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POLITIKER AN DER FASNACHT
Die fasnächtlichste Regierung aller Zeiten?
Paul Winiker (links) und Marcel Schwerzmann – die Fasnächtler unter den Regierungsräten.
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Mit Marcel Schwerzmann und Paul Winiker sitzen zwei angefressene Lozärner Fasnächtler in der Regierung. Beide sorgen sich, wie sie einigermassen unbeschadet über das fasnachtslose Jahr 2021 hinwegkommen. Ein Gratistipp gleich vorweg: In schönen Gedanken aus früheren Zeiten schwelgen.
Mit dem Fasnachtsgen geboren, ging’s wann richtig los?
Paul: Schon früh durfte ich mit meinen Eltern und meinem Bruder an die Tagwach. Darauf habe ich mich schon Tage, ja Wochen zuvor gefreut.
Marcel: Bei mir ging’s als etwa Fünfjähriger an die Tagwach, zusammen mit meinem Vater und meiner Schwester. In guter Erinnerung bleiben mir auch die Scheselirennen an der Krienser Schulfasnacht. Jahre später seid ihr in die gleiche Guuggemusig eingetreten?
Paul: Ja, das war als Trömmeler vor 34 Jahren bei den «Spöitzer». Marcel stiess 1991 hinzu. Ich gehöre heute noch zur Trommler-Fraktion bei der Buchelimusig.
Marcel, du hast ein Sousaphon herumgeschleppt?
Nein, ein Saxophon, zuerst Sopran, dann Tenor. Mein Wunschinstrument war aber immer die Sopranschalmei! Für die Jazzschule hätte es wohl nicht gereicht.
Wer hat sich an die Nähmaschine für die Fasnachtskleider gesetzt?
Marcel: Ich selber, und zwar nächtelang. Wobei «Haute Couture» anders ausgesehen hätte, aber für «selfmade» passte es einigermassen. Ich konnte
sogar Ärmel in meine Sgt.-Pepper’s-Uniform einnähen. Allerdings war beim ersten Versuch das Futter aussen – und mit der Unterfadenspannung kämpfe ich heute noch!
Paul: Würde ich mir beim Nähen nicht immer in die Finger stechen, hätte ich wie Marcel das Kleid auch selber genäht.
Der bisher grösste Gänsehautmoment an der Fasnacht?
Paul: Eines Tages, ich weilte in Südamerika, erhielt ich einen Telefonanruf. Und was dröhnte aus dem Hörer? Guuggemusig, live von der Rathaustreppe her. Eine Kollegin rief mich aus der Telefonkabine Unter der Egg an und hielt den Hörer hinaus ins Freie. SchmuDo live und ich war fern von Luzern. Das hat mir fast das Herz gebrochen.
Marcel: Die berühmt-berüchtigte Ostschweizer Dekorationsfasnacht unter dem Motto «Käpt’n Joe und seine 12 Piratinnen» liess in mir den Entschluss reifen, dass es für mich nur noch die Lozärner Fasnacht gibt.
Paul, seit 31 Jahren bist du Mitglied bei der Zunft zu Safran. Da müsste doch die Zeit als Fritschivater längst reif sein?
Stimmt, bisher wurde ich noch nie als Zunftmeister gefragt (lächelt schalkhaft). Dabei hätte ich doch Erfahrung mit meiner fasnächtlichen Frühkarriere. Vor genau dreissig Jahren war ich Zunftnarr von Zunftmeister Heini Bühlmann.
Was beeindruckt dich, Marcel, so sehr an der Fasnacht?
Es ist einfach das Fasnachtsvolk – jeder gilt gleich viel. Es zählen der Grend, das Instrument und die Sprüche. Dieses Ventil tut einer Gesellschaft gut!
Hand aufs Herz, spürt man in der Regierung etwas davon, dass ihr beide Fasnächtler seid?
Marcel: Regierungsarbeit ist sehr ernsthaft. Fasnächtliche Chalbereien haben dort keinen Platz. Trotzdem: Humor und Gelassenheit helfen auch in ernsten Lagen.
Paul: Ja, das stimmt, wir können schon leichter über uns selber lachen.
Kurz und knapp: Am meisten vermissen werde ich …
Marcel: … die Montagnacht im Schweizerhof und die unzähligen Gönnerapéros.
Paul: … Menschen zu treffen, denn Fasnacht ist wie ein grosses Klassentreffen.

Vom SchmuDo bis Güdiszyschtig 2021 werde ich …
Marcel: … mich von der Stadt fernhalten: entweder richtig Fasnacht oder gar nicht!
Paul: … immer Maske tragen, also ohne Demaskierung – und Abstand halten.
Am SchmuDo vom 24. Februar 2022 werde ich …
Paul: … die Fritschitagwach erleben und als «Loschtige Hurenaff» am Umzug dabei sein. Und nachher mit der Bucheli-Fritschimusig durch Luzern touren.
Marcel: … wieder alles umso mehr schätzen.
Brauchen wir zur Kompensation 2022 zusätzlich eine Sommerfasnacht?
Marcel: Nein, alles zu seiner Zeit. Wer kompensieren will, gehe an die Zürcher Street Parade.
Paul: … oder ans Blue Balls Festival, dort trifft man die gleichen Fäschtfödle wie an der Fasnacht.
Das schätze ich besonderes am Fasnächtler Marcel Schwerzmann … … dass er stets stil- und tonsicher war. Und nie vergessen werde ich, wie er mich bei –20 °C (im Tenü Schottenrock!) tröstete und zum Durchhalten animierte.
… und am Fasnächtler Paul Winiker? … wie er das Beste aus dem Fasnachtsverzicht macht und sich umso mehr auf das Jahr 2022 freut.
Die Guuggemusig Spöitzer 1993 mit Marcel Schwerzmann und Paul Winiker.
Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zur Fasnacht. Ich sage das zu Beginn, damit niemand den Text zu Ende liest und dann meint: Typisch Politikerin, man weiss immer noch nicht, was ihre Meinung ist. Ich mag Geselligkeit, Humor, witzige Produktionen, anregende Gespräche, dazu ein Glas Wein, Bier oder Kafi. Und ich liebe die rhythmisch-mitreissenden Schränzerklänge! Im Gegensatz zu meinen Geschwister, die in einer Guuggemusig waren bzw. mit ihren Freundinnen wochenlang Sujets kreierten, hat mich das Fasnachtsvirus nie ganz gepackt. Ich habe zwar Gwändli genäht für Kollegen, besuchte Fasnachtsdiscos und -umzüge in den Entlebucher Gemeinden oder fuhr zum Urknall in die Stadt. Häufig verbrachte ich die Fasnachtstage vor allem mit Geldverdienen, sprich Servieren. So war ich mittendrin, kannte das Motto jeder Gruppe und stank nach Feierabend, wie wenn ich selber Kettenraucherin wäre. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das Motto «Cats» im «Rössli»: Das Verkleiden und Schminken brauchte weniger Zeit als das Auswaschen des farbigen Haarsprays aus den toupierten Haaren nach Feierabend ... 2001 zog ich in die Stadt Luzern, um als junge Anwältin nach Zürich zu pendeln. Dort gibt es keinen SchmuDo; ich bemerkte oft erst aufgrund der Konfetti im Zug, dass die fünfte Jahreszeit angebrochen war. Die offizielle Lozärner Fasnacht ist von Zünften dominiert, zu denen wir Frauen naturgemäss keinen Zugang haben. Aufgrund meiner Funktion als Stadträtin konnte ich in den letzten Jahren diese Welt näher kennenlernen –und fühle mich mit meinem «Sonderstatus auf Zeit» ganz wohl darin. Ich schätze die Fasnacht als Narrenzeit und finde es gut, Politik und Gesellschaft zwischendurch den Spiegel vorzuhalten – im KnallFrosch, beim MLG-Theater oder an der Värsli-Brönzlete.
Auch wenn ich mich selber ohne grosse Entzugserscheinungen für Skiferien anstelle der Fasnacht entscheiden kann: Fasnacht gehört zu Luzern, zu unserem Brauchtum, zu unserer Gesellschaft, zu unserer Identität. Ich freue mich auf ihre Wiederbelebung im Jahr 2022! FRANZISKA BITZI STAUB, STADTRÄTIN

Franziska Bitzi Staub an der Fasnacht 2017 als Crowd-Managerin unterwegs – ein Zeichen «mittig bleiben», noch vor der CVP-Umbenennung.

Seit 1973 habe ich nur eine einzige Lozärner Fasnacht ausgelassen, damals mit einem Bein im Gips: Das hätte eine lustige Verkleidung abgeben können, war mir aber dann doch zu heikel. Und nun folgt die zweite ausgelassene Fasnacht, natürlich abgesehen davon, dass an sich jede Fasnacht eine ziemlich ausgelassene Sache ist ... Für mich ist klar: lieber keine Fasnacht, als etwas Halbbatziges. Die Fasnacht lebt vom chaotisch unorganisierten, von der wilden Vielfalt in Verkleidungen und Tönen, von zufälligen Begegnungen und bunten Mischungen. Nichts gegen eine Värsli-Brönzlete, aber einfach in einem Saal fix da sitzen, anderthalb Meter Distanz und irgendwelchen Abhaltungen à la Karnevalssitzungen lauschen, das entspricht mir nicht. Über Maskenpflicht könnte man ja diskutieren, aber ob Fasnachtsmasken gegen Corona schützen? Also: lieber Maske als Maske!
An der Fasnacht gefällt mir längst nicht alles: Masse und Gedränge, Konsum, zu laute Konservenmusik, das Aggressive. Die Berge an Abfall, achtlos in die Reuss und auf die Strasse hingeschmissen, widern mich an. Aber das fantastisch Kreative, Einmalige, das da aus der Masse herausbricht, das Improvisierte, das Rollenspiel, in das auch ich manchmal eintauchen kann, das fasziniert mich. Lozärner Fasnacht heisst auch, dass sich Leute aus allen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen einfinden. Die üblichen Hierarchien sind für ein paar Tage ausser Kraft gesetzt.
Und da ist seit über dreissig Jahren unsere Kleinformation «mariecholler»: wie wunderbar sich langjährige Freundschaften und Balkangebläse vereinen, das ganze Jahr hindurch! Eine gute Portion saftige Musik, ein bisschen schräg, nicht jeder Ton sitzt perfekt, aber genau diese Schrägheit macht’s eben aus, wie an der Fasnacht.
ADRIAN BORGULA, STADTRAT
Das LFK bedankt sich bei allen Sponsoren, Gönnern und Inserenten für die grosszügige Unterstützung. Dank diesem Support – und mit dem Kauf des Fasnachts-Magazins und der Fasnachtsplakette – freuen wir uns, wenn wir mit dem Erlös das Brauchtum der Lozärner Fasnacht gezielt unterstützen können.
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Geschichte der Zunft zu Safran, P. Rosenkranz: Zunft zu Safran, 70 Jahre LFK, Bruder Fritschi | 50 Jahre Lozärner Fasnachtskomitee, LFK: 70 Jahre LFK, Köfferlifasnächtler – LFK-Anlässe | Faszination Lozärner Fasnacht, S. Panizza, Band II: 70 Jahre LFK, Bruder Fritschi | Faszination Lozärner Fasnacht, S. Panizza, Band III: Portrait Krienser Masken, Michael Eicher | Faszination Innerschweizer Fasnacht, S. Panizza, Band I: Vereinigte – Gründung Guuggerstamm | Luzerner Zeitung – De beschti Grend – Manuela Jans: Einzelmasken und Familiengruppen IMPRESSUM
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