Gedichtband

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«Ich flieg durchs Aug des Augenblicks»

«Ich flieg durchs Aug des Augenblicks»

Gedichte

Mit Zeichnungen von Marie Jahn

© 2025 by orte Verlag, CH-9103 Schwellbrunn

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Verlagshaus Schwellbrunn, Appenzeller Verlag AG Im Rank 83, 9103 Schwellbrunn verlag@orteverlag.ch

Verlagsauslieferung in die EU: HEROLD Fulfillment GmbH, Daimlerstrasse 14, DE-85748 Garching service@herold-fulfillment.de

Illustration Umschlag: Marie Jahn

Gestaltung Umschlag und Inhalt: Mike Müller

Gesetzt in ITC Slimbach Std Herstellung: Verlagshaus Schwellbrunn ISBN 978-3-85830-347-9 www.orteverlag.ch

Ohne Leitplanken

Warum dieser Gedichtband? Warum Gedichte? Wie kommt es dazu, dass eine Unternehmerin dieses Experiment wagt, das scheinbar quer zur rationellen Geschäftswelt steht?

Vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, was der Unterschied zwischen einer Unternehmerin und einer Künstlerin sei. Meine Antwort lautete: «Eigentlich kein grosser. Eine Unternehmerin ist im weitesten Sinne ebenfalls eine Künstlerin – einfach mit klaren Leitplanken.»

Ich bezeichne das Schreiben von Gedichten auch als ein Spiel mit Worten. So gesehen ist dieser Gedichtband eine Erweiterung meines beruflichen Spielfelds. Die Form des Gedichts erlaubt mir, mich mit eben diesen Leitplanken auseinanderzusetzen, die mich im Alltag fordern, einschränken, manchmal betrüben, ärgern oder auch beflügeln. Und das Dichten gibt mir die Möglichkeit, Grenzen vergessen zu lassen. Bekanntes und Neues zu ergründen, immer höher oder tiefer zu gehen, dahinter, dazwischen und darüber zu blicken, in grosser Neugierde. Eine Eigenschaft, die wohl fast alle Forschenden, Unternehmerinnen oder Künstler antreibt.

Dabei entstehen auch Zweifel, Überraschungen, Zwischenräume. Hier steckt die eigentliche Essenz, das Unplanbare, das unternehmerische Glück, das es bei jeder

Expedition braucht. Wer es einlädt, dem begegnet es oft ganz bescheiden, oft unerwartet, wie aus dem Nichts –scheinbar wie aus dem Augenblick herausfallend mit einem Augenzwinkern.

Ich schätze mich glücklich für alle Begegnungen mit den Menschen, die mich zu diesen Texten geführt haben. Sie sind und waren alle meine Lehrer. Ich bin dankbar für alle bisherigen Zeilen meines Lebens.

Meiner Familie gebührt ein besonders inniger Dank. Denn an unseren Liebsten halten und stossen wir uns. Mit und an ihnen wachsen wir am meisten. Doch da gibt es noch so viel mehr «Familienmitglieder» in meinem Leben: Seelenbegleiter, Lieblingsmenschen, Wegbereiter, Ermutiger, Unterstützer. Ohne sie wäre dieser Gedichtband nie entstanden. Habt Dank!

Ihnen allen widme ich dieses Sammelsurium aus bunten dreissig Jahren. All jenen, die mitfühlen, wenn der Zweifel plagt, der Kummer, die Angst, oder sich mitfreuen, wenn das Herz fast überschäumt vor Glück und sich für einen Augenblick in der Unendlichkeit, dem Nichts verliert. Und plötzlich klarsieht, selbst das Unsichtbare.

Den Menschen mit all ihren Facetten, Gefühlen, Gedanken und ihrer oft unergründlichen Tiefe. Einer Tiefe, in die ich voller Neugierde immer wieder eintauche und von der ich manchmal mit einer Perlenschnur aus Worten wieder an die Oberfläche komme. Diese Perlenkette mit den Menschen zu teilen, ist mein Wunsch. Auf dass auch sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen mögen – ganz ohne Leitplanken.

Andrea Berlinger St. Gallen, im Sommer 2025

Auftakt

Ins Aug

Ich flieg durchs Aug des Augenblicks, prall heftig auf, seh plötzlich klar wie durch geschliffenes Glas.

Leicht und schwer

Die Zaubermacht einer Sommernacht

Glühwürmchen huschen wie kleine Lichtfingerpuppen über die Bühne der Nacht, die gerade erwacht und ihre Sternschnuppen macht. Wie durch Zauberhand bewegt, durch die Nacht geweht, ein munteres Laternengewimmel am Sternschnuppenhimmel.

Stilles Staunen, Leises Raunen.

Innigste Freude: Ich bin Himmelstheaterzeuge!

«Die Zaubermacht einer Sommernacht» endet in stiller Friedensandacht.

Ergriffen. Das Universum für einen Moment lang begriffen.

Salz des Lebens

Lebenssalz. Flüssig gewohnt in Kammern des Schmerzes und Lachens zugleich. Ganz normal. Ein Leben lang.

Eingezogen bei Geburt.

Dankt er ab, jetzt.

Zeigt, wie er vergibt –bevor es versiegt.

Ein letztes Mal schwappt es über, verschenkt es sich, im Überdruck, im Überhang.

Übergang zum Freund, der um ihn weint.

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