Behörden Spiegel September 2021

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AGENDA2025 Deutschland wird digitalisiert

Behörden Spiegel / September 2021

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AGENDA2025 Deutschland wird digitalisiert

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ie Stadtverwaltung entschloss sich 2019 dazu, das Problem der Dezentralität der Daten grundsätzlich zu beheben. Das große Ziel: Eine einheitliche, zentrale und digitale Datenablage, auf die alle abteilungs- und fachbereichsübergreifend zugreifen können. Technisch gesehen soll dafür eine zentrale BusinessIntelligence(BI)-Lösung geschaffen werden. Die Stadt bewarb sich beim BMVI für ein mFUNDProjekt. Das Förderprogramm mFUND unterstützt digitale Innovationen für eine Mobilität der Zukunft in Deutschland. Damit war sie fast die einzige Kommune, die dort als Hauptantragsteller auftrat. Überwiegend bewerben sich hierfür Universitäten oder Unternehmen. Das Projekt wurde bewilligt und wird seit Nov. 2019 bis Ende 2022 mit 1,28 Millionen Euro gefördert (Förderlinie 2/ Datenzugang/Projekt BI-F2022). Die Stadt Flensburg testet damit als Blaupause für andere Kommunen erstmals, wie sich die vormals getrennten, heterogenen Datenquellen vereinen lassen. Auch andere Kommunen starten BI-Projekte. Sie fokussieren sich aber meist nur auf einen Bereich wie die Finanzen.

Datenschutz von Anfang an mitdenken Der Flensburger Ansatz der zentral bereitgestellten Daten bietet zahlreiche Chancen: Zunächst können die internen Prozesse stark vereinfacht und beschleunigt werden. Der Datenschutz als zentraler Aspekt wird dabei von Anfang an mitgedacht. Über die BI-Lösung sollen Daten nur so nutzbar sein, dass der Datenschutz vollumfänglich eingehalten werden wird. Damit wird den Mitarbeitenden die bisherige große Verantwortung teilweise abgenommen. Neben den un-

Flensburg macht mehr aus seinen Daten Die Stadt liefert bis Ende 2022 eine Blaupause für ein zentrales BI-System

(BS/Dr. Thorben Kelling*) Die Stadt Flensburg hat in der Verwaltung sehr viele Fachverfahren, über die digital Daten erfasst und verarbeitet werden. In der Kernverwaltung sind ca. 1.500 Mitarbeitende in mehr als 40 Abteilungen tätig. Bisher arbeiten die Abteilungen digital getrennt voneinander. Jede erzeugt und pflegt “ihre” Daten. Möchte eine Mitarbeiterin auf Daten einer anderen Abteilung zugreifen, muss sie per Mail oder Telefon eine Auf Datenebene sind alle Anfrage an die Abteilung stellen und die Daten aufwendig beschaffen.

Kommunen vergleichbar

mittelbar entstehenden, instress”. Das Projekt wird ternen Nutzen sollen auch dann im Oktober 2022 mittelbare, externe Vorteile mit der Veröffentlichung entstehen. Denn auf der Dader Datenbankstrukturen und des Schlussberichts tengrundlage können die erfolgreich abgeschlosMitarbeitenden künftig bessen. ser “mit einer Stimme nach außen sprechen”. Die zenBeteiligte Abteilungen tral bereitgestellten Daten und Datenbestände sind einheitlich, für sie kann inhaltliche Verantwortung Für das Projekt wurden übernommen werden. Zuzunächst einige der 40 dem können die Daten, die Verwaltungsabteilungen ja durch die Öffentlichkeit In Flensburg will man das Problem der Dezentralität der Daten mit dem Projekt BI-F2022 grund- ausgewählt, wie u. a. das bereitgestellt und bezahlt sätzlich angehen und beheben. Grafik: BS/Stadt Flensburg Bildungsmanagement, die Jugend- und Sozialhilfewerden, den Einwohnerinnen und Einwohnern oder Ge- ses Vorgehen soll sicherstellen, BI-Tool ausgewählt werden, das Planung, die Statistikstelle, die werbetreibenden anonymisiert dass der Nutzen durch das BI- die hohen Anforderungen an den Abteilung Strategische Projekte leichter bereitgestellt werden Projekt auch anhand von Zah- Datenschutz erfüllt. Außerdem & Verkehr und Umwelt sowie die (Open-Data-Ansatz). Abteilungs- len eindeutig bewertet werden kommt eine lokale Instanz des Organisationsabteilung. Alle Abübergreifend können Use Cases kann. Zudem wurden externe, Systems losgelöst auf eigenen teilungen haben interessante Daentstehen, die Daten aus bisher fachliche Partner hinzugezogen Servern der Stadt zum Einsatz. tenbestände mit oft bereits sehr verschiedenen Abteilungen nun und technische Lösungen ausge- Es wird also nicht über eine strukturierten Daten, mit denen zusammen in den Blick nehmen. wählt. Auf der wissenschaftlichen Cloud-Technologie eingesetzt, zügig Ergebnisse erzielbar sind. Seite ist dies die Hochschule der wie es meist üblich ist. Hierzu zählen als BewegungsdaInternes und externes Stadt Flensburg. Prof. Dr. rer. ten unter anderem VerkehrsdaKnow-how wurde aufgebaut ten oder Daten zu Geburten und pol. Jan Gerken, Professor am Projektfahrplan bis Ende 2022 Gestorbenen. Hinzu kommen BeMit der Fördersumme wurden Fachbereich Wirtschaft, steuert zusätzliche personelle Kapazitä- dort das Projekt. Auf der techniBisher wurden die Gesamtkon- standsdaten aus dem Meldewesen ten geschaffen, sodass den Mit- schen Umsetzungsseite hat sich zeption des Projekts zur prak- wie Anzahl der Einwohnerinnen arbeitenden nicht zusätzliche die Stadt für die Firma akquinet tischen Umsetzung entwickelt, und Einwohner nach Alter, GeArbeitslasten aufgelegt werden AG mit Firmensitz in Hamburg erste Daten geladen und Dash- schlecht und Wohnsitz. Anhand müssen. Eine neue Projekt- entschieden, die sowohl im BI- boards erstellt. Der nächste kon- solcher Daten können zum Beimitarbeiterin in der Organisa- Sektor als auch im Bereich der krete Schritt ist die Einrichtung spiel frühe Entscheidungen für tionsabteilung beschäftigt sich öffentlichen Verwaltung Kunden einer datenschutzkonformen neue Schul- oder Sozialprojekte ausschließlich mit der Bewer- und Projekte vorweisen konnte. ETL-Strecke von der Extrakti- begleitet werden. Aber auch Datung der verbesserten Organisa- Die regionale Nähe zu den Part- on, der Transformation bis zum ten aus externen Quellen fließen tionsprozesse. Sie untersucht die nern war den Entscheidern trotz Laden von Daten. Danach folgen mit ein: Die Bundesagentur für bisherigen Arbeitsschritte und des digitalen Projektcharakters 2022 als Meilensteine ein realer Arbeit liefert Sozialdaten bzgl. vergleicht diese mit den neuen wichtig. Der IT-Partner akqui- Testbetrieb des BI-Systems in Arbeitslosengeld- und Hartz-IVProzessen hinsichtlich Quantität net brachte das BI-Know-how den Abteilungen durch die Fach- Empfängern. Das Statistikamt und Qualität der Prozesse sowie mit ein. Durch einen Auswahl- kräfte selbst, die Eingliederung Nord trägt Schuldaten wie die der bereitgestellten Daten. Die- prozess konnte ein geeignetes von Geodaten sowie ein “System- Anzahl der Schülerinnen und

Nachhaltige Digitalisierung

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or allem die Anforderungen an die digitale Infrastruktur waren durch Homeoffice und -schooling, Videotelefonie, Online-Einkauf, digitale Amtswege und Streamingdienste massiv erhöht. 45 Prozent der österreichischen Haushalte sind mit gigabitfähigen Anschlüssen ausgerüstet, hier hat sich der Ausbau einer leistungsfähigen Festnetzinfrastruktur in den letzten Jahren bezahlt gemacht. Bei der Versorgung mit 5G ist Österreich mit aktuell rund 58 Prozent der Haushalte an der europäischen Spitze. Und bis 2030 wollen wir Österreich flächendeckend mit festen und mobilen Gigabit-Anschlüssen für die digitale Transformation versorgen. In den letzten Monaten haben sich besonders die bereits umgesetzten Maßnahmen zur digitalen Transformation der Verwaltung bewährt. Erste Adresse für digitale Verwaltungswege sind in Österreich oesterreich.gv.at und die App “Digitales Amt”. Mit

Smart Country Convention Die Republik Österreich ist 2021 und 2022 Partnerland der “Smart Country Convention”. Der Event findet in diesem Jahr vom 26.-27. Oktober pandemiebedingt erneut als reine Online-Veranstaltung statt. Der Behörden Spiegel ist Medienpartner und wird in der Oktober-Ausgabe einen Sonderteil “Smart Country Convention” veröffentlichen. Mehr zum Event unter: www.smartcountry.berlin

Schüler pro Schulart und Klassenzug bei. Zum eigenen Personal fließen Daten vom Statistikamt Nord ein. Aus dem Wirtschaftsressort werden schließlich teilweise Haushaltsdaten geliefert, z. B. die geplanten Investitionen der Stadt Flensburg.

Schlüssel für die Zukunft Österreichs (BS/Dr. Margarete Schramböck) Die erfolgreiche digitale Transformation Österreichs und eine moderne digitale Verwaltung sind wichtige Kernpunkte unserer Politik und mir als Digitalisierungsministerin natürlich ein besonderes Anliegen. Auch bei den Herausforderungen der Corona-Krise haben sich die belastbare digitale Infrastruktur sowie die Digitalisierung von Verwaltungsservices besonders bewährt. Der Digitalisierungsgrad Österreichs wurde mit einem Schlag auf die Probe gestellt, die Netze haben gehalten und Österreich blieb in vollem Umfang arbeitsfähig. oesterreich.gv.at hat die Republik eine umfassende OnlinePlattform, auf der Bürgerinnen und Bürger zeit- und ortsunabhängig auf ihren Desktops oder mobilen Geräten Informationen abrufen sowie Amtswege erledigen können. 2020 verzeichnete oesterreich.gv.at über 40 Mio. Besuche, über 97 Mio. Seiten wurden aufgerufen. Noch mehr mobilen Komfort bei der Nutzung des Angebots von oesterreich.gv.at bietet die kostenlose App “Digitales Amt”. Seit dem Launch im März 2019 wurde die App über 300.000-mal aus den App Stores heruntergeladen. Über diesen zentralen MobileGovernment-Zugang ist das gesamte digitale Informationsangebot des Bundes uneingeschränkt zugänglich und es sind immer mehr Amtswege durchführbar. So wird beispielsweise fast jede vierte Wohnsitzänderung bereits via App erledigt. Digitalisierung sorgt in der Verwaltung für mehr Effizienz, wenn vorhandene Daten sinnvoll verknüpft und genutzt werden. Auf dieser Basis funktionieren No-Stop-Shops, von denen in Österreich bereits zwei Dienste zur Verfügung stehen. Eine Million Österreicherinnen und Österreicher profitieren bereits von der antragslosen Arbeitnehmer/innenveranlagung, in deren Rahmen Steuerpflichtige unabhängig von einem Antrag zu viel bezahlte Lohnsteuer automatisch zurückerstattet bekommen, wenn alle erforderlichen Daten vorhanden sind. Ähnlich erhielten bereits 1,5 Mio. Österreicher antragslos

Projekt befindet sich derzeit in der Pilotphase und geht Ende 2021 in Betrieb. Dr. Margarete Schramböck ist Mehr als 5,4 Mio. österreichische Bundesministerin für Digitalisierung und Menschen nutzen Wirtschaftsstandort. FinanzOnline, inFoto: BS/BMDW ternational ausgezeichnet und nach der Geburt eines Kindes das wichtigste E-Governmentautomatisch die Familienbeihilfe. Portal der Finanzverwaltung, Diese Anwendung wurde bereits das kostenlos rund um die Uhr 2015 mit dem Österreichischen zur Verfügung steht (finanzonVerwaltungspreis und dem Eu- line.bmf.gv.at). Damit können ropean Public Sector Award aus- Steuererklärungen sowie andere gezeichnet. Knapp 2,5 Mio. Personen nutzen die Handy-Signatur, das unterstreicht die Erfolgsgeschichte dieses digitalen Ausweises. Sowohl bei Steuererklärungen, Gewerbeanmeldungen, Kindergeld-Beantragungen oder “FinanzOnline”-Abfragen bietet die Handy-Signatur bereits mehrere 100 Formulare, die digital unterschrieben werden können. Die Signatur wird jetzt zur zukunftssicheren “ID Austria” weiterentwickelt, die es Menschen ermöglicht, sich online auszuweisen und damit digitale Services zu nutzen und Geschäfte abzuschließen. Zusätzlich zur vollen Datenhoheit und Rechtssicherheit bietet die ID Austria Schutz vor Identitätsdiebstahl und sie ist auch die Basis für die digitale Ausweisplattform, die in Zukunft als Sichtausweis wie etwa Führerschein oder Zulassungsschein genutzt werden kann. Eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten, auch auf privatwirtschaftliche Angebote, ist geplant. Das

Anträge jederzeit und bequem elektronisch erledigt werden. Im Jahr 2020 haben 2.6 Mio. Personen ihre Einkommensteuerveranlagung digital eingereicht. An Verwaltungskosten konnten damit seit 2003 rund 650 Mio. Euro eingespart werden. Das Unternehmensservice-Portal USP bietet mehr als dreitausend Informationsseiten und den direkten Zugang zu 70 Services (usp.gv.at). Um den Unternehmen noch bessere Übersichtlichkeit und eine leichtere Handhabung aller Features am USP zu bieten,

Auch wenn in anderen Kommunen die jeweiligen Abteilungen anders heißen oder aufgebaut sind, sind die Datenbestände selbst wahrscheinlich sehr ähnlich, insbesondere die Datenbestände in den weiteren 14 Kreisen und kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins. Für BI-Projekte anderer Länder können die jeweiligen Landesgesetze zu leicht abweichenden Datenbeständen führen. Mit dem Projekt leistet die Stadt Flensburg eine wichtige Pionierarbeit. Die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse werden andere Kommunen direkt in entsprechende Ausschreibungen und Verträge einbinden können. Die Corona-Pandemie hat ein großes Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Digitalisierung in der Verwaltung vorangetrieben werden muss. Daraus resultierend werden hier sicherlich demnächst für solche BI-Projekte auch mehr Mittel geschaffen.

Weitere Informationen zum Projekt unter www.bmvi.de/Shared Docs/DE/Artikel/DG/mfund-pro jekte/bif2022.html *Dr. Thorben Kelling ist Leiter des Projektes BI-F2022 bei der Stadt Flensburg.

wird laufend an der Optimierung gearbeitet. Damit bietet das USP Unternehmen eine übersichtlichere Möglichkeit, sich für den persönlichen Arbeitsplatz “Mein USP” anzumelden, zusätzlich optimiert für den mobilen Einsatz. Knapp 367.000 Unternehmen nutzen das Portal heute. Die positiven Effekte der genannten Maßnahmen lassen sich vor allem an der Verbesserung Österreichs im “Digital Economy and Society Index 2020” der Europäischen Kommission ablesen. Vor allem beim digitalen Angebot der Verwaltung erreicht Österreich überdurchschnittliche Ergebnisse: So belegt Österreich beim letzten E-Government Benchmark der EU gleichauf mit Lettland den dritten Platz von 36 untersuchten Ländern und gehört mit Malta und Estland zu den Top-3-Nationen in Europa.


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