund zu hoher Kosten nicht hätte leisten können.” Die Art der Ausbildung sei so geformt, dass man während der Ausbildung nichts verdient und gleichzeitig dafür zahlen müsse. “Mit Anfang 20 Schulden in Höhe von knapp 18.000 Euro zu haben, daran wollte ich nicht mal denken." Damals standen ihm nur zwei Schulen zur Auswahl, die staatlich gefördert wurden, sodass er nichts für die Ausbildung hätte bezahlen müssen. Verdient hätte er aber auch in dieser Zeit kein Geld. Vieles drehte sich um die Kosten und Gebührenfrage, was auch damit zusammenhing, dass 2007, genau ein Jahr vor dem Beenden seines Abiturs, die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit begann. Zwar war die Kostenfrage im Gesundheitswesen auch vor der Krise entscheidend, da die Ausbildung zum Physiotherapeuten schon immer selbst bezahlt werden musste. Die Krise hatte die Situation aber für viele verschärft. In dieser Zeit sind viele Menschen aus seinem Umfeld in Kurzarbeit geraten. “Gerade ältere Menschen, die in den Duisburger Stahlindustrien gearbeitet hatten, und bis dato keine Geldsorgen hatten, hatten plötzlich Angst vor der Zukunft. Das macht was mit einem” sagt der Sohn türkischer Eltern. Die Krise hatte die Grundpfeiler des westlichen Finanzsystems erschüttert. Auch hier in Deutschland. Für Sekman war damals klar, dass er einen Beruf erlernen muss, der zukunftssicher ist. Gleichzeitig sollte ihm mit der Berufswahl auch die Sicherheit geboten werden, im hohen Alter nicht plötzlich in Kurzarbeit gehen oder gar eine abrupte Kündigung befürchten zu müssen. Die Physiotherapie-Ausbildung war ein Wunsch, die Umstände zur damaligen Zeit haben ihn aber letztlich in die Pflege gebracht: “Ich bin auch sehr froh darum, da es einer der schönsten Berufe ist, die man machen kann.”

Die richtige Entscheidung trotz Überlastung Trotz Überlastung der Kliniken und Krankenhäuser aufgrund fehlenden Personals war die Aus-

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Notruf: “Bitte keinen Applaus!” Harun Sekman: Notfallpfleger am Universitätsklinikum Essen (BS/Büsra Tasdemir) Die Pandemie hat die Bedeutsamkeit vieler Berufe stark hervorgehoben. Systemrelevante Berufe, hieß es, bezogen sich gerade auf die Berufsfelder in den Kliniken und Krankenhäusern. Zwar erweisen sich die Jobs in der Pflege aufgrund des Personalmangels als krisensicher, haben jedoch seit Ausbruch der Pandemie einen erheblichen Imageschaden erlitten.

management-Fachkraft gemacht, bei der man beim Aufbau und der Pflege eines prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems mitwirkt bzw. die Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen in medizinischen Einrichtungen zusammenfasst. Zuletzt hat er sich zum QualitätsmanagementAuditor weitergebildet und an der Hochschule für Gesundheit in Bochum “Gesundheit und Sozialraum” studiert. Für die Zul assung des Studiengangs war es nicht erforderlich, Pfleger zu sein. Aber eine abgeschlossene Ausbildung im Gesundheitswesen allgemein sei eine Voraussetzung gewesen.

Abschließende Worte Sekman hat den Eindruck, dass die Enttäuschung in den letzten Monaten im gesamten Gesundheitssystem zugenommen habe. In der öffentlichen Diskussion sei immer nur die Rede von Pflegekräften, dabei würden medizinische Fachangestellte, medizinische Laborassistenten, Röntgenassistenten, Ärzte, Sekretäre und Reinigungskräfte oft vergessen. Sie alle hätten in einer Zeit, die von Ungewissheit geprägt gewesen sei, gearbeitet Seit elf Jahren ist Harun Sekman in der zentralen Notaufnahme tätig. Er ist Krankenpfleger mit Fachweiterbildung Notfallpflege. Fotos: BS/Büsra Tasdemir und das Rad am Laufen gehalten. Dabei sei es für alle Beschäftigten eine erhebliche Belastung gewesen, ständig unter diesen Kitteln zu arbeiten. Der Glaube, ständig nur funktionieren zu müssen, habe sich bei vielen während der Pandemie bestätigt. Der Pflegeberuf ist, wie erwähnt, einer der schönsten Berufe für Sekman. Die vielen Möglichkeiten einer Spezialisierung, Fortbildungen, die Tarifbeschäftigung, die besondere Nähe zu Menschen, die man im Laufe der Zeit erfahre, die Berufshighlights mit speziellen Patienten, die nicht so Im Schockraum: Mit dem mechanischen Reanimationsarm werden Kompressi- Die extrakorporale Membranoxygenierung (kurz: ECMO) ist eine künstliche Lun- schnell in Vergessenheit gerieten, onen des Brustkorbs durchgeführt. ge. Für Patienten mit schwerem Corona-Verlauf, verbunden mit einer Lungen- seien nur einige der Dinge, die entzündung, ist sie der letzte Ausweg. den Beruf schöner gestalteten. Doch die geringe Unterstützung bildung in der Pflege die richtige. noch mal die “Extra-Portion ChaMan sei nah an Schicksalsschlä- os”. “Wenn es kontinuierliche und müsse an die Öffentlichkeit was man nutzen sollte. Auch Sek- und das falsche Signal von poligen, sagt der 34-Jährige. Beson- Schichtpläne gäbe, würde nicht getragen werden. man nutzt viele Möglichkeiten der tischen Entscheidungsträgern in ders wenn man in der Notaufnah- das komplette Chaos herrschen. Dieser Eindruck wurde in der Weiterbildung an der Uniklinik einer Zeit der Krise hätten viele me arbeite. Wenn Patienten mit Wenn man in einer Schicht ar- Pandemie noch weiter bestärkt, Essen und auch privat aus. Bis- Kollegen im Dienst nicht einfach Beschwerden zur Notaufnahme beiten könnte, wäre der Beruf da Pflegekräfte allein gelassen her hat er eine Weiterbildung zur wegstecken können. Sekman kämen, erfahre man viel über der Pflege unter diesem Aspekt und auf sich selbst gestellt wa- Notfallpflege und zur Qualitäts- auch nicht. die Menschen selbst und ihren familienfreundlich. Da es aber ren. “Wir mussten nur funktio(Berufs-)Alltag. Doch im Laufe der aktuell nicht der Fall ist, ist es nieren, und das geht so nicht”, Zeit stellt er auch immer wieder nicht unbedingt vereinbar.” sagt Sekman entschlossen. Die fest, dass die Menschen nicht zu wenigen Isolierungsmögeinfach nur krank sind und ei- Notruf aus der Krankenpflelichkeiten, Isolierungskittel, ge: Keinen Applaus mehr! ne Beschwerde haben, sondern der Maskenskandal, fehlende viele weitere BegleiterkrankunSeit Ausbruch der Pandemie Kommunikation und die gesongen mitbringen. “Wir haben oft und im ersten Lockdown haben derten Arbeitsregelungen für Patienten, die aufgrund eines sich viele Menschen solidarisch Pflegekräfte nach einer Infektion Herzinfarkts zur Notaufnahme mit den Mitarbeitenden im Ge- habe er nicht verstanden. kommen und zudem auch weitere sundheitswesen gezeigt. Es Wenn es darum gehe, die Pfleschwere Grunderkrankungen wurde viel applaudiert und Mut geberufe für junge Leute attrakhaben. Das nennt man in der zugesprochen. Diese Geste von tiver zu machen, müsse man zuMedizin Multimorbidität”, erklärt den Bürgern wurde von vielen nächst aus dem klischeehaften Sekman. Dies sei die eigentliche Menschen aus der Pflege sehr ge- Glauben herauskommen, dass Herausforderung in der moder- schätzt, auch von Sekman. “Diese man den Pflegejob aus Nächsnen Zeit. Viele multimorbide Pa- Geste kann ich aber nur von der tenliebe mache. Heutzutage tienten, die zudem adipös seien, Bevölkerung akzeptieren. Von übten die meisten Menschen müssten oft durch einzelne Pfle- der Politik erwarte ich eine an- den Pflegeberuf aus, weil der gekräfte versorgt werden. Andere dere Geste. Eine monetäre Geste. Berufsstand mittlerweile höchst Mitarbeiter um Hilfe zu bitten, Menschen, die im Öffentlichen spezialisiert sei und man nebenbringe häufig nichts, da sie in Dienst arbeiten und systemrele- her auch die Möglichkeit habe, der Notaufnahme zu jeder Zeit vante Berufe ausüben, haben al- sich weiterzubilden. Die Spezia(BS/bt). Die Essener Universitätsmedizin umfasst das Universitätsklinialle Hände voll zu tun hätten. les dafür getan, um das Gesund- lisierung kann sich auf alle mekum Essen sowie 15 Tochterunternehmen, darunter die Ruhrlandklinik, Für Sekman sind diese Schich- heitssystem in dieser schwierigen dizinischen Bereiche beziehen, die Herzchirurgie Huttrop und das Westdeutsche Protonentherapiezenten häufig die anstrengendsten: Phase aufrechtzuerhalten. Eine je nachdem, wo die Interessen trum Essen. Sie ist mit etwa 1.700 Betten das führende Gesundheits“Nach der Schicht – egal zu wel- besondere Wertschätzung hätte liegen: Chirurgie, Kardiologie, Kompetenzzentrum des Ruhrgebiets, seit 2015 auf dem Weg zum Smart cher Zeit – ziehe ich mich für eine ich mir gewünscht. Besondere Neurochirurgie und vieles mehr. Hospital und begreift die Digitalisierung als einmalige Chance, das Stunde zurück, um körperlich Versicherungsmöglichkeiten und “Damit sind Pflegekräfte nicht “Krankenhaus der Zukunft” zu gestalten. Die Idee des vernetzten “Smart und mental runterzukommen.” bessere Arbeitszeiten waren das, einfach nur Pflegekräfte. Es Hospital” umfasst dabei sämtliche Bereiche und ist als unternehmeDiese Art der Belastung ist die was ich von politischen Entschei- wird unterschieden zwischen rische Strategie Grundlage aller Entscheidungen, von Investitionen in eine Sache, die Schichtarbeit eine dungsträgern erwarten habe”, Intensivpflege, Notfallpflege oder medizinische Geräte, den Aufbau der notwendigen IT-Infrastruktur bis andere. Da bleibt nicht viel Zeit sagt er entschlossen. Letzteres Pflege für die Dialyse. Heutzutahin z. B.rufungen und Personalentscheidungen. Die Transformation verfür die Familie. Für jemanden ist aufgrund des großen Per- ge ist alles viel professioneller, folgt dabei ein klares Ziel mit zwei zentralen Grundsätzen: Dem Wohl wie Sekman, der verheiratet ist sonalmangels allerdings nicht spezieller und komplexer. Man der Patientinnen und Patienten zu dienen, ihre Heilung zu fördern, und und viel Zeit mit seiner Frau und möglich. “Ein Teufelskreis”, fügt lernt viel mehr als zuvor. Die schnellen Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen zu ermöglichen seinen zwei älteren Geschwis- Sekman hinzu. Pflege, wie sie vor Jahren geformt und verbesserte Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitwar, ist im Kern nicht mehr so tern verbringen möchte, fällt dies arbeiter, besonders für die Pflegekräfte, zu schaffen. Ein erster Schritt Pflegeberuf attraktiver aufgestellt. Das kommt in der nicht immer leicht. dahin ist der Beitritt zum Medizininformatik-Verbund “SMITH”. Damit gestalten Öffentlichkeit nicht so an” meint setzt sie auf eine zunehmende IT-Durchdringung und die Einführung der Umstrukturierung bei PflegeEs müssten mehr junge Men- Sekman. Über die Veränderung elektronischen Patientenakte. So sollen Ressourcen effizienter genutzt berufen notwendig schen für die Pflegearbeit mobili- der Arbeitsbedingungen und eine und die Behandlung von Patienten verbessert werden. Grundsätzlich Die Vereinbarkeit von Fami- siert werden. Denn die allgemeine bessere Bezahlung müsse nicht geht im Gesundheitssektor der Trend verstärkt in Richtung vernetzter lie und Beruf in der Pflege sei Annahme in der Öffentlichkeit viel gesagt werden, das werde Strukturen und mobiler Endgeräte. IT-Infrastrukturen, IT-Sicherheit und grundsätzlich gegeben, aber mit bestünde darin, dass für die be- seit Jahren gefordert. Datenschutz gewinnen mehr an Bedeutung; deswegen steht die Einrichvielen Abstrichen, sagt Sekman. sondere Leistung im Gesundtung einer übergreifenden Abteilung für IT-Sicherheit auf der Agenda der Aufgrund fehlender Pflegekräfte heitswesen ein hoher Arbeits- Weiterbildung ist wichtig Universitätsmedizin Essen. Die Digitalisierung ermöglicht die Optimiesei jeder Pfleger dazu verpflichtet, aufwand für sehr wenig Geld Viele Arbeitsbereiche bieten die rung von Interdisziplinarität und stellt die ideale Verknüpfung zentraler einzuspringen. Die diskontinu- erbracht werden müsse. Dies Möglichkeit zur Weiterbildung medizinischer Bereiche mit den Fachkliniken her. ierlichen Schichtpläne gäben habe sich mittlerweile verbessert an. So ist es auch in der Pflege,

Auf dem Weg zum Smart Hospital



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