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Bewunderer moderner Technik
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Bewunderer moderner Technik
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Berkmüller hat – bei allem Hang zur Romantik – durchaus ein Flair für die moderne Technik. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, Telegrafendrähte oder Blitzableiter als störend zu empfinden und sie in seinen Zeichnungen einfach wegzulassen. Im Gegenteil: Blitzableiter haben Berkmüller offensichtlich fasziniert. Zwar war die Technik des Blitzschutzes bereits rund 100 Jahre zuvor erfunden worden, hielt indessen erst nach und nach im Murgtal Einzug. Verfügte ein Haus über eine solche Einrichtung, hat Berkmüller sie in jedem Fall auch gezeichnet. Beispiele hierfür sind etwa die Weberei, wo die Dächer der beiden Hauptgebäude beidseits der Strasse über solche Blitzschutzanlagen verfügten. Auf einer andern Zeichnung ist eine Häuserzeile in Obertuttwil zu sehen. Das damalige Gasthaus Rössli ist ebenfalls bereits mit einem Blitzableiter versehen.
Ein besonders erwähnenswertes Beispiel ist die Blitzschutzanlage auf der Kirche Bussnang. Von der Kirchturmspitze hängt der Draht zum Kirchenschiff hinunter und zieht sich dann über unterschiedlich hohe Ständer über den dessen First. Die architektonisch klare und strenge Dachlinie wird durch den Blitzableiter konkurrenziert.
Ein Gedicht von Katharina Berkmüller lässt erahnen, wie gross die Angst vor Gewittern damals gewesen sein muss. Und wir fügen sinngemäss an: Wie gross die Hoffnungen in die Erfindung des Blitzableiters gewesen sein müssen.
Gebet bei einem Gewitter.
Herr, ich falte meine Hände, Bete dich mit Ehrfurcht an. Weiss, wenn ich mich zu dir wende, Dass dein Arm mich schützen kann.
Fast will mir das Herz erbeben, Da so laut der Donner kracht; Doch von deinem Schutz umgeben, Fürcht ich nicht des Wetters Macht.
Schone, Vater, schon uns Alle[n], Lass es bald vorüber ziehn! Höre auf mein kindlich Lallen, Lass die schwarzen Wolken fliehn!
Alles ist ja deinem Willen, Guter Vater, untert[h]an; Du kannst Sturm [u]nd Wetter stillen, Alles bete fromm dich an.78
Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Bussnang. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 55. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Die freie Führung des Blitzableiters von der Kirchturmspitze zum Dachfirst des Kirchenschiffes hinunter wirkt zwar etwas zufällig, diente indessen dem Zweck. 111
In der Zeitung «Der Wächter» vom 18. August 1842, welche in den Zwischenböden des Berkmüller Hauses zum Vorschein kam, findet sich eine erstaunliche Meldung eines Blitzeinschlags. Sie zeigt auf dramatische Weise die Hilflosigkeit der Menschen gegen diese Naturgewalt. Solche Meldungen schürten einerseits Gefühle der Hilflosigkeit und weckten andererseits die Hoffnung auf technische Erfindungen wie den Blitzableiter.
«Unlängst fuhr ein Blitzstrahl in ein Haus zu Bümpliz, welcher eine merkwürdige Richtung nahm. Er drang durch das Kamin in das Gebäude, brach sich im Erdgeschoss eine mannsdike Oeffnung durch die Kaminmauer und fand so den Weg in die untern Stubenräume. Hier richtete er Verheerungen an, zerschmetterte die Fenster. Mit Entsezen sahen die anwesenden Bewohner das hereingebrochene Ungethüm, wurden aber nicht beschädigt. Nachdem er das Getäfel angezündet, fuhr der Blitz in den Holzschopf, wo er ebenfalls einen Haufen Späne anzündete, und fand endlich in dem Sod [Sodbrunnen] des Hauses sein Grab. Dies aber bemerkte man erst, als man zur Löschung des Feuers nach Wasser eilte und die Sodröhre zerschmettert fand.»79
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Dass in den 1860er-Jahren der Blitz in Untertuttwil ins Geburtshaus von Johann Adam Pupikofer einschlug und dieses in der Folge vollständig abbrannte, mag ebenfalls prägend gewesen sein. Hermann Walder schreibt in seinen Erinnerungen an Wängi: «Der damalige Besitzer des Hauses wollte (angesichts des aufkommenden Gewitters) gerade seine Fensterläden schliessen, als der Strahl durchs offene Fenster fuhr und ihn erheblich verbrannte».80 Berkmüller wird sich zu diesem Ereignis seine Gedanken gemacht haben. Auch Jakob Stutz, Katharina Berkmüllers Bruder, kommt in seinem Buch «Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben» auf den Blitz- oder «Strohlableiter» zu sprechen.81 Darin schildert er, wie seine Mutter ihm erklärte, was ein Strohlableiter sei: «Siehe! Solche Stangen hat jener Herr auf sein Haus stecken lassen, damit der Strohl nicht d’rein schlage. Aber das heisst Gott versucht und ist eine grosse Sünde. Unser Herrgott könnte gerade gleich das Haus anzünden, nur bloss zu zeigen, dass er doch stärker sei und mehr könne als der Herr Schellenberg.»
In all den bekannten Zeichnungen von Berkmüller taucht nie ein Gewitter auf. Keine drohende Gewitterstimmung, keine dunklen Regenwolken und schon gar kein Blitz. Nur Blitzschutzanlagen. Als gälte es, eine böse Gefahr zu bannen.
Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jacobsthal von der Nordseite. Bleistift. Ausschnitt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 97. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.
