Der Altstadtbrief - Kempten 2015

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ALTSTADTBRIEF

36. Jahrgang //// Nr.42 / 2015 ///////////////////////////////// www.altstadtfreunde-kempten.de

F R E U N D E D E R A L T S T A D T K E M P T E N S e.V.

Weihnachtsmarkt am Hildegardplatz? • Sanierung „Alte Spinnerei“ • Gestaltungsbeirat: für ein Mehr an Baukultur • St.-Mang-Kirche braucht herzliche Menschen • Sanierung König-Ludwig-Brücke Verkehr in der Altstadt • Brennpunkt Füssener Straße


Das freut Benno Glas: Unser Soccer-Cup bringt den Fußball mitten in die Altstadt und begeistert Kemptens Fußball-Nachwuchs!

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Impressum Der Altstadtbrief, nunmehr im 36. Jahr, erscheint in unregelmäßiger Folge, jedoch mindestens einmal jährlich. Verantwortlich für den Inhalt ist der Vorstand. Mit Namen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e.V., Vogtstraße 8, 87435 Kempten, Telefon 0831-5126296, Email info@altstadtfreunde-kempten.de Redaktion: Dietmar Markmiller (Vorsitzender), Stephan A. Schmidt Titelbild:

©2015 Stephan A. Schmidt

Produktion: KuMaKom Gesellschaft für Kultur- & Markenkommunikation UG (haftungsbeschränkt) Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors

Bankverbindung: Sparkasse Allgäu, BLZ 733 500 00, Konto 572 40, IBAN: DE42 7335 0000 0000 0572 40

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ALTSTADTBRIEF

36. Jahrgang //// Nr.42 / 2015 ///////////////////////////////// www.altstadtfreunde-kempten.de

F R E U N D E D E R A L T S T A D T K E M P T E N S e.V.

Inhalt Bericht des Vorsitzenden

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von Dietmar Markmiller

Sozialbau saniert „Alte Spinnerei“ vorbildlich

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Gestaltungsbeirat: für ein Mehr an Baukultur

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von Herbert Singer

von Franz Schröck, architekturforum allgäu e.V.

St.-Mang-Kirche: Altes Haus braucht herzliche Menschen 17 von Franziska Kampfrath

Tag des offenen Denkmals: Kraftwerk „Füssenerstraße“ 20 von Gerhard Juli

König-Ludwig-Brücke: Baudenkmal wird saniert

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Der Verkehr in der Altstadt Kemptens

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Brennpunkt Füssener Straße

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Beitrittserklärung / Formular

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von Markus Wiedemann

von Herbert Singer

von Matthias Heß

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Bericht des Vorsitzenden von Dietmar Markmiller

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iebe Mitglieder und Freunde der Altstadt, beginnen wir mit einem Thema, das nicht nur bestens zur Jahreszeit passt, sondern auch in den letzten Wochen intensiv über Presse und Facebook diskutiert wurde und Inhalt vieler unserer persönlichen Gespräche war. Der umfangreiche Themenkreis lässt sich gut mit drei Stichwörtern umreißen: Eislaufbahn, Hildegardplatz und Weihnachtsmarkt.

Hildegardplatz und Eislaufbahn haben zunächst keinen direkten Bezug zur Altstadt, aber mit dem dritten Stichwort „Weihnachtsmarkt“, der auf dem Rathausplatz mitten im Zentrum unserer Altstadt beheimatet ist, sind auch wir von den Altstadtfreunden mitten drin in den aktuellen Dialogen. Begonnen hat die Diskussion mit der Suche nach Möglichkeiten, wie der zwischenzeitlich neu gestaltete Hildegardplatz und damit auch der nördliche Teil 4

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der Innenstadt weiter belebt werden kann. Unter anderem sah man in einer Eislauffläche auf dem Hildegardplatz eine attraktive Lösung für den Winter. Die Eislaufbahn – als Idee geboren, die nördliche Innenstadt aufzuwerten – wurde Anfang Dezember vor dem Forum Allgäu aufgebaut. Die Attraktion an diesem Ort bedeutet eine weitere Stärkung des Südens und ist vollkommen konträr zur ursprünglichen Idee, damit die nördliche Einkaufsstadt zu beleben! Die Betreiber der Eislauffläche haben sicher gute Gründe, in dieser Wintersaison die Fläche auf dem August-Fischer-Platz gewählt zu haben. Wir sehen in dem aktuellen Standort einen prima Platz, um die Bewohner Kemptens und seine Gäste mit dieser Neuerung bekannt zu machen. Wir hoffen sehr darauf, dass im Vorfeld der nächsten Wintersaison alle Beteiligten – also die Betreiber und Sponsoren der Eislauffläche, das City-Management mit „Quartiersmanagement Nördliche Innenstadt“ und auch die Stadtverwal-


tung Kempten mit allen in der Sache involvierten Fachämtern – das ihre dazu beitragen, um mit einem winterlichen Eislaufvergnügen auf dem Hildegardplatz diesen Bereich weiter zu beleben. In Anbetracht der für den Hildegardplatz und seine Umgebung bedauerlichen aktuellen Entwicklung und auf der Suche nach einem anderen Anziehungspunkt für den Norden kam in der öffentlichen Diskussion in den letzten Wochen „Plan B“ ins Spiel, stattdessen mit der Umsiedlung des Weihnachtsmarkts auf den Hildegardplatz eine Belebung in der nördlichen Einkaufstadt zu schaffen. Seit ich denken kann, findet der Kemptener Weihnachtsmarkt am Rathausplatz statt. Dieser Platz mit Rathaus und Rathausbrunnen, umsäumt von stattlichen Patrizierhäusern bietet das ideale Ambiente für einen solchen Markt. Gerade dieser optimale Ort ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Weihnachtsmarkt. Zwar kann man über seine Attraktivität im Detail geteilter Meinung sein, aber der Rathausplatz als Heimat des Marktes stand bei der letztjährigen Besucherbefragung jedenfalls nicht in der Kritik. Um die Anziehungskraft des Weihnachtsmarktes zu erhöhen, neue Ideen einzubringen und auch mal unkonventionelle Einfälle zu diskutieren, kümmert sich seit Anfang 2015 ein Arbeitskreis, dem

auch wir angehören. Die ersten Vorschläge, wie längere Öffnungszeiten, die neue Beleuchtung der Ostfassade des Rathauses und die Farbgestaltung wurden beim diesjährigen Weihnachtsmarkt schon umgesetzt und weitere sollen folgen. Eine kurze Bestandsanalyse der beiden in der Diskussion stehenden Örtlichkeiten für den Kemptener Weihnachtsmarkt – die Altstadt mit dem Rathausplatz und die nördliche Innenstadt mit dem Hildegardplatz – zeigt, dass beide Gebiete strukturschwach sind und Anziehungspunkte brauchen, um sie zu kräftigen und zwar als Ganzes, damit sich beide Gebiete gemeinsam mit dem sehr starken südlichen Sektor zu verbinden zu EINER im Gesamten attraktiven Innenstadt. Eine Verlegung des Weihnachtsmarktes würde die Problematik einer mangelnden Belebung vom Hildegardplatz an den Rathausplatz verschieben. Sie könnte für das eine Gebiet (nördliche Innenstadt) keinen Mehrwert bringen, ohne dass das andere Gebiet (Altstadt) massiv darunter leiden muss. Allein aufgrund der laut ausgesprochenen Überlegungen, den Weihnachtsmarkt zu verlegen, machen sich die Einzelhändler in der Altstadt bereits jetzt Sorgen um Ihre Umsatzzahlen, weil der Weihnachtsmarkt ein DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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sehr wichtiger Anziehungspunkt ist, der Kunden auch in die umliegenden Geschäfte lockt. Um das Problem mit Blick auf beide bedürftigen Gebiete – nördliche Innenstadt und Altstadt – zu lösen, sollte überlegt werden, was zusätzlich Anreize schafft, damit sich insgesamt mehr Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg in beiden Bereichen aufhalten. Den seit Jahrzehnten in der Altstadt etablierten Weihnachtsmarkt auf den Hildegardplatz umzusiedeln ist lediglich eine nicht zu Ende gedachte Lösung! Wenn wir schon beim Ortswechseln sind, dann könnten wir ja gleich noch den Wochen- und den Bauernmarkt in die Altstadt umsiedeln und damit weiter Probleme zwischen beiden Bereichen hin und herschieben. Obwohl wir Freunde der Altstadt Kemptens ein Verein sind, der notwendige und sinnvolle Verbesserungen unterstützt, bei Bedarf auch anmahnt und richtungweisende Projekte wie „Iller erleben“ und „Burghalde beleben“ vorantreibt, sind wir der Auffassung, dass man Bewährtes belassen sollte, wie es ist, wenn sich kein effektiver Mehrwert durch eine Änderung ergibt. In der angedachten Umsiedlung des Weihnachtsmarktes sehen wir keinen Nutzen, sondern eine Gefahr für die Altstadt, solange es dafür keinen gebührenden Ersatz gibt, der die wichtige 6

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Anziehungskraft des Weihnachtsmarktes in der Altstadt ersetzen würde. Unabhängig vom Standort ist der Weihnachtsmarkt für Kempten eine wichtige Bereicherung. Auf der einen Seite ist es sicher ärgerlich, dass man damit rote Zahlen schreibt – denn eine Stadt sollte sich nicht mit Subventionen für Verkaufsstände jeglicher Art (übrigens auch Allgäuer Festwoche) belasten – aber „andererseits ist eine belebte Innenstadt auch etwas wert“. Dieser Halbsatz entspricht nicht nur einer Aussage von Oberbürgermeister Thomas Kiechle, sondern macht auch deutlich, welchen Mehrwert diese Veranstaltung für die Stadt tatsächlich mit sich bringt. Kempten, die Metropole des Allgäus, lebt sehr stark von der Anziehungskraft, die sie ausstrahlt. Zur umsatzstärksten Jahreszeit im Einzelhandel lockt der Weihnachtsmarkt viele auswärtige Besucher nach Kempten. Diese gehen nicht nur auf den Weihnachtsmarkt, sondern sorgen auch quer über die Stadt verteilt für Umsätze. Wenn diese zusätzlichen Umsätze in der Gewinn- und Verlustrechnung des Weihnachtsmarktes Berücksichtigung finden könnten, würde dies im Ergebnis sicher nicht nur zu einer schwarzen Null führen! „Knochentheorie“ – ein mächtiges Leitwort, als es seinerzeit galt, das Forum Allgäu als Werkzeug zur Belebung BERICHT DES VORSITZENDEN


der Innenstadt zu rechtfertigen. Was ist passiert mit dem viel gepriesenen Knochen? Osteoporose, zumindest für den nördlichen Teil des Knochens! Seit vielen Jahren sind wir mit den Freunden der Stiftstadt eng verbunden. So findet ein reger Austausch über die jeweils aktuellen Themen in beiden innerstädtischen Bereichen statt. Wie bereits erwähnt, haben wir einen gemeinsam Nenner – die Strukturschwäche. Es freut mich deshalb umso mehr, dass beide Vereine – Freunde der Altstadt Kemptens und Stiftstadtfreunde – planen, ab dem nächsten Jahr gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und bereits vorhandene Pläne zu optimieren, um für die nördliche Innenstadt mit Hildegardplatz und Gerberstraße/Mühlbachquartier eine dringend notwendige Belebung herbeizuführen.

Barrierefreiheit Eine Begehung der Altstadt im vergangenen Herbst mit dem Hauptaugenmerk auf Barrierefreiheit brachte mir persönlich eine völlig neue Erfahrung: Selbst im Rollstuhl zu sitzen und zu erleben, wie es ist, mit diesem Hilfsmittel zurechtkommen zu müssen, hat mich bis heute nachhaltig beeindruckt. Nicht nur deshalb werden wir auch weiterhin bei baulichen Neuerungen oder Sanierungen darauf achten, dass die Belange von Menschen mit BehinBERICHT DES VORSITZENDEN

derung berücksichtigt werden. Unsere Erfahrung zeigt uns jedoch, dass wir bei der Stadtverwaltung mit Herrn Wiedemann (Leiter Amt für Tiefbauund Verkehr) einen verlässlichen Ansprechpartner haben, der auch im Hinblick auf Barrierefreiheit sehr achtsam ist. Die bauhistorische Situation in der Altstadt und deren topografische Lage (Freudenberg, Fischersteige, Burghalde etc.) sind unveränderbare und daher hinzunehmende Einschränkungen, die oftmals eine barrierefreie Gestaltung nicht oder nur schwer umsetzbar machen. Wo jedoch es möglich ist, vorhandene Barrieren zu entfernen, sollte nachgebessert werden. Konkret fällt mir dazu ein, wie schwer es mir fiel, im Rollstuhl sitzend ins Rathaus zu gelangen. Bereits die nach außen zu öffnende Haupteingangstüre im Erdgeschoss mit nur einer kleinen Schwelle stellte für mich ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Auch Vertreter der Stadtverwaltung Kempten, die bei der Begehung Zeuge meiner Kraftanstrengungen waren, erkannten den Verbesserungsbedarf und signalisierten, die Situation zu korrigieren. Insgesamt kann man sagen, dass die Stadt Kempten sehr engagiert ist und stetig daran arbeitet, die Barrierefreiheit weiter zu verbessern. Kennen Sie das „Altstadthaus“? Nein? Dann kennen Sie sicherlich das DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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„Haus der Senioren“. Ich kann Sie beruhigen, es ist das ein und selbe. Mich freut es, dass die seit langem andauernde Diskussion über eine Namensänderung abgeschlossen ist. Der neue Name „Altstadthaus“ gefällt auch mir gut, denn er stellt einen eindeutigen Bezug zur Altstadt her und wird auch dem vielfältigen Angebot dort – übrigens, nicht nur für Senioren – gerecht. Ich möchte Ihnen empfehlen, in den frisch renovierten Räumen vorbeizuschauen. Sie werden stauen, wie offen und freundlich alles geworden ist. Wir wünschen Herrn Frick und seinem Team weiterhin viel Erfolg im „Altstadthaus“!

Straßen und Verkehr Straßen und deren Auswirkungen haben uns auch dieses Jahr in vielfältiger Weise beschäftigt: Im Bereich Bäckerstraße / St.Mang-Platz haben wir nach wie vor ein Lärmproblem wegen des dort verlegten gebrochenen Kopfsteinpflasters. Als Lärmschutzmaßnahme wurde bereits 2014 die Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h reduziert, und nachdem sich der erhoffte Erfolg nicht eingestellt hatte, folgte in diesem Jahr eine weitere Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h. Theoretisch ist eine Geschwindigkeitsreduzierung der richtige Schritt, weil beim langsamen Befahren die Lärmentwicklung deut8

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lich geringer ist. In der Praxis funktioniert diese Maßnahme hier jedoch leider nicht zufriedenstellend, weil die Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h von den meisten Kraftfahrern nicht beachtet wird. Es wäre nun an der Zeit, sich konkret Gedanken über weitere Maßnahmen zu machen, wie bauliche Veränderungen (das gebrochene Pflaster raus und durch das den Anwohnern anscheinend zugesagte geschnittene Pflaster ersetzen), Fahrbahnverengung, Bodenschwellen einbauen oder über einen längeren Zeitraum unablässige Geschwindigkeitskontrollen mit Verwarnungsgeld. Möglichkeiten gibt es sicherlich einige, die am besten geeignete oder eine Kombination davon zu finden, ist eine dringende Aufgabe, mit deren endgültiger Lösung sich die Stadtverwaltung beschäftigen sollte. Wir werden gemeinsam mit den lärmgeplagten Anwohnern die Sache auch im nächsten Jahr weiter verfolgen. Ein anderes Sorgenkind ist die Kronenstraße mit zu viel Durchgangsverkehr, Nichtbeachten der Höchstgeschwindigkeitsregelung, Falschparkern und Stau. All das trägt sehr zu einer Gefährdung von Fußgängern bei. Anlässlich unserer Jahreshauptversammlung im vergangenen Frühjahr haben wir auf diesen bedenklichen Zustand hingewiesen und Möglichkeiten präsentiert, die zu einer Entschärfung der Situation BERICHT DES VORSITZENDEN


beitragen können. Pro und Contra unserer Anregungen wurden zwar heftig – manchmal auch emotional – diskutiert, konkrete Entscheidungen über Maßnahmen gibt es jedoch bisher nicht. Auch bei der Stadtverwaltung wurde der Handlungsbedarf erkannt, und das bestärkt uns, beim Thema Kronenstraße am Ball zu bleiben. Ebenso bedarf es in der Füssener Straße Maßnahmen, die den dortigen Tatsachen wie Nutzung als Abkürzung durch die Stadt, Schwerlastverkehr oder suboptimale Fußgänger- und Radwege Rechnung tragen. Vom Mobilitätskonzept, an dem die Arbeiten in April dieses Jahr begonnen haben, erhoffen wir uns bald erste Maßnahmen, die die Situationen der eben beschriebenen Brennpunkte entschärfen. Allein hoffen reicht uns da jedoch nicht, darum sind wir in verschiedenen Arbeitsgruppen am Mobilitätskonzept beteiligt, um sicherzustellen, dass dabei die Interessen der Altstadt Berücksichtigung finden. Bleiben wir in der Füssener Straße: An der Ecke zur Lenzfrieder Straße sind die Arbeiten für den Hochwasserschutz am Bachtelbach erfreulich weit vorangeschritten. Unsere Anerkennung und unser Dank gelten der Stadt Kempten; dort wurde die Dringlichkeit der BERICHT DES VORSITZENDEN

Maßnahme richtig bewertet und das Vorhaben trotz finanzieller Mehrbelastung schnell in Angriff genommen. Nicht weit entfernt, steht das mittlerweile fast fertiggestellte AÜW Restwasserkraftwerk an der Kaufbeurer Straße. Obwohl die abschließenden Arbeiten – insbesondere die Gestaltung der Außenbereiche – erst nach Ende der kalten Jahreszeit abgeschlossen werden, ist das Bauwerk bereits jetzt ein Hingucker. Wir freuen uns auf die Fertigstellung im Frühjahr 2016 und die Eröffnung der Sommergastronomie auf der Kraftwerksterrasse. Mit dem Restwasserkraftwerk können wir einen weiteren wichtigen Meilenstein im Projekt „Iller erleben“ als erledigt abhaken und uns dem nächsten zuwenden: die Maßnahme nördlich des Illerstegs. Vom Wasserwirtschaftsamt stehen Baumaßnahmen an, um dort das Flussufer abzuflachen. Die Stadt Kempten wird die Gelegenheit nutzen, durch begleitende Maßnahmen die Aufenthaltsqualität auch dort am Illerufer attraktiver zu gestalten. Folgen wir der Iller flussaufwärts zu den Brücken im Bereich Schuhmacherring. Die älteste der Drei – die König-Ludwig-Brücke – hat aufgrund ihrer Konstruktion einen bedeutenden historischen Wert und ist zurecht als Baudenkmal geschützt. Es ist daher mehr als erfreulich, dass der Bund 2,2 Millionen Euro für die Sanierung zur DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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Verfügung stellt. Damit kann der beachtenswerte Bau saniert werden und bleibt damit weiteren Generationen erhalten.

Burghalde beleben Leider kann die Burghalde von solchen Fördermitteln nur träumen! Die diesjährige Begehung mit Oberbürgermeister Thomas Kiechle, Stadträten und Vertretern der Stadtverwaltung war ein kleiner und dennoch sehr wichtiger Schritt auf dem Weg, diesem Wahrzeichen und Denkmal Kemptens die Aufmerksamkeit zu geben, die ihm unseres Erachtens gebührt. Dieser Ortstermin sensibilisierte die Stadträte, und im Anschluss daran entstand eine konstruktive Diskussion über alle Parteigrenzen hinweg. Zu diesem aktiven Meinungsaustausch trug auch unser Visionsplan bei – ein Vorschlag, wie das Projekt „Burghalde beleben“ aussehen könnte. Besonders freuen wir uns darüber, dass kleinere Maßnahmen bereits nächstes Jahr durchgeführt werden. Der Bereich Brandstatt / Klostersteige fand durch den Umbau der Firma Staehlin eine enorme Aufwertung. Dafür möchten wir uns herzlich bei der Unternehmerfamilie bedanken! Wir gratulieren der Firma Staehlin zu diesem wegweisenden Schritt und wünschen allen Erfolg für die neuen Geschäftsräume DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

der Papeterie und Einrichtungskultur in der Klostersteige/Brandstatt.

20. Altstadtfest Ein großer Erfolg war auch dieses Jahr wieder das 20. Altstadtfest mit Kindertag. Bei idealem Wetter fand sich Klein und Groß um den Sankt-MangPlatz ein. Auch das tolle Konzert am Abend genossen viele Besucher – nicht nur, weil es keinen Eintritt gekostet hat. Ebenso freuen wir uns über den Gestaltungsbeirat, den es nun auch in Kempten gibt. Er wird der Baukultur in unserer Stadt sicherlich zusätzliche Impulse bringen. Das Gelände der ehemaligen Spinnerei und Weberei nimmt mit dem Baufortschritt der Rosenau allmählich sehr konkrete Formen an. Wir hoffen, dass Bauträger und Investor an diesem für die Industriegeschichte Kemptens bedeutenden Ort einen würdigen Platz finden, um darauf aufmerksam zu machen. Die denkmalgeschützte Bausubstanz bietet sich geradezu an, dass dort auf die Industrieepoche der Garn- und Stoffherstellung hingewiesen wird, die für die Entwicklung Kemptens wegweisend war. Auf dem Sankt-Mang-Platz wird es nächstes Jahr weitere Sitzgelegenheiten geben. Ausgediente und wetterfest BERICHT DES VORSITZENDEN


gemachte Kirchenbänke sollen dort direkt an der Südmauer der Kirche angebracht werden. Mit einem finanziellen Patenschaftsobolus werden auch wir Altstadtfreunde dazu beitragen, dass eine der Bänke wettertauglich gemacht werden kann. Wir finden die Idee von der Kirchengemeinde prima und freuen uns schon darauf, dass dann noch mehr Besucher verweilen können, um sitzend die Atmosphäre am SanktMang-Platz genießen zu können. Nun möchte ich Sie dazu einladen auf den nächsten Seiten weitere sehr interessante Beiträge zu lesen. Die Autoren haben sich allesamt mit Themen aus der oder für die Altstadt beschäftigt. Sie zeigen, dass die Altstadt ein Ort der Begegnungen ist. Herzlichen Dank an alle Verfasser. Ein Dankeschön auch an Jene, die ebenfalls dazu beigetragen haben, dass der Altstadtbrief dieses Jahr wieder erscheinen kann. Lassen Sie mich mit einem abgeänderten Zitat schließen: „Wer nicht will, sucht Ausreden, wer will, sucht Lösungen...“ Getreu diesen Worten freue ich mich auf die Zukunft und ich wünsche Ihnen auch im Namen des gesamten Vorstands friedliche und erholsame Weihnachten und für das Jahr 2016 alles Gute. Herzlichst – Ihr Dietmar Markmiller BERICHT DES VORSITZENDEN

adtfestes Partner des Altst Daimlerstraße 1 87448 Waltenhofen Tel. 08303 923745 DER ALTSTADTBRIEF 42/2015


Die alte, neue Spinnerei am AÜW-Wasserkraftwerk

Sozialbau saniert „Alte Spinnerei“ vorbildlich Zweiter Bauabschnitt begonnen von Herbert Singer

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n Abstimmung mit der Denkmalpflege hat die Sozialbau das aus dem Jahr 1850 stammende Industriedenkmal vorbildlich umgebaut und saniert. Das bfz (Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft gGmbH) ist in den Nordteil der rundum erneuerten „Alten Spinnerei“ an der Keselstraße eingezogen. Erstmals konnte die bfz auf vier Etagen mit rund 1.700 m² die Ausbildungs-, Schulungs- und Werkstatträume an einem Standort in Kempten zusammenführen. Im Gebäude-Nordteil wurde die historische Tragkonstruktion freigelegt und jede Geschossdecke in einem technisch aufwändigen Verfahren einzeln

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angehoben. Die Innenwände wurden saniert und neu verputzt, wobei in Teilbereichen die historische Substanz sichtbar geblieben ist.

Dachser zieht ein Diese Vorarbeiten ermöglichten es, dass seit September 2015 intensiv in den übrigen Geschossen weiter gearbeitet werden kann. Im 5. Stock des Nordgebäudes wird derzeit eine Büroetage für die Firma Dachser ausgebaut, die im Januar 2016 ihre neuen Räumlichkeiten bezieht. Bei der Gestaltung wird viel Wert auf große, lichtdurchflutete Räume gelegt. So entsteht ein einzigartiges Ambiente aus großzügiger Raumhöhe, modernster Technik und Charme des historischen Altbaus an der Iller.


Neueste Glasfaser- und EDV-Vernetzung sorgen für zeitgemäßen Bürokomfort. Mit einer zusätzlichen Etage schließt das bfz die Belegung des sechsgeschossigen Nordgebäudes ab.

Mieter für alle Flächen Parallel zu den Baumaßnahmen im Nordgebäude werden die Etagen des Südgebäudes für das Jobcenter Kempten der Agentur für Arbeit mit rd. 1.200 m² ausgebaut. Bis Som- Das neue AÜW-Kundencenter am Rathausplatz 14 mer 2016 werden die gesamten 3.850 m³ Gewerbeflächen in der „Alten AÜW-Kundencenter in Spinnerei“ fertiggestellt und vermietet der Altstadt sein. 55 Stellplätze stehen für die MitarDer Rathausplatz und die Altstadt beiter und Besucher zur Verfügung. sind beliebte Treffpunkte in Kempten. Mit ihrem engagierten Sanierungs- Rund 110 Gewerbeobjekte der Sozialbau projekt sorgt die Sozialbau dafür, dass mit etwa 15.000 m² der insgesamt rd. die einzigartige Originalsubstanz der 55.000 m² Gewerbeflächen befinden sich ehemaligen Spinnerei aus dem vorletz- im Altstadtquartier und werden für viele ten Jahrhundert für weitere Generatio- Gewerbetreibende immer interessanter. nen wertbeständig erhalten bleibt. Im März 2015 hat das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) sein neues KundenFakten „Alte, neue Spinnerei“ center am Rathausplatz 14 bezogen. • Industriedenkmal aus dem Jahr Thomas Kiechle, Oberbürgermeister 1850 • Nutzer sind das bfz, Firma Dachser, der Stadt Kempten und Verwaltungsratsvorsitzender des AÜW freute sich Jobcenter mit AÜW-Geschäftsführer Michael Lu• Fertigstellung Bauteil-Süd in 2016 cke, Sozialbau-Chef Herbert Singer und • Investitionsvolumen insgesamt rd. vielen Eröffnungsgästen über das neue 10,0 Mio. € DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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Das neue Wohn-/Geschäftshaus in der Gerberstraße

Aushängeschild für die regionale Energieversorgung, die sich am Rathausplatz noch kundennäher präsentieren kann. Die serviceorientierten Räume vereinen traditionelle Allgäuer Baustoffe mit innovativem Design.

Sozialbau schließt Baulücke in der Gerberstraße Seit vielen Jahren ist die Sozialbau Motor für die Revitalisierung des Wohn- und Geschäftsquartiers zwischen Gerberstraße, Kronenstraße, Theaterstraße und Heinrichgasse. Mit Fertigstellung und Bezug des neuen Wohn- und Geschäftshauses in der Gerberstraße und der neuen Tiefgarage mit 23 Stellplätzen sowie 20 oberirdischen Stellplätzen konnte im Juni 2015 ein weiterer Abschnitt der städtebaulichen Sanierung im Altstadtquartier Theater-/Gerberstraße und Heinrichgasse abgeschlossen werden.

Architektur für die Altstadt Der viergeschossige Neubau passt sich durch die den Nachbargebäuden angeglichene Höhe und Lochfassade 14

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hervorragend in das bestehende Altstadtgefüge ein. Im Erdgeschoss befindet sich eine moderne Ladeneinheit mit der Werbeagentur „Composizione“ und in den Obergeschossen drei großzügige, familienfreundliche Wohnungen mit bis zu sechs Zimmern. Alle Wohnungen zeichnen sich durch lichtdurchflutete Räume und sonnige Loggien aus.

Breite Stellplätze und viel Grün Bevor mit der Tiefgarage begonnen werden konnte (Zufahrt über die Theaterstraße), mussten auf Kosten der Sozialbau umfangreiche archäologische Grabungen durchgeführt werden. Dabei fand man bis dato unbekannte Siedlungsreste, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Diese wurden gesichert und dokumentiert. Die benutzerfreundliche Tiefgarage zeichnet sich durch eine helle, freundliche Gestaltung und bequeme, sehr breite Stellplätze aus. Die Außenanlagen wurden komplett neu und großzügig mit viel Grün gestaltet. Jetzt stehen doppelt so viele Parkmöglichkeiten wie vorher zur Verfügung – und dies ausschließlich für Anwohner und Gewerbetreibende des Quartiers, was zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung der Altstadt beiträgt. Im Jahr 2016 werden die Häuser Gerberstraße 12-22, Theaterstraße 1-9 mit 60 Wohnungen energetisch modernisiert und neu gestaltet. So wird Ende SOZIALBAU SANIERT „ALTE SPINNEREI“


Das Altstadthaus mit neuem Café

2016 dieses Areal mit rd. 100 Wohnungen runderneuert erstrahlen.

Neuer Glanz im „Altstadthaus“ Seit 1977 befindet sich das „Haus der Senioren“ – ab 1. Januar mit neuem Namen „Altstadthaus“ – in den Räumen der Sozialbau und bietet dort für Senioren und alle Menschen eine Vielzahl von interessanten Freizeit- und Bildungseinrichtungen an.

Umfangreich modernisiert Mit durchschnittlich 3.300 Besuchern pro Monat auf ca. 1.040 m² ist das Haus eine der größten Bildungs- und Freizeiteinrichtungen für Senioren in Bayern. Es war jedoch in die Jahre gekommen und musste umfangreich modernisiert werden. Verändert und angepasst wurden die Veranstaltungsräume, Büros und das Café. Im Untergeschoss konnte ein Multifunktionsraum in zeitgemäßem Design für Ballett, Tanz, Unterricht und Tagung neu gestaltet werden.

Café im Foyer Die aufwändigsten Arbeiten fanden im Erdgeschoss statt: Hier wurde als HerzSOZIALBAU SANIERT „ALTE SPINNEREI“

stück des Gebäudes das neu gestaltete Café ins Foyer verlegt, das mit der Terrasse im Innenhof barrierefrei verbunden ist. Besucher werden so in angenehmer Atmosphäre in Empfang genommen. Die Büroräume wurden ebenfalls neu ausgebaut und die Flurbereiche so gestaltet, dass sie sinnvoll für Ausstellungen genutzt werden können. Eine neue moderne, automatische Eingangstüre lädt zum barrierefreien Eintreten ein. Zu guter Letzt hat die gesamte Außenanlage ein neues, attraktives Gesicht bekommen, die im Frühjahr in frischem Grün zum Verweilen einladen wird. In sehr kurzer Bauzeit von nur zehn Wochen sieht nun alles attraktiv und modern aus. Das „Altstadthaus“ erstrahlt mit neuem Namen in völlig neuem Glanz. Fakten Sozialbau • Gründung 1956 • Gebäudebewirtschaftung 3.878 Mietwohnungen 455 Gewerbeeinheiten 2.188 Eigentumswohnungen 6.521 Einheiten • 6.099 Pkw-Stellplätze • 534.181 m² Wohn- u. Gewerbeflächen • Bilanzvolumen in 2014: 188,0 Mio. € DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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Zukunft Artillerie-Kaserne – ein Fall für den neuen Kemptener Gestaltungsbeirat?

Neuer Gestaltungsbeirat: wesentliche Komponente für ein Mehr an Baukultur von Franz Schröck, architekturforum allgäu e.v.

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m ersten deutschen Baukultur-Bericht, den die Bundesstiftung Baukultur mit Sitz in Potsdam zum letzten Jahreswechsel veröffentlicht hat, werden gleich zu Beginn die wichtigsten Gründe für Baukultur aufgezählt. Ganz oben steht dort zu lesen: „Baukultur ist Lebensqualität – Je besser und nachhaltiger unsere gebaute Umwelt gestaltet ist, desto wohler fühlen wir uns in ihr. Je gemischter und vielfältiger das Angebot an Nutzungen und Einrichtungen ist, desto höher ist unsere Zufriedenheit mit dem Alltagsleben in der Stadt.“ Damit ist eigentlich kurz und knapp alles gesagt, warum es sich lohnt, sich 16

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des Themas auch in unserer Region anzunehmen und immer wieder auf dessen essentielle Bedeutung für unser Zusammenleben hinzuweisen. Ein wesentliches Instrument stellt dabei dasjenige eines Gestaltungsbeirates dar, der die politisch Verantwortlichen unabhängig bei wesentlichen Entscheidungen berät, die die gebaute Umwelt betreffen. Nachdem in der Vergangenheit bereits in Sonthofen und Kaufbeuren ein Gestaltungsbeirat von den dortigen Stadträten installiert wurde, hat sich nunmehr auch das Kemptener Kommunalparlament in seiner letzten Sitzung vor der diesjährigen Sommerpause aus gutem Grund dazu durchgerungen – ein Schritt, den alle Kemp-


tener Kulturverbände, der BDA und das architekturforum allgäu jahrelang gefordert haben. Ein entscheidender Impuls dazu erfolgte für die städtischen Entscheidungsträger im Januar diesen Jahres, als der Biberacher Baubürgermeister Christian Kuhlmann von den vielen Vor- und den wenigen Nachteilen eines solchen Gremiums in seiner Stadt berichtete. Nach einer zweijährigen „Probezeit“ war die Stadt Biberach so sehr von dem Gremium überzeugt, dass dieses seither nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt wurde. Dem häufig genannten Argument in der Diskussion im Vorfeld, dass ein Beratungsgremium Zeit beansprucht und zusätzliches Geld kostet, ist zu entgegnen, dass Bauvorhaben, die dem Gremium präsentiert werden, normalerweise – vor allem von Investorenseite – viel fundierter aufbereitet sind und bei entsprechender Qualität damit schneller die Genehmigungshürde nehmen. Zudem spart sich die Stadt dadurch hauptamtliche Personalstunden bei der Bearbeitung der Bauanfragen.

Die Modalitäten Der einstimmig erfolgte Satzungsbeschluss des Kemptener Stadtrates beinhaltet die individuell auf unsere Stadt zugeschnittenen Modalitäten: So erfolgen Vorschläge durch die Verwaltung, welche wichtigen städtebaulich

prägenden Vorhaben behandelt werden sollen – wobei der Oberbürgermeister schlussendlich auswählt, welche Bauvorhaben dem Gestaltungsbeirat vorgelegt werden. In einem nichtöffentlichen Sitzungsteil macht sich das Gremium zusammen mit Oberbürgermeister, Baureferent, Leiterin des Stadtplanungsamtes und je einem Vertreter der Fraktionen ein Bild vor Ort, ehe im Anschluss das Bauvorhaben öffentlich fundiert beraten wird. Die qualifizierte Empfehlung des Gestaltungsbeirats fließt dann in die Meinungsbildung des Stadtrates ein, dem natürlich nach wie vor die endgültige Entscheidung obliegt. Derzeit wird die Besetzung des fünfköpfigen Gremiums, bestehend aus einer ausgewogenen Mischung aus auswärtigen Städteplaner|innen, Architekt|inn|en und Landschaftsarchitekt|inn|en, festgelegt. Der Gestaltungsbeirat soll zum Jahreswechsel die Tätigkeit aufnehmen, seine erste Sitzung ist für den 15. Februar vorgesehen.

Gesamtkonzepte statt singuläre Betrachtung

Wir wünschen uns über das Gremium des Gestaltungsbeirates eine inspirierende Sach-Diskussion, die bestimmt nicht immer ohne Reibungsverluste verlaufen wird, aber mit Sicherheit die Qualität unserer gebauten Umgebung und damit unserer Lebensqualität beDER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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fördern wird. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht in diesem Zusammenhang eine mehr und mehr über das Einzelobjekt hinausgehende Betrachtungsweise, die ein strukturelles Gesamtkonzept für die Stadtentwicklung zugrunde legt und dabei verstärkt auf Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung setzt. Wir gratulieren neben Kempten auch Sonthofen und Kaufbeuren ganz herzlich zu Ihren Gestaltungsbeiräten und erhoffen uns dadurch wesentliche Beiträge für eine kontinuierliche Steigerung der Gestaltungsqualität im jeweiligen Stadtgebiet. Die einzige kreisfreie Allgäuer Stadt, die sich bisher noch kein solches Gremium leistet, ist Memmingen, zeigt aber bereits starkes Interesse daran. Wichtig wäre dem architekturforum allgäu aber nicht nur eine Präsenz von Gestaltungsgremien in den Städten unserer Region, sondern ebenso auf gemeindlicher Ebene; hier sollte in den einzelnen Landkreisen ein Gestaltungsbeirat beim Landratsamt abrufbar sein, um bei Bedarf in die jeweilige Landgemeinde geholt werden zu können. Im Sinne des Mottos „Baukultur ist Lebensqualität“ halten wir dies für ein weiteres notwendiges Instrumentarium, um unsere Allgäuer Heimat zukunftsfähig und nachhaltig weiterzubauen. 18

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Altes Haus braucht herzliche Menschen Dreiteiliges Großvorhaben in der St.-Mang-Kirche

von Franziska Kampfrath

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a altes Haus, wie geht’s?“ Würde man der St.- Mang - Kirche, einem wirklich alten Haus, diese Frage stellen, würde sie sicherlich antworten: „Ach, eigentlich ganz gut. Aber natürlich gibt es mit der Zeit ein paar Wehwehchen: Bei der Südhalle, der Hauptorgel und den Glocken.“ Deswegen stehen in der St.-Mang-Kirche mehrere Reparaturarbeiten an. Sie umfassen die Sanierung der Statik in der 500 Jahre alten Südhalle, die Reinigung und Modernisierung der Hauptorgel sowie die Restaurierung und Erweiterung des Geläuts. Das dreiteilige Großvorhaben steht unter dem Motto: „Gebäude mit Geschichte sucht Menschen mit Herz.“

GESTALTUNGSBEIRAT:FÜR EIN MEHR AN BAUKULTUR


Sanierung der Südhalle Die Schäden in der Südhalle sind vielfältig. An den Scheiteln der Gurtbögen, die das Gewölbe quer unterteilen, sind Diagonalrisse aufgetaucht. Sie entstanden, da die Bögen stärker nach außen gedrückt wurden. Die Gründe dafür findet man auf dem Dachstuhl. Dort sind Balken verfault und manche Auflagertiefen zu kurz. Bei der Umstrukturierung des historischen Dachstuhls kam es zu handwerklichen Fehlern. Dadurch sind größere Schneeanhäufungen auf dem Dach möglich. Ferner verursachte eine Bombe im Zweiten Weltkrieg einen Brandschaden, wodurch ein Drittel des Dachstuhls verkohlt ist. Auch an der Emporenbrüstung zur Südhallenseite sind Diagonalrisse auf-

getreten, die Verformungen anzeigen. Ein Restaurator öffnete die betreffende Stelle. Man stellte fest, dass der Abfangbalken, auf dem die Deckenbalken aufliegen, an den Auflagern verfault ist. Bei der Sanierung wird der Balken bis zum gesunden Holz zurückgeschnitten. Der geschädigte Bereich wird abgesägt und durch neues Holz an dieser Stelle ersetzt. Dabei werden die neuen Holzteile mit dem alten Balken verbunden. Bis zum Abschluss dieser Arbeiten steht eine provisorische Holzabstützung an der nördlichen Südhallenwand.

MangBox: Ort der Begegnung In der Südhalle soll die sogenannte „MangBox“ Platz finden. Diese wird das Provisorium des Eintrittskartenverkaufs für die Erasmuskapelle ersetzen. DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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Auch Pfeifen können schimmeln.

Die „MangBox“ soll sieben mal fünf Meter groß sein, mit einer Glasschiebewand und einem Vorraum für Sitzgelegenheiten. Außerdem wird sie einen Schallschutz erhalten. In der „MangBox“ soll, neben dem Kartenverkauf, ein Café entstehen, in dem Frauen und Männer aus dem Haus Lichtblick Kaffee ausschenken. Dadurch wird die Südhalle zu einem Ort der Begegnung und lädt zum gemütlichen Verweilen ein. Schirmherr für das Projekt Südhalle ist Bruno Fischle, ehemaliger Leiter des Staatlichen Bauamts Kempten.

Die Orgel Das zweite „Wehwehchen“ ist die Orgel. 1987 errichtete sie die Firma Gerhard Schmid Orgelbau aus Kaufbeuren. Das Instrument hat 57 Register und fünf Manuale, die unterschiedlich gekoppelt werden können. Nun steht dringend eine Generalreinigung der Orgel an. Auf den Pfeifen hat sich ein Schmutzfilm gebildet, der mit der Zeit zu einem teerartigen Belag verkleben würde. Besonders am unteren Ende der 20

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Pfeifen gibt es darüber hinaus einen leichten Schimmelbefall. Die knapp 4000 Pfeifen werden für die Reinigung in eine Werkstatt abtransportiert. Bei der Generalreinigung müssen die Zungenregister, die sich momentan schnell verstimmen, und die tiefen Bassregister speziell intoniert werden. Zu den Arbeiten gehört auch eine behutsame Neuintonation der Pfeifen. Die Generalreinigung ist auch ein geeigneter Zeitpunkt, um mögliche Mängel der Orgel zu beheben. Die findet man in der St.- Mang - Kirche beim Spieltisch des Instruments. Mit sechs Möglichkeiten ist die Setzerkombination, also der Registerklangfarbwechsel, veraltet. Heutzutage sind über 1000 Variationen Standard. Hier soll nachgerüstet werden. Zwischen einzelnen Manualen fehlen die Koppeln, was mechanisch überarbeitet wird. Die Mensuren, das sind die Abstände zwischen schwarzen und weißen Tasten, sind unterschiedlich groß. Die Traktur ist schwerfällig. Nach Wunsch soll ein komplett neuer Spieltisch entstehen. Zudem sind vier zusätzliche Register geplant: Cymbelstern, Glockenspiel, Oboe und ein 32-Fuß-Untersatz für sehr tiefe Töne. Das Oboenregister spielt besonders in der romantischen Orgelmusik eine wichtige Rolle und ist nicht durch andere Register zu ersetzen. Der 32-Fuß-Untersatz wird über das Pedal bedient und erzeugt als tiefsten Ton

ALTES HAUS BRAUCHT HERZLICHE MENSCHEN


ein Subcontra-C mit einer Frequenz von 16,35 Hertz. Für dieses Register sind zwölf neue Pfeifen nötig, die hinter der Orgel Platz finden sollen. Für die Arbeiten an der Orgel macht sich besonders der Förderverein für Kirchenmusik an der St.- Mang - Kirche stark.

Wertvolle Glocken erhalten Insgesamt drei Glocken hängen momentan im Turm der St.- Mang - Kirche. Zwei davon sind sehr alt. Die älteste ist die Vaterunserglocke, die 1383 gegossen wurde. Ihr Metall stammt der Legende nach von einer Kanonenkugel, die die reichsstädtischen Bürger 1363 bei der Erstürmung der Burghalde erbeuteten. Das Institut „Pro Bell“ der Hochschule Kempten stellte bei Messungen fest, dass der schwere Klöppel die Glocke stark beansprucht. Dies hängt mit der ungünstigen Klöppelformung zusammen. Die Auferstehungsglocke ist die größte. Hans Frey goss sie 1581 aus einer kleineren Glocke. Sie hat eine geringe Anregung des Klangs, der dadurch leidet. Die Glocke hängt jetzt fälschlicherweise an einem Stahljoch, was ihr schadet. Die beiden historischen Glocken wurden schon mehrfach gedreht. Nun sollen sie restauriert werden und neue Klöppel erhalten, die das Institut „Pro Bell“ konstruiert. Die Taufglocke stammt aus dem Jahr 1948. Sie passt klanglich nicht zu den beiden anderen. Deshalb soll sie abge-

Die Glockeninnenseite – nach vielen tausend Schlägen

hängt werden und einen Platz als Friedensdenkmal finden. Dafür sollen drei neue Glocken angeschafft werden. Eine Firma in Karlsruhe gießt die neuen Glocken auf traditionelle Art und Weise. Professor Robert Schmidt, Präsident der Hochschule Kempten, ist Schirmherr des Projekts Glocken.

1,1 Mio. Euro Gesamtkosten Die Gesamtkosten für alle drei Vorhaben belaufen sich auf etwa 1,1 Millionen Euro. Davon werden ca. 390.000 Euro für die Orgel, ca. 130.000 Euro für die Glocken und ca. 590.000 Euro für die Südhalle und die „MangBox“ benötigt. Deshalb sind Spenden überaus wichtig – von Menschen mit Herz. Weitere Informationen zu den Projekten und Spendenmöglichkeiten finden Sie in den ausliegenden Flyern in der Kirche und im Internet unter www.evangelisch-kempten.de/gebäudemit-geschichte-sucht-menschen-mit-herz

Unser Spendenkonto: Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde Allgäuer Volksbank Kempten IBAN: DE 7339 0000 0000 0111 85 BIC: GENODEF1KEV

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Tag des offenen Denkmals Hohes Interesse am Kraftwerk „Füssenerstraße“ von Gerhard Juli

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it einem Denkmal verbindet man meist ein zum Gedächtnis an eine Person oder ein Ereignis errichtete, größere plastische Darstellung, ein „Monument“ oder ein „erhaltenes Kunstwerk, das für eine frühere Kultur Zeugnis ablegt“. Doch am diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ am 13. September in Kempten öffnete ein im Kern als „Zweckbau“ anzusehendes Gebäude, das Kraftwerk „Füssenerstraße“. Schon in den ersten Minuten um zwölf Uhr standen die ersten Besucher am Tor des kleinen Backsteinanbaus am Ostufer der Iller in der ehemaligen Spinnerei & Weberei Kempten. Interessiert hörten die Gäste die Erläuterungen von Walter Feßler und Gerhard Juli über die wechselhafte Geschichte von Spinnerei und Kraftwerk. Die Spinnerei & Weberei Kempten war um 1852 gegründet worden. Durch anhaltende Streitigkeiten mit der gegenüberliegenden Firma Sandholz war anfangs kein Ausbau der Wasserkraft möglich, sodass 1858 eine Dampfmaschine angeschafft wurde. 1883 ent22

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stand am so genannten „Eisenbahnwehr“ ein Wasserkraftwerk mit zwei Turbinen, die ihre Kraft über eine 180 m lange Welle in die Spinnerei übertrugen. Der Rundbogen, durch den diese Welle in das Spinnereigebäude eintrat, ist heute noch im Kraftwerk Füssenerstraße sichtbar. Dieses Kraftwerk war 1902 errichtet worden und mit zwei Francis-Turbinen ausgestattet. Nicht nur in Kempten führte der Niedergang der Textilindustrie zu einer Schließung der Spinnerei & Weberei im Jahre 1991. Das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) erwarb 1996 die ehemalige Sandholz´sche Spinnerei am Westufer (heute im Eigentum von „Die Sozialbau“) und die beiden Wasserkraftwerke. Am Westufer entstand anstelle des alten Kraftwerks das neue Kraftwerk „Keselstraße“ mit seiner preisgekrönten Architektur. Die Hülle des Kraftwerks Füssenerstraße dagegen steht unter Denkmalschutz, sodass der beabsichtigte Umbau auf moderne Technik nur unter großem Aufwand möglich war: Es


Das Restwasserkraftwerk „Füssenerstraße“ (Bildmitte) am größeren, südlichen Bau der Rosenau

wurde das Dach geöffnet, die hölzerne Zwischendecke sorgfältig demontiert und zwischengelagert. Jetzt konnten Fundamente, Turbinen und Generatoren ausgebaut werden. Der teilweise schadhafte Innenputz wurde weitgehend entfernt, Fehlstellen im Außenmauerwerk kannten wiederhergestellt werden, nachdem die Suche nach passenden Backsteinziegeln in den Niederlanden erfolgreich war. Die neue Fundamentierung wurde auf speziellen Dämmmatten aufgebracht, um den zum Wohnobjekt umgebauten Gebäudetrakt vor den Vibrationen des Maschinensatzes zu schützen. Eine zweite Fensterebene hinter den vorhandenen Sprossenfenster diente der Schalldämmung. Ein Schieferboden mit großformatigen Platten unterstreicht den historischen Charakter eines Gebäudes mit moderner Technik.

Heute nutzt das AÜW diese Anlage als „Restwasserkraftwerk“. Behördliche Auflagen fordern, dass in der Iller immer eine Restwassermenge von zwei Kubikmetern pro Sekunde verbleiben muss. Früher lief diese Menge ungenutzt über das Wehr, heute wird sie im bald 120 Jahre alten erneuerten Kraftwerk „Füssenerstraße“ abgearbeitet, also zur Stromerzeugung genutzt. Vier Stunden lief der Tag des offenen Denkmals, ohne dass der Besucherstrom abriss, der sich an diesem Tag über Historie und moderne Kraftwerkstechnik in einem feinfühlig wieder hergestellten Bauwerk informieren konnte. Dank an Moritz Kauf, der im „Allgäuer Geschichtsfreund“ Nr. 114 „Die Nutzung der Wasserkraft an der Iller in Kempten“ erforscht und dargestellt hatte. DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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König-Ludwig-Brücke: Historisches Baudenkmal wird saniert von Markus Wiedemann

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ie 1847-1852 erbaute König-Ludwig-Brücke ist eine der wenigen erhaltenen Eisenbahnbrücken aus Holz. Sie ist ein Dokument der Eisenbahnerschließung Bayerns durch die König Ludwig Süd-Nord-Bahn sowie Beispiel des sich im 19. Jahrhundert entwickelnden ingenieurmäßigen Brückenbaus. Das Bauwerk ist ein Baudenkmal von herausragender landes-, konstruktionsund verkehrsgeschichtlicher Bedeutung

geschädigte Holzschwellen 24

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und erhielt am 20. April 2012 die Auszeichnung als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ der Bundesingenieurkammer. Die Gründe der Auszeichnung waren nicht nur, dass sie weltweit eine der ältesten hölzernen Eisenbahnbrücken und in Europa die älteste Brücke nach dem Howe-System ist, sondern lagen auch darin, dass die Bemessung der Brücke nicht auf empirischen, sondern auf berechneten Grundlagen beruht. Die Brücke markiert somit den Übergang zur theoretisch begründeten Konstruktion im 19. Jahrhundert. Ohne Übertreibung ist sie als weltweit einzigartiges Monument der Bautechnik und Ingenieurbaukunst zu sehen. 1852 in Betrieb genommen, wurde sie bis 1906 als Eisenbahnbrücke genutzt. Seit dem Jahr 1907 ist sie im Eigentum der Stadt Kempten und diente von 1911 bis 1970 dem Kfz-Verkehr. Seit 1970 wird das Bauwerk als Geh- und Radwegbrücke genutzt. Seit der Sanierung im Jahre 1986 stand eswieder weitestgehend im Originalzustand da, jedoch ohne seitlichen Witterungsschutz. Dieser wurde


Seit 2014: Folienverkleidung als Witterungsschutz

nun nach der Begutachtung der Schäden im Jahr 2014 wieder angebracht. Nach Art. 4 des Denkmalschutzgesetzes haben die Eigentümer die Verpflichtung, das Baudenkmal instand zu halten, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen. Somit ist es Aufgabe der Stadt Kempten, die Sanierung der König-Ludwig-Brücke zeitnah umzusetzen, damit sie auch für die nächsten Generationen erhalten bleibt. Die intensive Bauwerksprüfung und die detaillierte Schadenskartierung der König-Ludwig.-Brücke ergaben, dass sich an den wesentlichen Bauteilen (tragende Elemente) eine Schädigung eingestellt hat, die einen sicheren Betrieb nicht mehr gewährleisten. So sind Schwellen defekt, die Verankerung der Stahlhänger, insbesondere im Auflagerbereich, stark geschädigt und die Balken im Untergurt und im Auflagerbereich in weiten Bereichen zersetzt. Darüber hinaus wurden gebrochene Metallplatten festgestellt. Als äußere Zeichen eines

fortschreitenden Verfalls sind darüber hinaus am Übergang zwischen Widerlager und Brücke Setzungen erkennbar. Dies ist am Versatz des Geländers zu sehen. Weiterhin ist eine deutliche Verformung der Stahlhänger im Holzfachwerk feststellbar. Dies deutet auf eine Schädigung der für den Lastabtrag notwendigen Verankerung hin. Aufgrund dieser Schädigungen ist ein Betrieb der Brücke nicht möglich. Das Bauwerk wurde daher im Jahr 2014 gesperrt. Erst nach Umsetzung der Instandsetzungsmaßnahmen kann die Brücke wieder als Geh- und Radwegverbindung über die Iller genutzt werden. Diese Sanierungsmaßnahmen sind notwendig: • Austausch der geschädigten Bauteile • Einbau von Bauteilverstärkungen • Einbau zusätzlicher Aussteifungsbauteile • Lamellenverschalung als Witterungsschutz • Dichter Fahrbahnbelag aus Gussasphalt DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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desbaudirektion und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Die Sanierung wird im Jahr 2016 vorbereitet und die bauliche Umsetzung erfolgt dann in den Jahren 2017 und 2018. Somit steht die Brücke frühestens ab dem Frühjahr 2019 für Fußgänger und Radfahrer wieder zur Verfügung.

Untersuchung der Schäden

Diese Maßnahmen werden vor Ort (Sanierung im eingebauten Zustand) durchgeführt. Hierfür ist ein Trag- und Arbeitsgerüst über die gesamte Brückenlänge erforderlich.

Neben der eigentlichen Brückensanierung soll auch das städtebauliche Umfeld neu gestaltet werden. So werden die Geh- und Radwege im Bereich der König-Ludwig-Brücke saniert, damit die Brücke in ihrem Umfeld besser erlebt werden kann. Ebenso sollen Aussichtspunkte mit Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden. Auch die spätere Begehbarkeit und Erlebbarkeit der Brücke im Zuge von Führungen und Veranstaltungen (z. B. Tag des offenen

Die Kosten dieser Maßnahme belaufen sich nach heutiger Schätzung auf etwa 3,3 Mio. Euro brutto. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung fördert im Zuge der „Nationale Projekte des Städtebaus“ die Sanierung mit 2,2 Mio. Euro Weitere Förderungen erwarten wir vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, der Lan26

DER ALTSTADTBRIEF 42/2015 KÖNIG-LUDWIG-BRÜCKE: BAUDENKMAL WIRD SANIERT


Denkmals) soll dabei berücksichtigt werden. Durch Schautafeln im Umfeld und in der Brücke sollen die Themen Historie, Baugeschichte des Brückenensembles der Obere Illerbrücken sowie die Fähigkeiten des Brückenbaus im 19. Jahrhundert dargestellt werden. Fakten und Zahlen 1. April 1852 Offizielle Einweihung der Strecke Kaufbeuren-Kempten mit Eröffnung der König-Ludwig-Brücke 1879 Durch die Entwicklung der Lokomotiven und somit Gewichtserhöhung wird im Mittelfeld eine zusätzliche Stahlverstärkung eingebaut 1906 Fertigstellung der Stampfbetonbrücken und Verlagerung des Schienenverkehrs auf die neuen Brücken

1907 Kauf der Brücke durch die Stadt für 28.600 Mark 1911 Umbau und Nutzung als Straßenbrücke 1945 Die Wehrmacht sprengt die östlichen Randfelder aller drei Illerbrücken. Die König-Ludwig-Brücke wird in diesem Bereich mit einer Stahlkonstruktion wieder hergestellt 1955 Sperrung der Brücke für den Kfz-Verkehr 1986 Umbau der Brücke und Nutzung als Geh- und Radwegbrücke 2012 Auszeichnung als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“ 2014 Sperrung der Brücke und Witterungsschutz durch Folienabdeckung

KÖNIG-LUDWIG-BRÜCKE: BAUDENKMAL WIRD SANIERT DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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Der Verkehr in der Altstadt Kemptens Ein 10-Punkte Katalog der bestehenden Probleme von Dieter Schade, Baudirektor a.D.

1.Allgemeines Die Altstadtfreunde haben auf ihrer Jahresversammlung im Mai 2015 mit der Forderung nach einer Verkehrsberuhigung in der Kronenstraße auf die Verkehrsprobleme in der Altstadt aufmerksam gemacht (1). Im gleichen Jahr startete die Stadt Kempten mit dem „Mobilitätskonzept 2030“ einen Planungsund Meinungsbildungsprozess mit Bürgerbeteiligung, um bis Anfang 2016 alle verkehrlich für die nächsten Jahre notwendigen Vorhaben festzulegen (2). Tatsache ist: Aufgrund der Zunahme des motorisierten Verkehrs (s. Abs. 2.7) in der Kronenstraße ist eine ausgewogene Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche an den vorhandenen Straßenraum nicht mehr gegeben. Es ist notwendig, den fließenden und ruhenden Verkehr zu reduzieren und Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu geben. Zusätzlich ist wünschenswert, bereichsweise Aufenthaltsflächen sowie Flächen für die Warenlieferung anzulegen (3). 28

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Die historisch gewachsenen Strukturen der Altstadt mit ihren begrenzt verfügbaren Flächen - zusätzlicher Straßenraum für den KFZ-Verkehr kann nicht geschaffen werden - machen es notwendig, die altstadtverträglichen Grenzen für Nutzungsansprüche neu zu definieren. Die Leitbilder, die als Entwurfsvorgaben dem künftigen Konzept zugrunde zu legen sind, werden in der Planungswerkstatt zum Mobilitätskonzept erarbeitet und durch stadtpolitische Entscheidungen festgelegt. Lösungen zur Verkehrsproblematik bergen insbesondere dann Konflikte, wenn sich Autofahrer in ihren Mobilitätsrechten beschnitten sehen. Die Einstellung, eine Art von Besitzstandsdenken, „die Freiheit, die ich als Autofahrer bisher hatte, lass ich mir doch nicht einschränken“, führt häufig zu ablehnenden Reaktionen, wenn einschränkende Änderungen der Mobilität diskutiert werden. Die lebhaften Diskussionen zeigen schon jetzt das Spannungsfeld auf, in dem sich Bürgerschaft, Stadtverwaltung und Politik bei dieser problematischen Entwurfsaufgabe befinden. Eine Reduzierung der Belastung durch den moto-


risierten Verkehr in der Altstadt setzt voraus, dass eine ggf. dadurch verursachte zusätzliche Belastung auf den Straßen des Umfelds untersucht und in ihrer Verträglichkeit bewertet werden muss.

2. Die Probleme Wer wissen will, was in der Kronenstraße los ist, der sollte sich dort einmal für einige Zeit aufhalten. Die Ergebnisse meiner Beobachtungen und weitere altstadtspezifische Probleme finden sich im folgenden 10-Punkte-Katalog. 2.1 Zu hoher Durchgangsverkehr Für die Aufteilung des fließenden Verkehrs in Durchgangs-, Ziel- und Quellverkehr fehlt eine Zustandserhebung und -bewertung; Zahlen für die verschiedenen Verkehrsströme liegen nicht vor. Beobachtungen haben jedoch ergeben, dass der Durchgangsverkehr einen hohen Anteil am Gesamtverkehr aufweist. Viele Verkehrsteilnehmer wählen die „Durchmesserlinie“ Kronenstraße als kürzere Verbindung zwischen den an die Altstadt angrenzenden nördlichen und südlichen Stadtteilen im Vergleich zu den „Innere-Ringlinien“ Illerstraße und Salzstraße. Noch dazu lädt die Unterführung Pfeilergraben die aus der Rottachstraße kommenden Verkehrsteilnehmer geradezu ein, den direkten Weg über die Kronenstraße zu wählen. Die Bauverwaltung der Stadt erklärte deshalb mehrfach, in einigen Jahren die

seit Längerem sanierungsbedürftige Unterführung dicht zu machen (4), (5). 2.2 Geschwindigkeitübertretungen Schockierend ist die schlechte Verkehrsmoral der Autofahrer bei den Geschwindigkeitsvorgaben. Die Stadt hat in der Innenstadt, so in der Kronen-, Bäckers- und Weiherstraße, weiterhin am Hildegard- und Residenzplatz zu verschiedenen Zeiten Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen. Die Auswertung der Verkehrsdaten in der Kronenstraße Höhe Suttschule in Fahrtrichtung Pfeilergraben im Januar 2014, Zone 20 km/h, 2794 Kfz/Tag, ergab eine Überschreitung >20 km/h von 72,8 %; davon waren 3,8 % schneller als 35 km/h. Die höchste gemessene Geschwindigkeit betrug 65 km/h (6). Bei einer Lärmuntersuchung auf gepflasterten Straßen im Mai 2015 wurden diese Geschwindigkeiten gemessen (7): • Kronenstraße, verkehrsberuhigter Bereich, Fahrtrichtung Pfeilergraben: 2502 Kfz/Tag mit Überschreitung >10 km/h 86,3 % • Bäckerstraße, Zone 20 km/h, Fahrtrichtung Burgstraße: 563 Kfz/Tag mit Überschreitung >20 km/h 45,9 % Als Maßnahmen zur Geschwindigkeitsdämpfung kommen in Betracht: • Verkehrsüberwachung • bauliche Gestaltung eines bremsend wirkenden Überganges von der Rott­ DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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achstraße in die Altstadt, die Autofahrer zwingt, ihr Fahrverhalten den geänderten Gegebenheiten anzupassen, • Teilaufpflasterungen, Plateaupflasterungen und Fahrgassenversätze. 2.3 Unbefugtes Parken und Halten Erschreckend hoch ist die Zahl der parkenden Fahrzeuge und der in zweiter Reihe auf der Fahrbahn stehenden Lieferfahrzeuge. Die beengten Verhältnisse - die Kronenstraße ist an der engsten Stelle nur 8 m breit - und eine mangelnde Abgrenzung zwischen Fußgängerbereich und den Flächen für ruhenden und fließenden Verkehr bedingen, dass Autos häufig auf den Fußgängerwegen nahe der Hauswand stehen. Es entstehen immer wieder gefährliche Situationen, bei denen die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Fußgänger beeinträchtigt ist. Von einem spektakulären Unfall hat erst vor kurzem die Zeitung berichtet (8). Ein Durchkommen mit Rollstuhl, Rollator und Kinderwagen ist oft nicht möglich. Fußgänger müssen sich im Gänsemarsch bewegen oder anhalten, bis Entgegenkommende das Hindernis passiert haben. Die Aufenthaltsqualität ist miserabel; jedermann versucht, diesen Bereich schnell wieder zu verlassen. Ob das im Sinne der Geschäftsinhaber sein kann? Der immer wiederkehrende Vorschlag, ein Parkhaus an der Rottachstraße zu errichten, scheint ein Lösungsansatz 30

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zu sein (9). Wenn Parkmöglichkeiten außerhalb des Straßenraumes gesucht werden, verlagernd sich Nutzungsansprüche aus der Altstadt und die Probleme, die der ruhende Verkehr dort derzeit verursacht, entspannen sich. Für den Kunden, der schnell mal eine Brezel kauft, ist das jedoch nicht praktikabel. Hierzu muss eine alle zufriedenstellende Lösung gefunden werden. 2.4 Warenlieferungen Autos, die die Straße vor den Geschäften zuparken, bedingen für die Geschäftsinhaber Schwierigkeiten bei der Aus- und Anlieferung ihrer Waren. Von der Bäckerei Wipper ist bekannt, dass der Zugang zur Backstube häufig durch Autos versperrt ist und der Warenverkehr nur unter erschwerten Bedingungen erfolgen kann. Lieferdienste aller Art boomen, da immer mehr online bestellt und frei Haus geliefert wird. Die Zunahme der Geschäftsabschlüsse nicht nur durch Bestellungen bei den Versandhändlern, sondern beim Pizza-Dienst, dem Restaurant um die Ecke usw. führt zu immer mehr Botendiensten. Breite Lieferfahrzeuge überfluten die Städte, halten auf der Fahrbahn in der 2. Reihe, auf dem Bürgersteig, auf der falschen Seite oder dort, wo sie Platz finden, egal ob zulässig oder nicht. Sie haben diese Gewohnheit zu ihrem Recht gemacht, da sie - für eine schnelle Geschäftsabwick-

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lung - die Kundennähe brauchen. Leidtragende sind Bürger gerade dort, wo Straßenverhältnisse, wie dies in der Altstadt der Fall ist, beengt sind. Sie werden - ganz gleich, ob Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer oder ÖPNV-Fahrgäste - behindert und gefährdet (10). 2.5 Stau bei Schulbeginn und -ende Die Altstadtfreunde begrüßen, dass der früher infrage gestellte Standort der Suttschule beibehalten und die Schule jüngst mustergültig saniert wurde. Nicht gelöst wurde allerdings das Problem, dass viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen und wieder abholen. Durch das Halten auf der Kronenstraße vor der Schule, insbesondere morgens zu Schulbeginn, wenn alle Kinder gleichzeitig kommen, entstehen Verkehrsbehinderungen und Gefährdungen der Kinder. Eine Auswertung der hier gemessenen Geschwindigkeiten zeigt, dass dadurch die Durchschnittsgeschwindigkeit absinkt. Während in der Stunde um 7 Uhr nur 18,6 % der Autofahrer die vorgeschriebenen 20 km/h einhalten, sind es eine Stunde später vor Schulbeginn mit 37,6 % doppelt so viele (6), (1). Ein vergleichbarer Effekt zum Schulschluss ist nicht festzustellen, da dieser variiert. 2.6 Verkehrlärm Dort, wo eine geschlossene Bebauung ohne Freiflächen und Grünbereiche die

Begrenzung des Straßenraumes kennzeichnet und die Breite des Straßenraumes gering ist, wirkt der Verkehrslärm auf Bewohner und Fußgänger ungleich stärker als anderenorts. Dies trifft für viele Stellen der historischen Altstadt mit ihren städtebaulichen Merkmalen zu und unterscheidet ihren Gebietscharakter deutlich von anderen Stadtteilen. Dort, wo die Straßenoberfläche aus einer rauen Pflasterdecke besteht, sind die Rollgeräusche von Fahrzeugen ungleich größer als auf glatten Oberflächen. Solche Straßen sind ebenfalls altstadttypisch und in anderen Vierteln nur selten anzutreffen. Die von Autos ausgehenden Geräusche hängen von der Geschwindigkeit ab (7). Bei Lärmuntersuchungen der Stadt wurden bei Tempo 20 in der Bäckerstraße auf Pflaster 83 Dezibel gemessen, bei Tempo 10 dagegen nur noch 72 Dezibel (7). Da eine Senkung um 10 Dezibel etwa der Halbierung der Lautstärke entspricht, beschloss der Verkehrsausschuss in seiner Sitzung am 13.07.2015, im gepflasterten Teil der Bäckerstraße 10 km/h vorzuschreiben (11). Herr Prechtel, Anwohner der Bäckerstraße und Initiator einer Bürgerinitiative gegen Verkehrslärm, befürchtet aufgrund der Erkenntnisse über die Nichteinhaltung der Geschwindigkeiten in der Altstadt (s. Abs. 2.2), dass die Einführung der 10er-Zone erfolglos

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sein wird. Er kommt zu dem Schluss, dass das Quartier nicht - wie allseitig angestrebt - aufgewertet wurde, sondern das Gegenteil der Fall ist (12). 2.7 Emissionen durch CO2 Energieverbrauch und CO2-Ausstoß sinken in allen Bereichen in Deutschland - außer im Verkehr. Dies lässt sich aus den aktuellen Daten des Umweltbundesamtes ableiten. Das Lkw-Transport­ aufkommen stieg von 1999 bis 2012 um 31 %, der Pkw-Verkehr um etwa 5 %. Die durchschnittliche Motorleistung von Neuwagen erhöhte sich von 1995 bis 2014 von 95 auf 140 PS (13). Und weiterhin: die Deutschen legen heute mehr Kilometer mit dem Auto zurück als vor 20 Jahren. Eine andere Meldung lässt mich wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft blicken: Wenn die Weichen richtig gestellt werden, lassen sich nach Angaben der Klimaforscher die Verkehrsemissionen bis 2050 fast auf die Hälfte senken (14). Für die Altstadt mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte hat das Folgen. Eine geänderte Stadtplanung, also mehr Fußgängerbereiche und Fahrradwege bringen Energieeinsparungen. Die Einführung der Elektromobilität im privaten Verkehr und beim ÖPNV ist für den innerstädtischen Bereich geradezu prädestiniert. Die Nutzen für die Altstadtbewohner sind künftig: Weniger Lärm, Luftverschmutzung und gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie ein besseres Klima. 32

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2.8 Die Altstadt ist nicht ausreichend behindertengerecht Die Altstadtfreunde fragten sich, wie barrierefrei die Altstadt ist, und wollten bei einem Rundgang am 16.10.2015 mit Oberbürgermeister Kiechle und Vertretern der Bauverwaltung wissen, wie es Menschen mit Behinderung in der Altstadt geht. Schließlich leben viele Senioren und Behinderte in der Altstadt (z.B. im Haus der Senioren, Wilhelm-Löhe-Haus der Diakonie, Integrierten Wohnen). Dabei fanden sich zahlreiche Probleme, von denen nur einige genannt werden (15), (16): Falschparker blockieren nicht nur die Bushaltestelle, sondern auch den Gehweg (s. Pkt.2.3). Rollstuhlfahrer sind gezwungen, sich durch eine Lücke „im Blindflug“ zwischen zwei Fahrzeugen zu zwängen und „mutig“ auf der Straße mitten im Verkehr weiter zu fahren. Das vielfach vorhandene raue Kopfsteinpflaster erschwert nicht nur das Fortkommen, sondern erschüttert auch den Rollstuhlfahrer. Die „Rollstuhlbahnen“ entlang des Rathausplatzes sind gut befahrbar. Allerdings sind sie nicht durchlaufend, sondern z.T. versetzt angeordnet, was das Befahren erschwert. Bordsteinkanten sind nicht ausreichend abgesenkt und mit Rollstuhl z.T. nur schwer oder gar nicht überwindbar. Von der Unterstadt in die Oberstadt kann der Rollstuhlfahrer nur über die Gerberstraße gelangen, die südlichen

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Verbindungen, z.B. der Freudenberg, sind für ihn nicht befahrbar. 2.9 Trennung von Oberstadt und Unterstadt durch den Verkehr Zwischen Ober- und Unterstadt besteht ein lebhafter Fußgängerverkehr. Der weitaus größte Anteil trifft auf die Kronenstraße in Höhe Rathausplatz. Auch wenn die Kronenstraße in diesem Abschnitt verkehrsberuhigt ist, müssen viele Fußgänger wegen des dichten und nicht ausreichend langsamen Verkehrs nur 13,9 % fahren max. 10 km/h (s. Pkt. 2.2) - manchmal recht lang warten, bis sie eine Lücke im Verkehr finden und sich trauen, die Straße zu queren. Wünschenswert ist, dem Fußgängerstrom Priorität einzuräumen und das durch bauliche oder sonstige Maßnahmen deutlich abzusichern - sowohl am Rathausplatz als auch an der Gerberstraße. 2.10 Probleme beim Anfahren des Parkhauses Das Parkhaus im südlichen Teil der Kronenstraße ist für die Aufnahme des ruhenden Verkehrs, der innerhalb des Straßenraumes nicht untergebracht werden kann, von großer Bedeutung für die Altstadt. Die Einfahrt kann aufgrund ihrer stumpfwinkligen Gestaltung den von Süden einfahrenden Verkehr problemlos aufnehmen. Schwierig wird es allerdings für den von Norden kommenden Verkehr, der versuchen muss, den

Gegenverkehr kreuzend spitzwinklig in die Einfahrt hinein zu kommen. Wegen der hindernisartig vorspringenden Fahrbahnrandausbildung kann der Autofahrer zudem schwer erkennen, wo es in das Parkhaus hinein geht. Laut einer stichprobenartige Verkehrszählung nutzen im Wesentlichen die aus Süden kommenden Fahrzeuge das Parkhaus. Ob die Einfahrt zugunsten einer besseren Auslastung des Parkhauses baulich umgestaltet werden kann, ist zu prüfen.

3. Ausblick Die Vorstellung, Kempten möglichst autogerecht zu gestalten, stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie ist heute nicht mehr aktuell. Heute rückt der Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen wieder in das Zentrum der Überlegungen, wie eine Stadt aussehen soll. Das hat auch Auswirkungen auf den Verkehr in der Altstadt. Man höre und staune: Autofahrer wollen Autos verbannen! 82 % der Deutschen wünschen sich eine Abkehr von einer auf das Auto abgestimmten Städteplanung und eine Hinwendung zu kurzen Fußwegen, Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr (17). „Das Leben auf den Straßen und Plätzen ist wichtig für die soziale Gesundheit der Bürger“, sagt der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl (18). Wenn die Autos aus der Altstadt genommen oder

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zumindest in ihrer Zahl reduziert werden und sich schöne Räume für das Stadtleben anbieten, dann ist das die Chance, die den Menschen mehr Lebensqualität bietet. Dann können die Altstadtbewohner dort, wo sie leben, ein besseres Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Zugehörigkeit zu ihrer Altstadt, kurz gesagt, ein Heimatbewusstsein entwickeln. Die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk sagt: „Die Menschen brauchen Orte der Ruhe und Entschleunigung im hektischen Stadtgetriebe.“ Sie legt großen Wert auf Durchgänge, Plätze und Innenhöfe, an denen man auch mal verweilen kann, ohne dass man dafür extra ein Straßencafé aufsuchen und Geld bezahlen müsse (19). Und zum Schluss noch einmal Jan Gehl: „Das Auto hat den Maßstab verändert. Aber der Mensch hat immer noch dieselbe Größe.“ Literatur: (1) Verkehrsberuhigung Kronenstraße, Beitrag zur Jahresversammlung der Altstadtfreunde 2015, Dieter Schade (2) Mobilitätskonzept 2030, Auftaktveranstaltung im Kornhaus am 19.05.2015; 1. Planungswerkstatt in der Stadtsäge am 17.06.2015; 2.P lanungswerkstatt im S4-Gebäude am 11.11.15 (3) Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe Straßenentwurf (4) „40 Meter lange Insel in der Rottachstraße? 34

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Tiefbauamt will… in einigen Jahren wohl die Kreuzung Pfeilergraben umgestalten“, Allgäuer Zeitung v. 31.03.11 (5) „Rottachstraße: Bald schon unten ohne“, Allgäuer Zeitung v. 03.05.13 (6) Verkehrsdatenauswertung Kronenstraße vom 21./27.01.2014, Amt für Tiefbau und Verkehr der Stadt Kempten (7) Ergebnis der Lärmuntersuchung mit Auswirkungen, Verkehrsausschuss am 13.07.15, Amt für Tiefbau und Verkehr der Stadt Kempten (8) „Fußgänger gleich zweimal angefahren“, „Mann erneut vom selben Auto erfasst“, Allgäuer Zeitung v. 18.05.15 (9) „Alte Idee - neuer Antrag. Erneut Ruf nach Parkhaus an der Rottachstraße“, Kreisbote v. 10.06.15 (10) „Irrsinn in der Innenstadt“, Michael Kuntz, Süddeutsche Zeitung v. 29.10.15 (11) „Bäckerstraße wird zur ersten Tempo-10-Zone. Fugen im Pflaster verursachen lästige Abrollgeräusche“, Allgäuer Zeitung v. 16.07.15 (12) „Nicht aufgewertet“, Leserbrief von Herrn Siegfried Prechtl, Allgäuer Zeitung v. 08.08.15 (13) Kommentar zum Bericht des Umweltbundesamtes, Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung v. 08./09.08.15 (14) „Vollbremsung“, Süddeutsche Zeitung v. 20.11.15 (15) „Die Arbeit geht nicht aus. Wie barrierefrei ist die Kemptener Altstadt?“, Kreisbote v. 21.10.15 (16) „Im Rollstuhl über Kemptens Pflaster. Altstadtfreunde testen …, wie behindertenfreundlich die Altstadt ist“, Allg. Zeitung v. 19.10.15 (17) „Autofahrer wollen Autos verbannen“, Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Süddeutsche Zeitung v. 31.03.15 (18) Das Interview mit Jan Gehl über „Fußgänger“, Süddeutsche Zeitung vom 29./30.08.2015 (19) „Freiheit in den Schluchten“, Süddeutsche Zeitung v. 16.11.15.

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Brennpunkt Füssener Strasse von Helmut Domnik

S

eit 2008 lebe ich gerne in der Füssener Straße und in diesem Stadtteil, obwohl sich seither insbesondere die Verkehrssituation stark verschlechtert hat. Nun aber sind die Voraussetzungen für eine Verbesserung gut, und die Zeit ist reif, um die komplexen Problembereiche zu betrachten: Es geht im Prinzip um die gesamte Straße im Stadtbereich, hier aber speziell um den Abschnitt ab Lenzfrieder Straße bis zur Ludwig­straße bzw. dem Ende der Duracher Straße. Im Gegensatz dazu wurden Bereiche an der St.-Mang-Brücke und in St. Mang bereits saniert (noch als Bundesstraße). Durch die Herabstufung der B309 verliert die Stadt zwar finanzielle Mittel, gewinnt aber Flexibilität bei der Gestaltung und könnte die veralteten Strukturen schon zeitnah in ein modernes, zukunftsweisendes Verkehrskonzept (s. Mobilitätskonzept 2030) überführen. Der Ist-Zustand: Die Füssener Straße war früher eine wichtige Bundesstraße nach Füssen, wurde durch die Autobahn ersetzt und hat heute und morgen andere Aufgaben. Sie ist immer noch eine bedeutende, aber untergeordnete Verbindung von Stadt und Umland – nicht nur für den motorisierten Verkehr. Immer stärker wird sie auch von Radfahrern und 36

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Fußgängern genutzt, die von St. Mang und weiter her, aber auch über die Leonhardstraße oder den Engelhaldepark auf sie stoßen. Bis zur Lenzfrieder Straße/ Engelhalde und über die Rosenau wird sie auch als Spazierweg rege benutzt. Die Straße selbst leidet unter • abkürzendem Schwerlastverkehr, der am Berliner Platz einfährt und über St. Mang die Stadt wieder verlässt – und umgekehrt; darunter Tag und Nacht vor allem Sattelschlepper und Anhängergespanne diverser Speditionen, LKW mit Aushub oder Kies (die keine Baustelle im Stadtgebiet anfahren), • Fernverkehr, der über die ‚Navi‘ vom Schumacherring durch die Füssener Straße abgeleitet wird (ist z.Z. an der Baustelle klar zu sehen und wurde auch von solchen Fahrern bestätigt), • zu hohen Geschwindigkeiten (z.T. überholen hier Pkw oder Motorräder). Die Straße ist ungeeignet für diesen Verkehr: Sie ist insgesamt zu schmal und auf Höhe der Autowerkstatt Koch ein gefährliches Nadelöhr (ohne Mittelstreifen). Fußgänger, Rad- und Mofafahrer haben stadtauswärts zwischen St.-MangBrücke und der ersten Rosenau-Zufahrt einen mäßig breiten, getrennten Weg, danach aber nur einen gemeinsamen nicht markierten Bereich, der auf Höhe Nr. 55 einen Knick macht und auf Höhe


der Villa durch Baumbewuchs und Zaun halbiert wird. Für ältere Radfahrer ist der Weg zu steil, sie steigen ab, was weitere Gefahren birgt. Stadteinwärts gibt es eine klarere Trennung, aber auch eine unmögliche und verkehrstechnisch ungenügend geführte Stelle auf Höhe der Parkplätze vor Auto Koch. Erst ab der Lenzfrieder Straße gibt es einen eigenen Streifen auf der Fahrbahn. Die Straße hat nun aber ein starkes Gefälle, was zu teilweise hohen Geschwindigkeiten verführt. Auf der Höhe von Nr. 64 (F64) queren viele Radfahrer die Straße in beiden Richtungen – in den fließenden Autoverkehr hin­ein und durchaus gefährlich. Die Unfallgefahr ist hier beträchtlich, es fehlen genügend Querungen, die sicher sind und verkehrsberuhigend wirken. Zwischen St.-Mang-Brücke und Ampel nach der Unterführung gab es bis jetzt die Querung zum Engelhaldepark – uneinsichtig und ohne Priorität für Fußgänger und Radfahrer, des weiteren auf Höhe Dehner eine simple Querung, obwohl auf beiden Seiten eine Bushaltestelle ist – eine Ignoranz gegenüber Fußgängern. Haus Nr. 66, das Wachsen von F64, das neue Mehrfamilienhaus Nr. 36, die Moschee-Erweiterung, die enorme Wohnbebauung der Rosenau mit zwei Zufahrten und Verbindungstreppe zum Steg über die Iller oder das künftige „Finalum“ mit weiteren Wohnungen und Einfahrten verdichten das Gebiet zu einer modernen urbanen Struktur. Dazwischen ist die

Füssener Straße als ehemalige Bundesstraße nicht zukunftsweisend. Hier ist dringend Gestaltungswille angesagt! Was uns die Baustelle an der Lenzfrieder Straße lehrt: Seit geraumer Zeit ist der Baustellenbereich eine Einbahnstraße (bereits in beide Richtungen) – ohne Komplikationen, ohne Rückstau, und die jeweils ausgeschlossene Seite hat Wege gefunden, ohne dass andernorts Nachteile spürbar waren. Einbahnstraße funktioniert also! Kurz vor und im Baustellenbereich gelten 30 km/h; die meisten Fahrzeuge verlangsamen, viele erhöhen danach aber auf über 50 km/h, als seien sie außerhalb der Stadt. Fazit: Ohne Eingriffe geht‘s mit den Regeln schnell dahin. Wir wünschen uns und werden auch über den Tag hinaus anmahnen: Die Füssener Straße ist längst keine Ausfallstraße mehr und auch hier als innerstädtische Straße, die durch ein starkes, neues Wohngebiet führt, umzugestalten! Verkehr beruhigen, Geschwindigkeit reduzieren: Fußgänger und Radfahrer müssen Priorität haben! Moderner Asphalt, Radfahrspuren, Einbahnstraße stadteinwärts, Leitung des Verkehrs aus der Stadt über die Lenzfrieder Straße, Verbot von Schwerlastverkehr im gesamten Bereich (Bayr. Hof, Villa Viva, Verbindung zur Römerstadt, Engelhaldepark, Rosenau): Das Instrumentarium ist groß, um nicht nur den Verkehr, sondern das Leben in der Stadt zu verbessern. DER ALTSTADTBRIEF 42/2015

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FREUNDE DER ALTSTADT KEMPTENS e.V.

Beitrittserklärung Ich trete mit Wirkung vom DATUM dem Verein FREUNDE DER ALTSTADT KEMPTENS e.V. bei. VORNAME

GEB.

STRASSE PLZ

HAUSNUMMER WOHNORT

TELEFON

EMAIL

Der Jahresbeitrag für Einzelpersonen beträgt 11,- Euro. Gläubiger-Identifikationsnummer DE87ASF00000663823 Mandatsreferenz ___________________ (wird vom Verein erstellt)

SEPA-Lastschriftmandat

Ich ermächtige den Verein Freunde der Altstadt Kemptens e.V., Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die vom Freunde der Altstadt Kemptens e.V. auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. NAME, VORNAME KONTOINHABER NAME DER BANK BIC IBAN

DE_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

DATUM, ORT

UNTERSCHRIFT

Bitte senden Sie dieses Formular ausgefüllt per Post oder Fax an: Freunde der Altstadt Kemptens e.V. • Vogtstraße 8 • 87435 Kempten • Fax: 0831-5126297 38

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Bitte heraustrennen. Falls Sie diesen Altstadtbrief nicht zerschneiden wollen, lassen wir Ihnen gerne ein gesondertes Formular zukommen.

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Liebe Freunde des Altstadtbriefes! Für Ihre Mitgliedschaft im Verein FREUNDE DER ALTSTADT KEMPTENS e.V., der als parteipolitisch neutrale und unabhängige Bürgerinitiative seit 1980 seine Kompetenz beweist, gibt es gute Gründe. Von seinen Aufgaben und Zielen seien einige stichwortartig genannt: Kontaktpflege zwischen Altstadtbürgern Ansprechpartner für Probleme Mittler zwischen Bürgern und Stadtverwaltung unbequemer Mahner (wenn nötig) Erhalt der Nahversorgung und der Vielfalt des urbanen Lebens in unserer Altstadt Bewahrung der Unverwechselbarkeit des historischen Stadtbildes Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen Damit wir unsere Aufgaben und Ziele weiterhin erfolgreich wahrnehmen können, bitten wir Sie herzlich um Ihre Mitgliedschaft. Eine Beitrittserklärung finden in diesem Heft. Ihr Vorstand und Beirat DER ALTSTADTBRIEF 42/2015


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