175 Jahre Jubiläum AZ Medien

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175 JAHRE

Mittwoch, 9. November 2011 | az

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AZ MEDIEN

ZEHNDER WANNER PRESSE

«Für mich ist die Situation derzeit komfortabel» Familieninterview Die angehende Journalistin Anna Wanner interviewt ihren Bruder und Verlagsmanager Michael

Der Wahl-Hamburger Michael Wanner beim Gespräch mit seiner Schwester Anna in Baden. VON ANNA WANNER

Die Nase ist von der Mutter, die Attitüde vom Vater . . . Michael Wanner: Halt! Das Gespräch geht in eine völlig falsche Richtung! Aber gewisse Parallelen zu Peter sind nicht vom Tisch zu weisen. Zum Beispiel? Ihr beide esst keine Butter und keine Pilze. Dann wäre da der Sport mit Langlauf und Bergsteigen . . . . . . das stimmt. Er hat schon einige 4000er erklommen. Das hat er mir voraus. Ausserdem hält er die Familienbestzeit am Engadiner – wobei zu jener Zeit die Strecke kürzer war. Apropos: Wann schlägt dich dein Bruder Florian am Engadiner? Der hat als Student jedenfalls mehr Zeit zum Trainieren. Bisher wusste ich das aber dank Rennroutine zu verhindern. Welche Medien konsumierst du? Zum Frühstück blättere ich auf dem iPad durch die az Aargauer Zeitung oder die bz Basellandschaftliche Zeitung – das hängt davon ab, wo du gerade deine Stage absolvierst. Keine deutschen Medien? Doch, klar: Im Büro habe ich die «Financial Times Deutschland». Am Wochenende lese ich meistens die «Süddeutsche» und «Die Zeit». Und den «Sonntag»? Den lese ich mit allergrösstem Vergnügen. Der ist gut gemacht – mit Geschichten, die überraschen. Gibt es auch Artikel, über die du

dich aufregst? Ja, unser Regionalteil muss investigativer und relevanter werden. Mich interessiert nicht, wie oft Rösli Meier ihre Blumen giesst. Andererseits haben wir auch in der Tageszeitung spannende Geschichten und gute Federn. Schaust du auch fern? Ja, aber an deine Rekordwerte aus der Schulzeit komme ich nicht heran. Apropos: Schaust du eigentlich immer noch «Super Nanny»? Ich habe keinen Fernseher. Das darfst du Peter nicht sagen. Informierst du dich übers Internet? Durchaus, für den schnellen NewsKonsum. Aber wenn ich Zugang zu einer Zeitung aus Papier habe, lese ich sie lieber so. Immer mehr Leser informieren sich über elektronische Geräte wie iPhone oder iPad. Verschwindet die gedruckte Zeitung? Amazon bringt ein Billig-Tablet auf den Markt, das wird die Marktdurchdringung solcher Geräte erhöhen. Für die Verlage eröffnet sich damit ein neuer Vertriebskanal – und die Chance, für Inhalte wieder Geld zu verlangen. Ich bezweifle aber, dass die gedruckte Zeitung so schnell verschwinden wird. Der technische Fortschritt ändert die Arbeit auf den Redaktionen. Welche Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren? Die Frage nach refinanzierbaren Geschäftsmodellen in der digitalen Welt wird weiterhin im Vordergrund stehen. Für die AZ Medien ist es nach dem Kauf von Tele Züri zudem die Integration und Entwicklung der E-Me-

CHRIS ISELI

dien, die uns beschäftigen wird. Hier wollen wir ein neues Standbein aufbauen.

Wie überwinden wir die Gratiskultur in den Medien? Die Vorstellung der Leute, dass Inhalte umsonst zugänglich sind? General News sind in der Tat überall gratis zugänglich, die haben seit Internet und Gratiszeitungen keinen Wert mehr im eigentlichen Sinne. Zeitungen müssen deshalb ihre Rolle überdenken. Hintergrund-Recherchen und Analysen, die Orientierung bieten und das Geschehen einordnen, sind zunehmend gefragt. Zeitungen müssen ihren Lesern gegenüber den Gratis-Angeboten einen Mehrwert bieten, für welchen diese bereit sind zu zahlen. Und zwar unabhängig davon, ob sie das Angebot auf Papier oder einem Tablet

Anna Wanner (26) hat an der Universität Zürich Geschichte und Politologie studiert, derzeit absolviert sie eine zweijährige Journalistenausbildung bei der az und am Medienausbildungszentrum in Luzern. Ihr Bruder Michael Wanner (28) hat in St. Gallen Wirtschaft studiert, bei Gruner + Jahr in Hamburg eine Verlagsausbildung abgeschlossen und ist nun Assistent von Gruner+Jahr-CEO Bernd Buchholz. (AZ)

«Wir brauchen mehr Frauen in der Geschäftsleitung.» Michael Wanner, Verwaltungsrat konsumieren. Für die az liegt dieser Mehrwert sicher auch in der regionalen Kompetenz. Themenwechsel: Wir haben viel über den früh angekündigten «designierten Nachfolger» gelacht . . . . . . ja, der «designierte Nachfolger» wurde mir vor ein paar Jahren von einem az-Journalisten angehängt, und seither ist er kleben geblieben. Die Frage, auf die alle brennen: Wie konkret sind die Pläne des «designierten Nachfolgers»?

SCHWESTER INTERVIEWT BRUDER

Du erlebst das ja mit. Wir haben innerhalb der Familie einen sehr offenen Dialog. Für mich ist die Situation derzeit komfortabel: Ich kann über den Verwaltungsrat ins Unternehmen einblicken und bei strategischen Fragen mitentscheiden. Gleichzeitig kann ich bei Gruner + Jahr in Deutschland meine eigenen Erfahrungen sammeln. Spürst du denn keinen Druck? Alle erwarten, dass du früher oder später die Nachfolge antrittst. Klar gibt es da eine Erwartungshaltung. Aber ich empfinde das nicht negativ. Es ist ja eigentlich schön, dass andere einem so etwas zutrauen. Aber wer weiss, vielleicht machst es ja auch du? Ginge es nach Peter, wärst du jetzt Fussballer und ich Architektin. Hast du jemals einen anderen Weg einschlagen wollen? Ich hatte eine sehr generalistische Ausbildung und wollte möglichst breite Erfahrungen sammeln, aber das Mediengeschäft hat mich immer gereizt. Die Frage war für mich eher,

ob ich als Journalist schreiben will oder Management-Erfahrungen sammeln möchte. Und diese Frage beschäftigt mich auch jetzt noch. Nach dem Studium hast du für die Wirtschaftsredaktion der az und für das «Hamburger Abendblatt» geschrieben. Während deines Trainees bei Gruner + Jahr warst du für kurze Zeit beim «Stern». Steht dir eine Journalisten-Karriere bevor? Wer weiss! Mir gefiel das handwerkliche Arbeiten an der Sprache, komplizierte Sachverhalte aufs essenzielle runterzubrechen und einfach darzustellen. Wollen wir die Rolle tauschen? Ja! Nein, ernsthaft: Wir brauchen Frauen in der Geschäftsleitung und wenigstens eine Frau im Verwaltungsrat. Da bist du in den Startlöchern, oder? Danke. Ich bin sehr glücklich mit meiner Aufgabe. Ein letzter Versuch, ohne auszuweichen: Wann kommst du in die Schweiz zurück? Die Zeit drängt nicht. Ich will nicht als «fils à papa» ins Unternehmen einsteigen. Mit dem Vorwurf bist du ja unweigerlich konfrontiert. Ja, aber wenn du dich selber so qualifizieren kannst, dass du unabhängig von der Familienzugehörigkeit nicht die schlechteste Wahl darstellst, dann ist das sicher der bessere Weg, als direkt nach dem Studium einzusteigen. Meinst du, so wie ich? Als Journalistin geht das. Du bist zwar unter Beobachtung, aber sie lassen dich machen und du lernst viel. Das klappt doch gut.


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