MAI 2016 | TREFFPUNKT GRENCHEN | 17
MIT SPARGELTARZAN IM KRAFTRAUM Kurt Schenk (79) und Andreas Schenk (18) gehören in ihren Kategorien zu den besten Gewichthebern der Schweiz. Gewichtheber brauchen starke Arme. Auch auf andere Muskeln und die richtige Technik kommt es an. Unser Reporter bringt nichts davon mit ins Training. Kann das gut gehen?
Text und Foto: Andreas Krebs
Kurt Schenk gehört zu den Grossen der kleinen Gewichtheber-Szene in der Schweiz. Zu seinen besten Zeiten hat er mit 200 Kilogramm auf den Schultern Kniebeugen gemacht und 38 Tonnen pro Tag gestemmt, und das dreimal in der Woche (heute, mit bald 80, sind es immer noch dreimal 3 bis 4 Tonnen!). Neunmal in Folge wurde er Senioren-Schweizer-Meister, zuletzt mit 48. Drei Jahre darauf, 1988, folgte der Titel an der Senioren-EM in Salzburg. Dann begann er seine Karriere als Trainer. Bis heute hat Kurt Schenk 17 Junioren-Schweizer-Meister hervorgebracht; darunter Sohn Harald und Enkel Andreas. Andi, erzählt Kurt Schenk vor dem Training bei einer Ovomaltine, sei technisch in der Schweiz der Beste. Er sei «uverschämt» schnell und ein zäher Kerl. «Andi kann noch 20-mal Schweizer Meister werden», sagt er, «aber im internationalen Vergleich ist er nirgends.» Das habe vor allem damit zu tun, dass Gewichtheben in der Schweiz relativ sauber sei. Es gibt hierzulande ja auch keinen Blumentopf zu gewinnen, höchstens mal eine Medaille und ein T-Shirt. Wissenschaft Krafttraining Andreas Schenk kommt. Ein Schlacks, dem man eher Tischtennis als Gewichtheben zutrauen würde. Wir gehen in den Trainingsraum. Kein schickes Fitness-Studio, sondern ein Zivilschutzraum des Schulschwimmbades. Ein Ort mit herbem Charme, der für ehrliche Kraftarbeit steht. Der die alte Zeit atmet und ausdünstet. Mit vergilbten Postern und Zeitungsausschnitten an den Wänden. Wir ziehen uns um, wärmen uns auf. Andi reisst die leichte Trainingshantel ein paar Mal in die Höhe, «uverschämt» schnell, bevor er sich an die schwereren Kaliber macht. Schon als Zweijähriger habe er seinen Vater in den Trainingsraum begleitet und hier mit dem Besenstiel herumgefuchtelt, erzählt er in einer Pause, während der er unablässig durch den Raum tigert. Mit elf habe er mit dem eigentlichen Training begonnen. «Jemand muss die Familientradition ja weiterführen.» Technisch könne er Andi nichts mehr beibringen, sagt sein Grossvater Kurt Schenk. Der will es noch einmal wissen und 2017 an der Senioren-Olympiade teilnehmen, zum ersten Mal in der Kategorie der Ältesten, der 80- bis 85-Jährigen. Sein Ziel: eine Medaille. Nun gibt er seinem Enkel vor, welche Gewichte er stemmen und reissen soll. «Damit Andi sich nicht überlastet», sagt er, «dass er aber auch nicht mit zu wenig Gewicht
trainiert.» Krafttraining sei eine kleine Wissenschaft, so Schenk, deshalb lasse er Andi nie allein trainieren. Üben mit der Kinderhantel Schwungvoll reisst Andreas Schenk 50 Kilogramm über den Kopf. Seine Bestmarken sind 62 (Reissen) und 77 Kilogramm (Stossen). Und das bei 57 Kilogramm Körpergewicht. «Ich habe eine enorme Zugkraft», sagt Andi, «aber obenaus fehlt die Kraft noch etwas.» Sein Ziel für dieses Jahr: 70 Kilogramm reissen und 86 Kilogramm stossen. Während Andi mit Gewichten trainiert, versuche ich mich an der Technik. «Wer eine saubere Technik beherrscht und das Prinzip von Belastung und Belastbarkeit befolgt, kann verletzungsfrei viele Jahre Spass und Herausforderung an der Hantel finden», sagt Kurt Schenk. Er ist das lebende Beispiel dafür. Und so reisse ich eine Stange von 6 Kilogramm in die Höhe. Damit werde nichts geschädigt, sondern die Haltung gestärkt, versichert mir der Trainer. Wieder und wieder gehe ich in die Hocke, greife die Stange, konzentriere mich, atme tief ein und aus und bringe die Hantel dann
schwungvoll in die Höhe. «Gut», meint Kurt Schenk, der wohl kaum je einen so untrainierten Menschen an der Hantel gesehen hat. «Noch einmal.» Das Gewicht der Hantel ist nicht der Rede wert. Aber meines. Rasch bin ich ausser Atem vom ständigen In-die-Hocke-Gehen und wieder Aufstehen. Bald brennen die Oberschenkel. «Gut», sagt Kurt Schenk, «noch einmal.» Ich kann nicht mehr. «Muss Fotos machen», japse ich und zolle der leeren Stange demütig Respekt. Zum Schluss fordert mich Andi auf, seine Hantel in die Höhe zu stemmen. 60 Kilogramm. Müsste machbar sein. Immerhin wiege ich fast 40 Kilogramm mehr als der Jüngling und zwischen Masse und Kraft gibt es eine eindeutige Korrelation. Deshalb kämpfen die Gewichtheber ja auch in Gewichtsklassen. Also ran an die Hantel. Kniebeuge. Fester Griff. Rücken gerade. Tief atmen und Druck aufbauen. Kraft sammeln. Und hoch das Ding! Ich bringe die Hantel auf Hüfthöhe. Verschnaufe. Will umsetzen und die Hantel weiter in die Höhe stemmen. Keine Chance. Scheppernd fällt die Hantel zu Boden. Spargeltarzan lächelt.
Andreas Schenk reisst 62 und stösst 77 Kilogramm – bei 57 Kilogramm Eigengewicht.
TRAINING IN GRENCHEN Interessierte sind herzlich eingeladen, beim Gewichtheber-Club Grenchen Trainingsluft zu schnuppern: Mo und Mi von ca. 18 bis 19 Uhr, Sa ca. 17 bis 18 Uhr Bitte sich anmelden bei Kurt Schenk: 032 652 02 39