DAS
Das
ALMANACH
Magazin
2023 75 JAHRE BACH IN ANSBACH 300 JAHRE BACH IN LEIPZIG MEILENSTEINE TOCCATEN KUNST DER FUGE
INTERVIEWS
der Bachwoche Ansbach
KÜNSTLER-PORTRAITS UND
VOLLSTÄNDIGE PROGRAMM 1
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6 Aus seiner idylischen Verträumtheit entbunden
300 Jahre in Leipzig, 75 Jahre in Ansbach: Bach im Spiegel der Zukunft
Andreas Bomba
12 Zum Gebrauch des Claviers und der Orgel
Gelöste und ungelöste Rätsel um Johann
Sebastian Bachs
»Kunst der Fuge«
Peter Wollny
24 »Toccata« Das Programm der Bachwoche 2023
36 Weite Entfaltungsmöglichkeiteten, bis an die Grenzen der Kunst
Die Toccata – Eine Spezialität Johann Sebastian Bachs?
Andreas Bomba
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Ein Wahrzeichen der Stadt – und auch der Bachwoche
Die evangelischlutherische Pfarrkirche St. Johannis in Ansbach
Laura Hausleitner
42 Von A bis Z
Die Künstler der Bachwoche 2023
76 Historisch oder modern?
Zur Frühzeit der Bachwoche Ansbach
Markus Zepf
82 Davon profitiert die gesamte Gesellschaft Der Deutsche Musikrat, seine Projekte und die Vielfalt im deutschen Musikleben
Sabine Siemon
88 Mit Bach das Leben begreifen Das Projekt VISION. BACH bei der Bachwoche Ansbach
Andreas Bomba
94 Organe der Bachwoche Ansbach
97 Förderer, Sponsoren und Medienpartner
99 Impressum
INHALT
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AUS SEINER IDYLLISCHEN VERTRÄUMTHEIT ENTBUNDEN
300 JAHRE IN LEIPZIG, 75 JAHRE IN ANSBACH: BACH IM SPIEGEL DER ZUKUNFT
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Andreas Bomba
»AM VERGANGENEN SONNABEND ZU MITTAGE KAMEN 4. WAGEN MIT HAUS-RATH BELADEN VON CÖTHEN ALLHIER AN, SO DEM GEWESENEN DASIGEN FÜRSTL. CAPELL-MEISTER, ALS NACH LEIPZIG VOCIRTEN CANTORI FIGURALI, ZUGEHÖRETEN; UM 2. UHR KAM ER SELBST NEBST SEINER FAMILIE AUF 2 KUTSCHEN AN, UND BEZOG DIE IN DER THOMAS-SCHULE NEUE RENOVIRTE WOHNUNG.«
Am 22. Mai 1723 kam Bach an in Leipzig. Zwei Kutschen benötigte seine sechsköpfige Familie, weitere vier, um den „Haus-Rath“ aus Köthen in die Messestadt zu schaffen; so detailliert berichtet es jedenfalls die in Hamburg erscheinende Zeitung Hollsteinischer Unpartheyischer Correspondent. Fast ein Jahr war seit dem Tod des Thomaskantors Johann Kuhnau verstrichen; sechs Monate davon hatte der Rat der Stadt benötigt, um Kandidaten für die Nachfolge auszuwählen, zu kontaktieren und zu testen und schließlich zu verpflichten. Johann Sebastian Bach war nicht die erste Wahl, Hauptsache, er richte die Musik dergestalt ein, „daß sie nicht zulang währen [und] nicht opernhafftig herauskommen“ möge. Jedenfalls versah Bach das Amt 27 Jahre lang so gut, dass Leipzig sich bis heute mit seinem Namen als Bachstadt schmückt und jährlich Tausende von Touristen an Bachs Grabplatte in die Thomaskirche pilgern.
Staats- u. Gelehrte Zeitung Des Hollsteinischen unpartheyischen Correspondenten, Anno 1723, Num. 89, LXCCIX. Stück am Freytage dem 4. Junii
rer pilgerten (und pilgern bis heute!) in die mittelfränkische Residenz, um seine Musik, und nur seine Musik! zu hören. Ein Jahr war seit dem Ende einer ersten Bachwoche verstrichen; sechs Monate davon hatten deren Organisator und der Rat der Stadt benötigt, diese Bachwoche von Pommersfelden nach Ansbach zu verpflanzen, wo sie schließlich heimisch wurde.
Am 27. Juli 1948, 225 Jahre später also und nun vor 75 Jahren, begann in Ansbach eine Bach-Woche. Sie nannte sich ebenfalls nach Johann Sebastian Bach. Hunderte seiner Verehrerinnen und Vereh-
Soweit die Parallelen. Wir erkennen die Startpunkte und wissen, wie sich von hier aus die Dinge entwickelt haben. Beide hatten die Zukunft in Blick. Carl Weymar, der 1947 das Programm der Bachwoche in Schloss Weissenstein hatte drucken lassen, vermerkt auf der letzten Seite: „Für die Bachwoche 1948 sind u.a. Aufführungen verschiedener Chorkantaten geplant“. Allen Besuchern war klar, dass dieser Teil des Bachschen Schaffens, wie auch die Orgelmusik, in den beim Grafen Schönborn gebotenen Verhältnissen nicht zu realisieren war; den Umzug in den protestantischen Teil Frankens hatte Weymar freilich noch nicht im Sinn. Dennoch war die Bachwoche auf Fortsetzung, auf Zukunft angelegt. Zwar behielt sich der Kunstgewerbehändler Weymar bereits ab 1948 vor, jährlich eine Bachwoche zu veranstalten oder auch eine Pause einzulegen, wie erstmals 1953 – auf die entsprechende, jeweils zur Weihnachtszeit versandte Mitteilung aus der Münchner Residenzstraße warteten die Besucher des Vorjahres bereits mit Spannung.
NICHT ZU LANG, NICHT OPERNHAFFTIG
Wie aber dachte Johann Sebastian Bach über seine Zukunft, über die Zukunft überhaupt? Der Vertrag (Endgültiger Revers), den er am 3. Mai 1723 unterschrieb und der dem Leipziger Wunschkandidaten Georg Philipp Telemann in fast identischer Form vorgelegt worden wäre, legte den Thomaskantor fest: nur fünf von 14 Punkten haben mit Musik zu tun, nur vier mit der Kirche, fast alle jedoch mit Schule und jungen Menschen, die er zu informiren, also zu unterrichten hatte. „Freundlich und mit Behutsamkeit tractiren“ solle er die Knaben, und die Musik dürfe „nicht zu lang“ und „nicht opernhafftig“ herauskommen. Wer über den Lateinunterricht hinaus seine Kunst jungen Musikern (zu gerne wüssten wir, ob Bach auch seine Töchter unterrichtete!) weitergibt und dies auf den Titelblättern vieler Werksammlungen sogar als Sinn und Zweck vermerkt, wird gewiss auch an die Zukunft des Musiklebens denken, in dem Sinne, dass das Leben halt weitergeht, bis der Tod den Menschen, wie es in vielen Kantaten zum Ausdruck gebracht wird, vom irdischen Jammertal ins Paradies befördert.
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Leipzig, St. Thomas zur Bachzeit Linke Seite: Ansbach, St. Johannis zur Bachwochezeit
ZUM GEBRAUCH DES CLAVIERS UND DER ORGEL
Peter Wollny
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Evgeni Koroliov bei der Bachwoche 2015
Wohl kaum eine Komposition Johann Sebastian Bachs ist derart von einer Aura des Rätselhaften und Geheimnisvollen umgeben wie die Kunst der Fuge. Die das Werk begleitenden Legenden haben einen direkten Zugang zu dem monumentalen Fugenzyklus zwar nicht gerade verhindert, einer unvoreingenommenen Würdigung
TATSÄCHLICH STELLT SICH DIE ENTSTEHUNG DES WERKS ALS EIN LANGSAMER, BEDÄCHTIGER UND IMMER WIEDER DURCH ANDERE ARBEITEN UNTERBROCHENER PROZESS DAR, BEI DEM PLANEN, KOMPONIEREN, REVIDIEREN UND SCHLIESSLICH DIE VORBEREITUNGEN ZUR DRUCKLEGUNG ENG MITEINANDER VERFLOCHTEN WAREN.
von Bachs künstlerischer Leistung standen sie aber doch spürbar im Wege. Das Dickicht der Sekundärliteratur ist über die Generationen hinweg nahezu undurchdringlich geworden, und der Weizen der seriösen, wissenschaftlich begründeten und nachprüfbaren Erkenntnisse lässt sich auch von Fachleuten oftmals nur schwer von der Spreu wuchernder Hypothesen und abwegiger Spekulationen trennen.
Die Legendenbildung setzte schon bald nach Bachs Tod ein. Die Erben waren offenbar über die genauen Vorstellungen des Komponisten zu der für den Druck bestimmten Fassung letzter Hand nicht hinreichend informiert. Wie hätten sie es auch sein sollen? Die beiden ältesten Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel waren seit langem aus dem Haus und widmeten sich längst ihrem eigenen beruflichen Fortkommen; das gleiche galt seit kurzem auch für den 1748 nach Naumburg berufenen Schwiegersohn Johann Christoph Altnickol. Der zweitjüngste Bach-Sohn Johann Christoph Friedrich hatte seinem Vater zwar als Assistent mehrere Jahre zur Seite gestanden und auch das Autograph der Kunst der Fuge teilweise zur Korrektur durchgesehen, doch zu Weihnachten 1749 folgte er einem Ruf als Kammermusiker an den Hof des Grafen zu Schaumburg-Lippe in Bückeburg; der jüngste Sohn Johann Christian schließlich war mit seinen noch nicht einmal fünfzehn Jahren wohl noch zu jung, um das Spätwerk seines Vaters zu überblicken.
DIE HALBLEERE LETZTE SEITE
Die 1751 erschienene Erstausgabe der Kunst der Fuge birgt in der Tat zahlreiche Probleme und lässt viele Fragen offen. Zu weitreichenden Missverständnissen gab darüber hinaus die von Carl Philipp Emanuel am Ende der unvollendeten letzten Fuge angebrachte Notiz Anlass. Dort heißt es, „NB Ueber dieser Fuge, wo der Nahme B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben.“ Vielen Generationen hat sich die Vorstellung des mühsam gegen sein schwindendes Augenlicht ankomponierenden alten Mannes eingeprägt, und allzu suggestiv war die Wirkung der halbleeren letzten Seite im Autograph, das unheimliche Abbrechen des letzten Satzes, „als er sich eben anschickt, zur Tripelfuge zu werden und die drei
Themen gerade zum erstenmal zu gleicher Zeit erklingen“ (Alfred Heuß). Die Existenz dieses Notenblatts hat auch nüchterne Wissenschaftler immer wieder zu Dichtern werden lassen, ihnen poetische Schilderungen eines sterbenden Genies eingegeben, dem der Tod die Feder aus der Hand windet.
Erst die neuere Forschung hat mithilfe von Schrift- und Wasserzeichenuntersuchungen diese Vorstellungen revidieren können. Tatsächlich stellt sich die Entstehung des Werks als ein langsamer, bedächtiger und immer wieder durch andere Arbeiten unterbrochener Prozess dar, bei dem Planen, Komponieren, Revidieren und schließlich die Vorbereitungen zur Drucklegung eng miteinander verflochten waren. Acht Fugen und der „Canon alla Ottava“ wurden bereits um
Titelblatt der Kunst der Fuge, Druck von 1751
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Geburt einer Legende: Hinweis aufs Ende der Kunst der Fuge im Druck von 1751
EIN WAHRZEICHEN
DER STADT – UND AUCH
DER BACHWOCHE
DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE PFARRKIRCHE ST. JOHANNIS IN ANSBACH
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Lara Hausleitner
Alabaster-Relief mit der Marienkrönung (rechts) und die Grabplatte eines Kindergrabes (unten).
Licht flutet in der Ansbacher Johanniskirche durch die prächtigen bunten Spitzbogenfenster in den Chorraum. Die Fenster stammen aus der Zeit um 1900, doch das Gotteshaus, in dem die Bachwoche auch in diesem Jahr eröffnet wird, ist viel älter. Fast ein ganzes Jahrhundert hat es einst gedauert, St. Johannis zu errichten. Das Langhaus wurde 1410 begonnen, der Chor 1441 grundgelegt und 1458 fertig gestellt. Die ungleichen Türme – der höhere mit einer Maßwerk-Galerie – wuchsen dann zwischen 1504 und 1508 in den Himmel. Das Turmpaar der bürgerlichen Pfarrkirche bestimmt bis heute die Ansbacher Stadtsilhouette – neben den drei Türmen der ehemaligen Hofkirche St. Gumbertus.
Außen prägen massive Strebepfeiler mit Skulpturenschmuck den mächtigen Baukörper von St. Johannis, während das Innere der Kirche schlicht und klar im Stil der späten Gotik gegliedert ist. In der dreischiffigen Staffelhalle bietet sich dem Besucher ein ob der architektonischen Geschlossenheit eindrucksvolles Raumerlebnis. Die Halle überspannt ein unregelmäßiges Rippengewölbe im Mittelschiff und den Chor ein elegantes Netzgewölbe mit einem Rautenstern.
Wer ganz genau hinschaut, entdeckt in manchen Gewölbefeldern liebevoll gestaltete Schlusssteine – Wappen zum Beispiel, Handwerkerzeichen und Engel. Gleich neben dem Hauptportal im Westen blickt ein Taufengel mit einem Tauftuch in den Händen herab. Unter ihm stand im Mittelalter der Taufstein – direkt am Eingang der Kirche. Dieser Platz hat symbolische Bedeutung: Das Portal öffnet den Weg in die Kirche und die Taufe den Weg in die Gemeinschaft der Christen. Von einem Schlussstein im Gewölbe des südlichen Seitenschiffs, vorne neben dem Chor, lächelt ein Verkündigungsengel mit rotem Gewand und goldenen Flügeln den Kirchenbesuchern zu.
FRESKEN, RELIEF, EIN KINDERGRAB
Noch genauer hinsehen muss man, um ein weiteres Kleinod an einer anderen Säule in der südlichen Reihe zu erspähen: ein winziges Alabaster-Hochrelief aus der Zeit um 1500, das Marias Krönung durch zwei Engel zeigt. Der Schatz hat die Barockisierung des Gotteshauses im 18. Jahrhundert überdauert und wurde bei der umfassenden Restaurierung zwischen 1958 und 1962 wiederentdeckt. Damals erhielt die Kirche ihre ursprüngliche gotische Gestalt zurück.
Besonders schön sind die Reste spätgotischer Fresken an einigen Pfeilern: Der Evangelist Johannes hält da einen Kelch in der Hand, aus dem eine Schlange trinkt. Der Legende nach musste er einen Becher Gift leeren, starb aber nicht daran. Ein weiteres Fresko zeigt Johannes den Täufer, den Patron der Ansbacher Stadtkirche, mit einem purpurroten Umgang vor warmgelbem Grund. Ursprünglich trug er ein Lamm auf dem Arm, das nicht mehr zu erkennen ist.
Eindringlich ist das Fragment der Platte eines Kindergrabes rechts an der Wand im Chorraum: eine betende Gestalt, die Hände fest gefaltet, das Gesicht zum Himmel erhoben. Vermutlich stammt das Relief aus dem 15. Jahrhundert, doch niemand weiß, wer hier betrauert wurde. An den Tod gemahnt auch das Epitaph der Barbara von Seinsheim mit einem geflügelten Skelettschädel und einer Auferstehungsszene. In ihrem Testament von 1593 richtete die kinderlose Adelige eine Stiftung für die Armen in der Umgebung Ansbachs ein, die bis zur Geldentwertung 1923 von St. Johannis verwaltet wurde.
EINES DER FRÜHESTEN WERKE
Kunsthistorisch außerordentlich bedeutend ist der Flötner-Altar im nördlichen Seitenschiff nahe dem Chor. Geschaffen wurde er zwischen 1520 und 1525 vermutlich von dem damals sehr bekannten Künstler Peter Flötner, der sich nach einem Italienaufenthalt zunächst in Ansbach niederließ, ehe er 1522 nach Nürnberg zog. Das Retabel wurde wohl für eine Hofkirche der Ansbacher Markgrafen, die im Schloss entstehen sollte, in Auftrag gegeben. Diese Residenzkapelle wurde von Hofbaumeister Leopoldo Retti geplant, jedoch nie realisiert, sodass der Flötner-Altar schließlich auf Umwegen in die Johanniskirche gelangte. Das Retabel mit seinen Nischen und Bogenfeldern gilt als eines der frühesten Werke der Renaissance im süddeutschen Raum.
DER
RENAISSANCE
DAS
WEG IN DIE KIRCHE UND DIE TAUFE DEN WEG IN DIE GEMEINSCHAFT DER CHRISTEN.
PORTAL ÖFFNET DEN
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WEITE ENTFALTUNGSMÖGLICHKEITEN, BIS AN
DIE GRENZEN DER KUNST
DIE TOCCATA – EINE SPEZIALITÄT JOHANN SEBASTIAN BACHS?
ANDREAS BOMBA
Sie ist eines der berühmtesten Stücke der Musikgeschichte. Sie steht emblematisch für Orgelmusik. Schon der erste Ton, der eigenwillige Praller auf dem hohen a, löst Beifall aus. Ah! Bach! Die Töne fallen herab und fangen sich wieder, stufenweise. Ein spannungsreicher Akkord aus kleinen Terzen türmt sich auf, klärt sich in mächtiges d-Moll. Virtuoses Geläuf folgt, erst mit der rechten, dann mit beiden Händen abwechselnd. Es geht auf und ab, hin und her. Die Rede ist von der Toccata, von DER Toccata schlechthin, d-Moll, Werkeverzeichnis 565, von Johann Sebastian Bach.
Das heißt: so genau weiß man das nicht, die Musikwissenschaft gießt gerne, wenn die Autorschaft eines Stückes sich nicht handschriftlich bestätigen lässt, Wasser in den Wein. Wer aber, empören sich die Orgelfreunde, hätte dieses geniale Werk sonst komponieren können, wenn nicht Johann Sebastian Bach? Und: müssten nicht hinter vielen anderen Werken Bachs, vor allem denen für Orgel, Fragezeichen gesetzt werden?
Von Bach gibt es nicht nur diese eine, sondern eine ganze Toccata benannte Werkgruppe. Für Orgel und fürs Cembalo. Was genau aber verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?
TOCCARE HEISST „BERÜHREN“
Das Wort stammt aus der italienischen Musiksprache. „Toccare“ heißt „berühren“, oder „schlagen“, Toccata heißen also berührte oder geschlagene Dinge. Noch 1721 weiß der Hamburger Musikgelehrte Johann Mattheson, „Toc-
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Girolamo Frescobaldi, zweites Buch der Toccaten und Kanzonen, Rom 1637
Partita BWV 830, Frühform im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach, 1725. Toccata heißt hier Preludio
care Tamburro, toccar Tromba: die Trommel schlagen, die Trompete blasen, das Spiel rühren“. Die Fanfare, mit der schon im Jahre 1607 die Oper Orfeo beginnt, heißt bei Claudio Monteverdi Toccata
Ihre Heimat aber hatte die Gattung eher bei den Lautenisten. Von hier aus gelangte sie zu den Tasteninstrumenten. Grundsätzlich handelte es sich um Musik für Einzelspieler, also Solisten, und um Musik mit hohem Anteil an Improvisation. Michael Praetorius (1571-1621) beschreibt Toccata „als ein Praeambulum, oder Praeludium, welches ein Organist, wenn er ernstlich uff die Orgel oder Clavicymbalum greifft, ehe er ein Mutet oder Fugen anfehet, aus seinem Kopff vorher fantasirt, mit schlechten entzelen griffen und Coloraturen etc.“ Damit ist der musikalische Enzyklopädist schon fast bei der d-Moll-Toccata, denn auch hier scheint Bach erst zu fantasieren, bevor er sich kontrapunktischen Elementen oder gar einer strengen Fuge zuwendet.
DER NOTENDRUCK UND SEINE FOLGEN
Um die Zeitenwende vom 15. zum 16. Jahrhundert begann man in Venedig, Noten zu drucken. Der Druck bändigte die freien Fantasien in schriftlicher, reproduzierbarer Form. So entstand aus der Improvisation eine musikalische Gattung. Was Annibale Padovano (1527-1575), Andrea Gabrieli (1533-1585) oder Claudio Merulo (1533-1604) als Toccata etablierten, konnte nun jeder Organist
fortführen und weiterentwickeln. Besonderen Reiz übte dabei der Kontrast von freien und gebundenen Formen aus, Phantasie und Virtuosität hier, regulärer Kontrapunkt dort. Auch ließen sich die Grenzen von Rhythmus und Harmonie bestens ausdehnen, wenn nicht gar überschreiten. Nach 1600 entwickelte der römische Organist Girolamo Frescobaldi (1583-1643) diese Form weiter; süddeutsche Musiker, die über die Alpen wanderten, um in Italien zu studieren, namentlich der in München tätige Johann Caspar Kerll (1627-1693) oder der Wiener Hoforganist Johann Jakob Froberger (1616-1667) brachten diese Musik mit und verbreiteten sie.
»…EIN PRAEAMBULUM, ODER PRAELUDIUM, WELCHES EIN ORGANIST, WENN ER ERNSTLICH UFF DIE ORGEL ODER CLAVICYMBALUM GREIFFT, EHE ER EIN MUTET ODER FUGEN ANFEHET, AUS SEINEM KOPFF VORHER FANTASIRT…«
Neben der Toccata konnten Musiker sich in Formen wie Ricercare, Canzona, Capriccio, in Tänzen aller Art oder verschiedenen Variationsarten bewähren. Das Repertoire gewann im deutschsprachigen Raum durch die in der protestantischen Kirchenmusik allgegenwärtigen Choralmelodien hinzu. Es bot sich also eine reichhaltige Palette an Möglichkeiten, als Johann Sebastian Bach, der die alte Kunst sehr wohl kannte, um 1700 begann, Orgelmusik zu komponieren – oder soll man sagen: zu improvisieren, fantasieren? Und eben nicht aufzuschreiben? Zusätzlich hatte der junge Organist sich in Lübeck, bei Dietrich Buxtehude (1637-1707), über eine besondere, norddeutsche Spielart der Orgeltoccata informiert, das Fantasieren über einen Orgelpunkt, einen mit dem Pedal gehaltenen Ton also, der eine gewisse Basisharmonie vorgab. Oft mündete der Halteton dann in ein virtuoses Pedalsolo.
Michael Praetorius, Syntagma musicum 1619
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HISTORISCH ODER MODERN?
FRÜHZEIT DER BACHWOCHE ANSBACH
ZUR
76
Markus Zepf
Stöbert man in den ersten Programmheften der Ansbacher Bachwoche, stößt man auf bekannte Namen des Klassikbetriebs, die in einem munteren Nebeneinander mit historischen und modernen Musikinstrumenten auftraten. Auf den ersten Blick mag dies erstaunen, da viele die „Historisch informierte Aufführungspraxis“ (dank geschickter Öffentlichkeitsarbeit der Musikindustrie) mit Nikolaus Harnoncourt und seinem Concentus Musicus verbinden. Für die erste Bachwoche Ende Juli 1947 auf Schloss Pommersfelden ist aber ein anonymes Dokument erhalten, das leidenschaftlich sowohl die Einbindung von „Barockspezialisten“ als auch historische Musikinstrumente fordert.
WIE ALT DARF ALTE MUSIK KLINGEN?
Die Wiederbelebung Alter Musik auf historischen Musikinstrumenten oder deren Nachbauten versteht mancher als akademische Suche nach vergangenem Klang. Die Frage nach der Besetzung von Johann Sebastian Bachs Musik zum Beispiel ist so alt wie die Werke selbst, da er bei Wiederaufführungen seiner Kantaten und Ensemblemusiken in Leipzig diese den neuen Gegebenheiten anpasste. Im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert stellten der rasche Wandel im Instrumentarium und die damit veränderte Spielweise Musiker vor neue Herausforderungen. Als Kapellmeister am Leipziger Gewandhaus plante Felix Mendelssohn Bartholdy am 15. Februar 1838 ein „Historisches Konzert“ unter anderem mit Bachs Ouvertüre D-Dur BWV 1068 (mit der berühmten Air als zweitem Satz). Die Trompeter des Gewandhausorchesters klagten jedoch über die Unspielbarkeit von Bachs Stimmen, weshalb der Kapellmeister sie mit Klarinetten besetzte. Dieses nach 1700 von Johann Christoph Denner und seinem Sohn Jacob in Nürnberg entwickelte Holzblasinstrument hat seinen Namen zwar von der hohen, Clarin genannten Trompetenlage, wurde von Bach aber nicht verwendet. Dennoch war sein Einsatz anstelle der barocken Langtrompeten für Mendelssohn Bartholdy naheliegend.
Klangbild, sind heute aber unerwünscht. Um der Klangästhetik der modernen Ventiltrompete möglichst nahezukommen, versah um 1960 der Blasinstrumentenmacher Otto Steinkopf (Fagottist des 1954 gegründeten Spezialklang-Ensembles Capella Coloniensis beim WDR Köln) die Röhre nachgebauter Langtrompeten mit zwei Grifflöchern zur Intonationskorrektur und einem weiteren „Transpositionsloch“. Mit „historisch informierter“ Treue hat dies nichts zu tun, dennoch sind diese Instrumente in der historischen Aufführungspraxis fest verankert.
WISSENSCHAFTLICHE NOTENAUSGABEN
GEWISSE UNREINHEITEN
GEHÖREN ZUM HISTORISCHEN KLANGBILD, SIND HEUTE ABER UNERWÜNSCHT.
Dass wir aus dem Notentext recht präzise Vorstellungen vom Klangwillen eines Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel gewinnen können, ist das Ergebnis musikwissenschaftlicher Arbeit. Als zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Musik Bachs und Händels verstärkt in den Fokus rückte, entwickelte die junge akademische Musikwissenschaft an Bachs Werk ihre philologischen und stilkritischen Methoden. Zu Bachs 100. Todestag entstand 1850 in Leipzig die Bach-Gesellschaft, die bis 1899 das erhaltene Werk in 46 Bänden mit wissenschaftlichem Anspruch edierte – Irrtümer in Zuschreibung, Datierung und Bewertung inbegriffen. Im Musikleben war hingegen nur ein geringer Teil, und dieser meist nur in Ausschnitten, präsent.
Und heute? Die Verwendung historischer Musikinstrumente in der „Historisch informierten Aufführungspraxis“ ist längst selbstverständlich, aber nicht frei von Widersprüchen. Die heutigen Ventiltrompeten und -hörner erlauben das chromatische Spiel mit gleicher Tonqualität. Die historischen Langtrompeten der Bach-Zeit haben einen begrenzten Tonvorrat, nämlich die Naturtonreihe, deren Töne unterschiedliche Qualität haben. Der 11. Naturton klingt zu hoch, der 13. zu tief, sodass dies die Spieler mittels Lippenspannung korrigieren müssen. Gewisse Unreinheiten gehören zum historischen
Auf mehr Interesse stießen die ab 1893 unter den etwas sperrigen Titeln Denkmäler Deutscher Tonkunst, Denkmäler der Tonkunst in Österreich oder Denkmäler der Musik in Bayern wissenschaftlich edierten Werke unterschiedlicher Besetzung vom 16. bis späten 18. Jahrhundert. Obwohl einige Bände mit alten Schlüsseln (etwa Samuel Scheidts Tabulatura Nova für Orgel 1893) oder unter Beachtung der historischen Mensur anstelle eines modernen Taktschemas erschienen (so Philipp Spittas Ausgabe von Heinrich Schütz’ Werken), fanden einzelne der darin enthaltenen Werke rasch Eingang in die Musikpraxis – sei es in Form der Bearbeitungen für die moderne Orgel durch den Leipziger Thomasorganisten Karl Straube oder für moderne Orchester durch den ausgebildeten Geiger und Musikwissenschaftler Arnold Schering. Dem Zeitgeist des Fin de Siècle entsprach, dass Sammlungen historischer Musikinstrumente entstanden, deren Objekte als Kuriosa in „Historischen Konzerten“ erklangen. Schon nach dem zweiten Leipziger Bachfest 1904 fanden Diskussionen darüber statt, ob Bachs Werke besser mit historischen oder modernen Musikinstrumenten aufgeführt würden.
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Gustav Scheck, Atis Teichmanis, Carl Seemann (hintere Reihe), Harald Genzmer und Willibald Gurlitt vor dem Eingang der Musikhochschule Freiburg im Wentzingerhaus. Fotografie um 1950 (Sammlung Markus Zepf)
DAVON PROFITIERT DIE GESAMTE GESELLSCHAFT
DER DEUTSCHE MUSIKRAT, SEINE PROJEKTE UND DIE VIELFALT IM DEUTSCHEN MUSIKLEBEN
ZUM KONZERT DES BUNDESJUGENDCHORES BEI DER BACHWOCHE ANSBACH
Längst ist erwiesen, dass sich musikalische Bildung positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirkt. Musikmachen fördert Kreativität, Gestaltungs- und Ausdrucksvermögen, Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Geschicklichkeit. Gemeinsames Musizieren stärkt die soziale Kompetenz junger Menschen. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.
Als erste Maßnahme führte der Deutsche Musikrat vor sechzig Jahren den Wettbewerb Jugend musiziert ein. Er sollte zum einen individuelle Talente entdecken und fördern, aber auch im Hinblick auf die deutschen Kulturorchester dringende Nachwuchsprobleme beheben helfen. Danach folgten die Gemeinschaftsprojekte. Mit seinen drei Ensembles für Jugendliche und junge Erwachsene trägt der Deutsche Musikrat maßgeblich zur Förderung des musikalischen Spitzennachwuchses in Deutschland bei. Der Bundesjugendchor wurde 2021 nach dem Bundesjugendorchester und dem Bundesjazzorchester als drittes Ensemble gegründet.
ARBEIT AM KLANG: DER BUNDESJUGENDCHOR
Herausragende Nachwuchssängerinnen und -sänger werden hier gefördert, um ihnen den Einstieg bei Profichören zu erleichtern. Der Bundesjugendchor soll darüber hinaus auch ein Forum für alle diejenigen sein, deren Herz für das Chorsingen schlägt, die in dieser Gemeinschaft auf hohem Niveau Musik machen und erleben sowie aus der Netzwerkarbeit des Ensembles Nutzen ziehen möchten.
Die rund 50 jungen Sängerinnen und Sänger im Alter von 18 bis 26 Jahren kommen mehrmals im Jahr zu Arbeitsphasen mit Proben und Konzerten zusammen. Ungefähr die Hälfte sind Gesangsstudierende, die andere Hälfte kommt aus den Bereichen Schulmusik, Kirchenmusik, Instrumentalmusik sowie aus ganz anderen Fachgebieten. Für die kontinuierliche gesangspädagogische Arbeit an einem homogenen, charakteristischen Klang des Spitzenensembles
Sabine Siemon
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ist Prof. Anne Kohler als Künstlerische Leiterin verantwortlich. Für die jungen Sängerinnen und Sänger ist die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Dirigentinnen und Dirigenten ein weiterer wesentlicher Baustein ihrer Förderung. Dadurch lernen sie unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten, Arbeitsweisen, Dirigate und ästhetische Klangvorstellungen kennen.
Das Repertoire des Bundesjugendchores reicht von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Musik. Dabei werden auch aktuelle Themen aufgegriffen, die die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen betreffen. Für das Gründungskonzert in der Berliner Philharmonie 2021 hatte der Chor eine Komposition bei Kathrin Denner, einer Schülerin von Wolfgang Rihm, in Auftrag gegeben. Das Stück, das während der Pandemie entstand, beschäftigt sich mit beklemmenden Zuständen, die während der gesellschaftlichen Ausnahmesituation erlebt wurden. 2022 stand als Auftragswerk die „Ode an das Sägemehl“ von Jan Kopp auf dem Programm. In dieser Komposition setzt sich Jan Kopp mit einem Gedicht des russischen Lyrikers Alexej Porvin auseinander, der in seinem gleichnamigen Werk den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine thematisiert. Im Konzert bei der Bachwoche Ansbach wird ein Stück der englischen Komponistin Roxanna Panufnik uraufgeführt.
GRENZÜBERSCHREITEND, VÖLKERVERBINDEND
Interkultureller Austausch durch Chormusik und die direkte Begegnung junger Sängerinnen und Sänger unterschiedlicher Regionen und Chorkulturen ist ein weiterer Aspekt des pädagogischen Konzepts des Bundesjugendchores. Im August 2022 trafen sich der Bundesjugendchor und der Polnische Nationale Jugendchor zu einer gemeinsamen Arbeitsphase, die mit Konzerten in Deutschland und Polen schloss. Durch die gemeinsame Arbeit entstand einerseits eine grenzüberschreitende und nachbarschaftlich-völkerverbindende Ebene, andererseits wurde ein Schlaglicht auf ein Thema geworfen, das insbesondere für die junge Generation steht wie kein anderes: Umwelt und Klima. Im Rahmen der Konzerte wurde die Auftragskomposition „Spirit of Nature“ (Das Wesen der Natur) von Zuzanna Koziej uraufgeführt.
ENSEMBLES
Die Kooperationen werden zunehmende auch auf Profichöre und Orchester ausgedehnt. Im März 2023 gab es ein gemeinsames Konzertprojekt mit dem SWR Vokalensemble unter dem Titel „Hochzeit“; ferner wirkte der Bundesjugendchor im Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin unter der Leitung seines Chefdirigenten Robin Ticciati in der Berliner Philharmonie im Rahmen des Festivals „Music & Healing“ mit.
1) Schuhmann, Günther: Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Kallmünz: Lassleben, 1961, S. 101 f.
2) a.a.O., S. 137
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MIT BACH DAS LEBEN BEGREIFEN
PROJEKT VISION.BACH BEI DER BACHWOCHE ANSBACH´
DAS
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Andreas Bomba
SEINEN ZWEITEN JAHRGANG AB MITTE 1724 LEGTE BACH BEWUSST ZYKLISCH AN, AUF DER BASIS VON CHORÄLEN
AUS DEM GESANGBUCH. HINTER DIESEM KÜHNEN UNTERFANGEN
GILT DER JAHRGANG DAVOR, ALSO AB MITTE 1723, ALS EINE ART
EXPERIMENTIERFELD, WO BACH MIT DER MATERIE ERSTMAL KLARKOMMEN MUSSTE. GENAU DAS ABER
Kaum war Johann Sebastian Bach in der Pfingstzeit 1723 in Leipzig angekommen, begann er, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, mit der Komposition von Kantaten. Selbst bezeichnete er seine Musik als Kirchenstücke oder HauptMusic; der Begriff Kantate für diese Form von Kirchenmusik kam erst nach seinem Tod auf; an sich meint der italienische Begriff Cantata ein Singstück für eine Stimme, meist Sopran, die im Wechsel von Rezitativen und Arien einen poetisch formulierten Sachverhalt vorträgt. Die Cantata „Non sa che sia dolore“ ist hierfür ein Beispiel; Bach vertonte diesen, Anleihen beim berühmten Librettisten Pietro Metastasio nehmenden Text Leipziger Studenten vermutlich für einen Kommilitonen, der 1747 nach seinem Examen tränenreich Abschied nahm, um in seine Heimatstadt Ansbach (!) zurückzukehren.
INTERESSIERT UNS: WIE LOTET BACH
DIE GRENZEN AUS, WIE ENTWICKELT
ER SEINEN BAUKASTEN BILDLICHER
DARSTELLUNGEN, WIE ENTWICKELT
ER FRISCH UND NOCH RELATIV FREI SEINE MUSIKALISCHEN PHANTASIEN?
des weltlichen Vergnügens und damit als Gefahrenquelle für den in der Stadt herrschenden orthodoxen Protestantismus. Komponisten wie Georg Philipp Telemann und Christoph Graupner (die sich der Rat der Stadt noch vor Bach ins vakante Thomaskantorat gewünscht hatte!), Melchior Hoffmann (um 1679-1715) und Johann David Heinichen (1683-1729) bändigten zwar die Leidenschaften in musikalisch unver-
NICHT ZU LANG –UND NICHT „OPERNHAFFTIG“
Bachs Pflichtenheft in Leipzig sieht die Komposition eigener Kirchenmusik nicht ausdrücklich vor. „In gutes Aufnehmen bringen“ sollte er sie, und sie „Zu Beybehaltung guter Ordnung … dergestalt einrichten, daß sie nicht zulang währen, auch also beschaffen seyn möge, damit sie nicht opernhafftig herauskommen, sondern die Zuhörer vielmehr zur Andacht aufmuntere.“ Die Komposition neuer Stücke war zwar für das Kantorat in Leipzig üblich, wurde aber nicht ausdrücklich verlangt. Sie beruht also auf Bachs ureigenstem Willen; die Musik scheint schier aus ihm herausgebrochen zu sein, indem er nicht etwa auf den Beginn des nächsten Kirchenjahres am 1. Advent wartete, sondern sofort, zwei Wochen nach dem Pfingstfest, mit dem ersten Sonntag nach Trinitatis loslegte. Und weil Bach systematisch dachte, strebte er offenbar Jahreszyklen an; auch der zweite Jahrgang würde 1724 an diesem Sonntag beginnen.
„Nicht opernhafftig“ – was wohl meinte der Rat der Stadt damit? Drei Jahre vor Bachs Ankunft hatte das Opernhaus am Brühl, eines der ersten in Europa überhaupt und eine Attraktion zu Messezeiten, nach einem Vierteljahrhundert seine Pforten geschlossen. Die Oper, die Bühne überhaupt, galt als Ort der Verführung, der Sinnlichkeit,
Hans-Christoph Rademann
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Johannespassion, mit der Gaechinger Cantorey bei der Bachwoche 2019.
BACHWOCHE ANSBACH 2025
Freitag, 1. August, bis Sonntag, 10. August
IMPRESSUM
Herausgeber:
Bachwoche Ansbach GmbH
Postfach 12 24, 91503 Ansbach
Telefon: +49 (0) 981 15-037
info@bachwoche.de www.bachwoche.de
Redaktion:
Dr. Andreas Bomba
Christian Mall
Gestaltung:
Böker & Mundry Werbeagentur GmbH, Ansbach
Fotos:
Peter Adamik: S. 82/83
Archiv-Bachwoche: S. 6, 11, 23, 39, 80
Hans von Draminski: S. 92 o.
Deutscher Musikrat/Christian Borchers: S. 85 u.
Julia Knop: S. 92 u.
Christian Liepe: S. 86
Rainer Lippert, Creative Commons, S. 9 o.
Christian Mall: S. 28, 84 u.
Regierung von Mittelfranken: S. 9 u.
Monika Rittershaus: S. 84 o.
Britt Schilling: S. 81 mi.
Holger Schneider: S. 18, Titel
Martin Stumpf: S. 33-35
Michael Vogel: S. 4/5, 42/43
Elke Walter: S. 21 u.
Künstlerfotos: Agenturen
Alle anderen: Jim Albright
Alle Rechte: Bachwoche Ansbach GmbH
Printed in Germany, Imprimé en Allemagne
Programm und Kartenbestellungen ab Mitte November 2024
Für die namentlich gezeichneten Beiträge sind die Autoren verantwortlich.
Stand: Juni 2023
Änderungen vorbehalten!
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ISBN: 978-3-9817481-3-0
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