Die Wirtschaft Nr. 17, 27. September 2019

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Nr. 17 • September 2019 • Die Wirtschaft | 26

magazin

Interview

Karin Frick

„Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt“ Studie. „Für den Erfolg des Handels wird es immer wichtiger, neben den Waren- auch die Informationsströme zu beherrschen“, berichtet Karin Frick, Autorin einer aktuellen Studie mit dem Titel „Das Ende des Konsums“.

FotoS: Sandra Blaser

löst sich von der Destination, man kann immer und überall kaufen was man braucht, und muss sich dafür nicht an einen bestimmten Ort begeben. Das führt dazu, dass der stationäre Handel an Bedeutung verliert und es weniger Läden gibt, die hauptsächlich als Showroom und Bühne dienen und fast nur noch an sehr zentralen, hochfrequentierten Lagen stehen werden.

Zur Person Karin Frick ist Leiterin Research und Mitglied der Geschäftsleitung des Gottlieb Duttweiler Instituts. Die Liechtensteinerin befasste sich seit ihrem Ökonomie-Studium an der Universität St. Gallen in verschiedenen Funktionen mit Trend- und Zukunftsforschung. Sie ist Autorin zahlreicher Zukunfts-Studien und analysiert im Auftrag namhafter Firmen Trends im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich.

Der Titel der Studie lautet „Das Ende des Konsums“. Eine bewusste Provokation oder bald schon Realität? Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt – wie der Science Fiction Autor William Gibson so schön sagte. Wer will, kann sich schon heute alles was er zum Leben braucht, nach Hause liefern lassen. Man braucht dafür auch kein überdurchschnittliches Einkommen, wenn man zum Beispiel Dinge teilt und tauscht statt kauft oder wenn man physische Gegenstände wie Bücher, Fotoapparate, Wecker, Foto-Alben durch eine App ersetzt. Bis in 10 Jahren werden auch 3D-Drucker technisch so ausgereift sein, dass wir den größten Teil unserer Alltagsprodukte, wie zum Beispiel Geschirr oder Schmuck, zu Hause produzieren können. In Ihrer Studie sagen Sie außerdem, die Revolution des Einkaufsverhaltens sei vorgezeichnet. Was steht am Ende dieser Entwicklung? Der Akt des Einkaufens wird immer mehr automatisiert: Smarte Assistenten wie Siri oder Alexa von Amazon kaufen für uns ein, selbstfahrende Lieferwagen transportieren die Ware und Haushaltsroboter tragen sie in die Wohnung und räumen sie ein. Wenn immer alles da ist, was man braucht, beschäftigt man sich weniger mit dem Einkaufen, es läuft im Hintergrund ab. Shoppen

Ist die Wirtschaft, konkret der Handel, auf diese revolutionären Umwälzungen vorbereitet? Der traditionelle Handel hat sehr lange mit der Entwicklung von neuen digitalen Formaten gewartet. Doch die Transformation ist noch lange nicht zu Ende, die technische Entwicklung verläuft sehr schnell und auch die führenden Online-Shops werden in zehn Jahren ganz anders aussehen als heute. Für den Erfolg wird es immer wichtiger, dass man neben den Warenströmen auch die Informationsströme beherrscht und präzise vorhersagen kann, was die Kunden morgen wollen. Kreative Unternehmer haben gute Chancen, mit ihren Produkten und Dienstleistungen ganz neue Zielgruppen zu erreichen. Auch regionale KMU und Kleinstbetriebe könnten durch den Einsatz von Robotern wieder rentabler werden. Zum Beispiel könnte eine Bäckerei mithilfe von Robotern 24 Stunden frisches Brot und Gebäck anbieten, ohne dass es dafür mehr Mitarbeiter braucht. Der Erfolg von lokalen Micro-Brauereien und Craft-Beers lässt sich auf andere Kategorien übertragen. Mit Micro-Molkereien beispielsweise könnte in Zukunft jeder Hof seine eigenen Milch-Spezialitäten erzeugen - keine Einheitsmilch aus dem Großtank, sondern frisch Gezapftes von Berta, Lilla und Hani – das gibt es heute schon in Holland. Ein wesentliches Merkmal neuer Technologie ist, dass sie immer schneller, besser und billiger wird und was man damit macht, fast nur noch durch die Fantasie begrenzt ist. Zu welchen Optimierungen raten Sie Händlern, um bei dieser Entwicklung „mitzuhalten“? Wenn wir Musik streamen statt CDs abzuspielen, genügt es in der Regel nicht, die Prozesse und das Sortiment im Platten-Laden zu optimieren, dann man muss das Geschäft neu erfinden. Die digitale Wirtschaft tendiert zu Monopolen, in denen wenige große Player die Spielregeln diktieren, doch auch im neuen Ökosystem


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