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Bezirk Affoltern

Freitag, 8. Februar 2013

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«Ein herrlich Land von Hausen» (I) Willy Hug: Alte Geschichten aus dem Säuliamt – Serie (75). Heute: Der Schwaighof «Ein herrlich Land von Hausen über Albisbrunn und Ebertswil bis hinauf zum Schwaighof, der die Südwacht hält vom Albisberg aus», steht geschrieben in einem alten Kalender von 1912. Der Weiler Schwaighof mit dem Wirtshaus birgt manche Geschichte. Auch die alten Gemäuer könnten noch viel erzählen. Beni Stübi zeigt auf die ältesten Teile des einstigen Sennhofes: es sind einen Meter breite Aussenmauern. Es soll hier ein Vorposten der Schnabelburg gestanden haben. Die Schnabelburg wurde Autor Willy Hug. 1309 belagert und zerstört. Stammen diese Mauern aus jener Zeit? Aber weder die Geschichtsschreibung, noch heutige Fachkreise können dazu Auskunft geben. Die alten Gemäuer wurden auch nie näher untersucht. Die Fundamente gehen sehr tief in den Boden. Als Beni Stübi einmal einen Aushub für eine Leitung machen wollte, hörten die Fundamente in zwei Meter Tiefe immer noch nicht auf, je tiefer die Mauer, desto grösser die Steine. Im Zentrum des Hauses lag ein etwa fünf mal fünf Meter grosser Raum, an dessen Mauern sich vier in Eichenholz gefasste Luken befanden. Diese wären gross genug gewesen, um einen Teller hindurch zu geben und liessen sich mit einem Schieber wieder zumachen. War dies ein Verlies? Ein Teil dieser Mauer mit einer Luke ist heute noch vorhanden. Alte Bauteile lassen vermuten, dass das Gebäude einst als Vielzweckbauernhaus für zwei, später für drei Familien gebaut wurde. Wohnteil, Scheune mit Tenn und Stall standen unter einem Dach. Erst später ergänzten zusätzliche Scheunen und drei Ställe den Hof.

Der Sennhof Als Sennhof betrieben die Bauern hier nebst der Vieh- und Milchwirtschaft auch das Käsen. Der Name «Schweighof» kam von «Zweige» oder «gschweige» und meinte dafür das Betreuen von Kindern oder eben auch für Vieh. Bereits aus dem Jahre 1279 ist bezeugt, dass das Kloster Kappel diesen Sennereibetrieb von einem Ritter Heinrich von Uerzlikon kaufte. Vermutlich bewirtschafteten ihn Pächter des Klosters und nicht Mönche oder Konversen. 1525, just im selben Jahre, als im Kloster Kappel Abt Joner schrittweise die Reformation einführte, ist erstmals ein Huber als Besitzer des Schweikhofs erwähnt. Auch nach der Aufhebung des Klosters Kappel, als die Zürcher Regierung ab 1540 das Klos-

Der Schweikhof, 1905, «Restaurant zur frohen Aussicht». (Bilder zvg.) teramt Kappel verwaltete, wurden immer wieder die Huber als Besitzer erwähnt. 1683 werden bei einer Schuldverschreibung die «Hueberen gebrüederen vom Schweickhoff» genannt. Sie besassen Haus und Hof, eine grosse und eine kleine Scheune, einen Speicher, eine halbe Sennhütte, einen halben Keller, Wiesen und 20 «Haupt Vieh». Der Name Huber taucht in den Urkunden immer wieder auf. Bei einer Nachlassteilung 1750 wird der alt Kronenwirt Hans Jakob Huber an der Sihlbrugg als Besitzer erwähnt, Generationen dieser Familie bewirtschafteten den oberen Schweikhof während über 400 Jahren. Als letzte geborene Huber wohnte in den 1960er-Jahren eine Frau Bolt im Schweikhof. Sie sei die Letzte der Huberfamilien gewesen, welche den Schweikhof bewirtschafteten. Fand ein Generationenwechsel statt, so bekam immer der Älteste den Landwirtschaftsbetrieb. Um 1900 wohnten im heutigen Wirtshaus drei Familien Huber. Jede Familie hatte ihren eigenen Stall. Deshalb ist, wie heute noch erkennbar, die grosse Scheune mit drei Querställen gebaut und hat eine stattliche Länge von über vierzig Metern. Bereits im 16. Jahrhundert ist bezeugt, dass auf den grossen Einzelhöfen Kappels mehrere Familien wohnten und wirtschafteten. Das für den Sihlwald zuständige Sihlamt wachte darüber, dass angrenzend an den Sihlwald keine neuen Höfe errichtet wurden. Ebenso verbot das Klosteramt Kappel meist eine Aufteilung ihrer Güter.

Heimarbeit In der jetzigen Wirtshausstube waren früher vier Handwebstühle aufgestellt. Diese Heimarbeit bedeutete einen willkommenen Nebenverdienst zum

Bauerngewerbe. Da man zum Weben viel Licht benötigte, wurden die Fenster vergrössert und auch die Decke angehoben. Das Rohmaterial brachten Fergger (Zwischenhändler) und diese liessen nachher die fertige Ware wieder abholen. Bis ins 19. Jahrhundert brachten Träger die Ware über den «Hoger» (Albiskette) nach Zürich an die Verleger (Auftraggeber). Noch heute ist oberhalb von Hausen ein Weg als «Spinnerweg» bezeichnet. Ab 1838 marschierten Ebertswiler über den «Hoger» nach Horgen in die Seidenweberei. Um sechs Uhr morgens marschierten sie zu Hause los. Je nach Jahreszeit dauerte die Marschzeit an sechs Arbeitstagen pro Woche je nach Witterung bis zu zwei Stunden. Abends kamen sie spät nach Hause. Die Kinder sahen deshalb ihre Väter oft nur am Sonntag. Während der Abwesenheit der Männer sammelten Frauen und Kinder Brennholz im Wald. Abends auf dem Heimweg nahmen die Männer das gesammelte und bereitgelegte Holz mit und trugen es nach Hause.

Wirten statt Weben Die überall aufkommenden Webereien, wie auch ab 1870 die Weberei Schärer in Ebertswil, verdrängten zusehends die Heimarbeit und die Hubers sahen sich nach einem Ersatzverdienst um. 1902 entfernten sie die Webstühle und richteten dort eine Wirtschaft ein. Anlass dazu bot ein neuer Fussweg von der Station Sihlbrugg nach dem Schweikhof. Fünf Jahre vorher verlängerte die Sihltalbahn ihre Strecke von Sihlwald nach Sihlbrugg. Dieser heute noch bestehende, teils durch den Wald führende Schweikhofweg ist in einer halben Stunde zu begehen und brachte der Wirtschaft viele Gäste. Die Gemeinden Horgen und Hausen stritten damals wegen der Baukostenverteilung drei Jahre lang miteinander.

Kurgäste von Albisbrunn

Das Wirtshaus Schweikhof heute.

Die nahe gelegene Wasserheilanstalt Albisbrunn florierte zu dieser Zeit sehr und konnte oft nicht alle Gäste im Kurhaus aufnehmen. Viele Kurgäste mussten aus Platzgründen privat in der Umgebung logieren. Die Hubers stockten deshalb das Haus auf einer Seite um ein Stockwerk auf und richteten drei Fremdenzimmer für Kurgäste ein. Oben auf der Zinne (Flachdach) konnten sich die Gäste, meist waren es Engländer, auf Liegestühlen sonnen. Als dann der Erste Weltkrieg begann, blieben die Kurgäste aus. Die Gebäude der Kuranstalt Albisbrunn

Einst Wirtin und Landwirt: Hedi und Beni Stübi. blieben 1922 leer. 1927 gab es im Schweikhof einen Besitzerwechsel, die Familie Limacher übernahm das Wirtshaus und die Landwirtschaft. Die Magd von Frau Limacher musste jeweils Richtung Station Sihlbrugg laufen und auf einer damals unbewaldeten Kuppe Ausschau halten, wie viele Leute aus der Sihltalbahn ausstiegen. Nachher füllte sie im Mostkeller eiligst die entsprechende Menge Most aus den Fässern in die Flaschen ab. Es war denn auch im Mostkeller, wo der Besitzer jeweils seinen Rausch ausschlief. Zwölf Jahre später war das Ende angesagt, Konkurs! Im Juni 1939 kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges übernahmen Maria Stübi-Häfliger und ihre Mutter Anna den Schweikhof. Maria Stübi brachte bereits Berufserfahrung aus der Gastronomie mit, als ehemalige Saaltochter in einem Hotel in Bösingen und im Hotel Raben in Luzern. Maria Stübi war die treibende Kraft, dass die Familie den Schweikhof kaufte. Sie hatte auch durchgesetzt, dass drei von den fünf Söhnen eine landwirtschaftliche Schule besuchten. Sie wirtete bis kurz vor ihren Tod 1963. Im selben Jahre, kurz nach der «Seegfrörni» heiratete ihr ältester Sohn, der 1934 geborene Bernhard, von allen Beni genannt, die aus dem Dorfteil Wolsen in Obfelden stammende Hedi Müller.

Immer ein paar Franken im Sack Hedi übernahm die Wirtschaft. Ihre Schwiegermutter hatte ihr eingeschärft, dass sie die Wirtschaft nie aufgeben dürfe, denn dann hätte sie immer ein paar Franken im Sack. Beni besuchte nach den Schulen in Hausen 1950 die landwirtschaftlichen Winterschulen in Grangeneuf und Wülflingen und kehrte nach einem Lehrjahr im Welschland zum Schweikhof zurück. Seine erworbenen Kenntnisse setzte er auf dem Hof umgehend um und das Resultat war eine steigende Milchproduktion. Ausschlaggebend dafür war die Fütterung der Kühe mit dem stark eiweisshaltigen Erdnussmehl, Rüben und Silofutter. Bis 1965 Benis «Äti» starb, bewirtschafteten beianzeige

de den Hof zusammen, dazu gehörten 21 Kühe und zeitweise genau so viel Jungvieh. Hedi führte die Wirtschaft. Während vielen Jahren half ihr auch eine ihrer Schwestern. Dazu kamen Aushilfen und «Meitli», welche in der Küche und im Haushalt halfen. Zur Familie gehörten bald vier Kinder. Hedi war stolz darauf, bis um 23 Uhr eine warme Küche anzubieten. Bekannt waren ihre Rösti mit Bratwurst und «Bölleschweizi» oder der selbst gemachte Kartoffelstock mit Braten, auch die gebrannte Crème nach Grossmutterart. Die ersten zehn Jahre war die Wirtschaft täglich geöffnet, nachher während zehn Jahren an sechs Tagen die Woche. Die letzten zehn Jahre bewirtete Hedi ihre Gäste jede Woche an fünf Tagen. Unzählige Vereine und Gesellschaften gingen ein und aus. Manches Hochzeitsfest fand hier statt. Aber auch einzelne Gäste wie jene Pilzsammler im Herbst. Erkennbar waren sie an den langen Mänteln, welche sie trugen. Während der Kriegsjahre übernachteten sie oft im Schwaighof und fuhren dann am nächsten Tag mit dem ersten Zug von Sihlbrugg nach Zürich, um ihre gesammelten Pilze dort zu verkaufen. Im Schwaighof gaben sie oft Lebensmittel- oder Textilcoupons an Zahlung. Fast alles war während der Kriegsjahre rationiert. Der «Pflanzplätz» lieferte dank des Stallmistes viel Gemüse. Genügend, um es auch für den Winterbedarf einlagern zu können. Das Halten von Hühnern war selbstverständlich, das Geflügelfleisch war zudem nicht rationiert. Dies alles erlaubte die weitgehende Selbstversorgung. Viele Gäste kamen auch aus dem Sihltal. Nachmittags um sechzehn Uhr mussten sie das Wirtshaus verlassen, um den Zug um 16.30 Uhr in Sihlbrugg noch zu erreichen. (Leider fährt seit 2006 die Sihltalbahn regelmässig nur noch bis Sihlwald. Die Station Sihlbrugg wird nur noch von der SBB bedient.) Nachts um halb ein Uhr kam der Dorfpolizist, «er het g’rundet», wie Beni Stübi erzählt. Jeder Gast wurde dann mit fünf Franken gebüsst und der Wirt mit zehn Franken. ................................................... > Fortsetzung folgt


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