Die Wirtschaft - Nr. 12-13, 25. März 2016

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Nr. 12-13 · 25. März 2016 Die Wirtschaft

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n Zitat

„Die Kosten der Mega-Maut würden bis zum Endverbraucher, dem Konsumenten, durchdringen. Und ich sehe die Gefahr, dass die Nahversorgung in entlegeneren Regionen in Gefahr wäre. Der Lebensmittelhandel würde sich wohl überlegen, ob er unter diesen Voraussetzungen noch in entfernte Orte fährt.“ Gerhard Berkmann

Was das bedeutet, haben wir in Vor-EU-Zeiten gesehen. Ich rechne mit enormen Wartezeiten. Einerseits geht dann die ganze Planungssicherheit verloren. Andererseits fallen viele Fahrten aus, weil die Lkw ja an den Grenzen stundenlang stehen. Da werden Einsatzzeiten vernichtet. Kritisch sehe ich die Kontrollen auch im Zusammenhang mit den Lenkund Ruhezeiten der Fahrer, die ohnehin extrem eng gesteckt sind. Bei den einzuhaltenden Zeiten besteht leider null Toleranz, bei kleinsten Verstößen im Ausmaß von wenigen Minuten setzt es gleich hohe Strafen. Hier braucht es dringend Toleranzregelungen. Es sind Korridore im Gespräch, in denen die Lkw an den Staus vorbeigeschleust werden sollen. Ich kenne diese Überlegungen. Aber deren Umsetzung ist wieder etwas anderes. Schlepperei kann ja mit Lkw stattfinden. Daher rechne ich nicht mit kompletten Ausnahmen für den Schwerverkehr bei den Kontrollen. Stichwort „Flüchtlinge“. Es herrscht große Nachfrage nach Lkw-Fahrern. Können Sie sich Migranten in diesem Beruf vorstellen?

Wir sind seit Jahrzehnten auf ausländische Lkw-Fahrer angewiesen. Zunächst waren es Fahrer aus dem ehemaligen Jugoslawien, dann aus der Türkei und später aus Ländern wie Rumänien oder Ungarn. Unter den Flüchtlingen befinden sich bestimmt solche, die sich für diesen Beruf eignen. Voraussetzung muss freilich das Beherrschen der deutschen Sprache sein. Dies halte ich für ein Muss. Warum herrscht ein dermaßen großer Mangel an qualifizierten Berufskraftfahrern? Dieser Lehrberuf leidet in der öffentlichen Wahrnehmung leider unter einem schlechten Image. Er wird völlig ungerechtfertigterweise in ziemlich schlechtes Licht gestellt. Schuld daran hat der Lkw, den viele fälschlicherweise in erster Linie als Hindernis auf den Straßen sehen. Man spricht vielfach ja von rollenden Bomben. Aber das ist ein völlig unangebrachter Vergleich. Eine Bombe wird gebaut, um etwas zu zerstören. All diese Vorurteile schlagen sich insgesamt sehr auf das Bild des spannenden und abwechslungsreichen Berufs nieder. Trotzdem ist es uns in den vergangenen Jahren gelungen, das Image zu verbessern.

Welche sind die Vorzüge? Berufskraftfahrer genießen weitgehende Freiheiten. Sie können vollkommen autark arbeiten und befinden sich nicht laufend unter der Kontrolle von Vorarbeitern. Sie sehen viele Länder und müssen nicht zu vorgeschriebenen Zeiten in einer Fabrikshalle stehen. Auch die moderne Fahrzeugtechnik stellt eine spannende Facette des Berufs dar. Außerdem versuchen wir, die Fahrer möglichst gut zu bezahlen. Die Transportwirtschaft kämpft gegen viele Hindernisse. Hat die Branche überhaupt eine Zukunft? Absolut. Wir gehen davon aus, dass die Transportvolumina laufend zunehmen. Der Grund liegt darin, dass die Arbeitsteilung weiter fortschreiten wird. Ich sehe auch deshalb keine Gefahr für die Transportwirtschaft, weil man zwar im Internet alles bestellt, irgendjemand muss die Waren dann freilich liefern. Und da kommt erneut der Lkw ins Spiel. Ohne die Transportleistung des Lkw wäre außerdem die Lebensmittelversorgung nicht möglich. Rechnen Sie mit weiteren Verbesserungen bei den

Schadstoffemissionen der Fahrzeuge? Wir sind inzwischen bei den EURO6-Fahrzeugen angelangt. Es ist Aufgabe der Hersteller, hier weitere Optimierungen zu entwickeln. Womit ich sicher rechne, sind Verkehrslenkungen über die Maut. Dies wird bewirken, dass die Lkw in der Zukunft zu jenen Zeiten unterwegs sein werden, zu denen sie nicht auf Pkw-Verkehr treffen. Denn das Straßennetz lässt sich nicht mehr vergrößern. Insgesamt muss die Devise lauten, alle vorhandenen Verkehrsträger bestmöglich auszunutzen. Welche Herausforderungen sehen Sie für die Sparte Transport und Verkehr? Alle Bereiche der Sparte müssen 365 Tage im Jahr funktionieren wie ein Spital. Dann funktioniert das große Ganze. Sie leiten als Geschäftsführer die Berkmann Transporte + Logistik GmbH. Ich bin 1969 nach der Matura in die Firma eingetaucht und Schritt für Schritt hineingewachsen. 1975, habe ich dann die Geschäftsführung n übernommen.

n Zur Person GERHARD BERKMANN Geboren: 1950 in Höchst Ausbildung: Matura an der HAK in Bregenz 1969 nach der Matura Einstieg in das von Vater Walter ursprünglich bereits 1941 gegründete Familienunternehmen Seit 1975 Geschäftsführer der Berkmann Transporte + Logistik GmbH mit Stammsitz in Höchst und Niederlassungen in Wien und in der Schweiz Spartenobmann Transport und Verkehr seit 2005 Verheiratet, Vater einer Tochter Hobbys: Skifahren, Aktivitäten am Bodensee, klassische Musik


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