Im Gespräch
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Donnerstag, 24. Juni 2021
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TIPP ZUM ALLTAG
POST AUS SPREITENBACH Die Grossratsdebatte aus Sicht von Brigitte Vogel
Adieu Spreitenbach Als neu gewählte Grossrätin gebe ich gerne einen kurzen Erfahrungsbericht aus der Sicht von einem Frischling (gemäss Wikipedia nicht nur junges WildBrigitte Vogel schweinchen, sondern ganz einfach Neuling) im Grossen Rat des Kantons Aargau.
In der Umweltarena von der Umwelt abgeschnitten
Seit dem 12. Mai 2020 tagt der grosse Rat wegen Corona in der Umweltarena in Spreitenbach anstelle des ehrwürdigen Grossratsgebäudes in Aarau. Gerade wir neu gewählten Grossrätinnen und Grossräte waren bei unserem Start in den politischen Alltag in der geräumigen Halle etwas verloren; in der grossen Umweltarena fühlt man sich manchmal von der Umwelt abgeschnitten.
Der Austausch mit den erfahrenen Ratsfüchsen und natürlich auch -füchsinnen litt unter den grossen Abständen. So gerne hätten wir erfahrenen Personen über die Schulter geschaut und uns darüber ausgetauscht, was es gerade zu beachten gilt bei der enormen Vielfalt der Geschäfte. Im Ratsalltag herrscht eine eindrückliche Papier- beziehungsweise Mailflut und als Neuling staunt man immer wieder, was die Menschheit, oder genauer die Politik, so alles beschäftigt. Je nach beruflichem Background, politischer Gesinnung, Interessen als Gemeindevertreter verfolgt man unterschiedliche Ziele auf der Suche nach einem gemeinsamen Ziel.
Ausgiebige, fundierte Diskussionen
Diese Woche wartete eine reich befrachtete Traktandenliste zu Themen wie Senkung der Firmensteuern, Tierseuchengesetz, Kohlendioxid-Emissionshandel, Sicherheitsdienstleistungen in kantona-
len Asylunterkünften etc. Es wird ausgiebig wie auch fundiert diskutiert. Die Neuen sind gefordert, die Informationsflut zu meistern und den Überblick bei all den Motionen, Petitionen sowie Interpellationen zu behalten. Aber wie sagte einmal Johann Gottfried Seume: Wenn wir nicht von vorne anfangen, dürfen wir nicht hoffen, weiterzukommen. Wir Neuen haben den Anfang gewagt mit einem Sprung ins kalte Wasser und schwimmen mit kräftigen Zügen wacker mit. Wir sind fest entschlossen, mitzuwirken, auch wenn die Kluft zwischen
Wollen und Handeln manchmal tief in unserer menschlichen Natur verankert zu sein scheint. Diese Erfahrung mit Hindernissen wird schon seit Tausenden von Jahren immer wieder thematisiert: in der Literatur, im Volksmund wie auch in klugen Reden und Zitaten weiser Männer und Frauen. Die Kluft ist aber auch nicht unüberwindlich, sonst hätte Shakespeare nie den Hamlet geschrieben und Beethoven nie seine 5. Sinfonie komponiert.
Der wichtigste Ort im Kanton?
Während mehr als 12 Monaten Zeit durften wir im Ostaargau das Gastrecht geniessen und würden jetzt aber gerne adieu Spreitenbach sagen und uns auf den Ratsbetrieb in der Kantonshauptstadt freuen. Obwohl: Bei einer Umfrage unter den Aargauer Jugendlichen könnte bei einer Frage nach dem wichtigsten Ort im Kanton Aargau die Antwort fallen: Spreitenbach … Brigitte Vogel, SVP, Lenzburg
800 Personen besuchten Pilotevent Möriken-Wildegg Die Raiffeisenbank Aare-Reuss lud zur «Member Music Session» aufs Festgelände nach Wildegg ein. Der Open-Air-Anlass anlässlich des 100. Geburtstags kam gut an. Auch der Pilotevent mit gut 800 Personen ging mit all den Auflagen gut über die Bühne. ■
CAROLIN FREI
D
ie Raiffeisenbank Aare-Reuss ist eine von fünf Veranstaltern, die vom Kanton Aargau die Bewilligung für eine Covid-19-Pilot-Veranstaltung von bis zu 1000 Personen bekommen haben. «Die Zusage haben wir zweieinhalb Wochen vor der geplanten ‹Member Music Session› erhalten», sagt Patrick Weber, Vorsitzender der Bankleitung. Den Grossanlass in dieser kurzen Zeit auf die Beine zu stellen, sei eine Herausforderung gewesen. Eine Herausforderung, der man sich als Dankeschön für die treue Kundschaft und anlässlich des 100. Geburtstags jedoch gerne gestellt habe, betont Weber. Die Tickets wurden allesamt verlost. Und – für die Durchführung des Open-Air-Anlasses wurden lokale Firmen berücksichtigt.
Umfangreiches Schutzkonzept
Für den Grossanlass am Samstag mit den Acts ZiBBZ und Marc Sway galt es, ein 17-seitiges Schutzkonzept einzuhalten. «Das Konzept haben wir viermal überarbeiten müssen. Ein solcher Aufwand kommt schon nah an eine Bachelorarbeit heran», sagt Weber schmunzelnd. Unter anderem war es eine Auflage, dass nur geimpfte, genesene oder vor Ort negativ getestete Personen Zutritt bekommen. Die Tests wurden an 30 Stationen mit je zwei Testmöglichkeiten von Mitarbeitenden der Apotheke Bretano und des Samaritervereins durchgeführt. Mit all
Mit Abstand und sitzend: Die Besucher genossen die Konzerte der «Member Music Session» an allen vier Tagen.
Foto: zvg
den Auflagen sei dies ein Anlass, der die Raiffeisenbank Aare-Reuss gerne ausrichte, sich wirtschaftlich jedoch nicht rechnen würde. Die «Member Music Session» startete am Donnerstag mit dem Hauptact Adrian Stern, gefolgt von Luca Hänni am Freitag und Marc Sway am Grossanlass am Samstag. Den krönenden Abschluss machte am Sonntag Sängerin Sina. An der Covid19-Pilotveranstaltung waren über 800 Personen anwesend, an den anderen Konzerten waren maximal 300 Personen erlaubt. «Die Konzerte haben Jung und Alt gleichermassen angesprochen», sagt Weber erfreut. Und abgesehen von vereinzelten Diskussionen zum strengen Schutzkonzept sei bei der Pilotveranstaltung alles reibungslos über die Bühne gegangen.
Auf der Suche.
Wo sind die Tugenden geblieben? ■
VOLKER SCHULTE
Tugenden sind wie eine mentale Strassenverkehrsordnung. Sie geben uns Hinweise, wie wir uns auf den Wegen unseres Lebens verhalten sollen. Die Tugenden gehören zu den grossen Erkenntnissen der Menschheit. In jeder Religion und Kultur finden sich Tugenden. Spannend dabei ist, dass sich die Inhalte kaum un- Volker Schulte terscheiden. In der abendländischen Philosophie unterscheiden wir zwischen vier Kardinaltugenden. Der Begriff hat nichts mit Kardinälen zu tun, sondern kommt vom lateinischen «cardo», die Türangel. Es handelt sich also um die wichtigsten, die Grundtugenden: Als erste wird die Weisheit oder Klugheit genannt. Wer klug ist, übernimmt quasi die anderen Tugenden automatisch. Die zweite Tugend ist die Tapferkeit. Da wir heute nur noch wenig Ritterliches vorfinden, kann man die Tapferkeit heute mit Autonomie übersetzen. Ich muss nicht zum Wohlgefallen anderer mit den Wölfen heulen, sondern ich handle nach einem Gewissen, auch wenn ich unter Umständen damit ganz allein dastehe. Die dritte Kardinaltugend ist die Gerechtigkeit. Sie ist wichtig, weil sie mich zu solidarischem Handeln ermutigt. Gerechtigkeit meint nicht, dass wir alle gleich sein müssen. Aber sie sagt aus, dass wir niemanden ungerecht behandeln sollen. Die vierte Grundtugend ist die Mässigung oder auch das Mass. Sie ist zu meiner Lieblingstugend geworden. Sie zeigt uns Mittelwege auf. Es geht um Selbstbeherrschung als Mittelweg zwischen Sexsucht und Stumpfheit, Verschwendung und Geiz, Tollkühnheit und Feigheit. Unser Schweizer Ahne Theophrastus Bombast von Hohenheim, geläufig als Paracelsus bekannt, sagte bereits im 16. Jahrhundert: «Allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.» So helfen uns die Kardinaltugenden durchs Leben. ■
«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Jörg Kyburz und Volker Schulte jeweils in der letzten Ausgabe des Monats über psychologische Aspekte im Alltag. Die beiden Autoren leiten den CASStudienlehrgang Achtsamkeit in Lenzburg.
INSERAT
Einlass am Samstag: Die Besucher kamen zeitig, um einen guten Platz zu ergattern.
Foto: cfr
Hauptact an der Covid-19-Pilotveranstaltung: Marc Sway wusste zu begeistern.
Foto: zvg
Illustration: mky