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Teil 3: Jetzt hat die Osteria im Tessin eine Perspektive

«Hotelier»-Serie (Teil 3 und Schluss): Wie führt man Kleinsthotels zum Erfolg?

Jetzt hat die Osteria im Tessin eine Perspektive

Die Osteria Bordei liegt abseits im Centovalli. Acht Zimmer, 35 Sitzplätze im

Restaurant. Ein typisches Tessiner Lokal, umgeben von schönster Natur. Was Touristen und Gäste nicht wissen: Die Osteria ist seit vielen Jahren ein

Sanierungsfall. Doch dank dem Businessplan von Mirco Held (39), Berater

bei Gastroconsult, erhält die Osteria jetzt eine neue und erfolgversprechende

Perspektive. Anfang Mai wurde das Mini-Hotel im Centovalli wieder eröffnet.

INTERVIEW Hans R. Amrein ANALYSE & BUSINESSPLAN Mirco Held, Gastroconsult

Mirco Held, es ist jetzt Anfang Juni. Ist die kleine Osteria Bordei im Tessin jetzt wieder offen, so wie die meisten Hotels im Tessin?

Ja, der Hotelbereich der Osteria konnte Anfang Mai wieder eröffnet werden – und die Nachfrage nach den acht Zimmern war bereits in den ersten Tagen erfreulich hoch. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass die Schweizerinnen und Schweizer jetzt vor allem Ferien und Kurzurlaube im eigenen Land verbringen. Viele Hotels im Tessin sind bereits bis August fast ausgebucht.

Was hat sich denn in der Osteria Bordei konkret getan in den letzten Wochen?

Ich freue mich, dass unser Businessplan jetzt so etwas wie die Grundlage der Osteria ist. Die neuen Betreiber setzen auf lokale Produkte und Produzenten, die eigene Landwirtschaft und vor allem auf das einzigartige, kunstvoll restaurierte Dörfchen Bordei als Positionierungsmerkmal. In Zukunft wird man in Bordei nicht nur eine Osteria betreiben …

Was meinen Sie damit?

Bordei wird zum Gesamtkunstwerk. Dieses besteht aus der Osteria, dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb mit Kühen, Schafen, Hühnern, Kaninchen und Kräuterund Gemüsegarten. Dazu kommt eine eigne Lebensmittelproduktion. Neben dem bereits bekannten «Bordei Honig» will der neue Betreiber weitere lokale Produkte herstellen und im Tessin verkaufen. Zum Gesamkunstwerk Bordei gehört aber auch die wunderbare, unberührte Natur, die restaurierten Steinhäuser, die kleine Kapelle mit den alten Fresken aus dem 16. Jahrhundert, das Kulturdorf Terra Vecchia, die vielen NaturAttraktionen und vieles mehr…

Wer betreibt denn jetzt die Osteria? Hinter der Osteria steht die Stiftung Terra Vecchia Villaggio. Stiftungsgründer Jürg Zbinden hat die beiden Dörfer Bordei und Terra Vecchia in den letzten fünfzig Jahren, zusammen mit jungen Menschen und Handwerkern, wieder aufgebaut und kunstvoll restauriert. Die Stiftung hat

jetzt den Tessiner Gastronomieprofi Rene Probst engagiert, der die Osteria und die neue Lebensmittelproduktion in Bordei als Coach betreiben wird. Er tut dies mit einem sehr kleinen Team, um den Personalaufwand in Grenzen zu halten. Probst geht es darum, die Osteria mit bescheidenen Mitteln, innovativen Ideen und einzigartigen Angeboten durch die Sommerund Herbstsaison zu führen.

Nicht wenige Hotelexperten sagen: Kleinsthotels mit nur 10 oder 20 Zimmern und hohem F&B-Anteil haben in Zukunft – betriebswirtschaftlich gesehen –keine Chance mehr. Als Folge der Covid-Krise würden solche Kleinstbetriebe zuerst vom Markt verschwinden, so die Experten. Teilen Sie diese Auffassung?

Man muss dies differenziert betrachten. Einerseits gibt es die Stadthotellerie, die mit grosser Konkurrenz und aufgrund von Corona mit ausbleibenden ausländischen Gästen zu kämpfen hat. Andererseits gibt es die Hotels in Gegenden, wo der Tourismus eine untergeordnete Rolle spielt. Diese Betriebe haben allgemein Mühe, Gäste zu akquirieren. Sie leben oftmals von Handwerkern, die teilweise Tage bis Wochen bleiben und so den Betrieb quersubventionieren. Nebst der Auslastung geht es aber auch darum, die internen Kosten im Griff zu haben. Dazu zählen auch die hohen Mitarbeiterkosten. Wenn für ein Hotel mit 15 Zimmern die Rezeption von morgens bis spät abends durch eine Person besetzt ist, dann funktioniert dies nicht. Es muss versucht werden, Synergien zu nutzen. So tätigt beispielsweise der Servicemitarbeiter an Randstunden die CheckinProzesse. Zudem ist es wichtig, dass die Gäste des Hotels auch über das Angebot der Gastronomie informiert sind. Auch in diesem Bereich gilt es, Synergien zu nutzten. ➤

«Bordei wird zum Gesamtkunstwerk. Dieses besteht aus der Osteria, dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb mit Kühen, Schafen, Hühnern, Kaninchen und Kräuter und Gemüsegarten. Dazu kommen eigene Produkte wie der BordeiHonig.»

«Das Gastgewerbe wird auch nach der Pandemie stark umkämpft bleiben. Wichtige Erfolgsfaktoren für Kleinstbetriebe sind Positionierung und Lage.»

MIRCO HELD

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Ein renommierter Schweizer Gastronomie- und Hotelexperte sagt: Gastronomie- und Hotelbetriebe, die nicht mindestens einen Jahresumsatz von 1 Mio. Franken erzielen, können finanziell nie Erfolg haben. Sie verursachen vor allem Kosten. Was sagen Sie dazu?

Auch da muss ich betonen, dass es ganz darauf ankommt, wie der Betrieb aufgestellt ist. Wie in der Gastronomie, so gehören auch in der Hotellerie die Mitarbeiterkosten zum grössten Kostenblock. Daher gilt es auch hier und allgemein, die Mitarbeiterkosten möglichst tief zu halten. Dazu gibt es heute Möglichkeiten wie SelfCheckinAutomaten. Konzepte wie jenes von «b smart» sind geeignet für Hotels mit 20 bis 40 Zimmern. Sie expandieren fleissig und scheinen erfolgreich zu sein. Zudem gilt es zu beachten, ob es ein vom Eigentümer geführter oder ein Mietbetrieb ist. Wenn keine Miete bezahlt werden muss und die Hypothekarlast nicht all zu hoch ist, kann durchaus auch mit weniger Ertrag profitabel gewirtschaftet werden – Überstunden des Eigentümers natürlich nicht miteinkalkuliert.

Bisher galt die Regel: Ein Hotel muss mindestens 40 Zimmer haben, damit es rentabel geführt werden kann. Trifft dies heute noch zu? Oder anders gefragt: Wie viele Zimmer sollte ein Hotel haben, damit es sich am Ende rechnet und Gewinne erzielt?

Man kann diese Frage nicht pauschal beantworten. Klar gibt es Fixkosten, die so oder so anfallen. Diese sind aber, je nach Betriebsgrösse, Lage und Konzept, verschieden. Die meisten Kosten sind jedoch flexible Kosten. Das heisst: Mehr Arbeit bedeutet auch mehr Kosten. Hier gilt es, die Kosten im Überblick und so tief wie möglich zu halten. Nur so kann ein Hotel rentabel betrieben werden. Es sollte zudem versucht werden, mit guten Zusatzangeboten Zusatzverkäufe zu generieren. Diese könnte beispielsweise mit einem «Shop in Shop»Angebot erzielt werden. Wichtig ist, dass dieser Shop dann durch das bestehende Personal betrieben wird. Allgemein ist relevant, dass man sich bereits vor dem Unterzeichnen des Mietvertrags Gedanken über die Herausforderungen macht und ein seriöses Budget erstellt.

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Werden die Auswirkungen der Corona-Krise die Klein- und Kleinstbetriebe in der Schweiz besonders hart treffen? Wird es in diesem Segment besonders viele Opfer geben?

Derzeit (Anfang Mai) ist es noch eher ruhig, was die Konkurse betrifft. Die Unterstützungsmassnahmen des Bundes und der Kantone scheinen für den Moment zu greifen. Die kritische Phase ist wahrscheinlich die Übergangsphase zur neuen Normalität – wenn die Kredite zurückbezahlt werden müssen. Dann könnte eine Konkurswelle entstehen.

Nehmen wir an, ich betreibe ein kleines Hotel mit 15 bis 20 Zimmern, einem Restaurant, einer Bar und einem kleinen Wellness-Bereich in den Bergen. Wie schaffe ich es, den Betrieb auf der Grundlage eines Mietvertrages mindestens «schwarz» zu führen?

Es hängt von Ihrer eigenen Leistung ab! Wenn Sie sich voll engagieren und hart arbeiten, haben Sie eine Chance. Und wenn der Mietzins human ist, sieht es auch nicht schlecht aus. Natürlich wäre es einfacher und langfristig tragbarer, einen solchen Betrieb zu besitzen und nicht mieten zu müssen. Zudem kommt es auf das Umfeld an. Sollte das Hotel der letzte Mohikaner des Dorfes sein, mit einem klaren Konzept und Mehrwert für interne und externe Restaurantgäste, kann es funktionieren. Zudem gilt es, die internen Aufgaben zu erledigen. Stichwort Kostenmanagement.

Das Gastgewerbe leidet nach wie vor unter den Folgen der CovidKrise. Wie sehen Sie die nahe und mittelfristige Zukunft der Kleinbetriebe?

Das Gastgewerbe wird auch nach der Pandemie stark umkämpft bleiben. Wichtige Erfolgsfaktoren in Zukunft sind Positionierung und Lage. Denn ein Kleinbetrieb hat nicht die Anziehungskraft wie ein renommierter Hotelbetrieb. Wichtig ist auch, dass das Hotel im Netz gefunden wird. Zudem sollte sich das kleine Hotel von seiner Konkurrenz differenzieren. Dies geschieht über einzigartige Angebote, Produkte und Konzepte. 

[01] Restaurant-Tafel im Wald bei Bordei.

[02] Das Gebäude der Osteria stammt ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert.

[03] Tropische Regenstimmung über Bordei im Centovalli.

[04] Osteria-Steinfassade mit Efeu.

[05] Blick in die alte, historische «Gaststube» mit Kamin.

Was tut Gastroconsult?

Mit der Idee, kompetente, branchenspezialisierte und kostengünstige Dienstleistungen im Treuhandbereich anzubieten, hat die Erfolgsgeschichte von Gastroconsult genau vor 100 Jahren begonnen. Nicht ohne Grund gilt die Gastroconsult seit 1921 als die Nummer eins in den Bereichen Treuhand, Steuern, Prüfung und Beratung für Restauration und Hotellerie. Die Unternehmensberater von Gastroconsult arbeiten von Zürich, Bern und Pully aus und verfügen über mehrjährige GastronomieErfahrung. Sie helfen bei der Erarbeitung eines kompletten Businessplans, eines Betriebskonzepts oder der Analyse der Betriebsabläufe. Zudem beraten sie auch bei der Vermietung oder beim Verkauf einer Liegenschaft. Gastroconsult betreibt 15 Standorte in der ganzen Schweiz. Das Team besteht aus rund 100 kompetenten Mitarbeitern.

Welche Bedürfnisse hat Ihr Betrieb? Wie können wir Sie unterstützen? Fordern Sie uns heraus – wir freuen uns darauf, eine massgeschneiderte Lösung für sie zu entwickeln.

Gastroconsult AG Blumenfeldstrasse 20

8046 Zürich Telefon 044 377 54 44 direktion@gastroconsult.ch gastroconsult.ch

Bisherige Folgen der «Hotelier»-Serie:

Hotelier, Ausgabe 01–02: Hat die kleine Osteria Bordei eine Chance?

Hotelier, Ausgabe 03: Wie lockt man Gäste in die kleine Osteria?

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