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berg:rausch – Klettertage an der Bischofsmütze
from oben° 2021

Von A wie Abenteuer über H wie Heli bis T wie Traumwetter
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Text und Fotos: Marvin Steinböck
Mittwoch zu Mittag treffen wir einander auf dem Parkplatz Hofalm – ein paar Minütchen später als erwartet aufgrund einer ungeplanten Sightseeing-Tour (mit schlechtem Orientierungssinn sieht man mehr von der Welt!) und vieler roter Kreisverkehre in Wien.
Trotz jeder Menge Gepäck (die Materialseilbahn wurde von den Tourenführern kategorisch ausgeschlossen) und gefühlten 40 Grad Celsius (20 Grad Celsius waren es, denke ich, schon) gelingt uns der Aufstieg zur Hofpürglhütte in eineinviertel Stunden.
Auf 1705 Höhenmetern angekommen, werden wir von der Hüttenwirtin Regina willkommen geheißen. Anstatt der gebuchten Lagerplätze bekommen wir ohne Aufpreis Zimmer zugeteilt. Top! Regina hat die Hütte sehr heimelig eingerichtet. Einzig der konsequente Verzicht auf Klodeckel in den Toilettenanlagen transzendiert mein Verständnis. Heinzi, wie Regina den Hüttenwirt nennt, ist ein sehr interessanter Charakter. Anders als bei den meisten Hüttenwirten dauert es bei ihm ein Zeitl, bis er auftaut. Ist es jedoch vollbracht, kommt er richtig in den Flow und kann viele interessante Episoden aus seiner leistungssportlichen Laufbahn erzählen. Er ist übrigens jener, dem wir die Klettergärten in unmittelbarer Nähe der Hütte zu verdanken haben. An die 250 Routen hat er eingebohrt und rund 200 seiner Expressschlingen zur Nutzung für jedermann hängen lassen.

Diesen Luxus wollten wir sofort auskosten und nutzten die Zeit bis zum Sonnenuntergang, um einige Routen zu klettern. Abends überrascht uns Oli mit seiner Prognose, dass es als Nachspeise Obstsalat gibt. In der Tat bekommen wir Obstsalat! Geschätzter Zuckeranteil der eingelegten Früchte 100%. Leider trifft diese Prognose auch auf die Folgetage zu. Das Hüttenpersonal scheint Obstsalat zu lieben. Aber hey, die Hütte kann nicht in jeder Hinsicht perfekt sein!
Donnerstagvormittag stehen Knotenkunde und Seiltechnik auf dem Programm. Wir haben Traumwetter! Es dauert nicht lange, bis wir über die vielen Sportkletterrouten herfallen. Der Zustieg von der Hütte beträgt nur wenige Minuten. Eine Suppe auf der Hütte zwischendurch ist daher drin. Nachdem wir am Abend Erfahrungen und Anekdoten ausgetauscht haben, widmen wir uns Hannas witzigem Gesellschaftsspiel.
Freitag wird unser abenteuerlichster Tag. Wir teilen uns auf! Eine Dreierseilschaft, geführt von mir, besteigt die Große Bischofsmütze. Der charakteristische Doppelgipfel zählt zu den markantesten Berggestalten Österreichs. In acht Seillängen bis zum Schwierigkeitsgrad IV erklimmen wir den Gipfel und haben eine wunderbare Fernsicht. Eine Dreierseilschaft, geführt von Timon, sowie eine Zweierseilschaft erklimmen in sechs Seillängen bis zum Schwierigkeitsgrad III+ den Eisgrubenturm. Eine Mehrseillängentour mit ebenso spektakulärer Aussicht.
Samstag läuft nichts nach Plan. Zum Glück, denn es war Schlechtwetter prognostiziert und ein Hüttentag geplant. Stattdessen üben wir am Vormittag Flaschenzüge und Standplatzbau.
Am Nachmittag setzen wir das Gelernte in Dreierseilschaften in einer Mehrseillänge in die Praxis um. Als einige von uns danach sportklettern, passiert leider ein Unglück. Sophia (Name aus Datenschutzgründen geändert) kommt beim Betreten der Felswand ins Rutschen und springt von dem Felsbrocken, auf dem sie stand, zu Boden. Bei der Landung verdreht sich ihr Bein und das Sprunggelenk erleidet eine Fraktur. Teilnehmerin Christina, eine ausgebildete Krankenpflegerin, ist sofort zur Stelle und übernimmt die Erstversorgung (hochlagern, stützen, Körper vor Unterkühlung schützen). An ein selbstständiges Fortbewegen oder gestütztes Gehen ist nicht zu denken, da die Schmerzen zu groß sind und dies die Heilung beeinträchtigen würde. Ich hole Bandage und Kühlbeutel aus der Hütte und informiere Heinz, der bei der Bergrettung ist. Dieser setzt sofort einen Notruf ab und fordert eine Hubschrauberbergung an. Binnen 30 Minuten ist der Heli vor Ort und landet nach minutenlanger Gebietserkundung auf dem Landeplatz neben der Hütte. Der Bereich um den Kletterfels ist für eine Landung ungeeignet. Er setzt einen Retter ab. Dieser begibt sich zu Fuß zur Unfallstelle und bereitet Sophia auf den Abtransport mit Seilwinde vor. Wenig später kommt der Heli mit Seil angeflogen. Der Retter klinkt sich und Sophia ein. Gemeinsam fliegen sie zum Landeplatz bei der Hütte. Dort steigen sie in den Heli. Währenddessen hat Hanna Sophias Gepäck in der Hütte zusammengesucht und zum Heli gebracht. Mit Sack und Pack geht's dann ins nächstgelegene Unfallkrankenhaus, wo noch am selben Tag operativ der Bruch behandelt und eine Schiene eingesetzt wird. Sophia, die das ganze Prozedere sehr tapfer durchsteht, wird diesen spektakulären Tag mit Heliflug – nicht zuletzt, weil die Heilung Monate dauert – so schnell nicht vergessen.
Der Sonntag ist unser letzter Tag. „Klettern was geht!“, lautet die Devise. Bis zum frühen Nachmittag genießen wir bei Sonnenschein und angenehmer Temperatur die Routen im nahegelegenen Klettergarten. Danach steigen wir Richtung Parkplatz ab. Wir erfrischen uns im Almsee, bevor es zurück nach Wien geht.
Wenn ich ein letztes Wort noch sag': Mah, waren das fünf geile Tag! :)

Hard Facts: Mittwoch, 8.9. bis Sonntag, 12.9.2021 Hofpürglhütte auf 1705 m, Dachsteingebirge Eines der größten Sportklettergebiete Österreichs 2 Tourenführer + 6 Teilnehmer*innen