Alpenpost 19 2010

Page 2

lle e e tu ag k A ort p Re von

Florian Seiberl

Der Berg gibt sein Salz nur ungern her: Mit Wasser wird es herausgelöst, um dann - über eine Leitung, die derzeit bis zur „Brunnkogelstube“ nördlich der Blaa-Alm nach 70 Jahren erneuert wird - weiter bis nach Ebensee geleitet zu werden. Die neue Leitung, die künftig über einen geringfügig kleineren Durchmesser verfügt, soll die Betriebssicherheit verbessern. Die alte Leitung wird vorne und hinten versiegelt und verbleibt im Boden. Leider nur ist es nicht das reine Salz, was da - in Wasser gelöst - in Ebensee ankommt: In den Aufbereitungsrückständen sind vor allem bei der Altausseer Sole große Teile an Kalk, Gips und Magnesiumhydroxid - in der Natur als Brucit vorkommend gelöst, die entsorgt werden müssen. Dieser „Schlamm“ dient den Salinen Austria AG als willkommenes Material für die Verfüllung von vier instabilen Hohlräumen im Sandling, die laut Montanbehörde West mit Sitz in Salzburg ordnungsgemäß und so zu erfolgen hat, dass die ehemaligen Abbauhohlräume mit einem Material „erhöhter Festigkeit“ verfüllt werden. Ob dies nun ordnungsgemäß passiert, ließ sich nicht herausfinden, da die stellvertretende Leiterin dieser Behörde, Frau Ministerialrat DI Ulrike Pichler-Anegg auf konkrete Fragen zur Erfüllung dieser Auflagen lapidar darauf verwies, „sich doch an die Salinen zu wenden“. Ähnliches passierte übrigens bei einer Anfrage an die Gemeinde Altaussee, die in Hinblick auf Fragen in Bezug auf die Saline sowie die Schlammtransporte ausschließlich auf das Unternehmen verweisen soll und selbst keine Aussagen tätigen wollte. Zahlen und Fakten Die Geschäftsleitung der Salinen Austria AG, in Person von Mag. Stefan Maix und DI Ernst Gaisbauer nahm jedoch sehr bereitwillig Stellung zu über einem Dutzend Fragen. So war zu erfahren, dass das Werk in Altaussee mit derzeit 60 Mitarbeitern in der Soleproduktion sowie im Führungsbetrieb der „Salzwelten“ als größter Betrieb in Altaussee gilt und im abgelaufenen Geschäftsjahr 2.040.000 m3 Gesamtfördermenge an Sole produziert hat. In Hinblick auf die ordnungsgemäße Verfüllung der Hohlräume erklärte DI Ernst Gaisbauer, dass „zwei kleine Hohlräume ab November 2010 mit zugekauftem, zementhaltigen Bindemittel verfüllt werden. Um die verbleibenden beiden - größeren Hohlräume unter Verwendung der 2

Der bewegende Berg

Es ist schon ein Kreuz: Da gründet die Bekanntheit des Salzkammergutes sowie die schmucke Ausführung der Altstadt von Bad Aussee auf dem salzreichen Kern des Sandlings mit Beginn des Salzabbaues im Jahre 1147 und dann - im Jahre 2010 - beschweren sich zahlreiche Anrainer und Gäste in Altaussee über die anhaltenden Schlamm-Rücktransporte von der Saline in Ebensee. Mit einem Erlass der Oberösterreichischen Landesregierung dürfen die Schlammberge, die sich aus mehreren Aufbereitungsrückständen zusammensetzen, nicht mehr im Traunsee endgelagert werden, sondern müssen anderweitig abgebaut werden. Ein Teil dieses „Schlammes“ wird über eine Rohrleitung nach Bad Ischl gepumpt, um dort versetzt zu werden, der überwiegende Teil - auch aus den anderen zugehörigen Bergwerken - kommt über den Pötschen mit Muldenfahrzeugen wieder retour, um mit einer im Juli 2007 in Betrieb genommenen Versatzanlage mit 80 m3 Fassungsvermögen mit einer Leistung von bis zu 45 m3/Stunde bei 40 Bar Druck wieder in das Herz des Berges zurückgeführt zu werden.

Eine der Mulden beim Abladen des Schlammes.

eigenen Aufbereitungsrückstände (Schlamm, Anm.) verfüllen zu können, starten wir gerade mit der Montanuniversität ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, ausreichend hohe Festigkeiten zu erzielen“, so Gaisbauer weiter. Parallel dazu wird derzeit gerade am „Franzberg“ versucht, mit einer Filteranlage den Schlamm schon vor Ort aus der Sole zu filtern. Zu diesem Projekt konnte man von Seiten der Salinen Austria AG aber nicht Stellung nehmen und verwies auf einen späteren Zeitpunkt. Der rot/weiße Altausseer Postillion Da der Schlamm aus Altaussee, der über die Pipeline nach Ebensee geflossen ist, wieder zurück nach Altaussee kommen muss, bedient sich die Salinen Austria AG mehrerer roter Lastkraftwagen, die laut Angaben der Geschäftsleitung „von Montag bis Freitag im Schnitt täglich 15 Fuhren der Aufbereitungsrückstände nach Altaussee liefern, die in der Saline Ebensee von Montag bis Sonntag anfallen“, soweit die Ausführungen. Laut einer Zählung der „Alpenpost“ am 31. August 2010 brummte um 5.57 Uhr - dienstbeflissen wie der Altausseer Postillion - der erste rote Lkw durch Altaussee, bevor um 16:50 der letzte seinen Tagesdienst beendete. Dazwischen wurden 17 weitere Muldenkipper gezählt, die allesamt rund 15 Minuten für das Abladen benötigt haben, um sich dann wieder auf den Weg nach Ebensee zu machen. Unterm Strich sind das 19 Fahrzeuge, die - zumindest an diesem einen Tag - den Schlamm zurück nach Altaussee gebracht, und deren Fahrer bei der Rückfahrt nochmals den schönen Ausblick auf die Trisselwand genossen haben. Als „Fleißaufgabe“ wurden von 5.30 bis 18 Uhr auch die restlichen Schwerfahrzeuge über 7,5 Tonnen gezählt: 33 Stück ratter-

ten an diesem Tag durch Altaussee (ausgenommen Linienbusse). Für einen Tourismusort wie Altaussee ist dies natürlich nicht unbedingt die beste Visitenkarte. Doch nicht nur die Gäste freunden sich schwer mit den Schwerfahrzeugen an, auch die Straße bekommt davon tiefe Sorgenfalten. In Hinblick auf die Schlamm-Transporte gibt es zwischen der Gemeinde Altaussee und den Salinen Austria AG keinerlei Verträge, die dann nach dem Verursacherprinzip für eine Erneuerung des Straßenbelages sorgen würden. Im Klartext heißt dies, dass die Flotte der roten Mulden sogar aufgestockt werden könnte, ohne sich groß um die Fahrbahnschäden kümmern zu müssen. Diese lästige Pflicht obliegt nämlich der Gemeinde. Alternativen - Fehlanzeige? Aufmerksame Leser werden nun sagen, man soll doch den Schlamm durch die alte Leitung, die im Boden verbleibt, von Ebensee zurück nach Altaussee pumpen. Dies wird aufgrund der Kostenintensität wohl kaum als Alternative herhalten können, noch dazu die neue Leitung ja nur bis zur „Brunnkogelstube“ ausgebaut wird. Der Altausseer Sachverständige DI Martin Dämon dazu: „Die Soleleitung ist eine Freispiegelleitung (d.h. es ist immer Sole und Luft in der Leitung), daher ist der Druck in der Leitung nicht groß. Für das Zurückpumpen über die Soleleitung bis nach Altaussee müssten die Probleme mit dem Sedimentieren des Schlammes und den verschiedenen Druckstationen gelöst werden, da für die Station der Druck viel zu groß wäre. Zudem ist die zu transportierende Menge viel zu gering, um diese Alternative wirtschaftlich betreiben zu können“, so Dämon, der in der Verbringung des Schlammes in den bergmännisch geschaffenen Hohlraum des Sandlings die beste Lösung sieht. Eine weitere Möglichkeit wäre eine

Alternativroute für die Lkw. „Dazu gibt es Ideen, aber noch keine konkreten Überlegungen“, wie man bei der Salinen Austria AG betont. Den Altausseern bleibt somit nur der Trost, dass sie „um sechs Uhr Früh keinen Wecker mehr brauchen, um munter zu werden“, wie ein Anrainer feststellte. Weitere Anrainer berichteten über einen intensiven Ammoniak-Geruch des Schlammes.“Der Ammoniakgeruch, der auch in der Solereinigung in Ebensee festzustellen ist, rührt von einem geringfügig an Ammoniakgehalt in unserer Sole her, der wiederum aus organischen Ablagerungen im Urmeer kommt. In der Sole ist der Ammoniumgehalt in Lösung und daher nicht zu riechen, durch die Vorgänge der Solereinigung wird das Ammonium als Ammoniakgas ausgetrieben und ist sodann riechbar. Die auftretende Konzentration liegt weit jenseits jeglicher Gesundheitsgefährdung“, so DI Ernst Gaisbauer. Berg im Kriechgang? Die von Menschenhand gemachten und noch nicht verfüllten Hohlräume des Sandlings bergen natürlich eine Gefahr in sich. Einerseits für die Bergleute und andererseits generell für den Berg. „Da Salz leichter als das Nebengestein ist, hat es - wie ein Ballon - das Bestreben, aufzusteigen“, so MR Univ.-Prof. Dr. Leopold Weber, Leiter der Abteilung IV/7 im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend. „Daher steht auch der Sandling, unter welchem sich der Salzbergbau befindet, aus rein geologischen Gründen unter Hebung, wenngleich in geologischen Zeiträumen. In der Vergangenheit wurden durch diesen Auftrieb die Kalksteine des Sandlings teilweise stark zerlegt, wodurch Randpartien absturzgefährdet sind. So haben sich auch immer wieder geologisch bedingte Felsstürze ereignet, die sich selbstverständlich auch ohne Bergbau ereignet hätten. Neben diesem sekundären Gleiten, welches bewirkt, dass ein Gebirge, das sich über einem „gleitfreudigen“ Gestein befindet, in einer langfristigen Bewegung ist, gibt es noch das sog. tertiäre Gleiten bzw. Kriechen. Dabei kommt es zu zusätzlichen Bewegungen durch Bergbau-Hohlräume, die es zu unterbinden gilt. „Derartige Maßnahmen sind heute Stand der Technik und werden erfolgreich eingesetzt. Am Erfolg habe ich aus geologisch-geotechnischer Sicht keine Zweifel“, so Univ.-Prof. Dr. Leopold Weber abschließend.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Alpenpost 19 2010 by Alpenpost Redaktion - Issuu