UNTERNEHMER FÜR
INTERVIEW
Die Herrenknechts sind eine der bekanntesten Unternehmerfamilien im Land. Jetzt reden Vater und Sohn

Die Herrenknechts sind eine der bekanntesten Unternehmerfamilien im Land. Jetzt reden Vater und Sohn
Kamesh Ahire kommt aus Indien – und geht nun in der Metzgerei von Dorothea Dosenbach in die Lehre. Das Projekt könnte Nachahmer finden
Der neue GLC für Geschäftskunden.
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»Wenn die Zeiten hart werden, dann legen die Harten los«, lautet ein Spruch aus den USA. Auch im deutschen Mittelstand ist das so. Energiepreise steigen, die Rezession kommt, der Fachkräftemangel bleibt. Und Firmen finden Lösungen, gewinnen Inder als Azubis oder setzen auf Innovation. Davon handelt dieses Heft. Wir wünschen viel Gewinn beim Lesen!
Ihr »ZEIT für Unternehmer«-Team
An dieser Ausgabe haben unter anderem mitgearbeitet:
Vasya Kolotusha lebt im ukrainischen Tscherkassy. Trotz aller Probleme arbeitet er weiter als Illustrator
Navina Reus sorgt seit inzwischen vier Jahren für die besonderen Bilder in diesem Magazin
Felix Leitmeyer legte bei den Recherchen für diese Ausgabe Hunderte Kilometer zurück
(links)
schätzt DATEV Software
Mit Herz für Mensch und Umwelt haben Stephanie und Stefan Gei senhofer 2019 eine Bäckerei und Konditorei in Freising bei München übernommen. Aktuell betreiben sie fünf Filialen mit rund 100 Mitarbei tern. Und bewegen viel. Sie kaufen Zutaten regional, verzichten beim Backen auf Fertigmischungen und spenden an die Tafel und an Foodsharing.
Mit der Software von DATEV hät ten sie es zudem in kürzester Zeit geschafft, ihre Buchhaltung „zu strukturieren und besser zu machen“, sagt Stefan. Außerdem spa ren sie so Papier, „um die Wälder zu schützen“. Das Paar ist sich sicher, mit DATEV und ihrer Steuerberatung bestens aufgestellt zu sein: „Für alle Projekte, die wir noch vor uns ha ben.“ Die Zukunft kann kommen.
Mehr über die Bäckerei Geisenhofer und weitere Unternehmen unter: gemeinsam-besser-machen.de
Wo die Firmen ihren Sitz haben, die in dieser Ausgabe vorkommen
Die exklusive Abendveranstaltung für den lösungsorientierten Austausch 12. September | 17.30 Uhr | Zeche Zollverein, Essen
Der Arbeitskräftemangel stellt den Mittelstand auf die Probe. Unternehmen sollten die Herausforderung strategisch angehen – und den Fokus auf die Älteren legen.
Wo sind die Mitarbeitenden geblieben? Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden, erweist sich nicht nur in der Pflege oder im Hand werk zunehmend als Herausforderung. Vielen Mittelständlern gelingt es trotzdem – und von diesen Beispielen durften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer exklusiven Veranstaltung der ZEIT Verlagsgruppe und der ETL Steuerberatungsgruppe auf dem Gelände der Zeche Zoll verein in Essen lernen. Die Botschaft lautete: Erfolgreiche Unternehmen gehen das Thema »Fachkräftegewinnung« strategisch an.
»Arbeitgeberattraktivität und Investitionen in die Mitarbeitenden sind genauso wichtig wie Werte – seien es Diversität, Nachhaltigkeit oder der Freiraum zur Selbstverwirklichung. Hier müssen sich Mittelständler positionieren und darüber wertig und positiv kommunizieren«, erklärte Gastgeber Marc Müller, Vorstand der ETL AG Steuerberatungsgesell schaft. Sein Unternehmen hat in dem gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) herausgegebenen »Mittelstands kompass« untersucht, was erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen unterscheidet.
»Früher fehlten die MINT-Kräfte, heute geht der Arbeitskräftemangel bis in die Mitte der Qualifikationsstruktur hinein«, betonte IW-Direktor Michael Hüther. Er forderte die Unternehmen auf, die Herausforderungen des Strukturwandels ernst zu nehmen. Denn die Alterung der Gesell schaft führe zu Teuerung und Wachstumsverlust. Dieser Effekt lasse sich nicht einmal durch Zuwanderung ausgleichen.
In dieser Situation führt laut Hüther nur strategisch orientiertes Han deln zum Erfolg. Eine Unternehmenskultur, die auf guter Teambildung und Feedbackkultur basiert und die den Mitarbeitenden Spielräume ermöglicht, sei ebenso wichtig wie die monetäre Vergütung. Auch eine Stärkung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung wirke sich positiv auf die Rekrutierung von Mitarbeitenden aus. Notfalls müssen Unternehmen Hüther zufolge auch mal erfinderisch sein – so wie ein
Wiesbadener Burger-Restaurant, das mit einer Prämie von 500 Euro neue Teammitglieder lockt.
In der Diskussion verwiesen Professor Dr. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer Sarna Röser, Janice Schmidt-Altmeyer, Leiterin der Europavertretung der Bundesagentur für Arbeit, sowie der Vor standsvorsitzende der ETL AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Christoph Tönsgerlemann auf das Poten zial von Frauen, Zugewanderten und Älteren, die häufig unter ihren Möglichkeiten arbeiteten. Mit besseren Angeboten zur Kinder betreuung, Arbeitszeitflexibilität und besserer beruflicher Bildung ließe sich dieser Schatz heben. Den Unternehmen selbst könne ein gutes Employer Branding helfen, Interessierte für sich zu begeistern. »Mittel ständler müssen erklären, warum jemand für sie arbeiten sollte«, so Röser und warb für »Mittelstand statt Ruhestand«. Der Fokus, machte die junge Unternehmerin deutlich, liegt künftig auf den Älteren.
Beim Werben um Mitarbeitende auch mal unkonventionelle Wege gehen: Das riet IW Direktor Michael Hüther den Unternehmer:innen in Essen.
Download ETL Mittelstandskompass 2022
Der Wirtschaft fehlen Fachkräfte. Manche Betriebe suchen deswegen nun sogar schon Azubis im Ausland 14–18
Martin Herrenknecht und sein Sohn Martin-Devid über die Politik, die Krise und den Generationswechsel 6–11
Wie Firmen mit den Preisen umgehen 12
SCHWERPUNKT INDUSTRIE 4.0
Cyberversicherungen sollen vor Schäden durch Hackerattacken schützen 20–22
Eine Fabrik wird zum Softwarehaus 24
RAT AUS DEM SILICON VALLEY
Richard Socher greift Google an 26
FOTOSTORY
Zu Besuch in einer Cannabisfabrik 28–32
ARBEITSWELT
Die Zeiterfassung soll zum Normalfall werden. Das sorgt für Fragen 34–36
Jüngere Unternehmer setzen häufiger auf New-Work-Maßnahmen als ältere 38
Eine Personalvermittlerin erklärt, was New Work ausmacht 39
PORTRÄT
Wie sein Netzwerk den Unternehmer Karlheinz Kögel beflügelt 40–42
START-UPS
Droht eine Finanzierungslücke? 44–45
EIN TAG MIT … ... einem Abbruch-Unternehmer 46–48
DIE ERFINDUNG MEINES LEBENS
Lelia König kämpft für ihre Idee 50
IMPRESSUM 32
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Mit 80 hat Martin Herrenknecht seinen Filius Martin-Devid in den Vorstand seiner Erfolgsfirma geholt. Ans Aufhören denkt er nicht, und er mischt sich weiter ein –gerade in schwierigen Zeiten. Ein Gespräch mit Vater und Sohn VON JENS TÖNNESMANN
Wer die Herrenknechts besucht, passiert eine Art Museum des Erfolgs: an den Wänden Fotos von Vortriebsmaschinen – riesigen maulwurfartigen Bohrern, die das Unternehmen seit den 1970ern herstellt. Daneben Bilder, die den Chef mit Politikern wie Angela Merkel zeigen. Martin Herrenknecht hat in fünf Jahrzehnten aus einem Ingenieurbüro einen Weltkonzern geformt, hier in Allmannsweier, das zur südbadischen Gemeinde Schwanau gehört. Im Juni ist er 80 geworden, sitzt dem Vorstand aber immer noch vor; im August hat er seinen Sohn Martin Devid, 35, in das Gremium geholt. Kaum haben die beiden den Konferenzraum betreten, stellt der Senior klar: Bevor es um den Generationswechsel gehe, müsse über die schwierige Lage geredet werden. Gerade erst habe er deswegen Lars Klingbeil geschrieben.
ZEIT für Unternehmer: Was möchten Sie vom SPD-Parteichef, Herr Herrenknecht?
Vater Martin Herrenknecht: Die Energie krise trifft Menschen mit wenig Einkommen hart, ich befürchte soziale Spannungen. Da her möchte ich, dass er sich dafür einsetzt, die Steuerlast für Geringverdiener zu senken und die Überstunden steuerfrei zu stellen. Diese Menschen könnten ihre Stromrech nung wieder leichter bezahlen. Und weil viele dann gerne mehr arbeiten würden, könnten wir den Arbeitskräftemangel be heben, der die Wirtschaft arg belastet. Was hat Klingbeil geantwortet?
Vater: Bisher nichts. Die in der Politik sind anderweitig beschäftigt. Und leider machen die ständig Fehler. Die Gaspreisbremse etwa hätte man viel früher vorbereiten können.
Stattdessen hat die Bundesregierung zugese hen, wie wir in eine Energiekrise schlittern. Sohn Martin-Devid Herrenknecht: Poli tiker müssen derzeit aber auch viele Probleme auf einmal lösen und sich viel Kritik anhö ren. Ich möchte gerade kein Politiker sein. Vater: Trotzdem müssen die erkennen, wie sehr sich die Welt gerade verändert. Kaum hatten wir die Pandemie einigermaßen im Griff, hat dieser Scheißkrieg begonnen. Crazy Putin! Was hat den nur geritten, in der Ukraine einzumarschieren. Vom russischen Präsidenten haben Sie 2018 einen Freundschaftsorden erhalten. 2016 hatten Sie gefordert, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, die nach der Annexion der Krim verhängt worden waren. Wie denken Sie heute darüber?
Vater: Ich habe Putin falsch eingeschätzt. Vernünftiger. Aber er verhält sich wie ein kleines Kind, dem man das Spielzeug weg nimmt – und das völlig unkontrolliert um sich schlägt.
Ein Freund Putins ist Gerhard Schröder, der 2017 Vize-Aufsichtsratschef Ihres Unternehmens wurde. Das Amt hat er im März abgegeben, kurz nach Russlands Invasion. Später haben Sie angedeutet, der Rückzug sei auf Druck der USA er folgt. Hat man Ihnen dort mit Sanktionen gedroht, falls Schröder bleibt?
Vater: Das Thema der Sanktionen hat auch eine Rolle gespielt. Vor allem aber haben wir unterschiedliche Sichtweisen auf den Krieg. Ich stehe hinter der Politik der Bun desregierung und den Sanktionen der EU. Wir müssen den Ukrainern helfen, und ich bin absolut dafür, dass wir die Freiheit ver teidigen. Aber wir brauchen auch Verhand lungen, denn jeder Tote ist einer zu viel. Und wir brauchen eine Politik, die uns besser vor den Folgen dieses Krieges schützt – und uns im internationalen Wettbewerb nicht im Stich lässt.
Was meinen Sie genau?
Vater: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die Euro päische Kommission überweist Italien viel Geld für Infrastrukturprojekte. Und die Italiener kaufen damit Tunnelvortriebsma schinen. Allerdings nicht bei uns, sondern in China. Obwohl wir, anders als die Chinesen, ein Drittel des Geldes wieder bei italienischen Zulieferern ausgeben würden. Zugleich werden wir in China ausgebremst. Sie haben in China doch schon mehr als 800 Projekte realisiert, 2020 hat sich Ihr Auftragsvolumen dort sogar verdoppelt!
Vater: Aus China erhalten wir inzwischen weniger Aufträge. Unsere 900 Leute in Guangzhou können wir nur halten, weil wir dort Maschinen für Australien und Südkorea bauen. Und während der chinesische Staat seine Firmen finanziell bei Auslandsprojekten komplett absichert, erhalten wir nur Bürg schaften für einen Teil der Projektsumme. Was folgern Sie daraus?
Vater: Deutschland und Europa müssen er kennen, dass es sinnvoller ist, heimische Firmen zu beauftragen und bei Auslands projekten mehr Garantien zu gewähren.
Nur so können wir Arbeitsplätze in Europa erhalten. Ich habe das Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben und Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck – aber es passiert nichts. Martin-Devid, Sie gelten als Troubleshooter, seit Sie eine Tochterfirma saniert haben. Wie sehr nimmt die Krise Sie mit? Sohn: Als Vorstandsmitglied bekomme ich ein ordentliches Gehalt, um Probleme zu lösen – und nicht, um über sie zu reden. Sicherlich ist es eine Krisenzeit, aber weil unsere Aufträge lange Laufzeiten haben, stehen wir nicht so unter Druck. Bäcker oder Metzger, die ihre Kunden jeden Tag neu gewinnen müssen, müssen jetzt stark kämpfen mit den Energiepreisen und allgemeinen Preissteigerungen.
Aber die höheren Preise spüren Sie auch?
Sohn: Natürlich. Stahl ist in Europa mehr als doppelt so teuer wie noch vor zwei Jahren. Elektronische Teile genauso. Und Seefracht ist viermal teurer als vor der Pandemie. Können Sie von Ihren Kunden nach Ver tragsschluss noch mehr verlangen, wenn Ihre Einkaufspreise steigen?
Sohn: Wir haben gar keine andere Chance, als den Preis nachzuverhandeln, sonst kön nen wir nicht wirtschaftlich arbeiten. Das ist nicht angenehm und kostet Energie, die anderswo fehlt.
Gehen die Kunden das denn mit?
Sohn: Teils, teils. Aber gerade Bauunterneh men, unsere Hauptkunden, haben dafür in der Regel Verständnis.
Vater: Wir arbeiten auch daran, die Kosten runterzubringen – etwa, indem wir die Effizienz unserer Technologien verbessern. Und wir bahnen permanent neue Projekte an, deswegen war ich zum Beispiel gerade in Australien unterwegs und fahre demnächst nach Thailand. Und du warst in Finnland ...
Sohn: ... wo wir für den Bau eines atomaren Endlagers eine Maschine ganz neuen Typs gebaut haben, die Schächte mit exakt 1,75 Meter Durchmesser bohren kann.
Wie fühlt sich das an, wenn Sie neben so einem Schacht stehen?
Sohn: Ich bin da voll happy. Auch wenn es nur um sechs Millionen Euro geht und nicht um 50 Millionen Euro wie beim Bau des Gotthard Tunnels in der Schweiz. Bei der
neuen Entwicklung gab es auch Rückschlä ge, deswegen war es für die Mannschaft wichtig zu sehen: Wir können Maschinen bauen, die hochpräzise senkrecht bohren und mit dem harten Gestein klarkommen. Ihr Untertagebau hat zuletzt unter Plan abgeschlossen. Was versprechen Sie sich vom Bau solcher Endlager?
Sohn: Für uns ist das sehr attraktiv, weil sich auch Deutschland, Frankreich und die Schweiz um ihren Atommüll kümmern müssen – und weil uns potenzielle Aufträge mit einem Volumen von 100 Millionen Euro in Russland weggebrochen sind.
Mal abgesehen vom Atom: Europa will weg von den fossilen Energieträgern und damit von Förderschächten und Berg werken. Wird das zum Problem für Sie?
Vater: Nein. Wir erwarten in diesem Jahr insgesamt Aufträge mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro – 150 Millionen mehr als 2021. Und angesichts der hohen Gas preise wird es doch sogar interessanter, die Wärme des Bodens zu nutzen, etwa hier im Oberrheingraben. Wir liefern die Tiefbohr anlagen, um geothermische Energiequellen weit unter der Erdoberfläche anzuzapfen. Dagegen gibt es aber viele Bedenken. Vater: Ja, die Politiker sind auch bei diesem Thema ziemlich verbohrte Typen. Ich hab das mit dem Kretschmann besprochen ... ... dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten ...
Vater: ... und der sagt: Herrenknecht, hör uff mit der Geothermie, denk an Staufen! In Staufen hebt sich seit 15 Jahren der Boden, viele Gebäude haben Risse ... Vater: ... weil die mit billigen Bohranlagen runter sind und schlecht gearbeitet haben. So ist Wasser in eine Schicht mit Gipsstein eingetreten, und der hat sich ausgedehnt. Das ist so, als würdest du in einen Kuchen teig Hefe reinwerfen. Und die Politiker denken zu begrenzt, um zu verstehen, wie man es besser macht. Wenn wir solche Bohrungen professionell machen und sie wissenschaftlich begleiten, kann nichts schiefgehen. In Brühl bei Mannheim sind wir auf 3300 Meter runter, und es gab keine Erdbeben oder Verschiebungen, nix. Sohn: Dazu kommt, dass Geothermie grundlastfähig ist, sie also kontinuierlich
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Energie liefert. Dafür könnte man schon ein bisschen mehr Risiko eingehen. Genauso wie beim Fracking ... bei dem man Flüssigkeit ins Gestein presst, damit sich Erdgas fördern lässt ... Sohn: ... und für das wir Bohranlagen liefern. Mit Fracking in Norddeutschland könnte man die Energiepreise sicher gut senken.
Vater: Aber die Deutschen sind Angsthasen. Und wenn sie Angsthasen bleiben, dann ist die Industrie irgendwann weg, und wir werden wieder ein Agrarland. Fracking von Gas aus Schiefergestein ist hier verboten, weil der Gesetzgeber den Schutz des Grundwassers für wichtiger hält als wirtschaftliche Belange.
Vater: Wie absurd. Deswegen wird jetzt Fra cking-Gas aus Amerika verflüssigt und hier her verschifft. Dabei geht schon die Hälfte der Energie drauf, es kostet viel Geld. Das ist doch hirnverrückt! Ich bin sicher: Wenn wir Fracking-Bohrungen in Deutschland auf den ersten tausend Metern verrohren und zementieren, ist das Grundwasser geschützt. Wie wäre es, stattdessen die Erneuerbaren auszubauen?
Vater: Als die Wirtschaft gut gelaufen ist, konnten wir uns vieles leisten, auch das grüne Märchen von den Windrädchen und Solar anlagen. Aber jetzt stecken wir in einer Energiekrise! Wir müssen die Kohlekraft werke hochfahren und die Kernkraft nutzen, damit wir sicher über den Winter kommen. Nicht nur bis 2023. Ich habe schon Angela Merkel in einer Audienz gesagt, dass sie mit dem Atomausstieg einen Fehler gemacht hat. Merkel handelte unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima, die zu radioaktiver Verseuchung geführt hat.
Vater: Ursache war ein Tsunami. Damit so eine Riesenwelle Baden-Württemberg er reicht, müsste sie mit 300 Metern Höhe in der Nordsee beginnen. Unmöglich. Es gibt noch andere Ereignisse, die eine Reaktorkatastrophe auslösen können.
Vater: Die deutschen Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt! Aber wir setzen stur auf Sonne und Wind und stellen eine Kerze hin, wenn Flaute herrscht und es dunkel ist. Sie haben sogar mal Anzeigen gegen Windräder geschaltet. Martin-Devid, ticken Sie da ähnlich?
Sohn: Die Windkraft bietet natürlich Chancen. Auch für uns! Mit unseren Ma schinen werden vor der französischen Atlan tikküste Löcher für Fundamente von Off shore-Anlagen gebohrt.
Vater: Ich bin auch für Windkraft – aber eben nur dort, wo der Wind weht. Also nicht im Schwarzwald.
Wird Strom teurer, lohnen sich auch Anlagen dort, wo es weniger windig ist.
Vater: Mir ist es wichtiger, die Natur zu schützen, als auf Tod und Teufel Windrädle zu bauen und Schneisen in Wälder zu schla gen, über die sich der Borkenkäfer verbreitet. Dass der sich vermehrt, liegt aber an der Erderwärmung – und die Windkraft kann dazu beitragen, sie aufzuhalten.
Vater: Gerne auf hoher See. Wir hätten auch die nötigen Maschinen, um die unterirdischen Stromtrassen von Nord nach Süd zu bauen. Aber statt die zu ermöglichen, disku tieren die Politiker lieber über Schmetterlin ge und Kröten. Wie immer in Deutschland. Sohn: In Deutschland sind die Auflagen für Infrastrukturprojekte sehr hoch, dazu kom men die Bürokratie und langwierige Ver fahren. Wir als Unternehmer stehen per manent im Feuer und überlegen uns zwei mal, ob wir das Risiko eingehen, neue Technologien zu entwickeln.
Dafür, dass hier vieles so schlecht ist, gibt es erstaunlich viele innovative Weltmarktführer wie Sie selbst. Was aber auffällt: Sie formulieren die Kritik etwas diplomatischer als Ihr Vater.
Sohn: So ist das. Ich denke schon viel darü ber nach, was ich sage und tue. Sicherlich bin ich auch jünger. Aber mit meiner Erfahrung und meinem Erreichten macht es mir sehr viel Freude, konstruktiv und un ternehmerisch zu arbeiten.
Vater: Ich lasse ihm freien Lauf. Daher habe ich ihm das Mining-Geschäft übertragen, da halte ich mich raus, er muss sich bewähren.
Martin Herrenknecht, Sie sind der Prototyp des heimatverbundenen Weltmarkt führers. Sind Sie auch der Prototyp des Patriarchen, der nicht loslassen kann?
Vater: Wissen Sie, ich hab mir schon über legt: Gehste nach Spanien baden – und lässt die Kiste hier laufen? Aber erstens bin ich zu blöde zum Kochen, zweitens bin ich
sehr verbandelt mit dem internationalen Geschäft. Drittens möchte ich Arbeitsplätze sichern in Europa und schauen, dass wir hier in Deutschland über die Runden kommen. Es wäre doch dumm, wenn ich meine Er fahrung in diesen schwierigen Zeiten nicht mehr einbringen würde.
Wann ist für Sie Schluss?
Vater: Natürlich kannste mit 80 ’nen Datsch kriegen, wo du dann weg bist. Aber solange ich kann, will ich die junge Generation un terstützen, also meinen Sohn und die ande ren Vorstände.
Es gibt Familienunternehmer, die sagen: Mit 65 trete ich ab, der Nachfolger muss ran. Sie haben gesagt: Ihr Nachfolger darf erst übernehmen, wenn er 40 ist ... Sohn: (lacht) Es waren mal 30 Jahre, dann 35, dann 40 ...
Das wird nicht noch mal hochgesetzt?
Vater: Nein. Es ist wichtig, dass ein Fa milienmitglied im Vorstand sitzt. Jemand, der die Firma auch repräsentieren kann.
Martin-Devid, Sie haben zwei Schwes tern, Briana ist Schauspielerin, Joanita Designerin.
Sohn: Und beide sitzen im Beirat unserer Familienstiftung und kontrollieren uns, meinen Vater und mich. Aber operativ sagen die immer: Mach du! Das ist angenehm. Ich bin meinen beiden Schwestern und meiner Mutter immer sehr dankbar, dass sie ein solch großes Vertrauen haben. Unabhängig von allem ist es eine tolle Familie.
War stets klar, dass Sie dem Vater folgen?
Sohn: Ja. Ich war ja schon als Kind im Un ternehmen unterwegs.
Vater: Als er sechs war, hab ich ihn mit nach Zürich genommen zu einem Kunden und ihm vorher erzählt, dass der schlecht zahlt. Beim Gespräch hat Martin Devid dann aus dem Fenster gestarrt, und der Kunde hat ihn gefragt, was denn los sei. Er hat geant wortet: Na, Sie zahlen ja nicht! Dann ist der Kunde zum Tresor und hat ihm eine kleine Goldmünze geschenkt.
Sohn: Und mit 14 war ich einmal ganz nie dergeschlagen, als wir bei einem Kunden in Italien waren und ihm die Maschine etwas unterhalb des erhofften Preises verkauft ha ben. Mein Vater und der Vertriebschef haben nur gelacht und gesagt: Über die Ersatzteile
holen wir das wieder rein. So habe ich immer mehr gelernt, wie man verhandelt.
Ihr Vater hat für die Firma einst sein Haus beliehen. Haben Sie den Wagemut geerbt?
Sohn: Als zweite Generation ist man sicher lich im Erhalten Modus. Aber Unternehmer zu sein heißt immer auch, Risiken einzuge hen und zu unternehmen – Stillstand bringt nichts, besonders wenn die Zeiten sich so schnell ändern. Ansonsten bin ich nicht der Typ, der immer in der Zeitung stehen will. Ein, zwei Interviews im Jahr reichen. Ich kümmere mich lieber um unsere Mitarbei ter, die Firma und bin Unternehmer.
Sollten sich Unternehmer nicht gerade in schwierigen Zeiten mehr einmischen?
Sohn: Schon. Aber mich würde es nerven, immer nur die Politik zu kritisieren, ohne dass es in konstruktiven Austausch mündet.
Martin Herrenknecht, Sie haben Ihre Meinung immer auch gegen Widerstände vertreten – und fanden noch vor einigen Jahren, Ihr Sohn brauche mehr Härte.
Vater: Eine gewisse Härte gehört zum Ge schäft, beim Aufbau einer Firma mehr, als wenn sie etabliert ist. Und du brauchst Über zeugungskraft, um Kunden zu gewinnen.
Ihr Sohn soll danach eine Rolle mit mehr Verantwortung eingefordert und andern falls mit Weggang gedroht haben.
Sohn: Wenn die nächste Generation in ei nem Familienunternehmen Verantwortung übernehmen will, dann sollte sie das auch können. Sicherlich auch immer ein indivi dueller Fall, ich übernehme auf jeden Fall gerne Verantwortung und bin Unternehmer.
Vater: Ich sehe das alles positiv, es zeigt doch, dass er weiß, was er will, und dafür auch eintritt. Ich bin sicher, Martin Devid wird seinen Weg gehen. Ich wünsche ihm alles Gute. Und schaue dann irgendwann von oben runter, wie gut das läuft.
Nach dem Interview geht es in die Kantine. Das »Herrenknecht-Menü« kostet 5,50 Euro. Der Firmenchef lädt ein, zahlt bar und setzt sich an einen Tisch inmitten seiner Leute. Wieder geht es um die Politik. Soll er sich weiter einmischen oder raushalten? »Herr Tönnes mann«, fragt er den Journalisten, »was würdest du denn an meiner Stelle tun?« In Wirklichkeit hat er das für sich wohl längst entschieden.
»Sissi« tauften die Bohrmann schaften dieses Ungetüm von Herrenknecht, das den 57 Kilometer langen GotthardBasistunnel bohrte – ein Rekord
97 %
1,14 1,29
Vier minus: Mit dieser Note bewerten Leserinnen und Leser von ZEIT für Unternehmer die Politik der Bundesregierung in der Energiekrise. Das hat eine Umfrage in der Oktober-Ausgabe unseres News letters ergeben.
Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ, aber sie fügt sich gut ein in das Stim mungsbild des Mittelstands, dem die ho hen Energiepreise zu schaffen machen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsver bände »Die Familienunternehmer« und »Die Jungen Unternehmer« unter rund 700 Mitgliedern mussten die Firmen im September etwa dreimal so viel für Strom und Gas zahlen wie im September 2021. Jedes vierte Unternehmen sieht die eigene Existenz und Wettbewerbsfähigkeit be droht. Ähnlich groß ist der Anteil derer, die ihre Produktion drosseln, einstellen oder ins Ausland verlagern. Die Förder bank KfW berichtet, dass Mittelständler
Die Energiekosten treffen viele
VON LEON IGEL»Wir rüsten Busse und Bahnen mit Netzwerktechnik aus, bauen Stromschienen und verlegen Kabel. Wir bewerben uns oft auf öffentliche Ausschreibungen und sind über Jahre an die Preise gebunden. Das kann für uns und andere kleine und mittelständische Unternehmen zum Problem werden. Aber ohne uns wird es keine Verkehrswende geben. Daher finde ich: Investitionen in die Verkehrsinfrastruk tur müssen angepasst werden, um die Baukostensteigerungen auszugleichen.« Larissa Zeichhardt, Geschäftsführerin des LAT Funkanlagen Service in Berlin
schon Investitionen zurückstellen. Aller dings treffen die Preise nicht alle Firmen gleichermaßen – und nicht jede kann sie weitergeben.
»Als Betreiber von Rechenzentren haben wir längerfristige Stromverträge, steigen de Preise müssen wir an unsere Bestands kunden daher nur anteilig weitergeben. Sollte der Strom einmal ausfallen, haben wir Treibstoffreserven für mehrere Tage, um Generatoren zu betreiben. Aufgrund
der Krise kümmern sich viele Firmen um ihre IT-Sicherheit, was unabhängig von den Strompreisen zur Nachfrage nach unseren Dienstleistungen beiträgt.« Joachim Astel, Vorstand und Mitgründer der Nürnberger Noris Network AG
»Die Lage macht mich wütend. Als Un ternehmer investiere ich nicht mehr in neue Technologien, sondern bin gezwun gen, mich auf die Energiebeschaffung zu konzentrieren. Geht das so weiter, gehen wir in Deutschland einer Deindustriali sierung entgegen. Die Atomkraftwerke müssen daher weiterlaufen – auch über den April 2023 hinaus.«
Harald von Waitz, Eigentümer und Chef der Jacob Waitz Industrie GmbH in Karben
»Wir entwickeln und fertigen Druckgussteile aus Zink und Aluminium, die andere Unternehmen in ihren Produkten und
mehr als noch im Vorjahr mussten Firmen laut einer Umfrage des Familienunternehmer-Verbands im September für Gas zahlen
für einen Monat, ein oder zwei Jahre abschließen? Wir müssen wieder verlässlich planen können, dafür braucht es stabile Preise. Wir Mittelständler sind schließlich Kaufleute und keine Spekulanten.«
Ralf Herre, Geschäftsführer von Zismann Druckguss in Heiligenhaus, NRW
»Wir stellen Porzellan her und brauchen dafür Gas, um unsere Öfen zu betreiben. Aber dank einer effizienteren Steuerung verbrauchen wir ein Drittel weniger als vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Wir haben unsere Hausaufgaben ge macht, jetzt ist der Staat an der Reihe: Er muss Krisen schneller managen.«
Daniel Jeschonowski, Geschäftsführer der Porzellanmanufaktur Kahla/Thüringen
Maschinen verbauen. Wenn Energie teu rer wird, spüren wir das sehr. Die Kosten möchten wir als Zuschlag weitergeben, aber wie genau? Sollen wir Energieverträge
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hat gerade seine
Dorothea Dosenbach findet keine Fachkräfte mehr für ihre Metzgerei. Kamesh Ahire und zwei weitere Azubis aus Indien sollen ihr Problem lösen.
Das geht aber nur, weil die drei vorher viel aufs Spiel gesetzt haben
Um ein großes Problem zu lösen, braucht es manchmal viele kleine Schritte. Zum Bei spiel diesen: »Der Herr ist ganz beeindruckt, dass du wusstest, was Weckle und Schäufele sind«, flüstert Dorothea Dosenbach ihrem neuen Auszubildenden zu. Der heißt Kamesh Ahire und packt gerade ein Frikadellen brötchen in eine knisternde Papiertüte; alles ist noch etwas ungewohnt, die Kunden in der Schlange beobachten jede Handbewe gung. »Das wird, keine Sorge, viel Erfolg noch!«, meint einer. Und eine Kundin sagt: »Ich bin froh, dass es auch dank Ihnen hier im Ort noch eine Metzgerei gibt.«
138 Jahre ist die Metzgerei Dosenbach aus Bad Bellingen am Rande des Süd schwarzwalds jetzt alt, doch im Jahr 2022 ist manches neu. Weil die Firma hierzulande keine Lehrlinge mehr findet, hat sie drei junge Männer aus Indien eingestellt. Kamesh Ahire, 25, aufgewachsen in der Stadt Male gaon im indischen Bundesstaat Ma harashtra, macht nun eine Lehre zum Fleischerei fachverkäufer. Arjun Moothedath Parambil Gopalakrihnan, 25, und Joseph Pallivathu kal Alex, 27, werden zu Fleischern ausgebil det. Keiner der drei hatte je Deutschland besucht, bis Dorothea Dosenbach sie am Frankfurter Flughafen abholte. Sie hat ihnen eine Wohnung gesucht und wäscht jetzt manchmal ihre Wäsche. Sie macht das gerne, sagt sie, »die Azubis von heute sind ja die Fachkräfte von morgen«.
Und die sind allerorten knapp. Das In stitut der deutschen Wirtschaft Köln hat anhand von Stellenangeboten ermittelt, dass dem Land zwischen Juli 2021 und Juli 2022 eine halbe Million Fachkräfte gefehlt haben. Laut einer aktuellen Studie der Beratung Boston Consulting Group büßt die Bundes republik durch den Personalmangel jährlich 86 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung ein – das entspräche etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Auch der Nachwuchs wird knapp: 1,25 Millionen Auszubildende und Lehrlinge hat es dem Statistischen Bundesamt zufolge im Jahr 2021 in Deutschland gegeben – noch vor zehn Jahren waren es rund 1,45 Millio nen. Und im August, also einen Monat vor Beginn des Ausbildungsjahres, waren laut der Bundesagentur für Arbeit noch 182.000
Ausbildungsplätze frei. Manche Branchen trifft es besonders hart. Schon im Mai 2021 klagte der Deutsche Fleischer-Verband, dass fast jedem zweiten Betrieb Lehrlinge fehlten. Womöglich kann die Branche nun von Do rothea Dosenbach und ihren indischen Azubis lernen – und von dem ungewöhnli chen Projekt, mit dem sie sich geholfen hat.
Die Unternehmerin blickt auf anstren gende Wochen zurück, als sie im Frühsom mer 2021 an ihrem Schreibtisch sitzt und durch ihre Mails scrollt. Um die Betreuung ihrer neun und elf Jahre alten Töchter und die Arbeit in der Metzgerei mit immerhin vier Fachgeschäften zu stemmen, arbeitet sie an manchen Tagen von drei Uhr morgens bis sechs Uhr abends. Danach nimmt sie oft an Sitzungen des Gemeinderats teil, in dem sie sich für die CDU engagiert. Manchmal bleiben ihr nur vier Stunden Schlaf. Und jetzt rückt der Beginn des neuen Lehrjahrs näher – Bewerbungen bisher: Fehlanzeige. Nun liest sie eine Mail der Handwerks kammer Freiburg, die Metzgernachwuchs aus Indien anwerben will. Später ruft die Kammer bei ihr an, Dosenbach entscheidet sofort: Da mach ich mit.
Kamesh Ahire lebt zu dieser Zeit knapp 6600 Kilometer Luftlinie entfernt in Nashik, im indischen Bundesstaat Ma ha rashtra. Er arbeitet bei einer großen Hühnerzuchtfirma. Im Durchschnitt verbringt er ein bis zwei Stunden täglich im Zug, er fährt dann zum Beispiel zu den Stallungen seiner Firma, um Hühner zu impfen. Die Arbeit empfindet er als belastend, die Bezahlung als schlecht. Da hört er über einen Freund von einer indischen Personalagentur, die Fachkräfte für deutsche Firmen anwirbt.
Die Agentur heißt Magic Billion, und sie sucht in Indien auch nach Menschen, die bei deutschen Baufirmen und Pflegediensten anheuern wollen. Ein Unternehmer aus Deutschland, der Ärzte und Pflegekräfte für Krankenhäuser rekrutiert, lobt Magic Billion auf dessen Website – und die Firma preist die Bundesrepublik: »Die Deutschen legen gro ßen Wert auf Zeit zur Entspannung«, steht da, Mitarbeiter erwarte »eine ausgezeichnete und gesunde Work-Life-Balance«.
Kamesh Ahire trifft eine Entscheidung: Er wird alles riskieren, um in Deutschland
»nach mehr Erfüllung, Perspektive und ei nem höheren Lebensstandard zu suchen«, wie er heute sagt. Dafür durchläuft er noch mal eine Ausbildung, obwohl er in Indien schon Geflügelwissenschaften studiert hat und sich mit der Zucht auskennt. Er findet, dass er dabei noch einmal etwas Neues ler nen könne, etwa die Zubereitung von Ge richten und den Umgang mit Kunden. Und er möchte seiner Familie später Geld senden können. Also klickt er auf der Website von Magic Billion auf »Apply now!« und lädt seinen Lebenslauf hoch.
Schnell wird Kamesh Ahire angenom men und zu einem Highspeed-Sprachkurs in Neu-Delhi eingeladen. Um in Deutsch land arbeiten zu dürfen, muss er die deutsche Sprache mindestens auf B1-Niveau beherr schen. Solche Sprachkenntnisse und eine Berufsausbildung setzt das deutsche Fach kräfteeinwanderungsgesetz von 2020 für Menschen jenseits der EU-Grenzen voraus. B1 steht für »fortgeschrittene Sprachver wendung«; wer sie beherrscht, kann laut Definition unter anderem »Träume, Hoff nungen und Ziele beschreiben«. Die hat Kamesh Ahire zweifellos; er muss jetzt nur noch lernen, sie auf Deutsch zu formulieren.
Im Oktober 2021 zieht er in die indische Hauptstadt. Und er muss in Vorleistung ge hen: Umgerechnet etwa 6000 Euro inves tiert er in seinen Sprachkurs, den Aufenthalt und die Vermittlung an ein deutsches Un ternehmen. Wenn er die Sprachprüfung nicht besteht, dann ist sein mühsam ange spartes Geld umsonst investiert.
Ob es fair ist, dass er das ganze Risiko trägt? Kamesh Ahire hat kaum Zeit, darüber nachzudenken. Denn er hängt sich rein, büffelt eine Sprache, die er bis dahin nie ge sprochen hat. Das ist schließlich seine Chance, vielleicht die einzige. Er hat Erfolg: Er ist einer der 13 von anfangs 30 AzubiAnwärtern, die das B1-Zertifikat erhalten.
Nun steht Kamesh Ahires Name auf einer Liste, die Magic Billion zusammen mit 13 Lebensläufen an die Handwerkskammer Freiburg schickt. Die macht sich ans soge nannte Matching und kombiniert die Wünsche und Erwartungen der Arbeitgeber und die der Inder – und ordnet Kamesh Ahire den Dosenbachs zu.
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Früh um halb sechs beginnt Kamesh Ahire mit der Arbeit. In seiner Lehre lernt er auch, Kunden zu beraten und Gerichte zuzubereiten
Mathias Kutt für ZEIT für Unternehmer
Nun ist es Zeit fürs Speed-Dating. An einem Tag im Mai 2022 nimmt Kamesh Ahire in Neu-Delhi vor einem Bildschirm Platz. Virtuell sitzt er Dorothea Dosenbach und ihrem Mann Patric gegenüber. Die Dosenbachs führen ihn per Video durch ihre Metzgerei, er begrüßt seine zukünftigen Kollegen. Alle sind etwas aufgeregt, wie sie später erzählen.
Drei Azubis lernt Dorothea Dosenbach an diesem Tag per Video kennen und nimmt sie alle. Jetzt ist sie gefordert. Sie muss sich um die Visa der drei kümmern und eine Wohnung für sie finden. Die darf nicht teuer sein, soll aber in der Nähe der Metzgerei liegen und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben. Über Monate durchkämmt Dosenbach Anzeigen. »Ich möchte ja, dass meine Azubis lange und gerne bei mir arbeiten«, sagt sie. »Das geht nur, wenn sie sich ein schönes Leben hier aufbauen und eine berufliche Perspektive haben.«
Aber die Chefin macht nun eine Erfah rung, die viele Lehrlinge im Land kennen: Was Azubis mit harter Arbeit und nicht sel ten mit Überstunden verdienen, reicht oft kaum, um die stark gestiegenen Mieten zu bezahlen. Wenn man über die Gründe für den Azubimangel spricht, gehört auch das zur Wahrheit. Nur über einen guten Freund wird Dorothea Dosenbach fündig, kurz be vor die Azubis aus Indien landen. Sie richtet die Wohnung ein, besorgt Haushaltswaren und Arbeitskleidung.
In Indien packt derweil Kamesh Ahire seine Koffer. Seine Familie und Freunde fahren mit ihm nach Mumbai, um ihn dort in ein Flugzeug zu setzen und zu verabschie den. Zwei Jahre werden sie sich nicht sehen, mindestens. Ahire sagt, sie alle hätten seine Entscheidung unterstützt, »doch besonders meine Mutter war sehr traurig«.
Als Ahire im Flugzeug sitzt, holt ihn alles ein: »Ich war traurig und glücklich zugleich. Und ich hatte auch ein wenig Angst.« Acht Stunden später landet Ahire in Frankfurt. Es ist 18.40 Uhr am 16. September 2022. Vor gut einem Jahr hat sich Kamesh Ahire für diesen Weg entschieden. Er begreift: »Jetzt beginnt ein neues Leben. Ich muss alles neu lernen.«
Bitte lächeln, Blitzlicht, das Gruppenfoto der Ankömmlinge wird geschossen. Ein Reisebus bringt sie zu ihren Betrieben in Südbaden. Gegen 23.30 Uhr erreicht Ahire sein neues Zuhause. Die Wohnung, die er mit seinen beiden Mit-Auszubildenden be zieht, ist geräumiger als gedacht. Er selbst hat wenig dabei: warme Kleidung. Schuhe. Indische Gewürze, die ihn an zu Hause er innern sollen. Ahire sagt, in dem Moment sei ihm klar gewesen: »Alles wird gut.« Auch Dorothea Dosenbach ist erleichtert: »Für diesen Moment hat sich alles gelohnt.«
Seit Anfang Oktober steht Ahire hinter der Dosenbachschen Metzgertheke, von halb sechs bis zwei Uhr mittags. Zwei Tage pro Woche verbringt er in der Berufsschule im nahen Lörrach. Die Dosenbachs zahlen ihm für die Ausbildung etwa 100 Euro mehr, als sie laut Tarif müssten: nach Steu ern rund 750 Euro. Das ist zwar ein Mehr faches dessen, was Ahire in Indien verdient hat, aber allein für die Miete gehen davon nun 350 Euro drauf. Es wird also dauern, bis Ahire seine Investition wieder herein geholt hat. Und er will Geld in seine Heimat schicken – spätestens wenn er nach seiner dreijährigen Lehre ein volles Gehalt erhält. Gelingt die Gesellenprüfung, bekommt er von den Dosenbachs außerdem eine Prämie von 1000 Euro. Er will dann noch mindes tens zehn Jahre in Deutschland bleiben und arbeiten, gerne bei den Dosenbachs, gerne auch für eine noch längere Zeit.
Es gibt sie also, die Lösungen für den Mangel an Personal. Und es werden mehr: Die Deutsche Bahn hat Auszubildende aus Tunesien angeworben, der Europapark Rust Arbeitskräfte aus Usbekistan. Womöglich lassen sich solche Projekte bald noch leichter realisieren: Im Oktober hat Bundesarbeits minister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, deutlich mehr Einwanderung von Fach kräften zu ermöglichen. Laut einem Strate giepapier geht es der Ampelkoalition dabei auch um diejenigen, »die als künftige Fach kräfte nach Deutschland kommen«. Es brauche dafür eine »wertschätzende Will kommenskultur« und »attraktive Arbeits bedingungen«. Kamesh Ahire sagt, er habe bei den Dosenbachs beides vorgefunden: »Wir passen zusammen.«
We n n e s d a r u m g e ht , M a s c h i n e n u n d k r i t i s c h e N et z we r ke zu s c h ü t ze n , s te ht s e c u n et b e re i t . M i t u n s e re m Po r t fo l i o a us s i c h e re n G a tewa ys , Q u a ra ntä n e s ys te m e n u n d Ec ht ze i tü b e r wa c h u n g i s o l i e re n w i r k r i t i s c h e N et z we r ke u n d ve r b i n d e n s i e g l e i c hze i t i g s i c h e r m i t H e r s te l l e r n , D ie n s t l e i s te r n u n d Proj e k t p a r t n e r n .
Viele Firmen unterschätzen das Risiko und die Kosten eines Hackerangriffs. Doch eine Cyberversicherung kann sogar falsche Anreize setzen VON EVA WOLFANGEL
Eigentlich hatte der amerikanische Phar makonzern Merck & Co. sein Risiko, von Hackern angegriffen zu werden, gut kal kuliert und sich früh zu schützen versucht. Seine Cyberversicherung deckte entspre chende Schäden bis zu 1,75 Milliarden Dollar ab. Aber nun streitet das Unterneh men seit mehr als fünf Jahren mit seinem Versicherer um die Übernahme eines Schadens in Höhe von 1,4 Milliarden Euro – entstanden durch Produktionsausfälle, die nötige Wiederherstellung der ITSysteme und den Ersatz beschädigter Computer. Kurz: Es geht um die Folgen eines Digital Infernos.
Entfacht hatte es ein Virus, das Sicher heitsforscher auf den Namen NotPetya getauft hatten, um es von einem scheinbar ähnlichen Virus namens Petya abzugrenzen. Im Jahr 2017 hatte NotPetya die Systeme von Merck infiziert. Später wurde es von IT Sicherheitsexperten dem russi schen Geheimdienst zugeordnet; es sollte wohl Firmen in der Ukraine treffen.
Und genau das ist der Grund für den jahrelangen Streit. Denn Ace American,
Eder Versicherer von Merck, beruft sich darauf, dass seine Police zwar »alle Risi ken« abdecke, aber eben genau eines aus schließe: »Verlust oder Schaden, verursacht durch feindselige oder kriegerische Aktio nen«. Und NotPetya sei nun mal eine Waffe Russlands im Konflikt mit der Ukraine gewesen, weshalb die Police nicht greife. Merck sieht das anders und klagt seither. Im Januar dieses Jahres hat das Unternehmen zwar vor einem hohen Ge richt in New Jersey recht bekommen, aber Ace American wollte das nicht akzeptie ren, und so beschäftigt sich nun die nächste Instanz mit dem Konflikt.
Solche Streitigkeiten könnten künftig viele Unternehmen jahrelang beschäftigen. Denn entsprechende Ausschlüsse befinden sich in vielen Versicherungspolicen, und mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind auch entsprechende digitale Kollateralschäden des Konflikts noch wahrscheinlicher geworden. Schon kurz nach dem Überfall Russlands hat der Bundesverfassungsschutz die Wirtschaft in einem »Sicherheitshinweis« eindringlich gewarnt: Deutsche Unternehmen könnten nicht nur direkt, sondern auch indirekt zu Zielen werden. Angesichts der »großen Zahl von Akteuren, die sich aufseiten bei der Konfliktparteien engagieren«, sei mit »Kollateralschäden« zu rechnen.
Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik warnt in seinem neuen Lagebericht vor »Kollateralschäden bei Cyber Sabotage Angriffen« und ver
Verschlüsseln Viren die Festplatte, flimmern Bildschirme mitunter so ungehalten wie dieser hier
Foto: Philotheus Nisch für ZEIT für Unternehmer
weist beispielhaft auf die Attacke auf den Satellitendienst KA-SAT kurz nach Kriegsbeginn – in dessen Folge nicht nur die Kommunikation der ukrainischen Armee gestört wurde, sondern auch 5800 Windenergieanlagen in Europa nicht mehr per Fernwartung erreichbar waren.
Dazu kommt ein weiteres Problem: »Die Grenze zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verschwimmt«, sagt Simran Mann, Referentin für Sicher heitspolitik beim Digitalverband Bitkom. »Es ist nicht immer einfach zu sagen, ob ein Angriff im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung stattfindet oder ob er schlicht kriminelle Hintergründe hat.«
Doch nicht nur Klauseln zu Kriegsaus schlüssen stifteten Verwirrung, sagt der Sicherheitsforscher Éireann Leverett, der unter anderem am Center for Risk Studies der University of Cambridge zu Risiken durch Hackerangriffe geforscht hat und inzwischen Cyberversicherer berät. Auch die anderen Vertragsbedingungen sollten Unternehmen genau prüfen, warnt er: »Viele lesen das Kleingedruckte nicht.«
Verlangt eine Versicherung darin bei spielsweise, dass der Kunde eine ZweiFaktor-Authentifizierung einsetzt, um unerwünschte Eindringlinge abzuhalten, müsse der das im Schadensfall auch nach weisen können. Kommt nach einer Atta cke heraus, dass eine solche Sicherheits maßnahme nicht oder nur lückenhaft umgesetzt wurde, können Unternehmen auf ihrem Schaden sitzen bleiben.
Das Gleiche gilt, wenn Versicherer Anti-Phishing-Trainings bei ihren Kunden zur Bedingung machen. Angestellte sollen so lernen, sogenannte Phishing-Mails zu erkennen, die vertrauenerweckend ausse hen, aber kleine Programme enthalten, die ihre Daten ausspionieren. Wie viel diese Trainings wirklich bringen, ist unter Ex perten zwar strittig. Sie wegzulassen kann aber bedeuten, dass der Versicherer im Schadensfall nicht zahlt.
»Man sollte solche Ausschlüsse über prüfen und überlegen, ob sie für die eigene Situation sinnvoll sind«, rät Leverett. Au ßerdem sollten Unternehmen die Formu lare detailliert ausfüllen, in denen Versi cherer die Schutzmaßnahmen abfragen.
Doch nicht nur die Versicherungsbe dingungen sind verschieden, der gesamte Markt ist auch noch unübersichtlich. Ver gleichsportale wie für Haftpflichtversiche rungen gibt es bisher nicht.
Leverett warnt außerdem vor Missver ständnissen: »Es ist falsch, davon auszuge hen, dass ein Versicherer den ganzen Schaden bezahlt.« Dafür gebe es gute Gründe. Würde die Versicherung den ganzen Schaden abdecken, könnten sich Unternehmen in falscher Sicherheit wie gen. Ohnehin reiche die vereinbarte Höchstsumme in vielen Fällen nicht für den gesamten Schaden aus, weil Unter nehmen die Kosten einer Cyberattacke meist unterschätzten. Leverett rät: »An statt davon auszugehen, dass die Versiche rung alle Kosten trägt, sollte man ein ei genes aktives Sicherheitsteam haben.«
Kürzlich hat der Sicherheitsforscher eine Anwaltskanzlei nach einem Cyber angriff begleitet und erlebt, wie kostspielig es sein kann, die Folgen einer Hackeratta cke zu unterschätzen. Die Kanzlei wurde mit Ransomware angegriffen, zu Deutsch: Erpressungssoftware. Diese Programme schleichen sich in die Systeme ihres Opfers und verschlüsseln alle Daten, die sie finden können. Um sie entschlüsseln zu können, muss der Eigentümer ein Lösegeld zahlen.
Die Kanzlei hatte nach dem Angriff keinen Zugriff mehr auf die eigenen Daten und Systeme. Allerdings waren einige
Back-ups vorhanden. Und so gingen die Inhaber der Kanzlei davon aus, die Daten ließen sich schnell wiederherstellen – ohne das Lösegeld zu bezahlen. »Es hat aber fast zwei Monate gedauert, bis die Kanzlei wieder richtig arbeiten konnte«, sagt Le verett. Er rät Unternehmen deswegen, testweise durchzuspielen, wie sich Server mit Back-ups wiederherstellen lassen. Wenn dabei Probleme auftauchen, sollte man die vor dem Ernstfall beheben.
Laut Everett büßte die Kanzlei in diesem Jahr die Hälfte ihrer Einnahmen ein. So manche Firma müsse infolge eines Cy berangriffs sogar Insolvenz anmelden, sagt
Euro betrug im zweiten Quartal 2022 laut dem IT-Unter nehmen Coveware im Schnitt das Lösegeld bei Ransomware-Angriffen
neue SchadprogrammVarianten zählte das BSI von Mitte 2021 bis Mitte 2022
der Experte. »Doch viele Unternehmen sehen Cyberangriffe noch immer nicht als existenzielle Bedrohung an.«
Leverett beziffert das Risiko, Opfer ei nes Ransomware-Angriffs zu werden, auf sechs Prozent pro Jahr – mit der Zeit ist also fast jeder einmal dran. Aber die Ge fahr werde systematisch unterschätzt. Viele Unternehmer dächten, es gebe ja keinen Grund, sie anzugreifen, sie mach ten ja nichts Besonderes. Dabei erfolge die Mehrheit der Angriffe nicht gezielt.
Umstritten ist, ob Versicherungen auch Lösegelder übernehmen sollten, wenn es Angreifern gelingt, Daten zu verschlüs seln. »Manche tun das, weil sie glauben, dass es billiger ist«, sagt Leverett. Es er scheint also einfacher, als Back-ups zu nutzen. Er selbst rät davon aber ab. Zum
einen gelinge die Entschlüsselung nicht immer einwandfrei. Zum anderen sei das problematisch: Lösegeld zu zahlen »stärkt das Geschäftsmodell der Kriminellen«.
Und das lockt Nachahmer an. Schon jetzt beziffert der Bitkom den Schaden durch Cyberattacken, Sabotage und Spio nage für Unternehmen in Deutschland auf mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr. Laut der Bitkom-Expertin Simran Mann sind das Ausmaße, »die Versiche rungen nicht alleine tragen können«.
Viele Versicherer erhöhen deswegen die Auflagen für Kunden. Ob das die Si cherheitslage immer verbessert, ist um stritten. Der Sicherheitsforscher Leverett erklärt das gern an einem Beispiel: An genommen, eine Police kostet 1000 Euro pro Jahr und bietet 200 Euro Rabatt, wenn der Kunde sein Netzwerk segmen tiert, also verschiedene Bereiche der IT voneinander trennt. Dann könnten sich Viren zwar nicht mehr ungehindert aus breiten, allerdings kostet eine solche Segmentierung mehr, als der Rabatt einspart. Ein solches Angebot könne also den fal schen Anreiz setzen, lieber etwas mehr für die Versicherung zu bezahlen, als die eigenen Netze sicherer zu machen.
Viele Versicherer wollen außerdem nur noch Policen verkaufen, die Schäden aus schließen, die von staatlichen Hackern verursacht werden. Und gerade die sind häufig sehr gut darin, starke Sicherheits maßnahmen zu umgehen. Außerdem sind damit Streitigkeiten vorprogrammiert.
Das Gericht in New Jersey, vor dem sich der Pharmakonzern Merck mit sei nem Versicherer Ace American streitet, hat die Frage offengelassen, ob ein An griff wie NotPetya ein kriegerischer Akt ist. Aber es hat darauf hingewiesen, dass Versicherungen ihre Ausschlüsse zeitgemäßer definieren müssen. Merck habe gute Gründe gehabt, anzunehmen, dass der Ausschluss nur für die traditionelle Form der Kriegsführung gelte. Am Ende könnte das Merck retten. Andere Unter nehmen dürften damit aber nicht mehr durchkommen – dafür ist der Cyberkrieg schon zu lange traurige Wirklichkeit.
»Klimaschutz« und »Digitalisierung« – zwei Worte, die in aller Munde sind, jedoch nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen. Denn die Krux, mit der sich etliche Unternehmen konfrontiert sehen: Durch die digitale Vernetzung von Menschen, Maschinen, Logistik und Produkten können zwar Arbeitsabläufe optimiert werden, doch dies zumeist im Gleichschritt mit einem höheren Energiebedarf und damit höheren CO2-Emissionen. Ein Rebound-E ekt, der sich über ein hochwertiges Kompensations-Produkt ausgleichen lässt.
Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen, ist das eine. Wettbewerbsfähig zu bleiben, das andere. Beides ist wichtig. So setzen sich auch viele Firmen und Betriebe die Klimaneutralität als ein wichtiges Ziel, doch angesichts unvermeidbarer unternehmenseigener Emissionen, die durch eine interne Digitalisierung der Arbeitsprozesse nur noch ansteigen, wird das Erreichen dieses Ziels nahezu zu einer Utopie.
Kann sein, muss aber nicht. Denn mit dem Kauf von Zertifikaten lassen sich CO2-einsparende Klimaschutzprojekte unterstützen und so der entstandene Rebound-E ekt kompensieren.
hier helfen – genauso wie Standards und Ratgeber. Ein guter Leitfaden des Umweltbundesamts ist »Freiwillige CO2-Kompensation durch Klimaschutzprojekte«, den es kostenlos zum Downloaden gibt.
Mit „Gold Standard” die Energiewende vor der eigenen Haustür fördern
Was gut klingt, ist auch gut, und dies nicht nur für die Umwelt, sondern auch für das Unternehmen. Neben dem Beitrag zu Klimaschutzprojekten kann das Engagement durch Bescheinigung und etwa auch einer Landingpage als Marketingmaßnahme gegenüber Kundinnen und Kunden für Aufmerksamkeit und Transparenz genutzt werden.
Bei der Wahl des richtigen Ausgleichs-Produktes sollte übrigens darauf geachtet werden, dass die im Zertifikat berechnete CO2-Reduktion auch der tatsächlichen Einsparung entspricht. Kontrollmechanismen bzw. ein Monitoring-System können
Sie haben Interesse am Thema CO2-Kompensation? Die Stadtwerke München freuen sich über einen Austausch mit Ihnen. Nehmen Sie gern Kontakt auf. Mehr Informationen und Kontaktmöglichkeiten unter swm.de/m-kompensation-plus
Gutes tun, ist manchmal gar nicht so schwer. Mit »M-Kompensation Plus«, einem Kompensations-Angebot der Stadtwerke München, können Unternehmen international wie regional zur CO2-Reduktion beitragen und so einen ReboundE ekt durch die digitale Transformation ausgleichen. So werden mit »M-Kompensation Plus« internationale Klimaschutzprojekte gefördert, die nach dem »Gold Standard« zertifiziert sind. Der Standard garantiert, dass die stillgelegten Treibhausgase nachweislich eingespart werden und die unterstützten Projekte gut für die Umwelt und Bevölkerung sind. Zusätzlich fließt ein Beitrag in die regionale CO2-Vermeidung: Unternehmen, die sich für »M-Kompensation Plus« entscheiden, unterstützen den Erhalt und Ausbau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in Deutschland und engagieren sich so für die Energiewende vor der eigenen Haustür.
Ein durchdachtes Win-win-Konzept
Daniel Heidrich, Chef des Autozulieferers EBK Krüger, verdient sein Geld mit Ersatzteilen –und mit schlauer Software. Was kann man von ihm lernen?
VON FELIX LEITMEYERWenn Daniel Heidrich aus seinem Büro im Berliner Technologiepark Adlershof schaut, blickt er auf zwei Gebäude, von denen das eine dazu da ist, die Vergangenheit zu er halten, und das andere, die Zukunft zu for men. Einmal ist da die Fabrik, in der seine Firma EBK Krüger alte Technik der Auto industrie mit Ersatzteilen wie Einspritzven tilen und Steckverbindern fit macht – teils mit Maschinen, die fast 100 Jahre alt sind.
Im Haus gegenüber reihen sich in Groß raumbüros Bildschirme aneinander. Auch hier kümmert sich Heidrich um die Fitness
anderer Unternehmen, allerdings mit den Mitteln der Digitalisierung: Die Tochterfirma Leitart bietet IT Dienstleistungen an und hat schon mit den Dax Riesen VW, Siemens und Bayer zusammengearbeitet.
Es geht um Industrie 4.0 – ein Begriff, der beschreibt, »dass alles oder vieles in der Fabrik nun über das Internet vernetzt ist und miteinander kommuniziert«, sagt der Wirt schaftsingenieur Olaf Sauer. Sauer ist stellvertretender Leiter des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildaus wertung IOSB in Karlsruhe, wo er Digitali
sierungs und Automatisierungsprozesse er forscht. Konkret gehe es bei Industrie 4.0 darum, Maschinen mit Sensoren und Software auszurüsten, damit die Produktion transparent und effizienter wird. Weil die Maschinen zum Beispiel untereinander Da ten austauschen und so die eine der anderen sagen kann, was sie zu tun hat. Oder weil sie selbstständig einen Fachmann benachrich tigt, wenn ein Teil kaputtzugehen droht.
Initialzündung der Veränderung in Heidrichs Firma war die Finanzkrise 2008. Damals brachen dem Unternehmen viele
Seit über 50 Jahren setzen wir Sensor People technologische Maßstäbe in der industriellen Automation. So machen wir unsere Kunden in einer sich ständig wandelnden Industrie dauerhaft erfolgreich. Von Beginn an waren wir Vorreiter und arbeiten an der Standardisierung der Industriekommunikation. Wir bieten Sensoren, die Daten, zum Beispiel durch IO-Link oder über OPC UA, an die Steuerung liefer n oder der Cloud und Edge-Devices zur Verfügung stellen.
Aufträge weg. Heidrich sagt, da habe er be schlossen, »radikal auf den Digital-Bereich« zu setzen, »damit wir bei zukünftigen Krisen gewappnet sind«.
Inzwischen hat die Digitalisierung den Autozulieferer auf den Kopf gestellt: Alle Mitarbeiter haben Zugriff auf eine Soft ware mit Firmendaten, die in Echtzeit zeigen, woran welche Maschinen arbeiten, wie Be stellungen abgewickelt werden und wie sich die Budgets entwickeln. Die ControllingAbteilung hat Heidrich abgeschafft: »An hand der Daten können alle Kollegen die meisten Entscheidungen selbst treffen.«
Ist die Digitalisierung also ein verkapptes Sparprogramm? Heidrich sagt, sein Ziel sei nicht, weniger Mitarbeiter zu beschäftigen, sondern sie dort einzusetzen, wo sie tun können, was Maschinen noch nicht schaffen. Ein Blick in alte Geschäftsberichte be stätigt: 2012 zählte die Firma 120 Mitarbei ter, 2017 bereits 140, jetzt sind es 170. Und
die Soft ware, die Heidrich im Einsatz hat, verkauft er nun auch anderen Firmen.
Aus Sicht des Fraunhofer-Experten Olaf Sauer hat Heidrich im Kleinen umgesetzt, was für die gesamte Industrie zu erwarten ist:
1. Transparenz schaffen
»Bei Industrie 4.0 denkt man an smarte Maschinen und Roboter, die alleine arbei ten«, sagt Sauer. Viele Maschinen würden jedoch seit Jahrzehnten gut laufen, man müsse sie nicht ersetzen, sondern könne sie eventuell aufrüsten: Dann liefern auch die alten Maschinen Daten, die zeigen, wie sich Produktionsprozesse verbessern lassen.
2. Eigenverantwortung ermöglichen Ist der Datenschatz gehoben, sollten mög lichst viele Beschäftigte zugreifen können. So können sie fundiert eigene Entscheidun gen fällen. Auch das verbessert industrielle Produktionsprozesse.
Olaf Sauer sagt: »Industrie 4.0 ist erst dann wirklich fortgeschritten, wenn die Firmen grenzen durchlässig werden.« Wenn also Unternehmen Daten austauschen. Firmen können damit gemeinsam Prozesse verbes sern und Lieferketten optimieren.
4. Tempo machen
Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom zögert jede dritte Industriefirma, Anwendungen für die Industrie 4.0 einzu setzen. Zu viele, findet der Fraunhofer-Ex perte Sauer: »Japan, Südkorea und China sind uns bei der Anwendung von Techno logien weit voraus.« Dabei können Firmen Förderprogramme wie »go-digital« des Bundeswirtschaftsministeriums nutzen, um die Digitalisierung voranzutreiben. »Es ist keine Frage der Möglichkeiten mehr, son dern es kommt auf den Willen der Firmen an«, sagt Sauer.
Es mag ein wenig masochistisch klingen, aber ich setze mir gerne Ziele, die kaum zu erreichen sind. Selbst wenn das manchmal mit Frust und Stress verbunden ist, würde ich auch anderen dazu raten – es hilft, die Hürden im Kopf zu überwinden, die am Anfang des Weges stehen.
Sich kaum erreichbare Ziele zu setzen ist anstrengend, aber lohnt sich, sagt RICHARD SOCHER vor Mitgliedern des Industrieclubs Sachsen in meiner Heimatstadt Dresden darüber gesprochen. Es gibt einige superspannende neue Start ups, aber viele etablierte Firmen sind noch sehr zögerlich, auf künstliche Intelligenz zu setzen. Und so riskiert der Mittelstand, den Anschluss zu verlieren.
Gerade baue ich mit dieser Einstellung You.com auf – eine intelligente und daten sparende Suchmaschine im Internet. Eine Suchmaschine, trotz Google? Genau! Ich will es schaffen, Hunderte Millionen Men schen dazu zu bringen, zu yougeln statt zu googeln. Und selbst wenn das ein großes Ziel ist, das mich sehr fordert, erlebe ich auch, wie spannend der Weg dorthin ist.
Im Moment ist es so, dass quasi jede Fir ma Geld an Google zahlt, um im unüber sichtlichen Internet gefunden zu werden. Zugleich bezahlen alle User für die Suchergebnisse mit ihren Daten, was es Google erlaubt, personalisierte Werbung zu schalten. Die Google Mutterfirma Alphabet kann von den Firmen Geld und von den Nutzern Daten verlangen, weil sie so mächtig ist und diese Macht hartnäckig verteidigt, manch mal mit unfairen Mitteln.
You.com wird das ändern: Wir helfen mit Suchergebnissen und intelligenten Zu sammenfassungen, die eine bessere Orientie rung bieten als Google, weil diese Suchergeb nisse nicht wirtschaftlichen Interessen fol gen. Zugleich wollen wir mit den Daten der Nutzer kein Geld verdienen, weswegen wir
verhindern, dass Websites unsere Nutzer tracken. Wir werden auch die Privatsphäre un serer Nutzer nicht verletzen, um mehr Profite zu machen, daher werden wir nie personali sierte Werbung schalten. Dahinter steckt der Wunsch, die Welt zu verbessern, aber ich sehe auch eine große geschäftliche Chance.
Ein Grund dafür ist KI, also künstliche Intelligenz: die Fähigkeit von Maschinen, dank intelligenter Algorithmen zu lernen. Damit beschäftige ich mich seit meinem Studium der linguistischen Informatik in Leipzig und Saarbrücken. Ich habe mich in die theoretischen Grundlagen und die Logik der Informatik verliebt und mich mit ma schinellem Lernen beschäftigt. Damit sind viele philosophische Fragen verbunden: Was ist Intelligenz? Was ist intelligentes Leben? Was macht uns als Menschen aus? Solche Fragen faszinieren mich wie die konkreten Anwendungen künstlicher Intelligenz.
Immer mehr maschinelle Prozesse wer den intelligent. KI kann immer besser Spra che erkennen und selbst intelligente Sätze formulieren – das machen wir mit You.com. Wir stehen vor einem Umbruch, welcher mit der industriellen Revolution vergleichbar ist.
Viele Menschen haben das leider noch nicht verstanden. Ich versuche zum Beispiel immer wieder, Mittelständler zu motivieren, diese Chance zu erkennen und KI einzuset zen, um ihre Prozesse zu automatisieren –und zwar nicht nur mechanische, sondern auch intellektuelle. Vor einiger Zeit habe ich
Wenn Ihr das nicht wollt, liebe Unter nehmerinnen und Unternehmer, dann habe ich einen Rat. Geht an die Unis, besucht Konferenzen und findet Forscher, die nah an eurer Industrie dran sind. Fragt sie, ob sie mit euch den Einsatz von KI ausprobieren. In den USA haben sich solche Kooperatio nen sehr bewährt, und auch in Deutschland gibt es viele erstklassige Unis, bei denen viel mehr Mittelständler anklopfen könnten.
Ganz neue Ideen zu entwickeln kann an strengend sein. Beim Start von You.com gab es für mich Monate, in denen ich eigentlich nur noch gearbeitet habe. Um das auszubalancieren, fahre ich mit meinem Wohn wagen in die kalifornische Wüste und gehe mit meinem Motorschirm fliegen. Das hilft mir, mich wieder darauf zu fokussieren, fast unerreichbaren Zielen näher zu kommen.
Richard Socher, 39, baut in Palo Alto mit seiner Firma SuSea You.com auf, eine neuartige Suchmaschine
Nachhaltigkeit b rau cht g ezielte A n s töße, damit sie langfris tig wirk t W ie b ei eine m Perp e tuum mobile, da s sich nach eine m er s te n Impul s von außen immer wie der selb s t antreibt . Die se s is t z war fik tiv, dient uns von d er DZ BA N K ab e r al s Vorbild un d Haltung s grun dlag e. W ir d e nke n in K reisläufen un d unter s tü t ze n un s e re Kun d e n dab ei, nachhaltig e Ve rän d erung en anzu s toßen Dab ei hab en wir imm e r die langfris tig en Au s wirkungen un sere s Handelns im Blick S o sichern wir gemein s am die Zukunf t durch nachhaltig e Leis tung s fähigkeit . Er fahre n Sie m ehr üb er un s ere Haltung unte r: dzbank .d e/haltun g
Unter Na c h h a lt ig keit ver ste hen w i r, heute die L eistungsfähigkeit von morgen zu sichern.
In einem alten Schlachthof bei Dresden baut die Firma Demecan Cannabis für medizinische Zwecke an. Zu Besuch hinter dicken Sicherheitsmauern
1 Füllige Blüten, tiefgrüne Blätter: Diese Cannabispflanzen wachsen in der Fabrik des Unternehmens Demecan, aus ihnen sollen einmal Arzneimittel werden. Damit die immer gleich und verlässlich wirken, müssen alle Pflanzen auf identische Weise aufgezogen werden. Das geht nur mit künstlichem Licht
2 Die Aufzucht beginnt mit den Mutterpflanzen, die sorgfältig ausgewählt und dann geklont werden
3 Dafür entnehmen die Angestellten den Pflanzen Triebe, schneiden sie zu und stecken sie in Steinwolle. Eine Nährstofflösung und feuchte Luft sorgen dafür, dass sie Wurzeln ausbilden
4 Nach zwei Wochen ziehen die Stecklinge in einen Vegetationsraum um. Auch hier müssen stets identische Bedingungen herrschen; es braucht warme und feuchte Luft mit einem bestimmten CO₂-Gehalt. Nun wachsen sie zu kräftigen Pflänzchen heran, über kleine Schläuche erhalten sie Nährstoffe
5 Es vergehen einige Wochen, in denen die Pflanzen ihre Blüten ausbilden. In ihnen stecken die Cannabinoide, auf die es ankommt
6 Nach etwa zwei Monaten ist es so weit: Zeit für die Ernte. Hier schneidet Karl-Heinz Reuschl, einer von 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Triebe mit den Blüten ab. Der gesamte Anbau wird mit Kameras überwacht. So soll verhindert werden, dass die Pflanzen in falsche Hände geraten
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7 Nach der Ernte werden die Triebe per Hand sortiert, Stängel und Blätter werden vernichtet
8 Am Ende sind nur die Blüten übrig, die zu 21 Prozent Tetrahydrocannabinol enthalten, den Hauptwirkstoff von Cannabis. Dann werden sie an die Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ausgeliefert. Von dort gehen sie an die Apotheken, die sie auf Rezept verkaufen können
Der Anwalt Constantin von der Groeben zählt zu den drei Gründern der Berliner Firma Demecan. Hier beantwortet der 38-Jährige den Unternehmer-Fragebogen:
Was macht Ihr Unternehmen?
Wir produzieren, verarbeiten und vertreiben Cannabis – legal, für medizinische Zwecke. Das machen in Deutschland sonst nur zwei kanadische Unternehmen. Zudem forschen wir und haben 40 eigene Cannabissorten entwickelt, zwei davon vermarkten wir. Was ist Ihre größte Herausforderung?
Die Regeln für den Cannabisanbau sind in Deutschland sehr streng. Unsere Produktionsstätte: extrem gesichert. Verkaufsmenge und Preis: werden diktiert. Unklar ist, wel che Regeln es in Zukunft geben wird. Das macht die Planung zur Herausforderung. Woran wäre Ihre Firma fast gescheitert?
An Corona. Anfang 2020 hatten wir gerade mit dem Bau unserer Produktionsanlage begonnen, da hieß es: Schluss! Lockdown! Das war bedrohlich; der Bau wurde erst im Oktober 2021 fertig.
Was an Ihren Produkten finden Sie äs thetisch – und was nützlich?
Die Pflanze ist wunderschön, dieses Grün, die vielen kompakten Blüten! Und so wohl riechend! Was daran nützlich ist, darf ich leider nicht sagen – das verbietet mir das Heilmittelwerbegesetz ...
Was begrenzt Ihr Wachstum am meisten?
Die Anbauquoten. Wir würden gerne mindestens zwei bis drei Tonnen Cannabis im Jahr produ zieren. Die Politik erlaubt uns nur eine. Für im Ausland angebaute Produkte gibt es dagegen keine Grenze, deswegen importieren wir auch Cannabis. Absurd!
Freuen Sie sich über Wettbewerber?
Ja, die Industrie in Deutschland muss wach sen, damit Cannabis sich durchsetzt. Aber es sollte gleiche Bedingungen für alle geben.
Sie haben eine Ausschreibung des Bun desinstituts für Arzneimittel und Medi zinprodukte gewonnen. Ist das nicht unfair gegenüber Wettbewerbern, die bisher nicht anbauen dürfen?
Nein, wir sind voll ins Risiko gegangen, ha ben schon vor vielen Jahren unser Start up gegründet, über 20 Millionen Euro inves tiert. Der Vorsprung ist nur gerechtfertigt. Welche ist Ihre wichtigste Maschine?
Die Klimaanlage! Sie sorgt für die optima len Temperaturen und Feuchtigkeit, die für den Anbau von Cannabis nötig sind. Und Ihr wichtigster Algorithmus?
Der Produktionsalgorithmus für unsere Zyklusplanung. Darauf basiert unsere lau fende Produktion.
Welchen Unternehmer würden Sie gern einmal zum Business-Lunch treffen?
Die Unternehmerin und Influencerin Kim Kardashian. Sie hat in ihrer Karriere viele Widerstände überwunden, eine global be kannte Marke aufgebaut und eine neue Form von Unternehmertum geprägt. Am Ende des Gesprächs würde sie in uns investieren. Warum glauben Sie das?
Würde Cannabis hier legalisiert, wäre Deutschland ein riesiger Markt: Wir haben 80 Millionen Einwohner – mehr als zum Beispiel Kanada, wo Cannabis schon legalisiert ist. Und wenn es anders kommt?
Das wäre ärgerlich. Wir würden nicht so stark wachsen, aber wä ren weiterhin mit medizinischem Cannabis erfolgreich.
Die Fragen stellte Felix Leitmeyer
Herausgeber: Dr. Uwe Jean Heuser Art-Direktion: Jan Kny Redaktion: Jens Tönnesmann (verantwortlich)
Autoren: Carolyn Braun, Anna Friedrich, Manuel Heckel, Leon Igel, Felix Leitmeyer, Claas Tatje, Eva Wolfangel Redaktionsassistenz: Andrea Capita, Katrin Ullmann
Chef vom Dienst: Iris Mainka (verantw.), Mark Spörrle
Textchef: Dr. Christof Siemes Gestaltung: Anne Franke, Johanna Knor Infografik: Pia Bublies (frei)
Bildredaktion: Amélie Schneider (verantw.), Sebastian Berens, Navina Reus Schlussredaktion: Imke Kromer Korrektorat: Thomas Worthmann (verantwortlich)
Dokumentation: Mirjam Zimmer (verantwortlich)
Herstellung: Torsten Bastian (verantw.), Jan Menssen, Oliver Nagel
Druck: Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg Geschäftsführung: Dr. Rainer Esser Verlagsleitung Magazine: Sandra Kreft, Malte Winter (stellv.)
Magazinmanagement: Stefan Wilke Anzeigen: ZEIT Media: www.media.zeit.de Verlagsleitung Marketing und Vertrieb: Nils von der Kall
Leitung Unternehmenskommunikation und Veranstaltungen: Silvie Rundel
Anzeigenpreise: Sonderpreisliste Nr. 1 vom 1. 1. 2022 An- und Abmeldung Abonnement (4 Ausgaben): www.studiozx.de/events/zfu Verlag und Redaktion: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Helmut Schmidt Haus, Buceriusstraße, Eingang Speersort 1, 20095 Hamburg, Telefon: 040/32 80 0, E Mail: DieZeit@zeit.de
D i e H o c h s c h u l e n f ü r A n g e w a n d t e W i s s e n s c h a f t e n ( H AWs ) h a b e n i n d e n l e t z t e n J a h r z e h n t e n e i n e b e m e r k e n sw e r t e E n t w i c k l u n g d u r c h l a u f e n . M i t e i n e m p r o f i l g e b e n d e n P r a x i s u n d A n w e n d u n g s b e z u g i n L e h r e u n d F o rs c h u n g h a b e n s i c h d i e a l s F H s i n d e n s e c h z i g e r J a h r e n g e g r ü n d e t e n H AWs z u I n n o v a t i o n s m o t o r e n e n t w i c k e l t u n d s e t z e n h e u t e i n e i n e m b r e i t e n F ä c h e r s p e k t r u m w i c h t i g e I m p u l s e . F ü r F a c h - u n d F ü h r u n g s k r ä f t e a u s d e r W i r t s c h a f t w i e P r o f T h o m a s M r o k o n i s t d i e P r o f e s s u r a n e i n e r H AW d a h e r z u e i n e r a t t r a k t i v e n K a r r i e r e o p t i o n g e w o r d e n .
P r o f . M r o k o n , w a s h a t S i e d a z u g e b r a c h t a u s d e r f r e i e n W i r t s c h a f t a n e i n e H AW z u w e c h s e l n ? Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, meine gelegentlichen Lehraktivitäten an Universitäten und Hochschulen in Vollzeit auszu üben, weil es mir schon immer Spaß gemacht hat, mein Wissen und meine Erfahrungen zu teilen und mit Studierenden in einen Austausch zu kommen Mit Beginn der Corona Krise in 2020 war die endgültige Entscheidung getroffen, diesen Weg zu forcieren und meine bisherige Selbstständigkeit als Unternehmer gegen eine langfristige und sichere Perspektive an der Hochschule einzutauschen.
W i e v i e l g e s e l l s c h a f t l i c h e R e l e v a n z l i e g t i n e i n e r H AW P r o f e s s u r ?
Für mich persönlich liegt die Relevanz im Zugang zu jungen Menschen, die aus Eigeninteresse ein Studium beginnen und wie ein Schwamm Wissen aufsaugen Hier liegt eine große Verantwortung bei Lehrenden, um die folgenden Generationen bestmöglich auf den Berufseinstieg vorzubereiten Dabei hat sich das Verhältnis zwischen linearer Wis sensvermittlung und bidirektionalen Austausch mit Studierenden im Vergleich zu meiner Studienzeit erheblich gewandelt Informationen kann man heutzutage über so viele Kanäle konsumieren, dass es viel wichtiger geworden ist, die Studierenden auf Ihrem Weg zu begleiten
und Türen zu öffnen Im besten Fall schafft man es dadurch bei möglichst vielen die anfängliche Begeisterung für ein Studium aufrecht zu erhalten und Persönlichkeiten zu formen, die sich ebenfalls ihrer Ver antwortung bewusst sind
S t i c h w o r t K a r r i e r e m i t W i r k u n g : I n w e l c h e n B e r e i c h e n k a n n m a n a l s H AW P r o f e s s o r * i n b e s o n d e r s v i e l b e w e g e n ?
Der Aktions Rahmen einer Hochschule kann sehr leistungsfähig sein Natürlich hängt es wie in jedem anderen Großunternehmen auch sehr stark an der Verwaltung und anderen Entscheidungstragenden, aber ausgestattet mit einer Grundmotivation und Beharrlichkeit kann man sowohl im Kleinen mit Studierenden Grenzen sprengen als auch internationale Forschungsgemeinschaften aufbauen, die die Welt zu einem besseren Ort machen können.
W a s w ü r d e n S i e K o l l e g * i n n e n r a t e n , d i e s i c h f ü r d e n K a r r i e r e w e g H AW - P r o f e s s u r i n t e r e s s i e r e n ?
Der Einstieg in eine HAW Professur muss bis zu einem gewissen Grad perspektivisch vorgeplant sein In der freien Wirtschaft sind Job wechsel in der Regel sehr viel einfacher zu bewerkstelligen, weil man zu großen Teilen die Person für sein Unternehmen gewinnen möchte und sich fehlende Kompetenzen aneignen kann Für eine Professur sind erste Lehr oder Forschungserfahrungen meines Erachtens zwingend erforderlich, weil man nur so wirklich abschätzen kann, ob einem diese Tätigkeit auch in Vollzeit Spaß machen kann Gleichermaßen ist aber auch eine solide Berufserfahrung in der freien Wirtschaft elementar, weil der reine akademische Karriereweg für mein Empfinden wichtige Erfahrungslücken aufweist Als Alumni empfiehlt es sich, weiter in Kontakt mit seiner Hochschule oder Universität zu bleiben Dadurch ergibt sich im besten Fall ein kleiner Lehrauftrag als Einstieg Fehlt dieser Anknüpfungspunkt, sind Konferenzen oder Tagungen zu persönlichen Interessensgebieten auch sehr effektiv, um ein akademisches Netzwerk aufzubauen
Wenn man nicht aufpasst, schmilzt die Zeit nur so dahin
Der Herbst begann mit einem Pauken schlag: Mitte September entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Unter nehmen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen müssen. Nicht nur Überstunden, sondern die komplette Ar beitszeit. Jetzt ist die Regierung gefragt, das Urteil in ein Gesetz zu gießen. Zwar ist noch gar nicht klar, wann die Pflicht zur Arbeits zeiterfassung kommt, doch schon jetzt sorgt das #Stechuhrurteil, wie es in sozialen Netzwerken hundertfach verschlagwortet wurde, für hitzige Diskussionen. »Mich hat über rascht, wie hochemotional das Thema dis kutiert wird«, sagt die Unternehmerin Anna Weber, die ihrem Ärger auf der Plattform LinkedIn Luft gemacht und Hunderte Kommentare erhalten hat. Weber, 41, führt gemeinsam mit ihrem Bruder den Klein kindbekleidungshändler BabyOne. Für die Unternehmerin ist klar: Das Urteil sei eine »Ohrfeige für alle, die Vertrauensarbeitszeit
praktizieren oder großzügige HomeofficeRegelungen haben«.
Im Mai 2019 hatte der Europäische Ge richtshof (EuGH) geurteilt, dass die EUMitgliedsstaaten ein System zur Arbeitszeit erfassung einführen müssen. Zwar steht dieses Vorhaben auch im Koalitionsvertrag der Regierung – genau wie die Absicht, fle xible Arbeitszeitmodelle wie etwa die Ver trauensarbeitszeit weiter zu ermöglichen. Doch passiert ist lange nichts. Nun ist zwar klar, dass die Pflicht kommt, aber nicht, wann und in welcher Form. Eine Einheits lösung für alle dürfte schwierig werden.
Viel Unruhe gibt es deswegen unter den 25.000 Mitgliedsunternehmen des Deut schen Mittelstands-Bunds. Sie befürchten, »dass eine Pflicht zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit zu einem Verlust an Flexibilität und zu erhöhter und unnötiger Bürokratie führt«, sagt Marc S. Tenbieg, geschäfts führender Vorstand des DMB. In kleinen
Dund mittelgroßen Unternehmen beruhe die Einhaltung der Arbeitszeit auf gegenseitiger Verantwortung der Arbeitnehmer und Ar beitgeber, sagt Tenbieg, »und das funktio niert bislang gut«.
Die strenge Zeiterfassung kommt am Ende zweier Ausnahmejahre, in denen sich die Arbeitswelt fundamental verändert hat. Erst musste jeder, der konnte, zu Hause ar beiten. Dann entwickelte sich in vielen Fir men eine hybride Arbeitswelt, in der gerade jüngere Unternehmer neue Raumkonzepte ausprobieren und digitale Tools einführen, um flexibler zu arbeiten (siehe Seite 38) –selbst in Branchen, die für Tradition stehen.
Kerstin Hochmüller etwa führt die Marantec Group, die seit Jahrzehnten An triebe und Steuerungssysteme für alle Arten von Toren herstellt. Im Büro müssen ihre Mitarbeiter stechen, daheim notieren sie ihre Arbeitszeiten und schicken sie an die Personalabteilung, die sie im System erfasst,
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: In Deutschland muss erfasst werden, wer wie lange arbeitet. Bei Unternehmern sorgt das für Frust
erzählt Hochmüller. Das sei nicht nur auf wendig, sondern auch »komplett konträr zu unserer Kultur, vertrauensvoll miteinander zu arbeiten«. Deswegen wollte sie eigentlich zur Vertrauensarbeitszeit wechseln.
Die Gewerkschaften indes begrüßen das Urteil. »Diese Feststellung ist lange überfällig«, sagt Anja Piel, Mitglied im Bundes vorstand des Deutschen Gewerkschafts bundes. »Die Arbeitszeiten der Beschäftig ten ufern immer mehr aus, die Zahl der ge leisteten Überstunden bleibt seit Jahren auf besorgniserregend hohem Niveau.« In der Tat haben die Deutschen im Jahr 2021 820 Millionen bezahlte und 890 Millionen un bezahlte Überstunden gemacht, hat das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsfor schung ermittelt.
Es gibt auch Unternehmer, die das Urteil zumindest in Teilen begrüßen. »Für einen Großteil der Arbeitnehmer in Deutschland kann Zeiterfassung ein Vorteil sein«, kom mentiert der Inhaber einer Schmuckmarke bei LinkedIn. »Bei Rollen, die physische Präsenz erfordern, kann eine zentrale Zeit erfassung die Effizienz und auch die Zufrie denheit der Mitarbeiter steigern.« Seine 50 Mitarbeiter in der Auftragsabwicklung wünschten sich eine Zeiterfassung.
Bei Anna Weber von BabyOne herrscht noch Vertrauensarbeitszeit. Sie beschäftigt 160 Mitarbeiter in der Zentrale in Münster, hinzu kommen 350 Mitarbeiter in 30 Filia len in Deutschland und Österreich. Der Rest der 105 BabyOne Läden wird von Franchise Nehmern geführt. Eine Stechuhr gebe es nicht. Im Laden hielten sich die Mit arbeiter an die Schichtpläne. In der Zentrale sei es flexibler: Mitarbeiter könnten selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten. »Wer beim Joggen auf gute Ideen kommt, soll das unbedingt tun«, sagt die Unterneh merin Weber. »Für uns zählen die Ergebnis se, nicht die dafür aufgewendete Zeit.«
Sobald das neue Gesetz kommt, dürfte das nicht mehr möglich sein: Jede Minute Arbeitszeit muss dann streng festgehalten werden. »Arbeite ich, wenn ich jogge und dabei meine nächste Präsentation im Kopf
aufsage? Zählt die Dusche danach auch mit, wenn mir dort neue Ideen für die Sorti mentsgestaltung kommen?«, fragt Anna Weber. »Wir kreisen unnötig um die Zeit frage, ohne uns auf die Arbeitsergebnisse zu fokussieren. Das bringt uns als Unternehmen nicht voran.« Das Urteil sei nicht praktikabel.
Sie glaubt auch nicht, dass eine strikte Erfassung nötig ist, um Mitarbeiter vor Aus beutung zu schützen. »Wenn ich meine An gestellten ausbeuten würde, wären die schneller weg, als ich gucken könnte.« Das könne sich in Zeiten des Fachkräftemangels
arbeiten. »Dann schauen wir auf die Gründe: Hat derjenige zu wenig Zeit für die Aufgabe? Zu wenig Wissen? Zu wenig Ressourcen?«
Die Verpflichtung zum Aufschreiben der Arbeitszeit löse das Problem der Überforde rung nicht, meint Weber. Arbeitgeber seien eher gefordert, Entlohnungssysteme besser zu machen, Talente mehr zu fördern, The men anzugehen, »die uns nach vorne brin gen«. Sie will ein Umfeld schaffen, in dem die Leute »Bock haben, Ziele zu erreichen«.
Zumal da die Einführung eines elektro nischen Systems zur Zeiterfassung gerade kleine und mittlere Unternehmen vor tech nische und bürokratische Hürden stelle und ein Kostenfaktor sei, sagt der DMB Vor stand Tenbieg. Der Gesetzgeber müsse folg lich darauf achten, dass kleine und mittel große Firmen nicht strukturell benachteiligt würden. Sein Verband plädiert dafür, ge setzlich von einer täglichen zu einer wö chentlichen Höchstarbeitszeit umzustellen, um Arbeitgebern und Arbeitnehmern mehr Flexibilität einzuräumen.
kein Unternehmen leisten. Für sie hat die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nichts mit Stundenaufschreiben zu tun.
Stattdessen gibt es zur flexiblen Arbeits zeit einen festgelegten Rahmen dazu: Analog zum Arbeitszeitgesetz dürfen die Baby One Mitarbeiter nur eine bestimmte Zahl an Stunden am Stück arbeiten, müssen Pausen und Ruhephasen einhalten. Kon trolliert wird das aber nicht. Die Team und Abteilungsleiter hätten außerdem »ein Auge darauf«, wenn jemand regelmäßig abends im Büro sitze, und sprächen diejenigen da rauf an. Wem es bei der Arbeit nicht gut geht, der liefert nach Webers Erfahrung eher schlechte Ergebnisse, als über Gebühr zu
Und auch diejenigen, die bereits die Ar beitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen, stehen jetzt vor neuen Herausforderungen. Kerstin Hochmüller von Marantec muss nun dafür sorgen, dass ihre 600 Leute die Arbeitszeit auch zu Hause elektronisch erfassen können. Zwei Personalerinnen haben sich mehrere Wochen mit dem Thema beschäftigt, um eine neue Betriebsvereinbarung zu entwer fen. »Wir müssen, um rechtssicher zu sein, Arbeitsmodelle definieren, zwischen Telearbeitsplatz und flexiblem Arbeiten unter scheiden, Themen wie Datenschutz und Arbeitsplatzbestimmungen mitdenken«, sagt die Unternehmerin. Jetzt muss noch der Betriebsrat grünes Licht geben.
Hochmüller findet den Aufwand hoch und unzeitgemäß: »Wir sprechen von Moti vation und Leistung und sind davon über zeugt, dass Flexibilität und Vertrauen die Voraussetzungen dafür sind. Stattdessen werden wir damit konfrontiert, zu beweisen, dass wir niemanden ausbeuten«, sagt die Unternehmerin, »statt in die Zukunft gehen wir zurück ins vergangene Jahrhundert.«
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Japanisches Handwerk in Per fektion. Das Interieur des Mazda CX-60 bietet höchstes Niveau in der MaterialqualitätWer setzt auf neue Arbeitsmethoden? Vier Erkenntnisse aus unserer Mittelstandsstudie
Anteil der Unternehmer, die auf die jeweilige Methode setzen
% flache Hierarchien mobiles Arbeiten flexible Arbeitszeitmodelle agile Arbeitsmethoden neue Raumkonzepte
% flache Hierarchien mobiles Arbeiten flexible Arbeitszeitmodelle agile Arbeitsmethoden neue Raumkonzepte
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(Mehrfachnennungen möglich, Auswahl der Antworten)
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der Chefs von NichtFamilienfirmen verwenden agile Arbeitsmethoden
der Chefs von Familienfirmen setzen auf agile Methoden
Neue Raumkonzepte entwickeln nur
der großen Firmen bieten Fort- und Weiterbildungen an
Unter den kleinen sind es
der großen Firmen setzen Kollaborations-Software ein
Unter den kleinen sind es
Anteil der Unternehmer, die auf die jeweilige Methode setzen
Fort- und Weiterbildungen % Kollaborations-Tools wie Slack oder Trello Intranet
Jüngere Ältere % flache Hierarchien mobiles Arbeiten flexible Arbeitszeitmodelle agile Arbeitsmethoden neue Raumkonzepte
Handbücher Onboarding für neue Mitarbeiter
Jüngere Ältere
(Mehrfachnennungen möglich, Auswahl der Antworten)
82
84 82 80 67 55
Die Mittelstandsstudie ist eine Initiative von ZEIT für Unternehmer und »In guter Gesellschaft – Stiftung für zeitgemäßes Unternehmertum«. Die Stiftung finanziert die Befragung sowie ihre wissenschaftliche Auswertung durch das Analyse- und Beratungsunternehmen Aserto. Die Ergebnisse werden der Redaktion in anonymisierter Form unentgeltlich zur Verfügung gestellt, auf ihre redaktionelle Veröffentlichung hat die Stiftung keinerlei Einfluss. Für die Studie wurden zum Jahreswechsel 2021/22 rund 400 Unternehmerinnen und Unternehmer aus ganz Deutschland befragt.
1. Jüngere vertrauen in ihren Firmen häufiger auf New-Work-Maßnahmen
3. Kleine Firmen legen weniger Wert auf gezieltes Wissensmanagement
Jüngere Chefs nutzen eher neue Methoden, um Wissen weiterzugeben
1. Denken Sie an die Lebenszeit
Anders als ihre Eltern müssen viele jüngere Menschen ihren Wohlstand nicht mehr so hart erarbeiten. Finanziell abgesichert, optimieren sie deswegen das, was am meisten begrenzt ist: ihre Lebenszeit. Darum geht es im Grunde bei New-Work-Maßnahmen: Gehen Sie verantwortungsvoll mit der Zeit Ihrer Mitarbeitenden um!
Wer das Beste aus sich und seinem Leben herausholen will, braucht einen Job, mit dem er sich identifizieren kann. Nutzen Sie das, machen Sie Ihre Werte stark und erklären Sie, welchen gesellschaftlichen Beitrag Sie leisten. So entsteht eine Kultur, in der Arbeitgeber und -nehmer gemeinsam auf Augenhöhe eine Vision entwickeln, die Sinn stiftet.
3. Seien Sie ehrlich Junge Talente wollen bei einem Unternehmen arbeiten, zu dem sie passen. Also trauen Sie sich, sich so zu zeigen, wie Sie wirk lich sind. Entwickeln Sie eine Ein-Satz-Antwort auf die Frage, warum ein Bewerber sich für Sie entscheiden sollte. Bedenken Sie dabei: Bei New Work geht es nicht primär um Flexibilisierung, sondern um Beteiligung.
4. Gewähren Sie Freiheiten Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden mitreden und räumen Sie ihnen Freiraum ein, ihren Arbeitsplatz mitzugestalten, damit alle selbst bestimmt ihre Rolle erfüllen können. Vertrauen Sie ihnen an, die Freiheit mit Verantwortung zu füllen. Begleiten Sie sie, indem Sie Austausch-Angebote schaffen. Bei New Work geht es um das »Wir«, nicht ums »Ich«.
Die Technische Univer sität München (TUM) for scht und lehr t seit drei Jahren am modernen Bildungscampus in Heil bronn Neben Bachelor und Master studiengängen in Ma nagement oder Informatik können im Rahmen der Weiterbildung am TUM Campus Heilbronn berufsbegleitend maßgeschneider te Kur se gebucht werden. Die Zer tifikatsprogramme verknüpfen exzellente For schung mit den Anforderungen aus der Wir tschaf t Die Angebote richten sich an Einzelper sonen oder werden maß
geschneider t auf die Bedür fnisse von Unternehmen oder Team angepasst oder entwickelt.
For schungszentren – maßgeschneider t für die Bedar fe der Wir tschaf t „Managing Digital Technology, Information Engineering and Family Businesses“ in diesen Bereichen setzt die TUM am Campus Heil bronn Forschungsschwerpunkte. Ziele sind sowohl eine integrier te, interdisziplinäre Forschung als auch die er forderliche Lehre für die Studiengänge zu gewährleisten. „Auf diese Weise können wir unsere Forschung noch besser bündeln und wer tvolle Synergien generieren“, so Prof. Dr. Helmut Krcmar, Gründungsdekan und Be auf tragter des Präsidenten für den TUM Campus Heilbronn „Nicht nur unsere Studierenden, sondern auch Unternehmen sollen von den neuen Erkenntnissen profitieren, die wir hier gewinnen “
Weltweit ver netzt und regional ver wur zelt In der Region Heilbronn Franken setzt sich die TUM am Campus Heilbronn dafür ein, Rahmenbedingungen für die Installation einer Civic Univer sity zu schaffen. Zentraler Punkt ist der Auf bau eines Systems, das Studierende, For scher, Unternehmen und lokale Stakeholder befähigt, den digitalen Wandel positiv zu gestalten. Ein wichtiges Anliegen ist es, relevante Exzellenz For schung an der TUM am Campus Heilbronn bestmöglich mit den Er folgs geheimnissen des Mittelstands in der Region und darüber hinaus zu verknüpfen
Der Reise- und Medienunternehmer Karlheinz Kögel pflegt seine Kontakte wie kein Zweiter. So gelingt es ihm, immer wieder neue Geschäftsideen zu finden VON CLAAS
Last minute in den Süden? Karlheinz Kögel hat das Millionen Deutschen ermöglicht
Seinen 80. Geburtstag wollte Frank Elstner gemütlich im Kreis seiner Familie feiern. Dann klingelte es an der Tür des Wetten, dass..?- Erfinders. Karlheinz Kögel stand da, mit seiner Frau Dagmar. »Bewaffnet mit Luftballons und einem Präsentkorb. Natür lich auch mit meinem italienischen Lieb lingsrotwein«, erinnert sich Elstner an seinen Geburtstag im April. Doch Kögels größtes Geschenk sei »die ungeteilte Auf merksamkeit, die er seinem Gegenüber im mer wieder schenkt«.
Karlheinz Kögel ist einer der begnadets ten Netzwerker des Landes. Wer ihn in sei nem Büro in Baden-Baden besucht, wähnt sich in einem Museum der Zeitgeschichte. Sechs (!) signierte Fotos mit Angela Merkel hängen an der Wand. Dankesbriefe von Hillary und Bill Clinton finden sich gerahmt an der Wand gegenüber. Kögel ist einer, der seit Jahrzehnten ein Gespür dafür hat, welcher Trend die Medien- oder die Reise branche als Nächstes erfassen wird. Der Be dürfnisse der Menschen erkennt, bevor sie die selbst verspüren. Und der weiß, wie man damit Geld verdienen kann. 75 Jahre liegen hinter ihm, voller Unternehmertum. Und für Kögel ist noch lange nicht Schluss.
Dabei war der Anfang schwierig. Kögel flog vom Gymnasium, »weil ich die Schule nicht ganz ernst genommen habe«, wie er heute sagt. Im strengen Jesuitenkolleg St. Blasien absolvierte er eine Schreinerlehre. Damit er dem Vater etwas vorzeigen konnte, dessen Sägewerk im badischen Waldshut er übernehmen sollte. Nur: Kögel wollte nicht. Sondern lieber »meine Träume leben«.
Zwei Dinge faszinierten ihn: Amerika. Und das Radio. Kögel sprach bei Radio stationen im ganzen Land vor. Alle lehnten ihn ab. Zu viel Badisch in der Stimme. Bis er
SFrank Elstner gegenübersaß, damals einer der Starmoderatoren von Radio Luxemburg. Und der war angetan. Danach startete Kögel durch und wechselte später zum Südwest funk, wo er den Pop Shop moderierte – eine im ganzen Land gehörte Musiksendung. Sogar Inhaftierte hörten Kögel zu. Das war wichtig für seine erste Geschäftsidee.
Kögel hatte Zweifel, dass die Charts da mals wirklich die beliebtesten Songs listeten. Also verteilte er im Jahr 1977 Aufnahmege räte in Gefängnissen. Systematisch erfassten sie, welcher Interpret wie oft gespielt wurde. Seine Firma Media Control war geboren. Sie lieferte jene Informationen, »auf die alle Werbetreibenden sehnsüchtig gewartet hat ten«, sagt Frank Elstner, »so wurde er in kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Spurensucher für unsere Branche«.
Die Musikindustrie konnte das Marke ting nun viel gezielter in Regionen oder Formaten bündeln, die am ehesten Umsatz versprachen. Bis heute liefert Kögel Ver kaufs- und Veröffentlichungsdaten für Ra dioprogramme, Fernsehsender, Buchverlage. Kögel wurde damit Millionär.
Anfang der Achtzigerjahre lernte Kögel dank einer Moderation Maurice Freund kennen. Der französische Pionier des Char terflugs verkaufte mit seiner Firma Le Point Flüge nach Afrika und Südamerika. Kögel erkannte das Geschäft und bot an, den deutschen Vertrieb zu organisieren.
Dann setzte er auf Expansion. Und überzeugte die deutsche Airline LTU, das auch zu versuchen. Nun galt es, eine Lock heed Tristar 500 mit 280 Passagieren zu füllen. Kögels Glück war, dass Anfang der Achtzigerjahre ein ähnlich Getriebener bei LTU Verkaufsleiter war: Joachim Hunold, der spätere Air-Berlin-Gründer. »Das Risi ko lag komplett bei Karlheinz Kögel, und deswegen suchte er immer nach neuen Wegen, die Flieger zu füllen und Geld zu verdienen«, sagt Hunold. Wenn der Flieger nicht voll wurde, versuchte Kögel Leer plätze für 99 Mark an Schüler und Stu denten zu verramschen. Erfolglos. Falsche Zielgruppe. Bis dahin gab es für deutsche Touristen nur die Pauschalreise. Erschwing liche Einzeltickets zu kaufen war praktisch unmöglich.
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So kam Kögel mit Hunold auf die Idee, nicht verkaufte Sitzplätze günstig als Lastminute-Reisen zu verticken – die Geburt von LTUR. Doch Kögel wollte sich nicht dauerhaft auf LTU-Angebote beschränken. Und machte LTUR zu L’tur, kooperierte bald mit Lufthansa und dem Veranstalter TUI, der ihm das Unternehmen Jahrzehnte später abkaufte. Wieder hatte Kögel ein Be dürfnis verstanden, bevor die Menschen es selbst spürten – und ein Lebensgefühl auf gegriffen, das heute selbstverständlich ist. Der Wunsch, sich nicht schon im Herbst auf den nächsten Sommerurlaub festzule gen, sondern spontan zu entscheiden, wohin es nächste Woche gehen soll. So machte Kögel L’tur zu Europas Marktführer für Last-minute-Reisen und wurde zum Promi.
1996 gehört er wie der damalige SpiegelChefredakteur Stefan Aust der Jury des Goldenen Löwen an, eines Fernsehpreises des Privatsenders RTL. Aust sagt, Kögel habe »schon sehr früh ein Gespür für die Digitalisierung gehabt und für die Verände rungen, die die Medien noch erfassen soll ten«. Vor allem aber lernte Kögel, wie viel Aufmerksamkeit so eine Preisverleihung brachte. Nur eben nicht ihm selbst. Also er fand er seine eigene Trophäe: den Deutschen Medienpreis.
Offiziell vergab Media Control die Aus zeichnung. Wofür? Das weiß allein Kögel. Nur der erste Preisträger war mit dem RTLManager Helmut Thoma ein Medienschaf fender. Danach folgten unter anderem Helmut Kohl, Nelson Mandela, Gerhard Schröder, Angela Merkel, der Dalai Lama, Bono, Ban Ki Moon und – wichtig! – erst Bill und später auch Hillary Clinton.
Zur Preisübergabe an Bill Clinton reiste Kögel 2000 eigens ins Oval Office. Kögel ließ es sich auch nicht nehmen, die Clintons bei ihren Buchpremieren mit seinem Privat jet von einem Termin zum nächsten zu flie gen. Aber hat die Pandemie den Kontakt nicht zum Erliegen gebracht? Von wegen! Wer am direkten Draht von Kögel zum ExUS-Präsidenten zweifelt, dem leitet er ein Geburtstagsvideo von Bill Clinton an den lieben Karlheinz weiter: »Danke für deine Freundschaft und dafür, dass du so ein toller Mensch bist«, sagt Clinton in dem Video.
Fluggäste haben die großen deutschen Flughäfen im ersten Halbjahr 2022 gezählt – 40 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019
Der letzte Preisträger war 2017 ein ande rer früherer US-Präsident: Barack Obama. Die Gästeliste war so bunt wie die Jetons im Casino. Ein besseres Ende für seinen »Me dien«-Preis hätte Kögel nicht finden können.
Zeit also für den Baden-Badener Kur park? Nicht mit Kögel. Schon gar nicht, nachdem die Pandemie die Tourismusbran che Milliarden gekostet hat. Er habe nach wie vor Spaß daran, ins Büro zu kommen, sagt er. Und in der Pandemie »so viel Geld verloren, dass ich mir geschworen habe: Das will ich wieder zurück. So einfach ist das.«
Längst hat sein aktuell größtes Unter nehmen HLX die Last-minute-Reise auf die Bedürfnisse der Internetnutzer abgestimmt. Mit wenigen Klicks kann man sich Reisen aus Hunderten Flügen und Tausenden Hotels zusammenstellen. Jeder Nutzer kann agieren wie sonst nur Reisebüros. Dieses Jahr erwartet Kögel 120 Millionen Euro Umsatz – doppelt so viel wie 2019.
Sein größter Vorteil als Mittelständler? Er könne viel eigenständiger agieren als die großen Veranstalter, die die Kunden immer wieder aus dem Blick verlören. Künftig will er auch die Blockchain nutzen, zum Beispiel für die Bezahlung und die Optimierung der gesamten Reisekette. Wie genau das laufen wird, muss sich zeigen.
Noch einen Vorteil hat das freie Unter nehmertum. Kein Controller schaut ihm auf die Finger, wenn er eine Party gibt.
Ein Tag im Sommer 2022, im Casino Baden-Baden. 100 Touristikmanager sind angereist, zum Barbecue mit King Kögel. Das Programm ist so abwechslungsreich wie sein Leben. Nach einem Vortrag über die Blockchain tanzt ein Elvis-Imitator zu You’ve Lost that Loving Feeling durchs Restaurant. Danach: Waldbeeren mit Southern Com fort, »müssen Sie mal probieren«, sagt Kögel.
Euro Umsatz erwartet Kögels Unternehmen HLX in diesem Jahr –doppelt so viel wie im Jahr 2019
Anfang Dezember hat Kögel Geburts tag. 76. Das größte Geschenk? Das macht er. Seiner Stadt. Eine Öko-Eisbahn. Schlitt schuhläuferinnen gleiten über Glice – einen Kunststoff mit den gleichen Eigenschaften wie Eis. Der Vorteil: Nach der Produktion entstehen keine Energiekosten mehr, und Kögel kann guten Gewissens von seinem Büro aus auf den Augustaplatz hinunter schauen.
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ZEIT für Unternehmer: Herr Hommels, deutsche Start-ups haben 2021 mehr als doppelt so viel Geld eingesammelt wie 2020; auch im ersten Halbjahr dieses Jahres lagen die Investments noch auf hohem Niveau. Trotzdem beklagen Sie eine große Finanzierungslücke. Warum?
Klaus Hommels: Wenn ich die 100 Meter in 43 Sekunden laufe und ein Jahr später nur noch 31 Sekunden brauche, ist das natürlich eine gewaltige Steigerung. Aber für die Weltspitze reicht es nicht. So ist das auch mit dem Wagniskapital: Nicht mal ein Pro zent des deutschen BIP fließt in die Finan zierung innovativer Unternehmen. In den Fünfzigerjahren waren es vier Prozent, nur so konnte ein starker Mittelstand entstehen. Immerhin holt Deutschland auf. Leider viel zu langsam. Davon, wie Unter nehmen heute wachsen, hängt unser Wohl stand von morgen ab. Wenn ein Unterneh mer oder eine Unternehmerin das Geld quasi tröpfchenweise mit einer Pipette ein sammeln muss, ist das sehr kräftezehrend. Es wird schwer, neue Technologien zu ent wickeln. Gut möglich, dass er oder sie es bleiben lässt oder sogar scheitert. An welche Technologien denken Sie? Das Geld fehlt in der Medizintechnik genau so wie in der Biotechnologie oder in der IT. Nehmen Sie zum Beispiel Quantencompu ting, also die Entwicklung extrem leistungs fähiger Rechner, oder künstliche Intelligenz. Die Wirtschaft benötigt Hochleistungsrech ner und intelligente Algorithmen dringend, um Maschinen zu vernetzen und effizienter zu produzieren. Wir haben in Deutschland zwar erstklassige Forscher und Forscherin nen, aber sie brauchten mehr Kapital, um aus ihren Ideen werthaltige Firmen zu machen. Zwei Drittel der 20 größten europäischen Wachstumsfirmen sind von Investoren aus den USA finanziert. Warum ist das problematisch?
Hommels, 55, gründete 2012 Lakestar in Zürich, einen Wagniskapitalgeber
Stellen Sie sich vor, beim Impfstoffhersteller BioNTech aus Mainz wären nicht die Un ternehmer Andreas und Thomas Strüng mann die entscheidenden Geldgeber gewe sen, sondern ein US-Investor, der auch noch ein guter Freund des früheren US-Präsiden ten Donald Trump gewesen wäre. Glauben Sie, Deutschland hätte dann genauso früh Vakzinen gegen Corona erhalten wie die USA? Ich habe da Zweifel.
Auch Firmen mit amerikanischen Eigen tümern verkaufen doch gern in Europa. Solange es opportun ist. Aber was, wenn sich das ändert? Was würden wir zum Bei spiel tun, wenn Visa und Mastercard in Eu ropa nicht mehr verfügbar wären, weil ein amerikanischer Präsident Sanktionen ver hängt? Oder wenn der US-Unternehmer Elon Musk der Ukraine plötzlich keinen Zugriff mehr aufs Internet über seine Star link-Satelliten verschafft? Unsere Abhängig keit macht uns angreifbar. Um das zu än dern, müssen wir unsere Technologiefirmen
besser finanzieren. Sonst sind wir Zaungäste, während andere das Rennen machen.
Die Bundesregierung will zehn Milliar den Euro für innovative Start-ups bereitstellen, damit private Investoren 20 Milliarden Euro dazugeben. Reicht das?
Das ist schon ein massiver Schritt nach vor ne, auch wenn die Finanzierungslücke in Deutschland deutlich größer ist. Deswegen darf dieser Schritt nicht der einzige bleiben. Der Staat könnte ein Vielfaches an Kapital für innovative Firmen mobilisieren, wenn er etwa Pensionsfonds etwas riskantere, aber auch lohnende Investments erlauben würde. Solche Fonds sammeln die Beiträge von Menschen, die damit fürs Alter vorsorgen. Ist es nicht verständlich, dass dieses Geld nicht in Start-ups investiert werden darf, die viel häufiger scheitern als Konzerne?
Nein. Wenn ein Fonds kein Risiko eingeht und so nicht einmal zwei Prozent Rendite erwirtschaftet, verlieren die Einzahler doch auch an Kaufkraft – erst recht in Zeiten ho her Inflation. Und staatliche Wagnisfinan zierer wie der European Investment Fund erzielen mit Technologiefirmen doch auch zweistellige Renditen. Man fragt sich: Wa rum sollen Rentner das nicht auch kriegen? Kommt die Initiative der Bundesregierung überhaupt noch rechtzeitig?
Sie kommt spät, aber das ist kein Grund, darauf zu verzichten. Wir müssen Innovatio nen finanzieren, sonst können wir Deutsch land einmotten. Das ist alternativlos. Geben Sie auch daher den Warner, weil Sie mit Ihrer Beteiligungsfirma Lakestar Geld für Ihre Fonds einwerben wollen?
Ich bin Europäer und davon überzeugt, dass wir in Europa aufholen müssen. Ich habe vier Kinder und will, dass es auch noch einen starken Mittelstand gibt, wenn sie alt sind. Wann hatten Sie diese Erkenntnis?
Ich saß vor einiger Zeit im Aufsichtsrat von Spotify, in das Lakestar zuvor investiert
Klaus Hommels ist einer der bekanntesten Start-up-Investoren in Europa. Jetzt warnt er davor, dass wir zu abhängig werden – von den USA
hatte. Der Streamingdienst ist eines der we nigen europäischen Technologie-Unterneh men, die weltweit erfolgreich sind. Dort habe ich erlebt, wie Spotify von Big-TechUnternehmen wie Apple ausgebremst wur de, weil es von dessen App Store abhängig war. Da ist mir klar geworden: Die BigTech-Unternehmen machen das nicht nur mit Spotify. Später hat Apple dann auch einen Zahlungsdienst gelauncht und eine Gesundheits-App rausgebracht. Unternehmen wie Apple werden auch zukünftig ihre Marktmacht gegen Wettbewerber ausspie len. Und das ist nur eine Seite des Problems. Welche sehen Sie noch?
Wenn Ihr Kind seinen 24. Geburtstag feiert, dann wird es wahrscheinlich rund 11.000 Stunden Social Media konsumiert haben. 11.000 Stunden, in denen es nicht mit seinen Freunden Fußball gespielt oder mit Oma und Opa gesprochen hat. 11.000 Stunden, in denen Algorithmen ihm Inhalte gezeigt, Werte vermittelt und gleichaltrige Nutzer empfohlen haben. Diese Algorithmen stam men von amerikanischen Firmen mit ande ren Werten und Zielen und nehmen Ihnen als Vater einen Teil der Erziehung ab. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir mit starken europäischen Unternehmen dagegenhalten, deren Aufbau nun mal Kapital erfordert. Sie merken: Ich brenne für das Thema! Sollten Gründer also lieber länger nach Geldquellen in Europa suchen, statt In vestoren aus den USA anzusprechen?
Ich beobachte schon, dass gerade auch die Generation der jüngeren Gründer visionär ist, auf Europa stolz ist und auf die Souverä nität Europas Wert legt. Sie gehen reflektiert mit der Frage um, wen sie an ihren Unter nehmen beteiligen. Und das finde ich richtig. In Deutschland sind Firmen wie der Lie ferdienst Gorillas mit mehr als eine Milliarde Euro bewertet, die nicht gerade für Hightech stehen. Wird das knappe Geld
in Deutschland auch noch an mittelmäßige Unternehmen verteilt?
Ganz ehrlich: Das ist doch nicht der ent scheidende Faktor. Es muss einfach so viel Geld fließen, dass ein paar Unternehmen richtig groß werden können. Dann ist es auch okay, wenn einige Firmen Geld be kommen, deren Geschäftsmodelle am Ende nicht tragen. In den USA wurden zwischen 2002 und 2006 Hunderte Milliarden Dollar in innovative Ideen gesteckt, die nicht groß geworden sind. Und wen interessiert das? Niemanden, weil in der gleichen Zeit Face book gegründet wurde und Netflix und Google groß geworden sind.
Auch Firmen, die Sie finanziert haben, haben zuletzt Stellen reduziert, etwa die Immobilienplattform McMakler.
Ich kann nicht im Namen von McMakler sprechen. Aber unabhängig davon: Es wird immer Unternehmen geben, die verschwin den – so wie in der Natur permanent neue Pflanzen wachsen und alte sterben. Und wenn das Geschäftsmodell einer Firma nicht funktioniert, dann werden ihre Mit arbeiter mit ihren dort gesammelten Erfah rungen anderswo mehr bewirken können. Stehen wir vor einem Winter, in dem we
gen der hohen Energiepreise und anderer ökonomischer Sorgen einfach mehr junge Firmen erfrieren werden als sonst?
Ich glaube, es kommt eine herausfordernde Zeit auf uns alle zu. Aber eigentlich sind junge Technologiefirmen eher immun gegen solche Schocks von außen – gerade weil sie ihr Geld von Wagnisfinanzierern bekom men und nicht von Banken, die jetzt höhere Zinsen fordern.
Sollte der Staat trotzdem einschreiten, damit keine Startups verschwinden?
Zu Beginn der Pandemie waren die breit gestreuten Hilfen des Staats aus meiner Sicht richtig, weil es sich um einen echten Schock von außen handelte. Aber wenn jetzt Startups aufgeben oder Mitarbeiter entlassen müssen, dann liegt das eher an ihrem Ge schäftsmodell, und der Staat muss aus mei ner Sicht nicht intervenieren.
Zur Mission vieler Jungunternehmer ge hört, die Welt nachhaltiger zu machen. Ist das in einer Wirtschaftskrise möglich? Ja, denn so entstehen im Idealfall Innovatio nen, die den Gründern langfristig Wachs tum versprechen und zugleich unsere Wirt schaft stärken und unabhängiger machen.
Impact Fonds verlangen von Gründern ein LifecycleAssessment, bevor sie investieren – eine Kalkulation, wie sich ihre Firma während ihrer Lebensdauer aufs Klima auswirkt. Eine gute Idee?
Ich finde es richtig, dass ESG-Kriterien, also ökologische, soziale und ethische Aspekte, für Geldgeber und Gründer und Gründe rinnen wichtiger werden. Aber es erscheint mir übertrieben, wenn ein Wagnisfinanzie rer von einem fünfköpfigen Gründerteam darüber hinaus einen detaillierten Nachhal tigkeitsbericht verlangt und es so mit Büro kratie überfrachtet. Das ist, als würde man jemandem, der gerade schwimmen lernt, noch einen Klotz ans Bein binden.
Die Fragen stellte Jens Tönnesmann
» Es muss einfach so viel Geld fließen, dass ein paar Unternehmen richtig groß werden können«
Unterwegs mit Thomas Hagedorn, der seit Jahren Gebäude zerlegt und so eine Unternehmensgruppe aufgebaut hat, die Vergangenheit in Zukunft verwandelt
Und dann rollt Thomas Hagedorn in seinem Audi an dem kleinen Bagger vorbei, mit dem seine ziemlich große Geschichte in den Acht zigerjahren ihren Anfang nahm. Ein Mobilbagger in Knallrot, Modell Atlas 1602E, Baujahr 1983. Er steht an einer Straßenecke, gleich neben der Firmenzentrale seines Un ternehmens. Hagedorn bremst kurz ab. »Die Gerüche, die Öle, das vergisst du nicht«, sagt der Mann. Und geht wieder aufs Gas: Es gibt schließlich zu tun.
Auf den ersten Blick ist Thomas Hage dorn ein Abriss Unternehmer, einer der er folgreichsten der Republik, das manager ma
gazin hat ihn mal »Deutschlands »Abrisskönig« getauft. Auf der roten Maschine hat er in den Achtzigern professionell das Bag gerfahren, das Abbrechen von Gebäuden und das Sortieren von Schutt gelernt. Schon mit sieben Jahren, sagt der 51 Jährige, habe ihn sein Vater auf eine Baumaschine gesetzt.
Nach der Realschule ging es an die Ar beit – und in die Selbstständigkeit als Ab bruch Unternehmer. Aus diesen Anfängen ist heute die Hagedorn Gruppe geworden, mit etwa 1500 Mitarbeitern. »Rund 420 Millionen Euro Umsatz werden es dieses Jahr werden«, sagt der Gründer so nebenbei.
Eigentlich ist Hagedorn also ein Aufbau Unternehmer. Zusammen mit seiner Frau Barbara hat er in weniger als drei Jahrzehn ten ein kleines Imperium in Ostwestfalen geschaffen. Heute gehört zum Fuhrpark seiner Firma der größte Abbruch Bagger Deutschlands: der KMC1600S. Konstruiert nach eigenen Vorstellungen, 230 Tonnen schwer, kann Stahlteile bis zu einem Meter Dicke zerschneiden und hat etwa dabei ge holfen, das Kraftwerk Lünen zu zerlegen.
Aber Hagedorn geht es längst nicht mehr ums Abreißen. Heute kauft er riesige Grundstücke, gerne mit Altlasten, räumt
Thomas Hagedorn auf dem Gelände seiner Abbruch-FirmaHallen und Werke ab, versucht den Schrott zu recyceln und macht aus den Flächen dann Gewerbeparks. Eine Firma für Krane und Schwerlogistik hat er letztes Jahr über nommen. Tiefbau macht die Gruppe auch noch, die Digitalsparte mit Soft ware rund um den Bau wächst kräftig.
Wie kriegen die das alles hin? Begleitet man Thomas Hagedorn einen Tag lang, merkt man schnell: Einfach ist es nicht.
Ein Herbsttag in der Firmenzentrale, gelegen in einem Gewerbegebiet im Norden von Gütersloh. Dort sind Süßigkeiten auf einer Etagere angerichtet, in kleinen Gläs chen steht Obst auf Joghurt bereit, in der Ecke plätschert Wasser über einen kugel runden Stein. Hagedorn trägt Jeans, weißes Hemd, Jackett mit Einstecktuch und Ur laubsbräune. Drinnen ist schick, draußen die Wirklichkeit: Durch das gekippte Fenster hört und sieht man schwere Kipplaster, die über den Hof fahren.
Hagedorn erzählt aus einem Vierteljahr hundert Unternehmertum. Wie er nach der Insolvenz seines Vaters, ebenfalls AbbruchUnternehmer, Baustellen abtelefonierte, um nach Arbeit zu fragen. Wie ihm das – trotz fehlender Ausbildung – nach und nach ge lang. Wie er mit seiner Frau viele Jahre regel mäßig ins Scania-Werk in den Niederlanden fuhr, um neue Lastwagen abzuholen – Din ner und Übernachtung inklusive, Honey moon im Zwölftonner. »Das war so schön«, erinnert sich Barbara Hagedorn. Wie er den Zuschlag erhielt, ganze Fabrikhallen von Dr. Oetker abzureißen. »Da saß ich das letzte Mal selbst für einen Auftrag auf einer Maschine«, sagt Thomas Hagedorn. Seitdem bestimmen viel Strategie, viel Vertrieb, viel Netzwerken die Arbeit. Aber die Basis bleibt ziemlich ehrliche, ziemlich brachiale Arbeit.
Also zwei Stockwerke runter ins echte Leben. Das Ehepaar wirft sich gelbe Warn westen über Jackett und Blazer. Rüber auf
den Betriebshof. Thomas Hagedorn erklärt, wie der dort abgeladene Bauschutt recycelt wird – erst wird vorsortiert, dann werden Metallteile abgesondert, dann landet der Sand je nach Korngröße und Qualität auf verschiedenen Haufen. In einer großen Halle lagert belasteter Schutt, etwa Teeroder Asphaltreste. Ein Kipplaster biegt ein, hält beim Rangieren wenige Zentimeter ne ben dem Unternehmerpaar an. »Du arbeitest auch mal wieder?«, grüßt der Lastwagen fahrer seinen Chef. Großes Gelächter.
Wer als Bauunternehmer Erfolg haben will, muss heute mehr denn je um gute Leute kämpfen. Dabei hilft es, Beziehungen zu nutzen und zu pflegen. Der Lastwagen fahrer: der Ehemann der Schwester. Mit einem anderen Fahrer hat Hagedorn in der Jugend seine erste Zigarette geraucht, erzählt er. Sein Mann fürs Stoffstrom-Management, also das Recycling der Baustoffe, ist eben falls ein alter Freund. Und in der Kantine
»Cook & Chill« mit ihren Lounge-Möbeln arbeitet jetzt die Schwester der Reitlehrerin der Töchter.
Johannes Harzheim kommt dazu, aus Köln. Über 100 Jahre lang hatte seine Fami lie auch eine Abbruch-Firma. Dann kriselte es. 2017 kaufte Hagedorn den Betrieb, seit dem kümmert sich Harzheim um Strategie. »Irgendwann hat der Chef angerufen und gesagt: Können wir die Digitalisierung rund um den Rückbau nicht selbst machen?«, er zählt er. »Und dann macht man das.«
Auf einem Tablet zeigt er, was alles daraus entstanden ist: Heute überfliegen Drohnen große Abbruch-Projekte und bauen so genannte digitale Zwillinge auf, also Com putermodelle. Bauleiter und Auftraggeber sehen so, um wie viel umbauten Raum es geht, und vermessen, welche Fortschritte es gibt. Früher sei er mit dem Auto um Häuser gefahren und habe den Aufwand des Abris ses aus dem offenen Fenster geschätzt, sagt Hagedorn. Heute geht das mit Daten.
Hagedorn bemüht sich, die AbbruchBranche zu verändern. Und verändert sich dabei selbst. Als vor Jahren erstmals ein Bauleiter ankündigte, in Elternzeit gehen zu wollen, »da bin ich fast in die Leitplanke gefahren, vor Schreck«, sagt der Unterneh mer. Heute treibt Barbara Hagedorn eine »Frau am Bau«-Kampagne voran. Denn bei Hagedorn ist nur etwa jeder fünfte Be schäftigte weiblich, die Firma macht das auf der Website selbst zum Thema: Man sei »weit entfernt von perfekt«, heißt es, und: »Wir brauchen mehr Frauen! Echte Struk turwandler:innen, die Berge sowohl auf der Baustelle als auch im Kopf versetzen kön nen.« Und Elternzeit für Bauleiter? »Heute ist das gelebte Normalität«, sagt Thomas Hagedorn.
Mittlerweile gibt es in der Zentrale einen Barbershop, kostenfrei für alle Mitarbeiter. Direkt daneben bietet ein Körpertherapeut Massagen an. Die erste Extrazahlung für die Mitarbeiter, um Inflation und Energiepreise abzufedern, ist gerade beschlossen. »Uns geht es vergleichsweise gut«, sagt Hagedorn »wenn wir die Möglichkeit haben, etwas zurückzugeben, dann gehört sich das so. Das machen wir aus voller Überzeugung.«
Im Erdgeschoss hängen Auszeichnungen an der Wand: für das Unternehmen, für die Personalarbeit und für das soziale Engage ment. Besonders stolz sind die Hagedorns auf den roten Pokal unten rechts: »Geilste Bude« steht da drauf. Ein Geschenk der Mitarbeiter zu einer Weihnachtsfeier.
Der Anpacker engagiert sich auch poli tisch: Das Wiederverwerten von Baustoffen, die Neuverwendung von Flächen, dafür werbe er immer wieder bei Bauamtsleitern und Behörden. Hagedorn ist überzeugt, dass es Sinn macht, aus Abbruch-Material erneut Baumaterialien zu machen. Aber die Behörden wehrten sich immer wieder mit bürokratischen Auflagen dagegen. Ein Ministerium habe ihm bestätigt, zu den »sympathischsten Nervensägen« zu gehören, berichtet Hagedorn – ein Kompliment.
Zurück im Auto, weiter in Richtung Gütersloher Innenstadt. Vor einem leeren Gebäuderiegel des Waschmaschinenbauers Miele steht – klar – ein Bauzaun mit Hage dorn-Plakat. »Da bin ich Lokalpatriot«, sagt Hagedorn, »wenn ich hier in der Stadt einen anderen Bagger sehe, dann nervt mich das ehrlicherweise immer noch.«
Je mehr die Gruppe wächst, desto schwieriger wird es allerdings für die Hage dorns, sich um alles selbst zu kümmern. 42 Gesellschaften mit 15 Geschäftsführern
sortieren sich unter dem Dach der Unter nehmensgruppe, die weiter wächst.
Direkt in der Innenstadt etwa hat Hage dorn den alten Güterbahnhof aufgekauft und abgerissen. Er lenkt den Audi jetzt an Neubauten vorbei: Ein Fitnessstudio, die Arbeitsagentur und eine Fachhochschule sind eingezogen. An der Ecke entsteht der Schüttflix-Tower, 26 Meter hoch. Schüttflix, das ist die große Digitalwette von Hagedorn. Das Start-up organisiert und liefert Bau stoffe zu Baustellen. Internationale Wagnis finanzierer haben investiert, genau wie die Schauspielerin Sophia Thomalla.
Neben dem Bahnhof parkt Hagedorn den Wagen. In einem alten Gebäude wartet Christian Hülsewig, kumpelig »Hülse« ge nannt, im Schüttflix-Pulli. Er verantwortet das Start-up – und packt an, wo es nötig ist. Heute gibt es gute Neuigkeiten: Baustoffe im Wert von zehn Millionen Euro pro Mo nat werden inzwischen über die Plattform gehandelt, die Zahl der angeschlossenen Spediteure steigt. Hülsewig sagt: »Wir raf fen relativ schnell, ob die Welt eine Idee gebrauchen kann.«
Und Ideen gibt es genug. Solide zweistellig sollen alle Firmenbereiche jährlich zulegen, trotz Krise. Hagedorn wird also weiter abreißen – und aufbauen. Auch zu Hause. Mit leuchtenden Augen erzählt er, wie seine Familie im vergangenen Jahr ge meinsam eine Grube für ein privates Bau projekt ausgehoben hat. 7200 Kubikmeter Erde, in drei Tagen. Die eine Tochter steuer te einen Muldenkipper, die andere einen kleinen Radlader, »Hülse« kam für ein paar Stunden vorbei, Barbara kümmerte sich um Planung und Essen, und Thomas Hagedorn saß auf dem Bagger, wie früher. Er kann es eben immer noch.
»Wenn
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Lelia König, 27, fährt viel Rad. Hier ist sie in den Bergen unterwegs
Lelia König will eine datenschutzkonforme Kamera fürs Fahrrad entwickeln. Das Geld hatte sie schneller zusammen als das richtige Team. Jetzt soll es losgehen
VON CAROLYN BRAUNWas Lelia König Freude macht, ist leider manchmal ziemlich gefährlich: Die 27-Jäh rige fährt Rad. Früher auf der Schwäbischen Alb, wo sie groß geworden ist, später in Jena, wo sie Sportmanagement studiert hat. Re gelmäßig erlebe sie im Straßenverkehr Situa tionen, in denen sie sich denke: »Okay – das hätte jetzt auch das Ende sein können.« Bis her hatte König immer Glück. Einer nahen Freundin ergeht es weniger gut. Sie wird angefahren. Ihr Becken bricht, zweifach. Das tut nicht nur körperlich weh. Der Totalschaden des teuren Rennrads, die Zuzahlung zu den Reha-Maßnahmen: Der Unfall kostet sie mehrere Tausend Euro.
Die Idee
Radfahrer sind gesetzlich geschützt: Wer sie überholt, muss mindestens 1,5 Meter Ab stand inner- und zwei Meter außerorts hal ten. Viele Autofahrer ignorieren das, unge straft. Und Königs Freundin kann nicht nachweisen, dass der Unfallgegner – ein Busfahrer – für den Unfall verantwortlich war. König fragt sich also: Könnte eine Ka mera am Rad Fehlverhalten dokumentieren? Klingt simpel. Ist es aber nicht. Denn eine
solche »Dashcam« verletzt den Datenschutz, wenn sie ohne Anlass alles filmt.
Die Marktlücke Mit ihrem Lebenspartner Sandro Beck grübelt König, wie sich das Problem umge hen ließe. Ihre Idee: eine Dashcam mit Ab standsmesser, die nur in Gefährdungssitua tionen aktiviert wird und sonst als Rück licht, Sturzdetektor und Fahrtenaufzeichner dient. Das Gerät sollte datenschutzkonform sein, und seine Aufnahmen sollten vor Ge richt verwendbar sein.
Zweifler und Förderer Die Uni in Jena wirbt unter den Studieren den um junge Gründer. Das ermutigt König und Beck 2019 zu gründen. Der Name der Firma: Dashfactory. »Wir waren ein totales Familienunternehmen«, erzählt König heu te. Nicht nur ihr Freund ist an Bord, auch dessen Bruder und ihr Onkel. Außerdem spülen die bm-t – die Beteiligungsgesell schaft des Freistaats Thüringen –, die Mittel ständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen, ein US-amerikanischer Business-Angel und ein Crowdfunding Geld in das junge Unter nehmen. Nur die Dashcam lässt immer
länger auf sich warten. Nach einem Test der ersten Charge beschließen König und Beck, das Produkt zu überarbeiten. Nun werden manche Crowdfunder ungeduldig, beschwe ren sich öffentlich, bemängeln die Kommu nikation. Lelia König sagt, ihr großer Fehler sei es gewesen, externe Entwickler hinzuzie hen. Es dauert, bis das Gründerduo diese Kompetenzen selbst im 13 Mitarbeiter star ken Team aufgebaut hat – die Leute zu finden sei alles andere als leicht gewesen, berichtet König heute.
Eine Million Euro will Dashfactory in die Entwicklung der Kamera gesteckt haben, die 2023 nun wirklich auf den Markt kom men soll, verspricht König. Das Start-up baut zudem ein zweites Standbein auf: Es hilft Kommunen, die ihre Radverkehrs infrastruktur per anonymisierter Sensor datenanalyse digitalisieren, analysieren und verbessern wollen. In Leipzig, wohin Königs Team umgezogen ist, läuft ein Pilotprojekt. Ihr Studium hat König unterbrochen, um sich auf ihre Firma zu konzentrieren. Ge blieben ist ihre Leidenschaft: Sie fährt regel mäßig Radrennen, noch ohne Dashcam.
Damit Jndias Traum wahr wird, muss sie ihren Top Fuel Dragster in 0,6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Umständliche Gehaltsabrechnungen für ihr Team würden sie nur aufhalten. Für große Träume braucht es jemanden, der dir den Rücken freihält. www.lexware.de
Lass dich nicht ausbremsen.Jndia
Erbacher, CEO Jndia Erbacher Racing GmbH