Opernring 2 | Juni 2025

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KS ANNA NETREBKO
Das MONATSMAGAZIN
Andreas Vitasek | 1.7. + Ina Jovanovic
Hazel Brugger | 4.7. + Alex Stoldt
Thomas Stipsits | 7.7. + Chrissi Buchmasser
Toxische Pommes | 8.7. + Romeo Kaltenbrunner
Lukas Resetarits | 9.7. + Maria Muhar
Gernot Kulis | 12.7. + Julia Brandner
Alfred Dorfer | 11.7. + Anna Mabo
Chilly Gonzales | 10.7.
Klaus Eckel | 6.7. + Christina Kiesler
Omar Sarsam | 2.7. + Salon Spontan
Gery Seidl | 3.7. + Michaela Obertscheider

S. 2

AN DER TRENNLINIE DER WELT PIQUE DAME WIRD WIEDERAUFGENOMMEN

S. 4

VOM TRAGISCHEN DURCHDRUNGEN

FÜNF FRAGEN AN KS ANNA NETREBKO

S. 7 DEBÜTS

S. 8

DER PRÄGENDE MOMENT BORIS PINKHASOVICH

S. 10

LEE MILLER IN HITLER’S BATHTUB URAUFFÜHRUNG IM NEST

S. 16

FÜR EINE KUNST, DIE NIE STILLSTEHT MARTIN SCHLÄPFERS FINALE MIT DEM WIENER STAATSBALLETT

S. 20

MARTIN SCHLÄPFER

CHOREOGRAPHIERT PATHÉTIQUE

EIN FILM VON CATHARINA KLEBER

S. 22

MOZART OHNE KOSMETIK PHILIPPE JORDAN IM GESPRÄCH

S. 27

EIN OPERNFEST FÜR ALLE DAS OPERN AIR IM SEPTEMBER

S. 28

HAGEN SINGT KEIN BACHORATORIUM. ODER DOCH?

GÜNTHER GROISSBÖCK ÜBER DIE STIMMLAGE BASS

S. 32

FRAGE DES MONATS »WER IST IHRE LIEBLINGSFIGUR IM RING ?«

S. 34

REITEN, FUSSBALL & TANZEN ADAM FISCHER ÜBER REPERTOIRE-DIRIGENTEN

S. 38

SCHLAGLICHTER IM JUNI

S. 40

ES BRODELT UNTER DEM ZUCKERGUSS

GEORG NIGL & NICHOLAS OFCZAREK IM NEST

S. 44

NEUER THEATERZAUBER

AUSBLICK AUF DIE NEST-SAISON 2025/26

S. 46

EIN STÜCK STAATSOPERNGESCHICHTE DER TECHNISCHE DIREKTOR

PETER KOZAK GEHT IN PENSION

S. 50 PINNWAND

SZENENBILD PIQUE DAME Foto MICHAEL PÖHN

AN DER TRENNLINIE DER WELT

TSCHAIKOWSKIS PIQUE DAME WIRD MIT ANNA NETREBKO WIEDERAUFGENOMMEN

Es ist kein helles Werk, das der Komponist Piotr Iljitsch Tschaikowski der Welt mit seiner Pique Dame überantwortete. Zwar eine Oper, die voller Liebe steckt, doch Liebe in ihrer zerstörerischen, destruktiven Form.

Hermann, die zentrale Figur der Handlung, findet als grüblerischer Einzelgänger keine Anbindung an die ihn umgebende Gesellschaft; er liebt Lisa, doch bringt ihn die wirtschaftliche Ungleichheit – sie ist vermögender als er – um den Verstand: Mehr und mehr konzentriert sich sein Denken auf eine mysteriöse alte Gräfin, die ein Geheimnis um drei unschlagbare Karten kennt. Drei Spielkarten, die ihm Reichtum bringen sollen – und damit auch das Liebesglück. Doch der Wahn nimmt überhand, Hermann tötet, verliert seine Liebe und seinen Lebenssinn; was bleibt, ist ein einsamer Tod.

Selten fand sich ein Komponist in einer Figur so wieder, wie es Tschaikowski in seinem Hermann tat. Die zerklüftete Seele, die zwischen Menschen, aber auch in der Einsamkeit litt, die Verzweiflung am Leben, die Trostlosigkeit und Angst, all das waren Zustände und Wahrnehmungen, durch die der Komponist tagtäglich zu gehen hatte. So erstaunt es nicht, dass er gerade mit dieser Pique Dame ein besonderes Meisterwerk schuf, das zu seinen wichtigsten Musiktheaterwerken zählt. Tschaikowski spürte dies, und so schrieb er in einem berühmt gewordenen Brief an seinen Bruder Modest, der das Libretto verfasst hatte: »Entweder ich befinde mich in einem schrecklichen Irrtum, oder Pique Dame ist wirklich mein chef d’Œuvre.« Und der sonst so selbstkritische Komponist ging sogar noch weiter, als er notierte: »Es scheint mir jetzt, dass die Weltgeschichte in zwei Zeitabschnitte geteilt ist: in den ersten gehört alles, was sich seit der Erschaffung der Welt bis zur Komposition von Pique Dame abgespielt hat. Der zweite hat vor einem Monat begonnen.« Und das natürlich pünktlich einen Monat nach Abschluss der Komposition...

Doch nicht nur Stolz, auch Schmerz brachte ihm das Werk während der Arbeit. Bitterliche Tränen, so liest man, habe er geweint, als er den Tod Hermanns im Finale der Oper komponierte, und vom

Schauer wurde er gepackt, als es um die Geistererscheinung der alten Gräfin ging. Ein höchstpersönliches, intensiv durchlebtes Werk also.

Doch die Qualität der Pique Dame erschöpft sich freilich nicht in einer persönlichen Beziehung und im Stolz des Komponisten. Es ist die musikalische Reife, die an diesem Werk fasziniert. All das, was Tschaikowski in seinen Symphonien, seinen Liedern und früheren Musiktheaterwerken gelernt hatte, floss in dieses Spätwerk ein, das drei Jahre vor seinem Tod im Mariinski-Theater uraufgeführt wurde. Eine klanglich illustrierende Bildersprache, in Musik codierte Symbolik, wie die Unerbittlichkeit des Schicksals als absteigende Tonfolge und bewusste Rückgriffe in die Musikgeschichte stehen großen Melodie-Würfen gegenüber. Die Wahrheit des Gefühls im Gegensatz zum staubig-pompösen Ausstattungstheater der Vergangenheit, die Unmittelbarkeit der Aussage, eine Analyse des Netzwerks menschlicher Beziehungen und Psychologien: darum ging es Tschaikowski! Regisseurin Vera Nemirova hat in ihrer 2007 herausgekommenen Inszenierung die tragische Oper zudem in eine Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs gesetzt, in der die Welten zwischen arm und reich immer weiter auseinanderdriften: So wird Hermanns versessene Jagd nach Geld und Wohlstand, mit der er anfangs die bessergestellte Lisa zu erobern versucht, noch einleuchtender und verständlicher. In der Wiederaufnahmen-Serie erlebt man KS Anna Netrebko in der Rolle der verzweifelten Lisa: eine für die Wiener Staatsoper neue Rolle »der« Netrebko, die damit nach der Tatjana in Eugen Onegin ihre zweite Tschaikowski-Partie im Haus am Ring gestaltet. In weiteren Rollen sind Yusif Eyvazov (Hermann), Elena Maximova (Polina), Elena Zaremba (Gräfin) und Boris Pinkhasovich (Jeletzki) zu hören. Als Dirigenten begrüßt die Wiener Staatsoper einen Hausdebütanten: Timur Zangiev.

KS ANNA NETREBKO als MANON LESCAUT in MANON LESCAUT
Foto MICHAEL PÖHN

VOM TRAGISCHEN DURCHDRUNGEN

DIE LISA IN PIQUE DAME GESTALTET ANNA NETREBKO, DIE DIESE ROLLE ERSTMALS IM HAUS AM RING – UND WELTWEIT – SINGT.

ol Tschaikowski war von seiner Oper Pique Dame zutiefst begeistert. Was zeichnet das Werk aus?

an Alle Hauptfiguren in Pique Dame – Lisa, Jeletzki und natürlich Hermann – sind Menschen mit sehr weiten, empfindsamen Seelen, die in der Lage sind, sofort jeden Energiezustand zu erspüren: die helle Energie, die dunkle Energie. Sie werden durch Vorahnungen und – natürlich – durch Leidenschaft zueinander hingezogen. Das erkennt man an der Musik und besonders am Text. Auf eine gewisse Weise sind diese Seelen verwundet; ohne eine tatsächliche Tragödie erlebt zu haben, scheinen sie eine solche bereits zu kennen.

ol Was liebt Lisa an Hermann?

an Das steht bereits im Text. Schon bei ihrem allerersten Auftritt sagt sie: »Er steht schon wieder vor mir, der geheimnisvolle und finstere Fremde! Verhängnisvoll, wie von einer wilden Leidenschaft besessen! Wer ist er? Warum verfolgt er mich?« Sie spürt all diesen Kummer, dieses Leiden, das von ihm ausgeht. Gleich darauf sagt sie: »Ich habe Angst...« Am Anfang haben

alle Angst, weil sie eine Vorahnung haben. Diese ist sehr deutlich in der Musik zu hören – in der genialen Musik Tschaikowskis, der die Ahnung irgendwo in der Harmonie verbirgt – und plötzlich packt sie einen. Es ist wie in Eugen Onegin, aber in Pique Dame wird es viel dramatischer, viel schicksalhafter, würde ich sagen.

ol Wie würden Sie Lisas Charakter beschreiben?

an Lisas Wesen ist auf eine gewisse Weise zum Tragischen bestimmt. Schon ganz am Anfang wirkt sie viel weiser und älter als ihre Freundinnen. Ihre Worte sind nicht nur sehr melancholisch, sondern tragen auch eine verborgene Tragik in sich – auch wenn noch gar nichts passiert ist. Eigentlich sollte sie glücklich sein. Sie soll einen großartigen Mann heiraten – aber sie ist unglücklich. Und natürlich geht es um große Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die aus dem tiefsten Herzen kommt, aus einer glühenden Seele, die einen leiden lässt. Sie ist nicht zu ertragen, ist einfach zu viel, tötet einen. Es ist außergewöhnlich, solche Gefühle zu erleben, denn viele Menschen sind dazu gar nicht in der Lage.

PIQUE DAME

21. 24. 27. 30. JUNI WIEDERAUFNAHME

Musikalische Leitung TIMUR ZANGIEV Inszenierung VERA NEMIROVA Bühne JOHANNES LEIACKER Kostüme MARIE-LUISE STRANDT

Mit u.a. KS ANNA NETREBKO / YUSIF EYVAZOV / ALEXEY MARKOV / BORIS PINKHASOVICH / ELENA ZAREMBA ANDREA GIOVANNINI / IVO STANCHEV / HIROSHI AMAKO / DAN PAUL DUMITRESCU / KS HANS PETER KAMMERER ELENA MAXIMOVA / STEPHANIE MAITLAND / MARIA NAZAROVA

ol Gibt es eine Tradition des Tschaikowski-Gesangs, in der Sie sich selbst sehen? Wie viel interpretatorische Freiheit hat man bei Tschaikowski?

an Man muss genau das singen, was in der Partitur steht – wie bei Verdi. Nichts erfinden. Keine melodramatischen Sachen machen. Denn wir müssen uns immer vor Augen halten: Bei Tschaikowski ist die Hauptstimme das Orchester. Was auch immer geschieht – das Entscheidende passiert im Orchester. Die Sängerinnen und Sänger sind nur Teil des gesamten musikalischen Flusses. Man muss respektieren, was der Komponist geschrieben hat, und einfach seinen Anweisungen folgen – denn alles ist

in der Musik niedergelegt. Dann wird das Ergebnis genauso sein, wie er es beabsichtigt hat.

ol Verbindet Sie etwas persönlich mit der Oper?

an Ich habe 17 Jahre lang in St. Petersburg gelebt und kenne alle Schauplätze der Oper. Das Haus, in dem der Geist der Gräfin erscheint, liegt nicht weit entfernt von dem Haus, in dem Tschaikowski lebte – in der Bolschaja Konjuschennaja Straße 11. Der Ort, an dem Lisa ihre letzte Arie singt und sich ins Wasser stürzt, ist der Winterkanal, ganz in der Nähe der Eremitage. Ich kenne all diese Orte, und sie sind alle irgendwie von Tschaikowskis Musik durchdrungen.

als AIDA
als LADY MACBETH in MACBETH
Fotos MICHAEL PÖHN

DEBÜTS

HAUSDEBÜTS

DIE WALKÜRE 2. JUNI 2025

FREYA APFFELSTAEDT Schwertleite

Die Altistin Freya Apffelstaedt stammt aus Südafrika, schloss ihr Gesangsstudium 2021 mit Bestnote ab und war im Sommer darauf Mitglied des Young Singers Project der Salzburger Festspiele. 2021–2023 war sie Mitglied des Opernstudios am Opernhaus Zürich. Neben ihren Opernauftritten ist sie auch eine gefragte Konzertsängerin und verfügt über ein Repertoire aller gängigen Oratorien von Monteverdi bis zur Moderne. Auftritte der jüngsten Zeit führten sie u.a. an die Mailänder Scala, die Bayerische Staatsoper und nach Bern.

PATHÉTIQUE 5. JUNI 2025

JEAN-MICHAËL LAVOIE

Musikalische Leitung

Jean-Michaël Lavoie ist Gastdirigent bei den wichtigsten Orchestern Europas und leitete Opernproduktionen u.a. am Teatro alla Scala, an der Opéra de Lyon und der Opéra national de Bordeaux. Zudem gastiert er regelmäßig bei Ensembles für zeitgenössische Musik, wie dem Klangforum Wien. Er wurde mit dem Prix Opus 2010 »New Artist of the Year« ausgezeichnet und ist Associate Professor an der Faculté de musique de l’Université de Montréal. 2024/25 übernahm er die künstlerische und musikali-

sche Leitung des Nouvel Ensemble Moderne in Montréal. Sein Debüt beim Wiener Staatsballett gab er 2023 an der Volksoper Wien, im Juni 2025 folgt die Premiere von Kreationen

PIQUE DAME

21. JUNI 2025

TIMUR ZANGIEV Musikalische Leitung

Timur Zangiev entwickelte sich in letzter Zeit zu einem der aufregendsten und gefragtesten Dirigenten seiner Generation. Trotz seiner erst 30 Jahre hat er bereits mit vielen internationalen Orchestern zusammengearbeitet und über 50 Opern dirigiert – so u.a. bei den Salzburger Festspielen, beim Maggio Musicale Fiorentino, am Festspielhaus Baden-Baden, an der Mailänder Scala, der New Yorker Met, der Bayerischen und Hamburgischen Staatsoper, der Semperoper, am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, in Zürich, Genf, Lyon und Parma.

ROLLENDEBÜTS

DIE WALKÜRE

2. JUNI 2025

PHILIPPE JORDAN Musikalische Leitung

ANDREAS SCHAGER Siegmund

KWANGCHUL YOUN Hunding

IAIN PATERSON Wotan

ANJA KAMPE Brünnhilde

ANNA BONDARENKO Ortlinde

SZILVIA VÖRÖS Waltraute

STEPHANIE MAITLAND Grimgerde

PATHÉTIQUE

REBECCA HORNER,

5. JUNI 2025

GAIA FREDIANELLI, MEGHAN LYNCH Tänzerinnen Divertimento Nr. 15

GIORGIO FOURÉS,

BENJAMIN ALEXANDER

Tänzer Divertimento Nr. 15

ISABELLA KNIGHTS

Tänzerin Summerspace

SIEGFRIED

8. JUNI 2025

PHILIPPE JORDAN Musikalische Leitung

ANDREAS SCHAGER Siegfried

ANJA KAMPE Brünnhilde

IAIN PATERSON Wanderer

ANNA KISSJUDIT Erda

MICHAEL LAURENZ Mime

KWANGCHUL YOUN Fafner

DER ROSENKAVALIER 9. JUNI 2025

EMILY D’ANGELO Octavian

SABINE DEVIEILHE Sophie

JENNI HIETALA Leitmetzerin

STEPHANIE HOUTZEEL Annina

DEVIN EATMON*

Haushofmeister bei Faninal

HANNAH-THERES WEIGL Modistin

IL BARBIERE DI SIVIGLIA 11. JUNI 2025

KS SIR BRYN TERFEL Don Basilio ANDREI MAKSIMOV* Fiorello ANA GAROTIĆ* Berta

GÖTTERDÄMMERUNG 15. JUNI 2025

PHILIPPE JORDAN Musikalische Leitung

ANDREAS SCHAGER Siegfried ANJA KAMPE Brünnhilde

SZILVIA VÖRÖS 2. Norn

ISABEL SIGNORET Wellgunde

PIQUE DAME 21. JUNI 2025 KS ANNA NETREBKO Lisa YUSIF EYVAZOV Hermann

ANDREA GIOVANNINI Tschekalinski

IVO STANCHEV Surin

HIROSHI AMAKO Tschaplitzki

ELENA ZAREMBA Gräfin

STEPHANIE MAITLAND Gouvernante

MARIA NAZAROVA Mascha/Chloë

DEBÜTS IM NEST

LEE MILLER 1 . JUNI 2025 IN HITLER’S BATHTUB

ROMY LOUISE LAUWERS Schauspielerin

KATE LINDSEY Lee Miller

GEORGE VAN DAM Musiker

* Mitglied des Opernstudios

DER PRÄGENDE MOMENT

Ein Leben ohne Musik war für mich zu keinem Zeitpunkt vorstellbar. Als Sohn einer Chordirigentin und eines Chordirigenten bin ich buchstäblich schon im Mutterleib mit Musik in Berührung gekommen. Mit fünf Jahren erhielt ich meinen ersten Klavierunterricht. Bald darauf setzte ich meine Ausbildung an der renommierten Glinka-Chorschule fort – einem traditionsreichen Haus, an dem bereits mein Vater und mein Bruder studiert hatten. Die Ausbildung dort war intensiv und umfassend und hat mich hervorragend auf das spätere Berufsleben vorbereitet. Anschließend studierte ich am Rimski-Korsakow-Konservatorium in St. Petersburg Dirigieren und Gesang und schloss beide Studiengänge mit Auszeichnung ab. Bis heute sehe ich mich – was meinen Zugang zur Musik betrifft – in erster Linie als Dirigent.

Eine prägende Figur auf diesem Weg ist für mich der legendäre Dirigent Jewgeni Mrawinski. Der Besuch seiner Wohnung, die Gespräche mit seiner (inzwischen verstorbenen) Witwe Alexandra Wawilina, das Berühren seiner Partituren – all das bleibt für mich unvergesslich.

Zu meinen wichtigsten Erfahrungen zählt auch meine Tätigkeit als Chefdirigent des Sinfonieorchesters am Haus der Wissenschaften »Maxim Gorki« in St. Petersburg – ein Ensemble aus Berufstätigen verschiedener Bereiche, die mit großer Hingabe und erstaunlichem Niveau musizierten. Ganz im Geiste meines Idols Mrawinski strebte

ich auch hier nach größtmöglicher Perfektion in jeder Aufführung. Die Jahre mit diesem Orchester empfinde ich als äußerst wertvoll. Und tief in mir bin ich überzeugt, dass mein Weg als Dirigent noch nicht zu Ende ist – denn auf diesem Weg kann ich meine musikalischen Vorstellungen vielleicht am vollkommensten verwirklichen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Sängern hatte ich das große Glück, nur eine Gesangslehrerin zu haben – die wunderbare Irina Bogatschewa. Ihr verdanke ich eine zuverlässige, für mich ideale Technik, die es mir erlaubt, meine musikalischen Vorstellungen auch als Sänger kompromisslos

als LESCAUT in MANON LESCAUT

Foto MICHAEL PÖHN

umzusetzen. Es war ein besonderes Privileg, später mit ihr als Kollegin gemeinsam auf der Bühne zu stehen – in Konzerten und Opernaufführungen.

Mich beeindrucken Künstlerpersönlichkeiten, bei denen sich vokale Perfektion mit bedingungsloser Hingabe und tiefem Respekt gegenüber dem Werk und seinem Schöpfer verbinden. Elena Obraszova war zweifellos eine dieser Persönlichkeiten. Ein unvergesslicher Moment war unsere gemeinsame Aufführung von Tschaikowskis Pique Dame im MikhailowskiTheater 2012 – mein Debüt als Jeletzki, sie sang die Gräfin. Es war eine ihrer letzten Vorstellungen. Ihre Worte nach der Vorstellung klingen bis heute in mir nach: »Ich bin glücklich, mit dir zu singen.«

Wie in jedem Künstlerleben gab es auch bei mir Wendepunkte, die den weiteren Weg entscheidend beeinflusst haben. Oft hängt von einem einzigen Moment ab, ob ein großer Schritt bald, erst viel später – oder gar nicht stattfindet. Für mich war einer dieser Momente mein Vorsingen an der Wiener Staatsoper im Februar 2018. Seit meiner Kindheit war es ein Traum, an diesem Haus zu singen – nicht irgendwo, sondern genau dort : an der Wiener Staatsoper, mit dem wunderbaren Staatsopernorchester (den Wiener Philharmonikern) und in einem Land, das seine Identität maßgeblich durch Musik und Kultur definiert. Damals schien mir dieser Traum allerdings vollkommen unrealistisch. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich nur wenige Jahre später über 50 Vorstellungen in Hauptrollen an diesem Haus singen und als österreichischer Staatsbürger Wien mein zweites Zuhause nennen würde. Alles begann mit diesem Vorsingen – und einem überraschenden Anruf zwei Monate später: Ich sollte als Figaro in Il barbiere di Siviglia einspringen. Ich war unsicher, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin, doch mein damaliger Agent ermutigte mich – und so begann meine ganz persönliche Liebesgeschichte mit dem Haus am Ring. Und bis heute ist sie ein zentraler Teil meines künstlerischen Lebens.

BORIS PINKHASOVICH

LEE MILLER IN HITLER’S BATHTUB

PORTRÄT DER MUSE ALS KÜNSTLERIN

ROMY LOUISE LAUWERS in LEE MILLER IN HITLER’S BATHTUB Fotos VIBE STALPAERT

Manche Geschichten mögen noch so schockierend sein, wenn man sie liest – die Realität ist meistens schlimmer. Lee Miller hat so unglaublich viel erlebt, es ist fast unvorstellbar, dass all das in einem einzigen Menschenleben passiert sein soll. Lee Miller war Model, Ikone, Fotografin, Künstlerin, Muse der Surrealisten, Kriegsberichterstatterin, Missbrauchsopfer, abgebrüht und freiheitsliebend, unkonventionell und streitlustig. Ihre Berichterstattung, ihre Bilder von der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald machten aus ihr eine der wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Und trotzdem ist ihr Werk nicht Teil des fotografischen Kanons. In den letzten Jahren gab es eine ganze Reihe von Dokumentarfilmen, Ausstellungen, Veröffentlichungen über sie, und natürlich den Hollywood-Film über ihr Leben: Die Fotografin (2023). Die Oper Lee Miller in Hitler’s Bathtub geht noch einen Schritt weiter: Lee Miller steht nicht nur für sich selbst, sondern im weitesten Sinn auch generell für die Frau in der Kunst.

»The imagination is a kind of memory, and what we imagine is often more real than what we know.«
SUSAN SONTAG

HITLERS BADEWANNE

München, 30. April 1945. Lee Miller und David E. Sherman trafen am Haus Prinzregentenplatz 16 ein, in dem Hitler seit den 1920er Jahren gewohnt hatte. Ironischerweise war das Haus jetzt die Kommandozentrale des 179. Regiments der 45. Division der amerikanischen Streitkräfte, dem auch Lee und David zugeordnet waren. Das Haus war weder elegant noch charmant oder gemütlich.

Hitler hatte den Keller in einen Luftschutzbunker umbauen lassen, das Erdgeschoß diente seinen Wachleuten als Unterkunft, und seine Privatwohnung lag im ersten Stock. »Das war Hitlers wahres Zuhause«, schrieb Lee. Nach dem unvorstellbaren Grauen, das Lee gerade in Dachau miterlebt hatte, hatte sie das Bedürfnis nach einem Bad. Bevor sie sich in dem grün gekachelten Badezimmer auszog und in Hitlers Badewanne setzte, arrangierte sie alles für eine Fotoserie, die in die Geschichte eingehen sollte. Auf einem Foto sieht man, wie sie sich mit rätselhaftem Gesichtsausdruck die Schulter einseift, neben ihr ein Foto von Hitler und eine nackte Frauenstatue, ihre abgestreifte Uniform liegt auf einem Hocker, die Stiefel stehen auf der schmutzigen Badematte: Das alles war von ihr inszeniert. Um

Mitternacht meldete die BBC Hitlers Selbstmord.

Monatelang lag dieses berühmte Foto im Arbeitszimmer von Jan Lauwers, als Teil seiner Recherchen zu Wahrheit und Fotografie. Für ihn und seinen partner ­in­ crime, den Komponisten Maarten Seghers, waren dieses Foto, die Begegnung mit der

LEE MILLER

IN HITLER’S BATHTUB

ihn für ein heutiges Verständnis dessen, was eine Muse sein könnte.

Lauwers: »Warum zwei Frauen? Vor allem, weil ich keine Biografie schreiben wollte. Ich habe Lees Leben nicht grundlegend studiert. Das Libretto ist das Porträt einer Frau, die sich am Ende ihres Lebens fühlte wie eine Kuh, aus der der letzte Tropfen Milch

MAARTEN SEGHERS

des Triumphs der Kunst über die Zerstörung durch den Krieg.

Wien, Juni 2025. Kate Lindsey huldigt Lee Miller im NEST, der neuen Plattform der Wiener Staatsoper. Heute ist die Wiener Staatsoper eines der aktivsten Opernhäuser der Welt mit 350 Aufführungen im Jahr –60 Opern- und Ballettproduktionen –

LEE MILLER IN HITLER’S BATHTUB

1. 3.* 4.* 5. 6. 7. 9. JUNI PREMIERE IM NEST

Musikalische Leitung DAN K. KURLAND Libretto, Regie & Szenografie JAN LAUWERS  Mit KATE LINDSEY / ROMY LOUISE LAUWERS / GEORGE VAN DAM / NIKOLETT FRETYÁN FRANZ GEROLDINGER / JAN RYSKA / MICHAEL KAHLIG

Mezzo sopranistin Kate Lindsey und die künstlerische Zusammenarbeit mit Lauwers’ Tochter Romy Louise Lauwers Quelle der Inspiration, und Lauwers schrieb ein neues Libretto über Kunst, Handwerk, Trauma, Erinnerung, und darüber, was es heißt, eine Frau und eine Muse zu sein. Er wollte einer herausragenden Künstlerin Tribut zollen.

Jan Lauwers erzählt Geschichten. Die Porträts von Menschen sind ihm in seinem Werk das Wichtigste. Ausgehend von den Biografien der Menschen, mit denen er zusammenarbeitet, will er heutige Dogmen der Identitätspolitik und Diversität durchbrechen und neue universelle Narrative schreiben. Ständig sucht er nach Überschneidungspunkten mit dem Autobiografischen, ohne es dabei zum Endzweck seiner Arbeit zu machen. Lauwers beschäftigt sich mit Millers Leben und Werk, schreibt es um, schreibt es neu, und reflektiert damit die Rolle der Künstlerin in der Gesellschaft, die Auswirkungen persönlicher Erfahrungen auf den kreativen Schaffensprozess und den Preis, der dafür zu zahlen ist. Sein Text geht über die Lebensgeschichte Lee Millers hinaus und ist zwei Künstlerinnen auf den Leib geschneidert – Kate Lindsey und Romy Louise Lauwers, mit denen Jan Lauwers bereits seit einiger Zeit zusammenarbeitet. Die beiden stehen für

herausgemolken worden ist. Eine Frau im Schatten vieler, vieler Männer. Berühmter Männer. Berüchtigter Männer. Ich wollte ein Porträt von ihr erschaffen, in dem es nicht mehr nur um Lee geht, sondern in dem sie für die vielen zum Schweigen gebrachten Frauen in der Kunstgeschichte steht.«

Lee Miller in Hitler’s Bathtub geht über Millers Lebensgeschichte hinaus und zeichnet das Porträt der weiblichen Künstlerin generell in der heutigen Gesellschaft.

SCHUFTEN IM DRECK

Wien, März 1945. Bei den Bombardements der Alliierten wird versehentlich auch die Wiener Staatsoper zerstört. »Das Flammenmeer saugte die gesamte Luft aus den Treppenhäusern und Foyers, im Zuschauerraum und auf der Bühne ist nichts mehr übrig«, beschreibt Lee Miller. Sie fotografiert die Opernsängerin Irmgard Seefried inmitten dieser Ruinen, wie sie eine Arie aus Puccinis Madama Butterfly singt. Dieses Foto bringt das ganze künstlerische Können Lee Millers zum Ausdruck: ihr gutes Auge für die Komposition, das elegante Porträt einer Frau, das Spiel von Licht und Schatten, die Poetik der Armbewegung vor dem Drama der Ruine, die erschütternde Realität – Menschlichkeit gegen Krieg. Es ist ein surreales Bild, das Resilienz und Schönheit ausstrahlt. Ein Symbol

aus ihrem Repertoire. Ende 2024 wurde das NEST aus der Taufe gehoben, mit dem die Wiener Staatsoper ein jüngeres Publikum ansprechen, ein experimentelles Programm auf die Beine stellen und neues Leben in sein Angebot bringen will. Hier finden neue Kompositionen ihren Platz in einem intimen, ansprechenden Ambiente. Lee Miller in Hitler’s Bathtub ist eine davon.

Wie komponiert man Musik für eine Geschichte, die so voller Grauen und Leid ist? Ausgehend von Jan Lauwers’ Libretto hat Maarten Seghers eine neue Oper komponiert, die im wahrsten Sinne des Wortes die Dramaturgie des Stücks aus -atmet. Das Tragische, die Konfusion, die Angst, die Wut und die tödliche Stille kommen körperlich spürbar in der Komposition zum Ausdruck. Körperlichkeit und Brutalität spielen eine zentrale Rolle in Seghers’ Werk. Die Musik ist hart und beruhigend zugleich. Maarten Seghers erkundet hier zwei Extreme: Einerseits ist Musik für ihn materialisierter Klang, robust und kompromisslos, andererseits komponiert er narrative Musik, die sich der epischen oder emotionalen Handlung zuwendet. Diese Spannung zwischen Dekonstruktion und Konstruktion bildet den Kern seines musikalischen Schaffens.

Maarten Seghers’ Kompositionen sollen bewusst immer eine Herausforderung für die Musizierenden darstellen.

* Schulvorstellung

ROMY LOUISE LAUWERS & KATE LINDSEY

IN HITLER’S BATHTUB

Ständig müssen Hindernisse überwunden werden, wodurch die Musik unglaublich performativ und kraftvoll wirkt. Seine musikalische Sprache beeinflusst die Spielweise der Musizierenden und erzeugt eine Symbiose zwischen dem Musikalischen und dem Performativen in seinen Kompositionen. Maarten Seghers: »Ich habe Lee Miller in Hitler’s Bathtub für Kate Lindseys Stimme und für Kate Lindsey als Performerin geschrieben. Im Kern liegt die Span-

nung zwischen der zeitgenössischen Entdeckung der Stimme als Rohmaterial und der historischen Errungenschaft der Stimme als transparenter Erzählerin.«

In der Komposition für Mezzosopran und sechs Instrumente betonen die tiefen, dunklen Register des Cellos, des Kontrafagotts, der Posaune und des Klaviers das Dramatische der Handlung und stehen im Kontrast zur Violine, dem Schlagzeug und der Stimme in höherer Textur. Das Ganze ist akzentuiert vom Atem als immer wiederkehrendem Element. Maarten Seghers: »Die Suche nach dem Augenblick, in dem das

autonome Instrument und sein Klang körperlich werden und der Instrumentalist zur Körperlichkeit wird, bestimmt die Komposition für das Ensemble. Hier wird in der Erde gewühlt, im Dreck geschuftet, nicht über den Wolken geschwebt.« Da kommt der Surrealismus ins Spiel, in den Lee so eng involviert war.

Die Musik von Lee Miller in Hitler’s Bathtub ist aus in sich abgeschlossenen Ebenen aufgebaut, die zusammen zu einer bitteren Komplexität verschmelzen. Jedes der Instrumente stört immer wieder, dient aber dennoch dem Ganzen, und zusammen vermitteln sie starke, widerstreitende Gefühle.

In Seghers’ früheren Werken nahm die Polyrhythmik einen herausragenden Platz ein; in Lee Miller in Hitler’s Bathtub ist sie ebenfalls präsent, versteckt sich aber. Die unterschwellige Polyrhythmik erzeugt ein ständiges Gefühl der Bedrohung und einen rhythmischen Drive.

Das in die Komposition eingewobene Intuitive bedeutet, dass es in diesem Werk viele Verbindungen zu bestehenden Werken gibt, inhaltlich wie formell, es sich aber dabei weigert, sich auf etwas festnageln zu lassen. Vom Genre her ist Lee Miller in Hitler’s Bathtub der Kammeroper verwandt, dem Singspiel, der weltlichen Kantate oder dem Monodrama. Der intime Charakter des Stücks, die einzelne Solostimme, die zwischen Arien und gesprochenem Wort wechselt, und das Ensemble unterstreichen den Inhalt und erzeugen eine Symbiose von Musik und Text, in der beide Ausdrucksformen gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

KÜNSTLERINNEN

Die Frau in der Kunst sieht sich einem ständigen Kampf gegenüber, angefangen mit ihrer gesellschaftlichen Stellung und der seit Jahrhunderten bestehenden strukturellen Benachteiligung von Frauen. Frauen werden anders beurteilt als Männer, immer spielt das Aussehen eine übergroße Rolle. Auch andere Faktoren wie eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten, finanzielle Abhängigkeit, Unausgewogenheit der Sammlungen in Museen oder die fehlende Anerkennung durch Kunstgeschichte und Kunstkritik wirken sich negativ aus. Sehr oft wurden von Frauen geschaffene Werke von Männern ohne Erlaubnis oder Bezahlung kopiert oder weit unter Wert verkauft. Manche Frauen wurden in die Psychiatrie gesperrt, andere begingen Selbstmord. Bei vielen kam die Anerkennung erst nach dem Tod.

Heute richtet sich die Aufmerksamkeit stark auf die Gleichberechtigung der Geschlechter, die öffentliche Sichtbarkeit und die Schaffung von Möglichkeiten für Frauen. Museen und Galerien für zeitgenössische Kunst zollen (jungen) Künstlerinnen mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Aber es liegt immer noch ein langer Weg vor uns: Eine neuere Studie der niederländischen Kunststiftung »Women in

ROMY LOUISE LAUWERS & KATE LINDSEY

Art« belegt, dass heute 64 Prozent aller Studierenden an Kunsthochschulen Frauen sind, diese aber nur 10 Prozent des Kunstmarkts repräsentieren.

ÜBER DIE MUSE

Die Geschichte ist voll unsterblicher Schönheiten, die Künstler inspiriert haben. Zahllose Musen gibt es, oft in der Gestalt leidender Figuren, manchmal wurden sie zur Muse aus freier Wahl, manchmal gezwungenermaßen. Im Lauf der Zeit setzte sich die patriarchalische Sichtweise auf die Muse immer stärker durch. Eine Muse war ein Objekt, philosophisch und erotisch. Eine in Stein verwandelte Sache. Ohne eigene Stimme. Gegenstand der Blicke. Die Verkörperung des Hungers, des Begehrens, von allem, was unerreichbar oder abwesend war, die Muse als Verkörperung der Inspiration.

Die Inspiration ist der Funke, der das Feuer entzündet. Es ist der Drang, kreativ zu werden. Es ist der Prozess, bei dem man von einer Idee oder einer Erfahrung so vorwärtsgetrieben wird, dass neue Einsichten und Aktionen entstehen. Dieser Funke kann alles sein. Maurice Ravel, Igor Strawinskiund Karl Lagerfeld wurden von ihren Katzen inspiriert, David Hockneys Musen waren die Dackel Stanley und Boogie, George Dyer war Francis Bacons männliche Muse, und Paul Rosano war die Muse von Sylvia Sleigh. Ob die weibliche Muse heute (noch) eine Rolle spielen darf? Oder ist diese Frage zu binär und daher zu einschränkend?

Heutzutage scheint es keinen Platz mehr zu geben für die Muse angesichts der problematischen tradierten Machtverhältnisse, der eindimensionalen Dynamik und ihrer romantisierten Darstellung. Die Objektifizierung der Muse durch den männlichen Blick bedeutet, dass die Muse immer auch Jahrhunderte ungleicher Bedingungen für Männer und Frauen mitbedeutet, Jahrhunderte der Stereotype, von denen es in der Kunstgeschichte nur so wimmelt. Die Sinnlichkeit oder Tragik des alternden Körpers, die schwangere, nackte Frau, die Woman of Color, der Körper mit Behinderungen oder Einschränkungen… sie alle sind beiseite gewischt und ignoriert worden. Das männliche

Bedürfnis, sich Feminität und den –lange von Männern definierten – weiblichen Körper anzueignen, hat in den letzten Jahrzehnten den Ruf nach einer Perspektive laut werden lassen, bei der die Frau nicht mehr unterworfen, sondern selbst zum Subjekt wird.

Die Muse kann nicht losgelöst von ihrer Geschichte betrachtet werden. Die Rolle der Muse hat sich weiterentwickelt, hat den romantischen Blick abgestreift und selbst dazu beigetragen, dass sie heute in einem stark erweiterten Sinn des Worts wahrgenommen wird. In der Kunstgeschichte lebt sie weiter, in der heutigen Realität aber auch. Welche Bedeutung wir der Muse verleihen, hängt ganz von uns selbst ab.

ÜBER KRIEGSFOTOGRAFIE

Tausende von Kriegsbildern sind täglich in den Nachrichten, online und in Zeitungen zu sehen. Wir werden vom Grauen nur so überschwemmt. Wie viele schreckliche Bilder, Berichte von Unmenschlichkeit und erschütternde Augenzeugenberichte braucht es, bis wir dem unerträglichen Leiden Einhalt gebieten? Immer und immer weiter schauen wir hin und tun nichts.

In ihrem Buch The Cruel Radiance: Photography and Political Violence (2010) skizziert Susie Linfield eine Kritik an dem, was sie »postmoderne Apathie« nennt: »Fotografien sind besonders gut geeignet, mehr als jede andere Form des Journalismus, eine unmittelbare, aus dem Bauch kommende, emotionale Verbindung zur Welt herzustellen.« Wegen der Flut an Bildern haben wir die Fähigkeit verloren, gefühlsmäßig auf Gräueltaten zu reagieren. Die Kamera hat das Gewissen globalisiert. »Mittlerweile wissen wir, dass Fotos von menschlichem Leid der Anfang einer menschlichen Verbindung sein können. Es geht darum, wie wir die Bilder von Gräueltaten benutzen.« Als Lee Miller in den Zweiten Weltkrieg zog, wurde die Kriegsfotografie gerade zu einem wichtigen Medium. Lee Miller versuchte, die Auswirkungen des Kriegs auf die Zivilbevölkerung zu verstehen. Was ihre Fotos auszeichnet, ist ihre bemerkenswerte Fähigkeit, zum Kern einer Situation durchzudringen. Sie lernte, das reine Grauen zu fotogra-

fieren, aber sie bezahlte einen hohen Preis dafür.

ÜBER PTBS

Lee Miller war in ihrem Leben mehreren Traumata ausgesetzt. Nicht nur die Missbrauchserfahrung als Kind prägte sie, auch das Kriegserlebnis wurde sie nie wieder los. Sie war Zeugin eines kollektiven Traumas geworden. Mit ihren Fotos hielt sie den Krieg für die Ewigkeit fest und musste selbst für den ganzen Rest ihres Lebens gegen die Ungerechtigkeit und die grauenhaften Bilder ankämpfen, die sie gesehen hatte. Sie wollte sich nicht erinnern. Der Krieg und dessen Folgen mauerten sie ein. Ihre Hartnäckigkeit, die Dickköpfigkeit, auf die sie sich immer hatte verlassen können, waren weg. Sie war fast überhaupt nicht mehr produktiv. Sie trank viel zu viel, hatte Wutanfälle, litt an Albträumen und hatte mit Depressionen zu kämpfen. Heutzutage würde man das als Krankheit diagnostizieren, als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Damals war diese Erkrankung noch unbekannt. Lee Miller in Hitler‘s Bathtub ist kein romantisches Porträt einer Frau als Künstlerin. Hier wird kein hübsches Bild gemalt. Es gibt kein Happy End, und wir haben es mit der Komplexität des gesellschaftlichen Versagens zu tun, wir haben keine bessere Welt geschaffen, wir leben in einer Welt, in der nach wie vor Ungleichheit und Hoffnungslosigkeit herrschen und in der hart erkämpfte Rechte von einem Augenblick auf den nächsten wieder verschwinden können. Aber gleichzeitig ist das Stück ein Monument für den Kampfgeist zahlloser Frauen, die immer wieder die Stimme erheben und Schönheit, Schmerz, Trost und Kummer zum Ausdruck bringen und den Mut haben, keine Kompromisse einzugehen. Aus dem Englischen von Anke Burger

Für diesen Abdruck wurde der Essay in Zusammenarbeit mit der Autorin gekürzt. Die ungekürzte Version finden Sie hier & unter NEST.AT

CLAUDINE SCHOCH & MARCOS MENHA

in 4 von MARTIN SCHLÄPFER

FÜR EINE KUNST, DIE NIE STILLSTEHT

FINALE MIT DEM WIENER STAATSBALLETT

Mit der Saison 2024/25 geht Ende Juni auch Martin Schläpfers Zeit als Ballettdirektor und Chefchoreograph des Wiener Staatsballetts zu Ende. Fünf Jahre hat er mit seinem Ensemble einen vielfältigen Spielplan präsentiert, der nicht nur das traditionelle Repertoire des Wiener Staatsballetts gepflegt, sondern um zahlreiche Uraufführungen und Wiener Ersteinstudierungen bereichert hat. Mit Pathétique, Mahler, live und Dornröschen sind ein letztes Mal drei große Produktionen aus der Direktion Schläpfer im Programm der Wiener Staatsoper zu erleben. In der Volksoper Wien folgt die Premiere Kreationen.

Als Martin Schläpfer im September 2020 die Direktion des Wiener Staatsballetts übernahm, war dies mehr als ein personeller Wechsel – es war ein kulturpolitisches und ästhetisches Signal. Der in der internationalen Tanzszene für seine hochmusikalischen, formal vielschichtigen und bildreich komponierten Choreographien bekannte und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Künstler trat an, das traditionsreiche Ensemble in eine neue Gegenwart zu führen. Was folgte, war eine konsequente Öffnung: stilistisch, strukturell und dramaturgisch.

Martin Schläpfer stellte das klassische Repertoire nicht infrage, aber in Beziehung – zu Werken der Moderne, zu

Uraufführungen, zu zeitgenössischen Handschriften. Die Compagnie tanzte weiterhin Frederick Ashton, George Balanchine, John Cranko, William Forsythe, Rudolf Nurejew, Jerome Robbins und Elena Tschernischova, aber auch Merce Cunningham, Paul Taylor, Lucinda Childs, Mark Morris und Uwe Scholz. Heinz Spoerli traf in einer Premiere auf Ohad Naharin, Hans van Manen begegnete erstmals Anne Teresa De Keersmaeker – und das nicht nur durch ihre Werke auf der Bühne, sondern auch persönlich. Mit John Neumeiers

Die Kameliendame kam eines der bedeutendsten Handlungsballette der Tanzgeschichte nun auch mit dem Wiener

Staatsballett zur Premiere. Die Wiener Erstaufführung von Christopher Wheeldons Shakespeare-Ballett The Winter’s Tale zeigte eindrucksvoll, dass auch jüngere Choreograph*innen meisterhaft durch den Tanz zu erzählen wissen –und das zu einer eigens entstandenen Auftragskomposition von Joby Talbot. Alexei Ratmansky vertraute dem Ensemble mit Pictures at an Exhibition und 24 Préludes nicht nur zwei seiner Werke an, sondern kreierte auch ein neues Ballett für den Wiener Opernball 2024. Jüngere Stimmen wie die von Adi Hanan fanden ihren Platz neben in Wien bereits etablierten Künstlern wie Andrey Kaydanovskiy.

BALANCHINE / CUNNINGHAM / SCHLÄPFER

PATHÉTIQUE

5. 7. 10. JUNI – ZUM LETZTEN MAL – WIENER STAATSOPER

DIVERTIMENTO NR. 15 / SUMMERSPACE / PATHÉTIQUE (URAUFFÜHRUNG)

Musik MOZART / FELDMAN / TSCHAIKOWSKI & HÄNDEL

Musikalische Leitung LAVOIE Klavier PIIRTO & ZAKIĆ

Musikalische Leitung LAVOIE Violine HERZL FÜR

In einer Stadt, in der die Musiktradition ein maßgebliches ästhetisches Koordinatensystem bildet und dem Ensemble mit den Orchestern der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien zwei exzellente Klangkörper als Partner zur Seite stehen, eröffnete das Wiener Staatsballett immer wieder auch Resonanzräume für choreographische Reflexionen von Musik. Dies gilt für Marco Goeckes Uraufführung Fly Paper Bird zum Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Symphonie ebenso wie für Martin Schläpfers Auseinandersetzungen mit den Komponisten Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Johann Strauß, Gustav Mahler und Piotr I. Tschaikowski in seinen zehn eigenen Uraufführungen für das Wiener Staatsballett. Denn nicht nur als ein Direktor, der neben allen kuratorischen und administrativen Aufgaben auch regelmäßig die Compagnie trainierte, stand der Schweizer an der Spitze des Ensembles, sondern auch als ein Tanzschaffender, über den die Journalistin Silvia Kargl im Wiener Kurier anlässlich der Premiere Pathétique im April schrieb: »Es gibt weltweit nicht viele Choreographen, die auf derart hohem Niveau solche Ballette schaffen.«

Doch nicht nur programmatisch, sondern auch strukturell wurde das Wiener Staatsballett durchlässiger: Nachwuchschoreograph*innen aus dem Ensemble erhielten mit der Plattform Choreographie innerhalb der eigenen Institution Raum, um zu kreieren und ihre Stücke auf der Bühne der Volksoper zu zeigen, neue Formate wie

CORTI / STIENS / CHAIX

KREATIONEN

14. (PREMIERE) 20. 22. 24. 27. 30. JUNI – ZUM LETZTEN MAL – VOLKSOPER WIEN

AEREA / HIGH / M TO M

Musik GORDON / STREICH (URAUFFÜHRUNG) / BRUCH

die Gesprächsreihe Tanzpodium, die in Zusammenarbeit mit dem Filmcasino begründete Tanzfilmreihe DANCE MOVI ES, ein vielseitiges OutreachProgramm, Matineen vor den Premieren und nicht zuletzt eine grundlegende Neuaufstellung und -ausrichtung des Freundeskreises Wiener Staatsballett öffneten das Haus in Richtung Stadtraum, schufen Vernetzungen mit anderen Kulturinstitutionen sowie Gesprächs- und Gedankenräume – Dialoge, welche Rolle der Tanz in einer Zeit globaler Herausforderungen und gesellschaftlicher Verunsicherungen heute spielen kann und muss.

Erneuerung und Pflege der Tradition, technische Exzellenz und Ausdruckskraft und ein Verständnis eines Ensembles als eine lebendige, diverse, auch für reifere Tänzerpersönlichkeiten offene Gemeinschaft von Menschen, die sich voller Hingabe der Tanzkunst als eine der aufregendsten und lebendigsten Künste der Gegenwart verschrieben hat – all das zeigte sich in fünf Jahren Direktion Martin Schläpfer und ist im Monat Juni nun zum letzten Mal in der Wiener Staatsoper und Volksoper Wien zu erleben.

Noch dreimal am Programm ist die aktuelle Premiere Pathétique – eine Kombination aus George Balanchines Divertimento Nr. 15, Merce Cunninghams Summerspace und Martin Schläpfers titelgebendem neuesten Werk. Für zwei Vorstellungen kehrt Mahler, live auf die Bühne der Wiener Staatsoper zurück und zeigt noch einmal Hans van Manens ebenso ikonisches wie sel-

ten zu sehendes Videoballett Live sowie Martin Schläpfers großes Welttheater 4 zu Gustav Mahlers 4. Symphonie, in dem sich das gesamte Ensemble inklusive des Corps de ballet der Volksoper noch einmal vereinen wird. Zum Abschluss folgt mit Dornröschen ein finales Tanzfest.

Neu, unerwartet, jung: Mit einem Ausblick in die Zukunft öffnet Martin Schläpfer mit der Premiere Kreationen in der Volksoper aber auch noch ein weiteres Fenster in seiner so vielfältigen Planung mit drei choreographischen Uraufführungen und einer musikalischen Neukomposition. Mit dem Thema menschlicher Identität beschäftigt sich Alessandra Corti in Aerea. Louis Stiens beschreibt seine Kreation High als ein bedrohliches Fest, das nicht enden will und in seiner Polarität von »high« und »low«, Göttlichem und Alltäglichem, einen ironischen Blick auf unser gegenwärtiges Leben wirft. Die Musik zu diesem Stück ist ein Auftragswerk von einer der interessantesten Komponistinnen unserer Zeit: der Schwedin Lisa Streich. »Woher kommen wir, wo stehen wir, wohin gehen wir?«, fragt sich wiederum Martin Chaix in M to M und kreiert ein Ballett auf Spitze für die große Besetzung von 46 Tänzer*innen.

Damit endet eine Direktion, in der sich das Wiener Staatsballett verwandelt hat in ein Ensemble, das die Klassik nicht nur beherrscht, sondern auch befragt und den Tanz als eine universelle Sprache begreift, die nie stillsteht.

in

SVEVA GARGIULO in SUMMERSPACE von MERCE CUNNINGHAM

GAIA FREDIANELLI & VICTOR CAGNIN in PATHÉTIQUE von MARTIN SCHLÄPFER

VAN MANEN / SCHLÄPFER

18. 23. JUNI – ZUM LETZTEN MAL – WIENER STAATSOPER LIVE. EIN VIDEOBALLETT / 4

Musik LISZT / MAHLER

Musikalische Leitung LANGE Klavier TAKIZAWA Sopran ILIE

SCHLÄPFER & PETIPA

DORNRÖSCHEN

26. 29. JUNI – ZUM LETZTEN MAL – WIENER STAATSOPER

Musik TSCHAIKOWSKI & HOSOKAWA

Musikalische Leitung REIMER

OLGA ESINA
LIVE von HANS VAN MANEN

Szenen aus dem Film

MARTIN SCHLÄPFER

CHOREOGRAPHIERT

PATHÉTIQUE

MARTIN SCHLÄPFER CHOREOGRAPHIERT PATHÉTIQUE

EIN FILM VON CATHARINA KLEBER

In die einzigartige Atmosphäre in den Ballettsälen der Wiener Staatsoper während Martin Schläpfers Kreationsproben zu Pathétique eintauchen, dem Ballettdirektor und Chefchoreographen in seine Gedanken zu seinem neuesten Werk folgen, ihn bei der Arbeit beobachten, über seine Choreographie und die Musik sprechen hören, aber auch über die Herausforderungen der Leitung eines Ensembles wie des Wiener Staatsballetts mit seinen zwei Standorten in der Staatsoper und der Volksoper – all das erwartet Sie in einem 39-minütigen Film, für den die Regisseurin Catharina Kleber Martin

Schläpfer während der Proben bis zur Premiere seiner letzten Uraufführung Pathétique, aber auch zu einer Vorstellung von The moon wears a white shirt in die Volksoper sowie durch die Stadt Wien begleitet hat. Tänzer*innen des Ensembles wie Gabriele Aime, Elena Bottaro, Sonia Dvořák, Hyo-Jung Kang, Yuko Kato, Marcos Menha und Claudine Schoch sprechen über ihre Zusammenarbeit mit Martin Schläpfer ebenso wie Weggefährten und Mitarbeiter*innen wie seine Stellvertretende Direktorin Louisa Rachedi, Dramaturgin Anne do Paço sowie der Dirigent Christoph Altstaedt.

Die Filmregisseurin Catharina Kleber schloss ihr Studium der Theater-, Filmund Medienwissenschaften an der Universität Wien ab und ist seit 2008 für Sender wie ZDF, ARTE, ORF und 3sat tätig. Neben zahlreichen 3sat-Theateraufzeichnungen aus dem Burgtheater, Theater Basel, Deutschen Theater Berlin, Thalia Theater und Schauspielhaus Hamburg zählen zu ihren bekanntesten Projekten die Dokumentarreihe Wie Götter speisen (2023, ARTE) und das Porträt Sieben Leben für die Musik – Die Familie KannehMason (2022, 3sat).

»Am Ende geht es bei Martin Schläpfer immer um eine Suche nach Wahrhaftigkeit, nach dem, was hinter den Noten liegt. Sich auf dieser Ebene zu treffen, ist ein großes Geschenk.«

CHRISTOPH ALTSTAEDT

»Für mich als Künstler war es wesentlich, ein eigenes Ensemble formen zu dürfen –ein Ensemble, das auch mich formte: Interpret*innen, die nicht einfach nur nachtanzen, sondern in eine Bewegungssprache reinwachsen, diese verstehen und füllen können.«

MARTIN SCHLÄPFER

MARTIN SCHLÄPFER

CHOREOGRAPHIERT PATHÉTIQUE Ein Film von CATHARINA KLEBER Kamera DENIZ LINDENBERG –WEITBLICK FILM

A 2025 / 39 Min. / Dt. & Engl. mit Untertiteln Eine Produktion des Wiener Staatsballetts ab 5. Juni kostenlos online auf

MARTIN
PHILIPPE JORDAN
Foto PETER MAYR

MOZART OHNE KOSMETIK

PHILIPPE JORDAN BLICKT IM GESPRÄCH

MIT ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG

AUF FÜNF JAHRE ALS MUSIKDIREKTOR

DER WIENER STAATSOPER ZURÜCK

ll Fangen wir mit dem gestrigen Abend –der Tannhäuser -Premiere – an. Wie geht es Ihnen am Tag nach einer Premiere? Sind Sie noch im Endorphinmodus? Oder öffnet sich bereits der Blick für Neues?

pj Erst einmal empfinde ich große Dankbarkeit für eine wunderbare Premiere, Dankbarkeit an alle Beteiligten, neben den Sängern möchte ich besonders die Leistung des wunderbaren Orchesters und natürlich auch des wunderbaren Chores hervorheben. Natürlich ist man am Tag danach etwas erschöpft, aber es ist auch die Anspannung von uns allen abgefallen, die im Vorfeld eines solchen Abends alle fühlen. Wenn die Premiere dann gut läuft, ist eine allgemeine Erleichterung zu spüren. Aber: Neben den Tannhäuser -Folgevorstellungen fangen gerade die Proben für den Ring des Nibelungen-Zyklus an und darüber bin ich sehr froh, denn das Schlimmste ist, wenn man nach einer Premiere in ein Loch fällt. So aber geht es weiter und das ist ein gutes Gefühl!

ll Wenn wir auf die letzten fünf Jahre zurückblicken, sehen wir ungemein viele Details, einzelne Premieren, Repertoireabende. Welche aber waren die großen Züge, die bestimmenden Schwerpunkte?

pj

Das Zentrum hieß von Anfang an Mozart. Er war die Basis, wobei immer klar war, dass von diesem Mittelpunkt viele Einflüsse ausgehen und Kreise gezogen werden, egal, ob man Tschaikowski, Strauss, Wagner, Verdi oder Puccini spielt. Die Gräfin in Le nozze di Figaro kann auch eine wunderbare Eva in Wagners Meistersinger sein, der Graf könnte auch einen Onegin oder den Wolfram im Tannhäuser singen. Mozart war die Energiequelle, deren Wirkung quer durchs Repertoire strahlte. Es war also naheliegend, dass wir konsequent an Mozart gearbeitet haben. Wir wollten und haben aus internationalen Kräften ein entsprechendes Ensemble gebildet, das nach und nach zusammengewachsen ist. All die Jahre wurde an einer gemeinsamen musikalischen Sprache gefeilt, nicht nur bei den Sängerinnen und Sängern, sondern auch im Orchester und im Chor. Es ging um Spielweisen, um das Reagieren aufeinander, um einen besonderen Stil. Damit haben wir bereits im ersten Jahr angefangen: Mit einer Wiederaufnahme der alten Le nozze di Figaro -Produktion. Dann kam ein neuer Da-Ponte-Zyklus mit Regisseur Barrie Kosky. Dass alle drei Werke von einem Regisseur gestaltet wurden, war wichtig, denn selbst, wenn jede Oper ihre eigene

szenische Interpretation hat, gab es doch eine gemeinsame Bühnensprache. Bereits bei der ersten Premiere des Da-Ponte-Zyklus, Don Giovanni , waren die Weichen endgültig gestellt und wir konnten mit Freude beobachten, wie letztlich das Gesamtkonzept aufging. Was für ein Glück, als wir im Frühjahr den ganzen Zyklus spielten: eine wunderbare Geschlossenheit, eine solche Homogenität! Ein Höhepunkt war auch das konzertante Giovanni -Gastspiel in

men, funktioniert das besonders gut. Vieles wird dabei natürlich im Laufe der Proben entwickelt. Aber auch im Moment der Aufführung kann man vom Hammerklavier her eingreifen, indem man etwa einen Akzent setzt, etwas zurückhält oder vorwärtstreibt. Abgesehen davon ist es angenehmer mitzuspielen, als nur dazusitzen; am Hammerklavier bin ich Teil des Ganzen.

ll Sie haben von einer musikalischen Sprache bei Mozart gesprochen. Wie

»Je weniger Drumherum es bei Mozart gibt, umso besser. Also: Keine Kosmetik.«
PHILIPPE JORDAN

Paris: Von der Ouvertüre an war das Ganze wie aus einem Guss!

ll Betrifft diese Homogenisierung auch das Orchester?

pj Da geht weniger um den Klang, denn das Staatsopernorchester hat ja an sich einen wunderbaren Mozartton und jeder weiß um die ungemeine Sensibilität des Klangkörpers und dass die Musikerinnen und Musiker sehr genau auf die Bühne hören. Man muss, besonders bei Mozart, hier nicht viel erläutern. Gerade darum habe ich mit dem Orchester bei Mozart auch nie Alleinproben gemacht. Wozu auch? Macht man bei einem Mozart-Klavierkonzert ja auch nicht… Lieber gleich mit den Sängern eine Oper gemeinsam erarbeiten! Natürlich muss man sich einigen: In welche Richtung will man musizieren? Etwas traditioneller?

Lässt man neue Einflüsse zu? Die Herausforderung dabei ist, dass so viele verschiedene Einflüsse gleichzeitig im Orchester zu finden sind und es Zeit braucht, ein einheitliches Klangbild auf Schiene zu bringen. Mir persönlich war immer Transparenz und ein artikuliertes Spielen in der Arbeit mit dem Orchester wichtig. Auch darum war dieser Zyklus so entscheidend.

ll In welchem Zusammenhang steht da Ihre Rezitativbegleitung am Hammerklavier?

pj Ich mache das insofern gern, weil die Rezitative eigentlich der innere Motor der Da-Ponte-Opern sind. Ganz besonders sie muss man mit Leben erfüllen, um die jeweilige Theatersituation genau zu erfassen. Arbeitet man mit einem so wunderbaren Regisseur wie Barrie Kosky, der die Rezitative perfekt auf den Punkt gebracht hat, zusam-

kann man diese beschreiben? Wie beschreibt Philippe Jordan seine musikalische Mozartsprache?

pj (lacht) Das sollen wirklich andere beurteilen!

ll Anders gefragt: Welche musikalische Grammatik wollen Sie vermitteln?

pj Also erstens geht es mir, wie vorhin angesprochen, um eine Einheitlichkeit. Zweitens: Je weniger Drumherum es bei Mozart gibt, umso besser. Also: Keine Kosmetik. Denn es ist bereits alles in der Musik enthalten, und wenn man sie so spielt, wie sie geschrieben steht, gelingt sie am besten. So bin ich bekanntlich kein großer Freund von zusätzlich beigefügten Verzierungen, auch wenn man manches vielleicht zu Mozarts Zeit so gemacht hat.

Da und dort: ja. Aber im Wesentlichen sind mir Reinheit und das Pure am liebsten, sowohl in den Gesangsstimmen als auch im Orchester. Drittens und viertens: Klangschönheit und natürlich eine gute Intonation. Fünftens: Mir sind Leichtigkeit und Lebhaftigkeit wichtig. Selbst wenn im Repertoirebetrieb mitunter zur Sicherheit manches etwas langsamer gespielt wird, bin ich ein Freund von zügigeren Tempi. Es braucht einfach diesen inneren Motor, eine gewisse Brillanz und Geschwindigkeit. Und Sechstens: Obwohl Perfektion gefordert wird, darf man sich nicht in ihr verlieren. Immer braucht es das Spontane, Unmittelbare, Lebendige.

ll Weil Sie die stilistische Einheitlichkeit erwähnt haben: Ist eine solche etwa bei Richard Wagner einfacher zu erreichen, weil es nicht so viele divergierende Sichtweisen gibt?

pj Viel einfacher! Bei Mozart gibt es mit tler weile so viele verschiedene, sich zum Teil extrem widersprechende Zugänge.

ll Die Wiener Philharmoniker betonen immer wieder, dass ihr Klang besonders auch von zwei Orten geprägt ist: von der Wiener Staatsoper und vom Musikverein. Kann man dementsprechend auch sagen, dass Sie in diesen fünf Jahren von der Wiener Staatsoper geprägt wurden?

pj Natürlich! Ich hoffe meinerseits, dem Haus etwas gegeben zu haben, aber natürlich hat mir das Haus unglaublich viel geschenkt! Allein mit diesem Orchester jeden Tag zu interagieren, ist unglaublich bereichernd. Mir ist immer wieder aufgefallen, wie ich vieles von dem, was ich hier erfahren habe, an anderen Orten anderen Orchestern weitergegeben habe. Manchmal bewusst, manchmal unbewusst.

ll Der Beginn Ihrer Zeit war auch von Corona geprägt.

pj Das war eine schwierige Zeit, aber ich denke, dass wir stolz darauf sein können, wie gut das Haus diese Phase gemeistert hat. Wir haben nicht zugemacht, sondern gezeigt, dass wir für das Publikum, wenn auch in anderer Form, nämlich übers Fernsehen, da sind.

ll Immer wieder haben Sie an mehreren Tagen hintereinander unterschiedliche Werke dirigiert. War das dem Repertoirebetrieb geschuldet? Oder hat Sie das künstlerisch auch weitergebracht?

pj Das ist einfach die Realität hier am Haus und für mich eine Verpflichtung des Kapellmeisterberufes im besten Sinne. Das war früher durchaus so üblich, dass man an einem Abend Madama Butterfly leitet, am nächsten Tristan und Isolde und dann

PHILIPPE JORDAN
Foto PETER MAYR

einen Figaro. Es gehört einfach zum Beruf, vielleicht einmal sogar ohne Probe. Für das Orchester ist es ja ebenso der Theateralltag. Ich sehe das als Zeichen der Lebendigkeit; es ist ein Vorteil, kein Nachteil.

ll Inwiefern wirkten die einzelnen Opern über ihren Rahmen hinaus? Haben die Meistersinger vor drei Jahren den aktuellen Tannhäuser beeinflusst?

pj Natürlich steht jedes Werk für sich. Aber gleichzeitig befruchtet es alle anderen, es ist ein Geben und Nehmen. Selbst Verdis Don Carlo beeinflusst musikalisch die Art

len Musik und Theater eine Rolle, aber es gibt daneben viel anderes ebenso Wichtiges: Literatur, bildende Kunst, Mode, Film. Hier in Wien konzentriert man sich auf Musik, also Oper und Konzert und das Sprechtheater. Und dann gibt es hier dieses wunderbare Mitleben mit der Musik, mit diesem Haus und dem Repertoire. Wie viele im Publikum schauen sich immer wieder eine Bohème an, oder auch einen Wozzeck? Wo gibt es das sonst? In der Form kenne ich das nicht.

ll Was ist für Sie, abgesehen vom Künstlerischen, noch erinnerungswürdig?

»Natürlich steht jedes Werk für sich.
Aber gleichzeitig befruchtet es alle anderen, es ist ein Geben und Nehmen.«
PHILIPPE JORDAN

und Weise, wie ich den Tannhäuser mache. Dazu kommen die handwerklichen Erfahrungen, die sich im Dirigentenalltag ergeben, auch diese sind nicht stückgebunden.

ll Wir sprachen über Mozart und Wagner, Sie haben hier darüber hinaus etwa auch Puccini und Verdi dirigiert. Was war Ihnen noch wichtig?

pj Natürlich besonders auch Richard Strauss – denken wir etwa an den Rosenkavalier oder Salome – und Alban Bergs Wozzeck.

Ein für mich ungemein prägendes Projekt!

ll Gibt es für Sie die Produktion der letzten fünf Jahre?

pj Wahrscheinlich die Meistersinger, Figaro und knapp dahinter der aktuelle Tannhäuser. Da hat einfach alles gestimmt, wunderbare Regie, fantastisches Orchester, tolles Sängerinnen- und Sängerensemble, ein glückliches Publikum, eine Einheit von Musik und Szene. Und alle zogen an einem Strang. Es gab natürlich auch viele andere schöne Dinge, Salome, Trittico und so weiter.

ll Wir Wiener behaupten so gerne, dass die Musik eine große Bedeutung für die Stadt hat. Ist das aus Ihrer Sicht tatsächlich so? Oder ist das nur ein Klischee?

pj Natürlich ist es so! Es gibt nirgendwo ein Publikum, das so sehr für die Musik lebt, für die Musik und das Theater. Das sich so auskennt, mitgeht und so intensiv reagiert. Nehmen wir Paris: Auch da spie -

pj Die Herzlichkeit des Publikums! Das ist etwas ganz Besonderes. Ich würde sagen, das Schönste, das einem passieren kann. Denn für das Publikum machen wir das alles ja… Und die Sprache, dieses Rubato im Wienerischen, das man überall spürt, auch im Spiel des Orchesters übrigens. Es hat etwas ungemein Musikalisches.

ll Und was nehmen Sie mit?

pj Dass Kunst und Musik wirklich ein Lebenselixier sind. Hier in Wien gibt es, im Vergleich zu anderen Orten, immer wieder sehr dunkle und kalte Winter. Da ist es klar, dass viele gerade in dieser Zeit ins Konzert, in die Oper oder ins Theater gehen. Oder auf Bälle. So etwas braucht es in Kalifornien nicht. (lacht) Aber davon abgesehen: Mitnehmen ist sehr relativ, da ich wahrscheinlich weiterhin in Wien wohnen werde.

PREMIEREN MIT PHILIPPE JORDAN

SEIT 2020:

Mozart : LE NOZZE DI FIGARO, DON GIOVANNI, COSÌ FAN TUTTE

Wagner: PARSIFAL, TANNHÄUSER , TRISTAN UND ISOLDE , DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

Puccini: MADAMA BUTTERFLY, IL TRITTICO

Verdi: MACBETH , DON CARLO

Strauss: SALOME

Berg: WOZZECK

OPERN AIR – DIE WIENER STAATSOPER UNTER FREIEM HIMMEL

EIN OPERNFEST FÜR ALLE

ERSTMALS GIBT ES IM SEPTEMBER EIN OPERN AIR-KONZERT IM BURGGARTEN

Heute Abend in die Oper gehen? Oder lieber in der lauen Abendluft flanieren? Einen historischen Park besuchen? Oder doch live-Musik hören? Alles reizvolle Möglichkeiten, zweifellos, nur schließen sie sich meistens gegenseitig aus. Wobei: meistens. Manchmal, wie am 7. September, gibt es das ganze Paket auf einmal. Denn erstmals findet im Burggarten, nur wenige Schritte vom Haus am Ring entfernt, ein Opern Air statt, also ein Opernkonzert. Wer ist dabei? Natürlich Staatsopernorchester und Staatsopernchor, natürlich einer der besonders geschätzten Dirigenten des Hauses – Bertrand de Billy –, und natürlich eine Anzahl großer Namen. Elīna Garanča, Sonya Yoncheva, Benjamin Bernheim, Jonas Kaufmann, Boris Pinkhasovich und andere – sie

gestalten gemeinsam ein »Opernschla ger«-gesättigtes Programm. Das Ganze findet auf einer eigens errichteten Konzertbühne im Park statt, der »Zuschauerraum« sind die teils von Bäumen überkuppelten Rasen flächen. Und: Der Besuch ist kostenlos, ein Eröffnungsgeschenk zu Saisonbeginn – für alle, die Oper lieben oder sich mit ihr anfreunden wollen. ORF III & ARTE übertragen das Konzert live-zeitversetzt.

OPERN AIR – 7. September 2025 19 Uhr, freier Eintritt Mit KS ELĪNA GARANČA, SONYA YONCHEVA, BENJAMIN BERNHEIM, KS JONAS KAUFMANN, BORIS PINKHASOVICH u.a. Dirigent BERTRAND DE BILLY

»Ein Opernfest mit guten Freunden an einem historischen Ort, unter freiem Himmel, umgeben von Natur und nur einen Steinwurf von der Staatsoper entfernt: Das weckt die Vorfreude

auf eine spannende Saison!«

BERTRAND DE BILLY

WIR DANKEN DEN PARTNERN DES OPERN AIR

HAGEN SINGT KEIN BACHORATORIUM. ODER DOCH?

SO VIELFÄLTIG IST DIE STIMMLAGE BASS

GÜNTHER GROISSBÖCK als BARON OCHS in DER ROSENKAVALIER

Foto MICHAEL PÖHN

Sprechstimme und Gesangsstimme laufen nicht zwingend konform. Und das Auffinden der eigenen vokalen Heimat ist überdies oft gar nicht so einfach und von vornherein festlegbar. Schon gar nicht für einen, der nicht aus einem »Stimmfachleute-Umfeld« kommt. Ich beispielsweise war ein totales Gesangsgreenhorn. Ein Musikliebhaber

gleiten konnte. Und was macht ein Gesangsgreenhorn auf der Suche nach dem eigenen Stimmklang in so einem Fall? Er hört sich oft, sehr oft (vielleicht sogar zu oft) einen Lieblingssänger an – und imitiert diesen bewusst oder unbewusst. Bei mir war dies Kurt Moll, was für die Jury bei der Aufnahmsprüfung erheiternd offensichtlich auf der Hand

»Was der werdende Bass neben Talent, einem guten Material und einem guten Lehrer benötigt, ist Geduld. Viel Geduld.«

zwar, der mit großer Freude und mit viel Ehrgeiz Klavier gespielt hat und auch gerne und viel in Opernaufführungen ging, aber einer, der sich im Traum nicht hätte vorstellen können, jemals professionell singend auf einer Bühne zu stehen. In so einem Fall ist es hilfreich, wenn nahestehende Verwandte und Bekannte instinktiv aus dem oft gehörten Singen in der Dusche ein Talent, eine Befähigung herauslesen können und einem dies mitteilen. Kommt der Betreffende daraufhin womöglich selbst zur Überzeugung, ein zumindest brauchbares, vielversprechendes Instrument zu besitzen, geht er zu einem echten Kenner, um diesem vorzusingen und ein erstes professionelles Urteil einzuholen. In meinem Fall war dies der Tenor Professor Franz Lukasovsky an der mdw, dem ich die »Abendstern«-Arie des Wolfram aus Tannhäuser vortrug. Schließlich hielt ich mich für einen zukünftigen lyrischen Bariton. Nachdem er mich aber, um meinen Tonumfang auszutesten, einige Skalen hat singen lassen, lautete sein Befund: »Ich werde Sie enttäuschen müssen, Sie sind kein Bariton, bestenfalls ein Bassbariton, wahrscheinlich geht es aber sogar in Richtung Bass.« Geht in Richtung Bass bedeutet: Man ist mit 19, 20 Jahren weit davon entfernt, eine tragfähige Tiefe zu besitzen, aber gewisse Anlagen deuten an, dass sie eines Tages erreicht werden könnte. Man bewegt sich also ausschließlich im Bereich der Möglichkeitsform...

Für die Aufnahmsprüfung an die Wiener Musikuniversität legte ich also den Hebel um und konzentrierte mich auf Bassrollen, konkret auf den Sarastro in der Zauberflöte : Nicht zuletzt deshalb diese Partie, weil ich mich bei ihr selbst am Klavier be -

lag. Das heißt mit anderen Worten für den Beginn: Irgendwer muss erkennen, wohin man tendiert und irgendwer sollte einem auch klarmachen, dass jede und jeder eine ganz spezielle Stimme hat und man nicht versuchen sollte, als vokale Kopie eines anderen herumzulaufen, da dies über kurz oder lang in eine Sackgasse führt.

ES DAUERT UND DAUERT… Was der werdende Bass neben Talent, einem guten Material und einem guten Lehrer benötigt, ist Geduld. Viel Geduld. Der Reifungsprozess dauert nämlich Jahre und vor allem oft länger als bei den anderen Stimmtypen. Während die leichteren Soprane bereits in den 20ern mitunter in Hauptrollen die größten Bühnen erklimmen, hört man als Bass in derselben Zeit nur: »Nicht schlecht, in 15 Jahren könntest du als Wagner-Bass infrage kommen.« Trotzdem durchzuhalten, bedeutet für

GÜNTHER GROISSBÖCK gehört zu den wichtigsten Bässen weltweit. Zuletzt war er gleich mehrfach an der Wiener Staatsoper zu erleben: als König Heinrich im Lohengrin , Gurnemanz im Parsifal , Papst Pius IV. in Palestrina , Landgraf Hermann im neuen Tannhäuser und aktuell als Ochs im Rosenkavalier. Allesamt Kernpartien des deutschsprachigen Bass-Repertoires. Doch was ist ein Bass, welche Möglichkeiten innerhalb dieser Stimmlage gibt es, worauf muss der jeweilige Sänger achten und wie hält man diese tiefe Stimme fit und flexibel? Fragen, auf die Günther Groissböck mit dem nebenstehenden Artikel profunde Antworten gibt.

einen jungen Menschen fast so viel, wie das Meistern einer Zen-Aufgabe. Oder, anders formuliert: Als junger Bass gleicht man einem Rotweinwinzer. Regelmäßig geht man in den Keller, um nachzuschauen, ob der Wein, das

heißt die Stimme, schon »anzubieten« wäre – und wird sehr lange immer aufs Neue enttäuscht. Doch in dieser Zeit passiert dennoch Wichtiges. Das Legen und Festigen des Fundaments für die spätere Laufbahn nämlich. Der Stimmumfang wird behutsam erweitert und die Technik schrittweise entwickelt – Hand in Hand damit geht außerdem das Vertrautwerden mit der eigenen Stimme. In welchem Höhenbereich, in welcher Tessitura fühle ich mich grundsätzlich wohl und kann den Muskeltonus halten, wo ist das Passaggio, also der Übergangsbereich, bei dem ich beginnen muss, den Ton zu decken? Wie beweglich ist meine Stimme grundsätzlich? Dazu kommen weitere Faktoren, die eine ehrliche Entscheidung verlangen. Bin ich beispielsweise bestimmten Rollen von der erforderten physischen Energie, also der Stamina her, überhaupt gewachsen, welchem Rollentyp komme ich von der Persönlichkeitsstruktur grundsätzlich am nächsten etc. ? In diesem gesamten Findungsprozess nutzen eigene Wunschvorstellungen wenig. Mit einer beispielsweisen schweren, festeren Stimme ist ein bassbaritonaler Figaro oder Leporello außer Reichweite, egal, ob man sich gerne auch hier festgesetzt hätte. Und umgekehrt. Wem die Schwärze und profunde Tiefe fehlt, der sollte besser nicht vom Großinquisitor oder einem

BASS IST NICHT BASS

Die allgemein genormten Fach-Kategorien sind in Wahrheit auch im Bassbereich nur Theorie. Keine von ihnen existiert in Reinkultur, überall gibt es Überschneidungen und Mischformen. Nicht umsonst existiert auch der Begriff Zwischenfach Nichtsdestotrotz seien hier ein paar Einteilungen, wie man sie in der Szene stets hört, aufgelistet: Da wäre einmal der klassische basso cantante, der höhensichere, im italienischen Sinne klangschöne, legatoreiche Bass, der unter anderem von den Belcanto-Basspartien über Fiesco, Banco, Nabucco, Philipp II., Méphistophélès bis hin zu russischen Rollen wie Gremin oder Boris Godunow, ein breites Spektrum abdeckt. Je nach Robustheit und Höhensicherheit des Instruments darf er sogar die Fühler ins Heldenbaritonale hinein ausstrecken, darf also auch Rollen wie Wotan, Sachs, Holländer oder Barak ins Repertoire aufnehmen. Meine großen Vorbilder sind in diesem Zusammenhang Alexander Kipnis, Ezio Pinza, Hans Sotin oder Robert Holl. Es folgt der cantable basso profondo, die üppig-weichen, tiefen Stimmen mit der Fähigkeit zu schönen Kantilenen: Sarastro gehört eindeutig hierher, auch Gurnemanz, Daland, Rocco, Osmin. Wichtige Vertreter waren Martti Talvela, Kurt Moll oder das langjährige Ensemblemitglied Walter Fink.

als KÖNIG HEINRICH in LOHENGRIN
Foto MICHAEL PÖHN
als PAPST PIUS IV. in PALESTRINA
Foto MICHAEL PÖHN

HAGEN SINGT KEIN BACHORATORIUM. ODER DOCH?

Und dann gibt es die pechschwarzen, tiefen, schweren profondi mit dem gewissen Peng in der Stimme, jene, bei denen man sich schon beim bloßen Auftauchen des Sängers im Publikum fürchten darf –ein historisches Beispiel wäre Gottlob Frick, in jüngerer Vergangenheit Eric Halfvarson, Matti Salminen oder Kurt Rydl. Der schon erwähnte Claggart oder der Großinquisitor sind Paradebeispiele für dieses Fach. Das quasi Gegenteil ist schließlich der Bassbuffo mit Partien wie dem Don Basilio im Barbiere , Don Magnifico in der Cenerentola oder Mustafà in L’italiana in Algeri . Gefordert ist hier eine sehr bewegliche, flexible Stimme und eine Fähigkeit zur Komik. Die benötigt auch der Ochs im Rosenkavalier – aber nicht nur diese. Der Ochs ist mit Sicherheit eine der anspruchsvollsten und herausforderndsten Partien des Bass-Repertoires. Vokal wie – auch wenn das komisch klingen mag –intellektuell. Der Sänger hat stets äußerst präzise zu sein, trotz des parlandoartigen Grundduktus –schließlich singt man nicht einfach ein paar Arien, sondern ist im Ensemble verankert und entsprechend für alle anderen im Team mitverantwortlich und von ihnen zugleich abhängig, insbesondere im ersten Akt. Man ist am nächsten Tag nicht umsonst auch geistig sehr müde.

Manches ist natürlich auch dem Klangideal der jeweiligen Epoche geschuldet. Früher hatte man einen Nozze -Figaro oder Don Giovanni mit einem Cesare Siepi besetzt, also dunkler als heute im Allgemeinen üblich. Und für den Holländer des George London musste man auch erst einen Daland finden, der sich farblich gut abgesetzt hat. Die Verantwortlichen müssten bei Besetzungen also immer auch auf die Relationen achten, die Stimmen aufeinander abstimmen und nicht blind schulbuchmäßig nach Kategorie vorgehen.

Der einzelne Interpret wird jedenfalls sein Leben lang austarieren, was gerade am Ehesten passt, was vielleicht gut passt und wovon er besser die Finger lassen sollte. Leider geht die gegenwärtige Musikindustrie für meinen Geschmack zu sehr auf Nummer sicher, liebt eben das Kategorisieren und damit verbunden eine gewisse Sterilität und Uniformität. Das gilt im Übrigen für alle Stimmtypen und -fächer. Natürlich wäre es gewagt, wenn man einem Hagen-Sänger ein Einspringen in einem koloraturreichen Bach-Oratorium anbieten würde. Aber ganz auszuschließen ist auch das nicht. Ein wenig mehr an Kreativität, Vertrauen, Experimentierfreudigkeit, ja, Wagemut würde auch vielen der Entscheidungsträger in Besetzungsfragen guttun. Große Dinge erfordern Mut, Risiko und Vertrauen – ein Work in Progress also im besten Sinne. Unter dieser Tatsache leiden nahezu alle Sängerinnen und Sänger. Glücklicherweise gibt es einige wenige Bühnen, die diesbezüglich wohltuende Ausnahmen bilden.

DIE BASS-KARRIERE WÄHRT MEIST LANG

Für die angesprochene Geduldprobe am Beginn der Laufbahn, für das langwierige Warten auf die ersten wichtigen Partien entschädigen dann die späteren Jahre. Bis 65 vokal gesund zu sein, ist für einen Bass absolut keine Hexerei, wenn man immer auf genügend Stimmhygiene achtet, was bedeutet: Neben technischen Übungen sich auch dem Lied-Gesang zu widmen, der einen feinen Stimmschluss und ein bewusst intellektuelles Herangehen erfordert und trainiert. Natürlich beugt eine gute Rollenauswahl ebenfalls dem Stimmverschleiß vor. Und so ist es kein Wunder, dass so mancher Bass bis weit über 70 der Opernbühne erhalten bleibt. Bei bestimmten Figuren erwartet man als Publikum sogar eine gewisse Reife, einen menschlichen Erfahrungsschatz vom Interpreten – das ist dann der wohlverdiente Segen des Alters beim Bass-Interpreten.

als LANDGRAF HERMANN in TANNHÄUSER

Foto MICHAEL PÖHN

»WER IST IHRE LIEBLINGSFIGUR IM RING ?«

Richard Wagners Ring des Nibelungen ist ein Kosmos. Riesen und Zwerge, Götter und Menschen und etliche Tiere bevölkern die rund 15-stündige Tetralogie, Deutungen, Analysen und Ring-Jüngerinnen und Jünger gibt es wie Sand am Meer. Kein Wunder, wurde mit dem Werk doch eine eigene Welt mit in sich verschlungenen Wegen geschaffen, die in der Durchquerung fasziniert. Und wie bei anderen großen Kunstwerken entdecken sich zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer gerne in der reichhaltigen Figurenaufstellung. Wer aber ist die ultimative Lieblingsfigur? Wir baten unser Publikum zur Abstimmung und fragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wiener Staatsoper. Hier die Highlights!

VIELE

»Es ist ganz unmöglich, nur eine Lieblingsfigur zu nennen… Richard Wagner hat sich selbst in vielen Charakteren gespiegelt –man kann sich da als Interpret unmöglich auf einen festlegen, sonst greift man künstlerisch viel zu kurz. Denken Sie allein die vier großen Figuren des Rings : Brünnhilde, Wotan, Siegfried und Alberich: Alle sind auf ihre Weise faszinierend und man kann sich mit jeder und jedem in Teilen identifizieren. Das ist ja das Große an einem solchen Werk, dass auch eine so negative Figur wie Alberich zutiefst nachvollziehbare menschliche Züge hat: Seine Gier nach Macht ist nichts anderes als eine Reaktion auf zurückgewie-

sene Liebe. Und er ist der einzige authentische Charakter, der nicht lügt, nichts vorspielt. Wotan wiederum ist für viele die erste Identifikationsfigur, weil man eine ganze Lebensgeschichte vom Wollen zum Planen und Scheitern erlebt, bis zum Loslassen am Ende. Brünnhilde: Sowieso! Eigentlich ist sie ja die Erlösungsfigur im Ring. Siegfried, und besonders Siegmund und Sieglinde… sind alle so lebensechte, so grandios komponierte Figuren! Nein, nur eine Lieblingsfigur: das wäre mir wirklich zu wenig!«

MIME

»Mime ist schon immer die Figur gewesen, die in mir das größte Mitgefühl weckt. Der begabteste Schmied Nibelheims, sehr belesen, zu Beginn ein glückliches Leben führend. Von seinem Bruder unterworfen und misshandelt, wird er zum Einsiedler, bis Sieglinde auf ihn trifft und er das wohl schwierigste Kind, das jemals geboren wurde, mit viel Geduld großzieht, nur um auch von Siegfried gehasst zu werden.«

ANDREAS ABEGG

MAESTRO SUGGERITORE

ERDA

»Meine Lieblingsfigur ist Erda. Sie taucht nur in zwei Szenen auf (im wahrsten Sinne des Wortes) – und beide Male bleibt musikalisch auf der Stelle die Zeit stehen. Ihre Musik ist komplett anders als die irgendeiner anderen Person im Ring : fast durchwegs langsam und gleichzeitig von einer bannenden, enigmatischen Autorität. Und auch in ihrer Abwesenheit ist sie quasi im Hintergrund präsent: Ihr Haupt-Leitmotiv kehrt in allen vier Opern an bedeutsamen Stellen wieder.«

JENDRIK SPRINGER

MUSIKALISCHER ASSISTENT des MUSIKDIREKTORS

ALBERICH

»Meine Lieblingsfigur im Ring ist Alberich; er ›sorgt nicht nur für das Ende‹, wie Wotan in der  Walküre  sagt, sondern auch für den Anfang und setzt die Handlung in Gang, als er – von den Rheintöchtern verspottet und gedemütigt –, der Liebe entsagt und den Ring schmiedet. Wir sehen ihn sowohl auf dem Höhepunkt seines Machtstrebens

als auch in seinem tiefsten Fall, als er alles verliert und nur noch darauf wartet, den Ring zurückzugewinnen. Er ist für mich eine der tragischsten Figuren, weil er keine Liebe zu kennen scheint und sein Streben nach Macht nur ein Ersatz für diese Leere ist. Sein Treffen mit dem Wanderer in Siegfried ist für mich eine der spannendsten Szenen: Die einst mächtigsten Widersacher –Licht-Alberich Wotan und Nacht-Alberich – stehen einander gegenüber: Beide längst entmachtet, sich vormachend, noch Einfluss zu haben, während ihre Zeit schon vorbei ist.«

ELISABETH FISCHER

LEITERIN der SZENISCHEN

EINSTUDIERUNG von RHEINGOLD & SIEGFRIED

WOTAN

»Als frischgebackener Vater eines kleinen Mädchens muss die Antwort nach meiner Lieblingsfigur natürlich Wotan lauten. Im Gegensatz zum Lichtalben habe ich bei der Brautwerbung meiner Partnerin beide Augen behalten dürfen, werde also den zukünftigen Ungehorsam meines Nachwuchses hoffentlich rechtzeitig mitbekommen und kann mir somit auch die wahrscheinlich kostenintensive Anschaffung eines Feuerrings sparen.«

MARTIN HÄSSLER

ENSEMBLEMITGLIED

BRÜNNHILDE

»Meine Lieblingsfigur im Ring ist auf jeden Fall Brünnhilde. Brünnhilde ist eine so ikonische Figur in der Opernwelt und der Populärkultur, dass selbst Menschen, die noch nie in der Oper waren, ihren berühmten Kampfruf

aus der Walküre erkennen. Außerdem ist sie eine echte ›moderne Frau‹, wie sie in Opern des 19. Jahrhunderts selten vorkommt; denn es sind Brünnhildes Liebe, Stärke und Trotz, die letztlich alle vom Fluch des Rings erlösen.«

ISABEL SIGNORET

ENSEMBLEMITGLIED

SIEGLINDE

»Sieglinde! Sieglinde ist eine zentrale Figur in der Walküre. Eine Frau, die sich aus den tyrannischen Zwängen ihres Mannes Hunding befreit – eine Rebellin!  Siegmund, ihr Zwillingsbruder, erweckt in ihr unerwartete Leidenschaften. Mit ihm zeugt sie noch in derselben Nacht den größten Helden aller Zeiten, Siegfried! Die Liebe treibt sie an, sich von ihrem früheren Eheleben in Knechtschaft zu lösen, und sie flüchtet ins Ungewisse. Ihr riskanter Weg bringt letzten Endes den Tod. Eine tragische Heldin, die mit ihrem göttlichen Gesang alle Zuhörer zutiefst berührt. Eine leidvolle, aber starke Gestalt im epischen Ring des Nibelungen.«

NATALIE ORTNER-MENCONI

LEITERIN der SZENISCHEN EINSTUDIERUNG von WALKÜRE & GÖTTERDÄMMERUNG

DAS WALDVÖGLEIN

»Das Waldvöglein. Vor allem, weil es sich nicht in dem fast allgegenwärtigen Netz aus Schicksal, Ehrgeiz, Wollen, Machtgier und Gewalt verstrickt, sondern frei ist. Und es ist ein Wesen, das mit seinem Wissen anderen weiterhilft.«

KATHARINA HÖTZENECKER

LEITERIN des MUSIKARCHIVS der WIENER STAATSOPER

DAS SAGT DAS PUBLIKUM –DIE »TOP 5«

ADAM FISCHER
Fotos NIKOLAJ LUND

REITEN, FUSSBALL & TANZEN

MEISTERDIRIGENT & STAATSOPERNEHRENMITGLIED ADAM FISCHER ÜBER DIE KUNST DES REPERTOIRE-DIRIGIERENS

Früher gab es beim Olympischen Fünfkampf die Disziplin des Springreitens. Eine Besonderheit dabei: Die Pferde für die Bewerberinnen und Bewerber wurden erst kurz vor dem Wettkampf ausgelost. Wer gewinnen wollte, musste demnach auf allen Pferden reiten können –und nicht nur auf einem besonderen. Oder: Wer ein guter Tanzpartner sein will, muss mit jedem Gegenüber harmonieren. Und nicht nur mit einem, das er schon lange kennt.

Warum aber diese beiden, opernfernen Beispiele? Weil es beim Dirigieren nicht anders ist. Man muss sich zunächst das technische Handwerk erwerben und lernen, potenziell jedes beliebige Orchester leiten zu können. Und nicht nur ein oder zwei spezielle. Zumindest, wenn man als Dirigentin oder Dirigent im Repertoire-Betrieb bestehen möchte.

I. WAS IST MÖGLICH?

Zunächst ist stets das Wichtigste, dass man sich bewusst macht, welche Möglichkeiten man in einer Situation hat. Es ist ein Unterschied, ob ich für eine Opernpremiere sechs Wochen Zeit habe oder aber einen Repertoireabend leite, für den es deutlich weniger Proben gibt. Wobei: Wenn ich sechs Wochen probe, bin ich nicht unbedingt ein »besserer« Adam Fischer – aber ich bin zweifellos ein anderer. So nahm ich als Chefdirigent mit dem Danish Chamber Orchestra einen großen Mozart-Zyklus auf – da »funkte« mir kein

anderer dazwischen und ich konnte in Ruhe arbeiten. Natürlich ist es auf diese Art möglich, einem Projekt eine sehr spezielle Richtung zu geben. Wenn ich hingegen an einem Opernhaus einen Repertoireabend dirigiere, muss ich mich stärker an den vorherrschenden Gewohnheiten orientieren. Ich muss wissen, was an diesem Haus üblich ist und damit behutsam umgehen. Komme ich etwa an eine Stelle, die an diesem Theater traditionell entweder auf die Weise A, B oder C gespielt wird, blicken mich die Musikerinnen und Musiker an: Welchen Weg wird er einschlagen? Ich kann mich zwischen A, B und C entscheiden. Aber ich sollte nicht auf Krampf versuchen, ohne große Probengelegenheit interpretatorisch eine Möglichkeit D zu wählen. Das würde nur Verwirrung stiften. Was im Speziellen machbar ist, hängt natürlich immer auch vom Haus ab: An der Wiener Staatsoper etwa sind die Möglichkeiten viel größer als anderswo. Welche Wege aber in der aktuellen Situation verfügbar sind: das weiß man entweder aus Erfahrung, oder man spürt es. Und dieses Gespür… bekommt man wiederum durch Erfahrung.

II. KAMMERMUSIK

Als Dirigent geht es mir besonders –und es ist egal, in welcher Situation –darum, mit allen Beteiligten Kammermusik zu machen. Mit anderen Worten: Ich will nicht um jeden Preis alles bestimmen, sondern versuche, gemeinsam mit allen ein Maximum zu

erreichen. Natürlich muss ein Dirigent führen und koordinieren. Natürlich ist er für alle verantwortlich. Dennoch besteht die Funktion im Idealfall darin, einen Rahmen aufzuspannen, in dem vieles verwirklicht werden kann. Wenn ich einen Vergleich aus der Religion bringen darf: Der Papst ist dazu da, zu herrschen – und zu dienen. Und ein Minister ist, der Wortherkunft nach, ein Diener. Genauso verhält es sich mit meinem Beruf. In Wahrheit war ein Dirigent nicht dann am besten, wenn ein Musiker nach einem Abend sagt: »Heute haben Sie hervorragend dirigiert«, sondern wenn er meint: »Heute habe ich hervorragend gespielt.« Es ist wie im Fußball, da darf ein Mittelfeldspieler auch nicht um jeden Preis Tore schießen wollen.

Auf die Oper bezogen heißt das: Die Sängerinnen und Sänger, der Chor und das Orchester schießen die Tore. Der Dirigent aber muss dafür sorgen, dass jede und jeder die ideale Vorlage für ein Tor bekommt. Man muss also nicht nur gestalten, sondern auch helfen: Wenn ich spüre, dass eine Sängerin heute mehr Zeit braucht, dann drossle ich das Tempo. Ich erhöhe das Tempo, um einem Flötisten zu unterstützen, eine Phrase auf einen Atem zu schaffen. Ich muss reagieren, wenn ein Fehler passiert. Ich muss Ensembles zusammenhalten. Vor allem aber bin ich für die Entfaltung der anderen da. Immer nur meine Überzeugung durchzudrücken: das wäre für mich der falsche Weg.

III. MEIN SCHLÜSSELMOMENT

Ich erinnere mich an einen Schlüsselmoment meines Lebens: Ich traf als junger Student in einer Kantine einen älteren Musiker, der kummervoll an einem Tisch saß. Auf die Frage, was los sei, antwortete er: Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dafür bezahlt werde, keine musikalische Überzeugung haben zu dürfen. Was meinte er? Dass er immer das spielen müsse, was Dirigenten von ihm fordern, ganz egal, wie er persönlich dazu stünde. Mit anderen Worten: Jedes Werk wurde vom Dirigenten gleichsam übersetzt, er war nur noch Ausführender. In diesem Augenblick schwor ich mir: Sollte ich es schaffen, Dirigent zu werden, würde ich immer darauf achten, Musikerinnen und Musikern ihren künstlerischen Raum zu geben. Denn wie könnte ich sonst erwarten, dass ihnen das Musizieren Spaß macht?

In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: Wir kommen in einem Stück an eine Stelle, in der der Komponist Überraschung ausdrücken wollte. Nun kann ich vorschreiben: Wir spielen einen Akzent! Oder: Wir spielen ein subito piano, also ein ganz plötzliches Piano. Und so weiter. Oder aber ich sage den Musikerinnen und Musikern: Geben Sie mir eine Überraschung! Und wie sie dann ausgestaltet ist, hängt von ihnen ab. Natürlich wird es viel besser ausfallen, wenn ich nicht ganz genau vorschreibe, was sie tun sollten. Es sind ja alles Künstlerinnen und Künstler, die ihr Fach beherrschen! (Selbstverständlich funktioniert das nur, wenn die Musiker sehr gut sind!) Der große Gustav Mahler war in diesem Punkt übrigens ganz anderer Meinung. In seinen Partituren beschreibt er nicht nur, was er möchte, sondern auch den technischen Weg dorthin. Mitunter gibt er sogar an, dass man als Dirigent etwas auf Vier oder Zwei schlagen soll. Das empfinde ich persönlich schon fast beleidigend… Das Idealziel jedes Dirigenten ist letztlich, dass es genauso klingt, wie er es sich vorstellt, aber kein Musiker das Gefühl hat, nur einer Vorschrift zu folgen, sondern so spielt, wie er es will.

IV. VOM LERNEN

Aber natürlich braucht es für dieses partnerschaftliche Musizieren viel technisches Handwerk. Denn spontan reagieren zu können ist schwieriger, als einfach nur seinen eigenen Weg zu gehen. Und wie man dieses Handwerk lernt: darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort. Nämlich durch viel Praxis.

Das ist wieder wie beim Tanzen: Man kann nicht vor dem Spiegel allein einen Paartanz lernen. Das geht nur, wenn man zu zweit ist… und tanzt.

Und noch ein Gedanke zum Erlernen der Traditionen an einem Opernhaus: Interessant ist an einem Klangkörper wie dem Staatsopernorchester, dass die Musikerinnen und Musiker die gepflegten Spielweisen sehr schnell lernen. Sie liegen gewissermaßen in der Luft. Der Trick ist, dass man immer ein Greenhorn neben einen alten Fuchs setzt, so verbinden sich das Neue und das Alte harmonisch zu einem Ganzen.

V. DAS REPERTOIRESYSTEM

Nun gibt es immer wieder Dirigenten, die sich über das Repertoiresystem beklagen. Es werde nicht genug geprobt, es sei künstlerisch nicht wertvoll und so weiter. »Verachtet mir die Meister nicht«, singt Hans Sachs in den Meistersingern . Und so ist es auch hier. Seit jeher gibt es exzellente Repertoireabende, künstlerisch auf allerhöchstem Niveau. – Wenn alle Beteiligten wissen, was sie tun müssen, das auch tun wollen und ein entsprechendes handwerkliches und künstlerisches Können haben. Erfahrungsgemäß ist ja gerade an Abenden, für die nicht extrem viel geprobt wurde, die Konzentration besonders hoch. Die Musikerinnen und Musiker sitzen »auf der Sesselkante«, wie man sagt. Und durch den täglichen Wechselim Repertoire haben die Musiker – gerade hier an der Wiener Staatsoper – eine ungemeine Reaktionsfähigkeit, größte Aufmerksamkeit und eine enorme Kenntnis quer durch das Repertoire. Gerade, weil es hier keine gemütliche Routine gibt, hat das Orchester die Ohren besonders auf der Bühne und fällt in keinen Alltagstrott. Wieder ein Beispiel: Wenn ich einen Einsatz gebe, ein Sänger aber zu spät kommt, wird an der Staatsoper das Orchester dem Sänger folgen, egal, was ich als Dirigent schlage. Warum? Weil sie blitzschnell reagieren und die Schnitzer der anderen ausgleichen können.

Sollte aber etwas nicht klappen, darf man sich als Dirigent niemals im Sinne von: »Das Orchester versteht mich nicht. Sie können das nicht«, beschweren. Das wäre falsch! Denn: Der Dirigent muss sich so ausdrücken können, dass alles richtig läuft. Auch das gehört zum guten Handwerk, das man selbstverständlich mitbringen sollte.

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KS

Foto

KRASSIMIRA STOYANOVA als MARSCHALLIN in DER ROSENKAVALIER
MICHAEL PÖHN

IM JUNI

MEHR ALS

19 JAHRE

Wohin ihn sein abwechslungsreicher Lebensweg auch hingeführt hat – als stets präsenter roter Faden lässt sich Ioan Holenders Liebe, ja bedingungslose Leidenschaft für die Musik, speziell für die Gattung Oper ausmachen. Sie hat ihn getragen, angefeuert, geformt und zu jener besonderen, einflussreichen und einzigartigen Persönlichkeit im Wiener aber auch internationalen Kulturbiotop werden lassen. Den Höhepunkt seiner Laufbahn bildeten sicherlich die 19 Jahre, in denen er an der Spitze der Wiener Staatsoper stand – eine Amtsdauer, die bisher von keinem seiner Kollegen in der mehr als 150jährigen Geschichte des Hauses erreicht worden ist. Dementsprechend intensiv und erfolgreich prägte er in mehrfacher Hinsicht die Geschicke dieser Bühne. Anlässlich seines bevorstehenden 90. Geburtstages spricht Ioan Holender am 28. Juni mit Direktor Bogdan Roščić in einer Matinee im Gustav Mahler-Saal über seine Direktionszeit, aber auch über das spannende Davor und Danach, kurz: über ein abwechslungsreiches Stück Operngeschichte.

ZUGLEICH

VATER & SOHN

Nachdem Siegmund als Wiederbeschaffer des unheilvollen, aber dem Träger höchste Macht verleihenden Nibelungenrings versagt hat, ist dessen Sohn Siegfried für diese gleichermaßen gefährliche wie unlösbar scheinende Aufgabe vorgesehen – und reüssiert. Um dann aber schließlich doch an ihm zugrunde zu gehen. In den beiden aktuellen Zyklen der Ring -Tetralogie werden Vater und Sohn diesmal von ein und demselben Interpreten gegeben: Von Andreas Schager, einem der unbestritten bedeutendsten WagnerInterpreten der Gegenwart. Offenbar unbeschadet meistert er die ungemein herausfordernden Partien, beeindruckt vokal wie schauspielerisch und euphorisiert damit nicht von ungefähr das weltweite Opernpublikum. Für die vielen Sternstunden an der Wiener Staatsoper bedankt sich nun das Haus im Anschluss an die (ausverkaufte) Walküren-Vorstellung am 2. Juni mit der Verleihung des Kammersängertitels an den österreichischen Heldentenor.

DURCHGESTARTET

So unterschiedlich die Partien auch sein mögen, die Emily D’Angelo auf der Bühne verkörpert: all ihren charismatischen Charakterzeichnungen eignen stets etwas Vielschichtiges, Geheimnisvolles und ausgesprochen Authentisches. Mittlerweile hat Emily D’Angelos Karriere international voll durchgestartet und so gehört sie zu den gefragtesten Interpretinnen ihrer Generation. Wobei die Mezzosopranistin repertoiretechnisch schon jetzt recht breit aufgestellt ist: Es umfasst Beispiele vom Mittelalter und dem Barock über Mozart, dem Belcanto und der Spätromantik, bis hin zum 20. und 21. Jahrhundert – wobei sie sich, quer über die Jahrhunderte, bewusst auch den unterschiedlichsten Komponistinnen und nicht nur den männlichen Vertretern der Zunft widmet. An der Staatsoper debütierte sie als Dorabella in der Così fan tutte -Neuproduktion und kehrte etwas später, in der aktuellen Spielzeit, als Donna Elvira in Don Giovanni zurück. Nun folgt mit dem Octavian im Rosenkavalier eine ganz andere Facette ihres Rollenspektrums.

ANDREAS SCHAGER
IOAN HOLENDER
EMILY D’ANGELO

ES BRODELT UNTER DEM ZUCKERGUSS

Der Gemeinschaftsabend von Georg Nigl und Nicholas Ofczarek im vergangenen Jänner wurde zu einem beispiellosen Triumph: In der komplett ausverkauften Staatsoper gaben die beiden gemeinsam mit Vladimir Jurowski einen Abend, an dem der Wahnsinn Krieg durch die Gegenüberstellung von Karl Kraus’schen Texten und der Musik von Gustav Mahler sowie Hanns Eisler in den Fokus gestellt wurde. Am letzten Samstag der Spielzeit, also am 28. Juni, treten Nigl und Ofczarek erneut mit einem besonderen Programm vor das Publikum, in dem sie ausgewählte Lieder von Franz Schubert mit Ausschnitten aus Karl Kraus’ Fackel in einen Diskurs treten lassen. Diesmal wählten die beiden aber bewusst den intimeren Rahmen des NEST. Was hinter diesem Abend steht, was Kraus und Schubert miteinander zu tun haben und auf welchem ausgefallenen Instrument die Lieder begleitet werden, darüber sprach der österreichische Bariton mit Andreas Láng.

al Ihr erster Wiener Gemeinschaftsabend war so erfolgreich, dass er im Herbst – erneut in der Staatsoper – wiederholt wird. Für den Kraus-Schubert-Abend wollten Sie aber ausdrücklich nicht ins große Haus, sondern in die neue, kleinere Spielstätte NEST. Warum? Schließlich ist das Interesse

auch diesmal enorm und Sie planen sogar eine kleine Tournee mit dem Programm. gn Stimmt, wir sind bereits tags darauf Gast im Gmundner Stadttheater und es liegen tatsächlich weitere Anfragen vor, was uns natürlich sehr freut. Warum trotzdem das NEST? Die Wahrheit ist, dass ich für Liederabende das intimere Ambiente bevorzuge, gewis-

sermaßen die ideale Atmosphäre eines erweiterten Hauskonzertes im Freundeskreis. Der Lärm der Welt bleibt vor der Tür und man wird gemeinsam ungemein aufmerksam für die kleinsten Details, die in einem größeren Rahmen leicht untergehen könnten. Anders gesagt: Das knapp 250-Plätze-Theater des NEST empfinde ich als die räumlich größte Möglichkeit des intimen Musi-

GEORG NIGL & KSC H NICHOLAS OFCZAREK

lassen FRANZ SCHUBERT & KARL KRAUS in einen hochaktuellen Diskurs treten Fotos MICHAEL PÖHN

zierens. Das Konzert im Jänner an der Staatsoper war eine Art CinemascopeVersion des Gedankens, aber im Falle von Schubert eignet sich das NEST auf jeden Fall viel besser. al Und die Idee zu diesem Projekt? Wer stand da Pate? Die Tatsache, dass das NEST als Spielstätte seit Dezember zur Verfügung steht?

gn Direktor Bogdan Roščić hatte unsere Nachtmusiken bei den Salzburger Festspielen erlebt: Serenadenabende mit Musik von Bach bis Mozart im ebenfalls kleinen Rahmen, bei dem sogar Mozarts Original-Clavichord als Begleitinstrument diente, wodurch das allgemeine Feintuning beim Zuhören automatisch noch einmal nachgeschärft wurde.

Durch diese Nachtmusiken angeregt, überlegten wir gemeinsam, auch in Wien etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Mit dem NEST fand sich dann die ideale Bühne. Der KrausSchubert-Abend war übrigens zuerst fixiert, die Idee zum Konzert in der Staatsoper kam erst danach, selbst wenn dieses Ereignis früher stattgefunden hat.

al Sie betonen, wohl nicht von ungefähr, die besondere Aura des Mozart’schen Clavichordes. Was wird jetzt im NEST zu hören sein? Ein moderner Flügel?

Ein Hammerklavier?

gn Unser Pianist Alexander Gergelyfi, der schon in Salzburg dabei war, wird ein sogenanntes Tafelklavier spielen. al Was ist das?

gn Ein Hammerklavier, aber nicht in Flügelform. Schaut ein bisschen aus wie eine Art Tisch mit Tasten, war platzsparend und daher in kleineren Wohnungen gut verwendbar. Anders gesagt: Auch diesmal wird ein original historisches Instrument verwendet, das gut zum intimen Charakter der Veranstaltung passt.

al Jetzt zur Programmatik des Abends selbst: Zwischen Franz Schubert und Karl Kraus liegen fast ein Jahrhundert und sehr viele gesellschaftliche Veränderungen. Was hat der Biedermeierkomponist mit dem Verfasser der Fackel gemeinsam?

gn Auf den ersten Blick wenig, aber bereits auf den zweiten Blick sehr viel: Kratzt man nämlich den nachträglich aufgetragenen Zuckerguss der Romantik weg, kommt eine aufgeheizte, hochpolitische Welt zum Vorschein, in der im Habsburgerreich jede Freiheitsbestrebung durch den Metternich’schen Spitzelstaat unterbunden wurde. Das bedeutet, dass vieles, insbesondere in Dichtungen und sonstigen Schriften, nur zwischen den Zeilen gesagt werden konnte. Aber sehr wohl gesagt wurde. Und die von Kraus in der Fackel behandelten Geschichten sind zwar historisch sehr konkret verortet, aber thematisch zu allen Zeiten gültig. Schubert und Kraus liegen also näher beieinander, als allgemein angenommen wird. Stellt man nun diese Texte – die von Schubert vertonten und

Auf diesem TAFELKLAVIER aus dem 18. Jahrhundert wird GEORG NIGL von ALEXANDER GERGELYFI begleitet

jene von Kraus – in einen neuen Zusammenhang, werden sie, wie man so schön sagt, zur Kenntlichkeit entstellt. Anders formuliert: dechiffriert. al Aber Schubert selbst war nicht gerade politisch aktiv. Und seine Musik will, anders als zum Beispiel jene von einem Richard Wagner, wohltuend nichts vom Hörer. Sie geht »ohne einem sich aufdrängenden Willen« in die Tiefe der Seelenwelten.

gn Das stimmt natürlich. Aber dazu ist zweierlei zu sagen: Mir ist erstens durch die mittlerweile viele Jahre andauernde Beschäftigung mit der Musik Mozarts und Schuberts aufgefallen, wie sehr beide Anklänge aus der Volksmusik in ihre persönliche Musiksprache hineinverwoben haben. Das Spannende dabei ist, dass die Zuhörenden gerade dadurch – auch heute – auf subtile Weise eine innere Öffnung erfahren, die das Durchbrechen von Erwartungshaltungen bei der Musikrezeption auf den Weg bringt. Es wird also möglich, Schuberts zwei Jahrhunderte alte Kunst durch ungewohnte, überraschende Bildwelten neu zu befragen. Und das Schöne ist: Geniale Kunstwerke lassen sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit stets neu befragen und wollen neu befragt werden. Zweitens ist Vokalmusik zwangs-

läufig Textmusik. Und in den Texten, die Schubert vertont hat, ging es, wie schon angedeutet, sehr wohl auch um Politisches, jedenfalls Gesellschaftspolitisches. Durch die Spiegelung an den Kraus’schen Evokationen kommen dadurch gerade bei Schubert Dinge an die Oberfläche, die wir vielleicht übersehen haben und die nicht zuletzt gerade für das Heute relevant sind. al Wer war nun der Ausgangspunkt: Kraus oder Schubert? gn Karl Kraus. Ich halte ihn tatsächlich für einen Seelenlehrer, dessen Haltung, dessen Befunde über die Menschen und die Gesellschaft im Rezipienten immer etwas auslösen. Aber wie verführe ich heutige Menschen dazu, sich mit Karl Kraus auseinanderzusetzen? Für eine Fackel-Lesung bin ich als Sänger nicht die richtige Adresse. Aber so wie Kraus den Kosmos Wien mit allen Licht- und Schattenseiten in seinen Schriften auf den Punkt gebracht hat, so ist die Musik Franz Schuberts von eben dieser Wien-Welt –wenn auch hundert Jahre früher –durchtränkt wie bei keinem anderen. Ich fühlte also eine Verwandtschaft, die sich durch die Vorbereitungen für diesen Abend mehr als bestätigt hat. Die Gegenüberstellung dieser beiden Großmeister bietet mir mit anderen Worten die Möglichkeit, mittels ihrer Kunst Hochaktuelles aufzuzeigen und damit zum Nachdenken anzuregen. Nachdenken hat schließlich noch nie geschadet und manchmal mündet es sogar in der einen oder anderen sinnvollen Handlung.

EINE SCHUBERTIADE – 28. JUNI 2025

Texte von KARL KRAUS

Lieder von FRANZ SCHUBERT

Mit GEORG NIGL, KSCH NICHOLAS OFCZAREK & ALEXANDER GERGELYFI

19.00–20.30 Uhr im NEST

NEUER THEATERZAUBER

HIGHLIGHTS DER KOMMENDEN NEST-SAISON

Bereits im Jänner zählte man die 10.000ste Besucherin im NEST – und das nicht einmal zwei Monate nach der Eröffnung. Und fast kann man es sich nicht mehr vorstellen, wie eine Staatsopern-Welt ohne ein NEST wäre. Denn hier, in dem neuen, gar nicht so kleinen Theater im Künstlerhaus, wächst und wuchert ein buntes und vielfältiges Musik-, Theaterund Tanzleben. Auf vielfältig liegt die Betonung: Gerade noch hörte man Kinderopernklänge des 21. Jahrhunderts in der Uraufführungsproduktion Sagt der Walfisch zum Thunfisch, schon biegt Erda in Nestervals Götterdämmerung um die Ecke. Noch denkt man über Georg Nigls Opernquiz-Fragen nach, da füllt sich bereits der Raum zum Opernkaraoke. Und vieles andere wie Peter und der Wolf, Workshops, die Ballettschule, Mitmachprojekte, die Opernschule findet hier ebenso seinen Platz.

Nun wurde die Spielzeit 2025/26 präsentiert. Und wieder: In allen Musiktheaterfarben schillernd, vertraut und doch anders, Neugierde-fordernd, in die vielfältigen programmatischen Verästelungen verführend. Da wären die großen Produktionen: die Premieren der Kinderoper Musketiere!, erzählt vom furchtlosen Mädchen D’Artagnan, geschrieben wurde die Musik von Sebas-

tian Schwab, David Bösch inszeniert. Wie Tanzmusik im Jahr 2225 klingen und sich anfühlen könnte – das fragt sich Choreograph Robert Binet bei seiner Arbeit für die Jugendkompanie der Ballettakademie (Strauss 2225: Dances for the Future). Mein erster Nussknacker, von Eno Peci choreographiert, entführt in die Tschaikowski/E.T.A. HoffmannWelt, gemeinsam mit Nicholas Ofcza-

SZENENBILD

NESTERVALS GÖTTERDÄMMERUNG

Foto SOFIA VARGAIOVÁ

rek und August Diehl gestaltet Georg Nigl drei Konzerte, in denen das Thema Theatersprache im Zentrum steht (Pathos3). Ein eigenes kleines Festival (Wild & schön) lädt junge Leute zwischen 14 und 24 Jahren mit eigenen Projekten zum Mitmachen ein; neu sind auch ein Silvesterkonzert für Kinder, das von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker gestaltet wird, und die Konzertreihe

Nestklang, die die Mitglieder des Bühnenorchesters der Wiener Staatsoper in den Mittelpunkt stellt. Wiederaufgenommen werden der immersive Abend Nestervals Götterdämmerung, das Ballett Peter und der Wolf sowie die beiden Oper, animiert-Produktionen Macbeth und Aschenputtel. Außerdem bietet die NEST-Bühne Auftrittsmöglichkeiten für die jungen Künstlerkollektive der

Wiener Staatsoper: das Opernstudio, die Opernschule sowie die Ballettakademie. Hinzu kommen ein Giacomo Puccini gewidmetes Komponistenportrait, Leben eben , eine neue musikalische Klangreise zum Mitsingen sowie Einführungsveranstaltungen zu Produktionen an der Wiener Staatsoper.

Mehr dazu, wie immer, auf NEST.AT

EIN STÜCK STAATSOPERNGESCHICHTE

PETER KOZAK
Foto MICHAEL PÖHN

Wann immer man die Staatsoper betrat, war er schon da. Und das scheinbar gleichzeitig an den unterschiedlichsten Orten im Haus: Auf der Bühne, bei einer Besprechung, in seinem Büro, im Zuschauerraum, auf einer Probebühne einige Stockwerke höher usw. Dass es ohne ihn nicht ging, hat ein früherer Direktor des Hauses folgendermaßen umschrieben: »Eigentlich mach’ nicht ich die Spielpläne, sondern er, der Peter Kozak.« Stimmte natürlich nicht, aber dann doch ein bisschen. Denn wer außer ihm konnte all den Staatsoperndirektoren, denen er über die Jahrzehnte zur Seite stand, genauer Bescheid sagen, welche Stücke des gewaltigen Repertoires rein von der Beschaffenheit des Bühnenbildes her, im allabendlichen Betrieb aufeinanderfolgend gezeigt werden konnten? Keiner. Bei Ing. Peter Kozak liefen alle Informationskanäle der technischen Abteilungen, aber nicht nur dieser Abteilungen, zusammen. Und er kannte das Haus wie kaum ein anderer, vielleicht sogar wie kein anderer. Seinen Antrittsvertrag hatte schließlich noch der Kurzzeitdirektor Lorin Maazel unterschrieben. Damals in den mittleren 1980er Jahren. Seither ist viel Staatsoperngeschichte geschrieben worden – nicht unwesentlich von Peter Kozak mitgeprägt. Schritt für Schritt an immer wichtigeren Positionen, bis er vor mittlerweile mehr als 20 Jahren zum Technischen Direktor des Hauses ernannt wurde.

Doch der Reihe nach! Dass er eine derart wichtige Persönlichkeit in einem der bedeutendsten Opernhäuser der Welt werden würde, hat ihm wohl keiner an der Wiege gesungen. Ganz ohne Musik ging es allerdings auch in seiner Jugend nicht: Dem mehrere Jahre dauernden Klavierstudium folgte sogar noch eine Schlagzeugausbildung – wobei ihm letztere mehr zusagte. Aber das war’s dann vorerst auf diesem Gebiet. Der Weg ins Innerste des wichtigsten Wiener Musentem-

pels sollte über den Pfad der Technik erfolgen. Oder eigentlich über eine Faustballbekanntschaft. Denn als Peter Kozak bei einem nachmittäglichen Training von einem der Mitspieler, einem Mitarbeiter der Staatsoper, erfuhr, dass in der technischen Abteilung des Hauses eine Stelle frei geworden war, zögerte er nicht lange. Schließlich bot ihm das Projektieren von Dieselmotoren nach einer fünfjährigen Tätigkeit bei der Firma Deutz entschieden zu wenig Abwechslung. Was

für eine Überfülle an Abwechslung er an der Wiener Staatsoper allerdings finden würde, konnte er damals nicht ahnen. Aber wer hat schon einen Einblick in dieses Wunderhaus, der nicht in ihm wirken darf?

Kurzum: Langeweile ist hier unbekannt. Oder, wie Peter Kozak es selber formuliert: »Keine Produktion ähnelt einer anderen, die Herausforderungen – manchmal ziemlich hartnäckige – sind immer andere, manchmal unerwartete, manchmal befürchtete. Je nach Regisseur und Bühnenbildner. Aber letztlich, und das ist das Schöne, ge -

»… dass jeden Abend doch der Vorhang aufgeht.«

lingt es dann doch, die unterschiedlichsten Träume des Leading-Teams zu realisieren.« Und so lautet seine Antwort auf die Frage, was ihn, rückblickend auf seine hier verbrachten vier Jahrzehnte, mit dem größten Stolz erfüllt, halb ironisch, halb ernst: »Dass jeden Abend doch der Vorhang aufgeht.«

Für Peter Kozak waren es insgesamt 11.466 Abende, an denen »der Vorhang doch aufging«. Trieb ihn je die Angst vor einem größeren technischen Missgeschick um? Offenbar nicht wirklich, da einerseits mit den immer aufwendiger werdenden Bühnenbildern auch die Sicherheitsvorkehrungen aller Art eine Nachschärfung erfahren. Und er andererseits nicht von ungefähr – siehe oben –die meisten Stunden der Tage und Nächte an Ort und Stelle verbrachte und vieles abfangen konnte. Am Tag des Opernballs dauerte so ein Dienst sogar freiwillige ununterbrochene 36 Stunden. Aber wie Peter Kozak lachend feststellt: »Man hat sich in der Jugend schließlich in den Diskotheken ebenfalls die Nächte um die Ohren geschlagen.« Wie gesagt, für Abwechslung war gesorgt. Und sei es, dass er im Zuge von Gastspielvorbereitungen morgens den Flieger nach Tokio nahm, dort Wichtiges auf den Weg brachte und schon am nächsten Tag auf dem Rückweg nach Wien war. Adrenalinsteigernd war sicher auch jene Vespri siciliani-Vorstellung, bei der die Seitenwände des Bühnenbildes noch nicht eingehängt waren, als (der Vorhang war noch geschlossen) der Dirigent den Auftakt zur Ouvertüre gab. Schlussendlich ging es sich auch an diesem Abend aus. Ob das kleine Hufeisen, das ihm seine Frau einmal auf einem Christkindlmarkt gekauft hatte und das er seither stets bei sich trägt, Glück bringt? Wer weiß so etwas schon so

ganz genau? Tatsache ist jedenfalls, dass in all den Jahren nur eine einzige Probe vorzeitig abgebrochen werden musste – und auch die nicht aus bühnentechnischen Gründen, sondern weil sich die Stromversorgung aufgehängt hatte.

Tatsache ist auch, dass sich in der langen Zeitspanne, in der Peter Kozak wirkte, so manches an der Bühnentechnik grundlegend erneuerte und veränderte: Alte hydraulische Anlagen wurden durch computergesteuerte elektrische ersetzt, die gewaltigen Rundhorizonte ausgetauscht und überhaupt in allen Bereichen den Anforderungen des modernen Spielbetriebs Folge geleistet. Für das Publikum nicht wahrnehmbare Änderungen, für die Technik revolutionäre Umwälzungen. Und Peter Kozak war immer dabei, das heißt, in den vier Jahrzehnten seit seinem Amtsantritt gibt es jene kleine Lücke, in der er für kurze Zeit als Technischer Direktor an die Volksoper wechselte. Der dortige Vorgänger war in Pension gegangen und man wünschte sich einen kompetenten, erfahrenen Nachfolger. Da an der Wiener Staatsoper gleich zwei dienstältere Kollegen Aussicht auf den bald vakanten Posten des »technischen Chefs« hatten, nahm Peter Kozak das Angebot gerne an. Doch wenig später belehrte ihn ein frühmorgendlicher Anruf des damaligen Staatsoperndirektors Ioan Holender, dass die beiden Kollegen auf die Nachfolge verzichten würden und es ohne ihn daher nicht ginge. Also nahm er wieder Abschied vom kleineren Haus am Gürtel, um an das Haus am Ring zurückzukehren. Diesmal als deren Technischer Direktor. Seither haben ihn unzählbare Tassen Espresso und ebenso viele Lindt-Kugeln, die ihm seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig zukommen ließen, geholfen, die großen und kleinen Schwierigkeiten des Theateralltags zu meistern. Aber natürlich auch besondere Produktionen, wie Gounods Roméo et Juliette, die ihm nicht zuletzt durch die revolutionäre Lichtarchitektur ans Herz gewachsen ist. Oder der neue Tannhäuser mit seinen eindrucksvollen szenischen Lösungen. Und natürlich »all die wunderbare Musik«.

Verlassen wird Peter Kozak diese Welt nach seinem Pensionsantritt Ende der Saison wohl nur dem Anschein nach. Denn, wer sich einmal in dieses Haus verliebt hat, wird dieser Liebe nie untreu. Und so würde es niemanden wundern, wenn man ihn auch in Zukunft nicht nur im Zuschauerraum, sondern immer wieder auch im Hinterbühnenbereich antrifft.

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wiener-staatsoper.at/fksb

GEBURTSTAGE

FREDERICA VON STADE vollendet am 1. Juni ihr 80. Lebensjahr.

Das ehemalige Ensemblemitglied GEERT SMITS vollendet am 5. Juni sein 60. Lebensjahr.

Gleich drei renommierte Choreograph*innen, deren Werke im Repertoire des Wiener Staatsballetts vertreten sind, feiern im Juni und Juli halbrunde Geburtstage: ANNE TERESA DE KEERSMAEKER am 11. Juni ihren 65., LUCINDA CHILDS am 26. Juni ihren 85. und HEINZ SPOERLI am 8. Juli ebenfalls seinen 85. Geburtstag.

WOLFGANG GRASCHER , ehemaliger Solotänzer des Wiener Staatsopernballetts, wird am 2. August 60 Jahre alt.

Die ehemalige Erste Solotänzerin des Wiener Staatsopernballetts GISELA CECH vollendet am 29. August ihr 80. Lebensjahr.

KS THOMAS HAMPSON feiert am 28. Juni seinen 70. Geburtstag.

KS MATTI SALMINEN wird am 7. Juli 80 Jahre alt.

KS HELEN DONATH vollendet am 10. Juli ihr 85. Lebensjahr.

IOAN HOLENDER feiert am 18. Juli seinen 90. Geburtstag. (siehe Seite 39)

Der Regisseur ADRIAN NOBLE begeht am 19. Juli seinen 75. Geburtstag.

ROLF GLITTENBERG vollendet am 27. Juli sein 80. Lebensjahr.

KS GOTTFRIED HORNIK vollendet am 5. August sein 85. Lebensjahr.

DOMINIQUE MEYER feiert am 8. August seinen 70. Geburtstag. Er war von 2010 bis 2020 Direktor der Wiener Staatsoper.

Der ehemalige GMD der Wiener Staatsoper, FRANZ WELSER-MÖST, wird am 16. August 65 Jahre alt. Im Haus am Ring debütierte er 1987 und hat hier seither weit über 200 Aufführungen geleitet.

JOSÉ VAN DAM vollendet am 27. August sein 85. Lebensjahr.

TODESFÄLLE

LUIGI ALVA ist am 15. Mai 2025 im Alter von 98 Jahren in Italien verstorben. Der weltweit gefeierte peruanische Tenor beeindruckte vor allem als Mozart- und Rossini-Interpret und war mit ein Wegbereiter für die Wiederetablierung des Belcantorepertoires. An der Wiener Staatsoper debütierte er 1957 als Belmonte ( Die Entführung aus dem Serail ) und verkörperte hier bis 1982 Partien wie Ferrando (Così fan tutte), Tamino ( Die Zauberflöte), Don Ottavio ( Don Giovanni ), Graf Almaviva ( Il barbiere di Siviglia), Ernesto (Don Pasquale), Fenton ( Falstaff ), Beppo ( Pagliacci ) und einmal auch den Sänger im Rosenkavalier. Insgesamt sang er hier über 120 Vorstellungen.

JURI GRIGOROWITSCH , einer der bedeutendsten Choreographen der Sowjetunion, ist am 19. Mai im Alter von 98 Jahren gestorben. Er war von 1964 bis 1995 künstlerischer Leiter des Moskauer Bolschoi-Balletts und vor allem berühmt für seine Inszenierungen von abendfüllenden Handlungsballetten wie Spartakus, Iwan der Schreckliche, Romeo und Julia , aber auch Der Nussknacker, der sich von 1973 bis 1997 mit 125 Aufführungen im Repertoire des Wiener Staatsopernballetts befand. Bei der Nurejew Gala 2017 wurde zudem von Gästen ein Pas de deux aus Spartakus getanzt.

FREUNDESKREIS WIENER STAATSBALLETT

FÖRDERPREIS

Bereits zum 19. Mal verleiht der Freundeskreis Wiener Staatsballett seinen Förderpreis. Nominiert waren für die im Jahr 2000 vom Ballettclub begründete Auszeichnung erneut aufstrebende Talente aus den Reihen des Ensembles: SINTHIA LIZ, GAIA FREDIANELLI, GABRIELE AIME, VICTOR CAGNIN und KRISTIÁN POKOR NÝ. Mit einer knappen Mehrheit hat die Tänzerin GAIA FREDIANELLI die meis-

ten Stimmen erhalten: »Die junge Italienerin überzeugt mit künstlerischer Ausdruckskraft, technischer Brillanz und beeindruckender Bühnenpräsenz«, schreibt der Freundeskreis in seiner Aussendung. Wir gratulieren Gaia sehr herzlich und danken Mag. Sonja Wimmer und dem Hotel The Harmonie Vienna, die den Preis auch heuer wieder großzügig dotiert haben.

VERANSTALTUNGEN

ZUM SAISONABSCHLUSS

Mit drei besonderen Veranstaltungen verabschiedet sich der Freundeskreis Wiener Staatsballett in die Sommerpause. Am 1. Juni können die Mitglieder in einer Movement Class die Bewegungssprache von Choreographin ALESSANDRA CORTI kennenlernen. Corti – wie auch MARTIN CHAIX und LOUIS STIENS – choreographiert eine Uraufführung für die letzte Premiere Kreationen des Wiener Staatsballetts in der Saison 2024/25. Bei einer Bühnenprobe am 7. Juni in der Volksoper Wien haben die Förderinnen und Förderer außerdem die Möglichkeit, Einblicke in den Probenprozess zu bekommen.

Unter dem Titel Rückblick und Ausblick sind die Mitglieder des Freundeskreises zu einem Künstlergespräch am 21. Juni eingeladen, um zum letzten Mal in den Dialog mit Ballett direktor und Chefchoreograph MARTIN SCHLÄPFER zu treten. Weitere Informationen zum Freundeskreis Wiener Staatsballett unter: WIENER-STAATSOPER.AT/FKSB

DAS WIENER STAATSBALLETT ZU GAST IN MADRID

Das Wiener Staatsballett begeisterte vom 23. bis 25. Mai 2025 das Publikum mit vier Vorstellungen im renommierten Teatro Real Madrid. Auf dem Programm standen Hans van Manens Ballett Concertante sowie Martin Schläpfers erste Wiener Kreation 4 , die am 18. und 23. Juni auch zum letzten Mal in der Wiener Staatsoper zu sehen ist. »Ein emotionales Glanzlicht – ein Abend, der nachhallt«, war im Diario Siglo XXI zu lesen. Omar Khan urteilte in SusyQ: »Glänzendes Wiener Staatsballett (...) mit 4, einer eindrucksvollen Arbeit ihres Direktors. (...) Schläpfer fordert von seinen Tänzer*innen höchste Präzision, Einfühlungsvermögen, Hingabe, technische Meisterschaft und ein feines Miteinander. (...) Es entstehen skulpturale Bilder von großer Schönheit. (...) Dass das Werk wie ein Uhrwerk funktioniert, liegt am hervorragenden Zusammenspiel des großen Ensembles, das die gesamte Wirkung, Spannung und Aufmerksamkeit trägt.« Und

Foto ASHLEY TAYLOR (Pathétique)
GAIA FREDIANELLI in PATHÉTIQUE

Maricel Chavarría schrieb in La Vanguardia : »Erfreulich ist es, dass Schläpfers Arbeit nun ein Schaufenster am Teatro Real erhalten hat. Und ebenso lobenswert ist das Engagement des Hauses für ein Programm mit zeitgenössischem Tanz und unter Mitwirkung des hauseigenen Orchesters – samt einer spektakulären Marina Monzó im finalen Satz für Sopran von Mahlers Symphonie. (...) Ein Luxus.«

OPERNSTUDIO I

KS ADRIAN ERÖD ist ab 2026/27 der Künstlerische Leiter des Opernstudios der Wiener Staatsoper. Er folgt auf Michael Kraus, der das Studio seit seiner Gründung 2020 leitet.

OPERNSTUDIO II

Junge Sängerinnen und Sänger mit abgeschlossener Gesangsausbildung, die nach dem 1. Jänner 1996 geboren sind, können sich ab 1. Mai 2025 für den neuen Opernstudio-Jahrgang für die Saisonen 2026/27 und 2027/28 bewerben. Die Bewerbung erfolgt ausschließlich über ein Online-Formular, das ab 1. Mai auf der Website der Wiener Staatsoper verfügbar sein wird (Einsendungen per E-Mail können nicht berücksichtigt werden). Die Bewerbungsfrist endet am 30. Juni 2025.

FILMFESTIVAL RATHAUSPLATZ

Beim heurigen Filmfestival am Rathausplatz sind aus der Wiener Staatsoper zu sehen: La bohème (2022) am 29. Juni , L’elisir d’amore (2022) am 6. Juli, Madama Butterfly (2020) am 13. Juli, La traviata (2021) am 20. Juli, Cavalleria rusticana/Pagliacci (2025) am 27. Juli, Aida (2023) am 3. August, Die Fledermaus (2024) am 10. August, Die Zauberflöte (2025) am 17. August, Don Carlo (2024) am 24. August, Così fan tutte (2024) am 31. August. Für Kinder gibt es Wagners Nibelungenring für Kinder am 11. Juli, Cinderella am 18. Juli, Peter und der Wolf am 8. August, Die Zauberflöte für Kinder am 29. August.

JUBILÄUM

Im April feierte Ensemblemitglied KS HANS PETER KAMMERER sein 35jähriges Staatsopernjubiläum. Am 29. April 1990 debütierte er in Bernd Alois Zimmermanns Soldaten und sang seither an der Wiener Staatsoper rund

1.100 Vorstellungen, u.a. Harlekin, Barbier ( Schweigsame Frau), Papageno, Gefängnisdirektor Frank, Masetto, Schaunard, Haly, Alessio, Bailli.

RADIO- & TV-TERMINE

3. Juni 10.05 FREDERICA STADE Ö1 ZUM 80. GEBURTSTAG Mit CHRISTOPH WAGNER-TRENKWITZ

19. Juni 20.00 IL VIAGGIO radioklassik A REIMS

Musikalische Leitung CLAUDIO ABBADO Mit u.a. CABALLÉ, FURLANETTO, R. RAIMONDI, GASDIA, CUBERLI, VARGAS

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Aufgenommen an der Wiener Staatsoper im Jahr 1988

24. Juni 11.00 RUBATO radioklassik KS TOMASZ KONIECZNY zu Gast bei Musikchefin URSULA MAGNES

25. Juni 10.05 THOMAS HAMPSON Ö1

ZUM 70. GEBURTSTAG Mit ROBERT FONTANE

29. Juni 15.05 DAS WIENER Ö1

STAATSOPERNMAGAZIN

Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper Mit MICHAEL BLEES

STREAMS

AUS DER WIENER STAATSOPER

17. Juni 17.30 DER ROSENKAVALIER (Strauss) Musikalische Leitung FISCHER Inszenierung SCHENK

Mit u.a. KS STOYANOVA, GROISSBÖCK, D’ANGELO, DEVIEILHE, KS ERÖD

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

27. Juni 19.00 PIQUE DAME (Tschaikowski) Musikalische Leitung ZANGIEV Inszenierung NEMIROVA

Mit u.a. KS NETREBKO, EYVAZOV, MARKOV, PINKHASOVICH, ZAREMBA, MAXIMOVA

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

PIQUE DAME

DAS RHEINGOLD, DIE WALKÜRE, SIEGFRIED, GÖTTERDÄMMERUNG

SERVICE

ADRESSE

Wiener Staatsoper GmbH

A Opernring 2, 1010 Wien

T +43 1 51444 2250 +43 1 51444 7880

M information@wiener-staatsoper.at

IMPRESSUM

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JUNI 2025 SAISON 2024 / 25 Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion ANNE DO PAÇO / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / NIKOLAUS STENITZER / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Am Cover KS ANNA NETREBKO / Foto OLGA RUBIO DALMAU / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUK TIONS GMBH, BAD VÖSLAU

REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 28. Mai 2025 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. WIENER-STAATSOPER.AT

Produziert gemäß Richtlinie Uz24 des Österreichischen Umweltzeichens, Print Alliance HAV Produktions GmbH, UW-Nr. 715

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Die OMV und die Wiener Staatsoper verbindet eine jahrelange Partnerschaft. Unser Engagement geht dabei weit über die Bühne hinaus. Wir setzen uns aktiv für Jugend und Nachwuchsprojekte ein und ermöglichen den Zugang zu Kunst und Kultur für junge Menschen. Gemeinsam gestalten wir eine inspirierende Zukunft. Alle Partnerschaften finden Sie auf: omv.com/sponsoring

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18. OKTOBER 2025

LA SONNAMBULA

Vincenzo Bellini

8. NOVEMBER 2025

LA BOHÈME

Giacomo Puccini

22. NOVEMBER 2025 ARABELLA

Richard Strauss

13. DEZEMBER 2025 ANDREA CHÉNIER

Umberto Giordano

10. JANUAR 2026 I PURITANI

Vincenzo Bellini

21. MÄRZ 2026

TRISTAN UND ISOLDE

Richard Wagner

2. MAI 2026

EUGEN ONEGIN

Pjotr I. Tschaikowski

30. MAI 2026

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