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Österreich macht der Welt schöne Augen

Von Corona haben sich die österreichischen Brillenhersteller nicht aus der Fassung bringen lassen und blicken optimistisch in die Zukunft.

j von Britta Biron

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Es gibt Produktgruppen, die stark mit bestimmten Ländern in Verbindung gebracht werden. Auch wenn solche nationalen Schubladen in einer zunehmend globalisierten Welt nur noch bedingt zutreffen, basieren sie doch auf historischen Fakten und wirken bis heute. Autos aus Deutschland, Uhren aus der Schweiz, Mode und Parfüm aus Frankreich oder Lederwaren aus Italien. Und Österreich? Da sind es Brillen und zwar solche im Premiumsektor.

Fashionable Pionierarbeit

Den Grundstein, dass die Alpenrepublik international als Herkunftsland hochwertiger und formschöner Brillen gilt, hat Silhouette gelegt. „Das Unternehmen wurde 1964 mit einem großen Ziel gegründet: aus der Brille mehr als nur einen Sehbehelf zu machen, nämlich ein Accessoire von höchster technischer und gestalterischer Perfektion. Damals war das revolutionär, und wir blieben mit dieser Haltung über viele Jahre wahrscheinlich die einzigen am Markt. Silhouette wird daher – und auch aufgrund unserer Innovationen der letzten beinahe sechs Jahrzehnte – nicht selten als Pionier und Innovationstreiber für Premium-Brillen bezeichnet“, erklärt Michael Schmied, CMO und Enkel der Firmengründer Arnold und Anneliese Schmied.

Ab 1973 – made in Austria war da bereits in vielen Ländern ein etabliertes Qualitätskriterium für Brillen – führte der österreichische Designer Robert La Roche (die Marke gehört mit weiteren neun, darunter Daniel Hechter, Spect Eyewear, Kiotonakamura und H.I.S. Eyewear, zur Michael Pachleitner Group in Graz) mit seiner ersten Kollektion Brillenfans auf der ganzen Welt zusätzliche Highlights vor Augen. Seither sind weiterere heimische Brillenhersteller dazugekommen, die sowohl am österreichischen als auch internationalen Markt erfolgreich sind: Pomberger Goisern 1984, gloryfy unbreakable (2004), Andy Wolf (2006), Rolf Spectacles (2009) sowie die beiden Silhouette-Töchter Neubau Eyewear (2016) und evil eye (2019).

Hinsichtlich Größe, Design, Produktions- und Vertriebsstrategie gibt es zum Teil deutliche Unterschiede, aber auch eine einige Gemeinsamkeiten, wobei die offensichtlichsten ausgeprägter Innovationsgeist und hohe Flexibilität sind. In Verbindung mit der Konzentration auf das Premium-Segment und einen jeweils sehr speziellen Charakter hat sich das auch in der Coronakrise ausgezahlt.

Kultmarken

„Im Fassungsbereich sind wir beträchtlich unter Plan geblieben, im Brillenglas-Verkauf erreichten wir 2020 unsere Budgetziele“, sagt Michael Pachleitner. Von Vorteil sei gewesen, dass man schon vor einigen Jahren Brillengläser mit einem speziellen Blaulichtfilter im Sortiment entwickelt hat, denn durch die vermehrte Bildschirmzeit wegen Homeoffice, Distance Learning, Gaming und Streaming ist die Nachfrage nach solchen Spezialgläsern nochmals deutlich gestiegen. Auf die Launches neuer Modelle hat man trotz der schwierigern Rahmenbedingungen nicht verzichtet, allerdings sind die Kollektionen zum Teil kleiner ausgefallen. An der grundsätzlichen Expansionsstrategie hat die Pandemie nichts geändert. „Wir streben weiterhin ein organisches Wachstum in

© Robert La Roche Die Marke Robert La Roche führt Brillenfans seit 1973 Extravaganz vor Augen.

© Andy Wolf/Bastian Thiery © Silhouette

Das steirische Independant Label Andy Wolf feiert heuer sein 15jähriges Jubiläum. Silhouette hat der Brille den Weg vom Sehbehelf zum Fashion-Accessoire eröffnet.

sämtlichen Bereichen, Märkten und Marken an – über die gesamte Gruppe von mehr als 20 Prozent pro Jahr. Parallel wachsen wir durch Zukauf.“

Derzeit konzentriert man sich vor allem auf den Ausbau der Kernmärkte D-A-CH-Region, USA, Frankreich, England und Zentraleuropa – insgesamt ist der Grazer Brillenhersteller in 60 Ländern aktiv, die Exportquote liegt bei 70%. Auch am Plan, in Deutschland eine zusätzliche Produktionsstätte für Brillengläser zu errichten, hält Pachleitner fest. 12 bis 15 Mio. € sind für das Projekt budgetiert. „Das Kaufverhalten zeigt, dass die Menschen bereit sind, für das Qualitätsprodukt Brille inklusive Glas mehr Geld als bisher auszugeben“, sieht Pachleitner gute Chancen, dass sich die Investition rechnet.

Große Designvielfalt & viele Innovationen

Für Silhouette hat es sich ausgezahlt, dass das Werk in 2017 in Linz um eine Gläserfertigung ergänzt wurde. „Gerade in Krisenzeiten sieht man die Vorteile, wenn man Kernkompetenzen selbst in der Hand und die Produktion vor Ort hat. Die Auswirkungen in den Absatzmärkten waren und sind sehr unterschiedlich: In einigen Ländern blieben die Optikerfachgeschäfte durchgehend geöffnet, in anderen waren sie teilweise geschlossen. Auch wenn uns die wirtschaftlichen Folgen der Krise noch länger begleiten werden, haben wir ambitionierte Ziele und streben nach Wachstum“, sagt Schmied.

Besonders erfreulich sei, dass die junge Sport Performance- Marke evil eye die Erwartungen übertreffen konnte. Das zeige, dass die Entscheidung, sich von der Lizenzmarke Adidas zu trennen und das Segment der Sportbrillen eigenständig zu bearbeiten, richtig war. Rund 2.000 Fachhändler in Österreich, Deutschland, Italien, Spanien, Slowenien, Tschechien, der Schweiz und den Benelux-Ländern haben evil eye schon im Sortiment; weitere Märkte sollen, so Schmied, Schritt für Schritt folgen. Dieses Jahr liege der Fokus auf Japan und Großbritannien.

Wie zahlreiche andere Unternehmen hat auch die Silhouette Group in Zuge der Pandemie verschiedene Digitalisierungprojekte beschleunigt. So wurde der Silhouette-Webshop in Österreich und Deutschland um ein Click&Collect-Service sowie ein Virtual Tryon-Feature ergänzt. „Das stößt auf hervorragende Resonanz. Wir werden den Service auch in anderen Märkten anbieten sowie auf den evil eye-Onlineshop ausweiten.“

Um den Fachhandelspartnern auf der ganzen Welt – die Hauptmarke Silhouette wird in über 100 Länder exportiert, die Exportquote beträgt rund 95% – auch in Zeiten von abgesagten Branchenmessen die Kampagnen, Produkte und Services präsentieren zu können, wurde ein digitaler Showroom eingerichtet. Außerdem

ist geplant, den evil eye-Onlineshop, der derzeit nur Kunden in Österreich und Deutschland zur Verfügung steht, sukzessive in weiteren Ländern zu launchen.

Analog & digital gut aufgestellt

Gut läuft es trotz Pandemie für die Independant Brand Andy Wolf, die heuer ihr 15-Jahres-Jubiläum feiert. Das für 2020 geplante 20%ige Umsatzplus konnte man zwar nicht erreichen, man musste aber auch keine Rückgänge verzeichnen. Und das, obwohl man ohne E-Commerce auskommt. „Es ist nicht einfach, die passende Brillen online auszusuchen. Über den perfekten Sitz entscheiden tatsächlich oft nur ganz wenige Millimeter – sei es die Fassungsbreite, die Glastiefe oder die Brückenposition. Eine Brille ist ein komplexes Objekt, das man nur richtig begreifen kann, wenn man es in den Händen hält und vor allem, wenn es auf der Nase sitzt“, erklärt Mitgründer und CEO Andy Pirkheim, warum man im Vertrieb ausschließlich auf die stationäre Schiene mit Fachoptikern und Fashion-Stores setzt. Aktuell umfasst das Händlernetz rund 2.500 Partner in 69 Ländern, die durch angestellte und selbstständige Handelsvertreter, Großhändler sowie in den USA eine eigene Niederlassung in New York City betreut werden. Außerdem wurde während der Pandemie ein digitales Händler-Portal gestartet. „Damit und mit der neuen Website können wir unsere Kunden und Partner, gerade im Export, noch besser erreichen und haben unseren Service auf ein ganz neues Level gebracht“, sagt Pirkheim.

Um die für heuer und die nächsten Jahre geplante Umsatzsteigerung von jeweils rund 20% zu erreichen, konzentriert man sich vor allem auf den Ausbau der Kernmärkte – das sind die D-A-CHRegion sowie die Niederlande, Frankreich, Italien, Russland, die USA und Kanada – und wird die Logistik dahingehend optimieren, dass Bestellungen noch am selben Tag versandt werden können. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist natürlich das Design. Der Schwerpunkt liegt auf zeitlos-chicen Formen, aber daneben wird es wie gewohnt besondere Statement-Modelle – natürlich auch anlässlich des heurigen Jubiläums – geben. Auch in Sachen Nachhaltigkeit sind einige Projekte in der Pipeline. „Gerade haben wir ein Semesterprojekt mit der FH Joanneum gestartet, um an einem nachhaltigen Etui und Polybag zu arbeiten. Außerdem stellen wir unser Acetat sukzessive auf nachhaltige Alternativen wie EcoAcetat um“, verrät Pirkheim.

Äußerst widerstandsfähig

Die Tiroler Brillenmanufaktur gloryfy unbreakable, Erfinder und weltweit einziger Hersteller von unzerbrechlichen Brillen – möglich macht das der patentierte Spezialkunststoff NBFX –, konnte den Umsatz im Corona-Jahr sogar steigern und den gewohnten Wachstumskurs fortsetzen. „Natürlich war 2020 und der Beginn des heurigen Jahres eine große Herausforderung. Der Sport- und Optikfachhandel ist für uns sehr wichtig, und die Schließung vieler Shops betrifft uns direkt. Nichtsdestotrotz blicken wir sehr positiv nach vorne“, sagt Gründer- und Geschäftsführer Christoph Egger. Vor allem die einzigartigen Produkteigenschaften seien ein wichtiger Erfolgsfaktor. Sorge, dass die unzerbrechliche Brille Konkurrenz bekommen könnte, hat Egger nicht: „Versucht wird es immer wieder, aber unsere Produktionsprozesse sind so komplex, dass es nahezu unmöglich ist, sie ohne Weiteres zu kopieren.“ Aktuell wird das Händlernetz in Deutschland und den Niederlanden ausgebaut, parallel der E-Commerce erweitert. Jüngste Neuheit ist die virtuelle Anprobe, die derzeit in Österreich, Deutschland und den Benelux-Ländern angeboten wird. Bei neuen Produkten werde, so Egger, neben einem besonderen Design auch smarte Technologie an Bedeutung gewinnen. Das heuer lancierte Modell Gi31 Amsterdam KTM Connect verfügt bereits über eine Schnittstelle zum Smartphone. Einen ersten Schritt auf das spannende Terrain der Blockchain-Technologie hat gloryfy ebenfalls schon getan. Gemeinsam mit dem Wiener Kreativstudio formlos wurden heuer drei Sets aus jeweils einer Sonnenbrille und einem digitalen Kunstwerk als NFT designt und zugunsten der Organisation Weißer Ring versteigert.

Nischenplayer mit klarem Charakter

Mit einem Umsatzplus schloss auch Pomberger Goisern das Corona-Jahr 2020 ab. Schon zu Beginn der Krise hatte man überdurchschnittlich viel Rohmaterial eingekauft und das Fertigwarenlager aufgefüllt. Als in der zweiten Jahreshälfte die Nachfrage wieder

Die unzerbrechliche Brille ist eine rein österreichische Erfindung.

© gloryfy unbreakable

© Rolf Spectacles © Johann von Goisern

Rolf Spectacles setzt bei der Substance-Kollektion auf einen neuen Bio-Kunststoff. Johann von Goisern platziert mit einer besonderen Farbenpracht Blickpunkte.

anzog, war man also bestens vorbereitet. „Das Investmentrisiko hat sich gelohnt. Durch unser starkes Vertriebsteam waren wir nicht auf Messen angewiesen, sondern konnten unsere Brillen direkt beim Kunden vor Ort präsentieren“, freut sich Hans Peter Pomberger, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Sohn Jürgen in zweiter und dritter Generation führt. „Da viele Menschen dem grauen Coronaalltag entfliehen wollen, ging die Nachfrage nach bunten Brillenfassungen dementsprechend nach oben.“ Und bunter als mit der Eigenmarke Johann von Goisern, auf die sich das Familienunternehmen seit 2010 ausschließlich konzentriert, treibt es kaum ein anderer Brillenhersteller weltweit. Möglich ist die außergewöhnliche Farbenpracht mit Verläufen sowie verschiedenen grafischen und organischen Mustern durch ein eigens entwickeltes, aufwendiges Layeringverfahren.

Wie auch bei den heimischen Mitbewerbern lautet das Motto von Pomberger Goisern Expansion; dafür werden die Produktionszahlen erhöht und die Präsenz in den bestehenden Exportmärkten wie den USA, Portugal und Kanada ausgebaut. Die Marktmacht der internationalen Big Player wie Luxottica oder Safilo sieht Pomberger gelassen: „Je größer die Konzerne werden, desto mehr freie Nischen entstehen für kleine Unternehmen wie unseres.“

Nachhaltigkeit im Blick

Dass Erfolg keine Frage der Größe ist, beweist auch Rolf Spectacles aus Tirol. Anfangs hatte man mit scharnierlosen Brillengestellen aus edlen Hölzern für Aufsehen gesorgt, danach folgten Fassungen aus Stein, Titan und Horn. Zahlreiche Modelle wurden mit renommierten Preisen – vom Red Dot Award, über den Good Design Award bis zum Silmo D´Or, dem „Oscar der Brillenbranche“ – ausgezeichnet. Die neue Substance-Kollektion aus einem innovativen Bio-Kunststoff auf Planzenbasis macht da keine Ausnahme. Die hat seit dem Launch im Frühling 2020 schon fünf Auszeichnungen erhalten, zuletzt vom European Institute of Applied Sustainability den European Green Award in Gold. Auch bei den Partneroptikern und den Endkunden kommt die chice Öko-Brille sehr gut an, und insgesamt war das Corona-Jahr wirtschaftlich erfolgreich. Entsprechend positiv ist der Ausblick in die Zukunft: „Wir rechnen auf jeden Fall mit einem Wachstum. Wie groß dieses ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab. Wir wollen uns auf eine gute Kollektionspflege konzentrieren und mit unseren bestehenden Kunden im Luxusbereich wachsen. Mit der neuen Substance-Kollektion erschließen sich für uns auch neue Märkte“, sagt CEO Bernhard Wolf.

Viel Potenzial sieht er etwa im asiatischen Raum. Expansionsschritte werden verstärkt auch in den USA, in Kanada und den Vereinigten Arabischen Emiraten gesetzt. „Die Brillenwelt ist sehr spannend. Zahlreiche kleine und innovative Labels bereichern den Markt und sind auch ein Zeichen dafür, dass die Brille immer mehr an Akzeptanz findet – ja mehr noch sich zum beliebten Modeaccessoires entwickelt. Brillen sind nicht nur Sehhilfe, sonder auch Stilmittel, um seinen Charakter zu unterstreichen oder gar zu ändern.“ ◆

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