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Jubiläum im Jahr 2017 – 650 Jahre „Überfall im Wildbad“
from Neu Nota Bene 08
by Mateo Sudar
Die historischen Fakten
Im Frühjahr 1367 hielt sich der württembergische Graf Eberhard II, genannt der Greiner, zusammen mit seiner Frau, seinem Sohn, seiner Schwiegertochter, seinem Enkel sowie dem Gesinde in Wildbad auf. Eines Nachts wurde er von Wolf von Eberstein, Wolf von Wunnenstein sowie Konrad und Hans von Schmalenstein und anderen Verschwörern angegriffen. Die Gegner kamen aus Norden, vermutlich hatten sie sich für den Überfall in der Burg Straubenhardt versammelt. Sie mussten nur eine kurze Strecke über fremdes Territorium reiten, um an ihr Ziel zu gelangen, denn
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Wildbad lag an der westlichen Grenze der württembergischen Grafschaft. Mit einem schnellen, nächtlichen und damit überraschenden Angriff hofften sie, die Gunst der Stunde nutzen und den Überfall erfolgreich durchführen zu können.
Warum kam es zu diesem Überfall? Das 14. Jahrhundert war im Südwesten geprägt von Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Herrschaften, die um Territorien und deren Erweiterungen sowie um Einfluss und Macht rangen. Die Württemberger entwickelten dabei großes Geschick: So manches Territorium wurde aufgrund wirtschaftlicher Krisen aufgekauft, bei Erbteilungen streckten sie die Finger nach den Besitzungen aus und erlangten oft Rechte, sie schreckten auch nicht vor Kämpfen und Eroberungen zurück. So hatten die Württemberger in den vergangenen Jahrzehnten u.a. das Vorkaufsrecht an allen Ebersteinischen Besitztümern und Nutzungsrechte an der Burg Neueberstein sowie in Gernsbach erlangt.
Der Ebersteiner und seine Verbündeten wollten mit dem Überfall sicher weitere Eingriffe der Württemberger auf ihre Besitzungen verhindern und ihrerseits im Ränkespiel ihre Positionen stärken. Was genau die Angreifer bei diesem Überfall mit der gräflichen Familie vorhatten, wird wohl für immer Spekulationen vorbehalten sein. Eine zeitgenössische Quelle formuliert, dass die Angreifer die Württemberger „mortlich und rauplich ubervallen, beraubt und ubel gehandelt han und auch etliche ihrer diener erslagen, gewunt und gevangen han“ Das deutet auf einen heftigen, gewalttätigen sowie Tote und Verwundete fordernden Überfall hin.
Die Herrschaftsfamilie überstand den Überfall jedoch unbeschadet, weil sie sich auf ihre Burg Zavelstein im heutigen Bad Teinach retten konnte. Wäre das Attentat auf Graf Eberhard und seine Familie damals jedoch geglückt, hätten sie gar ihr Leben verloren, wäre das Haus Württemberg zumindest für einige, vielleicht für eine entscheidende Zeit ins herrenlose Chaos gestürzt und die territorialen Kämpfe hätten vermutlich andere Wendungen genommen. Dass die Gegner mit dem Attentat nicht erfolgreich waren, bekamen vor allem die Ebersteiner zu spüren: Sie wurden von Kaiser Karl IV., der auf der Seite der Württemberger stand, mit der Reichsacht belegt und verloren in den nächsten Jahrzehnten immer weiter an Einfluss und Macht, versanken bis zum Ende des Jahrhunderts gar in die Bedeutungslosigkeit.




Ludwig Uhlands Ballade
„Der Überfall im Wildbad“
Richtig berühmt gemacht und in der Kulturgeschichte verankert hat das historische Ereignis der schwäbische Dichter Ludwig Uhland mit seiner Ballade „Der Überfall im Wildbad“, die er 1815 erstmals veröffentlichte. Ganz im Sinne der Romantik schmückte er in 18 Strophen die Geschichte etwas aus. Er erzählt zunächst vom Aufbruch des Grafen in Stuttgart, seiner Reise-Zwischenstation in Hirsau, seiner Ankunft und dem Thermalwasser-Bad in Wildbad. Laut Uhland wird Eberhard von einem Getreuen rechtzeitig vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt und er kann mit Hilfe eines Hirten über geheime Wege und durch Dickicht in die rettende Burg fliehen. Die Untertanen sind ihrem Herrn so treu ergeben, dass sie den Grafen sogar auf ihren Schultern die Berge hinauf tragen.
Die Geschichte wird bekannt
Die Hauptszenen aus der historischen Begebenheit und aus der Uhlandschen Ballade, vor allem das Bad des Grafen im Thermalwasser und seine Flucht mit Hilfe eines Untertanen, wurden im 19. Jahrhundert in Glasfenstern, Zeichnungen, Holzschnitz- und Terrakottaarbeiten künstlerisch verarbeitet. Sie dienten noch im 20. Jahrhundert auch als Motive für Reklamemarken und verbreiteten sich so über Württemberg hinaus. Ein besonderes Kleinod kann im Sitzungssaal des Rathauses Wildbad bewundert werden: Hier wird auf Holztafeln, erschaffen von Karl Spingler im Jahr 1927, die Uhlandsche Ballade mit vollständigem Text und in 11 Reliefdarstellungen bildlich wiedergegeben.

Bad Wildbad feiert
Der Überfall im Wildbad ist ein historisches Ereignis mit Wirkung bis hinein ins 20. Jahrhundert und damit Anlass für die Stadt Bad Wildbad, die mittelalterliche Geschichte um den württembergischen Grafen, das heilende Thermalwasser und Ludwig Uhland umfassend zu feiern! Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten ist das Festwochenende vom 26. bis 28. Mai 2017. Mit einer Eröffnung am Freitagabend, einem dreitägigem Mittelaltermarkt im Kurpark plus Konzert am Samstag und dem sonntäglichen Festumzug wird es Bürgerinnen und Bürger sowie Besucher/innen in Zeiten entführen, die schon lange zurückliegen. Aber in Bad Wildbad kann man den Spuren von Graf Eberhard und seinen Nachfolgern aus dem Hause Württemberg, von Lud- wig Uhland und seinen Dichterkollegen immer noch begegnen. Und das Thermalwasser, das vor mehr als sechs Jahrhunderten dem Grafen Eberhard so gut tat, sprudelt auch heute noch angenehm warm und wohltuend für die Gelenke aus den Quellen. Uhland beschrieb dessen Wirkung mit einfachen, prägnanten Worten: Es „heilt, kräftigt und jüngt“.

Dr. Marina Lahmann