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Modisch von Kopf bis Fuß auf Wolllust eingestellt
by medianet
Österreichische Strick- und Lodenproduzenten verbinden Tradition mit Chic und innovativen Ideen – ein international sehr anziehender Mix.
j von Britta Biron
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Bei Mode aus Österreich denkt man fast reflexartig an Trachten, und tatsächlich gehören Dirndl, Salonsteirer oder rustikale Janker und Wetterfleck zum fashionablen Kulturgut, das von Traditionsmarken wie Gössl, Habsburg, Mothwurf oder Sportalm hochgehalten wird. Auch Lena Hoschek räumt der Tracht in ihren Kollektionen viel Raum ein – erst kürzlich hat sie in Kooperation mit dem bayerischen Trachtenlabel Meindl und Jagd Österreich die erste offizielle österreichische Jägerinnenjacke kreiert. Gefertigt ist das exklusive Stück natürlich aus heimischem Loden.
Feines Tuch mit vielen Möglichkeiten
Einst war die Herstellung dieses robusten Wollstoffs im Alpenraum weit verbreitet, heute existiert nur noch eine Handvoll Lodenproduzenten. Der älteste ist Lodenwalker in Ramsau am Dachstein, dessen Geschichte sich bis ins Jahr 1434 urkundlich belegen lässt. Am grundlegenden Herstellungsverfahren, dem gezielten Verfilzen der Wollfasern durch Wasser, Hitze und mechanischen Druck, hat sich – abgesehen davon, dass seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Maschinen statt reiner Handarbeit zum Einsatz kommen und neben der Wolle heimischer Schafe verstärkt auch die feinere der Merinoschafe verarbeitet wird – kaum etwas geändert. Weiterentwickelt wurde aber der Stoff, der längst nicht mehr derb und kratzig, sondern weich und edel ist und somit nicht mehr nur für rustikale Janker und Wetterflecke verwendet wird.
Wie vielseitig der gefilzte Stoffklassiker heute ist, zeigt sich besonders schön in Mandling, keine 20 Kilometer von Ramsau entfernt, bei Steiner1888. Gegründet wurde die Manufaktur von Mitgliedern der Familie Steiner, die Lodenwalker seit dem frühen 19. Jahrhundert betreibt. Den für die Region typischen Janker, den Schladminger, fertigt man zwar nach wie vor, aber im Modesortiment dominiert mittlerweile ein zeitlos-chicer urbaner Stil mit Sakkos, Blazermänteln, Capes, Parkas, Etuikleidern, Röcken oder Cargo-Pants. „Wir wollen in unseren Designs internationales Flair mit Tradition verbinden und die Marke aus den Produkten heraus erneuern“, umreißt Johannes Steiner, der den Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Cousin Herbert in fünfter Generation leitet, die Strategie. Dazu gehören auch Innovationen bei der Stoffherstellung und der Verarbeitung. Jüngste Neuheit ist ein besonders leichter und elastischer Lodenstoff, der erstmals für Teile der diesjährigen FS-Kollektion verwendet wurde. „Die neue Kollektion aus Stretchloden kommt sehr gut an. Vor allem beim direkten Kundenkontakt in unseren Geschäften in Mandling und Schladming bekommen wir sehr positives Feedback zur Sommerkollektion. Auch in Zukunft werden wir weiterhin auf Lodenstretch setzten, da das Material sehr vielseitig einsetzbar ist“, erklärt Steiner.
© Lupi Spuma


Auch Hollywood-Stars wie Diane Kruger stehen auf Merino Runner von Giesswein.
© Steiner 1888
In der Kollektion von Steiner1888 zeigt sich feiner Loden stylish und vielseitig.
Aber nicht nur für die eigene Modelinie kommen die edlen Wollstoffe aus Mandling zum Einsatz. „Aktuell verwenden etwa Bottega Veneta, Thom Browne, Prada und Yves Saint Laurent unsere Stoffe“, freut sich Steiner, dass renommierte Luxusmarken aus Frankreich und Italien ebenfalls gern zu dem edlen Tuch aus den österreichischen Alpen greifen.
Wirtschaftlich wichtiger als der B2B-Modesektor ist der Einrichtungsbereich, der mit einer breiten Palette von Bezugsstoffen sowie Decken, Polsterhüllen und Accessoires bedient wird. Die Nachfrage nach diesen Produkten ist auch im Coronajahr gestiegen, da die eigenen vier Wände durch Ausgangsbeschränkungen, Homeoffice und Distance Learning noch stärker in den Fokus gerückt sind und entsprechend mehr in die gemütliche Neugestaltung des Heims investiert wurde. Einen exzellenten Ruf hat der Loden aus Mandling auch im Objektbereich, sei es in Büros, Hotels, Restaurants oder auf Kreuzfahrtschiffen.Österreich ist im B2C-Sektor der stärkste Markt, insgesamt spielt aber auch der Export eine wichtige Rolle. Deutschland, die Schweiz, Italien und Norwegen sind mit einem Exportanteil von zusammen 55 Prozent die wichtigsten Auslandsmärkte, der Loden aus Mandling bzw. die Produkte, die daraus hergestellt werden, haben aber auch in den USA und Japan eine wachsende Fangemeinde.
Ein wichtiger Pluspunkt im Krisenjahr 2020 war, dass Steiner1888 schon länger verstärkt auf E-Commerce gesetzt hat. „Letztes Jahr haben wir unserem Onlinestore einen neuen Look verpasst, um den Kunden ein noch besseres Kauferlebnis bieten zu können. Das hat sich auf jeden Fall ausgezahlt, denn die Zugriffszahlen haben sich fast verdoppelt. So konnte der Ausfall des stationären Handels immerhin teilweise kompensiert werden.“ Insgesamt beläuft sich das Umsatzminus für 2020 im Vergleich zu 2019 auf rund 25 Prozent, mittlerweile hat sich die Lage aber wieder deutlich gebessert. Im zweiten Quartal 2021 gab es ein zweistelliges Umsatzplus, und auch im dritten Quartal setzte sich der positive Trend fort. Längerfristige Prognosen seien, so Steiner, derzeit besonders schwierig, insgesamt aber blickt er optimistisch in die Zukunft – mit guten Grund, denn das steigende Interesse an nachhaltig gefertigten Stoffen aus Naturfasern spielt dem Loden in die Karten.
Perfekt für den sportlichen Catwalk
Das gilt auch für den Walk, der eng mit dem Loden verwandt ist, aber statt auf einem gewebten auf einem gestrickten Ausgangsmaterial basiert. Das Tiroler Traditionsunternehmen Giesswein hat daraus mit dem Merino Runner im wahrsten Sinne des Wortes einen Renner kreiert. Für den Schritt von den Hausschuhen, die sich seit Mitte der 1970er-Jahre zur

© Giesswein
wichtigsten Produktgruppe entwickelt hatten, zu sportlichen Straßenschuhen aus Walk gab es zwei Gründe: Einerseits wollte man das Sortiment um ein Ganzjahresprodukt erweitern – kuschelige Patschen sind ja eher etwas für die kalte Jahreszeit – und andererseits neue und vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen. Nachdem sich der Fachhandel für die Wollsneaker aber nicht erwärmen wollte, entschied sich Giesswein, auch beim Launch neues Terrain zu betreten und präsentierte seinen ersten Outdoor-Schuh Anfang 2017 über die Crowdfunding-Plattformen Kickstarter und Indiegogo, unterstützt durch Social Media-Kampagnen und klassische PR sowie Verlinkung zum Onlinestore.
Ein voller Erfolg – auch hinsichtlich einer Steigerung der internationalen Bekanntheit –, der von einer ähnlichen Aktion zur Markteinführung neuer Modelle 2019 sogar noch deutlich getoppt werden konnte. Bisher wurden bereits mehr als 600.000 Paar des Merino Sneakers verkauft und das Sortiment um weitere Sneaker, Sport- und Trekkingschuhe, Chelsea Boots sowie Ballerinas ergänzt. Auch die Materialpalette wurde ausgebaut: erst um ein inhouse entwickelten, leichten Hightech-Stretch aus Merinowolle, 2020 wurde der Wood Sneaker auf den Markt gebracht, dessen Obermaterial aus einem Garn aus Eukalyptusholz-Fasern gestrickt wird. „Wir forschen sehr viel in die Richtung, wie wir unsere Produktion und auch unsere Produkte noch nachhaltiger gestalten können“, erläutert Giesswein. Auch in anderen Bereichen ist man innovativ. Im August 2021 wurde ein Sneaker aus einem neuartigen Kaktusleder präsentiert, das erste Giesswein-Produkt für Anhänger des veganen Lebensstils, und im September folgte ein weiterer Woll-Laufschuh mit einer speziell konstruierten Sohle, die einen Großteil der Sprungenergie zurückgewinnt, um den Läufer zu entlasten.
Durch die Coronapandemie hat die Nachfrage nicht gelitten, sondern ist weiter kräftig gestiegen. Zudem haben sich Lockdowns und Homoffice auch positiv auf das Geschäft mit den Hausschuhen ausgewirkt. Und nachdem in den letzten vier Jahren der Onlineshop zum wichtigsten Vertriebskanal entwickelt wurde, waren für Giesswein geschlossene Schuhgeschäfte kein Problem. „Mittlerweile werden etwa 80 Prozent der Umsätze online generiert. Wir konnten den Ausfall im stationären Handel komplett durch die gestiegenen Online-Umsätze kompensieren“, erklärt Markus Giesswein, Geschäftsführer in dritter Generation. Im Sommer 2020 wurde das Fertigwarenlager mit einer leistungsstarken AutoStoreAnlage, bestehend aus 31 Robotern und 17.500 Behältern auf neun Ebenen, versehen und die Kapazitäten auf 140 Ein- und 900 Auslagerungen pro Stunde erhöht. Damit ist man bis auf Weiteres gut gerüstet, um die wachsende Zahl der Bestellungen – exportiert wird mittlerweile in mehr als 100 Länder, von den USA, über Europa und Asien bis nach Australien – zügig zu bearbeiten.
Hausschuh als modisches Trendpiece
Ausgesprochen gut läuft es trotz bzw. auch wegen Corona auch bei Gottstein in Imst, wo man ebenfalls auf Schuhwerk aus Wolle spezialisiert ist.
Dem bequemen Streatwear-Trend entsprechend, hat man im Vorjahr mit großem Erfolg einen Sneaker aus Wollfilz auf den Markt gebracht; der Fokus liegt aber klar auf nahtlos in Form gefilzten Hausschuhen, die in einer großen Modellvielfalt für Damen, Herren und Kinder und in vielen Farben angeboten werden. Eine Besonderheit, mit welcher man vor allem Luxus-affine und an Nachhaltigkeit besonders interessierte Kunden anspricht, sind die Kollektionen Species Protection und Rare Wool. Für die erste wird die naturbelassene, ungefärbte Wolle seltener europäischer Schafrassen, wie Tiroler Berg- und Steinschaf, Coburger Fuchsschaf, Schweizer Juraschaf oder Moorschnucke verwendet, bei der zweiten der Filz aus exotischer Edelwolle von Yak, Kamel und Alpaka hergestellt.
Gottstein hat Kunden in 30 Länder, die Exportquote liegt bei mehr als 80 Prozent. „Die größten Märkte sind die D-A-CH-Region und Amerika. Für die Zukunft sehen wir noch viel Potenzial in den nordischen Ländern sowie Kanada“, sagt Geschäftsführer Gerhard Gottstein. „Wir sind seit über zehn Jahren im E-Commerce erfolgreich tätig und konnten dadurch Ausfälle im stationären Handel sehr

© Gottsein

© Eisbär © Eisbär

Schutz vor Wind und Wetter oder modisches i-Tüpfelchen des Outfits – die Modelle von Eisbär vereinen sowohl die praktischen als auch ästhetischen Anforderungen an Mützen.
gut kompensieren und neue Kundschaften ansprechen.“ Ein Wermutstropfen sei allerdings, dass seit Corona die Beschaffung der Rohware schwieriger geworden ist und man mit steigenden Rohstoffpreisen und gelegentlichen Engpässen in den Lieferketten zu kämpfen habe. Ein Grund, kürzer zu treten, ist das aber nicht – aktuell wird an 3D-gestrickten Hausschuhen ohne Abfall gearbeitet sowie an weiteren Natur-Hausschuh-Modellen – und Gottstein geht davon aus, dass die positive Entwicklung durch die steigende Nachfrage anhält. „Der Kunde von heute hat nicht nur Ansprüche an die Qualität, sondern insbesondere auch an die Herstellung und den Fußabdruck eines Produkts. Regionalität gewinnt an Bedeutung. Wir finden diesen Trend richtig und wichtig – und sind überzeugt, mit unserer Philosophie davon zu profitieren.“
Coole Mützen aus feiner Wolle
Nachhaltigkeit spielt auch bei Eisbär eine zunehmend wichtige Rolle. Der im oberösterreichischen Feldkirchen a.d. Donau ansässige Familienbetrieb ist bekannt für chice Mützen und Schals und seit Anbeginn Ausstatter des ÖSV-Teams. Dass der Wintersport durch Corona kräf- tig ausgebremst wurde, hat sich klarerweise in den 2020er-Umsätzen niedergeschlagen, allerdings, so CEO Ronald Mühlböck, konnte der Rückgang zum Teil durch starke Zuwächse im Onlinehandel ausgeglichen werden. „Trotz der Herausforderungen des vergangenen Jahres haben wir versucht, eine Chance darin zu sehen und in der zweiten Jahreshälfte die komplett neue Produktlinie Pulse aus Beanie und Tube – beide multifunktional tragbar – entwickelt und auf den Markt gebracht. Bei dieser Kollektion, die aus einer multifunktionalen Beanie und einem Mutifunktionstube besteht, gilt Nachhaltigkeit als oberstes Credo. Auch bei allen Kollektionen für Herbst/Winter 2021/22 steht Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette an erster Stelle.“ Bei der neuen Sport StyleLinie wird – wie auch bei Pulse –reine Merinowolle, die aus ökologisch geführter Zucht stammt, chlorfrei behandelt und nachhaltig gefärbt sowie Kaschmir mit hohem Recyclinganteil verwendet und für die Rewool-Kollektion, die sowohl beliebte Klassiker als auch ganz neue Modelle umfasst, kommt erstmals ein Materialmix aus Merinowolle und Kunstfaser aus recycelten PET-Flaschen zum Einsatz. „Der sportliche Streetwear-Look und die trendigen Designs sprechen eine jugendliche und sportbegeisterte Zielgruppe mit einer ökologischen Grundhaltung an. Die Rückmeldungen des Handels auf die neuen Entwicklungen waren durchwegs positiv, und durch unsere Produktion in Österreich können wir auch flexibel auf eine höhere Nachfrage reagieren“, freut sich Mühlböck und sieht allen Grund, positiv in die Zukunft zu blicken. Wachstumspotenzial ortet er sowohl im Inland – neben Deutschland nach wie vor der größte Markt – als auch im Exportgeschäft, in dem sowohl Europa als auch die USA, Korea sowie China (hier rechnet man mit guten Chancen, vom wachsenden Wintersportsektor zu profitieren) eine wichtige Rolle spielen. ◆
© Eisbär
