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Wie haben Sie die Krise bisher erlebt?
Frage an Hotelier Kurt Baumgartner, Inhaber der Belvédère Hotels Scuol (Engadin):
Wie haben Sie die Krise bisher erlebt?
Er besitzt und führt drei Hotels in Scuol im Unterengadin, daneben ein Businesshotel in
Münchwilen (Thurgau). Und in Pontresina plant er ein New Generation Hotel. Kurt Baumgartner (56)
ist einer der kreativsten und erfolgreichsten Hoteliers der Schweiz. 2018 wurde ihm der Fach-Award «Hotelier des Jahres» veliehen. Wie sieht er die Zukunft der Branche?
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Blicken wir kurz auf das Krisenjahr 2020 zurück: Wie würden Sie den Sommer 2020 umschreiben?
Zum Glück trafen die anfänglichen Befürchtungen nicht ein. Ich darf sagen: Wir hatten einen hocherfreulichen Sommer 2020. Auch der Herbst war erfolgreich, die Auslastung bis im November sehr gut. Aufgrund der Tatsache, dass der Kanton Graubünden und somit auch Scuol sehr viele Schweizer Gäste anzieht, durften wir vom Schweizer Reiseboom überdurchschnittlich profitieren. Neu war, dass auch sehr viele Gäste aus der Westschweiz ins Engadin reisten. Kurz gesagt: Wir gehörten nicht zu den Gewinnern, aber auch nicht zu den Verlierern der Krise. Unser Geschäft lief so, wie es eigentlich laufen müsste. Die Gewinner waren die Onlinehändler – nicht der Tourismus!
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Mussten Sie – trotz gutem Sommer und Herbst 2020 – Verluste hinnehmen?
Nein, wir kamen bisher ohne Verluste durch die Krise. Ich nehme dies mit Demut und dankbar zur Kenntnis.
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Wie war die Wintersaison 20/21 – im Vergleich zum Vorjahr?
Die Schliessung der Mineralbades «Bogn Engiadina» in Scuol spürten wir im Januar sehr stark. Doch die Monate Februar und März waren erfreulich gut, besonders auch wegen der guten Schnee und Wetterverhältnisse. Unser Haupthaus, das Hotel Belvédère, konnte das Geschäftsjahr per Ende April leicht über Vorjahr (2019) abschliessen.
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Viele Hoteliers in den Bergen und an den Seen, die vor allem auf den Schweizer Markt setzen, sprechen von Rekorden. Wie ist das bei Ihnen?
Mit viel Demut darf ich sagen, dass die Jahresauslastung in unseren Hotels in Scuol überdurchschnittlich gut war, damit natürlich auch die Jahresumsätze. Wir haben sogar die Zahlen der VorCoronaZeit erreicht – trotz vielen Schliessungstagen. Andererseits brauchen wir diese Zahlen, um auch in Zukunft wieder investieren zu können.
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Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass trotz Pandemie viele Schweizerinnen und Schweizer reisen und in Hotels absteigen wollen?
Die Menschen sind Coronamüde, sie haben die Nase voll von den Verboten und Einschränkungen, sie wollen hinaus und wieder an einem gedeckten Tisch im Restaurant sitzen. Sie möchten Corona mindestens für einen Moment vergessen.
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Wie lautet Ihre Prognose für die Sommer/ Herbst-Saison 2021?
Ich gehe davon aus, dass die Berg und Ferienhotellerie wieder einen guten Sommer/Herbst haben wird. Doch machen wir uns nichts vor: Sobald man wieder ohne Einschränkungen ins Ausland reisen kann, werden viele Schweizerinnen und Schweizer ans Meer oder in ferne Ländern reisen. Da existiert im Moment ein starker Nachholbedarf.
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Hatten Sie in den letzten 12 bis 14 Monaten Mitarbeitende in der Kurzarbeit?
Ja, zu Beginn der Pandemie im März 2020. Da wussten wir ja wirklich nicht, wie sich diese Krise weiter entwickeln wird. In unserem Businesshotel in Münchwilen war ein grosser Teil des Teams in Kurzarbeit. Inzwischen sind keine Mitarbeitenden mehr in Kurzarbeit.
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Wird die aktuelle Krise Ihre Hotels oder Ihre Angebote markant verändern?
Wir konnten neue Stammgäste gewinnen, die sicher festgestellt haben, dass man auch in der Schweiz qualitativ und preislich schöne Ferien verbringen kann und dass es sogar vorteilhaft ist, wenn man nicht zwölf Stunden in einen Flieger sitzen muss, um dann einmalige Landschaften zu entdecken.
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Haben die Hotelgäste während der Krise mehr konsumiert?
Nicht mehr, aber bestimmt auch nicht weniger. Es wurden mehr OutdoorAktivitäten gebucht, so zum Beispiel EBike oder Wandertouren. Die Gäste waren oft anspruchsvoll, aber spannend. Das waren Leute, die ihre Ferien in normalen Zeiten eher in Luxushäusern in der Ferne verbringen. Hier spreche ich aus der Sicht eines VierSterneHauses.
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Haben Sie die Preise während der Krise nach unten angepasst – oder das Gegenteil?
Nein, die Preise haben wir nicht gesenkt, doch bei den Stornierungsmöglichkeiten mussten oder müssen wir enorm flexibel sein.
Wer ist Kurt Baumgartner?
Der Hotelier wurde am 17. September 1965 in Kriens (Kanton Luzern) geboren. Nach den Schulen und einem Sprachaufenthalt in Toronto und Montreal machte er eine Kochlehre im Hotel «Wilden Mann» in Luzern, dann besuchte er die Hotelfachschule Luzern (SHL), später folgte ein Nachdiplomstudium (NDS).
In seinen «Wanderjahren» arbeitete Baumgartner u. a. als Koch, Service-Angestellter, Direktionsassistent (Leukerbad), F&B Controller, Restaurantmanager (St. Petersburg), Operations- und Hotel-Manager. Zusammen mit seiner Frau führte er 1996/97 das Hotel Bären in Sigriswil, es folgte eine Pacht im 4-Sterne-Hotel Hohenfels in Arosa.
Seit Frühjahr 1999 wirkt das Ehepaar Baumgartner in Scuol im Unterengadin. Kurt Baumgartner ist aktuell Besitzer und VR-Präsident der Belvédère Scuol AG (Hotel Belvédère, 4-Sterne-Superior), zudem besitzt er die Hotels Belvair (3 Sterne) und das Boutique-Hotel Guarda Val (4 Sterne). In Münchwilen im Kanton Thurgau besitzt und betreibt die Familie Baumgartner ein Businesshotel
Seit 2009 ist Kurt Baumgartner Besitzer und VR-Präsident der «Baumgartner Immo Scuol AG», seit 2018 VR-Präsident der KHolding AG und der JHolding AG, seit 2019 VR-Präsident der Hotel Flaz AG.
Kurt Baumgratner sitzt u. a. auch im Verwaltungsrat der Bergbahnen Motta Naluns in Scuol und im VR der ESTAG (Engadin Scuol Tourismus AG). Daneben ist er Vorstandsmitglied bei HotellerieSuisse Graubünden.
Baumgartner ist mit Julia Baumgartner verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Hobbys: Biken, Rennradfahren und die Familie. Er ist Mitglied des Rotary Clubs und des Skal Clubs Engadin.