Kurzvorschau – Gravelpacking Schweiz

Page 1

GRA VEL PACK ING SCHWEIZ

RAINER BÜHLER ROLAND TÄNNLER

IN 20 ETAPPEN DURCHS LAND

Vorwort

Parallelwelten

Als Roland Tännler mich fragte, ob ich einen kurzen Text zu diesem Buch von Rainer Bühler und ihm beitragen möchte, musste ich nicht lange überlegen, denn wenn es etwas gibt, was ich wirklich liebe (nebst ein paar Menschen und dann und wann einer Portion Pommes), dann ist es das Velofahren, ganz egal wo und wie, aber am liebsten mit einem Freund an einem Ort, an dem ich zuvor noch nie gewesen war.

Mit Roland etwa fuhr ich einst auf den Gotthardpass, zu einem Zeitpunkt im Jahr, als er für Autos bereits gesperrt war, weil der Winter kam. Genauer war es der 14. November 2018 und es war arschkalt an jenem Morgen im Urserental, als es der Reuss entlang ging. Ich dachte: Andermatt ist ja bloss ein anderer Name für Kühlschrank … oder Gefriertruhe. Aber nach Hospental wurde uns warm, denn es ging weg von der Reuss und hoch den Berg, die Sonne kam über die Gipfel und niemand war auf der Strasse unterwegs, nur wir mit unseren Schatten auf dem Teer, die grösser waren als wir selbst. Wir kamen flott voran, bei der grossen Appenzellerflasche beim geschlossenen Restaurant GotthardMätteli machten wir Erinnerungsfotos, fuhren vor der Brücke über die Gotthardreuss auf die alte Strasse, die sinnigerweise Strada Vecchia heisst, weil wir die Kantonsgrenze passierten. Aber schon bald mussten wir anhalten und von den Velos steigen, denn die Strada Vecchia war schneebedeckt und unfahrbar. Es galt zu entscheiden: Schieben und Tragen? Oder umkehren? Zurück auf Start ist jedoch nie eine gute Option, ohne das gesteckte Ziel gesehen zu haben. Also stapften wir durch den immer tiefer werdenden Schnee mit gänzlich unpassendem Schuhwerk, nicht ohne Mühe kamen wir voran, sanken immer tiefer ein, aber es ging voran, langsam zwar, aber stetig, wie so oft im Leben (eine der Lektionen, die mich das Velo lehrte: Es braucht manchmal einfach ein bisschen Ausdauer und Geduld … sowie eine Portion Zuversicht und eine Banane in der Trikottasche).

Auf dem Gotthardpass war eine andere Welt. Das ist ja immer wieder das Erstaunliche beim Velofahren: Man fährt über Hügel oder Berge und kommt an Orte, die man noch nie zuvor gesehen hat und die nicht selten surreal wirken, im wahrsten Sinn des Wortes traumhaft.

Auch nahe der Stadt, in der ich lebe, geschieht dies immer wieder, wenn man mal eine andere Abzweigung nimmt, einer Strasse folgt, die man zuvor noch nie gefahren ist. Als landete man in einer Parallelwelt.

Natürlich war ich schon auf dem Gotthard gewesen, ich kenne das sommerliche Gewusel dort oben, den Trubel und das Durcheinander, wenn Pferdekutschen und Postautos und Töffgruppen und Cabriofahrerinnen ihre Rast einlegen und die Touris und Ausflügler beim roten Grillstand mit der Cola-Werbung drauf eine Bratwurst mit Senf bestellen. An jenem Tag aber war niemand dort. Der Lago della Piazza war eisflach und graublau, der sonst übervolle Parkplatz vor dem Hospizio ein leeres Schneefeld. Wir hockten uns auf einen blanken Felsen und assen die mitgebrachten Bananen, lauschten der perfekten Stille und äugten in den Himmel, der nur sparsam mit Wolkenfetzen garniert war. Irgendwann standen wir wieder auf, marschierten den Weg zurück durch den Schnee, die Räder ziehend und tragend und schleppend, bis die Strasse wieder zum Vorschein kam, der Untergrund fahrbar war, mit Schuss ging es hinunter ins Tal.

Abends, zu Hause, als ich nach dem Ausflug auf den verschneiten Gotthard mit surrenden Beinen und geschlossenen Lidern im Bett lag, getränkt von den Eindrücken des Tages, glühte das Erlebte in mir nach. Denn was ich erlebt hatte, war nichts weniger als ein kleines Abenteuer gewesen. Unklar war dann bloss, ob ich noch halb wach lag oder halb schon in einen Traum gefallen war, aber ich wusste mit Bestimmtheit zwei Dinge: Dass ich lebte – und dass ich glücklich war.

Als Roland mich also fragte, ob ich diesen Text hier schreiben würde zu diesem Buch, in dem es darum geht, neue Dinge zu erfahren, dorthin zu kommen, wo man zuvor noch nie gewesen war, da sagte ich sofort zu. Und ich sagte auch zu, als er meinte, wir könnten ja mal die eine oder andere Etappe fahren, von Scuol zum Lago di San Giacomo etwa; oder von Locarno ins Val Formazza. Darauf freue ich mich jetzt schon!

Max Küng

Kolumnist «Das Magazin» und Buchautor

Vorwort

8 11 Gravelpacking

Die schönste Art, unterwegs zu sein Die Schweiz neu entdecken In 20 Etappen durchs Land

Etappen 1 – 10

16

45

88

117

43 Impressionen

85 Streckenbeschreibungen

46 Lausanne – Vallorbe: Von «mondän» nach «einsam»

50 Vallorbe – Le Locle: Mit ein paar Antritten in eine andere Welt

54 Le Locle – Solothurn: Jenseits von Teer und Stress-Tourismus

58 Solothurn – Thun: Stadt – Land – Fluss

62 Thun – Sarnen: Alpine Voralpen-Traverse

66 Sarnen – Einsiedeln: Wallfahrt durch die Bilderbuch-Schweiz

70 Einsiedeln – Appenzell: Auf sanften Hügeln den Säntis im Blick

74 Appenzell – Murg: Alp-Auffahrt mit Traumsee -Ziel

78 Murg – Chur: Durch das Unesco-Welterbe in die Alpenhauptstadt

82 Chur – Davos: Via Hochgebirgs-Erlebnis zur Jugendstil-Ikone

Etappen

11 – 20

115 Impressionen

157 Streckenbeschreibungen

118 Davos – Scuol: Easy-Riding ins Unterengadin

122 Scuol – Lago San Giacomo: Die schönste Gravelstrecke der Schweiz

126 Lago San Giacomo – Val Fex: Drei Welten in einem Tag

130 Val Fex – Montespluga: Ein langer Ausflug nach Italien

134 Montespluga – Locarno: Aus der Alpen-Idylle zum Lago-Feeling

138 Locarno – Val Formazza: Immer weiter bis zum Ende

142 Val Formazza – Brig: Über Stock und Stein ins Wallis

146 Brig – Villars-sur-Ollon: Ein Tag an der Rhone

150 Villars-sur-Ollon – Gruyères: Per Klassiker ins Mittelalter

154 Gruyères – Lausanne: Durch die unbekannte(re) Schweiz

159

Inhalt
Praktische Streckeninfos
Material und Partner
Autoren und Team
Impressum
160
161
163

GRAVELPACKING

8

«Gravelpacking»

Die schönste Art, unterwegs zu sein Seit ein paar Jahren sind schotterfreudige Velos nicht mehr nur ein Insidertipp, sondern ein Must-Have für passionierte Velofahrer*innen: Gravelbikes – Alleskönner, die sich für jede Strecke eignen, ob befestigt oder offroad. Dabei sind die geländetauglichen Rennvelos nicht nur das neue Spasssportgerät für Kies- und Waldwege, sie sind auch der perfekte Begleiter für aussergewöhnliche Bikepacking-Touren.

Wir glauben sogar: «Gravelpacking» – also Bikepacking mit dem Gravelbike – ist nichts weniger, als die schönste Art zu reisen. Schliesslich ist man mit dem hybriden Velo nicht nur offen für alles und somit flexibel in der Auswahl und Gestaltung der Routen, sondern kann auch Orte besuchen, die für Autos unerreichbar sind und zu Fuss meist zu weit entfernt liegen.

Dazu kommt der angenehme Flow. Denn ob auf Kieswegen, Singletrails oder ruhigen Nebenstrassen, wer mit dem Gravelbike unterwegs ist, hat immer die optimale Reisegeschwindigkeit. Nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell. So spürt man zu jeder Zeit bewusst die Elemente, der ökologische Fussabdruck bleibt gering und auch mehrtägige Reisen sind unkompliziert zu organisieren. Ganz besonders in der Schweiz, wo wir zu und von jedem Etappenort problemlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an- und abreisen.

9

Die Schweiz neu entdecken

Die Schweiz liegt für fast 15 Millionen Menschen quasi vor der Haustür und bietet enorm viel Abwechslung auf kleinstem Raum. Die meisten Ziele sind von Zürich, Lausanne und vielen Städten im benachbarten Ausland in einer bis drei Stunden Fahrzeit zu erreichen. Und Touren von A nach B sind dank des hervorragend ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes ohne Probleme und langwierige Planung möglich.

Das eröffnet unterschiedlichste Variationen – von eintägigen Mini-Abenteuern bis zur abwechslungsreichen Gravelpacking-Woche, die sich anfühlt wie richtig lange Ferien.

«Gravelpacking Schweiz» fährt in beliebig kombinierbaren Etappen einmal durchs ganze Land. Und will alle Aufbruchsfreudigen inspirieren wie unterstützen: Zum einen über die Streckenführung, die man beliebig erweitern, kürzen oder ändern kann. Zum anderen über die auf den Touren entstandenen Erlebnisse und Bilder, die viel von dem einfangen und festhalten, was wir auf diesen Strecken erlebt und wie wir uns verpflegt haben.

Denn jede Gravelbike-Tour misst sich – wie wir finden –auch an den Pausenstopps, den Gasthäusern, Hotels oder Hütten und natürlich dem guten Essen. Deshalb gehören zu jeder Etappe auch unsere persönlichen Highlights für Unterkünfte und lokale Genüsse, die den Tag, den Abend und die Nacht noch schöner machen.

10

In 20 Etappen durchs Land

«Gravelpacking Schweiz» durchfährt die Schweiz in 20 Tagesabschnitten. Alle Etappen sind mit Zug oder Bus problemlos erreich- und nahtlos miteinander kombinierbar. So entstehen landschaftlich aussergewöhnlich reizvolle Touren für einen bis zu 20 Tage am Stück.

Wir selbst haben es für die Entstehung dieses Buchs ganz unterschiedlich gehandhabt. Mal sind wir zu einem Tagestrip aufgebrochen, für verschiedene Teilstücke waren wir drei Tage unterwegs und die sieben Etappen zwischen Davos und Brig haben wir am Stück zurückgelegt.

Die meisten Abschnitte dieser Schotter-Tour-de-Suisse sind zwischen 70 und 90 Kilometer lang und bewältigen jeweils rund 1500 Höhenmeter. Immer mit hohen Gravel-Anteilen, oder auf kleinen, kaum befahrenen Strassen. Wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. Für alle Etappen gilt somit: Eine gewisse Grundkondition ist von Vorteil.

Abgesehen davon lassen sich alle Touren ohne viel Vorbereitung nachfahren. Die parallel zum Buch entstandene Komoot-Collection stellt alle Etappen als GPX-File fürs eigene Navigationsgerät zur Verfügung. So kann jede und jeder im eigenen Tempo die Schweiz entdecken.

11
Lausanne Le Locle Gruyères Villars-sur-Ollon Vallorbe Thun Solothurn Brig 5 18 19 20 1 2 3 4
Scuol Lago San Giacomo Val Formazza Einsiedeln Montespluga Val Fex Appenzell Murg Davos Chur Sarnen Locarno 15 16 17 6 7 8 10 11 12 13 14 9
14

ETAPPEN 1

15
– 10
LAUSANNE → VALORBE
Lausanne / Genfersee Vallée de Joux
VALLORBE → LE LOCLE
Ste-Croix Môtiers
LE LOCLE → SOLOTHURN Le Locle
La Chaux d’Abel
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.