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MIT EINER PRISE SALZ ZUR DELIKATESSE KAVIARPRODUKTION IN FRUTIGEN

MIT EINER PRISE SALZ ZUR Delikates e

Russische Milliardäre schaufeln ihn zum Frühstück, in der Sternenküche f ndet er bei den verschiedensten Gerichten Verwendung und inzwischen ist die Delikatesse auch in der Schweiz ein echter Kassenschlager: Kaviar. Doch erst wer hinter die Kaviarzubereitung schaut, versteht warum die Delikatesse so teuer ist.

Eine erste Kostprobe vom frischen Kaviar. Schmeckt unbeschreiblich, bildet einen Film am Gaumen und an den Zähnen und ist nichts, was man wirklich braucht. «Erst die Prise Salz macht ihn zur Delikatesse», erklärt Tobias Felix. Der Teamleiter der Verarbeitung im Tropenhaus Frutigen hat sich sein Kaviarwissen im Eigenstudium angeeignet und tauscht sich regelmässig mit anderen Kaviarproduzenten und Fischzüchtern aus. Text: Karin Schmidt

In der Manufaktur des ersten und einzigen Schweizer Kaviars ist es eiskalt. Der Zutritt ist unter ganz bestimmten «Voraussetzungen» erlaubt – nach Passieren einer speziellen Hygiene-Schleuse. Sterile Räume, blitzblank sauber geputzte Aluminiumtische, fast wie in einem Operationssaal: Hier wird den Stören der Kaviar entnommen.

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AUFWÄNDIGE HANDARBEIT

Tobias Felix und sein Stellvertreter Jan Perrat arbeiten schnell. Alles erfolgt in Handarbeit, praktisch kein Schritt der Kaviarproduktion kann maschinell durchgeführt werden. Zwischen Entnahme des Kaviars aus dem Bauch eines Störs und der luftdichten Verschliessung einer Dose sollten maximal 25 Minuten liegen. Vom Stör wird übrigens alles verwertet: Aus der Störhaut entsteht Leder, die Fischfilets werden geräuchert (z.B. das neueste Produkt mit dunklem Rugenbräu Bier), die Schwimmblasen sind in der Farbindustrie begehrt, Knochen oder herausgefilterte Futterreste wandern in die Biogasanlage. Das Fischwasser wird in einer Filteranlage mit Biostufe gereinigt und in das Flüsschen Engstlige geleitet. Jan Perrat platziert ein Prachtsexemplar eines Acipenser baerii, eines Sibirischen Störs, auf den Tisch. Damit möglichst keine Keime aus dem Wasser und anderen Quellen in den Kaviar gelangen, wird der Fisch gereinigt und desinfiziert. Vorsichtig öffnet Tobias Felix den Stör mittels Bauchschnitt und entnimmt die Geschlechtsdrüsen, die sogenannten Gonaden, zusammen mit dem Kaviar. Beinahe die gesamte Bauchhöhle ist mit den kleinen schwarzen Eiern gefüllt. Von Hand werden nun die glänzenden Perlen durch ein Sieb gedrückt und somit von den Gonaden gelöst. Dann wird der Kaviar in mehreren Durchgängen mit kaltem Wasser gewaschen und die letzten Verunreinigungen mit einer Pinzette entfernt. Es folgt die Qua-

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«OONA» –ECHTER SCHWEIZER ALPEN-KAVIAR

Oona ist zugleich Marke und Bezeichnung für den Kaviar des Tropenhauses Frutigen. Das Wort «Oona» stammt aus dem Keltischen und bezeichnet das Einzigartige, Aussergewöhnliche. Mittlerweile bevölkern in Frutigen gut 80000 Störe die 85 Fischbecken. Die Ernte beträgt jährlich rund 6 Tonnen Fischfilets und annähernd 1 Tonne Kaviar, daneben werden auch Egli, Zander und weitere Fische gezüchtet. Das raffinierte Energiekonzept, durch Gesteinsdruck erwärmtes Wasser aus dem Lötschberg zu verwenden, schafft optimale Bedingungen für die Süsswasserfische. Die luxuriösen Fischeier gibt es in vier verschiedenen Qualitäten.

www.oona-caviar.ch

1 Schuppenloser Bartträger: Stör im Tropenhaus Frutigen. 2 Die Verarbeitung fndet in sorgfältiger Handarbeit vor Ort statt und gewährleistet einen raschen Prozess vom Fisch in die Dose. 3 Letzter Arbeitsschritt: die Eindosung des gesalzenen Kaviars.

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«Den Reifezeitpunkt exakt zu bestimmen, ist essentiell für die Produktion eines hochqualitativen Kaviars.»

EIN EXOTISCHES RUNDUMERLEBNIS

Das Tropenhaus Frutigen mit seinen rund 80 Angestellten beherbergt neben der begehbaren Aquakultur mit Stören sowie interaktiven Ausstellungen über erneuerbare Energien und Störe in der Natur und Kaviarproduktion auch einen exotischen Pflanzen-, Früchte- und Orchideenpark in grossen Gewächshäusern. Darin eingebettet ist die Erlebnisgastronomie mit dem Restaurant Tropengarten, Lounge und Eventbereich. Für Dreikäsehochs gibt’s extra eine Mini-Lounge.

www.tropenhaus-frutigen.ch

4 «Oona-Kaviar», von dem jede Woche geerntet wird, ist in vier verschiedenen Selektionen im Handel oder online erhältlich. litätskontrolle und Qualitätsbeurteilung sowie das Salzen. «Wir beurteilen den Kaviar nach der Farbe, nach der Konsistenz der einzelnen Eier – Sind diese fest? Platzen sie schnell im Mund? – und natürlich nach dem Geschmack. Wünschenswert ist ein nussiges Aroma. Zudem wird nur Schweizer Salz und ansonsten keine Zusatz- oder Konservierungsstoffe verwendet. Maximal 3,5 Gramm Salz kommen auf ein Kilo Kaviar. Deshalb ist der Kaviar aus Frutigen besonders mild und fast cremig. Der gesalzene Kaviar kommt sofort auf ein Sieb, damit er abtropfen kann, bevor er luftdicht in Dosen für die Lagerung abgefüllt wird. Abhängig von der Kaviar-Selektion folgt nun der Reifungsprozess. Es sind gerade einmal fünfzehn Minuten vergangen, seitdem der Stör geöffnet wurde. Wieder eine Kostprobe mit dem kleinen Löffel aus Perlmutt. Ich drücke den Kaviar mit der Zunge gegen den Gaumen. Die Perlen sind ziemlich fest, also «al dente», und «explodieren» förmlich im Mund. Auch vom Geschmack her – kein Vergleich zur ersten Kostprobe. Die Ernte fällt gut aus: 772 Gramm Kaviar und eine 1A Qualität. Tobias Felix ist mehr als zufrieden. Warum aber ist Kaviar so teuer? «Wir nehmen jedes Tier zehnmal in die Hand», erklärt Dr. Paul Sindilariu, Leiter Fischzucht und Verarbeitung. Allein schon drei Jahre verstreichen, bis das Geschlecht eines Störs bestimmt werden kann. Kurz danach liegen die Männchen als Filets in den Delikatessenläden. Die Weibchen dürfen noch ein paar Jahre in den Becken mit warmem Lötschbergwasser weiterschwimmen und werden hochgepäppelt. Sie müssen aber regelmässig zum Ultraschall, wo das Reifestadium ihrer Eier kontrolliert wird. Für die letzten Monate werden sie in kaltes Wasser umquartiert, quasi auf Diät gesetzt, damit Fleisch und Eier nicht nach Schlamm schmecken. «Den Reifezeitpunkt exakt zu bestimmen, ist essentiell für die Produktion eines hochqualitativen Kaviars», fügt Tobias Felix hinzu.

EIN EINZIGARTIGES PROJEKT

Die Kombination von tropischem Ambiente, Aquakulturen und alpiner Kulisse gibt es nur einmal auf der Welt. Die prachtvollen Blüten und Früchte von Ananas bis Papaya, die in den Gewächshäusern in Frutigen, am Fuss der Berner Hochalpen gedeihen, vermitteln eine Ahnung vom Paradies. In den Becken, gespiesen von kristallklarem Quellwasser aus dem Innersten des Lötschbergs, drehen langgestreckte, spindelförmige Wunderwesen ihre Runden: Die Sibirischen Störe, die mit einer Länge von bis zu zwei Metern imponieren. Wegen dem kulinarischen Schatz, der in den weiblichen Tieren heranwächst, geht es den meisten der 26 wilden Störarten weltweit derart an den Kragen, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Umso erwähnenswerter, dass die Fischzucht im Tropenhaus Frutigen als Pionierleistung in der nachhaltigen und tierfreundlichen Störzucht gilt. Im Jahr 2011 wurde im Tropenhaus Frutigen erstmals Kaviar geerntet. Dabei haben Nachhaltigkeit und artgerechte Tierhaltung höchste Priorität. Keine Medikamente, keine Antibiotika und keine chemische Schädlingsbekämpfung. Dafür viel Fachwissen, Handarbeit und ein sorgsamer, respektvoller Umgang mit Tier und Natur. Übrigens: Ein Besuch im Tropenhaus lohnt sich immer. Vor allem in der alpinen Winterkälte.

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