Zillertaler Heimatstimme - Ausgabe 34 2019

Page 13

dasselbe Recht auf Selbstverwirklichung. Daher ist es uns im Tiroler Schützenwesen wichtig, dass wir die Zukunft gemeinsam, in Symbiose, mit Männern und Frauen gestalten. Ein Nachdenkprozess 2017 führte zu neuen Beschlüssen. Elf Leitmotive stehen für unser gemeinsames Handeln und unsere Überzeugungen. Darin enthalten die Wertschätzung der Frauen im Tiroler Schützenwesen. Die Frau als wesentlichen Trägerin für Brauchtum und Tradition. Wie alt ist eine Marketenderin? Lebenszeit und Alter in unserer Gesellschaft spielen zunehmend eine größer werdende Rolle. Die Zeit als Marketenderin in den Kompanien beginnt unterschiedlich. Blumenmädchen begleiten die Schützenkompanien schon in jungen Jahren und rücken weiter in die Rolle der Jungmarketenderin, bis sie mit 18 Jahren in die erste Reihe neben dem Schützenhauptmann als Marketenderin zieht. In diesen Reihen entscheidet die Marketenderin individuell, wie lange dieser Abschnitt andauern wird. Stets ist die Absprache mit der Kompanie, dem Hauptmann und dem Ausschuss wichtig. Was sind die Anforderungen für eine Marketenderin? Junge Tirolerinnen bewahren die Tradition, schützen diese und geben das Brauchtum an unsere Zukunft weiter. Die Aufgabe der Repräsentation ist eben verbunden mit Tradition, Verantwortung und Vorbildwirkung. Bei den verschiedensten Ausrückungen zeigt eine Marketenderin ihren Einsatz für das Tiroler Schützenwesen, das Bekenntnis zu ihren Idealen, zur Kirche zum Glauben. Uns Marketenderinnen ist es ein Bedürfnis, zum Gelingen der Gemeinschaft mit Mitarbeit, insbesondere mit Einbringen von Ideen, Verantwortung zu übernehmen. Wir leben in einer Wertegesellschaft, und es ist uns ein Anliegen, Werte weiterzutragen und zu leben. Wie darf eine Marketenderin ausschauen? Durch die Kleidung und Funktion sind eine klare Definition und Geschlechterordnung vorhanden, die im späten 19. Jhd. in dieser Form

13

ausgehandelt und verfestigt worden sind. Es passiert eine sichtbare Verwandlung der jungen Frauen in eine Marketenderin der Schützenkompanie mit dem immer wiederkehrenden Ritual des Anziehens der Tracht. Ein meist sehr wertvolles Stück, das Heimat bewahrt, vererbt von den Ahnen, der Großmutter oder der Mutter. Damit wird Identität präsentiert und beweist die Herkunft, womit das Stück Heimat bei jeder Ausrückung in vielen Regionen gezeigt wird. Die Marketenderin trägt die Tracht der Umgebung, ihrer Heimat, hält diese somit lebendig und rückt damit in einen besonderen Mittelpunkt. Da innere Werte und die Ausstrahlung eines Menschen kaum messbar sind und daher nicht genügend berücksichtigt werden, sind sie für die Attraktivität einer Frau von besonderer Bedeutung. Sie beeindruckt durch einen guten Charakter und positive Eigenschaften. So sind Humor, Freundlichkeit, Ehrlichkeit und eine positive Ausstrahlung mit einem freundlichen Gesichtsausdruck die wesentliche Visitenkarte für eine Kompanie. Ihre Natürlichkeit, ohne trendigen Modeschmuck und auffälliger Schminke, lässt die am Leib getragene Tracht in vollem Glanz erscheinen. Zu einem ordentlichen Erscheinungsbild und gepflegtem Auftreten gehören die passende Frisur zur Tracht, die geputzten Schuhe und das richtige Anziehen der Tracht. Denn ein sympathisches und kompetentes Auftreten sowie die positive Ausstrahlung beeindrucken die Öffentlichkeit nachhaltig. Wie wird man Marketenderin? Ausgesucht? Vorgeschlagen? Marketenderin zu werden, galt und gilt als Ehre. Ich kann von mir erzählen, dass ich sehr lange den Wunsch danach gehegt habe, einmal als Marketenderin in der Kompanie mitzumarschieren. Leider blieb dieser Wunsch lange Zeit unentdeckt, und zu diesem Zeitpunkt packte mich die Freude, als der damalige Hauptmann meiner Kompanie vor unserer Haustüre stand und meine Eltern um ein Gespräch gebeten hatte. Es erfüllte mich mit Stolz und Ehre der Kompanie anzugehören und für die Gesellschaft etwas beizutragen. Nun konnte ich mir meinen Wunsch er-

ZILLERTALER HEIMATSTIMME

füllen, und die Reise als Marketenderin begann für mich bei der ersten Ausrückung zum Alpenregionstreffen in Brixen. Der Bund der Tiroler Schützenkompanien zählt 235 Kompanien, und bei ca. 1.100 Marketenderinnen werden die Berichte zu ihren Reisen sehr unterschiedlich ausfallen. In meinem persönlichen Fall bin ich mit knapp 17 Jahren zur Kompanie gekommen und heute noch mit Stolz und großer Freude dabei, denn schon nach einiger Zeit bin ich für den Vorstand in der Kompanie vorgeschlagen worden und damit hat sich eine weitere neue Reise mit vielen Eindrücken und neuen Erfahrungen in meinem persönlichen Tiroler Schützenbuch eröffnet. Wem gebührt ein Schnapsl? Einem guten „Schnapsl“ ist kaum jemand abgeneigt, denn der Schnaps sorgt für das leibliche Wohl, und so ist er im Sommer bei den verschiedensten Festen etwas für den Genuss, und im Winter meint man, damit vor Erkältung bewahren zu können. Mit dem Verkauf von Schnaps ist es der Marketenderin möglich, eine nicht unbedeutende Einnahmequelle für den Traditionsverein zu bieten. Nicht zuletzt werden mit dem Ausschank des Schnapses Kontakte geknüpft und Verbindungen über die Landesgrenzen hinaus geschaffen. Im Laufe der Zeit ist die Rolle der Marketenderin leider auf den Verkauf und den Konsum von Schnaps reduziert worden. Jedoch ist und bleibt es nicht die einzige Aufgabe, nur hübsch auszuschauen, zu lächeln und Schnaps auszuschenken. Besondere Momente der Schnapsausgabe für eine Marketenderin sind es, wenn nach der Frontabschreitung, der Kommandierende darum bittet, dass die Marketenderinnen austreten und die höchsten anwesenden Vertreter mit einem „Schnapsl“ versorgen. Und in weiterer Folge erhält am Fest selbst jeder dieses gute „Schnapsl“ und kann sich im Gespräch mit der Marketenderin über ihr Wissen und ihre Heimat austauschen. Wann hört eine Marketenderin eigentlich auf? Frauen im Tiroler Schützenwesen fühlen sich in der Gemeinschaft

34 | 2019

der Traditionsvereine wie in einem Netzwerk, das stetig erweitert wird. Mit zunehmendem Alter werden Erfahrungen und Wissen auf einem besonderen Weg gesammelt, der sich sehr weitläufig erstreckt. Bildung ist ein lebenslanger und das Altern ist ein vielfältiger Prozess. Wir sprechen hier von verschiedenen Dimensionen, zum einen wird es biologisch, psychisch oder von der sozialen Seite der Marketenderin beleuchtet. Für alles in unserer Gesellschaft gibt es Grenzen. Im Traditionsverein, worin sich auch die Schützenkompanien befinden, werden Marketenderinnen in ihrem individuellen Bekenntnis entscheiden, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Funktion niederzulegen und Abschied von der Kompanie zu nehmen. In einem solchen Lebensabschnitt entscheidet vorrangig das Herz einer Marketenderin. Die Grundvoraussetzung ist dabei die Absprache mit dem jeweiligen Vorstand, und in gemeinsamer Manier werden Entscheidungen getroffen und im Kameradschaftsgeist getragen. Wichtig dabei ist, dass die Arbeit der Frau im Vereinsleben eine gleiche Bedeutung hat wie die eines Mannes, und eine Altersbegrenzung für die Weiterentwicklung eines Traditionsvereines in der Zukunft negative Konsequenzen hätte. Denn ohne das Ehrenamt und die Freiwilligkeit dieser Frauen und Männer müssten die Bereiche finanziell abgegolten werden. Durch dieses soziale Engagement und Motivation, Treue und Liebe zur Heimat und zum Brauchtum und der Geschichte leben unsere jungen Generationen weiter im „Zeitgeist“. Foto: Hartwig Röckl

AKTUELL IM ZILLERTAL

Franzsika Jenewein


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Zillertaler Heimatstimme - Ausgabe 34 2019 by Zillertaler Heimatstimme - Issuu