Vermischtes Interview · Dr. Rupp hat an der Entwicklung einer Tabakentwöhnungs-App mitgewirkt
„Ein riesiger Erfolg“
S
trenge Vorschriften oder erhobene Zeigefinger lassen Raucher häufig kalt, wenn es ums „Aufhören“ geht, und zu Entwöhnungskursen kommen nur wenige. Deshalb hat Dr. Alexander Rupp eine App mitentwickelt, die Raucher bei der Tabakentwöhnung sinnvoll unterstützt und inzwischen als Digitale Gesundheitsanwendung (DIGA) zugelassen ist. Mit dem Stuttgarter Pneumologen sprach ÄBW-Chef redakteur Dr. Oliver Erens.
Was war Ihre Motivation, Patienten zum Rauchstopp anzuleiten? Dr. Rupp: Wir behandeln als Ärzte, sowohl im Krankenhaus und insbesondere in der Praxis, täglich Patienten mit rauchbedingten Erkrankungen. Häufig stellen sie sich erst mit deutlichen Symptomen aufgrund bereits fortgeschrittener Organschäden durch das Rauchen bei uns vor. Die therapeutischen Optionen sind dann schon meistens eingeschränkt oder nur bedingt erfolgversprechend. In der Pneumologie trifft dies besonders für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder beispielsweise das Lungenkarzinom zu, die beide zum allergrößten Teil auf das inhalative Rauchen zurückzuführen sind. Ganz nach dem Motto, dass Vorbeugen besser als jegliche Therapie ist, möchte ich Rauchern zum frühestmöglichen Zeitpunkt Unterstützung beim Aufhören anbieten, bevor es zu körperlichen Schäden durch die mehr als 8.000 chemischen Substanzen im Tabakrauch kommt.
Mit der App von NichtraucherHelden.de sind Sie auch online und auf dem Smartphone für Raucher aktiv. Erfolgreich?
Dr. A. Rupp
280
ÄBW 05 | 2022
Dr. Rupp: Ich wurde als medizinischer Berater mit der inhaltlichen, leitlinienkonformen, suchtmedizinischen Ausgestaltung der App der
Firma NichtraucherHelden GmbH beauftragt und bin in dieser Funktion auch weiterhin aktiv eingebunden. Gleichzeitig bin ich quasi der „Erklärbär“ in den entsprechenden Videos und kann somit auf digitaler Ebene genau die gleichen Inhalte an Raucher vermitteln, die ich auch in Einzeloder Gruppentherapien bespreche. Die App bietet dabei die Möglichkeit, niederschwellig wesentlich mehr Raucher zu erreichen, als es mit sehr ressourcenintensiven Präsenzangeboten möglich wäre. Deutschlandweit nehmen nach den Daten des Präventionsberichts des GKV-Spitzenverbandes jährlich weniger als 0,05 Prozent der Raucher an einem Entwöhnungskurs teil. Wir haben gerade erst eine Auswertung der Präventions-App vorgenommen, welche im Verlauf zur jetzt zugelassenen Entwöhnungs-App weiterentwickelt wurde. Die langfristige Entwöhnungsquote von 15 Prozent sehe ich im Vergleich zur Quote spontaner Aufhörversuche ohne Unterstützung (sogenannte „Silvester-Methode“) von 3 bis 7 Prozent und zur Aufhörquote von mehrwöchigen Entwöhnungskursen in Verbindung mit medikamentöser Unterstützung von im Mittel 30 bis 35 Prozent als großen Erfolg an.
Wie unterscheidet sich die App von anderen RauchstoppInitiativen? Dr. Rupp: Von den Präsenzangeboten zur Tabakentwöhnung unterscheidet die App die deutlich höhere Distributionsmöglichkeit bei gleichzeitig geringem Ressourcenaufwand im Sprechzimmer. Raucher müssen mit dem Beginn des Rauchstopps nicht auf den nächsten Kursbeginn warten, sondern können unvermittelt starten. Zudem begleitet die App die Raucher jederzeit in ihrem Alltag, selbst im Ausland. Auch die Nachbetreuung zur Vermeidung von Rückfällen kann auf dem digitalen Weg wesentlich länger und intensiver erfolgen, als es von einem Krankenhaus oder einer Praxis geleistet werden könnte.
Von anderen digitalen Angeboten, die teilweise lediglich die nicht gerauchten Zigaretten und das dadurch gesparte Geld hochrechnen, unterscheidet die App sich deutlich in der Intensität, der Interaktion und auch der Implementierung von evidenzbasierten Leitlinien-Empfehlungen. Raucher werden, wie es auch in einem mehrwöchigen Kurs geschieht, sehr intensiv mit verhaltenstherapeutischen Methoden auf den Rauchstopp vorbereitet.
Welchen Schub hat die App durch die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis erfahren? Dr. Rupp: Der Aufnahme in das DIGA-Verzeichnis ging ein intensiver und langwieriger Evaluationsund Beantragungsprozess voraus. Die Aufnahme ist für ein junges Start-up-Unternehmen ein riesiger Erfolg. Jetzt gilt es, die App als sehr einfache Möglichkeit der leitliniengerechten Tabakentwöhnung in die Sprechzimmer von Ärzte- und Psychotherapeutenschaft zu bekommen. Gerade jetzt, während der Corona-Pandemie, ist die digitale Entwöhnung eine Möglichkeit von unschätzbarem Wert, da es kaum noch Präsenzangebote zur Entwöhnung gibt.
Woran arbeiten Sie als Nächstes? Dr. Rupp: Aktuell wird die App in einer großen, deutschlandweiten, multizentrischen und prospektiven Studie evaluiert. Anhand der dabei gewonnenen Daten und auch des Feedbacks von Rauchern, welche die App bereits nutzen, wird die App ständig weiterentwickelt und auch an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Dies ist neben der regulären Sprechstundentätigkeit als Pneumologe mitten in der Corona-Pandemie sehr zeitintensiv, macht mir jedoch immens Spaß, da ich davon überzeugt bin, gerade in meinem Fachgebiet mit dem Rauchstopp möglichst viele Erkrankungen und damit auch Leid und Tod verhindern zu können.