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THIERSTEIN/DORNECK LOK ALHISTORISCHES

BÜREN

Durch und durch Lokalhistoriker

50 000 Franken zur Vorbereitung einer Melioration

Wenn man die lange Liste seiner Publikationen betrachtet, so imponiert das einem sehr. Heimatkunden, Broschüren mit allerlei lokalhistorischen Inhalten, Flurnamenkarten und vieles mehr. Simon Lutz recherchiert seit Jahrzehnten fleissig in Archiven, bringt seine Erkenntnisse aufs Papier und gestaltet seine Stampate selber. Linard Candreia Er bleibt dabei bescheiden. Ich solle es mit meinem Artikel ja nicht übertreiben. Sein Vater, Fabrikarbeiter und Bauer, sei bei seinem Hobby, dem Fotografieren, ebenfalls begeisterungsfähig gewesen und habe vieles, was damals passierte, festgehalten. In letzter Zeit fällt auf, dass sich Lutz stark mit Auswanderungsgeschichten befasst. So ist er zum Beispiel den Spuren von Emigranten aus unserer Region nachgegangen, die sich 1819 in Brasilien niedergelassen haben.

Der passionierte Lokalhistoriker und Ahnenforscher zeigt bei meinem Besuch ein Hausbuch des Hofes Schmalen (oberhalb von Erschwil) aus dem Jahre 1775. Die Transkription der deutschen Kurrentschrift bedeutet akribische Fleissarbeit. Lustig und spannend zu lesen seien beispielsweise die damaligen Rezepturen für Mensch und Tier. Ein Beispiel: «Wie man einem schwachen Menschen das Caffee praeparieren solle. Erstens nimbt man 1 päckly Cycoryum bullfer (Gemeine Wegwarte) auss der apoteck. 2tens nimbt man 1 rächte probortion Caffee und 3tens nimbt man ein Hand voll kässlykrauthbullfer (Weg-Malve) und 36 räckhollder bery (Wachholderbeeren) man röstet alles voll under einander bis das Caffe braun gällbgeröstet ist.»

Naturverbunden

Simon Lutz, ehemaliger Gemeindepräsident von Grindel, bezeichnet sich selber als Allrounder. Zusammen mit seiner Frau, einer Amerikanerin aus Utha, führt der Vater von fünf erwachsenen Kindern und früherer kaufmännische Angestellter speziell seit seiner Pensionierung ein naturverbundenes Leben mit viel Selbstversorgung. Davon zeugen unter anderem die Gemüsegärten. Der Schreibende kommt in den Genuss von selber hergestelltem Most. Beim Abschied dreht sich unser Gespräch ein weiteres Mal um die Motivation, Lokalgeschichte zu betreiben. Bei seiner Beschäftigung gehe es um die Wurzeln. Etwas gehe doch verloren, «man sammelt und statt zu sagen, die andern sollens machen, tue ich es halt selber.» Es brauche auch in diesem Bereich Zugpferde. Im laufenden Jahr findet eine Vernissage statt, bei der acht neue Broschüren von Simon Lutz vorgestellt werden. Das Datum wir rechtzeitig bekannt gegeben. Linard Candreia, Laufen, Autor und Landrat, schreibt Kurzgeschichten fürs Wochenblatt.

Simon Lutz aus Grindel: Ein Ahnenforscher mit langem Atem. FOTO: LINARD CANDREIA Ein Buch, in Zusammenarbeit mit einer Amerikanerin, einer Nachfahrin der Borer-Auswanderer von 1844, ist ebenfalls am Entstehen. Da die Familien früher so kinderreich und arm waren, musste man es sich wohl nicht lange überlegen: Emigrieren und es geht dann mit einem schon aufwärts. Lutz bezeichnet sich selber als Auswanderer, der 1979 wieder heimgekommen ist: «Ich habe sieben Jahre in Kanada auf verschiedenen Bauernhöfen gearbeitet und Weltreisen unternommen.»

Facettenreich

Auch die Kirchengeschichte von Grindel interessiert Simon Lutz sehr. Es gehe heute diesbezüglich viel Wissen verloren. Die Kirche vermittle Werte und sei ein wichtiges Abbild einer gelebten Dorfgemeinschaft, meint er.

Publikationen von Simon Lutz Eine Auswahl: «Grindel – Leben und erleben», 2002. «Flurnamenkarte von Grindel», 2004. «Leben am Fringeliberg» (dt., frz., engl.), 2008. «Die faszinierende Welt der Blumen, Magerwiesen, Waldränder, Schmetterlinge und was sonst so kriecht und fleucht», 2009. «Erschwil – Leben an der Lüssel» (3 Bände), 2012/13. «100 Jahre Luftfahrt im Laufental 1913-2013, 2013. «Amanz Gressly, der weltberühmte Bärschwiler», 2014. «Leon Lutz von Grindel – Auswanderung nach Preussen anno 1896 – und zurück mit Familie», 2014. «Das grosse Ahnenbuch Grindel 1585-2020» (7100 Personen, 650 Familienblätter)

Grosses Interesse: Über 100 Personen besuchten die ausserordentliche Gemeindeversammlung in Büren.

An der Gemeindeversammlung von Büren ebnet der Souverän den Weg zur Durchführung eines Findungsprozesses mit den betroffenen Landeigentümern. Willi Wenger Die Gemeindeversammlung in Büren von vergangener Woche war keine normale, sondern eine spezielle. Gemeindepräsidentin Stéphanie Erni begrüsste 113 Stimmberechtigte, welche durch ihr Erscheinen grosses Interesse zeigten. Sie kamen ins Oberstufenzentrum in erster Linie wegen eines Projektierungskredites zur Vorbereitung einer möglichen Melioration. Eine Melioration, welche letztlich noch nicht beschlossen ist, auch wenn der Souverän vergangene Woche einen Kredit in der Höhe von 50 000 Franken mit 56 Ja- gegen 48-Nein-Stimmen gutgeheissen hatte. Vor dieser relativ knappen Zustimmung diskutierten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger engagiert. Pround-Kontra-Wortmeldungen waren im Grossen und Ganzen gleichmässig verteilt. Erni hatte die Versammlung dabei immer «im Griff»; sie unterstrich ihre Kompetenz und ihre Argumente hatten Hand und Fuss. Sie sagte, dass die angestrebte Melioration ein Projekt für die Zukunft sei. Diese sei eine Chance für viele, auch für die elf Landwirtschaftsbetriebe im Dorf, und sie bringe zudem Anliegen von Natur- und Landschaftsschutz wie auch der Raumplanung zusammen. Aber: Die Gemeindepräsidentin akzeptierte auch die kritischen Voten, die Ängste und Bedenken zum Inhalt hatten. Letztlich sagte sie, dass, sollte die Melioration tatsächlich realisiert werden, es eine Lösung sein müsse, welche zu Büren

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passe. Es müsse ein gemeinsamer, ein guter Weg zum Ziel begangen werden. Votanten aus dem Plenum hielten fest, dass die Ökologie ein wichtiges Standbein einer solchen Melioration darstelle und diese im Auge behalten werden müsse. Die Erhaltung und Aufwertung von ökologisch wertvollen, naturnahen Flächen sei in diesem Zusammenhang wichtig. In einer nächsten, zeitnahen Phase wird ein «Grossgruppen-Workshop» stattfinden. Zeigt dieser und damit auch die Diskussionen mit den rund 300 betroffenen Landeigentümern auf, dass die Melioration — diese würde sicher 10 bis 20 Jahre dauern — umgesetzt und in Angriff genommen werden kann, würden die nächsten Schritte eingeleitet werden. Bei zu vielen Vorbehalten seitens der Grundeigentümer würde das Vorhaben, wie vergangene Woche präsentiert, nicht umgesetzt werden. Zwei weitere Sachgeschäfte rückten an der «Gmeini» in den Hintergrund. Dem

FOTO: WILLI WENGER

räumlichen Leitbild, welches eine Steuerungsgruppe seit 2018 erarbeitet hatte, wurde mit grossem Mehr zugestimmt. Klar gutgeheissen wurde zudem ein 120 000-Franken-Investitionskredit für die Ortsplanrevision. Diese soll in zirka drei Jahren abgeschlossen sein. Die Umsetzung führt voraussichtlich eine Steuerungsgruppe. Die Bevölkerung wird zudem Gelegenheit haben, sich in einem Mitwirkungsverfahren dazu zu äussern und damit Einfluss zu nehmen. Der Gemeinderat informierte am späten Abend zudem über verschiedene Punkte. So habe die Schule den Normalbetrieb wieder aufgenommen. Und: Es ist zudem geplant, für Radfahrer von Büren bis nach Liestal einen «Genussweg» abseits der Kantonsstrasse/Oristalstrasse einzurichten. Erni sagte zudem, dass die nächste Gemeindeversammlung am 14. Juni stattfinden wird. Sie liess durchblicken, dass der Rechnungsabschluss 2021 «sehr erfreulich» aussehe.

Erhebliche Kosten in den kommenden Jahren wwl. Die «Studie des ländlichen Raumes» hat aufgezeigt, was für Kosten in den nächsten 15 Jahren im Landschaftsgebiet auf die Gemeinde Büren zukommen. Die Studie, welche erstellt wurde, weil ein Aussiedlungsprojekt geplant war und jetzt auch umgesetzt werden kann, dokumentiert dies deutlich. Gemeindepräsidentin Stéphanie Erni sagt, dass der Kanton ohne diese Vorabklärungen für das gesamte Landschaftsgebiet der Gemeinde keine Zustimmung zur Aussiedlung erteilt hätte. Ausgearbeitet haben die Studie der Bauernverband Solothurn, die Planer Gruner Böhringer und Markus Vogt als Projektleiter. Auch die Wünsche aus dem Leitbild sind eingeflossen und

Brigitte Hächler vom kantonalen Amt für Landwirtschaft hat das Ganze begleitet. Die Studie sei, so Erni, für den Gemeinderat eine Wegleitung, was in welcher Dringlichkeit gemacht werden muss.

Die Kosten im Überblick: Landwirtschaft 650 000 Franken; Natur, Landschaft, Wald 855 000 Franken; Flurwege 1 405 000 Franken; Drainagen 1 300 000 Franken; Schächte 120 000 Franken; Anschluss vernässte Stelle SuriAsp 60 000 Franken; Total 4 390 000 Franken. Würden diese Projekte im Rahmen einer Melioration angegangen, würden Bund und Kanton bis zu 75 Prozent der Kosten übernehmen.

RODERSDORF

«Das Volk bestimmt und der Gemeinderat hat umzusetzen» Die Steuerinitiative «Jetz si mir draa» führt in den Gemeinderäten zu Kontroversen. In Rodersdorf lehnten SP-Gemeinderäte die Einflussnahme auf den Abstimmungskampf ab. Bea Asper «Wir müssen dem Souverän die Konsequenzen aufzeigen. Wir haben als Gemeinderäte einen Eid geschworen, uns für das Gemeinwohl einzusetzen», sagte der Rodersdorfer Gemeindepräsident Thomas Bürgi (Zämmestoh für Rodersdorf) an der letzten Gemeinderatssitzung. «Die durch die Steuerinitiative und durch den Gegenvorschlag der Regierung prognostizierten Steuerausfälle sind für die Gemeinden nicht verkraftbar. Deswegen hat auch der Verband der Einwohnergemeinden die Parole gefasst und empfiehlt, beide Vorlagen abzulehnen.» Sollte

die Initiative oder der Gegenvorschlag angenommen werden, hätte dies in Rodersdorf und auch in den anderen Gemeinden drastische Sparmassnahmen zur Folge. Bürgi beantragte seinen Ratskollegen, diese Tatsachen der Bevölkerung in einem Infoschreiben kundzutun. Die SP-Gemeinderäte Christophe Grundschober und Jonas Maienfisch hielten es für angebracht, dass sich der Gemeinderat aus solchen politischen Diskussionen raushält. «Das Volk bestimmt und der Gemeinderat hat umzusetzen», konstatierte Maienfisch. Er konnte sich mit der Art der Einflussnahme nicht einverstanden erklären. Es werde eine Drohkulisse aufgebaut. Von Leistungsabbau zu reden, sei nicht angebracht. Es gäbe auch die Variante, den Gemeindesteuersatz zu erhöhen. Die Bewohner hätten dann aber zumindest bei den Kantonssteuern eine geringere Belastung. Roland Matthes (FDP) hielt dazu fest, dass es auch ein Kompromiss aus beiden Varian-

ten sein könnte: Auf der einen Seite würde man dann wohl einige Einsparungen vornehmen, auf der anderen Seite den Gemeindesteuersatz leicht anheben.

Sparmassnahmen bei der Kultur und der Musikschule

Dominik Sigrist (ZFR) gab zu bedenken, dass eine Gemeinde beim Sparen nur einen kleinen Handlungsspielraum habe, da die meisten Ausgaben gebunden seien. «Damit würden Sparmassnahmen zum Beispiel die Kultur und die Musikschule treffen», gab er zu bedenken. Zumal die finanzielle Lage von Rodersdorf bereits jetzt sehr ernst sei. Bürgi verwies auf das strukturelle Defizit der Gemeinde. Für das Budget 2021 ist ein Aufwandüberschuss von 550 000 Franken verabschiedet worden und es sieht danach aus, dass die Rechnung 2021 effektiv mit einem Defizit von einer halben Million abschliessen wird, bestätigte die Finanzverantwortliche, Ingeborg Pesenti.

Maienfisch verwies darauf, dass der Regierungsrat bei der Umsetzung seines Gegenvorschlages zur Steuerinitiative Entlastungen in Aussicht stellte. Es stünden Kompensationen zur Diskussion, sodass der Kanton einige Ausgaben der Gemeinden höher entschädigen oder übernehmen könnte. Noch sei vieles in der Schwebe und die Entscheidungen seien in der Kompetenz des Parlamentes. Im Bewusstsein dessen sei es nicht richtig, dass der Gemeinderat in den Abstimmungskampf eingreife und Ängste schüre. Maienfisch und Grundschober konnten sich letztlich nicht durchsetzen. Mit der Mehrheit von vier Stimmen, bei einer Enthaltung, gab der Gemeinderat grünes Licht für das Entsenden einer Stellungnahme. «Dieses Schreiben soll das übergeordnete Interesse der Gemeinde aufzeigen. Natürlich ist jedes Ratsmitglied frei, seine persönliche Meinung aus parteipolitischer Sicht zu äussern», sagte Bürgi.

«Jetz si mir draa» bea. Die Volksinitiative «Jetz si mir draa» für eine Senkung der Steuern für mittlere und tiefe Einkommen kommt am 15. Mai im Kanton Solothurn zur Abstimmung. Auf Antrag des Kantonsrats hatte der Regierungsrat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser sieht ebenfalls eine Entlastung der tiefen und mittleren Einkommen vor und führt zu Steuerausfällen von 64 Millionen Franken. Die kantonale Finanzkommission (FIKO) begrüsst den Gegenvorschlag des Regierungsrats, während sie die Initiative ablehnt, weil diese bis ins Jahr 2029 zu Steuerausfällen in der Höhe von knapp 100 Millionen Franken führen würde und ein Leistungsabbau zur Folge hätte.


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