IKDK Regen | Beschreibung der Kulturlandschaft

Page 1


Beschreibung der Kulturlandschaft mit den wesentlichen Elementen in ihrer zeitlichen Entwicklung

5. Beschreibung der Kulturlandschaft mit den wesentlichen Elementen in ihrer zeitlichen Entwicklung

Literatur:

Bayerisches Landesamt für Umwelt (BLfU), Entwurf einer kulturlandschaftlichen Gliederung Bayerns als Beitrag zur Biodiversität, 30 Innerer Bayerischer Wald, 2011.

Der Landkreis Regen ist bis heute sehr ländlich geprägt; gemeinsam mit dem anschließenden Nationalpark Sumava (Tschechien) bildet der Bayerische Wald das größte zusammenhängende Waldgebiet Zentraleuropas (BLfU 2011, 1). Es dominieren weite Täler mit Rodungsinseln, begrenzt im Osten und Westen durch Höhenzüge mit großen geschlossenen Wäldern. Grundsätzlich lässt sich im Landkreis die Entwicklung der historischen Besiedlung sowohl erspüren, als auch faktisch nachvollziehen. Diese Besiedlung fand – vereinfacht gesagt – in einer Entwicklung vom Donautal ausgehend statt, also in einer Bewegung von Westen nach Osten. Dabei waren vor allem zwei Faktoren entscheidend: zum einen die mittelalterlichen Adelsgeschlechter, allen voran die von Bogen und die von Degenberger und, zum zweiten, das Benediktinerkloster Niederaltaich. Klöster wurden durch die weltlichen Herrscher oft als Mittel zur Kolonialisierung und Urbarmachung von Territorien eingesetzt. Das Kloster Niederaltaich war – gemeinsam mit der Ausgründung der Propstei Rinchnach – für den Bayerischen Wald und dessen Besiedlung von ganz zentraler Bedeutung. Von diesen beiden ging die Gründung von Neusiedlungen und damit die Urbarmachung des Landstriches aus. Die regionalen Adelsgeschlechter, als auch das Kloster waren auf das Engste miteinander verflochten. Zahlreiche Äbte waren nicht zuletzt auch Vertreter dieser Familien. Interessen konnten damit in enger Abstimmung gewahrt und durchgesetzt werden.

Ein zweiter wichtiger Faktor für die Besiedlung und ihrer spezifischen Ausprägung war die Geografie. Es handelt sich um eine Mittelgebirgslandschaft mit Höhenlagen zwischen 500 und 1450 m (Großer Arber, großer Rachel, Granitstein, BLfU 2011, 2). Der Landkreis ist grundlegend durch drei Höhenzüge geprägt: Im Westen begrenzt ein Höhenzug den Landkreis zum Donautal; mittig verläuft ein Höhenzug, der das Tal des Regen vom Tal mit den Siedlungen von Arnbruck bis Bodenmais abtrennt, und im Osten liegt der bewaldete Höhenzug, in dem sich auch der Nationalpark befindet, und der in den Böhmerwald übergeht. Das wichtige und prägende geologische Phänomen des ‚Pfahls‘ (Quarzgestein) verläuft dabei im westlichen Tal. Dieser scheint damit auch die grundlegende Ausrichtung der naturräumlichen Gliederung vorzugeben, die von Südosten nach Nordwesten zu verlaufen scheint. Hinzu kommt, dass von Westen nach Osten insgesamt die Topografie ansteigt und die höher liegenden Landstriche im Osten ganz andere klimatische Bedingungen vorgeben, als jene im Westen.

Gemeinsam mit der Richtung der Besiedlung des Landstrichs (die zudem entlang bestehender Pfade des Salzhandels nach Böhmen erfolgte), ergaben sich hier schon Grundbedingungen entlang derer sich die Entwicklungslinien vollzogen und die zur Ausprägung der heutigen Kulturlandschaft geführt haben. Die Siedlungen und Dörfer liegen sämtlich in den tiefer gelegenen Tälern. Sie boten zum einen geschützte Lagen, zum anderen ist die Topografie etwas flacher und für den Landbau geeignet. Der Westen wurde früher in der Geschichte besiedelt, nicht zuletzt weil er klimatisch begünstigt war. Einschränkend ist zu vermerken, dass generell das Klima im Bayerischen Wald streng ist und die Möglichkeiten des Landbaus sich völlig anders darstellen, als beispielsweise in der fruchtbaren Ebene des Donautals. Noch heute ist die Region für

Abb. 5.1: Typisches Landschaftsbild im Westen des Landkreises. Große Rodungsinseln mit Wiesenwirtschaft , Einzelgehöften und kleinen Siedlungen. Die Höhenzüge sind bewaldet. Im Hintergrund die waldreichen Höhenzüge im Osten des Landkreises.

ihr raues Klima und Schneereichtum bekannt. Dennoch kam es zu einem Landausbau entlang des ‚Pfahls‘, der zu großen, landwirtschaftlich nutzbaren Rodungsinseln führte. In diesem Teil des Landkreises liegen die Elemente des frühen Landausbaus sowie sämtliche Burgen und Verteidigungsanlagen des Mittelalters, aber auch die beiden Klöster Gotteszell und Rinchnach. Der Landausbau sorgte natürlich zunächst vor allem für das Produkt Holz in allen Verarbeitungsstufen. Dieser Wirtschaftszweig blieb bis heute nahzu ungebrochen erhalten. Noch immer zeugen die zahlreichen Sägemühlen von diesem Reichtum. Auf die Zeit der Rodungen verweisen viele Ortsnamen mit der Endung ‚-mais‘ und ‚-schlag‘. Sie beinhalten damit auch einen Hinweis auf ihre Gründung im Hoch- und frühen Spätmittelalter.

Der Landstrich ließ vor allem im Norden Getreideanbau zu, dieser ist kaum noch vorhanden. Wenn heute Getreide angebaut wird, dann handelt es sich fast ausschließlich um Futtermais. Dominant ist jedoch der Grünlandanteil, die Wiesenwirtschaft, die bisweilen auch für die Beweidung genutzt wird. Dabei handelt es sich aber im Grunde um einen historisch überlieferten Zustand. Die Hofstrukturen lassen erkennen, dass das Heu für die Viehzucht von besonderer Bedeutung war. Dies ist in erster Linie an den großen Stadln (Scheunen) zu erkennen. Sie sind oft noch die größten Gebäude auf den Höfen. Das Heu diente als Futter für das Vieh im Winter, was die historische Bedeutung von Vieh als wichtigen landwirtschaftlichen Erwerbszweig bezeugt. Bei der Herausbildung dieser Spezialisierung ist jedoch von einer Entwicklung des 19. Jahrhunderts auszugehen.

Hinweise auf einen ursprünglich bedeutenden Getreideanbau gibt es jedoch durchaus: So sind die so genannten ‚Kornkästen‘ ein klassisches Element der Höfe; sie dienten der sicheren Aufbewahrung von Getreide. Sie machen deutlich, dass Getreide für die Herstellung von Brot sehr wohl angebaut wurde. Ein weiteres untrügliches Indiz sind die vielen Brauhäuser, die im Landkreis beheimatet waren. Oft hatte jedes Dorf sein eigenes Wirtshaus, in dem gebraut wurde. Grundstoff für das Bier war natürlich Getreide und es ist nicht davon auszugehen, dass dieses von weit her beschafft wurde. Doch auch bei der

Abb. 5.2 links:

Plan von Lindberg (Nr. 103) aus dem Jahr 1788 aus dem Staatsarchiv Landshut.

Abb. 5.3 rechts:

Plan von Flanitz aus dem Jahr 1829. Ausschnitt aus der Uraufnahme. Quelle: Landesamt für Vermessung und Geoinformation Bayern.

Beide Pläne zeigen die systematische, um einen Anger angelegte Siedlung mit den dazu gehörigen Grundstücken. Es handelt sich um typische Vertreter von Kolonistensiedlungen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.

starken Verbreitung des Brauereigewerbes ist im Grunde von einer neuzeitlichen Entwicklung auszugehen. Lange war zum Beispiel das Brauen von Weißbier an besondere, landesherrlich verliehene, eigens erteilte Braurechte gebunden.

Die Landwirtschaft ist damit ohne Zweifel das prägendste Element der Kulturlandschaft – vornehmlich im Westen des Landkreises.

Ebenso bedeutend ist natürlich die Holzwirtschaft. Charakteristisch für mittlere Lagen sind Tannen-Buchen-Mischwälder, in Lagen oberhalb 1150 m Fichtenwälder (BLfU 2011, 2). Neben den unzähligen Sägewerken unterschiedlichster Ausprägung, geben aber auch hier die Ortsnamen einen Hinweis: Nahezu alle Orte mit dem Suffix ‚-mühle‘ gehen auf ein Sägewerk zurück. Anders als im Falle der Landwirtschaft gilt dies gleichermaßen für beide Teile des Landkreises, da der Wald ominpräsent ist und er seit den ersten Besiedlungsanstrengungen als Rohstofflieferant diente.

Verbunden mit dem Schlagen und dem Verarbeiten von Holz war auch der beschwerliche Transport der Stämme aus dem Wald zum Sägewerk. Dafür wurden aufwändige Triftkanäle geschaffen, oder Mühlkanäle so ausgebaut, dass sie auch zum Treideln der Stämme geeignet waren. Größere Bäche und Flüsse wurden natürlich ebenfalls zum Flößen genutzt. Vor allem die Mühlkanäle, aber auch einige Triftkanäle sind heute noch vorhanden und prägen das Bild der entstandenen Kulturlandschaft ganz erheblich. In vielen Fällen – wie in Kapitel 3.4.1 ausführlich erläutert – sind die Kanäle, die in erster Linie der Energieerzeugung für den Betrieb der Sägemühle dienten, noch heute in Betrieb. Dies vor allem deshalb, weil sie durch Umbauten heute zur Stromerzeugung genutzt werden können. Wie bedeutend Wasser auch in der Zeit der frühen Besiedlung war, lässt sich an den vielen Orten erkennen, die mit den Suffixen ‚-au‘ oder ‚-ach‘ enden. Beides sind eindeutige Hinweise auf Feuchtgebiete bzw. fließende Gewässer.

Während die Besiedlung im Westen im frühen Mittelalter ihren Ursprung hatte (erste Vorstöße ab dem 11. Jh.) und im Hochmittelalter und frühen Spätmittelalter vorangetrieben wurde (planmäßige Erschließung ab dem 13. Jh.), fand diese in den östlichen Teilen des Landkreises etwas später statt, in den Höhenlagen zum Teil bis heute nicht. Im Osten erfolgte die Urbarmachung überwiegend als eine gezielte Ansiedlung von Kolonisten, die mit einem Grundstück für Haus, Hof und Acker versehen wurden. Exemplarisch ist dies zum Beispiel für Flanitz und Lindberg (Nr. 103) aufbereitet (vgl. Mayer 2012, sowie die Ausstellung im Bauernhausmuseum in Lindberg, siehe auch Abb. 5.2 und 5.3). Diese Ansiedlungen erfolgten typischerweise um einen großen, offenen Anger, wie er noch heute sehr oft in den Dörfern erkennbar ist. Angerdörfer finden sich vor allem im Süden und Südosten des

Abb. 5.4:

Ausschnitt aus einer Federzeichnung „Malerischer Abriss aus der Gegend von Furth im Wald bis Zwiesel“ vermutlich von Michael Eresinger (Straubing) 1569. Zwiesel wird hier recht detailliert dargestellt und verfügt über eine Stadtbefestigung mit Stadttor und Türmen. Es handelt sich wahrscheinlich um eine symbolhafte Darstellung eines Marktortes (?). Quelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München.

Landkreises und eine Verbindung ihrer Entstehung mit dem Kloster Rinchnach ist sehr wahrscheinlich (Beispiele: Ried - Nr. 078, Abtschlag - Nr. 081). Im Norden des Landkreises jedoch sind sie eher eine Seltenheit. Hier finden wir zwar ebenfalls eine offene Bebauung, jedoch stärker an eine Straße gebunden. Gute Beispiele sind vor allem Orte wie Rechertsried (Nr. 032), Krailing (Nr. 057) oder Altnußberg (Nr. 002). In den Dörfern sind geschlossene Bebauungen absolut unüblich. Auffällig ist, dass die Ortschaften im nördlich gelegenen Landkreis Cham sehr wohl geschlossene Straßenzeilen zeigen. Möglicherweise zeichnen sich hier unterschiedliche Siedlungsstrukturen ab, ausgehend von geschlossenen Straßendörfern im Norden, hin zu sehr offenen Angerdörfern im Süden. In den Hochlagen entstanden die Glashütten (zunächst als Wanderglashütten), Bergbau, Landwirtschaft und Handel entlang der Säumerpfade (BLfU 2011, 3). Der Wald war zudem geprägt durch angelegte ‚Schachten‘ zur teilweise gemeinschaftlichen Weidenutzung. Diese Waldweiden sind heute noch teilweise erkennbar. Das ab dem 18. Jh. angelegte Triftsystem zur Flößung von Holz für die einsetzende Holzwirtschaft ist – wie die Altwege – zwar in Teilen noch vorhanden, jedoch trotz seiner hohen historischen Bedeutung kaum mehr prägend für das Landschaftsbild. Heute ist die Holzindustrie fester Bestandteil der Waldnutzung. Weitere prägende wirtschaftliche Nutzungen, die sich im Landschaftsbild heute noch abzeichnen, waren der Bergbau und der Gesteinsabbau mit mehreren ehemaligen Steinbrüchen (der Granit fand vornehmlich als Schotter Verwendung) aber auch der Quarzabbau am ‚Pfahl‘ und auf dem Hennenkobel, dieser in erster Linie für die Glasherstellung.

Etwas anders verhält es sich in den Unterzentren des Landkreises Viechtach, Regen und Zwiesel. Charakteristisch sind die Marktplätze mit ihren überwiegend giebelständigen Häusern. Stadtbefestigungen gab es in keinem der genannten Orte, wenngleich eine Karte von 1569 Zwiesel als befestigte Stadt zeigt (siehe Abb. 5.4). Dies dürfte wohl eher symbolisch gemeint sein (?).

Aber auch die etwas kleineren Ortschaften Rinchnach, Bischofsmais oder Ruhmannsfelden zeigen bisweilen geschlossene Straßenfronten.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.