2020 12 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verkäuferanteil

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FROHE WEIHNACHTEN AUF DER STRASSE

DURCH DIE KRISE

IM VERBORGENEN

Neue Hilfen für junge Menschen unter 25 Jahren.

Mehr Achtsamkeit nach Corona hofft Margot Käßmann.

Alte christliche Traditionen überdauern in Japan.


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Hilfe statt Straße

Manche fallen durchs Raster: junge Men­ schen, die auf dem Weg in ein selbstständiges Leben vom Kurs abkommen. Ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Plan. Eine neue Initiative will das verhindern.

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Notizblock

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Briefe an uns

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Aus der Szene

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Festung in der Weser Wasserstraße 5298, Außenweser – das ist die offizielle Anschrift von Langlütjen II. Eine Insel mit besonderer Geschichte.

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»Würde zurückgeben« Zu Beginn der kalten Jahreszeit setzt die Stadt Wohnungslose auf die Straße. Wir sprachen mit Jens Seidel, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat Hannovers.

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben von Asphalt-Verkäuferin Elena

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Rund um Asphalt/Impressum

12 Was wirklich wichtig ist Unsere Asphalt-Mitherausge­berin, Ex-Bischöfin Margot Käßmann, hofft auf mehr Achtsamkeit und Wertschätzung durch die Corona-Krise. Wir sprachen mit ihr unmittelbar vor dem neuem Shutdown.

Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt

34 Buchtipps 35 Spieletipps 36 Kulturtipps 38 Silbenrätsel 39 Brodowys Momentaufnahme

Titelbild: Superhasi/stock.adobe.com

28 Meine Worte

Das Asphalt-Prinzip

30 Versteckte Christen

In Japan gibt es eine kleine Gemeinschaft von Christen, Nachkommen von einst Verfolgten, die ihren Glauben im Geheimen über Jahrhunderte bewahrten. Doch die Religion stirbt aus.

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evangelische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1.


Foto: Markus Lampe

es gibt ein Grundrecht auf Hoffnung – auch wenn Weihnachten dieses Jahr anders wird. Ich wünsche mir, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Ich wünsche mir, dass wir unsere Familien an Weihnachten sehen können und, wenn das wirklich nicht gehen sollte, dass wir gute Ideen haben, in Kontakt zu bleiben. Ein Grundrecht auf Hoffnung haben auch wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene. Sie erleben täglich, dass andere eine Wohnung haben – nur sie nicht. Manche von ihnen sind in Verhältnissen aufgewachsen, die ein »normales« Großwerden unmöglich gemacht haben. Gerade diese jungen Menschen, die – um es mit der Weihnachtsgeschichte zu sagen – »keinen Raum in der Herberge« haben, geraten schnell aus dem Blick. Nur, wenn man schon sehr jung auf der Straße leben muss, birgt das die Gefahr, dort nicht mehr wegzukommen. Deshalb ist es gut, dass es für sie das Projekt »AufKurs!« gibt, eine gemeinsame Initiative des Diakonischen Werkes Hannover mit der Werk-statt-Schule. Eingezogen ist sie innenstadtnah in die ehemaligen Räume einer Hannoverschen Sparkasse. Dort finden junge wohnungslose Menschen einen Ort, wo sie sich aufhalten können. Dort finden sie Ansprechpartnerinnen und -partner, die helfen, auch wenn es schwierig bleibt. Mehr dazu in diesem Heft. Liebe Leserin, lieber Leser, schwierig bleibt dieses Jahr für uns alle. Auch für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer. Für unsere Redaktion, für unseren Vertrieb. Der zweite Teillockdown trägt dazu bei. Umso schöner ist es, dass Sie uns treu geblieben sind. Danke für alle Unterstützung! Eine Gesellschaft, die in schweren Zeiten an die denkt, die nur sehr wenig haben, lässt mich hoffen; lässt mich hoffen, dass wir auch die kommenden Monate gemeinsam hinbekommen werden. Und lässt mich hoffen, dass wir ein Weihnachtsfest feiern können, das uns an das eigentlich Wichtige erinnert: füreinander da zu sein. Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit wünscht Ihnen

Ihr

Rainer Müller-Brandes · Asphalt-Mitherausgeber und Stadtsuperintendent

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Liebe Leserin, lieber Leser,

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Foto: U. Matthias

Der niedersächsische Weg

Andacht für Wohnungslose Hannover. Sie sterben oft allein, werden anonym bestattet und dem Vergessen anheimgegeben: Rund 140 Wohnungslose sind in diesem Jahr in Hannover gestorben, doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Ihrer wurde nun gedacht, mit einer ökumenischen Veranstaltung am Buß- und Bettag. Vor dem Kontaktladen Mecki am hannoverschen Raschplatz gab es so die Möglichkeit für Angehörige und Weggefährten, Abschied von den Verstorbenen zu nehmen. Die Andacht hielten Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes und Propst Christian Wirz. UM

Keine Corona-Denunziation Lüneburg. Der Lüneburger Sozialpsychologe Roman Trötschel hält nichts von einem Denunziantentum in der Corona-Krise. Wenn Nachbarn einander in der Einhaltung der Regeln überwachten, sei das fatal, sagte der Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg. »Wenn Menschen das Gefühl haben, sie werden von anderen kontrolliert, verhalten sie sich erst recht gegenteilig.« Freiwilligkeit und das Gefühl von Autonomie seien zentrale Motive für eine Akzeptanz. Wichtig sei deshalb die Kommunikation, um anderen zu vermitteln, warum das Einhalten der Vorschriften nötig sei. Menschen hielten sich nur dann an Vorschriften, wenn sie darin einen Sinn erkennen könnten. EPD

Hannover. In seltener Einmütigkeit hat der Landtag den sogenannten »Niedersächsischen Weg« für mehr Natur- und Artenschutz beschlossen. Nicht nur die Parteien stimmten einhellig für die Vorlage, auch Umweltschützer und Bauernverbände lobten die Gesetze, die bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten sollen. Die Initiative »Artenvielfalt Jetzt!« zog darauf ihr Volksbegehren zurück, obwohl bereits 138.000 gültige Unterschriften vorliegen. Unmittelbar danach wurde das Vorhaben der Regierungskoalition bekannt, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Dadurch wollen die Regierungsparteien erreichen, dass der Bestand der Raubtiere künftig besser reguliert werden kann. Der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann nannte den Vorstoß »blinden Aktionismus«. Der Wolf bleibe nach EU-Recht weiterhin geschützt. Unmittelbar nach der Verabschiedung des niedersächsischen Weges »über den Abschuss des Wolfes, einer streng geschützten Art, abzustimmen, konterkariert den ›Niedersächsischen Weg‹ und die gemeinsamen Bemühungen für mehr Artenvielfalt in Niedersachsen«. UM/EPD

Menschenrecht Gesundheit Hannover. Gesundheitsversorgung als Menschenrecht – hochaktuell wie nie und Thema des 8. Hannöverschen Forums zum »Tag der Menschenrechte«. Der Tag der Menschenrechte wird am 10. Dezember gefeiert und ist der Gedenktag zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Amnesty International nimmt diesen Tag jedes Jahr zum Anlass, die Menschenrechtssituation weltweit kritisch zu betrachten und auf aktuelle Brennpunkte hinzuweisen. Der diesjährige Schwerpunkt wird ebenso von der Corona-Pandemie diktiert, wie die Veranstaltungsform. So laden Amnesty International und das Haus der Religionen in diesem Jahr zum Livestream ein. Hauptreferentin des Abends ist die Regionalbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers Dr. Petra Bahr. Außerdem dabei: Regine Kramarek (Bündnis 90/Die Grünen), Hamideh Mohagheghi vom Rat der Religionen und Anke Bramesfeld von Amnesty International. Anmeldung zur Veranstaltung unter www.haus-der-religionen.de. GB/UM


ZAHLENSPIEGEL »KINDESWOHL«

Kinderrechte stärken

Hannover/Berlin. Immer mehr Menschen in Niedersachsen sind von Armut bedroht. Diesen alarmierenden Befund gab jetzt der Sozialverband Deutschlands (SoVD) bekannt und forderte die Politik zum Handeln auf. Dazu überreichte SoVD-­ Landesvorsitzender Bernhard Sackarendt Sozialministerin Dr. Carola Reimann einen Katalog mit Forderungen. Unter anderem müssten der Niedriglohnsektor eingedämmt, der soziale Wohnungsbau ausgebaut und Pflegeleistungen konsequent anerkannt werden, so Sackarendt. Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt diesen Negativtrend. So werde der Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen in ganz Deutschland durch die Corona-Pandemie weiter wachsen. Während hohe Einkommen und Vermögen weitgehend unbeschadet durch die Krise kommen, müssten Geringverdiener häufig noch Einbußen hinnehmen. Aber auch ein Teil der mittleren Einkommen dürfte künftig zurückfallen. Das ließe die Ungleichheit weiter steigen. Dagegen empfehlen die Autorinnen der Studie unter anderem ein höheres Kurzarbeitergeld und eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I. UM

Loccum. Die Perspektiven und Rechte von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Corona-Krise müssen nach Ansicht der Initiative Niedersächsischer Ethikrat (INE) besser als bisher berücksichtigt werden. Der INE ist ein unabhängiges Gremium von Wissenschaftlern und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Junge Menschen dürften nicht nur als Teil ihrer Familie betrachtet, sondern müssten deutlicher als eigenständige Personen mit eigenen Rechten und Bedürfnissen wahrgenommen werden, erklärte die Initiative in einer von der Evangelischen Akademie Loccum verbreiteten Mitteilung. Die INE plädiert dafür, künftig Kinder und Jugendliche stärker als »Subjekte eigenen Rechts« zu begreifen und in Entscheidungsfindungsprozesse einzubeziehen. Für Kinder und Jugendliche relevante Verordnungen sollte es ohne die Beteiligung von Kinder- und Jugendräten nicht mehr geben. Zudem müssten mehrfach benachteiligte Kinder, Jugendliche und ihre Familien bei Fördermaßnahmen besonders beachtet werden. EPD

2,1 Millionen Kinder waren 2019 in Deutschland von Armut bedroht. Das sind 15 % aller unter 18-Jährigen und 2,3 % weniger als in 2018. Besser stehen in der EU nur Slo-

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wenien (11,7 %), Tschechien (13,0 %), Dänemark (13,2 %) und Finnland (14,3 %) da. Schlusslichter sind Rumänien (35,8 %), Bulgarien (33,9 %), Italien (30,6 %), Griechenland (30,5 %) und Spanien (30,3 %). Im gleichen Zeitraum wurde in Deutschland bei 55.500 Kindern und Jugendlichen eine Kindes­wohlgefährdung festgestellt.

Pro Tag sind das 152 betroffene Jungen und

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Mädchen. Gründe waren Vernachlässigung (58 %), psychi­sche (32 %) oder physische Misshandlungen (27 %) sowie sexuelle Gewalt (5 %).

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Mehr Niedersachsen droht Armut

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Foto: U. Matthias

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HILFE STATT STRASSE Manche fallen durchs Raster: junge Menschen, die auf dem Weg in ein selbstständiges Leben vom Kurs abkommen. Ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Plan dastehen. So beginnen Straßenkarrieren. Eine neue Initiative will das verhindern. Im Frühjahr dieses Jahres stand Steffen vor dem Nichts. Er war 22 Jahre alt, hatte keine Wohnung, nicht einmal mehr einen Schlafplatz, keine Ausbildung und keine Arbeit, er bezog weder ALG II noch Grundsicherung, hatte keine Krankenversicherung und keinen Plan, was er mit seinem Leben anfangen sollte. In dieser Situation stieß Steffen auf das neue Angebot von »AufKurs!«. Die neue Einrichtung residiert in einer ehemaligen Sparkassenfiliale in Hannovers Calenberger Neustadt. Das wirkt von außen nicht sonderlich einladend und vielleicht steht deshalb

auch der Krökeltisch gleich am Eingang, als bewusster Kontrapunkt. Immerhin, Steffen ließ sich nicht abschrecken und er bekam dafür nicht nur einen Teller warme Suppe, sondern auch ein offenes Ohr für seine Probleme. Dann ging alles sehr schnell: »Ich habe dem Christian geschildert, wie es bei mir aussieht und er ist sofort mit mir los zum Wohnungsamt und wir haben mich wohnungslos gemeldet. Danach haben wir gleich einen Termin beim Jobcenter gemacht.« Der Christian, das ist Christian Ahring, Sozialarbeiter bei Aufkurs, der neuen Anlaufstelle für Menschen unter 25 Jahren in prekären Verhältnissen.


»Wir sind ein sehr niedrigschwelliges Angebot, zu uns kann erstmal jeder kommen, egal, welche Karriere er oder sie im Hilfesystem bereits hatte«, betont Ahring. Selbst diejenigen, die von möglichen Hilfen bislang nichts geahnt haben. Wohnungsamt, Jobcenter, das waren für Steffen anfangs fremde Welten. Wovon er gelebt hat? »Ich brauchte ja nicht viel. Gewohnt habe ich umsonst und dann hat mir mein Vater immer wieder Geld zugesteckt.« Ein Leben unter dem Radar des Hilfesystems. Da Steffen keinerlei Ansprüche anmeldete, war er für die Ämter als Hilfesuchender nicht existent. Seine Familie war auch bis zuletzt nicht als sozialer Problemfall bekannt. Die Mutter starb, als Steffen fünf Jahre alt war. Mit seinem Vater und seinen Geschwistern lebte er weiter in der großen Wohnung. Doch in der 11. Klasse kamen die Depressionen und hatten Steffen schließlich so im Griff, dass er das Abitur abbrechen musste. »Ich habe nichts

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mehr auf die Reihe gekriegt, hatte aber auch keine Kraft mehr, etwas zu ändern«, sagt er über diese Zeit. Statt in die Ausbildung, ging es erst einmal in die Therapie, die auch erfolgreich verlief. Vielleicht hätte jetzt alles ganz anders kommen können, wenn er nicht auch noch sein Zuhause verloren hätte. Sein Vater war inzwischen Frührentner und konnte am Ende die Miete für die gemeinsame Wohnung nicht mehr bezahlen. In die Obdachlosenunterkunft mochte Steffen ihm nicht folgen. Zunächst kam er bei Freunden unter, später bei einer guten Freundin, die ihn längere Zeit bei sich wohnen ließ. So ging das ein paar Jahre, bis die Freundin mit ihrem Liebsten zusammenziehen wollte. Da war dann kein Platz mehr für Steffen, dort nicht und nirgendwo sonst. Das war die Situation, als er sich entschloss, bei Aufkurs vorzusprechen.

Vermeidung von Straßenkarrieren Steffens Geschichte ist in ihren Details individuell und besonders, ihr Ergebnis kommt jedoch als keineswegs seltenes Phänomen daher. Gerade für junge Menschen wie ihn wurde das Projekt Aufkurs gestartet, junge Menschen, die vom Sozialsystem noch gar nicht oder schon nicht mehr erreicht werden. »Ein Schlafplatz, finanzielle Absicherung und eine Krankenversicherung sind doch Voraussetzungen, um überhaupt mit dem Nachzudenken anzufangen, wie gestalte ich mein Leben denn jetzt künftig, welche Berufsausbildung oder Weiterbildung kommt für mich überhaupt in Frage?«, sagt Ahring. Beides – Grundlagen und Orientierung – wolle Aufkurs leisten und biete dafür neben der sozialpädagogischen Begleitung auch psychotherapeutische Beratung an. Möglich macht diese Arbeit eine Gesetzesänderung: Auf der Grundlage des neuen Paragraphen 16h SGB II sollen nunmehr bislang schwer zu erreichende junge Menschen bis 25 Jahren besonders gefördert werden. Dabei soll auf die individuelle Situation der Jugendlichen abgestellt werden. Mit dem Ziel, sie möglichst in den Arbeitsmarkt oder wenigstens ins Leistungssystem einzugliedern. Eine Hilfe, die schon greifen muss, bevor die Jugendlichen selbst einen Antrag gestellt haben und möglichst, bevor sie auf der Straße gelandet sind. Das Problem ist größer, als es der Augenschein vermuten lässt. Experten gehen von zehntausenden Straßenjugendlichen in Deutschland aus. Die aktuellste Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) von 2016 schätzt die Zahl auf 37.000, der größte Teil (30.000) davon im Alter von 18-26 Jahren. Auf der 6. Bundeskonferenz der Straßenkinder am 19. Mai in Berlin, appellierten die Teilnehmer an die Politik, gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie ein Augenmerk auf die Straßenkinder zu haben. Das Leben auf der Straße schwäche das Immunsystem und erhöhe das Risiko für diese jungen Menschen, die vielfach


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8 »Ein Schlafplatz und

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um Zukunftspläne zu schmieden.« Christian Ahring, Sozialarbeiter bei Aufkurs.

Foto: U. Matthias

sind Voraussetzungen,

Foto: U. Matthias

finanzielle Absicherung

Sozialarbeiter Patrik Adamski betreut bei Bed by night minderjährige Straßenjugendliche.

nicht einmal eine Krankenversicherung hätten. Als ein zentrales Problem wurde das Fehlen spezieller Notunterkünfte für Jugendliche benannt. Die Unterbringung in Mehrbettzimmer mit Erwachsenen sei keine Alternative, da »viele junge Menschen traumatische Erfahrungen (Gewalt im Elternhaus, sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung) durchleben mussten«, heißt es in der Abschlusserklärung. Daher forderten die Unterzeichner die Einrichtung von Jugendnothäusern.

Bett für die Nacht Die Einrichtung Bed by night in Hannover am Welfenplatzbunker ist so eine Unterkunft in der Not für minderjährige Straßenjugendliche. Die bunten Container fallen auf und wecken Neugier, Zutritt ist jedoch nur Mitarbeitern und hilfesuchenden Jugendlichen gestattet. Minderjährige sind auf der Straße besonders gefährdet. Nicht nur weil sie weniger Erfahrung haben und von Sozialleistungen in der Regel ausgeschlossen sind, manche fürchten auch, zu den Eltern zurückgebracht zu werden, wenn sie um Hilfe bitten. In dieser Situation sind sie Gewalt und Missbrauch oftmals schutzlos ausgeliefert. Bei Bed by night können sie erst einmal zur Ruhe kommen. Was sind das für junge Menschen, die hier Hilfe suchen? »Heute kommen Jugendliche aus jeder sozialen Schicht zu uns«, sagt Sozialarbeiter Patrik Adamski. Die Szene habe sich gewandelt, früher entstammten Straßenjugendliche nicht selten der Punkerszene, doch das spiele heute kaum noch eine Rolle. Dafür hat sich die Verweildauer in der Einrichtung erhöht. Blieben die Heranwachsenden vor zehn Jahren noch drei Tage bis vier Wochen bei Bed by night, sind es zur Zeit mehrere

Monate, bis zu einem halben Jahr. Das ist nicht selten ein Hinweis auf größere Schwierigkeiten. Bed by night bleibt dann der letzte Halt vor der Straße. Das Verhältnis zu den Eltern bleibt für die meisten minderjährigen Straßenjugendlichen zentral. Im Guten wie im Schlechten. Dennoch: »Das Tollste wäre es in jedem Fall, wir könnten die Jugendlichen wieder nach Hause gehen lassen«, betont Adamski. Das Elternhaus sei für die Heranwachsenden nicht zu ersetzen. Zuvor müsse jedoch geklärt werden, wovor die Jugendlichen geflüchtet sind. In vielen Fällen kommen typische pubertäre Probleme zum Vorschein, manchmal aber eben auch Fälle wie Missbrauch oder Misshandlung. Können die Ju»Romantische gendlichen nicht zu den Eltern Vorstellungen zurück, werden sie im System vom unabhängiweitergereicht. »Meistens in eine gen Leben verWohngruppe, in schwierigeren blassen schnell Fällen, in denen eine Gruppenfähigkeit nicht gegeben ist, auch in auf der Straße.« eine Wohnung mit Betreuung.« Patrik Adamski Bed by night ist ebenfalls eine niedrigschwellige Einrichtung. »Wir betreiben primär Krisenintervention«, sagt Adamski, »den erhobenen Zeigefinger können wir uns nicht leisten, dann würden wir die Jugendlichen verlieren«. Deshalb arbeiten sie bei Bed by night auch nicht regel- sondern bindungsorientiert. Um überhaupt erst den Kontakt zu den Betroffenen aufzubauen. Ein Prozess, der mitunter beiden Seiten


einiges abverlangt. Ein wichtiger Ansatz ist dabei die Motivation der Jugendlichen. »Die Not ist es, die die meisten hierher treibt«, weiß Adamski. Romantische Vorstellungen vom unabhängigen Leben verblassen schnell auf der Straße. Aber in der Not entsteht eben oft auch erst der Wunsch, etwas an der eigenen Situation ändern zu wollen. Und genau hier können sie ansetzen, bei Bed by night. Den Prozess der Entzauberung beschreibt auch Carolin Hoch, wissenschaftliche Referentin beim DJI in Halle und Mitautorin der Studie über Straßenjugendliche: »Manche Jugendliche fühlen sich anfangs auf der Straße geradezu befreit, weil sie zum ersten Mal Anerkennung bekommen, in eine Gemeinschaft aufgenommen werden.« Doch dieses anfängliche Gefühl lasse schnell nach und verblasse bald gegenüber den Schwierigkeiten, die sich bei einem Leben auf der Straße einstellen.

Lücke im System Doch ist der Weg zur Straßenkarriere in den meisten Fällen ein schleichender. »Die meisten landen nicht direkt auf der Straße, sondern kommen erst bei Freunden unter. So lange ist meistens noch alles besser als Zuhause«, sagt Hoch. Bis der nächste Couchwechsel ansteht, sich aber keine neue Tür mehr öffnet. Das DJI spricht hier von einer Lücke im System. »Bis zum 18. Lebensjahr bemüht sich das Jugendamt um eine angemessene Versorgung der Jugendlichen, aber mit der Volljährigkeit stehen viele junge

Menschen ohne Hilfe da«, sagt Hoch. Nicht jeder 18-Jährige sei aber schon in der Lage, sich allein durchs Leben zu schlagen. Besonders prekär wird die Situation, wenn die Familie weder Sicherheit noch Orientierung zu geben vermag. Tatsächlich könnten die Jugendämter manchen jungen Erwachsenen noch ein paar Jahre länger unter ihre Fittiche nehmen, wenn so etwas wie eine Reifeverzögerung bei ihnen festgestellt würde. Aber dafür müssen die überhaupt erst in den Akten des Amtes auftauchen. Hoch schätzt, dass es eine hohe Dunkelziffer unerkannter Fälle gibt, Jugendliche, die weder in den Ämtern bekannt sind, noch von den Streetworkern gesehen werden. Junge Menschen wie Steffen. Die Studie zeigt auch: Einen Teil dieser Klientel haben die Ämter selbst produziert. Familiäre Schwierigkeiten sind demnach die maßgeblichen Ursachen, die zu einer Straßenkarriere führen können. An zweiter Stelle liegen plötzliche, große Veränderungen im persönlichen Umfeld der Jugendlichen und gleich danach kommen Probleme mit den Behörden. So manche Jugendlichen werden mit einem Jobcenter konfrontiert, das plötzlich Disziplin, Eigeninitiative und ein strukturiertes Vorgehen von ihnen fordert. Von jungen Menschen, deren Problem oft gerade darin liegt, eben genau das nicht gelernt zu haben. Dahinter steht ein Menschenbild aus der neoliberalen Mottenkiste. Demzufolge müssten die Jugendlichen, die nicht im System funktionieren, einfach so lange sanktioniert werden, bis sie sich vor lauter Geldnot selbst integrieren. Aber ein junger Mensch, der schon mit den Anschreiben des Jobcenters überfordert ist (was nicht nur an ihm liegt) und weder weiß, was ihm zusteht, noch was ihm helfen würde, fliegt auf diese Weise einfach aus dem System hinaus. So lange, bis sie dann irgendwann als Erwachsene wieder auftauchen, ohne Ausbildung, ohne Arbeit, ohne Wohnung. Und womöglich mit Problemen, die eine Wiedereingliederung erheblich erschweren.

Foto: Deutsches Jugendinstitut

Versperrte Fluchtwege

Carolin Hoch ist wissenschaftliche Referentin beim Deutschen Jugend­ institut in Halle und Mitautorin einer Studie zu Straßen­ jugendlichen.

Wie schwer es wird, eine Wende zum Besseren einzuleiten, wenn die Hilfe zu spät kommt, zeigt das Beispiel von Gennaro. Er ist noch zwei Jahre jünger als Steffen, sein Weg aus dem Schlamassel dürfte jedoch ungleich schwieriger zu bewältigen sein. Gennaro (der unter seinem richtigen Namen nicht genannt werden möchte) ist in Dortmund aufgewachsen. Die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe war für ihn der Anlass, nach Hannover zu fahren, um den »alten Kreisen« zu entkommen, wie er sagt. »Ich habe viel Mist gemacht, früher. Da ist es schwer, wieder eine Chance zu bekommen.« Gennaro wurde wegen schwerem Raub verurteilt und es war nicht nur eine Verurteilung: »dreimal schwerer Raub, Fahren ohne Führerschein,


kaputt, die Freunde sind alle im Knast oder gerade raus oder müssen wieder rein, so geht das ständig: rein – raus, die kriegen alle nur was auf die Reihe, Schulabschluss und so, wenn sie im Knast sitzen«. Ein zusätzliches Problem sind seine umfangreichen Bewährungsauflagen. Gennaro muss u.a. einen geregelten Tagesablauf vorweisen und dafür Arbeit und eine Unterkunft finden. Außerdem hat er noch 200 Sozialstunden abzuleisten. »Total unrealistisch«, sagt ein Straßensozialarbeiter, der mit dem Fall vertraut ist. »Alles, was er an Arbeit bekommen könnte, verstößt gegen die Auflagen.« Und keine Arbeit zu finden ebenso. Gennaro macht sich keine Illusionen: »Die Bewährung ist meine letzte Chance. Ich kann mir keine Fehltritte mehr erlauben.« Derzeit besteht wenig Anlass zur Hoffnung für ihn. Inzwischen ist eine weitere Straftat aus seiner Vergangenheit aufgetaucht, die ihn die Bewährung kosten könnte. Gennaro weiß, worauf es hinauslaufen könnte. »Wenn ich zwei bis drei Jahre Knast bekomme, kann ich wenigstens eine Ausbildung machen, Maler oder so. Aber muss ich wirklich erst in den Knast gehen, um eine Ausbildung machen zu können?«

Letzte Ausfahrt Solche und ähnliche Karrieren sollen künftig möglichst vermieden werden. Das hat auch das Jobcenter Hannover erkannt und beteiligt sich neben der Region und der Stadt Hannover an der Finanzierung von Aufkurs. »Mit dem relativ neuen Paragraphen 16h hat das Jobcenter ein neues Instrument an die Hand bekommen, um Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. Damit können wir Jugendliche erreichen, die noch nicht in unseren sozialen Hilfesystemen angekommen sind. Das vorrangige Ziel des Jobcenters ist ein gesicherter Lebensunterhalt und eine sichere Wohnung. Das ist aus unserer Sicht die Grundlage, um gemeinsam mit den Jugendlichen berufliche Perspektiven entwickelt zu können«, sagt Stefan Bode, Mitglied der Geschäftsführung des Jobcenters. Dabei ist Aufkurs zunächst nur ein weiterer Flicken im Patchwork des Hilfesystems. Aber ein notwendiger, wie Ahring findet: »Mit unserer niedrigschwelligen Herangehensweise erreichen wir junge Menschen, die andere Angebote nicht annehmen würden. Wir begleiten sie bei ihren ersten Schritten in die Selbständigkeit und helfen ihnen, ihr Leben zu sortieren.« Das ist nicht wenig und es scheint zu wirken. Steffen jedenfalls ist optimistisch. Durch die Hilfe von Aufkurs hat er jetzt eine Wohnung gefunden und ist beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet. Er hofft, eine Ausbildung im Handwerk zu bekommen, eventuell Anlagenmechaniker. »Vielleicht passiert ja jetzt etwas«, sagt Steffen. Ulrich Matthias

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dafür gab es dann zwei Jahre Jugendstrafe, drei auf Bewährung«. Außerdem »waren da noch andere Straftaten, auch Drogen. Aber ich habe eine Therapie gemacht, seitdem habe ich mir nichts mehr zuschulden kommen lassen, auch keine Drogen mehr genommen«. Damit das auch so bleibt, musste er zunächst dem alten Umfeld Lebewohl sagen. Gennaros Clique in Dortmund bestand aus zehn jungen Menschen, »acht von ihnen »Vielleicht sitzen gerade im Knast, die anderen zwei sind auf Bewährung draußen«, passiert ja sagt er. »Man kennt sich, wir sind zujetzt etwas.« sammen aufgewachsen. Ich habe Steffen schon als Zwölfjähriger mit Kiffen angefangen, hatte Probleme in der Schule und auch mit den Eltern. Zuhause bin ich auch schon früh raus, mit 13 Jahren bin ich zu einem Cousin gezogen. In dem Alter denkt man ja gar nicht so darüber nach, was das für einen bedeutet, was man da so macht.« Welche Folgen seine Taten nach sich ziehen, hat er erst spät gemerkt. Deshalb also der Versuch, einen Schnitt zu machen, in einer anderen Stadt neu anzufangen. Doch in Hannover hatte Gennaro »keinen Plan«, wusste nicht, wo er schlafen sollte. »Für meine Altersgruppe gibt es nichts, deshalb bin ich in die Bollnäser [Unterkunft für wohnungslose Männer], wo die ganzen Drogis sind. Dort bekomme ich nur Taschengeld ausbezahlt, nicht mal Hartz IV.« Die Wohnungssuche sei schwierig, weil viele Vermieter niemanden vom Jobcenter wollten. Aber ohne Wohnung sei es auch mit einem Job schwierig, »dazu noch die Vorstrafe und ein schlechtes Abschlusszeugnis habe ich auch«. In der Schule hätten sie nie über die Zeit danach geredet. Als er nach der 9. Klasse von der Hauptschule abging, fühlte er sich alles andere als auf das Leben vorbereitet. »Keine Ahnung, was ich machen sollte, keine Ahnung, was so ein Beruf mit sich bringt, ich wusste nicht einmal, wie das mit Steuern zahlen geht.« Die Schuld sieht er bei der Schule, bei den Lehrern: »Ich wünschte mir, in der Schule hätten sie mehr über die Zukunft geredet, nicht nur den Stoff durchgenommen. Man hätte ja auch mal Smalltalk machen können, uns fragen: Was wollt ihr danach machen?« Das sei jedoch nie passiert. Inzwischen sei alles total verfahren, »das ganze Paket«, so nennt er das. Den Führerschein habe er »wegen Drogen verloren, mit den Eltern ist alles

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KAFFEE MIT KÄSSMANN

WAS WIRKLICH WICHTIG IST Sie ist eine von Deutschlands einflussreichsten Stimmen und Asphalt-Mitherausge­ berin: Margot Käßmann. In ihrem neuen Buch plädiert sie für Besonnenheit in der Coronakrise. Wir sprachen mit ihr unmittelbar vor dem neuem Shutdown. Liebe Margot, dieses nette Café muss nächste Woche schließen, so wie die gesamte Gastronomie. Da stehen uns also wieder viele Einschränkungen bevor: weniger Treffen mit Freunden, nur zwei Haushalte, u.s.w.. Müssen wir uns künftig daran gewöhnen, dass der Staat unser Privatleben derart reglementiert?

zu folgen? Das ist ein sehr sensibler Balanceakt. Ich sehe das an mir selber: bei der Frage, wen ich in meine Wohnung einlade, hat mir der Staat doch gar nicht hineinzuregieren.

Das ist eine schwierige Frage, weil wir in einer Demokratie leben und da gilt es immer, die Waage zu halten: was kann ich selbst verantworten und wo bin ich bereit, den Vorgaben des Staates

Da meldet sich bei mir doch ein gewisser Widerstandsgeist. Ich denke, der Staat muss nicht regeln, wen ich einlade. Das kann mir schon zugetraut werden, dass ich da eigenverantwortlich

Die Ministerpräsidenten Weil und Söder sehen das offenbar anders.


Die Politik hat jetzt diesen Schritt zum Vorsorgestaat gemacht. Muss der Staat künftig allen Risiken vorbeugen? Oder stellt sich irgendwann die Frage, wie viel Risiko – oder zugespitzter – wie viele Tote leisten wir uns denn künftig?

eines Tages, wenn diese Corona-Zeit hinter uns liegt, uns um so mehr freuen und sagen: ich kann endlich wieder jemanden in den Arm nehmen.

Geht das überhaupt: kann man seinen Nächsten lieben, wenn man ihm nicht mehr nahe kommen kann? Doch, ich finde schon. Das Nächstenliebegebot der Bibel heißt nicht: ich möchte körperliche Nähe, sondern es heißt: das Beste für den anderen wollen. Wenn ich weiß, dass meine 84-jährige Tante jetzt Angst vor Infektionen hat und nicht möchte, dass ich sie besuche, dann ist es Nächstenliebe zu sagen: Gut ich verzichte auf den Besuch. Aber wenn diese Tante sagt: mir ist es relativ egal, ob ich an Corona sterbe oder an etwas anderem und ich möchte, dass du mich besuchst, dann hat auch das sein Recht.

Das wäre ja eine zynische Frage. 950.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland. Ich habe eher den Eindruck, dass viele Menschen so tun, als gäbe es überhaupt keinen Tod. Ein Bekannter ist mit einer ganz massiven Krebsdiagnose konfron- Es gibt ja auch Menschen, die allein leben und wenige sotiert. Er hat nicht mehr lange zu leben. Auch das ist Teil des Le- ziale Kontakte haben. Und jetzt gehen wir auch noch alle bens. Aber ganz viele ignorieren, dass es diese Endlichkeit gibt. auf Distanz zueinander. Geht da nicht gerade ganz viel Ich denke, die Pandemie stellt für viele Menschen deshalb auch verloren? eine Erschütterung dar, weil sie plötzlich erleben: das könnte Es ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung an die auch mich betreffen. Andererseits ist das schon eine interes- Menschlichkeit, an die Nächstenliebe. Aber ich habe auch sante Frage, was lasse ich mir verbieten? Ich bin jemand, der ganz viel Nächstenliebe erlebt: zum Beispiel auf meiner JogGesetze, Recht und Ordnung sehr akzeptiert. gingstrecke in der Eilenriede. Da ist so eine Aber ich merke derzeit bei mir selbst: die Pokleine Hütte, in der offenbar regelmäßig ein »Absolute Sicherlitik darf auch nicht zu weit gehen. In einer Obdachloser übernachtet. Im März habe ich heit gibt es nicht. Demokratie sollte das schon der Konsens bemerkt, dass Leute ihm Kaffee mitbrachsein, dass der Staat das grobe Zusammenleten, auch Brötchen, mal wurden zwei Euro Das Leben ist ben regelt, aber ich als Person auch das Recht hingelegt; also da hatte ich das Gefühl, eine lebensgefählich. habe, bestimmte Dinge selbst zu entscheiganze Gemeinschaft kümmert sich um seiDas ist so.« den. ne Versorgung. In Berlin habe ich in einem Mietshaus gewohnt, wo sich die Parteien Kann es sein, dass die Politik derzeit auch aus Unsicher- jetzt erst richtig kennengelernt haben, weil die einen ihre Hilfe beim Einkauf angeboten haben und eine ältere Dame sich daheit lieber einen Schritt zu weit geht, als einen zu wenig? In dem Fall müssten wir der Politik sagen: absolute Sicherheit gibt für mit selbstgebackenem Kuchen bedankt hat. Corona ist nicht es nicht. Das Leben ist lebensgefährlich, das ist einfach so. Politik schön, für viele auch existenziell bedrohlich, aber auch für viele kann keinen absoluten Schutz vor Erkrankung schaffen. Was die eine Einübung in Achtsamkeit. Ich hab gelesen, 49 Prozent der Politik machen kann, ist dafür zu sorgen, dass alle in Kranken- Deutschen wollen jetzt achtsamer sein. Das ist doch auch etwas häusern behandelt werden können. Aber ob du erkrankst und Positives. wie du dich selbst schützt, das ist eine individuelle Frage.

Was macht das eigentlich mit uns als Gesellschaft, wenn wir jetzt lernen, einander als Gefahr anzusehen, auf Abstand zu gehen? Wenn sich das tatsächlich so festigen würde, dann wäre es dramatisch. Ich denke aber, die deutsche Gesellschaft hat sich sehr verändert in den letzten 30, 40 Jahren. Als ich jung war, hat man sich nicht umarmt, Küsschen gegeben; ich empfinde das als schöne Entwicklung. Weil das Bedürfnis zu erkennen ist, Nähe auch körperlich zu zeigen. Ich hab die große Hoffnung, dass wir

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handele. Gleichzeitig weiß ich, für den Schutz der Gemeinschaft ist es notwendig, dass es Regeln gibt und da befinden wir uns in einer ganz sensiblen Situation. Eine Diktatur will bis ins Private bestimmen, wie man lebt, das sind wir aber nicht. Andererseits sind wir aber auch ein Land, in dem Rücksichtnahme notwendig ist. Und dazwischen das rechte Maß zu finden, das ist im Augenblick sehr schwierig.

Solche Geschichten hat man im Frühjahr häufiger gehört, jetzt kaum noch. Ist die Welle der Hilfsbereitschaft schon vorbei? Hat die Krise uns vielleicht erschöpft? Ich denke mal, der Mensch kann sehr viel aushalten. Das weiß ich von meiner Familie, die den zweiten Weltkrieg mitgemacht hat, meine Mutter war im Internierungslager, meine Großmutter musste aus Pommern flüchten. Also der Mensch ist sehr belastbar, jedenfalls wenn er in guten Beziehungen lebt und sich in diesen Beziehungen geborgen fühlt. Da zeigt sich auch: Familie, Freundschaft, Solidarität, Glaube, das sind Werte, die

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KAFFEE MIT KÄSSMANN

in so einer Krise halten, und sie retten auch vor suizidalen Gedanken, vor Verzweiflung, vor Verzagtheit. Ich habe schon den Eindruck, dass viele Menschen, denen es in der ersten Phase der Pandemie noch recht gut gegangen ist, jetzt doch ziemlich deprimiert sind. Wieder ist das Theater geschlossen, wir können wieder nicht ins Restaurant. Da zeigt sich einmal mehr: Am Ende ist alles das, was wirklich wichtig ist, nicht käuflich. Und das ist vielleicht die gute Nachricht, dass wir das wieder neu lernen: wir können Beziehungen nicht kaufen, wir können Freundschaften, Liebe, Vertrauen, Verlässlichkeit nicht kaufen. Das sind ganz andere Investitionen, als solche mit Geld. Ich denke, wir sollten gerade in so einer Zeit mehr das Positive sehen. Ich beispielsweise habe lange Zeit nicht mehr so viel gekocht, wie heute.

Das Positive an der Krise zu sehen, fällt nicht jedem leicht … Mag sein, aber es könnte ja auch gerade der Augenblick sein, um uns zu fragen: Wo finde ich jetzt Halt? Für mich ist es der christliche Glaube, für andere der muslimische, hinduistische, jüdische. Vielleicht bieten die Einschränkungen im Gefolge der Pandemie uns jetzt auch die Gelegenheit zum Nachdenken, was ist eigentlich die Quelle meiner Lebenskraft, was ist meine Orientierung im Leben?

Ist diese Krise für Jugendliche, die noch nicht so fest im Leben stehen, nicht noch eine ganz andere Herausforderung? Das ist sicher so, aber vielleicht hat das ja auch sein Gutes! Neulich sagte eine meiner Töchter zu mir: Jetzt müssen die Kinder auf so viel verzichten. Aber ein vorübergehender Verzicht muss ja gar nicht so schlecht sein. Wenn wir auf etwas verzichten müssen, lernen wir auch, es viel mehr wertzuschätzen. Zum Beispiel die Möglichkeiten, die wir in diesem Land haben, auf unserem Kontinent, anders als die Menschen im Kongo, in Bolivien. Vielleicht wächst da eine Generation heran, die viel mehr Wertschätzung hervorbringt, für die Möglichkeiten, die sie vorfinden. Und vielleicht bewerten sie auch neu, was ihnen wichtig ist. Die Generation meiner Eltern war so dankbar, im Frieden leben zu können, ohne Krieg. Vielleicht ist die Generation meiner Kinder und Enkel einmal besonders dankbar, ohne Infektion leben zu können?

Haben wir uns vielleicht schon zu sehr an Frieden und Sicherheit gewöhnt? Anfangs dachten ja viele, bei unserer Technik heutzutage, finden wir schnell einen Wirkstoff und jetzt ist schon fast ein Jahr mit Corona herum. Ich denke schon, das ist für viele auch eine emotionale Vollbremsung, zu erkennen: es ist nicht alles machbar. Ich bin nicht die Herrin meines Lebens, sondern da gibt es Kräfte, denen ich

mich beugen muss. Das ist auch eine Demutserfahrung, eine Erschütterung, aber für manche auch der Abschied vom Machbarkeitswahn. Doch wie gesagt, andere Generationen haben da noch ganz andere Erschütterungen gehabt.

Nun erzählen ältere Generation oft, früher sei es alles noch viel schlechter gewesen … So nach dem Motto: Großvater erzählt vom Krieg? Nein, ich denke, das geht nicht. Man kann Corona nicht damit abtun, dass es heißt, früher war es noch viel schlimmer. Aber eine Krise ist auch eine Lebenserfahrung, die einen im Leben stärker machen kann. Nicht um die Krise schön zu reden. Für die jungen Leute und ihre Pläne ist das schon eine Vollbremsung. Was ich mir jedoch wünsche, ist, dass wir nicht aus dem Blick verlieren, wie es anderen geht. Ich war letztes Jahr als Botschafterin des Kinderhilfswerks terre des hommes in Indien. Dort gibt es viel Textilindustrie und die jungen Arbeiterinnen haben von heute auf morgen ihre Arbeit verloren, obwohl die ohnehin schon unter schrecklichen Bedingungen erfolgt. Da gibt es keine Absicherung, keine Arbeitslosenversicherung, keine Krankenversicherung, gar nichts.

Meinst du, das trägt, zu sagen, was hier im Moment passiert, ist zwar richtig mies, aber im Vergleich zu anderen kommen wir noch mit einem blauen Auge davon? Wenn daraus eine Haltung der Dankbarkeit neu wachsen würde, das fände ich schon ganz wünschenswert. Weil ich den Eindruck habe, viele in diesem Land merken gar nicht mehr, in welchem Privileg wir leben, in welcher privilegierten Blase zum Teil. Wenn Achtsamkeit, Dankbarkeit und auch Solidarität wachsen, dann wäre die Krise wirklich etwas wert gewesen. Viele leben so isoliert in ihrer kleinen Welt und sehen das andere gar nicht.

Droht vielen nicht auch, dass sie in dieser Krise vergessen werden? Ja doch, etlichen. Da sind einerseits die Alten in den Pflegeeinrichtungen, die gar nicht oder nur eingeschränkt besucht werden dürfen. Das finde ich grausam. Aber dann gibt es auch diejenigen, die nicht in Heimen, sondern schlicht allein leben, die öfter ins Café gegangen sind, sich dort mit Freunden getroffen haben. Für die ist das auf einmal alles weg, jeder soziale Kontakt ist ihnen verloren gegangen. Und dann denke ich an die Kinder. Der Staat kann nicht einfach sagen: bleibt alle zuhause und macht die Türen zu und keiner weiß, was da hinter diesen Türen passiert. Das war auch eine Lektion aus dem ersten Lockdown, dass nicht einfach die Kitas und die Schulen geschlossen werden dürfen, ohne zu fragen: Wie geht es diesen Kindern? Können sie überhaupt zuhause lernen? Bekommen sie regelmäßig eine Mahlzeit, wenn nicht in Kita oder Schule und angesichts


Mit meiner Lebenserfahrung von nunmehr 62 Jahren kann ich sagen, dass der Mensch am liebsten analog kommuniziert. Ich mache das mit, ich habe das jetzt gelernt, aber so eine Konferenz, bei der Menschen sich begegnen, wo wir einen Kaffee zusammen trinken und feststellen, ob wir uns gegenseitig mögen, das ist doch was ganz anderes. Menschen kennenlernen, in Persona, das kann das Digitale nicht ersetzen.

Du bist da ziemlich optimistisch … Ach, wir wissen doch von Berichten aus diesen Onlineangeboten zur Partnersuche, dass die Leute beim Chatten denken: Oh, wir verstehen uns ja supergut. Jedenfalls so lange sie online kommunizieren, E-Mails austauschen oder Whats-App-Nachrichten. Aber dann treffen sie sich im Café und stellen fest: uh, das funktioniert nicht. Ich selber habe es noch nicht gemacht, aber von diesen Erfahrungen erzählen mir inzwischen viele Leute. Ich finde, es ist richtig, die neuen Medien zu nutzen, wo sie hilfreich sind. Aber sie können die analoge, wirkliche Welt niemals ersetzen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

»Die Krise ist eine Erschütterung. Aber sie lehrt uns auch Wertschätzung und Achtsamkeit.« geschlossener Tafeln. Das hat mich richtig umgetrieben, wenn ich die rot-weißen Bänder gesehen habe, mit denen Spielplätze abgesperrt waren.

Manche sehen ja in der Digitalisierung einen Ausweg. Dann treffen wir uns eben online. Kann das funktionieren? Also, ich habe in dieser Zeit persönlich viel gelernt. Wir hatten da zum Beispiel eine World Religious for Peace – Zoomkonferenz. Da sagt der erste Teilnehmer guten Abend, die nächste guten Morgen aus New York und ich selbst befinde mich in der Mittagszeit. Und wir schaffen es trotzdem, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen. Das funktioniert also. Nun werden sogar Gottesdienste gestreamt. Das haben sich viele vorher überhaupt nicht zugetraut. In dieser Hinsicht haben die Kirchengemeinden viel gelernt und wenn ich mit Schulklassen ein Zoom-Meeting habe oder eine Konferenz mit der Boschstiftung, dann stelle ich fest: das geht. Mit ausreichend Disziplin und Lernbereitschaft. Technik ist immer ambivalent und die Digitalisierung ist nicht die Lösung aller Probleme, aber sie kann hilfreich sein.

Es gibt Stimmen, die befürchten, die langwährenden Kontaktbeschränkungen könnten womöglich zu einer Art neuer Prüderie führen, in ein neues Biedermeier. Nein, das glaube ich nicht. Ich war ja auch mal jung und weiß, das hat der liebe Gott den jungen Leuten so mitgegeben: die wollen schon real zusammen sein – die Älteren übrigens auch. Und das sehen wir ja jetzt auch daran, wenn sie sich treffen, obwohl sie nicht sollten. Ich kann das übrigens schon verstehen.

Ist das nicht auch ganz gesund, wenn die Jungen mal über die Stränge schlagen? Ich finde, wir Älteren sollten da besser ein freundliches Auge drauf haben. Ich habe Verständnis für die jungen Leute. In meiner Jugend habe ich auch nicht nur sinnvolle Sachen gemacht. Die Jungen tun mir in dieser Situation auch leid. Aber vielleicht können sie auch eines Tages sagen: wir sind die Corona-Generation. Wir haben gelernt, was das bedeutet, wenn wir uns nicht einfach so treffen können. Umso mehr wertschätzen wir das jetzt. Wenn eines Tages die Krise beendet ist, wird es mehr Achtsamkeit und mehr Wertschätzung geben, auch mehr Dankbarkeit, das ist meine Hoffnung. Und dann freuen wir uns alle, dass die jungen Leute sich wieder treffen können, ohne Beschränkung. Und wir Alten auch ;-).

Vielen Dank für das Gespräch. Interview: Ulrich Matthias | Fotos: Selim Korycki

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Befürchtest du nicht, dass sich manche gleich ganz in virtuelle Welten flüchten?

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BRIEFE AN UNS

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Zu Asphalt 10/20 »Symbole sind wichtig«

Zu Asphalt 10/20 Allgemein

Klare Kante zeigen

Großes Lob

Vielen Dank für das Interview mit Ministerpräsident Weil. Ich finde wirklich gut FABRIKEN ZU WOHNRAUM und richtig, dass Herr Weil sich klar zum Antifaschismus bekennt. Ein Ministerpräsident muss klare Kante zeigen. Später aber spricht aus ihm das Prinzip Hoffnung, wenn er betont, man habe noch keinen solchen Fall wie in Hessen mit dem NSU 2.0 bei der hiesigen Polizei gehabt. Können wir uns darauf verlassen? Ist das eine niedersächsische Besonderheit oder politische Leistung? Oder haben wir vielleicht nur das Glück, oder nein, das Pech gehabt, dass so etwas bei der hiesigen Polizei noch nicht aufgeflogen ist? Ein bisschen mehr Engagement als eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hass im Netz einzurichten, sollte es meiner Meinung nach schon geben. Warum zum Beispiel ist der Antisemitismusbeauftragte in Niedersachsen nur ein Ehrenamt? Wiebke Malkow, Hannover MIT BETEILIGUNG

OHNE ANGST

GEGEN ÜBERFLUSS

Bauen auf Industriebrachen: Anwohner fordern Mitsprache

Rechtsextremismus: MP Weil bezieht Position

Weniger ist mehr: Anne Weiss über Minimalismus

Zu Asphalt 10/20 Das muss mal gesagt werden

Auf den Punkt Dieser Beitrag hat die derzeitige Corona-Situation genau auf den Punkt gebracht. Bitte übermitteln Sie Frau Powser meinen Glückwunsch und ich werde auch in Zukunft ihre Beiträge weiterverfolgen. Willi Heise, Sehnde

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Es ist jetzt das zweite Mal, dass ich Ihre Zeitung lese und kann nur ein großes Lob aussprechen. Es ist von mir alles gelesen worden und das ist echt ein Wunder, sonst lese ich nicht so viel. Auch der Verkäufer ist überaus freundlich und nett. Toll, macht bitte alle weiter so. Ich freue mich schon auf die nächsten Ausgaben. Danke. Holger Seifert, Hannover

Zu Asphalt 10/20 Allgemein

Menschen ein Gesicht geben Ich wohne in Schleswig-Holstein und kaufe hier regelmäßig das Pendant zu Ihrem Magazin, die HEMPELS. Daher war ich neugierig auf Ihr Magazin und als ich am Wochenende zu Besuch in der Nähe von Hannover war, habe ich mir die neuste Ausgabe gekauft. Das Magazin hat mir sehr gut gefallen und ich möchte Ihnen daher an dieser Stelle ein Lob aussprechen! Es ist toll, dass dieses Prinzip so flächendeckend funktioniert und sowohl regionale als auch generell-informative Berichte veröffentlicht werden können. Außerdem finde ich es sehr wichtig, den Menschen ein Gesicht zu geben, aus dem Leben zu erzählen und auf diese Weise auch Selbstbewusstsein zu schenken. Weiter so! Fabian Bellinghausen, Schleswig


Zu Asphalt Allgemein

Lebenswerter Stadtteil

Ausweise

An diesem interessanten Artikel irritiert mich die pauschale Aussage »Problemviertel vor der Haustür wie Mühlenberg«. Unbestreitbar ist, dass in der Stadtentwicklung unbedingt auf eine angemessene soziale Struktur geachtet werden muss und dass es in Teilen des Mühlenbergs diesbezüglich Fehlentscheidungen gab. Mühlenberg jedoch pauschal als Problemviertel zu bezeichnen ist stigmatisierend und demotivierend für die Menschen, die dort leben. Mühlenberg ist vielfältig und nicht nur ›problembehaftet‹: Es gibt dort durchaus bürgerliche Wohngegenden, viele Grünflächen, einen hervorragenden Sportverein und eine sehr gute Anbindung im ÖPNV. Dies sind nur einige Beispiele, die den Stadtteil lebenswert machen. Als Fazit hätte ich mir also hinsichtlich des Bezugs auf Mühlenberg mehr Differenzierung gewünscht. Berit Waschner, Ronnenberg

Sie schreiben, dass man nur bei Verkäufer*innen mit bestimmtem farbigen Ausweis die Zeitschrift kaufen sollte. Nun ist dieser Hinweis aber leider auf den letzten Seiten. Ich kann ihn also erst lesen, wenn ich die Zeitung schon gekauft habe. Wäre es nicht sinnvoller, wenn das Deckblatt darauf hinweisen würde? Trotzdem super Zeitung und unbedingt weiter so!! Ute Pallentin, Hannover

Zu Asphalt 10/20 Piquards »Heilnahrung«

Kein Kochrezept Man kann nicht behaupten, dass dieser Gastbeitrag ein Kochrezept liefert. Eher schrammt er haarscharf an Corona-Verleugnung vorbei – man bekommt den Eindruck, auch Herr Piquardt könnte ein Maskenmuffel sein. Ich empfinde es momentan nicht als hilfreich, solchen Leuten noch eine Plattform zu bieten. Nach dem Lesen dieses Artikels war ich wirklich unangenehm berührt, so etwas in ihrem Magazin zu finden. Der (konfus wirkende) Beitrag steht übrigens auch konträr zu Ihrer Aussage aus der Glosse dieses Heftes (Sehr schön auf den Punkt gebracht!). Matthias Bracht, Hannover

Zu Asphalt Allgemein

Jeder Artikel lesenswert Seit vielen Jahren habe ich den TagesSatz gekauft, später immer seltener bis gar nicht mehr. Dem Verkäufer habe ich seinen Anteil (mit schlechtem Gewissen) gegeben. Ich habe mir immer gewünscht, dass diese Zeitung vielfältiger in der Themenwahl wird. Da sehe ich den Verkäufer mit »Asphalt/TagesSatz« – endlich die Zeitung, die ich mir immer gewünscht habe. Jeder Artikel ist lesenswert, und ich hebe die Zeitungen alle auf. Ein Gewinn auch für den Verkäufer, meine ich. Gut finde ich auch die Diskussion der Leser u.a. zu Fleisch als »Grundnahrungsmittel«. Solche Beiträge können zu neuen Erkenntnissen führen, z.B. dass Fleisch kein Grundnahrungsmittel ist. Heute ist eine fleischlose Mahlzeit mit den vielen Rezeptvorschlägen und leckeren »Ersatz«-Nahrungsmitteln vollwertig und sehr schmackhaft zu bereiten. Das war nicht immer so, ich bin seit über 40 Jahren Vegetarierin, zeitweise Veganerin, (Tierquälerei und Umweltzerstörung haben eine lange Geschichte) da war so eine Ernährungsumstellung noch komplizierter, Bioprodukte waren noch in den Anfängen. Irene Ganser, Kassel

Vielen Dank für Ihre Meinung! Die Redaktion behält sich vor, Briefe zur Veröffentlichung zu kürzen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Absenderadresse anzugeben. Leserbriefe an: redaktion@asphalt-magazin.de oder postalisch: AsphaltMagazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover. Zuletzt: Briefe, die Diffamierungen, Drohungen o.ä. enthalten, drucken wir nicht ab. Diese Qualitätskontrolle können wir uns im Print noch leisten.

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Zu Asphalt 10/20 Fabrik wird Stadtteil

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Magnet-Set »Fuchs & Co.« Die nützlichen Organisationshelfer für den Kühlschrank oder die Magnet-Pinnwand

96-Fan Lasse findet Stammzellspender

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AUS DER SZENE

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NICHT ALLEIN UNTERM BAUM

18 Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände sowie Beratungs- und Hilfestellen laden an Heiligabend und zwischen den Jahren ein. Offene Angebote für Wohnungslose Kontaktladen »Mecki« Raschplatz 8c 23.12.: 8 – 11 Uhr 24.12.: 8 – 12 Uhr 28. – 30.12.: 8 – 11 Uhr 02.01.: 8 – 10 Uhr Arbeitsgemeinschaft Resohelp – Hilfe für Haftentlassene Berliner Allee 8 23.12.: 9 – 11 Uhr 28. – 30.12.: 9 – 11 Uhr Zentrale Beratungsstelle Berliner Allee 8 23.12.: 9 – 11 Uhr 28. – 30.12.: 9 – 11 Uhr Szenia – Tagestreff für Frauen Volgersweg 8 23.12.: 13 – 16 Uhr 24.12.: 9 – 12 Uhr 28. – 29. 12.: 9 – 14.30 Uhr 30.12.: 13 – 16 Uhr Treffpunkt Kötnerholzweg Kötnerholzweg 9 23.12.: 9 – 12 Uhr, 13 – 15 Uhr n. V. 25.12.: 10 – 14 Uhr 28. – 30.12.: 9 – 12 Uhr, 13 – 15 Uhr n. V.

Tagesaufenthalt Nordbahnhof Schulenburger Landstraße 34 23.12.: 12.30 – 17.30 Uhr 25.12.: 10 – 14 Uhr 27. – 30.12.: 12.30 – 17.30 Uhr Tagestreffpunkt »DüK« Berliner Allee 8 23.12.: 9 – 14 Uhr 28. – 29.12.: 9 – 14 Uhr 30.12.: 9 – 12.30 Uhr »Saftladen« Podbielskistr. 136 23.12.: 12 – 16 Uhr 28.12.: 10 – 17 Uhr 29.12.: 10 – 14 Uhr 30.12.: 12 – 16 Uhr Caritas Leibnizufer 13-15 23.12.: 8.30 – 17 Uhr 28.12.: 8.30 – 13 Uhr 29.12.: 13 – 16 Uhr 30.12.: 8.30 – 17 Uhr »Kompass« Lister Meile 2 23.12.: 9.30 – 12.30 Uhr 27.12.: 9.30 – 16 Uhr 28.12.: 9.30 – 12.30 Uhr 29.12.: 9.30 – 16 Uhr 30.12.: 9.30 – 12.30 Uhr 02.01.: 9.30 – 16 Uhr

Weihnachtsstuben am 24.12. Vahrenwalder Kirchengemeinde Vahrenwalder Straße 109 (Vahrenwald) Anmeldung bis 22.12. 18 – 21 Uhr, Anmeldung: 3 50 66 36

Kommunaler Seniorenservice Hannover Begegnungsstätte für Senioren Rodewaldstr. 17 (Kleefeld) 14 – 16 Uhr, Anmeldung: 168 – 4 36 84

Titusgemeinde Weimarer Allee 60 (Vahrenheide) 18 – 21 Uhr, Anmeldung: 63 26 09

Diakonisches Werk Zelt auf dem (Mitte) HansLilje-Platz 15 – 18 Uhr, Anmeldung: 36 87-0

Johanniter »Wohncafe« Pfarrlandstraße 5 (Linden-Nord) 14 – 15.30, 16-17 Uhr, Anmeldung: 2 13 42 41

Ka:punkt Grupenstraße 8 (Mitte) Infos unter www.ka-punkt.de

Stadtteilladen Stöcken Ithstraße 8 (Stöcken) Anmeldung bis 18.12. 16.15 – 17 Uhr, Anmeldung: 0163 – 4 58 11 55 Privatinitiative in Firma Gundlach Seniorenwohnanlage Friedrich Otto Warburghof 1 (Groß-Buchholz) 16 – 21 Uhr, Anmeldung: 0176 – 51 12 86 43

SOS Bistro Neues Land e.V. Steintorfeldstr. 4 A (Mitte) 16 – 17.30 Uhr, 18.30 – 20 Uhr, Anmeldung: 9 99 26 99 Drogenkontaktcafé Neues Land e.V. Bauwagen (Mitte, unter Raschplatzbrücke) 16 – 20 Uhr, Anmeldung: 9 99 26 99 Misburger Begegnungsstätte Waldstr. 9 (Misburg) 14 – 16 Uhr, Anmeldung: 168 – 4 67 25

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Foto: Nordenham Marketing & Touristik

FESTUNG IN DER WESER Wasserstraße 5298, Außenweser – das ist die offizielle Anschrift von Langlütjen II. Eine künstliche Insel, fast oval und kaum größer als zwei Fußballfelder. Und eine Insel mit besonderer Geschichte. Zweimal war ich in meinem Leben auf Langlütjen II, ziemlich oft, wenn man bedenkt, dass dieses Eiland in der Wesermündung vor Bremerhaven eigentlich nicht betreten werden darf. Und dass es geradezu lebensgefährlich ist, es auf eigene Faust zu versuchen, wenn man sich in dieser feuchtgrauen Gegend nicht auskennt. Deshalb habe ich mich beim ersten Mal – das war vor gut 20 Jahren – Theodor Köhne anvertraut. Köhne arbeitet als geprüfter Wattführer, seit 1986 schon. Seine Touren starten am Deich von Tettens, einem alten Wurtendorf mit reetgedeckten Häusern. Der große Vorteil: Köhne kennt sich aus mit den Gezeiten, weiß also, wann man sich gefahrlos auf den Weg machen kann. Und was noch viel wichtiger ist: Köhne kennt jeden Priel, also jeden Wasserlauf im Watt. Fast fünf Stunden dauerte die Tour, bei der wir durch tiefen Schlick wa-

ten mussten und den Kleineren unter uns im tiefsten Priel das Wasser fast bis zum Hals stand. Von Köhne erfuhr ich, dass Langlütjen II ein künstliches Eiland ist und in den Jahren von 1872 bis 1876 auf Eichenholz­ pfählen errichtet wurde. Langlütjen II war eines von vier Forts, mit denen der Norddeutsche Bund unter Führung Preußens die Wesermündung sichern wollte. 100 Mann Besatzung sollten hier bis zu vier Monate autark leben können. Auf der Insel gab es drehbare Panzertürme mit riesigen Kanonen von Krupp, 28 cm-Geschütze. Die sind dann aber ziemlich schnell eingerostet, so Köhne. »Man muss davon ausgehen, dass die Dinger nie im Einsatz waren. Hier ist einmal geschossen worden und dann nie wieder.« Die Kanonen sind längst weg, sie wurden nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten demontiert.


Foto: W. Stelljes

Durchs Watt nach Langlütjen II Wattführer Theodor Köhne bietet seine Touren nach Langlütjen II auch im Sommer 2021 im Rahmen der »Nordenhamer Stadtrundgänge« an. Die Zeiten wechseln, denn die Tour ist tideabhängig, auch muss das Wetter mitspielen. Anmeldungen und weitere Infos: Nordenham Marketing & Touristik e.V., Telefon 04731 – 9 36 40, www.nordenham.de.

Decken, bröckelte das Ziegelmauerwerk. Das Licht unserer Taschenlampe fiel auf eine Wand, auf der jemand SS-Runen hinterlassen hatte. Offenbar nutzten Neonazis die Insel als Abenteuerspielplatz. All das wirkte besonders makaber, weil die Nationalsozialisten Langlütjen II schon kurz nach ihrer Machtübertragung als sogenanntes Schutzhaftlager genutzt hatten. Es wurde am 9. September 1933 eingerichtet – für Häftlinge, die zuvor im KZ Mißler in Bremen-Findorff untergebracht waren, also mitten im Stadtgebiet. Nach Langlütjen II kamen die, »die wegen ihrer politischen Tätigkeit und ihrer Einstellung gegen den nationalen Staat als besonders gefährlich anzusehen sind«, so ein Bericht in der bereits gleichgeschalteten Presse. Isoliert wurden hier Dutzende von Männern, darunter auch der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Gerhard van Heukelum, der spätere Oberbürgermeister von Bremerhaven. Langlütjen II hatte für die Gestapo einen entscheidenden Vorteil: Abgelegener konnte ein Lager kaum sein. Und doch ließ sich nicht verheimlichen, was hier geschah. So sollen die Schreie von misshandelten Gefangenen weit zu hören gewesen sein. Und wenn sich ein Boot der Insel zu sehr näherte, fielen Schüsse. Ein Häftling ertrug die Schikane nicht und nahm sich das Leben. Es dauerte nicht lange, und die Leute sprachen von der »Teufelsinsel« oder dem »KZ unter dem Meer«. Am 25. Januar 1934, nach nicht einmal fünf Monaten, lösten die Nationalsozialisten das KZ Langlütjen II wieder auf. Christoph Gerecke, der junge Landwirt aus der Nähe von Cuxhaven, kannte die Geschichte des Lagers und wollte aus Langlütjen II ein »Museum und Mahnmal« machen. Doch den Zuschlag bekam im Januar 2006 ein anderer: der Bremer Kaufmann Jens-Torsten Bausch. Sein Plan: Ein Hotel mit Blick über das Watt und auf den Containerterminal in Bremerhaven. Und dazu ein »Dokumentationszentrum«, das über den Nationalpark, aber auch die Schrecken der Nazi-Herrschaft informiert. Der neue Eigentümer investierte eine Menge Geld, um das Ufer der Insel zu sichern, zu groß war die Gefahr einer Überflutung. Bis heute dient Langlütjen II dem Küstenschutz. Eine touristische Nutzung, wie sie Jens-Torsten Bausch vorschwebt, steht allerdings nach wie vor in den Sternen – zu sehr reibt sich das Vorhaben mit dem, was Ämter und Behörden für die Insel vorsehen. Und so ist er inzwischen »ein wenig mutlos«, was die Realisierung des Projekts betrifft, sagt Bausch. »Im Moment ruht es.« Es ist eine Ruhe, von der zumindest die Vogelwelt profitiert. All jene, die sich vor Ort einen eigenen Eindruck verschaffen möchten, vertrauen sich am besten Theodor Köhne an (siehe Kasten). Er darf weiter Besuchergruppen nach Langlütjen II führen. Ganz oft wird sich der inzwischen 81-Jährige allerdings nicht mehr auf den Weg machen. Ein paar mal noch will er sich im nächsten Jahr den grauen Schlick von den Füßen spülen. Und dann, sagt Köhne, müssen andere ran. Wolfgang Stelljes

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Geblieben ist das Mauerwerk. Und an dem nagte der Zahn der Zeit, vor allem Sturmfluten setzten der Insel zu. Theodor Köhne befürchtete gar, dass sie eines Tages ganz von der Landkarte verschwinden könnte. Das zweite Mal näherte ich mich Langlütjen II im Herbst 2005. Zu dieser Zeit machte die Insel überregional Schlagzeilen, weil der Bund – genauer: die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Nebenstelle Oldenburg – sie verkaufen wollte. »Zum Verkauf stehen zwei einzigartige Inseln, auf denen sich ein Stück deutscher Geschichte mit der Frische der Nordsee»Hier ist einmal luft vermengt«, hieß es etwas blumig im Verkaufsexposé. Die geschossen Sache hatte allerdings einen worden und dann Haken: Beide Inseln »liegen nie wieder.« inmitten des Nationalparks Theodor Köhne Niedersächsisches Wattenmeer in der Wesermündung«. Noch dazu schränkte der Denkmalschutz die Nutzungsmöglichkeiten deutlich ein. Es handele sich um »eine einzigartige militärische Anlage in Deutschland aus der Mitte des 19. Jahrhunderts«, hatte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege bereits 1996 mit Blick auf Langlütjen II festgestellt. Und doch gab es eine ganze Reihe von Kaufinteressenten. Einer von ihnen war Christoph Gerecke, ein junger Landwirt aus der Nähe von Cuxhaven. Ihn konnte ich 2005 zusammen mit einem Fernsehteam auf die Insel begleiten, das Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven setzte uns mit einem Boot über. Die Insel präsentierte sich in einem traurigen Zustand. Auf den ersten Blick wirkte sie grün, Birke, Schafgabe, Holunder und Glockenblumen hatten hier eine Heimat gefunden. Doch aus dem Grün ragten Mauerreste. Überall lag Schutt herum. Unten, in den dunklen Kasematten mit ihren gewölbten

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»WÜRDE ZURÜCKGEBEN« Foto: CDU-Ratsfraktion/Steffen Wuttke

Zu Beginn der kalten Jahreszeit setzt die Stadt wohnungslose Menschen auf die Straße. Mit Unverständnis reagieren nicht nur Sozialverbände, sondern auch die Politik. Wir sprachen mit Jens Seidel, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat Hannovers.

Herr Seidel, es wird Herbst und die Stadt entlässt die Bewohner des Naturfreundehauses wieder in die Obdachlosigkeit. Haben Sie dafür Verständnis? Nein. Die Unterbringung war sowohl in der Jugendherberge als auch im Naturfreundehaus von vorneherein befristet – das war allen Beteiligten klar. Man hätte also mehr als genug Zeit gehabt, nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten für diese Menschen zu schauen.

Von Seiten der Stadt heißt es, es gäbe genügend Notschlafplätze. Es mag sein, dass es rein zahlenmäßig genügend Notschlafplätze gibt. Aber diese Unterkünfte werden von den betroffenen Personen gemieden. Sei es, weil es dort zu Diebstählen und körperlichen Übergriffen kommt. Sei es, weil eine Einzelunterbringung nicht möglich ist, was in Corona-Zeiten ja äußerst wünschenswert wäre. Die CDU-Ratsfraktion hat sich schon im letzten Jahr dafür eingesetzt, dass es abschließbare Spinde gibt, das Sicherheitspersonal aufgestockt wird und Hunde mitgebracht werden dürfen.

Stattdessen will die Stadt in Ahlem einen Tagestreff einrichten. Grundsätzlich eine löbliche Idee. Meiner Meinung nach aber auch genausoweit weg von der Realität, wie die Situation in den Notschlafunterkünften.

Inwiefern? Fakt ist, dass die zentral gelegenen Tageseinrichtungen wegen der Hygiene- und Abstandsregeln deutlich weniger Personen versorgen können. Insofern halte ich die Öffnung eines weiteren

Tagestreffs für hilfreich. Aber doch nicht in Ahlem! Die obdachlosen Personen halten sich aller Regel nach in der Innenstadt, am Bahnhof auf. Es war in der Vergangenheit schon schwierig genug, sie dazu zu bewegen, entlegenere Unterkünfte wie die am Alten Flughafen, aufzusuchen. Im letzten Winter wurde für den Transport eigens ein Bus-Shuttle eingerichtet und – auf unsere Initiative hin – vermehrt Fahrkarten für Bus und Bahn ausgegeben. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass eine wohnungslose Person am Alten Flughafen nächtigt und sich dann nach Ahlem bewegen muss, um sich dort tagsüber mit Kleidung und Nahrung zu versorgen oder einfach nur aufzuwärmen – frage ich mich, wie es wohl um den Auslastungsgrad dieser Tageseinrichtung bestellt sein wird. Deutlich klüger wäre es gewesen, sich um eine zentral gelegene Immobilie zu bemühen oder aber Tagesaufenthalte in der Nähe von Notschlafunterkünften einzurichten.

Welche Möglichkeiten hätte die Stadt denn da Ihrer Ansicht nach? Zunächst einmal: Nach gefestigter Rechtsprechung widerspricht die Unterbringung in Notschlafstellen als Massenquartier der Menschenwürde und ist rechtswidrig. Es stünde uns allen gut zu Gesicht, diese Praxis zu ändern und den obdach- und wohnungslosen Menschen in unserer Stadt ein wenig Würde zurückzugeben. Und die Möglichkeiten dazu sind vorhanden. Es gibt genügend leer stehende Immobilien im städtischen Besitz. Eine davon war sogar bis April des Jahres bewohnt und müsste nicht aufwändig umgebaut werden. Das Objekt wäre von jetzt auf gleich nutzbar.

Offenbar wird die Dringlichkeit in der Stadtspitze nicht so gesehen. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sollte die Hilfsbereitschaft der Stadtgesellschaft sehr ernst nehmen. Er sollte dafür sorgen, dass diese Hilfsbereitschaft auch von der Stadtverwaltung unterstützt wird. Das Durcheinander der Zuständigkeit innerhalb der Verwaltung muss zudem endlich aufhören. Darum werden wir den Antrag stellen, die Zuständigkeit für die Unterbringung wohnungsloser Menschen vom Bau- ins Sozialdezernat zu verlagern. Die Dezernate sind gerade an der Spitze neu besetzt, daher wäre es jetzt die richtige Zeit, das neu zu ordnen. Und zwar so, wie es in anderen Städten längst der Fall ist.

Vielen Dank für das Gespräch. Interview: U. Matthias


Es geht schon wieder los! In drei Läden war ich – vergeblich! Ist Deutschland noch zu retten? Kaum fordert uns die Regierung auf, zurückhaltender im Umgang mit anderen Leuten zu sein, kaufen sie – die Leute – Toilettenpapier, als stünde ein jahrelanges Verbot, die Wohnung zu verlassen, bevor. Ich konnte es kaum glauben, aber dann kam mir diese Idee. Wer mich kennt weiß, dass ich Freunde habe, die eine Gastronomie betreiben. Und die mussten – wie alle anderen auch – schließen. Was, wenn die nun, anstatt Speisen außer Haus, Toilettenpapier außer Haus anbieten würden? Gastraum, Küche, Toiletten, Flure – nichts wird zurzeit gebraucht. Lagerkapazitäten sind also vorhanden. Das Personal könnte mit Einlagerung, Verkauf und Koordination der Wartenden beschäftig werden und evtl. einschreiten, wenn es zu Handgreiflichkeiten im Kampf um die besten Plätze kommt. Ich will es ihnen mal vorschlagen und dann in der nächsten Asphalt-Ausgabe berichten, wie erfolgreich die Aktion war. Wenn allerdings ganz Hannover bereits flächendeckend mit Klopapier versorgt sein sollte, stand es sicherlich schon in der Bild-Zeitung! Ach ja, fast hätte ich es vergessen: bald ist Weihnachten. Ein besinnliches und »gesundes« Weihnachtsfest wünscht allen Leserinnen und Lesern

Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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»ANGEKOMMEN« Aus dem Leben: Im Gespräch mit Asphalt-Verkäuferin Elena (42). Hallo Elena, du verkaufst jetzt seit März den Asphalt-­ braucht, bis wir eine eigene Wohnung gefunden haben. Doch wir haben Glück gehabt und in unserer rumänisch-orthodoxen TagesSatz und vorher vier Jahre den TagesSatz. Das war für meine Kunden eine Umstellung, aber sie sind mir treu geblieben. Und ich stehe ja jeden Tag für sie vor meinem Supermarkt, nur Freitag vormittags nicht, da gehe ich zur Schule.

Kirchengemeinde kannte jemand einen privaten Vermieter, der uns jetzt eine Wohnung vermietet hat. Mit der Wohnung kam auch die Motivation zurück.

Was für eine Schule besuchst du?

Motivation ist ein gutes Stichwort, was motiviert dich?

Es ist eine gemischte Schule. Ich komme ja aus Rumänien und bin erst fünf Jahre in Deutschland. Meine Kunden haben mir beim Sprechen schon viel Deutsch beigebracht und jetzt lerne ich noch alles richtig zu schreiben und den Umgang mit modernen Computern.

Mein Glaube und meine Familie. Wir sind rumänisch-orthodoxen Glaubens und ich lese jeden Tag in der Bibel. Ich habe sie inzwischen sogar als App auf meinem Handy und natürlich als Buch. Aber da ist sie schon ziemlich zerlesen. Ich habe sie sicher schon mehr als 30 Mal durchgelesen und finde jedes Mal wieder etwas Neues, etwas von mir Unentdecktes und immer Zuversicht beim Lesen.

Konntest du als Kind in die Schule gehen? Ja, in die Grundschule und dann habe ich Schreinerin gelernt. Aber in Rumänien ist die Schulausbildung nicht so gut wie hier. Und durch mein Handicap ist es noch schwerer, eine Stelle zu finden.

Das hört sich nach gesundheitlichen Problemen an … Mit vier Jahren hat mich ein Auto überfahren, danach habe ich viele Operationen gehabt, am Rücken und am Bein, nicht immer mit gutem Ausgang. Ich rede da nicht gerne drüber. Ich jammere nicht. In Rumänien gibt es da leider kein nettes Wort für, aber in Deutschland: Handicap.

Du bist ein echter Familienmensch? Oh ja. Bei uns hält die Familie noch fest zusammen. Darum ist es so traurig, dass wir dieses Jahr nicht zu Weihnachten nach Rumänien zu unseren Verwandten fahren können. Aber wir wollen mit Corona kein Risiko eingehen, wenn wir uns anstecken, oder noch schlimmer, wenn wir unwissentlich jemanden anstecken. Das wäre nicht gut. Mein Vater ist über 70 und meine Schwester ist schwer krebskrank, da ist das Risiko einfach zu groß. Das würde ich mir nicht verzeihen.

Wie wird für dich Weihnachten hier werden? Warum bist du nach Kassel gekommen? Mein Mann ist zum Arbeiten vorgegangen. Er hat auch gleich einen Minijob bekommen. Damit hat er mehr verdient als in Rumänien in Vollzeit in einem ganzen Monat. Er hat ihn heute noch. Ein »Bekannter« hat ihm die Stelle vermittelt, er hat ihm und mir eine noch bessere Stelle versprochen und er durfte erstmal bei ihm wohnen.

Hat dich das überzeugt, ihm zu folgen? Ja, da bin ich mit unseren Kindern nachgekommen. Mit viel Hoffnung auf ein besseres Leben. Unsere Kinder waren damals dreizehn, zwölf und fünf Jahre alt. Aber es war Nichts wie versprochen. Wir mussten alle mit dem »Bekannten« in einem Zimmer wohnen, eine Arbeit für mich war nicht in Sicht. Nur mit der Schule für die Kinder, das hat gleich geklappt. Der Kleine ist in den Kindergarten und die Großen in die Schule gekommen. Sie konnten dadurch ganz schnell Deutsch und müssen leider heute noch manches Übersetzen, aber wir lernen.

Warst du sehr enttäuscht von deinem Leben in Deutschland? Wir waren schon sehr verzweifelt und haben überlegt, zurück nach Rumänien zu gehen. Wir haben sehr, sehr lange ge-

(lacht) Ganz ruhig und lecker. Es wird besonderes Essen geben. »Sarmale«, traditionelle rumänische Krautwickel, ähnlich euren Kohlrouladen. Die gibt es bei uns zu Weihnachten und dann hat sich die Familie Schnitzel gewünscht. Wir werden in die Kirche gehen, es uns abends gemütlich machen und mit der Familie in Rumänien telefonieren. Es ist ja das letzte ruhige Weihnachten, im nächsten Jahr, im Februar, macht mich meine Tochter zur Oma. Da ist nächstes Jahr Weihnachten bestimmt mehr Trubel.

Das klingt unerwartet. Es ist eine echte Überraschung, sie ist ja erst 17, aber wir schaffen das, als Familie. Wir halten zusammen. Sie ist ganz stolz, es wird ein Junge. Und ich bin stolz, weil sie schon dafür gesorgt hat, dass sie auch mit Baby ihren Schulabschluss fertig machen kann. Neues Leben ist auch neue Hoffnung.

Hast du zu Weihnachten einen Wunsch? Ja, ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben und vielleicht schenkt uns ja die ein oder andere meiner Kundinnen noch ein paar gebrauchte Babysachen. Wir würden uns sehr darüber freuen. Interview und Foto: Ute Kahle


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Elena verkauft Asphalt/TagesSatz vor »denn‘s Biomarkt« am Bebelplatz in Kassel.


RUND UM ASPHALT

Verkäuferausweise Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei Verkäufer­Innen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Hellgrün

Foto: G. Biele

Foto: S. Kohl

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Anerkennung für Asphalt Im Frühjahr dieses Jahres haben die Mitarbeiter der interev GmbH Hannover von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Auf dem sozialen Stadtrundgang hat unser Asphalt-Stadtführer ihnen Orte gezeigt, wo sich das Leben derer abspielt, die auf der Straße leben. Wo Wohnungs- und Obdachlose keine Randgruppe sind. Wo sie einen Kaffee und etwas zu essen bekommen. Und, wo sie ärztlich versorgt werden, wo sie duschen und sich auch mal aufwärmen können. »Das hat geprägt. Seitdem schätzen alle Mitarbeiter die Arbeit von Asphalt«, bemerkt interev-Geschäftsführer Jürgen Recha (1.v.l.). Und weil es jetzt zunehmend kälter wird und die Herausforderungen auch für unsere Asphalt-Verkäufer steigen, haben die interev-MitarbeiterInnen für sie gespendet. 400 Euro. Vielen Dank dafür! GB

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Ute Kahle, Ulrich Matthias Gestaltung: Maren Tewes Kolumnistin: Karin Powser Freie Autoren in dieser Ausgabe: B. Pütter, W. Stelljes Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Sophia Erfkämper, Ute Kahle, Kai Niemann Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Fax 0511 – 30 12 69-15 Vertrieb Göttingen: Telefon 0551 – 531 14 62 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de goettingen@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Online: www.asphalt-magazin.de www.facebook.com/AsphaltMagazin/ www.instagram.com/asphaltmagazin/ Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 26.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 23. November 2020 Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung

nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus. Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger


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gesucht – gefunden Verkäufer Olaf: Wer verschenkt einen Laptop mit Windows 7 oder mit Windows XP? Kontakt: 0177 – 6415750. [V-Nr. 1612/ Hannover] Verkäufer HaDe: Aufgrund meines Umzuges in eine seniorengerechte Wohnung, suche ich aus gesundheitlichen Gründen dringend ein Senioren-Elektromobil. Angebote an Asphalter Heinz-Dieter Grube, E-Mail: grube.hannover@t-online.de Danke. [V-Nr. 1902/Hannover] Verkäufer Fred: Ein schwieriges Jahr für uns alle geht einem Ende entgegen, das uns viel abverlangt hat. Ich wünsche uns allen dennoch eine besinnliche Adventszeit, eine schöne Weihnacht, hoffentlich im Kreise unserer Lieben und ein Jahr 2021 in der Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet. Vielen Dank meinen Kunden für die Treue und die aufmunternden Worte, die Sie mir entgegen gebracht haben. Ihr Asphalt-Verkäufer Fred vor dem EDEKA Wucherpfennig in Ricklingen. [V-Nr. 332/Hannover] Verkäufer Thomas: Liebe Leser/-innen und Kunden, vielen lieben Dank für Ihre Solidarität, gegenüber mir und den anderen Asphaltern während dieser Corona-Pandemie. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit und bleiben Sie gesund. Thomas, EDEKA Limmerstraße. [V-Nr. 2214/Hannover] Verkäuferin Simone: In erster Linie möchte ich nochmals bekannt geben, dass ich meinen Verkaufsplatz gewechselt habe und ab sofort in Wettbergen (altes Dorf) am NP-Markt stehe. Dann möchte ich mich bei all meinen lieben Kunden und Kundinnen recht herzlich für die netten Gespräche und die Treue bedanken. Ich wünsche allen trotz der schwierigen Zeit eine besinnliche Weihnachtszeit und vor allem ein gesundes neues Jahr. Passt auf euch auf und bleibt gesund! In diesem Sinne – Ihre/Eure Asphalt-Verkäuferin Simone und Shanti, NP-Markt/Künne Bäckerei in Wettbergen. [V-Nr. 4332/Hannover] Verkäufer Michael: Liebe Kundinnen und Kunden, ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein besinnliches und frohes Weihnachtsfest, sowie die besten Wünsche für das neue Jahr. Ich möchte mich auch nochmals für Ihre Treue in diesem Jahr bedanken. Bleiben Sie gesund! Ihr Verkäufer Michael und Mailo, Lidl/Bäckerei Raute in Wettbergen. [V-Nr. 2309/Hannover] Verkäufer Uwe: Ich wünsche all meinen treuen Kunden auf dem Engelbosteler Damm ein ruhiges besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2021. Bleibt gesund. Ihr seid die Besten und Corona ist ein Arsch. [V-Nr. 1865/Hannover]

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»Asphalt schafft Perspektiven« Dr. Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag Niedersachsen »Asphalt ist ein Magazin, welches auf die Vielfalt unserer Gesellschaft aufmerksam macht. Ich gehe gerne auf die Verkäufer zu, auch um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, ihre Geschichten zu erfahren und um zu lernen, welche Themen für sie gerade wichtig sind. Ihre Sorgen und Nöte dürfen niemals in Vergessenheit geraten – gerade jetzt, wenn die kalte Jahreszeit beginnt. Es ist mutig, dass die Menschen, die durch die verschiedensten Hintergründe in die Obdachlosigkeit geraten sind, ihr Leben in die eigene Hand nehmen. Dieser Mut und dieser Wille muss unterstützt werden – und das tue ich sehr gerne!«

on … Wussten Sie sch

regelmäßige seine Arbeit ohne … dass Asphalt e finanziert? chliche Zuschüss öffentliche und kir enerlösen sind aufs- und Anzeig Neben den Verk Förderer die rer Freunde und die Spenden unse ierung. nz zur Gesamtfina wichtigste Stütze ende: indung für Ihre Sp Unsere Bankverb Asphalt-Magazin 30 0410 0000 6022 IBAN: DE35 5206 EK1 BIC: GENODEF1 nk Evangelische Ba ck: Perspektiven Verwendungszwe

… mehr als eine gute Zeitung!

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Meine Worte

Texte aus der Asphalt-Schreibwerkstatt. Corona-bedingt aus den »Heimbüros« unserer Verkäuferinnen und Verkäufer.

Worte Abgegriffen. Abgenutzt. Zu oft geschrieben. Und doch nicht ins Herz getroffen. Haben nichts verändert. Nur bestätigt. Auch dieses schon von vielen gedacht. Empfunden und ausgedrückt. Asphalt-Verkäuferin Martina

Zum »Nachtisch« Von Kunden geschenkt bekommen. Montag:

einen Apfel

Dienstag:

einen Berliner

Mittwoch:

einen Joghurt

zum Nachtisch.

" Danke! " Danke!

Donnerstag: eine Banane

" Danke! " Danke!

Freitag: Weintrauben Samstag: Sonntag:

Danke!

eine Tafel Schokolade

" Danke! einen Blumenstraße für die Seele.

Was bin ich für ein glücklicher Mensch. Danke, Asphalt. Asphalt-Verkäuferin Inge-Lore

Sozial krank Wie krank ist eine Gesellschaft, die es schafft, Garagen für Mähroboter, für Gartengeräte und Mülltonnen herzustellen und zu verkaufen, aber nicht fähig ist, für Menschen entsprechendes zu erfinden, herzustellen und denen zu geben, die es brauchen? Sehr, sehr krank! Asphalt-Verkäuferin Inge-Lore

Laubach Ein satter Regen. Die Tropfen prasseln an mein Fenster. Schön, einen Ort zu haben um zu sein. Asphalt-Verkäuferin Martina

Illustration: Alexander_P/shutterstock.com

Zu oft ausgesprochen.


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Illustration: HandMadeFont.com/shutterstock.com

C wie Cor … Heute zum Thema mit dem großen

»C«,

und ich meine nicht das C, was zum Vitamin

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gehört. Dieses große »C« hat mir viel Zeit beschert

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und noch viel mehr schlaflose Nächte. Neue Worte, neue Zustände und überall diese unterschwellige Angst vieler Zeitgenossen vor diesem großen »C«.

Dankgedicht

Die ganze Welt angehalten in einer Vollbremsung und allen Mitreisenden an Bord wurde kotzübel, von diesem großen

Komm Herr Jesu, sei du unser Gast?

»C«. »ES« schwebt über Allem und Jedem und ich habe mich doch

Weil du uns das alles bescheret hast?

wirklich gefragt, wer oder was in dieser Zeit Systemrelevant ist.

dass jeder jetzt um seine Liebsten bangt?

Und was heißt es eigentlich so relevant zu sein, dass Man(n)

Werden bald alle ganz fürchterlich krank?

oder Frau für ein System wichtig ist.

Corona und die Angst,

Na dann, Herr Jesu, schönen Dank!

Oder ist es am Ende doch das große »C« was für Dieses, oder was auch immer für ein System von Relevanz ist?

Asphalt-Verkäufer Wolfgang

Und wenn ich dann so darüber nachdenke Freunde, dann kann ich sagen, dass alles, was zum Erhalt der Schöpfung beiträgt, relevant ist. Denn das größte und wichtigste System überhaupt, ist die Grundlage allen Lebens auf unserm Erdball. »Gottes

Sys-

tem«! Das Sonnensystem! Und das wird nun nicht mit dem C geschrieben und wenn wir Menschen nun verstehen würden, dass jeder Einzelne von Wichtigkeit und Relevanz ist, dann wird auf einmal und wundersame Weiße das große »C« ganz klein wie ein unwirksames

Illustration: Robert Kneschke/fotolia.com

Virus und verschwindet. Und es tritt ein anderes, noch viel größeres »C« auf den Plan. Das große

»C« in Christus unserem Retter. Vertraue nicht in

Angst, vertraue in Hoffnung! Denn wenn Deine Zeit gekommen ist, wird es nicht von Relevanz sein, ob es nun eine Grippe oder Corona war, oder aber auch Gottes Gnade! Asphalt-Verkäufer Thomas

Im Rahmen des Projekts Schreibwerkstatt können Asphalt-VerkäuferInnen kreativ Texte produzieren, spielerisch Ausdrucksweise und Wortschatz pflegen und insgesamt ihre sprachlichen und literarischen Kompetenzen verbessern. Und eigentlich soll die Asphalt-Schreibwerkstatt eine Präsenzveranstaltung sein. Seit Corona ist das nicht mehr möglich.


VERSTECKTE CHRISTEN In Japan gibt es eine kleine Gemeinschaft von »Kakure Kirishitan« zu deutsch »Verborgene Christen« genannt. Nachkommen von einst verfolgten Christen, die ihren Glauben im Geheimen über Jahrhunderte bewahrten. Ihr einzigartiger Glaube verbindet buddhistische und christliche Elemente mit Shinto-Praktiken. Doch die Religion stirbt aus.


Masaichi Kawasaki, 69, ein Nachfahre der »Verborgenen Christen«, singt »orasho« vor einem mit einer Marienstatue geschmückten Altar in seinem Haus auf der Insel Ikitsuki. Japans »Kakure Kirishitan« bewahrten ihren Glauben während Jahrhunderten vor Verfolgung im Verborgenen.

Eine Statue der Jungfrau Maria auf einem Friedhof auf der Insel Ikitsuki, Nagasaki.

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Sein Gesicht ist von Jahren auf See verwittert. Der japanische Fischer im Kimono-Gewand, Masaichi Kawasaki, kniet vor einem Altar, der mit Bildern von der Jungfrau Maria geschmückt ist, und bekreuzigt sich, während er die über Jahrhunderte überlieferten Gesänge leise anstimmt. Kawasaki, 69, ist einer der schwindenden japanischen »Kakure Kirishitan«. Sein einzigartiger Glaube vereint buddhistische, christliche und shintoistische Praktiken und seine rituellen Gesänge sind aus Latein, Portugiesisch und Japanisch kombiniert. »Ich mache mir Sorgen, dass das, was meine Vorfahren hart bewahrt haben, verschwinden wird, aber das ist der Trend der Zeit«, so Kawasaki, der jeden Abend zu Hause vor dem Altar betet. »Ich habe einen Sohn, aber ich erwarte nicht, dass er weitermacht«, fügt er hinzu. »Das ist ohne Zweifel traurig.« Jesuiten brachten das Christentum im Jahr 1549 nach Japan, aber bereits 1614 wurde die Ausübung der Religion verboten. Missionare wurden vertrieben und die Gläubigen gezwungen, sich zwischen Märtyrertod oder dem Verbergen ihrer Religion zu entscheiden. Viele schlossen sich buddhistischen Tempeln oder shintoistischen Schreinen an, um ihren Glauben zu verbergen, und einige Riten wie Beichte und Kommunion, die einen Priester erfordern, verschwanden. Andere Rituale mischten sich mit buddhistischen Praktiken wie Ahnenverehrung oder indigenen Shinto-Zeremonien. Mündlich und im Verborgenen überliefert, kombinierten »Orasho«-Gesänge (von »oratio« im Lateinischen) Lateinisch und Portugiesisch mit Japanisch. Als rund 250 Jahre später das Verbot des Christentums 1873 aufgehoben wurde, schlossen sich einige verborgene Christen der katholischen Kirche an; andere entschieden sich dafür, das beizubehalten, was sie als den wahren Glauben ihrer Vorfahren betrachteten. »Sie wollten den Glauben, den sie trotz Unterdrückung die ganze Zeit bewahrt hatten, nicht untergehen lassen«, sagt Shigenori Murakami, der Leiter einer Gruppe von verborgenen Christen in der siebten Generation im Stadtteil Sotome in Nagasaki. Unweit vom Nishizaka-Hügel in Nagasaki, wo 1597 26 Christen hingerichtet wurden. Auf der Ikitsuki-Insel im Südwesten Japans, wo Kawasaki lebt, werden die Gesänge traditionell gesprochen und gesungen. Aber in Sotom beteten die Gläubigen schweigend, aus Angst davor, entlarvt zu werden. Murakamis Vater begann vor etwa 40 Jahren auf Bitten anderer Glaubensbrüder und -schwestern

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Ökumenischer Gottesdienst am Karematsu-Heiligtum in Nagasaki, Südjapan, Katholiken, Buddhisten und »Verborgene Christen« nahmen an dem Gottesdienst am Schrein teil, der einem portugiesischen Priester gewidmet ist, der im 17. Jahrhundert an Ort und Stelle starb.

laut zu singen. Zu der Zeit bestand die Gruppe seines Vaters aus ungefähr 100 Menschen. »Jetzt sind es nur noch etwa die Hälfte davon«, sagt Murakami. »Zu Zeiten meines Großvaters gab es Hunderte von Menschen. Aber junge Leute interessieren sich nicht. Sie wenden sich generell von der Religion ab.« Genaue Zahlen von »Verborgenen Christen« sind schwer zu ermitteln, niemand von ihnen aber bestreitet, dass diese Zahl schrumpft. Insgesamt sind ohnehin lediglich ein Prozent der japanischen Bevölkerung Christen. Shigeo Nakazono, Kurator in einem Museum auf der Insel Ikitsuki, sagt, dass dort rund 300 Gläubige in vier Gruppen leben, vor drei Jahrzehnten seien es 2.000 in 20 Gruppen gewesen. »Die Zukunft wird hart«, so Nakazono. Schon aus wirtschaftlichen Gründen schwindet die Bevölkerung ohnehin. Die Jugend verlässt die Insel, denn die wichtige Fischereiindustrie ist stark rückläufig. Ohne eine offizielle Führung, die den Wandel unterstützen könnte, wird das Überleben der verborgenen Christen schwierig, glaubt Nakazono. »Die alten Sitten sind erhalten, aber es gibt keinen Mechanismus, um sie an den sozialen Wandel anzupassen«, sagt er. Murakami aber findet, dass die Traditionen so zu erhalten seien, wie sie waren. Er wolle sich nicht ändern. »Ich werde es wie bisher weitermachen und die von meinen Vorfahren überlieferten Sitten schätzen.« Gleichwohl sei ihm bewusst, dass seine Religion so ausster»Aber junge Leute ben könne. »Ich habe noch interessieren sich keinen Nachfolger ausgenicht. Sie wenden wählt, aber ich kann noch sich generell von selbst weitermachen und ich gebe das mit Sicherheit der Religion ab.« weiter«, sagt er nach der Shigenori Murakami ökumenischen Zeremonie von Verborgenen Christen, Buddhisten und Katholiken im kleinen Karematsu-Schrein in Nagasaki, der dem portugiesischen Priester, der dort im 17. Jahrhundert starb, gewidmet ist. »Ich kann nicht zulassen, dass meine Generation das zerstört, was meine Vorfahren mit ihrem Leben geschützt haben.«

Bilder der Jungfrau Maria sind im Haus von Masaichi Kawasaki, 69, einem Nachfahren der »Verborgenen Christen«, auf der Insel Ikitsuki, Präfektur Nagasaki, Japan, am 4. November 2019 zu sehen. Japans »Kakure Kirishitan« oder »Verborgene Christen« bewahrten ihren Glauben während Jahrhunderten der Verfolgung im Verborgenen.

Text: Linda Sieg | Fotos: REUTERS/Issei Kato Mit freundlicher Genehmigung von REUTERS/ insp.ngo


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BUCHTIPPS #tradwife »Mein Freund kommt vom Kaufland immer nach Hause mit so einem traurigen Blick wie Gandhi, weil er gerade einkaufen gewesen ist und kein Mensch je zuvor so gelitten hat.« Jacinta Nandi schreibt Bücher für Missy und die Jungle World, ist Mutter, in einer Beziehung mit Verbesserungspotenzial – und hat richtig miese Laune. »Die schlechteste Hausfrau der Welt« schafft es mit beeindruckender Wut, kein Essay über sich fortschreibende Geschlechterrollen und kein feministischer Empowerment-Roman zu sein – und irgendwie ist der Text doch beides. Mit einer irritierend rohen Form und gleichzeitig mit einem auf Lesebühnen geschulten Beat erzählt Nandi davon, wie Emanzipation und Selbstverwirklichung dann doch wieder Verliererinnen ausspucken, weil die besserverdienende Hälfte der Paarbeziehung wie eh rational-arbeitsteilig den Kinder-Küche-Kotze-Platz der Frau zuweist. Die hasst Putzen und versucht es doch mit Youtube-»Cleanfluencerinnen«, hasst Conni, Bobo und den Nie-Feierabend der Carearbeit und analysiert mit schneidender Schärfe das Elend der Hausfrau im Spätkapitalismus. Literarisch radikal, fast übergriffig distanzlos, unglaublich komisch – und unangenehm wahr. BP Jacinta Nandi | Die schlechteste Hausfrau der Welt | Edition Nautilus | 208 S. | 16 Euro

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Der Lyriker, Publizist und promovierte Politologe Max Czollek ist eine der wichtigsten, und fast hätte ich gesagt: wohltuendsten Stimmen in den deutschen Debatten um die (post-)migrantische Gesellschaft, um regressiven deutschen Leitkulturund Heimatkitsch und jüdisches Leben in Deutschland. Wohltuend zumindest für diejenigen, denen selbst die Sprache versagt angesichts des gegenwärtigen Stands der »Wiedergutwerdung der Deutschen« (Eike Geisel), symbolisiert etwa durch Philipp Amthor (CDU), der am 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz und vier Monate nachdem an Jon Kippur nur die Synagogentür in Halle ein Massaker durch einen »Stephan« verhindert hatte, Antisemitismus zum »muslimischen« Problem erklärte, das in »unsere(r) Kultur keinen Platz« habe. Wohltuend aber auch für die, die sich in klarer Sprache und mit immer wieder aufblitzendem Humor ausmalen lassen wollen, wie die durch ForscherInnen wie Naika Foroutan und Aladin El-Mafaalani beschriebene radikal vielfältige Gesellschaft der Gegenwart ohne Griffe in kulturnationale Mottenkisten gestaltet werden kann. BP Max Czollek | Gegenwartsbewältigung | Hanser | 208 S. | 20 Euro


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SPIELETIPPS Wir sind die Roboter Gemeinsam versuchen die SpielerIn­ nen ein Gefühl für Zeit und Geschwindigkeit zu bekommen. Der Spieler des Roboters macht »Beep« und fährt in Gedanken vom Startpunkt entlang der Gegenstände die Strecke ab. Dann macht er ein zweites Mal »Beep« und bleibt stehen. Die Frage für alle Mitspieler lautet nun: Wie weit ist der Roboter zwischen den beiden »Beeps« gefahren und wo ist er zum Stehen gekommen? In Teams oder alleine versuchen die Spieler nun, auf den richtigen Gegenstand zu tippen und so Bonus-Chips als Siegpunkte zu erhalten. Durch den Wechsel des Roboterspielers, die jeweils vor dem ersten »Beep« ausgeloste Geschwindigkeit und die Möglichkeit, Teams zu bilden, entstehen viele verschiedene Spielmöglichkeiten. Selbst nach mehreren Runden ist und bleibt die Geschwindigkeit ein zu lösendes Rätsel. Wir sind die Roboter, NSV-Verlag, Kartenspiel für 2 bis 6 Spieler ab 5 Jahren, 7,95 Euro

Die Insel der Katzen Als BürgerIn des Küstenörtchens Squalls End ist es dein Ziel, so viele Katzen wie möglich auf die Insel der Katzen zu retten. Dabei müssen zahlreiche Herausforderungen wie das Verlesen der Lektionen, das Verwalten der knappen Ressourcen und das Erkunden der Insel und ihrer Schätze von den Spielern gemeistert werden. Denn nur wenn die Freundschaft mit Oshax gepflegt wird und die Überfahrt mit dem Boot, gefüllt mit Katzen und Schätzen, geglückt ist, können sie alle vor dem bösen Lord Vesh in Sicherheit gebracht werden. Taktik und Zielstrebigkeit müssen mit Weitsicht gepaart werden, um auf der Insel in fünf Runden anzukommen. Zum Ausprobieren empfohlen ist die Solovariante, die nicht nur die Regeln festigt, sondern auch eine gelungene Knobelei für einsame Stunden ist. Die Insel der Katzen, Skellig-Games, Familienspiel für 1 bis 4 Spieler ab 8 Jahren, 49,95 Euro

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Andor Junior

Verlosung

In den Rollen von Magier, Bogenschützin, Krieger und Zwerg ziehen die jungen HeldInnen von Andor Junior in ihr Abenteuer. Ziel ist es, Aufgaben zu bestehen und von der Rietburg aus den drei verirrten Wolfsjungen aus der Zwergen-Mine zu helfen, sie vor dem Angriff des Drachen zu retten. Hat der Drache es jedoch geschafft, auf der Wolkenleiste die Burg zu erreichen, sind die Wolfsjungen vor ihrem Schicksal nicht mehr zu retten. Eine gelungene kindgerechte Adaption der Legenden von Andor. Die grafische Umsetzung und die unterschiedlichen Spielverläufe ermöglichen es den jungen Spielern, ihre Abenteuer zu bestehen, sobald sie des Lesens mächtig sind und das Würfelglück ihnen hold ist. Dank verschiedener Aufgaben und Herausforderungen gleicht keine Partie der anderen. Daher: Langatmigkeit ausgeschlossen. Für einen entspannten Spieleabend können Sie mit Asphalt dieses abwechslungsreiche Kinderspiel gewinnen. Schicken Sie einfach eine Postkarte oder eine E-Mail mit dem Stichwort »Andor Junior« bis zum 15. Dezember 2020 an: Asphalt/TagesSatz, Büro Göttingen/Kassel, Obere Karspüle 18, 37073 Göttingen oder kahle@asphalt-magazin.de. Andor Junior, Kosmos Verlag, Fantasy-Familienspiel für 2 bis 4 Spieler ab 7 Jahren, 29,95 Euro


KULTURTIPPS Musik

Führung

Weihnachten drinnen und draußen

Steinreiches Hannover

Internationale Musik, die Weihnachtsgeschichte in unterschiedlichen Sprachen und ein Jazz-Gottesdienst erwartet Sie in und draußen neben der Marktkirche am Heiligabend. Familien können sich am Nachmittag auf Christvespern mit Krippenspiel und dem Kinderchor der Marktkirchengemeinde freuen. Christmetten, Andachten und Gottesdienste wechseln drinnen und draußen stündlich. Um 23 Uhr spielt der Posaunenchor der Stadtmission Lieder zur Nacht, den Abschluss bildet um 24 Uhr die Feier der Christnacht in der Marktkirche. Donnerstag, 24. Dezember, 14 bis 24 Uhr, Marktkirche Hannover, Hanns-Lilje-Platz 2, Hannover, Eintritt frei.

Vom Alten Rathaus und der Marktkirche über das Leineufer bis zum Neuen Rathaus – auf diesem naturkundlichen Rundgang von NaTourWissen Hannover stehen Ziegel- und Naturbausteine sowie Baumaterialien, die in Hannover vom Mittelalter bis zur Kaiserzeit verbaut wurden, im Vordergrund. Dabei ergeben sich auf dem etwa 90-minütigen geführten Rundkurs viele kleine Geschichten um Backstein, Kalkstein und Sandstein. Aufgrund der Corona-Vorgaben ist während der gesamten Tour das Tragen einer Mund-Nasen-­ Bedeckung erforderlich. Zudem gelten die gültigen Abstands- und Hygieneregeln. Sonntag, 06. Dezember, 14 Uhr, Treffpunkt: Am Marktbrunnen am Alten Rathaus, Am Markte, Hannover, Anmeldung erforderlich unter 0511 – 3 90 68 10, Teilnahme 10 Euro.

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After-Work-Wanderung Den Kopf frei kriegen, die Augen entlasten und den Körper wieder in Schwung bringen – das bietet der Harzklub Hannover Interessierten mit seiner After-Work-Wanderung. Rund zwei Stunden geht’s nach einem anstrengenden Arbeitstag im Büro, in der Firma oder im Unternehmen gemeinsam durch die Leinemasch. Natur pur, frische Luft und körperliche Bewegung inklusive. Mittwoch, 16. Dezember, 16.30 bis 18.30 Uhr, Treffpunkt Hannover Markthalle, Eingang Leinstraße, Hannover, Anmeldung und weitere Infos unter wanderwart@harzklub-hannover.de, Teilnahme frei.

Kultur in Corona-Zeiten Ob Ausflug, Ausstellung oder andere Veranstaltungen: Bitte Mund und Nase bedecken und die Abstandsregeln einhalten. Für eine Rückversicherung, ob Veranstaltungen wie geplant stattfinden können oder eine Anmeldung vorab nötig ist, nutzen Sie bitte die jeweiligen Telefonnummern oder Internet-Adressen. Viel kulturelles Vergnügen!


Foto: Charles Knie GmbH

Ausflug

Auch in der kalten Jahreszeit bietet der Große Garten ein bezauberndes Ausflugsziel. Klare Strukturen mit breiten Wegen und langen Alleen draußen, exotische Pflanzen und blühende Orchideen drinnen, in den Schauhäusern des Berggartens. Und im Freiland des Berggartens können Winterjasmin, Duftschneeball, Mahonie und etwas später die Zaubernuss in ihrer Blütenpracht bewundert werden. Wem das noch nicht reicht, der kann sich im Subtropenhof des Berggartens die schönsten Gartenfotos der Welt ansehen. Sie sind das Ergebnis des Fotowettbewerbs IGPOTY (International Garden Photographer of the Year). Täglich geöffnet von 9 bis 16.30 Uhr, letzter Einlass 15.30 Uhr, Herrenhäuser Gärten, Herrenhäuser Straße 4, Hannover, Tel. 0511 – 168-34000, Eintritt Großer Garten 6 Euro, Berggarten 3,50 Euro.

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Asphalt verlost 10 x 2 Karten für Charles Knie’s Winter-Wunderland

Magischer Winter-Park Es duftet nach Lebkuchen, Glühwein und Weihnachtsgebäck. Hunderttausende Lichter funkeln um die Wette. Überall brennen kleine Lagerfeuer. Nostalgische Karussells laden zu einer Zeitreise in die Vergangenheit ein. Auf einer 200 Quadratmeter großen Eislaufbahn können große und kleine Kufen-Künstler Pirouetten drehen, oder auf dem Schlitten die über 40 Meter lange Eisrutsche in Richtung Tal hinuntersausen. Auf den großen Aktionsbühnen verzaubert das Winter-Wunderland seine Besucher mit einem bunten Show-Programm. Weihnachtlich, lustig, schräg und ganz oft zum Mitmachen. An den winterlich dekorierten Buden auf dem Weihnachtsmarkt gibt es Gegrilltes, Süßes und Weihnachtliches. Für einen erlebnisreichen Tag im Winter-Wunderland verlost Asphalt 10 x 2 Tagestickets! Beantworten Sie uns dafür einfach folgende Frage: Wie lang ist die Eisrutsche? Schicken Sie uns eine Postkarte, eine E-Mail oder ein Fax mit Ihrer Antwort und dem Stichwort »Winter-Wunderland« bis zum 17. Dezember 2020 an: Asphalt-Redaktion, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover oder gewinne@asphalt-magazin.de oder Fax 0511 – 30126915. Absenderadresse nicht vergessen! Bis 17. Januar 2021 geöffnet, täglich von 12 bis 20 Uhr, Ruhetage: 01., 07., 08., 14., 15., 24., 25., 31.12.2020 und 01.01.2021, Winter-Wunderland Charles Knie, Braunschweiger Straße 2, Einbeck-Volksen, nähere Infos: www.winter-wunderland.eu, Tel. 0171 – 9 46 24 56, Eintritt 11,90 Euro, Kinder unter 3 Jahren frei.

Rund ums Meer Das Steinhuder Meer – auf einem etwa 32 Kilometer langen Radwanderweg lässt sich Niedersachsens größter Binnensee gut umrunden. Die Strecke führt durch Wälder, Wiesen und Moore. Aussichtsplattformen, Türme, Stege und Beobachtungshütten bieten Gelegenheit, Flora und Fauna zu erkunden oder die Ruhe zu genießen. Mit Glück lassen sich sogar See- und Fischadler beobachten. Immer wieder einen Abstecher wert: historische Ortschaften wie das Fischerdorf Steinhude, der Erholungsort Mardorf, der ehemalige Fürstensitz Hagenburg und Winzlar. Als Orientierung für die Tour dient das Symbol für den Steinhuder Meer Rundweg. Ganzjährig möglich, weitere Informationen: Stein­huder Meer Tourismus, www.steinhuder-meer.de/­tour/steinhuder-­meerrundweg, Tel. 05033 – 9 50 10.

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ASPHALT 12/20

Gärten im Winter

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 17 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe ergeben: an – bau – bin – blatt – bril – cal – de – der – die – ei – ein – ein – em – ent – fall – gner – hut – hut – klee – la – las – le – men – nen – ner – nis – rent – se – sen – set – si – sicht – so – son – spa – tal – ten – wut – zan – zen

1. Hersteller von Mustern

2. Vernunft

3. Mensch im Ruhestand

4. Raubfisch

5. Ärger, der aus der Kontrolle gerät

6. Reaktion auf eine schlechte Nachricht

7. Pflanze aus der Gattung der Aronstäbe

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir viermal das Buch »Der Hauptstadtflughafen« von Matthias Roth. Als Mitarbeiter der Betreibergesellschaft hat er erlebt, welche fatalen Folgen das Zusammenspiel von politischen Vorgaben, ineffizienter Organisation und mangelnder Führung haben kann. Seine fesselnd erzählten Erlebnisse lehren mehr über das Scheitern von Großprojekten als manch wissenschaftliche Analyse. Insgesamt dreimal gibt es das Kinderbuch »Auf die Piste, fertig, los!« von Felix Neureuther zu gewinnen. Endlich ist es soweit: Der Winterwald-Wettbewerb beginnt! Ixi und Marcello sind die schnellsten Skirennläufer weit und breit. Aber im Schneeballkicken sind Mimi und Basti unschlagbar. Als beim entscheidenden Kopf-an-Kopf-Rennen Mimi stürzt, merken die Rennfahrer plötzlich, dass es etwas gibt, das noch wichtiger ist als gewinnen … Ebenfalls dreimal gibt es das Hörbuch »Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir« von Heino Falckes zu gewinnen. Verständlich berichtet der Astrophysiker von den ersten Blicken der Menschen hoch zum Himmel bis hin zur modernen Astrophysik, von der Erforschung von Schwarzen Löchern und den noch ungelösten Geheimnissen des Universums – und vor allem: Was das alles mit uns Menschen zu tun hat.

8. Viehfutter oder Glückssymbol

Die Lösung des November-Rätsels lautet: Sei du selbst. Alle andern sind bereits vergeben.

15. nachträgliche Montage

Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; Fax: 0511 – 30 12 69-15. E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 31. Dezember 2020. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. weibliche Person, die etwas stiehlt

10. schweizerische Landschaft

11. ein Kreuzblüter

12. Wurfschlinge zum Tierfang

13. giftige Pflanze

14. Sehhilfe

16. Läuseei

17. Gerät für Erdarbeiten


Foto: Tomas Rodriguez

n f u a t n Mome

Ich weiß noch genau, wie kalt es war, als ich dieses Foto im Jahr 2016 schoss: Wir hatten an diesem Januarmorgen draußen Minus elf Grad. Aber erstaunlicherweise fror ich kein bisschen, obwohl ich nur einen Pullover anhatte. Nein, bitte nicht! Keine falschen Bilder im Kopf. Ich hatte natürlich nicht nur einen Pullover an, sondern auch eine Hose, Schuhe und alles, was dazugehört, um nicht negativ aufzufallen. Aber keine Jacke, keine Mütze, keine Handschuhe. Es war absolut windstill, sehr trockene Luft. Ich war kurz vom Frühstückstisch aufgesprungen, um ein paar Fotos zu machen, weil die Sonne gerade so schön stand. Die Kamera ist auf das »Hörnle« gerichtet, ein kleiner Berg in den Ammergauer Alpen. Diesen etwa 1.500 Meter hohen Hausberg von Bad Kohlgrub habe ich im zarten Alter von elf oder zwölf Jahren zum ersten Mal mit meinen Großeltern erklommen. Eine schöne Wanderung, aber ich werde nicht die Mittagshitze vergessen, in der wir damals schwitzten. Was für ein Genuss war das Spezi in der Hütte oben. Und nun diese angenehme Kälte. Diese wunderschöne Schneedecke. Es ist ein Winterbild, taugt aber auch als Weihnachtsbild. Es wird ein anderes Weihnachten in diesem Jahr. Ein Weihnachten auf Abstand. Ein Weihnachten mit Virus. Ich bin immer wieder versucht, allem etwas Positives abzuringen. Vielleicht bekommt Weihnachten in diesem Jahr einmal die Stille, die es verdient. Jahrzehntelang haben wir uns Jahr für Jahr beklagt über die Hektik und Geschäftigkeit. Einkaufsstress, Adventsblockflötenvorspiel, Weihnachtsfeier mit den Kollegen, den Freunden, in der Schule der Kinder, im Sportverein und am besten noch ein Klassentreffen mit Glühwein nach 20, 30 oder 40 Jahren. Muss alles im Dezember sein. Was wurde über diesen Weihnachtsstress gejammert. Nun ist es uns aus der Hand genommen. Und wir hätten die Chance zum tiefen Kern des Festes zu gelangen. Ich will jetzt nicht unnötig moralisieren, jeder kennt die Weihnachtsgeschichte! Es ist eben auch eine Geschichte von Verlassenheit und Enttäuschung, von vor der Nase zugeknallten Türen und Obdachlosigkeit. Eine Geschichte von menschlicher Kälte, aber auch von unerwarteter Solidarität. Die Hirten waren es, die schließlich Gesellschaft leisteten im Stall von Bethlehem; diejenigen, die selbst wenig Ansehen genossen. Lassen wir mal alle Theologie außer Acht und nehmen die Weihnachtsgeschichte mal nur als literarische Erzählung, dann würde ich sie gerne in diesem Satz zusammenfassen: Für das Wunder des Lebens waren die Satten nicht empfänglich, wohl aber die, die selber wenig hatten. Ich wünsche uns allen, dass wir mit offenen Augen durch die Adventszeit gehen, dass wir Armut wahrnehmen, dass wir gerade in diesem Jahr niemanden alleine lassen! Es gibt viele Möglichkeiten, auch mit Abstand Gutes zu tun. Und das Wunder des Lebens zu bestaunen. Stille Nacht, allerseits! Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

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