2021 01 Asphalt

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2,20 EUR davon 1,10 EUR Verk채uferanteil

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PLASTIKWELT DRECKIGER GLOBUS

SCHWACHES PROJEKT

FRECHER SCHNACK

Die andere Pandemie: Plastikm체ll erstickt die Welt.

Der Plan B: Ein neues Konzept gegen Obdachlosigkeit.

55 ist kein Alter: Ina M체ller 체ber Dichtung und Wahrheit.


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Notizblock

10 Grenzgänger Die meisten DDR-Fluchtversuche werden mit der Berliner Mauer verbunden. Eine Initiative an der Ostsee will das ändern und gleichzeitig für Versöhnung sorgen.

6 Wo ist Platz? Nachdem Hannover im vergangenen Jahr viel Kritik für den Umgang mit Obdachlosen einstecken musste, präsentierten Stadt und Region Anfang Dezember einen »Plan B«. Eine Annäherung.

18 Marktplatz 19

Große Familie Der Weißekreuzplatz gerät immer wieder in den Fokus von Medien und Politik. So auch jüngst. Weil Anwohner Alarm schlagen: zu viel Dreck, zu viel Lärm und Streitereien durch die »Trinkerszene«.

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Aus der Szene

23 Das muss mal gesagt werden 24 Aus dem Leben

14 Die Plastik-Pandemie Es ist Corona-Zeit. Die Nachfrage nach Gesichtsschutzschilden, Handschuhen, und Folien ist rasant gestiegen. Und hat auch den Preiskampf zwischen recyceltem und neuem Plastik verschärft.

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Rund um Asphalt/Impressum

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Piquardts Genuss des Einfachen Der bekannte hannoversche Gastronom ist Autor, Olivenbauer und Kochanimator. Jetzt kocht er für Asphalt.

34 Buchtipps 35 Spieletipps 36 Kulturtipps 38 Silbenrätsel 39 Brodowys Ausblick

Titelbild: ikrolevetc/shutterstock.com

von Asphalt-Verkäufer Uwe

Das Asphalt-Prinzip

30 Ich turne bis zur Urne

Ina Müllers neuestes Album mutet wie eine augenzwinkernde Bestandsaufnahme verpasster Chancen und Träume an. Im Interview erzählt sie wie viel Dichtung und Wahrheit ihre Songs enthalten.

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Biographien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksale, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ihrem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos, alle sind von Armut betroffen. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zuwendung. Spenden Sie bitte an: Asphalt gGmbH bei der Evangelische Bank eG, IBAN: DE35 5206 0410 0000 6022 30, BIC: GENODEF1EK1.


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Liebe Leserinnen und Leser,

2 die Corona-Pandemie hält das Land und die Welt auch um die Jahreswende fest im Griff. Rund um den Globus wird das öffentliche Leben zurückgefahren. Aber was für die Menschen eine ungeheure Belastungsprobe darstellt, würde sich wenigstens für die Natur als Glücksfall erweisen, hoffen viele. Der Lockdown könnte der Umwelt eine Verschnaufpause bescheren, bevor Wirtschaft und Verkehr wieder anfahren. Vielleicht in manchen Bereichen sogar eine Kehrtwende zum Guten einleiten. Allerdings steigt der Verbrauch fossiler Rohstoffe in einigen Bereichen weiter an. Nicht trotz, sondern wegen Corona. So expandiert die Produktion von neuem Plastik, während die Wiederverwertung in der Krise steckt. Dadurch verbreitet sich der Kunststoffmüll immer mehr um die Welt. Eine Pandemie eigener Art. Warum das so ist, lesen Sie in dieser Ausgabe des Asphalt-Magazins. Obdachlosigkeit ist kein unabwendbares Schicksal. Die niedersächsischen Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, jedem Bedürftigen ein Dach über dem Kopf anzubieten. Das verlangt schon die Menschenwürde. Dennoch scheint die Obdachlosigkeit in den Städten eher noch zuzunehmen. Wie ein Grundrecht im Geflecht von mangelndem Problembewusstsein und unklaren Zuständigkeiten aus dem Blick geraten kann, beleuchten wir auf den Seiten 6-9. Wie man dagegen auch in schwierigen Zeiten weder Mut noch Elan verliert, verrät uns Ina Müller im Interview.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Die Redaktion.

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Foto: picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

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Proteste gegen AfD Braunschweig. Mehrere Hundert Menschen haben in Braunschweig gegen einen Landesparteitag der niedersächsischen AfD in der Stadt demons­ triert. Viele Demonstranten zeigten Transparente oder schwenkten Fahnen mit Parolen gegen Rechts, andere trommelten und protestierten mit Trillerpfeifen. VW-Betriebsrat Uwe Fritsch wies bei der Abschlusskundgebung des Bündnisses auf einen »Rechtsruck« der AfD hin. »Wir wenden uns gegen jede Form völkischer und nationaler Politik«, rief Fritsch den Demonstranten zu. Es gelte, »den Nährboden für rechte Politik zu entziehen«. Bündnis-Sprecher Sebastian Wertmüller hatte bereits im Vorfeld kritisiert, Braunschweig entwickele sich »immer mehr zum Hotspot des Rechtsextremismus in Niedersachsen«. Es gebe einerseits gewalttätige Neonazis, die mit Kundgebungen und Bedrohungen Druck auf politische Gegner ausübten. Aber auch die AfD als »parlamentarischer Arm der rechten Szene« tauche immer häufiger in der Stadt auf. EPD

Gegen Tricks der Fleischindustrie Oldenburg. Betriebe der Fleischindustrie nutzten die aktuelle Lage zum Werkvertrags- und Leiharbeitsverbot aus, um einen reibungslosen Übergang zu besseren Beschäftigungsverhältnissen zu erschweren, kritisierte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). So versuchten Subunternehmer ihre Beschäftigten mit falschen Versprechen zu locken, damit sie bei ihnen Aufhebungsverträge oder Eigenkündigungen unterschrieben, erläuterte Matthias Brümmer, der Geschäftsführer der NGG-Region Oldenburg-Ostfriesland. Anschließend sollten sie sich dann beim Fleischbetrieb bewerben, um dort ein völlig neues Arbeitsverhältnis einzugehen, oft zu schlechteren Konditionen. Die Gewerkschaft ruft alle betroffenen Beschäftigten auf, keine Kündigungen oder Aufhebungsverträge und neue Arbeitsverträge zu unterschreiben. Der Betriebsübergang sei gesetzlich eindeutig geregelt, der neue Arbeitgeber übernehme alle Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers. EPD

Gegen Stigmatisierung Osnabrück. Der Osnabrücker Migrationsforscher Andreas Pott hat davor gewarnt, Menschen in Corona-Hotspots in städtischen Brennpunkten zu stigmatisieren. »Sie leben in beengten Verhältnissen und leisten oft schwere Arbeit, bei der sie mit vielen Menschen zusammenkommen und die sie nicht ins Homeoffice verlegen können«, sagte Pott dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er kritisierte, dass die Medien darüber fast ausschließlich im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Hochzeiten berichteten. »Es war aber schon immer so, dass Pandemien sich in hoch verdichteten und ärmeren Vierteln schneller ausgebreitet haben«, betonte Pott. Insgesamt beurteilt Pott die soziale Lage in Deutschland derzeit allerdings als eher moderat. Anders als etwa in Frankreich oder den USA existierten kaum reine MigrantInnenviertel. Die Entstehung ärmerer Stadtteile lasse sich in einer Marktwirtschaft nicht komplett verhindern. Dennoch sollte sich der deutsche Staat über den sozialen Wohnungsbau wieder mehr Einflussmöglichkeiten verschaffen. EPD


Nicht zum Jobcenter wegen Corona

Hannover. Behinderte sind nach Angaben des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) immer noch sozial stark benachteiligt. Gerade bei der schulischen Bildung, der Berufsausbildung und der Erwerbstätigkeit gebe es weiterhin große Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, erklärte der SoVD. In Niedersachsen hätten fast 800.000 Menschen eine Schwerbehinderung. Diese Menschen fänden seltener einen Job als Menschen ohne Behinderung. Außerdem seien sie dann meistens atypisch beschäftigt. Das habe vor allem finanzielle Auswirkungen, sie trügen ein höheres Armutsrisiko. Um diese Situation nachhaltig zu verbessern, müssten Unternehmen stärker dazu verpflichtet werden, Menschen mit Behinderung einzustellen, verlangte der Vorsitzende des SoVD-Landesverbandes Niedersachsen Bernhard Sackarendt. »Und diejenigen, die es nicht tun, sollten eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen.« EPD

Hildesheim/Göttingen. Ein Empfänger von Sozial­ leistungen muss nach einem Gerichtsurteil nicht persönlich beim Jobcenter erscheinen, wenn er einer Covid-19-Risiskogruppe angehört. Diese Entscheidung gab das Sozialgericht Hildesheim bekannt (Az.: S 58 AS 4177/20 ER). Der 45-Jährige hatte aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus Einladungen zu persönlichen Terminen mit dem Jobcenter nicht wahrgenommen. Nach drei erfolglosen Einladungen entzog das Jobcenter dem an Übergewicht leidenden Mann vollständig die Existenzsicherungsleistungen. Dies sei rechtswidrig gewesen, urteilte das Sozialgericht. Das Gericht verwies unter anderem auf Angaben des Robert-Koch-Institutes, wonach bei Adipositas erhöhte Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 besteht. Es läge mithin ein wichtiger Grund für das Fernbleiben vor. »Die vollständige Entziehung von Existenzsicherungsleistungen, um meinen Mandanten zum Erscheinen bei persönlichen Terminen zu zwingen, hat mit dem Handeln einer an Recht und Gesetz gebundenen Behörde nichts mehr zu tun«, sagte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam. EPD

Kartoffeln für Bedürftige Hannover. Mit 1.000 Kilogramm Speisekartoffeln will die Diakonie Bedürftigen in Hannover helfen. Damit sollten Menschen unterstützt werden, die aufgrund von gesellschaftlichen Umständen oder persönlichen Lebensgeschichten in Not geraten seien, sagte Michael Schroeder-Busch vom Diakonischen Werk in Hannover. »Zugleich wollen wir aber auch den Missstand anprangern, dass Lebensmittel viel zu oft in der Tonne landen.« Der Landwirt Andreas Thieleking aus Burgdorf hatte die Kartoffeln gespendet. Die vorwiegend festkochende Sorte mit dem Namen »Queen Anne« sei eine »Allrounderin«, also eine Alleskönnerin, sagte Thieleking. Er wisse aus persönlicher Erfahrung, was es heißt, unverschuldet in Not geraten zu sein. »Und da ich kein Geld spenden kann, wollte ich helfen, indem ich das spende, was ich selbst herstelle.« EPD

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Bund fördert Bergen-Belsen Bergen-Belsen/Berlin. Mit mehr als 400.000 Euro fördert der Bund eine geplante Sonderausstellung der Gedenkstätte Bergen-Belsen zu Tätern, Täterinnen und Tatbeteiligten an den NS-Verbrechen in dem früheren Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager bei Celle. Die Kosten von rund 830.000 Euro teilen sich der Bund und das Land Niedersachsen. Die Gedenkstätte wolle mit der Ausstellung das Thema Täter in den Blick rücken, das bisher für Bergen-Belsen kaum aufbereitet sei, erläuterte eine Sprecherin. EPD

Beratung sofort nach Beitritt! Jetzt Mitglied werden! Kompetente Hilfe bei allen Fragen zum Mietrecht. Herrenstraße 14 · 30159 Hannover Telefon: 0511–12106-0 Internet: www.dmb-hannover.de E-Mail: info@dmb-hannover.de Außenstellen: Nienburg, Soltau, Hoya, Celle, Neustadt, Springe und Obernkirchen.

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Behinderte immer noch benachteiligt

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Die roten Häuser des Architekten Paul Wolf an der Schulenburger Landstraße in Hannover wurden in den Jahren 1921-1923 erbaut und dienen als Obdachlosenunterkünfte. Sie sind in städtischem Besitz und stehen seit eineinhalb

Foto: privat

Jahren leer.

WO IST PLATZ? Ist das der Befreiungsschlag? Nachdem Hannover im vergangenen Jahr viel Kritik für den Umgang mit Obdachlosen einstecken musste, präsentierten Stadt und Region Anfang Dezember einen »Plan B«. Wird jetzt alles besser? Eine Annäherung. Es lief nicht gut für Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay. Erst die Niederlage in der nationalen Bewerbungsrunde zur Kulturhauptstadt Europas und dann dies: »Wir haben Platz«, sagte Onay im Hinblick auf Flüchtlinge in griechischen Lagern. Doch statt wie üblich Beifall, hagelte es öffentliche Kritik, auch von jenen, die diese Aussage prinzipiell für richtig halten. Aber nicht zu dieser Zeit, nicht unmittelbar nachdem Obdachlose in Hannover pünktlich zum Beginn der kalten Jahreszeit von der Stadt auf die Straße gesetzt worden waren. Für diese Menschen war offenbar kein Platz mehr in Hannover, zumindest keiner mit einem Dach darüber. So schien es. Die Erkenntnis, dass da etwas nicht zusammenpasste, einte fast alle politischen Lager und bescherte Hannover eine ver-

heerende Presse. Verständlich, dass man nun auf Schadensbegrenzung aus war, auch wenn die Stadt versichert, das Konzept langfristig vorbereitet zu haben. »Plan B – OK«, so der vollständige Name des neuen Projekts (wobei OK für Orientierungsund Klärungsangebot für Wohnungslose steht), kommt als großer Wurf daher und soll anscheinend jeden Zweifel am guten Willen der Stadt zerstreuen. Das neue Modellprojekt solle die Situation obdachloser Menschen in Hannover nachhaltig verbessern, sagt Hannovers Sozialdezernentin Sylvia Bruns. »Es knüpft an die Erfahrungen an, die wir in der Zeit der Unterbringung in der Jugendherberge und ab Juli im Hotel Central und im Naturfreundehaus gemacht haben. Von den etwa 100 untergebrachten obdachlosen


Kein Platz mehr? Was war da geschehen? Hier lohnt ein kurzer Rückblick. Die außerplanmäßige Unterbringung obdachloser Menschen ab dem Frühjahr diente zunächst der Vorsorge in Pandemie-Zeiten. Um auch hier die Kontaktbeschränkungen einzuhalten, setzte man ausnahmsweise auf Einzel- statt Massenunterkünfte. Relativ geräuschlos verlief zunächst die Anmietung einiger leer stehender Hotelzimmer, die von der Region Hannover finanziert wurde. Erst mit der Bereitstellung der ebenfalls unbenutzten Jugendherberge erlangte die Unterbringung Obdachloser während der Pandemie größeres öffentliches Interesse. In beiden Fällen wurden die obdachlosen Menschen nicht nur in Einzelzimmern untergebracht, sondern auch intensiv durch Sozialarbeitende betreut. In den Hotelzimmern durch die SeWo (Selbsthilfe für Wohnungslose), in der Jugendherberge unter der Trägerschaft von Diakonie und Caritas. Danach quartierte die Stadt die verbliebenen Personen in das Naturfreundehaus um. Jeweils für drei Monate, damit den Untergebrachten keine Ansprüche auf Dauernutzung erwuchsen. Dennoch, der Erfolg der Maßnahmen war verblüffend: von 100 betreuten Bewohnern konnten tatsächlich 83 in Wohnungen, teils in Arbeit oder wenigstens weiterführende Hilfen vermittelt werden. Das kam nicht für alle überraschend. Der Erfolg stellte sich ein, weil die Menschen erstmals seit Wochen oder Monaten zur Ruhe kamen, auch mal eine Tür hinter sich schließen konnten, nicht von der täglichen Sorge um einen Schlafplatz, um ihre Gesundheit und ihre wenige Habe getrieben wurden, nicht von einer Essenausgabe zum nächsten Tagestreff laufen mussten. Weil diese Ruhe ihnen dann erst den Raum gab, sich Gedanken zu machen, wie sie ihre Lage ändern könnten und weil ihnen in diesem Moment Sozialarbeitende mit Rat und Tat zur Seite standen. So konnte es also gehen, wusste man jetzt. Doch anstatt auf den gemachten Erfahrungen aufzubauen, wurden die verbliebenen 17 Wohnungslosen pünktlich zum Herbstbeginn wieder auf die Straße gesetzt. Das fast zeitgleich erfolgende »wir haben Platz« von Belit Onay klang da vielen wie Hohn und sorgte in Hannovers Stadtgesellschaft für eine spürbare Erschütterung. Warum auch nahm man den Leuten das Dach überm Kopf, wenn doch Platz vorhanden war? Und nicht zuletzt hatte man ja nun gesehen, wie durchschlagend die Kombination von (Einzel-) Unterbringung und Sozialarbeit zum Erfolg führte. Wieso wurde ein erfolgreiches Projekt dann beendet?

Schwer vorstellbar, dass die Stadt nun einfach wieder in den alten Trott zurückfallen könnte. Und doch sah es einige Zeit so aus. Selbst angebotene Gelder aus der Stadtgesellschaft zur Fortsetzung der Einzelunterbringung wie von der Niedergerke-Stiftung wurden nicht angenommen. Ein Nachfolgeprojekt war nicht in Sicht, stattdessen ließ das Bauamt verlauten, die Kapazitäten für die Unterbringung von Wohnungslosen seien ausreichend. Zumindest nach den geltenden Standards, und die sehen derzeit unter anderem Mehrbettzimmer vor. Doch derartige Sammelunterkünfte, in denen Menschen mit mehrfachen Handycaps und Schwierigkeiten zusammengepfercht und von Sicherheitsdiensten überwacht werden, stellen kein Umfeld dar, in dem jemand stabilisiert werden und sich neu orientieren könnte. Tatsächlich gibt es viele obdachlose Menschen, die lieber auf der Straße übernachten, als in den Notunterkünften der Stadt Hannover. Die sind deshalb auch nur zu maximal 60 Prozent ausgelastet.

Wir schaffen Platz So klingt das »wir haben Platz« gleich noch viel zynischer. Zumal die Menschen, die auf der Straße leben müssen, während der Pandemie nur noch eingeschränkt versorgt werden können. Die sonst rappelvollen Tagestreffs dürfen derzeit meist nur jeweils weniger als eine Handvoll Besucher und Besucherinnen einlassen, die zudem nicht lange verweilen dürfen. Damit auch die nächsten wenigstens kurz reinschauen können. Richtig warm wird so kaum jemand, der die ganze Nacht unter freiem Himmel verbracht hat. Für Beratung, ärztliche Versorgung, Hygiene und Gespräche ist kaum Platz, zumindest bleibt alles unerträglich erschwert unter Corona-Bedingungen. Wo also ist der behauptete Platz? Nun ist die Unterbringung von Obdachlosen in Hannover nicht nur eine Platzfrage, sondern zuerst eine der Zuständigkeit. Und da steht Hannover unter den deutschen Großstädten ziemlich einzigartig da. Verantwortlich ist hier nämlich nicht der Fachbereich Soziales, was naheliegend wäre und andernorts auch so gehandhabt wird, sondern das Baudezernat. Und dem sagt man schon seit langem nach, dass es in der Bewältigung dieser Aufgabe nicht gerade die größte Leidenschaft zeigt. Verantwortlich für die sozialen Hilfen wie Unterstützung und Betreuung ist jedoch das Sozialdezernat, wenngleich nur als ausführende Behörde, da hier die übergeordnete Region als örtlicher Träger der Sozialhilfe den Hut aufhat. Das gibt es so nirgends. Natürlich nicht, es reicht ja, dass ein Dezernat andere Prioritäten setzt, als das andere und schon ist Stillstand erreicht. So wie nach dem Sommer in Hannover. Für viele Bürger war die Untätigkeit der Stadt unerträglich. Unter dem Label »Wir schaffen Platz« haben sich jetzt vier Trä-

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Menschen konnte ein maßgeblicher Teil in bessere Wohn- und Lebenssituationen vermittelt werden und sich stabilisieren. Diese positiven Erfahrungen wollen wir jetzt auf ein festes Fundament stellen.«

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ger – Diakonie, Caritas, SeWo und AWO – zusammengeschlossen und 30 Hotelzimmer angemietet, um das Erfolgskonzept aus dem Sommer fortzusetzen und die größte Not zumindest für einige zu lindern. Dort werden die Wohnungslosen wieder einzeln untergebracht und von Sozialarbeitenden betreut. Finanziert wird das Projekt durch die Niedergerke-Stiftung und die MUT-Stiftung. Die Zimmer werden zum halben Preis angemietet, was ungefähr dem Selbstkostenpreis entspricht und waren binnen kürzester Zeit belegt, wie Axel Fleischauer von der SeWo berichtet. »Der Bedarf ist riesig.« Die Finanzierung steht für vier Monate. Fleischauer hofft, über das Sozialamt und das Jobcenter Gelder für eine Fortführung akquirieren zu können, der Erfolg ist jedoch fraglich. In der Politik scheint derzeit keine Bereitschaft zu bestehen, das Projekt zu unterstützen. Dabei ist die Stadt selbst noch längst nicht so weit, den zur Zeit rund 500 obdachlosen Menschen eine wirkliche Perspektive zu bieten. Auch nicht mit dem Plan B – OK, der jetzt präsentiert wurde.

Plan B – doch nicht ok? Der ist nämlich nur für 70 Personen konzipiert, die bis zu drei Monate untergebracht und in dieser Zeit intensiv betreut werden sollen. Allerdings sucht die Landeshauptstadt nach eigenen Angaben derzeit noch nach einer geeigneten Unterkunft. Als Zwischenlösung stünden zunächst 21 Plätze in einem Mehrparteienhaus in Döhren zur Verfügung. Auch für Menschen mit einem ungeklärten Leistungs- oder Aufenthaltsstatus – zumeist

EU-Bürger aus Osteuropa – sind Plätze vorgesehen, die aber nur 30 Tage Zeit bekommen, ihren Status zu klären. Plan B – OK kommt als Modellprojekt daher mit einer Laufzeit von drei Jahren. Im Erfolgsfall sei die Umsetzung als Regel­ angebot für wohnungslose Menschen in der gesamten Region Hannover geplant. Für die Immobilien und den Betrieb plant die Stadt Hannover Kosten in Höhe von ca. 2,25 Millionen Euro für drei Jahre ein. Die Region Hannover finanziert zunächst das pädagogische Grundangebot und beteiligt sich an den Unterbringungskosten. Rund 600.000 Euro werden dafür über den Projektzeitraum veranschlagt. Das Konzept trifft in der Wohnungslosenhilfe auf ein verhaltenes Echo. »Das geht in die richtige Richtung, ist aber noch nicht der große Wurf«, bilanziert Reinhold Fahlbusch, Vorsitzender der Ombudsstelle StiDU – Stimme der Ungehörten. Ähnlich äußert sich Axel Fleischauer, der als Sozialarbeiter bei der SeWo arbeitet: »Grundsätzlich ist die Grundintention richtig, jetzt auf Einzelunterbringung zu setzen. Auch der Betreuungsschlüssel zuzüglich Einzelfallhilfe ist gut. Ich verstehe aber nicht, warum das als Modellprojekt aufgezogen wird. Wir machen das schließlich schon lange so und das mit guten Erfahrungen.« Als »hart« empfindet Fleischauer die Frist von 30 Tagen für Osteuropäer, ihren Status zu klären und fürchtet, dass viele von ihnen wieder auf der Straße landen. Die Stadt setzt auf den Erfolg der Maßnahme. Die Perspektiven der Menschen »werden erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich und individuell sein. Der Bezug einer eigenen Wohnung kann, muss aber nicht, die individuelle Lösung darstellen. Weitere individuelle Alternativen könnten sein: zunächst in einer stationären Einrichtung eine weitere Stabilisierung zu erreichen, sich erforderlichen medizinischen Behandlungen zu unterziehen oder in eine dauerhafte Obdachlosenunterkunft der Stadt Hannover untergebracht zu werden, um dort weiter von den in den Unterkünften eingesetzten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern betreut zu werden«, so Stadtsprecherin Michaela Steigerwald.

Foto: privat

Hannover hat Platz

Auch am Geveker Kamp in Hannover gibt es einen Sanierungsstau bei städtischen Häusern, die für die Unterbringung wohnungsloser Paare und Einzelpersonen vorgesehen sind.

Allerdings gilt das zunächst nur für 21 Wohnungslose. »Das ist angesichts von rund 500 obdachlosen Menschen in Hannover keine wirkliche Perspektive. Und selbst die Aufstockung auf 70 Plätze soll ja erst in zwei Jahren erfolgen«, kritisiert Fleischauer. Und Fahlbusch erklärt: »Die Stadt ist rechtlich verpflichtet, jedem ungewollt wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf anzubieten, auch tagsüber. Da sind die Kapazitäten insgesamt viel zu gering.« Dass die Stadt sich das schön rechne, indem sie die Angebote freier Träger mit einbezieht, sei unzulässig.


aus der Vor-Corona-Zeit).

»Es kommt nicht darauf an, Wunderwerke der Architektur zu schaffen, sondern angemessenen Wohnraum bereitzustellen.«

Aber wo könnten sie hin, die Obdachlosen? Irgendwann wird ja auch die Corona-Pandemie vorbei sein und die Hotels wieder für den Normalbetrieb öffnen. Und dann? Wo sollte die Stadt dann angesichts des ohnehin schon angespannten Wohnungsmarktes weitere Unterkünfte schaffen und das auch noch schnell und preiswert? Die Antwort könnte überraschend einfach ausfallen: aus dem eigenen Bestand. Reinhold Fahlbusch, Anfang Dezember erregte eine Hausbesetzung Vorsitzender der StiDU, Omin Hannover Aufsehen. Die Stadt stellte Strafanbudsstelle für Wohnungslose trag, die Häuser wurden umgehend geräumt. Das Ganze dauerte nur ein paar Stunden und kann in der Geschichte der Hausbesetzungen nur als kurze Episode gelten. Daher könnte man jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht der Ort der Besetzung ein kurzes Innehalten verdient hätte. Die Besetzer hatten sich nicht einfach irgendein leer stehendes Haus ausgesucht. Besetzt wurden die roten Häuser in Hainholz an der Schulenburger Landstraße. Ein denkmalgeschütztes Ensemble des Architekten Paul Wolf in städtischem Besitz. Dabei handelte es sich keineswegs um irgendwelche Wohnhäuser, sondern um Obdachlosenunterkünfte von Beginn an, seit ihrer Fertigstellung vor fast hundert Jahren. Allerdings sind die Häuser weitgehend unbewohnt, geräumt von der Stadt zu Sanierungszwecken, heißt es dort. Doch geschehen ist bislang nichts. Darauf wollten die Besetzer aufmerksam machen. Während die Stadt angeblich

Ulrich Matthias

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Foto: Jelca Kollatsch

Versorgung von Obdachlosen in Hannover durch den Kältebus der Johanniter (Archivfoto

noch nach passenden Immobilien sucht, stehen ausgewiesene Obdachlosenunterkünfte leer. Seit eineinhalb Jahren. Da zeigt sich die Öffentlichkeit über den Umgang mit den Obdachlosen entsetzt, schlagen die Hilfsorganisationen Alarm und fordert die Politik von der Stadtverwaltung Lösungsvorschläge gegen die Obdachlosigkeit, und die Stadt sitzt gleichzeitig auf leer stehenden Immobilien. Die Stadt sieht hier offenbar keinen Handlungsdruck: »Die Stadt Hannover plant weiterhin die Häuser an der Schulenburger Landstraße 167-225 zur Unterbringung obdachloser Familien zu nutzen. Aufgrund der baulichen Mängel und der Schadensbilder an den Gebäuden ist eine Gesamtsanierung notwendig. Die Planung und Ausschreibung der Gesamtsanierung ist zeit-, personal- und kostenintensiv.« Eine Zwischennutzung der Gebäude vor Fertigstellung der Sanierung sei angeblich nicht möglich, da die Häuser zu einem großen Teil nicht bewohnbar seien. Für Fahlbusch (der die Besetzung allerdings für falsch hält) eine nicht nachvollziehbare Ausrede. Es komme schließlich nicht darauf an, Wunderwerke der Architektur zu schaffen, »sondern angemessenen Wohnraum bereitzustellen«. Wenn es für das Bauamt zu schwierig sei, die Sanierung zu planen, könnten sie sich ja Hilfe bei Hanova holen. Zudem seien die roten Häuser nicht die einzigen freien Liegenschaften der Stadt. Fahlbusch zählt hier die Immobilien in der Kleefelder Straße und im Geveker Kamp als mögliche Standorte für die Unterbringung von Obdachlosen auf. Die Ratsfraktionen sollten von der Verwaltung eine Liste leer stehender Immobilien in städtischem Besitz verlangen, fordert StiDU. Platz ist also da in Hannover, jedenfalls mehr, als man denkt. Dennoch wird man auf den wirklich großen Wurf in der Landeshauptstadt wohl noch länger warten müssen.

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GRENZGÄNGER Die meisten DDR-Fluchtversuche werden mit der Berliner Mauer verbunden. Eine Initiative an der Ostsee will das ändern und gleichzeitig für Versöhnung sorgen. Doch die Wunden sitzen tief. Kühlungsborn. An einem kalten, nebligen Oktoberabend wollte Harry Balbach sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Seekarte, Kompass, Papiere: Viel mehr hatte der junge Mann nicht dabei, als er am 31.10.1971 in ein wackeliges Faltboot stieg. Neben ihm Hansi, ein flüchtiger Bekannter, der ebenfalls genug hatte von der DDR. Während die Wellen gegen das Holzgestänge klatschten, peilten die Männer das Leuchtfeuer der dänischen Insel Lolland an, Marschrichtung 16 auf dem Kompass. Sie ruderten und ruderten und schauten nicht zurück, den Blick gen Westen gerichtet, in die Freiheit. Und dann kam doch alles anders. 49 Jahre später steht Balbach wieder am Strand von Kühlungsborn. Hier verwickelte er zwei Grenzsoldaten in ein Gespräch, um ihre Kontrollstrecke auszukundschaften. Hier

schlich er mit Hansi über den Sand, um das Faltboot ins Wasser zu hieven. Hier begann das Abenteuer, das wenige Stunden später beinahe tödlich endete und schließlich zu einer Haftstrafe führte. Es wirkt fast surreal, wenn Balbach seine Erlebnisse schildert. Der Sonnenschein, der Salzwasserduft, die Kinder, die mit Eiskugeln über die gepflegte Strandpromenade rennen: Nur wenig erinnert an der Ostseeküste daran, welche Dramen sich hier abgespielt haben. Doch dann kommt er in Sicht, der Wachturm. Von dort aus kontrollierten die DDR-Grenztruppen den Strand, ausgestattet mit Ferngläsern, Funkgeräten und AK-47-Schnellfeuergewehren. Der »See-Grenzbeobachtungsturm BT-11« ist eines der letzten erhaltenen Bauwerke dieser Art: 15 Meter hoch, oben verglast, zugänglich für die Öffentlichkeit. Wer etwas über die


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Ostsee als Fluchtroute erfahren möchte, kann den Turm und das benachbarte Museum besuchen. Mit etwas Glück – oder einem vorherigen Termin – trifft man dort Zeitzeugen wie Harry Balbach. Nur wenige Minuten, nachdem er losgerudert war, verschlechterte sich das Wetter. »Sturm kam auf, die Wellen wurden immer höher«, sagt der heute 72-Jährige. »Der Nebel war so dicht, dass man die eigene Hand nicht mehr vor Augen sah.« Schweren Herzens kehrten die Männer um. Kaum an Land angekommen, wurden sie verhaftet. »Versuchter ungesetzlicher Grenzübertritt« lautet die Anklage, die man in Balbachs Gerichts- und Stasi-Akten nachlesen kann. Das Dokument liest sich wie ein Krimi. 19 Uhr: Abendessen in der Gaststätte »Jochen Weigert«. 21 Uhr: Boot aus der Gartenlaube geholt. 0.05 Uhr: Festnahme am Strand. »Kaum waren wir die Steilküste hoch, schauten wir in die Münder der Kalaschnikow«, erinnert sich Balbach. Die Strafe für sein Vergehen: zweieinhalb Jahre Haft. Damit solche Geschichten nicht in Vergessenheit geraten, kämpfen einige Kühlungsborner seit Jahren für den Erhalt ihres Grenzturms. 1990, kurz nach der Wende, stand das Bauwerk schon vor dem Abriss. »Wir haben dann einfach einen Bauzaun drumherum aufgestellt«, erzählt Knut Wiek, damals Bürgermeister von Kühlungsborn. Für ihn persönlich hat der Grenzturm einen hohen Symbolwert. »Ich wohne gleich nebenan. Jeden Abend leuchteten die Scheinwerfer, man hat »Kaum uns immer beobachtet«, sagt der 77-Jährige. Dass der Turm heute noch steht, waren wir ist für ihn eine späte Genugtuung, eine die SteilTrophäe. So klettert er regelmäßig die küste hoch, eisernen Leitern nach oben – nicht nur schauten auf den Ausguck, sondern bis aufs Dach wir in die zum Suchscheinwerfer. Die Zukunft von »BT-11« war lange KalaschniZeit ungewiss. Erst musste der Abriss kow.« verhindert werden, später kamen die Harry Balbach Kosten für die Sanierung dazu. Und das politische Tauziehen. »Nach der Wende wollten viele die Vergangenheit möglichst schnell vergessen«, sagt Wiek. »Deshalb sehen viele Ostseebäder heute auch alle gleich aus, wie geleckt.« Dabei sei es doch gerade das Besondere, das Touristen anziehe. 2003 gründete er mit einigen Mitstreitern den Verein Grenzturm e. V., um Sponsoren zu finden und das Gebäude langfristig zu pflegen. 2013 folgte ein kleines Museum, in dem Fotos und Anschauungs-

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Harry Balbach wurde 1971 beim Fluchtversuch verhaftet. Heute schaut er vom Grenzturm aus auf die Stelle, an der er die Ostsee-Überfahrt versuchte.

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a m n e s t y a f t e r wo r k Schreiben Sie für die Menschenrechte – gegen Verfolgung, Gewalt und Folter

Gemeinsam für die Menschenrechte Sie können helfen: Wir laden Sie herzlich ein, uns montags zu besuchen. Lassen Sie Ihren Tag mit einer guten Tat bei Kaffee, Tee und Gebäck ausklingen, indem Sie sich mit Faxen, Petitionen oder Briefen gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einsetzen. Öffnungszeiten: Montag 18 bis 19 Uhr after work cafe Dienstag 11 bis 12 Uhr, Donnerstag 18.30 bis 19.30 Uhr amnesty Bezirksbüro Hannover Fraunhoferstraße 15 · 30163 Hannover Telefon: 0511 66 72 63 · Fax: 0511 39 29 09 · www.ai-hannover.de Spenden an: IBAN: DE23370205000008090100 · BIC: BFSWDE33XXX Verwendungszweck: 1475


System hielt. Der wurde von den Besuchern direkt niedergemacht.« Solche Begegnungen führten dazu, dass über die Vergangenheit eher geschwiegen werde. »Wer sagt schon ehrlich, dass er überzeugt war, wenn man mit solchen Reaktionen rechnen muss?« Wiek findet das schade. »Wir wollen ja beide Perspektiven zeigen.« Einer der Männer, die in Kühlungsborn am Strand patrouillierten, heißt Peter Mohrenberg. Der 64-jährige Rentner lebt heute in Erfurt. »Ich bewundere den Mut der Republikflüchtlinge«, sagt er, »aber die Grenzer waren auch oft ganz normale Leute.« Er selbst sei von der DDR überzeugt gewesen, hätte im Ernstfall wahrscheinlich sogar geschossen. »Aber ich hab‘ keinen angeschwärzt und war auch nie in der Partei«, betont er. Einen »versuchten Grenzdurchbruch« – so nennt er es noch heute – habe er nie erlebt. »Meist waren unsere Rundgänge wie Spazierengehen am Strand, nur dass wir bewaffnet waren und zwischendurch Personen kontrolliert haben.« Auch bei Mohrenberg ist die Sache nicht so eindeutig, wie es zunächst scheint. Mehrfach versuchte die Stasi ihn anzuwerben – er habe stets abgelehnt. Als seine damalige Freundin weKnut Wiek setzt sich seit den 1990er-Jahren für den Erhalt des gen »Staatsverleumdung« inhaftiert wurde, war auch seine KarGrenzturms in Kühlungsborn ein. Dass er noch immer steht, ist riere bei der Volkspolizei vorbei. »Im Laufe der Zeit haben sich für ihn eine Genugtuung. meine Einstellungen geändert«, sagt Mohrenberg. Man merkt, dass er noch heute hin- und hergerissen ist. »Niemand ist gerne objekte (z. B. ein konfisziertes Klappboot) gezeigt werden. »Zu eingesperrt«, sagt er zum Reiseverbot der DDR-Bürger. Andeunseren Unterstützern gehören neben Einheimischen auch rerseits: »Es war nicht alles schlecht. Welche Gesellschaftsordnung ist schon perfekt?« viele Leute aus dem Westen«, sagt Wiek. Vor einigen Jahren war er noch einmal in Kühlungsborn, Als Teil des Bildungsauftrags organisiert der Verein regelmäßig einen Tag der offenen Tür. »Republikflüchtlinge« wie diesmal als Tourist. Er stieg auf den Grenzturm, schaute durchs Harry Balbach kommen dann vorbei, um ihre Motivation zu Fenster und beobachtete die Ostsee. Harry Balbach, den ehemaligen Republikflüchtling, hat er nie geschildern. Bei ihm war es gar nicht die troffen. Vielleicht täte es beiden gut, sich große Politik, die ihn aus dem Land trieb: über die alten Zeiten zu unterhalten, ohne »Meine Freunde und ich mochten vor al»Meist waren unseVorurteile. Balbach sagt, auch er sehe heute lem die westliche Musik, die Beatles, die re Rundgänge wie vieles anders. »Inzwischen weiß ich, dass Rolling Stones, Chuck Berry.« Nach einem Spazierengehen am viele Spitzel und Soldaten von der Stasi Jahr in Haft wurde er von der BRD freigeStrand, nur dass wir gezwungen wurden. Es ist eben nicht alles kauft und lebte bis zum Mauerfall im WesSchwarz-Weiß.« Auch er kennt einen eheten. »Ich habe alles Mögliche gemacht«, bewaffnet waren.« maligen Grenzsoldaten, der heute noch in sagt Balbach – Elektrik, Innenarchitektur, Peter Mohrenberg Kühlungsborn wohnt. »Der hatte das Glück, Vermögensberatung. Zwar konnte er seine niemanden aufgreifen zu müssen. Der hat Familie zwischendurch besuchen, die Ostsee fehlte ihm dann aber doch. »Ich würde es sofort wieder ma- einfach nur seinen Dienst gemacht.« 5609 Fluchtversuche über die Ostsee hatten die Behörden chen«, sagt er, »aber Kühlungsborn ist nun mal meine Heimat.« seit 1961 registriert – per Schlauchboot, Luftmatratze, TaucherNach der Wende zog er sofort zurück. Noch heute leben in Kühlungsborn ehemalige Regimetreue anzug oder im selbst gebauten U-Boot. 913 Personen schafften als auch Dissidenten Tür an Tür. Manchmal gibt es Veranstal- es in den Westen, etwa 180 ertranken bei dem Versuch. Dass tungen, bei denen beide Seiten zusammenkommen sollen, um beide Seiten heute zumindest Verständnis füreinander äußern, ihre unterschiedlichen Sichtweisen darzulegen. »Das war kei- gibt Anlass zur Hoffnung. Projekte wie in Kühlungsborn tragen ne so gute Idee«, sagt Knut Wiek vom Grenzturm-Verein. »Wir ihren Teil dazu bei. hatten hier einen Mann, der den Sozialismus für das bessere Text und Fotos: Steve Przybilla


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Foto: REUTERS/Eloisa Lopez

DIE PLASTIKPANDEMIE Es ist Corona-Zeit. Die Nachfrage nach Gesichtsschutzschilden, Handschuhen, Plastikgeschirr und Folien ist rasant gestiegen. Und hat auch den Preiskampf zwischen recyceltem und neuem Plastik verschärft – ein Kampf den die Recycler zu verlieren scheinen. Zulasten der Umwelt. Die Corona-Virus-Pandemie hat einen Ansturm auf Plastik ausgelöst. Von Wuhan bis New York ist die Nachfrage nach Gesichtsschutz, Handschuhen, Take-Away-Gefäßen für Mahlzeiten und Luftpolsterfolie für Online-Einkäufe gestiegen. Da das meiste davon nicht recycelt werden kann, wächst auch der Abfallberg weltweit. Aber es gibt noch eine andere Konsequenz. Die Pandemie hat einen Preiskampf zwischen recyceltem und neuem Kunststoff der Ölindustrie verschärft. Es ist ein Kampf, den die Recycler weltweit verlieren, wie Preisdaten und Inter-

views mit mehr als zwei Dutzend Unternehmen auf fünf Kontinenten zeigen. »Ich sehe wirklich viele Menschen, die Probleme haben«, sagte Steve Wong, CEO von Fukutomi Recycling in Hongkong und Vorsitzender der China Scrap Plastics Association. »Sie sehen kein Licht am Ende des Tunnels.« Der Grund: Fast jedes Stück Plastik beginnt sein Leben als fossiler Brennstoff. Der konjunkturelle Einbruch hat die Nachfrage nach Öl belastet. Dies hat wiederum den Preis für neuen Kunststoff gesenkt.


steigern wird, da Plastik dazu dient, die Sicherheit und den Lebensstandard zu erhöhen«, sagt beispielsweise Sarah Nordin, Sprecherin von ExxonMobil. Von den zwölf weltweit größten Öl- und Chemieunternehmen – BASF, Chevron, Dow, Exxon, Formosa Plastics, INEOS, LG Chem, LyondellBasell, Mitsubishi Chemical, SABIC, Shell und Sinopec – gaben ohnehin nur fünf an, wieviel Geld sie in Abfallreduktion investieren. Drei lehnten einen Kommentar ab. Ergebnis: Nur ein Bruchteil des Umsatzes wird in Recycling investiert. Es lohnt einfach nicht.

In Plastik ertrinken Pläne, so stark in neue Kunststoffe zu investieren, seien »ein ziemlich besorgniserregender Schritt«, sagte dazu Lisa Beauvilain, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit bei Impax Asset Management, einem Fonds mit einem verwalteten Vermögen von 18,5 Milliarden US-Dollar. »Länder mit oft unentwickelter Abfallwirtschafts- und Recyclinginfrastruktur werden schlecht gerüstet sein, um noch größere Mengen an Plastikmüll zu bewältigen«, sagte sie. »Wir ertrinken buchstäblich in Plastik.« Seit dem Ausbruch des Coronavirus hätten Recycler weltweit berichtet, dass ihre Geschäfte in Europa um mehr als 20 Prozent, in Teilen Asiens um 50 Prozent und in einigen Unternehmen in den USA um bis zu 60 Prozent geschrumpft sind. Greg Janson, dessen Recyclingunternehmen QRS in St. Louis, Missouri, seit 46 Jahren im Geschäft ist, sagt, seine Position wäre vor einem

Nun aber hat das Coronavirus den Trend verstärkt, deutlich mehr und nicht weniger Plastikmüll zu produzieren. Und die Ölindustrie freut das. Laut einer Studie von Carbon Tracker, einem Energie-Think-Tank, plant die Öl- und Gasindustrie, in den nächsten fünf Jahren rund 400 Milliarden US-Dollar für Anlagen zur Herstellung von Rohstoffen für Frischkunststoffe auszugeben. Dies liegt daran, dass die Industrie hofft, dass eine steigende Nachfrage nach neuen Kunststoffen die künftige Nachfrage nach Öl und Gas sicherstellen kann, da eine wachsende Flotte von Elektrofahrzeugen und eine verbesserte Motoreffizienz die Kraftstoffnachfrage senken werden. Die Ölund Plastikindustrie setzt auf die zunehmende Verwendung von Konsumgütern auf Kunststoffbasis durch Millionen neuer mittelständischer Konsumenten in Asien und anderswo. »Während der nächsten Jahrzehnte erwarten wir, dass das Bevölkerungs- und Einkommenswachstum die Nachfrage nach Plastik

Foto: REUTERS/Eloisa Lopez

Öl-Industrie hofft

Jungen mit Masken zum Schutz vor COVID-19 entfernen in Manila, Philippinen, von Hand Etiketten von Plastikflaschen.

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Bereits seit 1950 hat die Welt 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll erzeugt, von denen 91 Prozent laut einer 2017 in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie nie recycelt wurden. Neuer Kunststoff, der in der Industrie »jungfräuliches« Material genannt wird, kostet nur die Hälfte des Preises des am häufigsten verwendeten recycelten Kunststoffs. Viele Recycler sind seit langem auf staatliche Unterstützung angewiesen. Der Markt richtet es eben nicht im Interesse des Umweltschutzes. Seit COVID-19 sind sogar Getränkeflaschen aus recyceltem Kunststoff – dem am häufigsten recycelten Kunststoffartikel – weniger lebensfähig geworden. Laut Marktanalysten der Independent Commodity Intelligence Services (ICIS) ist der recycelte Kunststoff, aus dem sie hergestellt werden, 83 bis 93 Prozent teurer als neuer Kunststoff in Flaschenqualität. Die Pandemie schlug genau zu dem Zeitpunkt ein, als Politiker in vielen Ländern gerade mit großen Versprechen antraten, aus ökologischen und Klimaschutzgründen den Kampf gegen Abfälle aus Einwegkunststoffen massiv verstärken zu wollen. China, das früher mehr als die Hälfte des weltweit gehandelten Plastikmülls importierte, verbot 2018 die Einfuhr des größten Teils davon. Die Europäische Union plant eigentlich, ab 2021 viele Einweg-Plastikartikel zu verbieten. Und der US-Senat erwägt ein Verbot des Einwegkunststoffs, überlegt gesetzliche Recyclingziele einzuführen. Denn Kunststoff, der sich größtenteils nicht zersetzt, ist ein wesentlicher Treiber des Klimawandels. Allein bei der Herstellung von vier Plastikflaschen werden laut Weltwirtschaftsforum so viel Treibhausgasemissionen erzeugt wie beim Fahren einer Meile mit dem Auto. Und die Entsorgung: Allein die USA verbrennen sechsmal mehr Kunststoff als sie recyceln.

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Foto: REUTERS/Neil Jerome Morales

Richard Pontillas sitzt in seinem familieneigenen Sari-Sari-Geschäft in Quezon City, Philippinen.

Jahrzehnt unvorstellbar gewesen: Die Vereinigten Staaten sind zu einem der billigsten Orte für die Herstellung von jungfräulichem Kunststoff geworden, so wird also mehr auf den Markt kommen. »Die Pandemie hat diesen Tsunami verschärft«, sagte er. Die zwölf befragten Öl- und Chemieunternehmen postulieren übrigens annähernd unisono, Kunststoff könne Teil der Lösung für globale Herausforderungen im Zusammenhang mit einer wachsenden Bevölkerung sein. Sechs sagten, sie würden auch neue Technologien entwickeln, um Kunststoffabfälle wiederzuverwenden. Da Kunststoff leicht sei, sei er für die Verbraucher weltweit unverzichtbar und könne zur Emissionsreduzierung beitragen. Einige forderten zuletzt entsprechend ihre Regierungen auf, die Infrastruktur für die Abfallbewirtschaftung zu verbessern. »Höhere Produktionskapazitäten bedeuten nicht unbedingt mehr Verschmutzung durch Kunststoffabfälle«, sagte ein Sprecher der BASF SE in Deutschland, dem weltweit größten Chemiepro-

duzenten, und fügte hinzu, dass das Unternehmen seit vielen Jahren Innovationen bei Verpackungsmaterialien vornimmt, um die erforderlichen Ressourcen zu reduzieren. Die neue Plastikwelle bricht an den Ufern der ganzen Welt.

In Plastik verpackt Der 33-jährige Richard Pontillas betreibt in Quezon City, der bevölkerungsreichsten Metropole der Philippinen, ein in Familienbesitz befindliches »Sari-Sari«- oder »Kleinigkeiten«-Laden. Ein Kiosk quasi. Die flüssigen Waren, die er verkauft, waren früher in Glas verpackt. Tatsächlich brachten viele Kunden ihre eigenen Flaschen zum Nachfüllen mit. Händler wie er gehören zu den Hauptzielen der Kunststoffindustrie und wollen einen Trend ausweiten, der nach 1907, als der belgisch-amerikanische Chemiker Leo Baekeland Bakelit erfand, etabliert wurde. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat Kunststoff in Massenproduktion das Wirtschaftswachstum angeheizt und eine neue Ära des Konsums und der Convenience-Verpackung eingelei-


Kunststoff als Lebensretter »Einwegkunststoffe waren während dieser Pandemie der Unterschied zwischen Leben und Tod«, sagte Tony Radoszewski, Präsident und CEO der Plastic Industry Association (PLASTICS), der Lobbygruppe der Branche in den USA. Taschen für intravenöse Lösungen und Beatmungsgeräte erfordern Einwegkunststoffe, sagte er. »Krankenhausbekleidung, Handschuhe und Masken bestehen aus sicherem, hygienischem Kunststoff.« Im März schrieb PLASTICS an das US-Gesundheitsministerium und forderte aus gesundheitlichen Gründen eine Rücknahme der Verbote von Plastiktüten. Plastiktüten seien sicherer, weil Keime von wiederverwendbaren

Tüten und anderen Substanzen leben. Forscher unter der Leitung des US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases, einer US-Regierungsbehörde, stellten später fest, dass das Corona-Virus nach 72 Stunden immer noch auf Kunststoff aktiv war, verglichen mit bis zu 24 Stunden auf Karton und Kupfer. Allein in diesem Jahr haben Exxon, Royal Dutch Shell Plc und BASF Investitionen in petrochemische Anlagen in China im Wert von insgesamt 25 Milliarden US-Dollar angekündigt, um die steigende Nachfrage nach Konsumgütern im bevölkerungsreichsten Land der Welt zu befriedigen. Weitere 176 neue petrochemische Anlagen sind in den nächsten fünf Jahren geplant, davon fast 80 Prozent in Asien, so die Energieberatung Wood Mackenzie.

Cola und Co Die Nachfrage nach recyceltem Material aus Verpackungsunternehmen ist in Europa im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 20 bis 30 Prozent gesunken. Gleichzeitig haben Menschen, die zu Hause geblieben sind, mehr Recyclingabfälle erzeugt, sagte Sandra Castro, CEO von Extruplas, einem portugiesischen Recyclingunternehmen, das recycelte Kunststoffe in Gartenmöbel umwandelt. »Es gibt viele Recyclingunternehmen, die möglicherweise nicht damit fertig werden. Wir brauchen die Industrie, um eine Lösung für die von uns produzierten Abfälle anbieten zu können.« Coca-Cola, Nestle und PepsiCo sind die drei weltweit führenden Kunststoffverschmutzer. Alle drei haben sich schon vor Jahrzehnten freiwillig zum Ziel gesetzt, den Anteil von recycelten Kunststoff in ihren Produkten nennenswert zu erhöhen. Und haben das Ziel bisher weitgehend verfehlt. Coca-Cola und Nestle beklagten jüngst, es sei schwierig, den benötigten Kunststoff aus recycelten Quellen zu beziehen. »Wir zahlen oft mehr für recycelten Kunststoff als für den Kauf von neuem Kunststoff«, sagte ein Nestle-Sprecher und fügte hinzu, dass Investitionen in recyceltes Material gleichwohl Priorität des Unternehmens seien. Selbst wenn alle bestehenden Selbstverpflichtungen der Plastiknutzer und -hersteller eingehalten würden, wird der Kunststoff, der aktuell in die Ozeane gelangt, laut einer im vergangenen Juni von der NGO Pew Trusts veröffentlichten Studie von heute 11 Millionen Tonnen auf 29 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2040 steigen. Kumuliert würde die aktuelle Meeresmenge an Plastik ein Gewicht von 600 Millionen Tonnen erreichen – das wäre das Gewicht von drei Millionen Blauwalen. Joe Brock Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Reuters/INSP. ngo

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tet. »Vor vielen Jahren ... waren wir auf Waren angewiesen, die in Flaschen und Plastiktüten umgepackt wurden«, sagte Pontillas, dessen Geschäft Reis, Gewürze und Beutel mit Kaffee, Schokoladengetränken und Gewürzen verkauft. Heute führen Tausende von Kleinverkäufern in den Entwicklungsländern Waren des täglichen Bedarfs in Plastikbeuteln, die in Streifen von den Dächern der Hütten am Straßenrand hängen und ein paar Cent pro Stück kosten. Nach Angaben der Global Alliance for Incinerator Alternatives, einer NGO, werden auf den Philippinen bereits 164 »Wir ertrinken Millionen solcher Beutel täglich verwendet. Das sind fast 60 Milbuchstäblich liarden pro Jahr. Beutel aber sind in Plastik.« schwer zu recyceln. Sie sind nur Lisa Beauvilain eine Form der Verschmutzung, die die Pandemie verstärkt, indem sie die Kanalisation verstopft, das Wasser verschmutzt, das Leben im Meer erstickt und Nagetiere und krankheitserregende Insekten anzieht. Wie auch Gesichtsmasken, die teilweise aus Kunststoff bestehen. Im März dieses Jahres zum Beginn der Pandemie verwendete allein China 116 Millionen davon – zwölfmal mehr als im Februar. Laut einem Bericht des chinesischen Beratungsunternehmens iiMedia Research wird die Gesamtproduktion von Masken in China im Jahr 2020 voraussichtlich 100 Milliarden überschreiten. Laut einem anderen Beratungsunternehmen, Frost & Sullivan, haben die USA in zwei Monaten auf dem Höhepunkt der Pandemie medizinische Abfälle im Wert von einem ganzen Jahr erzeugt.

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Adventsstimmung bei 96plus

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Im Rahmen der Aktion #NiemalsAlleinACHTEN hat 96plus den sozialen 96plus-Adventskalender ins Leben gerufen, bei dem 24 Schulen sowie Einrichtungen der Wohnungslosen- und der Flüchtlingshilfe besucht wurden.

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Thermobecher »Asphalt« Der doppelwandige Edelstahl-Becher mit Silikonmanschette und eingraviertem Asphalt-Schriftzug passt Dank seiner geringen Höhe von 14,2 cm unter den Auslass vieler gängiger Kaffeepad- und Kapselmaschinen. Fassungsvermögen 230 ml. Becher und Deckel sind spülmaschi­nen­tauglich. Preis: 13,50 Euro

Passend zum Asphalt-Thermobecher gibt es von der Hannoverschen Kaffeemanufaktur unseren würzig-intensiven Asphalt-Kaffee. Erhältlich in Hannover in der Wunstorfer Str. 33 (Rösterei, Café & Fachgeschäft) und am Ernst-August-Platz 5 (Kaffeebar & Fachgeschäft, Galeria Karstadt Kaufhof). Alle Preise inkl. MwSt. und zzgl. Versandkosten.

Den Start machte die Oststadtschule in Wunstorf. Von dort ging vor einiger Zeit die Anfrage bei 96plus ein, Schüler*innen mit Decken zu versorgen, da sie coronabedingt bei offenem Fenster unterrichtet werden müssen. Daraus ist die Idee für den 96plusAdventskalender entstanden. In Zusammenarbeit mit Hauptpartner Clarios wurden pro Einrichtung 100 Decken und tolle weitere kleine Überraschungen übergeben, welche an die verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Einrichtungen angepasst wurden. Auch die Nikolausaktion war ein voller Erfolg. Knapp 400 Waffeln wurden an sieben soziale Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe verteilt und dankend entgegengenommen.


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Foto: M. Biele

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GROSSE FAMILIE Der Weißekreuzplatz in Hannovers Oststadt – immer wieder gerät das Areal vor dem Pavillon in den Fokus von Medien und Politik. So auch jüngst. Weil Anwohner Alarm schlagen: zu viel Dreck, zu viel Lärm und Streitereien durch die »Trinkerszene«. Der morgendliche Dunst ist fast verzogen. Durch die weißen Wolken brechen die ersten Sonnenstrahlen über dem Weißekreuzplatz herein. Auf dem noch feuchten Rasen liegt Laub von den angrenzenden Bäumen. Ansonsten ist die Wiese leer. An einem Baum, gleich neben dem Toilettenhäuschen, fallen zwei

herumstehende Einkaufswagen auf, vollgepackt mit Schlafsäcken, Plastiktüten und Jacken bis über den Rand hinaus. Auf dem Boden liegen in den Sand eingedrückte Deckel von kleinen Schnaps- und Bierflaschen herum. Ansonsten wirkt der Platz ein bisschen wie frisch ausgefegt. An drei der Bänke, die


Foto: M. Biele

um den Platz herum verteilt aufgestellt sind, haben sich kleine Grüppchen von Männern und Frauen versammelt. Sie unterhalten sich miteinander, essen kleine Snacks und trinken Wasser, ihren ersten Kaffee oder ein erstes Bier.

Alle sind verschieden

Jonny ist auf dem Weißekreuzplatz für viele seiner Mitstreiter Vertrauensperson.

Foto: M. Biele

Weil er der Einzige auf dem Platz ist, der keinen Alkohol trinkt, wie er selber sagt.

Jonnys gesamtes Hab und Gut passt in einen Einkaufswagen (li.). Wenn er mal nicht auf dem Weißekreuzplatz ist, passen seine Freunde auf, dass niemand Fremdes drangeht.

Auch Jonny ist schon auf dem Weißekreuzplatz. Er trifft sich hier, wie fast jeden Tag, mit seinen Kumpels. Der 66-Jährige ist schon seit längerem obdachlos. Weil er, wie er selber sagt, auf der Straße leben will: »Ich möchte nicht in einer Wohnung eingesperrt sein. Auf der Straße kann ich mich frei bewegen. Und Leyca, meine Hündin, gehört sowieso nach draußen und nicht in eine Wohnung.« Seit etwa vier Jahren erlebt Jonny die Szene auf dem Weißekreuzplatz nun schon hautnah mit. »Für uns ist der Weißekreuzplatz ein wichtiger Bestandteil, um beisammen sein zu können. Wir kennen uns hier untereinander. Hier haben wir unsere sozialen Kontakte. Wir sind alle ganz verschieden, manche haben eine Wohnung und manche eben auch nicht«, erzählt er. So wie sich andere Menschen in Cafés treffen, so treffen sich Jonny und seine Freunde und Bekannten, weil ihnen dafür das Geld fehlt, eben auf dem Weißekreuzplatz. Und natürlich wird dabei auch das eine oder andere Bier getrunken. Vielleicht auch mal gekifft, aber: »Wir sind keine Fixer. Mit Rauschgift haben wir nichts zu tun. Und wir dulden auch nicht, dass hier Rauschgift auf dem Platz genommen, geschweige denn auf der Toilette gespritzt wird. Weil, das sieht scheiße aus«, betont Jonny energisch. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist von einem Drogenproblem auf dem Weißekreuzplatz jedenfalls nichts bekannt. Natürlich gäbe es auch dort Leute, die hin und wieder mal einen Joint rauchen, wie anderswo eben auch. Trotzdem, diese homogene Gruppe von Dauernutzern, die gerne beschrieben wird, die würde es hier nicht geben. Im Gegenteil, die Klientel auf dem Weißekreuzplatz ist bunt gemischt – vom Frührentner, der in der Nähe wohnt, über den Seniorenheim-Bewohner bis zum Arbeiter, der hier sein Feierabendbierchen trinkt, trifft sich hier alles. So wie eben auch Obach- und Wohnungslose. Weil sie nicht allein sein wollen, sie hier Anbindung finden, jemanden zum Reden haben. Und weil sie es genießen, gerade im Sommer, einfach nur draußen und Teil einer Gemeinschaft zu sein. »Es


Mehr Verständnis

platz zugenommen hat, habe es, laut StreetworkerInnen-Kreisen, nach wie vor keine Übergriffe auf Personen gegeben, die nicht zur eigenen Peer-Group gehören. Deshalb seien Angst und Unsicherheit den Nutzern gegenüber auch nicht nötig. Das weiß auch Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes: »Das sind keine Menschen, die offensiv auf andere Leute zugehen und pöbeln. Gleichwohl geht es da nicht um relative, sondern um existenzielle Armut: wenn man nicht weiß, wo man schlafen kann, wo man was zu Essen bekommt. Dann sucht man sein Heil auch manchmal in Alkohol. Und dann passiert das, worunter die Anwohner gerade leiden.« Daher plädiert Müller-Brandes für eine Mischung aus tolerieren und durchgreifen. Mehr Toleranz wünscht sich auch Jonny. »Für wen ist die Situation denn schlimmer? Für die Anwohner, die im wahrsten Sinne auf uns herabblicken, oder für uns, die wir teilweise keine Wohnung haben, keine Privatsphäre und auch keine Sicherheit?«, fragt er sich manchmal. »Wir wollen doch einfach nur zusammen sein. Zusammensitzen, klönen, rauchen, was trinken und spielen – Kartenspiele und all sowas.« Und auch wenn er sich für viele der Obdach- und Wohnungslosen ein eigenes Zuhause wünscht, so würde es an der Situation am Weißekreuzplatz nichts ändern: »Selbst wenn es Zimmer gibt, werden die meisten tagsüber weiterhin auf dem Platz sein. Weil, die wollen ihre Freunde sehen. Das ist mittlerweile eine große Familie. So einfach ist das. Die kommen jeden Tag auf den Platz und abends gehen die nach Hause schlafen«, stellt Jonny klar. Und: »Bevor wir abends abhauen, machen wir nochmal richtig sauber. Sammeln alle Flaschen auf und räumen den ganzen Müll weg«, so der 66-Jährige weiter. Grit Biele/Jasmin Kohler/StreetLIVE* *StreetLIVE ist eine Kooperation von

Dennoch, im Laufe der Jahre, die Jonny und seine Leute den Platz nutzen, hat sich einiges verändert. Ganz so harmonisch wie noch am Anfang läuft es nicht mehr. Ein Grund dafür ist die Verdrängung der Trinkerszene von anderen »Problemplätzen«. »Als wir noch alleine hier waren, da war es ruhig. Weil die aber die lange Bank am Bahnhof geräumt haben, sind alle, die dort gesoffen haben, jetzt hierhergekommen. Und die saufen jetzt natürlich hier auf dem Platz weiter. Und wenn alle auf einem Haufen sind, dann ist das doch ganz klar, dass es hier auch mal Schlägereien gibt. Und dann ist es auch ganz klar, dass sich die Anwohner beschweren«, räumt Jonny ein. Obwohl die Zahl der Trinker auf dem Weißekreuz-

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Foto: M. Biele

kränkt uns, wenn ständig gesagt wird, dass hier jeder obdachlos ist und die Obdachlosen das Problem auf dem Weißekreuzplatz sind. Weder betteln wir aggressiv, noch gibt es hier eine Drogenszene. Manche von uns trinken noch nicht einmal Alkohol, wie ich übrigens auch nicht«, bemerkt Jonny. Auf dem Weißekreuzplatz treffen sich aber nicht nur »Für uns ist der die sogenannten DauerWeißekreuzplatz ein nutzer aus der Szene. Im wichtiger BestandSommer hat beispielsweise eine Yoga-Gruppe teil, um beisammen den Platz regelmäßig zum sein zu können.« Trainieren genutzt, HunJonny, Nutzer des debesitzer haben mit ihren Weißekreuzplatzes Vierbeinern auf der Wiese herumgetollt und junge Menschen haben Decken ausgebreitet und sich gesonnt. Selbst Geschäftsleute haben in ihrer Mittagspause den Weißekreuzplatzes aufgesucht und diese auf der Mauer oder den Bänken genossen.

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Foto: V. Macke

AUS DER SZENE

Obdachlosen helfen Hannover. Ausmisten für einen guten Zweck: Ob warme Kleidung, Schlafsäcke oder Isomatten, gesucht wird alles, was beim Überleben auf der Straße im Winter helfen kann. Gerade nach Weihnachten verträgt so mancher Kleiderschrank eine kritische Inventur. Die Hannoversche Initiative obdachloser Bürger (H.I.o.B.), Minderheitsgesellschafterin bei Asphalt, und die Obdachlosenhilfe Hannover sammeln ein, was die Hannoveraner und Hannoveranerinnen erübrigen können. Die Spenden werden von den Veranstaltern direkt an wohnungslose Menschen verteilt. Am 22.01. von 10–18 Uhr und am 23.01. von 10-16 Uhr auf dem Opernplatz in 30159 Hannover. UM

Tagesnotschlafstelle für Frauen Hannover. Die Stadt schließt eine Versorgungslücke für obdachlose Frauen. Prostituierte und Drogenabhängige können die üblichen Notschlafstellen in der Nacht nicht nutzen und fanden bislang kaum Ruhemöglichkeiten. Und Corona machte alles noch schlimmer. Das hat jetzt auch die Stadt erkannt. In Gesprächen mit Expertinnen von La Strada sei deutlich geworden, dass es an einer Schlafmöglichkeit »für obdachlose Frauen am Tage fehlt und diese dringend benötigt wird«, so Stadtbaurat Thomas Vielhaber. Die Tagesnotschlafstelle wird in der bereits bestehenden Unterkunft Langensalzastraße 17 eingerichtet. Sie steht allen obdachlosen Frauen in Hannover offen und kann kostenlos und ohne vorherige Anmeldung in der Zeit von 10 bis 16 Uhr in Anspruch genommen werden. Asphalt hatte in seiner Novemberausgabe 2020 über dieses Problem berichtet. Der Artikel sei durchaus hilfreich gewesen, heißt es aus der Szene. Das freut uns dann natürlich doppelt. UM

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ALG II: Kostenfreie Psycho-Beratung Hannover. Manchmal steht man sich selbst im Weg. Das hat sicher jede/r schon mal erlebt, darüber muss gesprochen werden. Wer in einem solchen Fall keine/n Gesprächspartner/in in seinem privaten Umfeld hat, sucht sich professionelle Hilfe. Unbezahlbar für Hartz-IV-Empfänger. Daher gibt es für sie die Möglichkeit einer kostenfreien psychosozialen Beratung. Darauf weist jetzt das Jobcenter Hannover hin. Den notwendige Vermittlungsschein händigen die FallmanagerInnen aus. Er kann bei einer anerkannten Beratungsstelle eingelöst werden. Eine entsprechende Liste ist ebenfalls über das Jobcenter zu beziehen. UM


Es ist Ende November und ich muss »meine« blaue Seite für den Monat Januar an die Redaktion geben. Und da sitze ich nun und grübele: Was kann ich heute schreiben, das Anfang Januar auch nur im Geringsten noch interessieren könnte? Was heute aktuell ist, ist morgen überholt – und nun vier Wochen voraus? Unmöglich! Und doch: Trump ist weg, und das ist doch toll (wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages die Worte »Trump« und »toll« in einem Satz schreibe, hätte ich das vehement abgestritten). Aber er ist weg und das ist nun mal großartig für uns und die Welt. Aber dann haben wir noch Corona, und das ist gar nicht toll. Wenn auch viele sich erhoffen dürfen, dass im neuen Jahr alles besser wird, gibt es doch nicht wenige, die im alten viel oder alles verloren haben. Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich jedenfalls von Herzen, dass 2021 besser wird als das Vorjahr, dass Corona in den Hintergrund tritt und, dass unser Alltag wieder einigermaßen normal verläuft. Ich wünsche mir, dass Sie alle ein erfülltes, glückliches und vor allem gesundes Jahr 2021 erleben werden.

Karin Powser

Karin Powser lebte jahrelang auf der Straße, bevor ihr eine Fotokamera den Weg in ein würdevolleres Leben ermöglichte. Ihre Fotografien sind mittlerweile preisgekrönt. Durch ihre Fotos und mit ihrer Kolumne zeigt sie ihre ganz spezielle Sicht auf diese Welt.

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Das muss mal gesagt werden …

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»ECHTER KUMPEL« Aus dem Leben: im Gespräch mit Asphalt-Verkäufer Uwe (66). Hallo Uwe, du gehörst bei Asphalt ja schon fast zum alten Eisen. Weißt du noch, wann du deine erste Zeitung verkauft hast?

Verletzt dich das?

Wenn ich das so genau wüsste. Aber 15, 16 Jahre, vielleicht auch 17, ist das bestimmt schon her. Als damals Harry Potter rauskam und Asphalt was dazu im Heft hatte, kurz davor habe ich bei Asphalt angefangen.

Natürlich. Ich sehe ab und zu so eine Sendung im Fernsehen: Ich vermisse dich!, oder so ähnlich. Da kriege ich schon manchmal Pipi in die Augen. Aber das ist wohl nicht zu ändern. Damit werde ich jetzt leben müssen. Dafür habe ich ja jetzt meinen Kater. Der ist seit drei Jahren mein Begleiter. Mit seinen 13 Jahren ist der ein richtiger Rowdy. Bei dem wohne ich.

Wie ist es dazu gekommen?

Du wohnst bei deinem Kater?

Weil ich chronisch pleite war. Ich habe damals viel Geld vertrunken. Mein Leben bestand ja fast nur aus Alkohol. Als ich dann bei Asphalt eingestiegen bin, hatte ich erstmal Startschwierigkeiten. Weil ich mich den Kunden gegenüber geschämt habe. Deshalb habe ich meine ersten zehn Zeitungen auch gleich weitergegeben.

Ja, ich wohne beim Kater. Der hat schließlich das Sagen. Ich bin ja nur sein Butler. (lacht) Wenn ich nach Hause komme und die Tür aufmache, sitzt er schon davor und bestellt sein Essen. Dann geht er erstmal zum Schrank, da wo sein Futter drin ist. So unter dem Motto: Mach mal hin! Aber er ist ein echter Kumpel für mich. Es macht viel Spaß mit ihm, obwohl ich ihn dreimal am Tag kündigen möchte. Er ist eben ein halbstarker Alter.

Wofür hattest du dich damals geschämt? Es war für mich ein komisches Gefühl, auf der Straße zu stehen. Ich kam mir zuerst vor, wie so einer, der irgendwo sitzt und bettelt. Deshalb bin ich auch erstmal wieder ausgestiegen. Kurz darauf bin ich doch wieder zu Asphalt gegangen. Heute sehe ich das Ganze positiv. Ich habe eine Beschäftigung für mich. Und ich habe ganz tolle Kunden. Wenn ich mal nicht an meinem Verkaufsplatz bin, fragen sie schon manchmal nach mir. Ohne meine Kunden wäre mir das heute nichts mehr.

Das hört sich gut an. Was hast du gemacht, bevor du Asphalt verkauft hast? Ich war lange Zeit arbeitslos, das bin ich ja heute auch noch. Durch die Trinkerei habe ich einen richtigen Job nie wirklich gebacken gekriegt. Ich hatte eigentlich immer ne Dauerfahne. Selbst zu Asphalt bin ich nicht gegangen, ohne morgens schon Alkohol getrunken zu haben. Bis mich einmal Helmut, der damalige Vertriebsleiter, ins Gespräch genommen hat. Der hat mir dann ins Gewissen geredet und gesagt, dass sich Kunden über mich beschwert hätten. Wahrscheinlich hat er da ein bisschen geflunkert, aber sieben Tage später war ich dann nüchtern. Bis heute. Und das ist jetzt über sieben Jahre her.

Glückwunsch! Hast du Familie? Nicht mehr. Ich hatte eine Frau. Und ich habe zwei Söhne. Aber die Familie hat unter meiner Trinkerei sehr gelitten. Irgendwann, das war 1987, gab es dann die Scheidung. Natürlich mit Recht. Danach durfte ich meine Kinder nicht mehr sehen. Ich hatte Besuchs- und Kontaktverbot. Meine Ex-Frau hat die Kinder dann alleine groß gekriegt. Hut ab davor. Jetzt sind die Jungs 43 und 40 Jahre alt, einer hat selbst schon zwei fast erwachsene Kinder. Aber die Zeit damals hat sie natürlich sehr geprägt. Die wollen mit mir nichts zu tun haben.

Und, gibt es eine neue Beziehung in deinem Leben? Nach meiner Scheidung war ich noch mit einer anderen Frau zusammen. Leider hat das nicht so lange gehalten. Es war eine tolle Zeit für mich. Es ist immer schön gewesen, zu wissen, da ist jemand zu Hause. Schön, etwas zusammen zu unternehmen. Ich denke noch sehr oft an diese Beziehung. Aber ich habe damals wohl Fehler gemacht. Vielleicht war ich zu fordernd oder habe sie zu sehr eingeengt. Im Moment, glaube ich, bin ich für eine neue Beziehung noch nicht bereit.

Mir ist aufgefallen, dass du immer eine Mütze oder einen Hut trägst. Das ist so, weil die Haare ausfallen. (lacht) Nein, im Ernst: angefangen habe ich mit so einer Klaus Meine-Mütze. Das fand ich irgendwie geil. Aber die habe ich mir dann übergetragen. Jetzt wechsle ich zwischen Hut und Mütze. Ich trage beides sehr gerne. Das gehört jetzt seit ein paar Jahren einfach zu mir.

Was machst du, wenn du nicht Asphalt verkaufst? Eigentlich gehe ich regelmäßig ins Fitness-Studio. Durch Corona geht das jetzt ja leider erstmal wieder nicht. Und ich gehe so oft wie möglich in den Saftladen auf der Podbi. Da bin ich unter Meinesgleichen, könnte man fast sagen. Früher hieß der noch Null-Laden. Nach meiner Scheidung hatte ich mich da beworben und ein Zimmer gekriegt. Ein Jahr lang habe ich dann dort gewohnt. Seitdem habe ich viele der Tagesgäste und auch Sozialarbeiter im Saftladen kennengelernt. Die helfen alle. Mit Computer-Schreibkram, mit Faxen, E-Mails und auch Anträgen. Dort habe ich die meisten sozialen Kontakte. Das ist so mein Ding. Interview: Grit Biele


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Foto: G. Biele

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Foto: privat

Uwe verkauft Asphalt vor Denn´s Biomarkt in der Nordstadt von Hannover.


RUND UM ASPHALT

Wirtschaftsklub spendet 3.000 Euro Schon seit langem steht das Dezember-Frühstück des Wir! traditionell unter dem Motto der Spenden. Aufgrund von Corona haben in diesem Jahr jedoch kaum Frühstückstermine stattfinden können. Und auch das Dezember-Frühstück musste leider abgesagt werden. Trotzdem hat der Wirtschaftsklub Langenhagen auch in diesem Jahr wieder zwei soziale Einrichtungen unterstützt. In Form eines symbolischen Spendenschecks haben Uwe Haster (3.v.r.) und Gregor Brill (2.v.r.) 3.000 Euro an Asphalt-Geschäftsführer Georg Rinke (re.) übergeben. »Weil das Jahr 2020 alles andere als normal ist und auch gerade jetzt, zur kalten Jahreszeit, sowieso für die Obdachlosen eine noch schwierigere Zeit beginnt, empfanden der Vorstand und der Beirat des Wir! es als absolut richtig, einen Teil der Spendeneinnahmen Asphalt zukommen zu lassen«, erklärt Andrea Brill vom Wirtschaftsklub. »Da das Angebot von Asphalt wahrscheinlich durch viele Raster bei den öffentlichen Hilfen im Rahmen von Covid-19 fällt, hoffen wir, dass unsere finanzielle Unterstützung eine Hilfe für die Arbeit ist«, so Brill weiter. Neben Asphalt hat der Wirtschaftsklub auch die Johanniter-Kleiderkammer mit einer 3.000 Euro Spende bedacht, die jetzt ebenfalls übergeben wurde. Wir sagen Danke! GB

Pflegeprodukte für den Körper und Knabbereien für die Seele – auch in diesem Jahr hat der Nikolaus wieder einige Überraschungen für unsere Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer vorbeigebracht. Dank großzügiger Spende von der Rewe Group und der Firma Dirk Rossmann. Und natürlich gab es noch was Süßes obendrauf: selbstgebackene Kekse von unseren ehrenamtlichen Engeln und leckere Zimtwaffeln von 96plus und Hauptpartner Clarios. Persönlich vorbeigebracht von den Nikolaus-Helfern Marian Kirsch, Marius Rahmann sowie Niklas Volke, und übergeben an unseren Vertriebsleiter Thomas Eichler. Die Geschenke gab es jedoch nicht in die frisch geputzten Schuhe, sondern in nagelneue Asphalt-Taschen, finanziert durch die Bürgerstiftung und exklusiv für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer von den Hannoverschen Werkstätten gefertigt. »Die Tasche ist wirklich super und auch den Inhalt kann ich gut gebrauchen«, freut sich Asphalt-Verkäufer Jens über die Geschenke. Vielen Dank allen beteiligten Nikolausen. GB

Foto: G. Biele

Foto: Johanniter/Claudett Minaya Vialet

Nützliches und Süßes vom Nikolaus

Impressum Herausgeber: Matthias Brodowy, Dr. Margot Käßmann, Rainer Müller-Brandes Gründungsherausgeber: Walter Lampe Geschäftsführung: Georg Rinke Redaktion: Volker Macke (Leitung), Grit Biele, Ute Kahle, Ulrich Matthias (V.i.S.d.P.) Gestaltung: Maren Tewes Kolumnistin: Karin Powser Freie Autoren in dieser Ausgabe: J. Kohler, O. Neumann, S. Przybilla, B. Pütter, W. Stelljes Anzeigen: Heike Meyer Verwaltung: Janne Birnstiel (Assistentin der Geschäftsführung), Heike Meyer

Vertrieb & Soziale Arbeit: Thomas Eichler (Leitung), Romana Bienert, Sophia Erfkämper, Ute Kahle, Kai Niemann Asphalt gemeinnützige Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Hallerstraße 3 (Hofgebäude) 30161 Hannover Telefon 0511 – 30 12 69-0 Vertrieb Göttingen: Telefon 0551 – 531 14 62 Spendenkonto: Evangelische Bank eG IBAN: DE 35 5206 0410 0000 6022 30 BIC: GENODEF1EK1

redaktion@asphalt-magazin.de vertrieb@asphalt-magazin.de goettingen@asphalt-magazin.de herausgeber@asphalt-magazin.de Online: www.asphalt-magazin.de www.facebook.com/AsphaltMagazin/ www.instagram.com/asphaltmagazin/ Druck: v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg Druckauflage: Ø 26.500 Asphalt erscheint monatlich. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14. Dezember 2020 Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher übernehmen wir keine Gewähr. Rücksendung

nur, wenn Porto beigelegt wurde. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Unsere vollständige Datenschutzerklärung finden Sie auf www.asphalt-magazin.de/impressum. Alternativ liegt diese zur Ansicht oder Mitnahme in unserer Geschäftsstelle aus. Gesellschafter:

H.I.o.B. e.V. Hannoversche Initiative obdachloser Bürger


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Hinter der Maske Infektionszahlen, Inzidenzwerte, neue Corona-Regeln, freie Intensiv-Betten – seit März 2020 bestimmen Meldungen rund um die Corona-Pandemie die täglichen Nachrichten. Viele Menschen sind von der Krise hart getroffen. Wie aber gehen sie mit dieser neuen Lebenssituation um? In dem Buch »Hinter der Maske« geht der luxemburgische Fotograf Marc Theis gemeinsam mit den Journalisten Britta Lüers und Zoran Pantíc den Fragen nach ihren Sorgen, Ängsten aber auch Hoffnungen in der Krise nach: 64 Portraits von 64 Menschen aus allen sozialen Schichten, Berufen, Ämtern – alle mit Maske. Unter ihnen auch die Asphalt-VerkäuferInnen Simone Kalks und Michael Edwards. Im Interview mit Lüers erzählen sie, wie hart der erste Lockdown im Frühjahr beide getroffen hat. »Michael Edwards hat beispielsweise erzählt, dass er während der sechs Wochen Pause richtig Angst hatte, weil er eine Tagesstruktur braucht, um sein Leben im Griff zu haben. Dass sich in dieser Zeit seine psychischen Probleme verstärkt haben und er Angst hatte, dass ihm nun alles wegbrechen würde«, erzählt sie. Das Buch mit dem gesamten Interview gibt es in ausgewählten Buchhandlungen in Hannover und kann online bestellt werden. GB

Verkäuferausweise

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»Asphalt ist unmittelbar« David McAllister, Mitglied des Europaparlaments

»Asphalt hilft seit über 25 Jahren vielen von Armut und Wohnungs­ losigkeit Betroffenen auf unmittelbaren Weg. Es geht um Halt, Orientierung und eine neue Perspektive. Deshalb unterstütze ich dieses Projekt aus voller Überzeugung.«

Bitte kaufen Sie Asphalt nur bei Verkäufer­Innen mit gültigem Ausweis! Zurzeit gültige Ausweisfarbe (Region Hannover): Gelb

gesucht – gefunden Verkäuferin Constance: Zuerst möchte ich bekannt geben, dass ich (wegen der Bauarbeiten in der Roten Straße und der Schließung von Karstadt Sport) meinen Verkaufsplatz gewechselt habe. Ich wünsche allen meinem Kunden ein gesundes neues Jahr und hoffe, dass Sie mir die Treue halten. Ihre Asphalt-Verkäuferin Constance, ab sofort vor der Bäckerei Thiele am alten Rathaus in Göttingen. [V-Nr. G-005/Göttingen] Verkäuferin Elena: Vielen Dank für alle guten Wünsche, Gebete und Gedanken zu Weihnachten und ich möchte mich hier ganz herzlich bei meinen Kunden für die jahrelange Treue hier in Kassel bedanken. Meine Familie und ich wünschen Ihnen allen ein wunderschönes neues Jahr und ich freue mich auf jeden einzelnen Kunden in 2021. Ihre Verkäuferin Elena, Denn´s am Bebelplatz, Kassel. [V-Nr. K-069 /Kassel]

on … Wussten Sie sch

regelmäßige seine Arbeit ohne … dass Asphalt e finanziert? chliche Zuschüss öffentliche und kir enerlösen sind aufs- und Anzeig Neben den Verk Förderer die rer Freunde und die Spenden unse ierung. nz zur Gesamtfina wichtigste Stütze ende: indung für Ihre Sp Unsere Bankverb Asphalt-Magazin 30 0410 0000 6022 IBAN: DE35 5206 EK1 BIC: GENODEF1 nk Evangelische Ba ck: Perspektiven Verwendungszwe

… mehr als eine gute Zeitung!

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JÜRGEN PIQUARDTS GENUSS DES EINFACHEN

»wandelbar«

Foto: PicturePartners/iStock.com

»Es ist keine Kunst, ein ehrlicher Mann zu sein, wenn man täglich Suppe zu essen hat.« (Heinrich Böll) »Gott, was ist Glück! Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen – das ist schon viel.« (Theodor Fontane) Die beiden deutschen Dichter der »Vergangenheit« haben schon gewusst, was auf die Menschen des 20. Jahrhunderts und – noch deutlicher fremdbestimmt – auf die des 21. Jahrhunderts zukommen könnte: Lebensstandard statt Glück. Sie haben versucht, uns auf‘s Natürliche hin zu bewegen. Doch wie schwer ist das: Der eine von beiden brauchte viele Zigaretten zum Leben, der andere die Reisen ins Flüchtig-Anders-Intensive. Doch beide Lebenswege erscheinen, »trotz alledem«, wie: »Das bin ich. So lebe ich mein Leben.« Wunderbar starke Persönlichkeiten. Mit all‘ ihren mutmachenden, zum ehrlicher werden anregenden Lastern und Problemen. Nichts Fernsehgleichgeschaltetes ist erspürbar, Theodor Fontane hat so etwas wohl auch noch nicht einmal ahnen können, intensiv suchendes, individuelles Leben ist nachvollziehbar, bei beiden. Und glücklicherweise bei so vielen anderen MutmacherInnen, vor und nach den beiden. … Der Genuss des Einfachen – mein Thema seit vielen, vielen Jahren – hat mit dem Eintopf einen seiner überzeugendsten, liebenswertesten, Phantasie anregendsten, Ressourcen sparendsten, praktischsten und, das ganz oft, einen Dankbarkeit und Genuss erzeugenden Botschafter. Wintereintopf ist unser Thema. Wintereintopf mit regionalem

olfgang Foto: W

Der bekannte hannoversche Gastronom lebt in der Provence, ist Autor, Olivenbauer und Kochanimator. Seine Gerichte: regional und saisonal. Jetzt kocht er für Asphalt. Ein Gericht zu jeder Jahreszeit.

Becker

WINTERLICHER GEMÜSETOPF

Gemüse. Vorrangig saisonal. Und möglichst vom Bauernmarkt und, falls verfügbar, in BIO. Die beeindruckend große Palette von sinnvollen Zutaten ist nebenan bei der Rezept-»Anregung« aufgeführt. Es gilt dabei, sich zu entscheiden. Die Entscheidungskriterien: Der eigene Geschmack, die Vorlieben der möglichen MitesserInnen, die Reste im Kühlschrank, die Vorräte in »Keller und Speisekammer« (so hieß das in »entbehrungsreicheren« Zeiten) – heute ja vorrangig in Kühl- und Gefrierschrank, das Angebot des Wochenmarkts, die Ergänzungen vom möglichst kleinen, kontaktpflegenden Nahrungs-, besser noch, Lebensmittelhändler. Wunderbar ist: Es gibt kein allerbestes, kein vom Sternekoch verordnetes Rezept für den Eintopf. Doch es gibt einen genialen Anreger, den Zufall. Und so ist dieser Kurzdialog nicht erfunden, sondern schönste Realität: »Die Suppe schmeckt phantastisch. Von wem ist das Rezept?« »Ich weiß nicht einmal mehr, was alles in der Suppe ist; und ich weiß auch nicht mehr, wie ich sie gemacht habe.« So und so ähnlich hat es der Eintopf am liebsten. Je mehr Inspiration und Freude beim Kochen den Zufall unterstützen, desto häufiger wird es zu dem Kompliment kommen: »Schmeckt phantastisch«. Aber nun! Holterdiepolter, ruckzuck, ratzfatz ist der Eintopf nicht gemacht. Auch deshalb der folgende Vorschlag, der helfen soll, das Selberkochen wieder zu einem Mittelpunkt unserer Ernährungs-Lebensgewohnheiten zu machen: Kochen des Eintopfs für mehrere Mahlzeiten, dann Aufbewahren des hoffentlich großen Rests in Kühl- und Gefrierschrank für die nächsten Tage oder die folgenden Wochen. Keine Bange! – Das wird nicht langweilig. Es gibt fast unvorstellbar viele Möglichkeiten zum Abwandeln mit heiter stimmender Wahrscheinlichkeit als Folge: »Ich weiß nicht wie ...« … »es schmeckt phantastisch.« Viel Spaß beim Kochen! Und dann: »natürlich« guten Hunger!


TATEN DER S

ALEN ZU AUS REGION

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Foto: G. Biele

r e h c s i s h c ä s r e d e i N Wintereintopf AISON Zutaten und Anteile nach Vorlieben: Frische Gemüse: Wirsing, Lauch, Topinambur, Grünkohl, Rosenkohl, Pastinake Lagergemüse: Kartoffel, Steckrübe, Möhre, Weißkohl, Rotkohl, Spitzkohl, Zwiebel, Kürbis, Rote Bete, Knollensellerie, Knoblauch Hülsenfrüchte: Erbsen, Bohnen, Kicher­ erbsen, Linsen Vorgefertigtes: Vollkorn- und Gemüse­ nudeln in unterschiedlichsten Formen, lustvoll Ergänzendes: Croutons, Pilze, Hartwurst, Tofu / Sahne und Joghurt (vegan oder »echt«), Speisenreste von den Vortagen für die »Mischung« von Suppe und Eintopf Gewürze: Salz & Pfeffer und alles, wonach es der Köchin, dem Koch verlangt: Thymian, Bohnenkraut, Chili, Koriander, Rosmarin, Wacholder … Gemüsebrühwürfel oder gekörnte Gemüsebrühe, Suppengrün Sonnenblumenöl, Olivenöl, Rapsöl

Prozedere: Variante 1 »schnell«: Den großen Topf ausreichend mit Wasser füllen; doch Achtung: Mit heißem Wasser können Sie später noch ergänzen | gewürfelte oder fein geschnittene Gemüse hinzugeben | gar köcheln | die vorbehandelten (gewässerten und dann vorgegarten) Hülsenfrüchte – Eiweiß sollte schon sein – hinzugeben | auch Nudeln machen den Eintopf oft »geschmeidiger« und in jedem Falle sättigender | jetzt könnten auch einige der Kühlschrank-Speisenreste hinzukommen (wichtiger Nebeneffekt: der unglaublich große Lebensmittelverlust, ca. 30 Pro-

zent der gekauften Produkte, wird verringert) | nun die Gewürze und der oder die Gemüsebrühwürfel (die Menge steht auf der Verpackung) hinzugeben | und dann – nach dem Füllen der tiefen Teller oder Schalen – den Eintopf »pfiffig« aufpeppen mit in der Pfanne leicht gebräunten Croutons, Pilzen, Hartwurst, Tofu oder mit Sahne oder Joghurt. Variante 2 »traditionell«: Wie unter Variante 1, aber vor dem Prozedere dort: Zwiebelwürfel in Öl anschwitzen, das Wasser und das klassische Suppengrün (Sellerie, Möhren, Lauch …) hinzugeben. Gewürzt werden muss etwas intensiver.

Tipps: 1. Die Kichererbsen am Tag zuvor in »Kaisernatron« einweichen; das Wasser abseihen und die Kichererbsen gesondert garkochen. 2. Damit es nicht langweilig wird mit dem bevorrateten Eintopf: Ein Teil davon könnte auch püriert werden, aber Achtung!: es sollte immer noch gut Bissfestes auf dem Teller landen, damit wir auch die jetzt entstandene Suppe-Eintopf-Mischung kauen können. Das erleichtert unserem Gedärm die so lebenswichtige Verdauungsarbeit.

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ICH TURNE BIS ZUR URNE

Foto: Sandra Ludewig/© Sony Music

Ina Müllers rauchig-soulige Stimme wärmt wie Kuscheltuch und Rheumadecke. Ihr neuestes Album »55« mutet an wie eine augenzwinkernde Bestandsaufnahme verpasster Chancen und Träume. Im Asphalt-Interview erzählt die quirlige Wahl-Hamburgerin wie viel Dichtung und Wahrheit in ihren Songs enthalten sind.


Zum Texten bin ich mit Frank Ramond für ein paar Wochen nach Spanien gefahren, um überhaupt neue Ideen für Lieder zu sammeln, und mit Johannes hab ich dann in der Küche die Musik geschrieben. Never change a winning team! Und never change a winning Küche!

Ist Ihnen die Coronakrise in die Quere gekommen? Im Studio durfte immer nur ein Musiker sein und trommeln bzw. Gitarre spielen. Dank Corona hatte ich noch nie so viel Zeit für ein Album. Sonst habe ich immer viel auf den letzten Drücker erledigt und manche Dinge nicht richtig gut zu Ende gebracht. Diesmal kann ich aber sagen: So, besser geht’s nicht!

Viele der Lieder sind melancholisch. Sie drehen sich um Ex-Partner, das erste halbe Mal, die Zeit, die davonfliegt und früher, als alles leichter war. Neigen Sie dazu, die Vergangenheit zu verklären? Ich habe 55 glückliche Jahre auf dieser Welt verbracht. Zum ersten Mal fühle ich das nicht mehr so, seit es Corona gibt und sehr viele große und wichtige Länder auf der Welt von Despoten regiert werden. Früher dachten wir, es würde nie wieder Krieg geben, weil wir viel zu aufgeklärt sind. Da bin ich mir heute überhaupt nicht mehr sicher. Dieses Thema ist dann auch in das eine oder andere Lied hineingeflossen. Die Unsicherheit und die Angst. Und die Sehnsucht nach der Unbeschwertheit. Die vergangenen 50 Jahre waren doch die fettesten. Es gab alles, was wir brauchten und wenig, was wir richtig beschissen fanden. Es gab die Emanzipation, die Pille, Antibiotika, Impfstoffe. Heute kennen wir natürlich die Nachteile für die nächsten Generationen, die wir verursacht haben.

Politische Auseinandersetzungen werden heute sehr aggressiv geführt. Sorgt das bei Ihnen für Politiklust oder -frust? Ich bin ganz froh, dass wir eine besonnene Angela Merkel als Kanzlerin haben. Ich bin zwar vom Virus, aber eigentlich nicht von der politischen Situation in Deutschland gefrustet. Die Regierung versucht ihre Bevölkerung zu schützen, indem sie sagt: Bitte

»Ich halt die Luft an« ist ein nachdenklicher Song über die Auswirkungen der Globalisierung auf unser Leben. Genau, es geht um den Schmetterlingseffekt, und damit – also im übertragenen Sinn – um die Reichweite, die ein einziger Post heute weltweit haben kann, und was dann daraus resultiert.

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wascht euch die Hände, tragt Masken und hört auf zu feiern! Es geht hier um ein Virus, das wir nicht kennen. Und wer sollte da auch die Verantwortung übernehmen, und sagen: ›Ok, nehmt die Masken ab, lass‘ laufen, mal gucken was passiert‹. Die Politik? Drosten? Der Papst?

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Haben alle Ihre Lieder autobiografische Bezüge oder schnappen Sie das Futter für Ihre Geschichten im Alltag oder Nachtleben auf? Ich hatte jetzt vier Jahre Zeit, Ideen zu sammeln. Ich glaube nicht, dass ich jedes Jahr ein richtig gutes Album machen könnte. Ich habe schon über so viele Themen gesungen, da dauert es einfach länger, bis mich mal wieder etwas anspringt. Wenn dann eine gute Idee da ist, dann ist es jedes Mal wie ein Fest. Wie zum Beispiel beim Eichhörnchensong. Eichhörnchen haben ja kein Navi und vergessen direkt, wo sie die Nüsse verbuddelt haben. Und so steh ich auch manchmal in der Küche, und denke: »Öööhhhh …!«

Foto: Sandra Ludewig/© Sony Music

Ina Müller, Ihr neuntes Soloalbum »55« entstand in Zusammenarbeit mit Ihrem Lebensgefährten Johannes Oerding und dem Texter Frank Ramond. Setzen Sie gern auf Bewährtes?

Sind Sie Ihrer Vergesslichkeit mal auf den Grund gegangen?

Ich hätte nicht mit 14 Sex Ich habe einen Test im Netz gemacht, und der sagt, ich bin im Kopf genauhaben können. Das hätte so fit wie Donald Trump, der den mich fürs Leben verstört. auch gemacht hat! Aber im Ernst, ich habe echt Angst davor, im Alter tüdelig zu werden. Dass der Körper älter wird, das akzeptiere ich ja schon länger, aber ich möchte, dass mein Kopf fit bleibt. Was machen Sie, wenn Sie in der Stadt zufällig einen Bekannten treffen, dessen Namen Ihnen partout nicht einfallen will? Ja, dann sage ich: »Hey du! Na!« Namen merken fand ich aber immer schon schwer. Auf der Bühne funktioniert das noch dank meines guten Kurzzeitgedächtnisses sehr gut. Aber wenn ich auf der Straße jemanden treffe, der nicht gerade in meinem Vorderlappen hängt, ist es manchmal schwierig. Darf ich Ihnen erzählen, warum das mit den Namen so schwierig ist?


mäßig in Gedenken an den im niedersächsischen Hahnenklee beigesetzten Komponisten Paul Lincke vergeben. Die norddeutsche Preisträgerin hat ihren 2018 bekommen.

Ich bitte drum! In unseren Gehirnregionen gibt es keinen Platz für Namen, weil wir dieses Wissen in der Steinzeit nicht gebraucht haben. Damals hieß noch niemand Uwe. Wir mussten uns aber Gesichter merken. In unserer Evolution ist ein Gesichtsausdruck wichtig, um zum Beispiel auf einen Menschen zulaufen oder von ihm weglaufen zu können. Gefahr oder Liebe. Das war damals lebensrettend. Es hat mich sehr beruhigt, als ich das gelesen habe.

Ihre Lieder drehen sich nicht nur um den geistigen, sondern auch den körperlichen Verschleiß. Auch eigene Erfahrungen? Natürlich! Ich kann doch nur über das singen, was mir, oder mit mir passiert. Und über mein gespaltenes Verhältnis zum Sport konnte ich immer schon lachen und viel erzählen oder singen. Ich bin ja für jede Sportart, für die ich mich entschieden habe, auch sofort top ausgestattet. Schuhe, Stöcker, alles da. Dann gehe ich einmal hin, und dann war’s das. Und wenn ich mal 30 Minuten gelaufen bin, fühle ich einen Stolz, als hätte ich gerade

Foto: Sandra Ludewig/© Sony Music

Foto: picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Stolz zeigt Ina Müller ihren Paul-Lincke-Ring. Seit 1955 wird diese Auszeichnung regel-

Ina Müller – Live 2022 15.01.2022 Aurich, Sparkassen Arena 06.02.2022 Lingen, Emsland Arena 12.02.2022 Bremerhaven, Stadthalle 04.03.2022 Hannover, ZAG Arena 07.04.2022 Göttingen, Lokhalle 08.10.2022 Braunschweig, Volkswagen Halle 22.10.2022 Bremen, ÖVB Arena 18.11.2022 Oldenburg, EWE Arena

einen Marathon hinter mir. Ich merke aber, dass es wichtig ist, sich mit Mitte 50 irgendwie zu bewegen. Ich träume immer von diesem Bild, so als Pärchen locker nebeneinander zu laufen, sich ohne zu schnaufen unterhalten, lachen. Aber bei uns gäbe es sofort Streit.

Worüber können Sie herzlich miteinander streiten? Na, genau darüber. Wie schnell soll man laufen, wie die Arme richtig bewegen. Und wenn wir in der Küche sitzen und neue Lieder schreiben, dann wird auch diskutiert und gestritten. Die Songs entstehen immer mit viel Blut, Schweiß und Tränen. Andererseits ist das Ergebnis dann auch richtig gut. Da wir uns jetzt aber schon so lange kennen, wird nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Wir wissen mittlerweile, wie man effektiv streitet.

Wann hat Ihr Stoffwechsel zuletzt rot gesehen – wie in Ihrem Lied – und Sie haben sein Laptop aus dem Fenster geworfen? Zum Glück noch nie, aber wenn ich unterzuckert bin, lege ich


»Viele Feuer sind erloschen, nur eines glüht konstant – die Kippe in der Hand«. Was bewirkt Nikotin bei Ihnen? Auf jeden Fall keine klassische, körperliche Abhängigkeit. Immer wenn ich wieder angefangen habe zu rauchen, war es eine »Jetzt würde ich gerne eine rauchen«-Situation. Eine Zigarette in diesem Moment, und zu diesem Getränk. Mein Lied »Rauchen« ist aber keine Hommage an die Zigarette oder an das Rauchen an sich. Ich hab nur irgendwann festgestellt, dass ich immer mit den Rauchern abhing. In der Schule, an der Bushaltestelle, im Zug, auf Partys. Und deshalb weiß ich, dass ich auf jeden Fall heute andere Freunde und auch andere Geschichten zu erzählen hätte, hätte ich nie angefangen zu rauchen.

In Kindheit und Jugend fangen selten die Braven mit dem Rauchen an, sondern eher die Ausgeflippten. Naja, ich wollte halt cool sein. Damals haben die Coolen geraucht. Heute ist das Rauchen ja zum Glück unmodern geworden. Als ich Kind war, wurden wir ja wirklich überall zugequalmt. Zuhause, im Auto. Und Opa dann noch mit seinen Zigarren. Das Wort »Raucherbein« war dann immer irgendwie Thema, aber eine Aufklärung über die wirklichen Folgen des Rauchens gab es damals noch nicht. Jedenfalls nicht bei uns.

Wie waren Sie in Ihrer Sturm- und Drang-Zeit? Meine Mutter nannte mich immer »Sonderling«. Ich weiß aber gar nicht genau, warum. Vielleicht, weil ich ein bisschen anders angezogen war als die Anderen. Und auch immer ein bisschen anstrengender war als die Anderen. Irgendwann wollte ich cool sein und rauchte eine mit. Die erste Zigarette war fürchterlich, aber das habe ich beim »ersten halben Mal« auch gedacht. Wenn es das ist, worüber hier seit hunderten von Jahren in den Liebesliedern gesungen wird, dann aber schönen Dank, Marie!

richt. Da waren ein nackter Mann und eine nackte Frau mit Kreide an die Tafel gemalt – mit den primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Uns wurde der Sex erklärt und wie die Kinder gemacht werden und wie sie auf die Welt kommen. Ich erinnere mich noch, wie mich wochenlang die Frage gequält hat, was wohl passiert, wenn man beim Sex machen pinkeln muss. Dass war für mich eine schlimme Vorstellung. Irgendwann habe ich mich getraut, sie zu stellen.

Welche Antwort bekamen Sie? Meine Lehrerin sagte: »Man muss nicht pinkeln, wenn man Sex hat!« Zack, war das Thema auch geklärt.

»Ich bin nicht mehr hier für Preise – Ich kämpf nur noch gegen den Verschleiß«, singen Sie auf Ihrer Platte. Hand aufs Herz: Nimmt das Verlangen nach Ruhm und Eitelkeit mit den Jahren wirklich ab? Ja. Obwohl ich sagen muss, dass ich jeden einzelnen Preis, den ich in meinem Leben bekommen habe, als große Bauchpinselung und große Freude empfunden habe. Ich mochte ja auch diese ganzen Veranstaltungen Ich habe 55 und das ganze Bohei drumherum. Ich mochte sogar den Echo. Das glückliche Jahre arme Ding, dieses Schicksal hat auf dieser Welt er nicht verdient! Die Organisaverbracht. toren hatten ja nie etwas anderes behauptet als eine Leistungs- und Verkaufsschau zu sein. Zu dem Zeitpunkt, als meine Sendung »Inas Nacht« etwa zwei Jahre alt war, bekam ich den Grimme-Preis, den Comedy-Preis, den Fernseh-Preis, die Goldene Henne. Mir war richtig schwindelig vor Preisen. Ein bisschen schade, dass sich sowas nicht über die Jahre verteilt.

Wo lagern Sie all diese Schätze?

17. Ein verklemmter Spätzünder, aber für mich genau richtig. Ich hätte nicht mit 14 Sex haben können. Das hätte mich fürs Leben verstört.

Sie befinden sich sicher und in feinstem Pergamentpapier eingewickelt auf meinem Schrank. Die Massiven und Formschönen Preise – wie die Henne und den Comedy-Preis – nutze ich als Türstopper. Aber wie gesagt, ich bin jetzt nicht mehr hier für Preise, ich kämpfe jetzt nur noch gegen den Verschleiß – und zwar bis an mein Lebensende. Ich turne bis zur Urne.

Wer hat Sie aufgeklärt?

Vielen Dank für das Gespräch!

Wir hatten in der Schule ganz klassischen Sexualkundeunter-

Interview: Olaf Neumann

Wie alt waren Sie beim »ersten halben Mal«?

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gerne den Finger in die Wunde. Das kann ich leider ganz gut. Und was generell Zucker angeht, da neige ich echt zur Abhängigkeit. Ich esse Schokolade und Kekse, und habe direkt Linderung. Deshalb gibt es ja oft auch diesen Vergleich zwischen Zucker und Koks. Aber Koks war so schlecht singbar, deshalb singe ich: »Wie Heroin stillt der Zucker meine Nerven«. Ich habe aber zum Glück weder Koks noch Heroin je in meinem Leben ausprobiert. Bei mir ist es Zucker, Alkohol und Nikotin, und das reicht ja auch.

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BUCHTIPPS Blümchenschlüpper »Der Hinterhof vom Penny-Markt ist mehr als ein Hinterhof.« Das Betonkarree mit Containern, auf das hin und wieder der Marktleiter tritt, um die Aushilfen, die hier abhängen, zusammenzufalten, ist der Gravitationspunkt des großartigen Debütromans. Und die Bühne für die in ein komplexes Beziehungsgeflecht verstrickten jungen Jobber aus ganz unterschiedlichen, meist prekären Milieus. Can, Vika, Marie, Otto, Pavel und die anderen, die eigentlich ihre gesamte Freizeit hier verbringen, haben jeweils ihre eigene Sprache und ihren eigenen unbeholfenen Umgang mit den Anforderungen des Erwachsenwerdens. So wenig Glamour wie dieser Hinterhof versprüht auf den ersten Blick der Plot. Der 16-jährige Jo, irgendwann ist er einfach nicht mehr aufgetaucht. In der Sommerhitze im Kleinwagen ohne Klimaanlage, mit einer von Selbstzweifeln geplagten Erzählerin ohne Fahrpraxis am Steuer, geht es auf eine, naja, Odyssee. Alles in »Nach vorn, nach Süden« ist ein Unterlaufen. Kein Feuerwerk, keine plot twists, kein ausgestelltes Milieu, kein schlaues Psychologisieren. Alles geschieht wie beiläufig und ist doch groß und wahr, wie der Hinterhof vom Penny-Markt. BP Sarah Jäger | Nach vorn, nach Süden | Rowohlt | 224 S. | 18 Euro | Ab 14 Jahren

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Was hat in diesem Jahr eigentlich noch gefehlt? Ja, ok, ein unbekanntes Flug­ objekt, das neben dem Reichstag landet. An Bord sind drei erstaunlich menschenähnliche Aliens (mittelmodische Jeans, leichte Slipper), deren Interesse an Kommunikation mit den Erdlingen sich in engen Grenzen hält. Stattdessen gehen sie shoppen. Erst in der Friedrichstraße, später im Netz. Sie bauen eine Art Terrasse mit schicken Gartenmöbeln an ihr Ufo an und lassen liefern bis ihre mit einer Staatsbürgschaft abgesicherte Kreditkarte fast das Land ruiniert hat. Dass alles gut ausgeht, liegt an Fipp und Vanessa, aber das sollte man selbst lesen, auch wenn man nicht mehr zwölf ist. Denn der Münsteraner Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Burkhart Spinnen, der lange den Vorsitz des Ingeborg-Bachmann-Literaturwettbewerbs in Klagenfurt innehatte, schreibt zwar nur alle zehn Jahre ein Kinderbuch, das hat es aber dann in sich. Zusammengehalten durch einen höchst aktiven Erzähler sind die »Koofmichs« eine kindgerecht-kluge Parabel auf Konsum, Markt und Aufmerksamkeits­ ökonomien und nebenbei eine Satire auf Mediendemokratie und Krisenstabpolitik. Federleicht erzählt und unglaublich komisch. BP Burkhard Spinnen | Fipp, Vanessa und die Koofmichs | Schöffling und Co. | 304 S. | 18 Euro | Ab 12 Jahren


Roundforest

Terra Deutschland

Verlosung

Wenn Wissen an seine Grenzen stößt, dann muss und soll geschätzt werden. Schließlich ist nicht alles aus der Schule im Gedächtnis geblieben. Wo liegt die kleinste Stadt Deutschlands? Sind die Herrenhäuser Gärten bekannt? Wo sind die Schiffe der Hanse Sail jedes Jahr zu Gast und was kostete der erste Werbeslogan für Haribo? Auf dieser interessanten wie vergnüglichen Quiz-Tour müssen die Spieler ihre Steine auf dem Spielfeld platzieren, Mengen, Größen, Kilometer und Gewichte raten und auf dem Zeitstrahl Ereignisse einordnen. Manche Bilder der Ratekarten sind eine Hilfe, manche jedoch stiften amüsante Verwirrung, die nach der Auflösung zu einem Aha-Effekt führen. Doch auch diejenigen, die nur knapp neben der richtigen Antwort liegen, bekommen ein paar Punkte. Aber Vorsicht! Wer seine Schätzsteine zu riskant einsetzt, pokert eventuell zu hoch. Für einen erhellenden Wissenstest rund um Deutschland können Sie mit Asphalt dieses kurzweilige Familienspiel gewinnen. Schicken Sie einfach eine Postkarte oder eine E-Mail mit dem Stichwort »Terra Deutschland« bis zum 31. Januar 2021 an: Asphalt/TagesSatz, Büro Göttingen/Kassel, Obere Karspüle 18, 37073 Göttingen oder kahle@asphalt-magazin.de. Terra Deutschland, HUCH!-Verlag, Quiz für 3 bis 8 Spieler ab 10 Jahren, ab 19,99 Euro

Im verwunschenen Wald des Familienkooperationsspieles »Roundforest«, ist nahezu alles möglich. Es gilt, in der Rolle des Wanderers, versteckte Schätze zu entdecken und Münzen aus dem magischen Brunnen zu sammeln. Doch nichts ist wie es scheint: die oktagonförmigen Bausteine des Spielfeldes drehen sich unter den Figuren der Spieler bei jedem Schritt. Erst wenn ausreichend Gegenstände in die magischen Brunnen geworfen sind und im Gegenzug genug Münzen aus dem magischen Brunnen ausgespuckt und gegen drei goldene Äpfel eingetauscht sind, geht es zum Waldgeist, um sie gegen einen einzigartigen Smaragdring mit Zauberkraft einzutauschen. Es muss nicht nur gelaufen und gesammelt, sondern auch immer wieder mit den Mitspielenden getauscht und gehandelt werden. Denn: nur so kommt man gemeinsam auch voran. Roundforest, Piatnik, Familienspiel für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren, ab 26,04 Euro

Kai Piranja Große und kleine Fische schwimmen verdeckt in Form von Karten auf dem Tisch. Die Spieler müssen nun die Karten aufdecken und am Ende den größten Fang haben. Dabei muss immer wieder neu entschieden werden, ob man noch eine Fischkarte aufdeckt und anlegt, den Fang einholt oder an den nächsten Spieler abgibt, bevor ein gefräßiger Fisch vorbeischwimmt. Denn, auch die Mitspieler können unfreiwillig zum eigenen Fang beitragen. Taktik und ein Pokerface helfen hier ebenso weiter, wie das schnelle und vorsichtige Einholen der Beute. Schließlich haben nicht nur die Mitspieler Hunger auf Fische, auch die versteckten gefräßigen Raubfische sollte man nicht unterschätzen. Mit einer Spielzeit von 15 Minuten pro Runde ist es ein kurzweiliges, aber immer wieder spannendes Kartenspiel. Kai Piranja, Abacusspiele, Kartenspiel für 3 bis 6 Spieler ab 6 Jahren, 12,99 Euro

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SPIELETIPPS

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KULTURTIPPS Foto: Steffen Henze/Baumwipfelpfad Harz

Ausflug Kunst im öffentlichen Raum Was haben Alte Fahrräder, Porzellangeschirr, Brotmaschinen, Bretter, Schrott, Müll und Metall gemeinsam? Diese und viele andere Gegenstände hat der ungarische Künstler János Nádasdy in einem Zeitraum von zehn Jahren dreimal während des Altstadtfestes aus der Leine gefischt. Jeweils im Anschluss daran ließ er seine Fundstücke zu Quadern pressen und auf einen Sockel und die bereits vorhandenen Elemente setzen. Sein Kunstwerk »Leineentrümpelung« entstand, zu sehen am Hohen Ufer, Höhe Pferdestraße. Insgesamt wurden mehr als 200 Skulpturen, Plastiken, und Installationen von verschiedenen Künstlern im Laufe der Jahrzehnte im Stadtraum von Hannover platziert. Auf vier verschiedenen Routen lassen sich diese wunderbar auf einem Stadtspaziergang zu Fuß entdecken. Täglich rund um die Uhr, Kartenübersicht mit den entsprechenden Touren, Fotos und Infos zu den Kunstobjekten und den KünstlerInnen gibt es unter www.visit-hannover.com/kulturforfree.

Der Ort am Hohen Ufer Vom Alten Markt der Hansezeit bis zum mittelalterlichen Beginenturm am Hohen Ufer – auf diesem stadthistorischen Rundgang begeben sich die Teilnehmer gemeinsam mit NaTourWissen auf die Suche nach dem alten Hannover. Die Reise beginnt am Alten Markt in der Altstadt, wo an der Marktkirche noch die alten Straßenzüge aus der Hansezeit zu erkennen sind. Auf dem Gang durch das Kreuzkirchenviertel zur Leine erfahren die Tour-Gäste viel Interessantes und Wissenswertes über die alte Burg Lauenrode und die Gründung von Hannover. Abgerundet wird der Ausflug in die Vergangenheit im Historischen Museum durch eine exklusive Führung im Beginenturm. Sonntag, 24. Januar, 14 Uhr, Treffpunkt: Lutherdenkmal an der Marktkirche, Hans-Lilje-Platz 2, Hannover, Anmeldung erforderlich unter www. natourwissen.de, Teilnahme 10 Euro.

Auf geht‘s! Rauf geht‘s!

Verlosung

Hoch hinaus geht es für die Besucher auf Niedersachsens erstem Baumwipfelpfad in Bad Harzburg im Harz. Der ein Kilometer lange Lehr- und Baumkronenpfad mit der 30 Meter hohen großen Eingangskrone bietet mit seinen 18 Plattformen und einem freischwebendem Glassteg einen einzigartigen Einblick in die Natur. Der am Fuße des Großen Burgberg gelegene Pfad ist barrierefrei begeh- und erlebbar und ermöglicht atemberaubende Ausblicke. Auf den verschiedenen Plattformen befinden sich 50 Erlebniselemente, Ruhe- und Informationsstationen, die nicht nur informieren, sondern auch zum Verweilen und Entspannen einladen. Zertifiziert ist der Baumwipfelpfad nach den Richtlinien der Initiative »Reisen für Alle«. Thematische Führungen zu Insekten, der Natur sowie Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangsführungen sind ein ergänzender Teil des Jahresprogramms. Für einen erlebnisreichen Tag in luftiger Höhe verlost Asphalt 1 x 1 Familienticket (2 Erwachsene und 2 Kinder) und 1 x 1 Partnerticket (2 Erwachsene). Schreiben Sie einfach eine Postkarte oder eine E-Mail mit dem Stichwort »Baumwipfelpfad an: Asphalt/TagesSatz, Büro Göttingen/Kassel, Obere Karspüle 18, 37073 Göttingen oder kahle@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss ist der 30. Januar 2021. Bitte geben Sie Ihren Wunsch und Ihre Postadresse für den Post-Versand an. Täglich von 10.00 bis 16 Uhr, letzter Einlass 15 Uhr, Baumwipfelpfad HARZ, BurgBergCenter, Nordhäuser Str. 2b, Bad Harzburg, Eintritt Erwachsene 8 Euro, Kinder 4 bis 17 Jahre 6,50 Euro, Kinder bis 3 Jahre frei, Familienkarte (2 Erw. und 1 Kind) 19,90 Euro, Familienkarte (2 Erw. und 2 Kinder) 25,90 Euro, Studenten und Senioren 7,50 Euro.


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Ausstellung

Vortrag

Barocke Welten

Sternenhimmel digital

Auf dieser literarischen Zeitreise entführt Marie Dettmer die Besucher in die barocke Welt der Fürstenmacht und Gartenpracht der Herrenhäuser Residenz. Neben ausdrucksvollen Gemälden und barocken Kostbarkeiten gibt es auch Dinge des Alltags der Bewohner der Stadt Hannover zu dieser Zeit zu entdecken. Bei einem Rundgang durch die Museumsräume lässt die Rezitatorin Augen- und Zeitzeugen zu Wort kommen und trägt Literarisches aus der Feder verschiedener Autoren vor. Sonntag, 31. Januar, Beginn 14 Uhr, Treffpunkt 13.45 Uhr im Foyer, Museum Schloss Herrenhausen, Alte Herrenhäuser Straße 3, Hannover, Anmeldung erforderlich unter buchungen.hmh@hannover-stadt.de oder telefonisch unter 0511 – 168-43945, Eintritt 6 Euro, Jugendliche ab 12 Jahre 3 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei

In einem Online-Vortrag führt Prof. Dr. Björn Poppe von der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Strahlenphysik (Universität Oldenburg) durch die Sternenbilder des Nachthimmels. Wenn das Wetter mitspielt, dann, so die Veranstalter, glänzt der winterliche Sternenhimmel mit Konstellationen »wie dem Orion und seinem Nebel, Sirius, dem hellsten Stern, oder auch den bei uns ganzjährig sichtbaren Sternbildern rund um den Polarstern«. Eine spezielle Software ist nicht erforderlich. Montag, 11. Januar, 19.30 Uhr, Anmeldung bis 04. Januar beim Schlauen Haus Oldenburg, entweder per E-Mail an info@schlaues-haus.de oder per Telefon unter 0441 – 99 87 33 98, die Teilnahme ist kostenlos.

Bühne online Talk & Show bei DESiMO Allerlei Anekdoten, außergewöhnliche Absurditäten, Aha-Augenblicke und viel Abwechslung – das verspricht die nächste Runde von Talk & Show bei DESiMO. In dieser locker-luftig liebevoll-leichten Lockdown-Late-Show gegen den Winter­ blues wird mit den »ausgesuchten Gästen, die wirklich etwas zu bieten haben«, entspannt geplaudert, spontan improvisiert, manchmal musiziert, oft gelacht. Als Spielpartner am Klavier wieder mit dabei: Matthias Brodowy mit seinen Einwürfen, Liedern und Texten – mal nachdenklich, mal lustig, mal beides. Und manchmal auch einfach nur albern. Zur Interaktion mit dem Publikum an den Bildschirmen behält der Kabarettist stets und ständig den Stream im Blick. Dienstag, 19. Januar, 20.15 Uhr, Talk & Show bei DESiMO, nähere Infos und Stream aus dem Apollokino unter www. spezialclub-livestream.de, Teilnahme für eine Person 14 Euro, dann stufenweise 24 Euro für 2 Personen, 30 Euro für drei Personen (Es wird auf die Ehrlichkeit der ZuschauerInnen gebaut!).

Kultur in Corona-Zeiten Ob Ausflug, Ausstellung oder andere Veranstaltungen: Bitte Mund und Nase bedecken und die Abstandsregeln einhalten. Für eine Rückversicherung, ob Veranstaltungen wie geplant stattfinden können oder eine Anmeldung vorab nötig ist, nutzen Sie bitte die jeweiligen Telefonnummern oder Internet-­ Adressen. Viel kulturelles Vergnügen! Anzeige

BALD SWINGT ES WIEDER

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SILBENRÄTSEL Aus den nachfolgenden Silben sind 20 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben – jeweils von oben nach unten gelesen – ein Sprichwort ergeben: an – aus – bar – baum – ben – ckungs – de – deh – dieb – ein – ent – ere – eu – evan – flie – frucht – füh – ge – ge – gu – her – im – keit – ker – la – len – li – lie – lin – lit – ma – mar – mit – mor – ne – ne – nuch – nul – nung – nuss – ren – ri – rei – rung – sa – sa – se – sen – stadt – stahl – ste – tags – tel – ter – ter – um – un – un – zin

1. Stadt in Nordrhein-Westfalen 2. Dimension 3. Rennpferd 4. biblische Gestalt 5. Eigentumsdelikt 6. Bienenzüchter 7. Fahrten von Forschern 8. Begriff in der Weltraumforschung

Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir dreimal das Buch »Panic Hotel« von Stephan Knösel. Ein weltweiter Konflikt hat sich hochgeschaukelt und ist in einem Atomkrieg eskaliert. Die Reichen haben sich rechtzeitig in Bunker eingekauft. Auch für Janja und Wesley ist so ein Bunker die letzte Rettung. Aber sie werden wie moderne Sklaven behandelt. Als Menschen verschwinden, lehnen sich die beiden gegen das System auf. Insgesamt viermal gibt es den Roman »Für eine schlechte Überraschung gut« von Arto Paasilinna zu gewinnen. Winter 1942. Finnland und die Sowjetunion befinden sich im Krieg. Savolenko und Kunitsin, zwei russische Soldaten, sind gezwungen, mit ihrem Flugzeug in den unwirtlichen Weiten Finnlands notzulanden. Ein wohlgeplanter Spionage-Auftrag entwickelt sich so schnell zu einem skurrilen Abenteuer. Ebenfalls viermal können Sie das Buch »Undercover« von Jörg Diehl, Roman Lehberger und Fidelius Schmid gewinnen. Er nannte sich Murat Cem. Doch in den Akten heißt er nur VP01. Unter welchem Namen er heute lebt, ist ebenso geheim wie sein Aufenthaltsort. Der Mann, der lange Zeit der wohl wichtigste V-Mann Deutschlands war, blieb stets ein Phantom. Nun ist es den Autoren gelungen, seine unfassbare Lebensgeschichte aufzuschreiben. Die Lösung des Dezember-Rätsels lautet: Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst. Das Silbenrätsel schrieb für Sie Ursula Gensch. Die Lösung (ggf. mit Angabe Ihres Wunschgewinnes) bitte an: Asphalt-Magazin, Hallerstraße 3 (Hofgebäude), 30161 Hannover; E-Mail: gewinne@asphalt-magazin.de. Einsendeschluss: 31. Januar 2021. Bitte vergessen Sie Ihre Absenderadresse nicht! Viel Glück!

9. Christliche Botschaft 10. Einsiedler 11. Strandsee 12. kurzlebiges Insekt 13. Treibmittel für Motoren 14. etwas für ungültig erklären 15. Sterilität 16. kristallines Gestein 17. Kastrat 18. Bestandteil des Auges 19. ein Maler (Felix …) 20. Tunnel


Ausblick

Der rechte Baron und die Lust am Lachen 120 Jahre ist es her, da öffnete in Berlin das erste Kabaretttheater auf deutschem Boden seine Pforten. In Frankreich gab es so etwas schon seit Jahrzehnten. »Cabaret« meint im Französischen eine kleine Schänke oder aber auch einen gefächerten, unterteilten Teller, die Hors d’Ouevre-Platte. Und so wie auf diesem Teller verschiedenste Gaumenspeisen kredenzt werden, präsentieren sich im Cabaret die verschiedensten Künste in Form einer Revue. Literarisch, satirisch, musikalisch, aber immer jenseits des klassischen Theaters oder der Oper. Der Mann, der als erster das Cabaret nach Deutschland brachte, war Baron Ernst von Wolzogen. Entsprungen einer Adels- und Theaterfamilie eröffnete von Wolzogen am 18. Januar 1901 in Anlehnung an Nietzsches Übermensch das Cabaret-Theater »Über-Brettl«. Dieses musste er allerdings im Jahr darauf schon wieder schließen, was nicht an einem Lockdown lag, sondern eher an einem Knockdown, denn im gleichen Jahr eröffneten in der Hauptstadt weitere 40 Cabaret-Bühnen. Konkurrenz zerlegt das Geschäft. In diesem Fall zumindest. Baron von Wolzogen war übrigens ein eher stieseliger Typ, rechts bis in die Knochen, ein erbitterter Demokratiegegner und später glühender Nationalsozialist. Im Völkischen Beobachter schrieb er 1932 einen Wahlaufruf zugunsten Hitlers. Da er 1934 starb, erlebte er die Konsequenzen seines Tuns nicht mehr. Das also soll der Vater des Kabaretts sein? Man sucht sich seine Väter nicht aus! Und die Geschichte lässt sich nicht revidieren. Aber vielleicht war er aus diesem Grunde auch nicht so erfolgreich wie Otto Reuter, Joachim Ringelnatz oder Kurt Tucholsky. Da die Nazis weder eine Neigung zur Selbstkritik noch die Befähigung zum befreienden Humor hatten, schwieg das Kabarett übrigens dann tausend Jahre lang. Im Nachkriegsdeutschland aber blühte es auf. Denken Sie nur an den Mann mit der Pauke, Wolfgang Neuss. Damals noch nicht mit ohne Zähne. Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Gruner oder Lore Lorentz, sie alle sorgten für Unterhaltung mit Haltung. Kabarett eben – inzwischen mit hartem T am Ende. Oder anders formuliert: Kabarett ist oben mit, Cabaret ist oben ohne. Und was ist nun der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy? Ein Kollege formulierte es mal so: »Der Comedian macht es wegen dem Geld. Der Kabarettist wegen des Geldes.« So oder so – mit geschlossenen Theatern ist es gerade unmöglich geworden, überhaupt Geld damit zu verdienen. Hoffen wir, dass es in diesem Jubiläumsjahr auch noch mal anders wird. Nehmen wir also die Welt mit Humor, auch wenn es manchmal nur Galgenhumor sein kann. Und schließen wir mit Dieter Hildebrandt: »Statt zu klagen, daß wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dafür dankbar sein, daß wir nicht alles bekommen, was wir verdienen!« Matthias Brodowy/Kabarettist und Asphalt-Mitherausgeber

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z Rodrigue mas Foto: To

Brodowys

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