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Entwicklungen im Mountainbikesport

Interview: mit René Sendlhofer-Schag, von Elisabeth Lackner Fotos: René Sendlhofer-Schag

Was macht für dich die Freude am Mountainbiken aus? René: Die Mischung aus körperlicher Betätigung bei der Auffahrt und die notwendige Konzentration, der Fokus, bei der Abfahrt am Trail. Ich bin durch und durch ein „Bergler“ und verbringe am liebsten jede Minute am Berg. Egal ob zu Fuß oder mit dem Bike – es geht für mich immer um die Natur, das Erlebnis draußen zu sein und sich wieder ein Stückchen „geerdeter“ zu fühlen. Speziell beim Biken liebe ich es, technische Trails zu meistern. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit (ich bin ein Hosensch*** wenn es schnell wird), sondern darum, möglichst keine Spuren zu hinterlassen und die Hindernisse am Weg so zu nehmen, wie sie sind.

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Entwicklung des Mountainbikesports

Wie hat sich Mountainbiken in den letzten Jahren entwickelt? René: Bunt und in alle Richtungen würde ich sagen… Mountainbiken ist ein sehr vielseitiger Sport. Es gibt dutzende Genres, die noch dazu einem ständigen Wandel unterliegen. Man kann gemütlich auf Forststraßen mit dem Hardtail auf Tour gehen, das Marathon-Fully für konditionell anspruchsvolle Touren auspacken, das Trailbike auf die umliegenden Gipfel tragen oder über die Alpen fahren, mit dem Enduro durch die gebauten Strecken in Trailparks düsen oder gänzlich abfahrtsorientiert mit dem Downhiller und Liftunterstützung die Bikeparks genießen. Und zu all diesen Facetten kann man dann auch noch mit oder ohne Motorunterstützung unterwegs sein.

Vermutlich nimmt man allerdings die Entwicklung der E-MTB (Pedelecs) am stärksten wahr. Ein Trend, der ganz speziell auch durch die Corona-Pandemie an Fahrt aufgenommen hat und auch so schnell nicht abnehmen wird. Ich persönlich stehe dem Ganzen, mit all seinen positiven und negativen Aspekten, neutral gegenüber. Es freut mich, wenn das E-MTB Menschen dazu motiviert, gemeinsam in Bewegung zu kommen – das ist gut für die körperliche und seelische Gesundheit. Ich beobachte aber auch eine stark steigende Zahl an Menschen in den Bergen, am E-MTB aber auch bei allen anderen Bergsportarten. Speziell im Sinne des Alpenvereins gilt es, eine Balance zu wahren.

Was sollte sich in den nächsten Jahren in Bezug auf den Mountainbikesport verbessern? René: Technisch gesehen brauchen wir in Österreich mehr legale Infrastruktur zum Mountainbiken. Das fängt bei niederschwelligen Angeboten wie Fahrtechnik-Arealen oder Pumptracks an und endet bei einem möglichst umfangreichen Netz an freigegebenen Forststraßen und Wanderwegen zum Mountainbiken. Es darf nicht sein, dass man erst mal 50 Kilometer mit dem Auto fahren muss, um legal biken zu können.

Es bewegt sich zurzeit sehr viel, aber wir brauchen noch ein wenig Geduld. Viele Jahre wurde das Thema entweder ignoriert, oder man schuf kleinregionale Insellösungen,

ohne über den Tellerrand zu blicken. Mountainbiken wurde ghettoisiert – am besten irgendwo in einem finsteren Tal ohne Berührungspunkte zu anderen Naturnutzer*innen. Doch es gibt zahlreiche positive Beispiele, und ein Umdenken beginnt. Ich bin gespannt, wohin die Reise führt.

Darüber hinaus braucht es in Österreich aber auch mehr Akzeptanz fürs Mountainbiken. Jedes Dorf hat einen Fußballplatz für ein paar wenige Sportler. Legal biken kann man aber kaum wo – obwohl nahezu jedes Kind Radfahren lernt.

Darüber hinaus ist Akzeptanz aber immer auf beiden Seiten notwendig. Auch wir Mountainbiker*innen müssen Verständnis für unsere Lebensraumpartner aufbringen. Der Wald ist nicht nur zur Erholung da, sondern auch Wirtschaftsstandort und Lebensraum von Tieren. Gerade hier kann der Alpenverein einen wertvollen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten.

Was kann man negativen Stimmen entgegnen, die sagen, dass MountainbikeStrecken nicht mit anderen Sportler*innen (z.B. Wander*innen) vereinbar sind? René: Mein grenzenloser Optimismus ist vom Miteinander in den Bergen überzeugt. Eine Hüttenwirtin aus dem Stubaital hat einst zu mir gesagt: „Wenn’s in den Köpfen Platz hat, dann hat’s auch auf dem Weg Platz.“ Da stimme ich ihr völlig zu. Mein Wunsch ist, nicht ständig alles aufgrund der wenigen „schwarzen Schafe“ aufzuschaukeln, sondern das Gros jener Sportler*innen zu betrachten, die sich rücksichtsvoll in unserem Naturraum bewegen.

Abgesehen von stadtnahen Erholungsräumen, wo aufgrund der großen Zahl an Naturnutzer*innen Lenkungen notwendig sind, ist mit einer Trail-Etiquette (ein Verhaltenskodex) ein Miteinander am Berg möglich. Das zeigen unsere Nachbarn in der Schweiz sehr eindrucksvoll. Wo es möglich ist, werden Wanderwege geteilt. Ist die Nutzer*innendichte zu groß, teilt man die Sportarten auf bestehende Wege auf oder – in letzter Instanz – baut eigene Strecken für Mountainbiker*innen. Für die verschiedenen Genres des Mountainbike-Sports ist unterschiedliche Infrastruktur notwendig. Während Tourenbiker*innen gut mit anderen Naturnutzer*innen auf Forststraßen und Wegen auskommen können, sollten für den Bereich Enduro und Downhill eigenen Strecken geschaffen werden.

Erfordern neue Trails einen starken Eingriff in die Natur? René: Das kommt drauf an, welche Trails man bauen will. Betrachtet man die Flowtrails auf der Petzen, dann ja. Dort wurden

tonnenweise Gestein gesprengt und viel Boden versiegelt, um den Trail errichten zu können. An anderen Orten werden bereits bestehende, oft schon verwitterte alte Wege revitalisiert um sie Biker*innen zugänglich zu machen. Es ist also alles möglich. Zudem muss man bei der Schaffung neuer Wege nicht nur den direkten Eingriff in den Boden berücksichtigen, sondern auch die Routenführung und die Auswirkungen neuer Nutzer*innenströme auf die jeweilige Region. Das hängt wieder davon ab, ob neue Trails im Rahmen eines Bikeparks angelegt oder bislang wenig erschlossene Naturräume genutzt werden. Die Frage ist also nicht ganz so einfach zu beantworten … Ich persönlich denke, dass es – ganz speziell im alpinen Raum – bereits ausreichend Wege fürs „klassische“ Mountainbiken (Forststraße rauf, Wanderweg oder Forststraße runter) gibt. Neben den markierten Alpenvereinswegen gibt es eine Vielzahl an nicht markierten Wanderwegen und Steigen. Wo ein Wille, da ein Weg – auch ohne neue Strecken anlegen zu müssen.

Für die weiteren Genres des Sports (Enduro, Downhill) sowie für die bereits oben erwähnten Möglichkeiten in Talnähe muss Infrastruktur geschaffen werden. Hier gilt es den Eingriff immer wieder aufs Neue vor Ort abzuwägen.

Tipps vom Profi

Sicherheitstipps für Anfänger*innen

Fahrtechnikkurse und gute Planung Ich empfehle Anfänger*innen einen Fahrtechnikkurs zu besuchen und sich langsam an die Schwierigkeiten der Trails heranzutasten. Macht euch vertraut mit lokalen / gängigen Schwierigkeitsskalen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Einfache Trails für Anfänger*innen werden lt. Singletrail-Skala mit S0 bis S1 (blau) bezeichnet. Dort erwarten dich dann kaum große Hindernisse, du musst lediglich mit kleinen Stufen und Wurzeln rechnen. Wenn es diese Wege in deiner Umgebung nicht gibt, so sind Trail- und Bikeparks ein guter Start, um sich dem Thema Trails anzunähern.

Vor der Fahrt Grundsätzlich sollte man sein Bike vor jeder Ausfahrt checken und eine detaillierte Tourenplanung durchführen. Entspricht die Strecke meinen konditionellen und fahrtechnischen Fähigkeiten? Welche Ausrüstung benötige ich? Habe ich ausreichend Ersatzteile, Verpflegung und Notfallausrüstung mit? Fahre auf keinen Fall alleine und stets auf Sicht – man muss jederzeit gefahrlos anhalten können!

Material

Unverzichtbares Equipment Sicherheitsausrüstung wie Helm, (lange) Handschuhe und Sonnenbrille sind unerlässlich. Das ist wie die Dreieinigkeit beim Skitourengehen: Pieps, Schaufel und Sonde *g*. Ein Rucksack mit allen Ersatzteilen und passendem Werkzeug, Verpflegung, Erste-Hilfe-Ausrüstung und Kleidung je nach Witterung ist Pflicht.

Der neueste Shit beim Mountainbiken Die neuesten Trends beim Mountainbiken sind meistens Religionsfragen. Ich persönlich war vor vielen Jahren von der ausfahrbaren Sattelstütze begeistert – das war für mich wie die Erfindung des Rades selbst. Aktuell bin ich ein Fan von Einmalantrieben, also nur einem Kettenblatt vorne. Das spart Gewicht, Ärger beim Einstellen und ist wartungsarm. Ansonsten gibt es bei allen Anbauteilen, von der Federgabel bis hin zu den Reifen, jedes Jahr etwas Neues. Picke dir dein Highlight raus. Unter uns: man muss nicht gleich jedem Trend folgen!

Fully oder Hardtail? Wenn du ständig der Erste am Gipfel sein möchtest, dir Geschwindigkeit und Zeiten wichtig sind und du täglich überlegst, das Gewicht deines Bikes zu optimieren, dann greif zum Hardtail.

Wenn du einfach nur gerne draußen unterwegs bist und ein wenig Komfort genießt, dann ab zum Fully. Auch hinsichtlich Sicherheit ist es meine erste Wahl. Die Federelemente sorgen für mehr Grip und verzeihen so manchen Fahrtechnikfehler.

Ganz speziell beim E-MTB gibt es kaum noch einen Grund (abgesehen vom Preis), nicht zum Fully zu greifen. Das Mehrgewicht spielt hier keine Rolle.

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