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Natürliche Hilfe

Ein Ratschlag aus der Apotheke

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Vielen Besuchern einer heutigen Apotheke ist sicherlich nicht bekannt, dass trotz der großen Anzahl chemisch produzierter Arzneimittel bis heute ungefähr ein Drittel des Arzneischatzes aus unserer Natur stammt. Selbst modernste Entwicklungen nutzen häufig die Natur als Lieferanten der Ausgangssubstanzen.

Um die Vielfalt der Pflanzenwelt mit ihren Arzneistoff liefernden Arten besser kennen zu lernen, bin ich immer wieder auch mit der Kamera in der Natur unterwegs, um einzelne Exemplare für mein Archiv festzuhalten.

In regelmäßiger Folge möchte ich deshalb an dieser Stelle einzelne Pflanzen vorstellen und über ihre Wirkungsweise informieren.

Friedrich Böckle

(Quellen-Apotheke, Bad Liebenzell)

Pestwurz –ein Arzneimittel?

Einer der ersten Frühjahrsblüher in unserer Landschaft ist die Pestwurz (Petasites hybridus), die mit ihren bis zu 40 cm hohen Blütenständen oft große Feuchtbereiche beeindruckend beherrscht und häufig entlang von Fluss- und Bachläufen bis in den Sommer hinein vegetationsbestimmend sein kann. Die rötlich-weißen bis violetten zahlreichen Einzelblüten sind auch deshalb so auffallend und bestimmend, da in dieser Blütephase keine grünen Blätter erscheinen. Diese entwickeln sich erst nach dem Abblühen und erreichen dann riesige Ausmaße mit Einzeldurchmessern von bis zu 70 cm.

Der deutsche Name Pestwurz stammt aus der Nutzung als Mittel gegen die Pest im Mittelalter. Dabei wurden Umschläge mit den Blättern im Bereich der „Pestbeulen“ gemacht. Bereits im Altertum wurden die Blätter bei Hautentzündungen und Geschwüren von den Griechen und Römern eingesetzt. Entzündungshemmende Inhaltsstoffe sind auch nachweislich enthalten, so dass diese Anwendungen durchaus Erleichterung verschafften.

Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Pflanze dann als Schmerzmittel mit entkrampfender Wirkung erkannt und speziell bei Migräne empfohlen. Klinische Studien im 20. Jahrhundert haben diese Wirkung bestätigt und bis vor 10 Jahren gab es in Deutschland mehr als 2 Millionen Verwender.

Doch die Forschung hat dann auch ein großes Handicap zutage gebracht: Pestwurz enthält die sog. Pyrrolizidinalkaloide, die nachweislich leberschädigend sind und denen auch eine krebserregende Eigenschaft zugeordnet wird. Im Jahr 2009 wurden dementsprechend alle in Deutschland zugelassenen Arzneimittel aus Pestwurz vom Markt genommen. Die Hersteller hatten zwar zuvor reagiert und Pestwurzpflanzen mit geringerem Gehalt der schädigenden Stoffe gezüchtet und zudem Extraktionsmethoden entwickelt, mit denen die Alkaloide zum großen Teil entfernt werden konnten. Formelle Gründe ließen jedoch eine Neuzulassung scheitern.

In der Schweiz wurde dagegen unter dem Namen Tesalin ein Pestwurzpräparat zugelassen, das als Mittel bei Allergien und besonders bei Heuschnupfen angeboten wird. Das in Deutschland vor 2009 im Verkehr befindliche Migräneschmerzmittel Petadolex wird weiterhin in Großbritannien hergestellt und kann als Import bezogen werden.

Das Beispiel Pestwurz zeigt, dass bei natürlichen Heilmitteln aus dem Pflanzenreich häufig Nutzen und Schaden nahe beieinanderliegen. Meine Empfehlung: genießen Sie die Schönheit dieser Pflanze in der Natur – eine Verwendung als Arzneimittel in Form von Teezubereitungen ist dagegen verboten!

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