FussballMenschen

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Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. © www.formatost.chFormatOst FormatOst Leseprobe

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3 Beni Bruggmann FussballMenschen FormatOst

© 2022 by Verlag FormatOst, CH-9103 Schwellbrunn Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Gestaltung Umschlag: Brigitte Knöpfel Gestaltung Inhalt: Josef Scheuber Fotos: Carmen Wueest (ausser Jakob Schäfler: zVg) Gesetzt in Source Serif, Source Sans und Scarlet Wood Herstellung: Verlagshaus Schwellbrunn ISBN www.formatost.ch978-3-03895-044-8

Für Esther FussballFussballMenschen?interessiert sie nicht. Menschen schon. Sehr sogar. Da kann sie zuhören, mitfühlen, begleiten, unterstützen. 5

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Von den Fussballerinnen und Fussballern, die nicht so gut, aber ebenso leidenschaftlich wie Pele, Beckenbauer und Messi spielen, liest man sel ten. Ich habe mit einigen von ihnen gesprochen. Sie sind in meiner Nähe daheim, im Rheintal oberhalb des Bodensees, zwischen Blatten berg und Monstein, zwischen Oberriet und Au. Sie haben mir von ihrem Leben und ihrem Fussball erzählt. So sind Porträts über FussballMenschen entstanden. Nun geht es also los mit den FussballMenschen. Zuerst mit dem Inhalts verzeichnis, so quasi zum Einlaufen. Nachher folgt «mein» Jakob. Seine Geschichte habe ich schon vor vielen Jahren verfasst. Die übrigen Port räts stammen aus der Coronazeit. Damals konnte ich meine Texte nicht mehr veröffentlichen, meine Zeit als Geschichtenschreiber auf den Sportseiten, früher im «St. Galler Tagblatt», dann im «Rheintaler», war abgelaufen. Aber die Lust am Schreiben ist geblieben. Widnau, Juni 2022 Beni Bruggmann

Anpfiff Für uns FussballMenschen ist der Anpfiff keine Rüge, er ist das Zeichen für den Spielbeginn. Nach dem Anpfiff geniessen wir unseren Lieblings sport. Wir dürfen dribbeln, passen und schiessen, wir wollen kämpfen, stürmen und verteidigen, wir können siegen und jubeln, oder wir müs sen verlieren und hadern. Wir sind in unserem Element. Es geht los. Ich stelle meine FussballMenschen gerne vor, Frauen und Männer, Junge und Alte, begnadete Techniker und unermüdliche Kämp fer, erfolgreiche Berufsleute und hilfsbereite Partner. Diese Porträts er wähnen Erfolge und übersehen Probleme nicht. Die Grossen im Fussball stehen in der Öffentlichkeit, ihre Geschichten kennen wir. Zahlreiche Bücher schildern ihr Leben und ihre Siege. Über meinen Lieblingsspieler Pele, gleicher Jahrgang wie ich, gibt es ein Buch, das heisst «Schwarze Perle Pele». Ein Porträt von Franz Becken bauer trägt den Titel «Einer wie ich», und Lionel Messis Karriere ist in «Der Weg zur Legende» nachzulesen.

Porträts von Menschen, die ich auf dem Fussballplatz getroffen habe Immer wieder habe ich an Fussballspielen Menschen getroffen und ein paar Worte mit ihnen gewechselt. Auf dem Heimweg habe ich manch mal gedacht: Was machen sie wohl neben dem Fussballplatz? Wie leben sie? Ich habe gespürt, dass diese Personen mich interessieren. Dann habe ich mich mit ihnen verabredet, habe gefragt, zugehört, notiert und formuliert. So sind meine FussballMenschen «auf die Welt» gekommen. Ich habe sie in diesem Buch so in eine Reihe gestellt, wie ich sie in mei nem Leben getroffen habe. Jakob war der erste, Corina die letzte.

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2 René Rieser, Widnau Im Frühling 1960 trete ich in Widnau meine erste Stelle als Primarlehrer an. In der fünften Klasse sitzt ein guter Schüler, der im Sportunterricht alles kann. Wie wenig ihm fehlt, um später im Fussball eine grosse Kar riere zu machen, und dass er doch noch zu Länderspiel-Einsätzen kommt, erfahren Sie im Text René, Talent im Tor auf Seite 29. Den Fussballgoalie René Rieser habe ich nie aus den Augen verloren. Bei de waren wir ja immer im Fussball unterwegs. Wir sind es noch heute.

1 Jakob Schäfler, Gossau Im Jahr 1956 bin ich 16-jährig, wohne in St. Gallen-Bruggen und spiele Fussball mit den Junioren des FC Winkeln. Diesmal ist es ein Spiel aus wärts beim FC Gossau. Als Linienrichter amtet dort ein junger Mann mit Trisomie 21. Ich versuche, während des Spiels mit ihm in Kontakt zu kommen, aber er weist mich ab. Mit dem Gegner spricht er prinzipiell nicht. Wie wir beiden uns dennoch kennenlernen, und wie wir schöne und traurige Momente miteinander erleben, lesen Sie im Porträt Jakob, der Zeremonienmeister auf Seite 19. Jakob Schäfler ist der einzige Nicht-Rheintaler, der in dieser Porträt sammlung Platz gefunden hat, und der Einzige aus dieser Reihe, der nicht mehr unter den Lebenden weilt. Alle weiteren FussballMenschen habe ich im Rheintal getroffen, und alle sind noch wohlauf.

Vom Training verstehe ich einiges, aber in Sachen Mannschaftsführung habe ich Unterstützung nötig. Da ist es gut, dass mich zwei richtige Wid nauer begleiten, der eine als Coach, der andere als Torhütertrainer. Die beiden sind loyal, beraten mich gut und stehen zu meinen Entscheiden. Wir erleben gemeinsam zwei erfolgreiche Jahre, zwar ohne Aufstieg, aber immer in den vorderen Rängen. Wie es damals war und wie die beiden heute leben, schildere ich in der Geschichte Jacques und Röbi, meine Stützen auf Seite 59.

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Jacques Widmer und Röbi Heule, Widnau

3 Kurt Weder, Diepoldsau Im November 1972 sollte ich in Arbon ein Referat vor Schiedsrichtern halten. Auf der Autofahrt dorthin spüre ich Druck auf dem Herzen, muss mehrmals anhalten und komme verspätet an. Die Schiedsrichter handeln schnell. Die Ambulanz bringt mich ins Kantonsspital nach St. Gallen, wo glücklicherweise Entwarnung gegeben wird. Zwei Schieds richter aus Diepoldsau bringen mein Auto in der Nacht nach Widnau.

Einen der beiden treffe ich später immer wieder beim Fussball. In sei ner lückenlosen Einsatz-Buchhaltung hat er jedes Spiel, das er geleitet hat, erfasst. Sie erfahren mehr über Kurt, die Schiedsrichter-Legende auf Seite 39. Kurt Weder hat sogar einmal einen Cupfinal geleitet, und er pfeift heute noch, 76-jährig, Spiele der D-Junioren.

4 Ernst Hasler, Widnau Im Jahr 1974 wird er Turnlehrer an der Sekundarschule in Widnau. Spä ter schreibt er mit dem FC Altstätten Fussballgeschichte. Er bringt es als Assistenztrainer bis in die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.

Dass es aber nicht immer aufwärts gehen kann, zeigt das Porträt Ernst, Realist im Auf und Ab auf Seite 49. Heute ist Ernst Hasler ein Fan des FC Widnau. Der Ball, mit dem er im mer noch gerne spielt, ist kleiner geworden. Nach dem Fussball folgte der Tennisball, heute ist es der Golfball. In diesem Spiel ist er, familien intern, die Nummer zwei.

Jacques Widmer, meinen damaligen Coach, sehe ich mit Sicherheit an jedem FCW-Heimspiel, und Röbi Heule, meinen Torhütertrainer, treffe ich in der warmen Jahreszeit am frühen Abend ebenso sicher beim Bier im Gasthaus am Rohr, einer gemütlichen Gartenwirtschaft ennet dem Rhein im Lustenauer Riet.

In den Jahren 1979 bis 1981 trainiere ich den Zweitligisten FC Widnau.

8 Markus Stark, Diepoldsau Als Instruktor leite ich in der Ostschweiz Kurse für angehende Traine rinnen und Trainer. Beim Kurs in Rebstein im Jahr 1985 sind zwei Leh rer aus Flums dabei. Sie engagieren sich später in der Ausbildung von Junioren. Beide treffe ich immer wieder. Einer wohnt jetzt ganz in mei ner Nähe. Das Porträt über einen Mann, der im grossen und im kleinen Fussball daheim ist, lesen Sie unter dem Titel Markus, stark und konsequent auf Seite 89. Markus Stark ist nun pensioniert. Er ist der «Mister CS-Cup», also der Mann, der im Kanton St. Gallen die jährlichen grossen Fussballturniere für zehntausend Mädchen und Knaben organisiert. Sein Turnier ist das grösste in der ganzen Schweiz.

7 Jürg Nüesch, Balgach

In «meinem» Team des FC Widnau stürmt ein talentierter junger Mann, der auch im Studium erfolgreich ist. Er schliesst es mit dem Doktortitel ab. Er heiratet eine Vorarlbergerin, die wohl seinetwegen mit Fussball spielen beginnt. Zwei ihrer drei Kinder sind im FC. Erfahren Sie mehr über die Familie Köppel, gerne auf dem Fussballplatz auf Seite 69. Für die Eltern Elfi und Marcel Köppel und ihre Kinder Nicolas und San dra ist der Fussballplatz Aegeten das zweite Daheim. Das dritte Kind ist auch gerne dort, aber Fussball spielen kann Michelle nicht.

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6 Elfi, Marcel, Michelle, Nicolas und Sandra Köppel, Widnau

In der Schule ist er ein fauler Kerl. Das ändert sich schon in der Lehre. Er übernimmt Verantwortung. Heute ist er Verkaufsleiter Ost bei der Keramik Laufen AG. Im Fussball ist er von Anfang an mit Begeisterung dabei, zuerst beim FC Widnau, dann in Rebstein und in Montlingen, im mer im Tor. Das ist aber erst der Start ins Fussballleben. Seinen Weg in den internationalen Fussball schildere ich unter Jürg, der Zuverlässige auf Seite 79. Jürg Nüesch aus Balgach macht Karriere im Ausland und kommt in sei ner langen Aktivzeit sogar zu Einsätzen im Europacup.

10 Peter Lippus, Widnau Nach den Sommerferien 1987 beginne ich mit neuen Schülern. Am El ternabend sehe ich die Eltern von Yvonne zum ersten Mal. Später be merke ich, dass Yvonnes Vater ein eifriger Journalist ist. In der Zeitung finde ich seine Texte über Natur und Gärtnern. Das ist zwar nicht meine Welt, aber ich bewundere Engagement und Wissen des Mannes. Dann sehe ich den Gärtner sogar auf dem Fussballplatz. Bei einem Gönner apéro «seines» FC Au-Berneck lädt er mich kurzerhand ein, obwohl ich nicht zu den «Berechtigten» gehöre. So erzähle ich gerne über Peter, Goalie und Gärtner auf Seite 109. Peter Lippus ist seit elf Jahren pensioniert. Aber das heisst eigentlich nichts. Er ist immer noch fleissig. Seine Gartentexte wird man auch in den nächsten Jahren in der «LandLiebe» lesen können.

Ruth und Werner Zünd aus Rebstein sind aktive Menschen. Sie arbeitete bei «Rhomberg Schmuck» in Rebstein, er war Fussballtrainer. Nun sind beide pensioniert und haben erstmals seit Langem wieder eine gemein same Aufgabe: miteinander leben. «Wir sind auf gutem Weg», sagt Ruth.

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9 Renato Tolfo, Rebstein Im Juni 1987 organisiert eine Bank in Heerbrugg einen Trainingstag für junge Fussballer. Ich stelle das Programm zusammen und leite die Trainings. Karl-Heinz Rummenigge, im Fussball eine grosse Nummer, damals 32-jährig und Spieler bei Servette Genf, zeigt Übungen und gibt Tipps. Unter den Teilnehmern ist auch ein begeisterter Torhüter. Jahre später ist er immer noch auf dem Fussballplatz anzutreffen, aber weit häufiger in der Kirche. Einiges aus seinem Leben erfahren Sie unter Renato, Pfarrer und Juve-Fan auf Seite 99. Renato Tolfo lebt in Rebstein. Da ist es nicht erstaunlich, dass der Pfar rer auch einen Bezug zum Bier hat, denn unweit seines Hauses braut man Sonnenbräu.

11 Ruth und Werner Zünd, Rebstein Am 1. Juli 1989 wird er Assistenztrainer beim grossen FC St. Gallen. Für ihn geht ein Traum in Erfüllung. Der Fussball bestimmt das Leben. Sei ne Frau ist ohne Fussball aufgewachsen, aber sie unterstützt ihren Mann – und findet ihren eigenen Weg. Wie sich die beiden in ihren Berufen engagieren, beschreibt der Text über Ruth und Werner, Schmuck und Ball auf Seite 117.

13 Manfred Bischofberger, Rebstein Viele Jahre lang finden B-Diplom-Kurse des Schweizerischen Fussball verbandes in Rebstein statt. Zusammen mit meinem Freund Gebi Bi schof, der die Kurse leitet, bin ich dort im Einsatz. Wir lernen engagier te junge Trainer kennen. Irgendwann in den 1990er-Jahren ist auch ein Einheimischer dabei, dem die theoretischen Bereiche nicht so liegen, der aber auf dem Feld fussballerisch und stimmlich überzeugt. Ihn ler nen Sie kennen in der Geschichte Der laute und der leise Mänf auf Seite 137.

14 Renate Sonderegger, Widnau Meine liebsten Kurse waren die Kinderfussballkurse. Ich habe mich für den kindgerechten Fussball eingesetzt. An so einem Kurs nimmt in den 1990er-Jahren eine Frau teil, die mit dem FC Bad Ragaz in der obersten Liga gespielt hat. Die Spitzenspielerin wird eine vorzügliche Trainerin. Aber sie wird schwer krank. Dass nicht nur der Ball, sondern auch der Herrgott in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt, lesen Sie im Porträt Renate, noch immer jung auf Seite 147. Renate Sonderegger aus Widnau, Mutter, Grossmutter und Religions lehrerin, trainiert heute noch junge Spielerinnen.

Manfred Bischofberger gehört heute noch zum FC Rebstein und ist bei jedem Spiel dabei. Aber seinen ganz grossen Erfolg hat er auswärts ge feiert.

12 Maria und Romeo Lüchinger, Kriessern Patrick, mein Sohn, spielt natürlich auch Fussball. Als er im Jahr 1991 als junger Spieler den Sprung in die erste Mannschaft des FC Widnau schafft, hat er einen erfahrenen Älteren neben sich, der ihm den Ein stieg erleichtert. Dieser humorvolle Fussballer und seine Frau sind heu te noch stets gemeinsam auf dem Fussballplatz. Früher spannten sie auch im Beruf zusammen. Wie die beiden harmonieren, lesen Sie in der Geschichte Maria und Romeo, ein gutes Team auf Seite 127. Maria und Romeo (oder besser: Celli) Lüchinger aus Kriessern haben als Bäckerehepaar alles gegeben. Jetzt geniessen sie den Ruhestand. Spa zieren, lesen – und Fussball. Ihre beiden Söhne prägen den FC Widnau.

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16 Esther Dierauer und Tinne Mazenauer, Berneck Fussballcamps werden Mode, also Ferientage für Kinder auf dem Fuss ballplatz. Im Jahr 2004 organisiert der FC Au-Berneck sein erstes Fuss ballcamp. Zwei Mütter engagieren sich, denn es soll ein kindgerechtes Camp mit polysportivem Hintergrund werden, ein Vergnügen für die Kinder – und kein Trainingslager für zukünftige Fussballstars. Wie die beiden Frauen zum Fussball kommen und wie sie das Fussballcamp er leben, steht in der Geschichte Esther, Tinne und das Fussballcamp auf Seite 167.

15 Adi Brunner, Kriessern Im Jahr 2003 spielt der FC Widnau in der 2. Liga. Wie so oft beim FCW, sind auch einige Auswärtige dabei. Für die meisten ist Widnau nur Zwi schenstation. Nicht aber für den Mann aus dem Raum Wil. Nach dem Ende der Spielerlaufbahn wird er Assistenztrainer und bleibt über fünf Jahre in diesem Amt. Dann hat er seine «Trainerlehre» abgeschlossen und übernimmt wohlvorbereitet den FC Altstätten. Wie er diesen Verein an die Spitze führt und dennoch nicht aufsteigt, schildert der Text Adi, Fussballer mit Leidenschaft auf Seite 157.

Adi Brunner trainiert nach einer zweijährigen Pause «seinen» FC Alt stätten ein zweites Mal. Im Sommer 2021 ist dieses Team in die 3. Liga abgestiegen. Adi ist der Chef, und Sahin Irisme, ein treuer Wegbegleiter, sein Assistent. Der nächste Aufbau beginnt.

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Esther Dierauer und Tinne Mazenauer haben sich auf dem Fussballplatz in Berneck kennengelernt. Ihre Kinder wollten Fussball spielen.

17   Julian Bösch, Altstätten Im Jahr 2007 spielt ein junger Mann zum ersten Mal in der ersten Mann schaft des FC Altstätten. Eine schöne Fussballkarriere beginnt. Er ist gross, technisch versiert und hat eine ausgezeichnete Spielübersicht, ist also der geborene Regisseur. Lernen Sie den Spielmacher und seine Freunde kennen im Text Julian, Stratege im Mittelfeld auf Seite 177. Der Mittelfeldspieler, das ist Julian Bösch, seine besten Freunde heissen Beni Frei und Ramon Gächter. Vielleicht hat Julian wegen seiner Freun de auf einen Karriereschritt verzichtet. Im Beruf ist Julian ebenso er folgreich wie im Fussball.

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Dominik Sieber ist ein Allrounder. Im FC Montlingen sorgt er als Medi enverantwortlicher vor allem dafür, dass sich der Verein gut präsentiert. Auch im Beruf ist er mit dem Fussball verbunden. Er arbeitet bei «Son nenbräu» in Rebstein. Fussball und Bier, das passt.

19 Rahel Hasler, Altstätten Für die Fussballbeilage als Vorschau auf die Saison 2017/2018 schreibe ich im «Rheintaler» einen Text über eine Schiedsrichterin. Im Gespräch mit ihr fallen mir die knappen, wohl überlegten Antworten auf. Drei Jahre später sehe ich sie als Assistentin bei einem Spiel der St. Galler Frauen in der obersten Liga im Fernsehen. Sie ist weit gekommen. Das Porträt einer selbstbewussten jungen Frau finden Sie unter Rahel, gut unterwegs auf Seite 195.

18 Dominik Sieber, Montlingen Der FC Montlingen weiht im Herbst 2014 sein neues Clubheim am Kol benstein ein, unter anderem mit dem Meisterschaftsspiel gegen den FC Rebstein. Ein Freudentag? Der OK-Chef ist traurig, weil «sein» FC ver liert, schliesslich gehört er zum Kader der ersten Mannschaft. Aber er kommt nicht zum Einsatz. Er ist Ersatztorhüter. Wie er im Leben durch Lernfreude zur Nummer eins wird, lesen Sie unter Dominik, nur im Tor die Nummer zwei auf Seite 187.

Rahel Hasler aus Altstätten ist nicht nur im Fussball auf gutem Weg. Sie studiert an der Hochschule Rapperswil Maschinenbau.

20 Kuno Jocham, Altstätten Am 26. Mai 2019 findet auf dem Sportplatz Aegeten in Widnau das St. Galler Kantonalschwingfest vor 5700 Zuschauerinnen und Zuschau ern statt. Einen wesentlichen Anteil am perfekten Gelingen dieses Fe stes hat der OK-Vizepräsident. Er ist auch Präsident des FC Widnau. Mit diesem Engagement beweist er, dass er über den Fussballplatz hinaus denkt. Wie erfolgreich der FC-Präsident auch im Beruf ist, schildert die Geschichte Kuno, einer, der Menschen mag auf Seite 205. Kuno Jocham ist im FC Widnau gross geworden, weniger als Spieler, vielmehr als Wegbereiter und Ideenvermittler. Und als einer, der nicht in der vordersten Reihe stehen muss.

22 Corina Grüninger, Widnau Sie steht bei den Frauen des FC Widnau im Tor. Klar, dass sie einen gros sen Teil ihrer sportlichen Aktivität mit den Händen ausübt. Aber eigent lich ist sie Spezialistin in Sachen Füsse. Sie arbeitet als Orthopädistin. Im Frühling 2021 treffe ich mich mit dieser jungen Frau. Ihr Chef be zeichnet sie als Teamplayerin, und der Trainer weiss, dass sie immer dabei ist, wenn etwas läuft. Ich stelle vor: Corina, mit Hand und Fuss auf Seite 227. Corina Grüninger stammt aus einer Familie, in der Fussball überhaupt keine Rolle spielt. Auch ihr ist der Fussball gar nicht so wichtig. Viel wichtiger sind ihr die Mitspielerinnen. Seite 236

21 Ali Jusefi, Diepoldsau Im Herbst 2019 fällt in einem Spiel in Diepoldsau ein Mittelfeldspieler im Heimteam auf. Klein, flink, geschickt. Nach dem Match spreche ich mit ihm und schreibe für den «Rheintaler» eine Geschichte unter dem Titel «Der Afghane ist jetzt ein Schweizer». Damit ist unsere Zusammen arbeit noch nicht abgeschlossen. Dieser Mann hat mein Interesse ge weckt, und darum finden Sie seinen Weg aus seiner Heimat in unser Land unter dem Titel Ali, Flucht ins Glück auf Seite 217.

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Schlusspfiff

Ali Jusefi ist jahrelang unterwegs, meistens vorwärts, westwärts. Und auch heute noch, sesshaft in Diepoldsau, ist er täglich auf Achse. Beruf lich im gelben DHL-Auto.

Dominique Blanc Präsident FussballverbandSchweizerischerSFV

Der SFV sorgt dafür, dass Fussballerinnen und Fussballer in 1351 Vereinen jedes Wochenende ihren Lieblingssport ausüben können. Dominic Blanc stammt aus Lausanne, war früher Schiedsrichter in der 1. Liga und Assistent in der Nationalliga A. Er sagt: «Der Fussball ist nicht nur ein grossartiger Sport auf dem Spielfeld, sondern auch ein soziales Phänomen. Fussball vereint, bringt Lebensfreude und leistet einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit. Fussball ist ein starkes Instrument der Integration und des sozialen Zusammenhalts. Fussball ist Lebensschule für individuellen und kollektiven Erfolg. Für viele von uns zieht sich der Fussball wie ein roter Faden durchs Leben. Zusätzlich zu den 290 000 lizenzierten Spielerinnen und Spielern unseres Verbandes bringen täglich 55 000 Freiwillige ihre Zeit und ihr Können ein, um unsere Mission zu erfüllen: Für einen besseren Fussball! Für alle! In der ganzen Schweiz! Es ist mir eine besondere Ehre, einem Verband vorzustehen, der ein Pfeiler unserer Gesellschaft ist und dessen Werte auf der ganzen Welt geteilt werden.»

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Zeremonienmeisterder

Jakob Schäfler, Gossau Der(1942–2010)grösste

Der Seitenlinie entlang liegt das Reich des 14-jährigen Jakob. In der Hand hält er die Linienrichterfahne, mit der er anzeigt, wenn der Ball das Spielfeld verlässt. Er nimmt seine Aufgabe ernst, verfolgt das Ge schehen genau, läuft hin zur Eckfahne und dann wieder zurück bis zur Mittellinie, so, wie es das Spiel eben erfordert. «Immer auf Ballhöhe» heisst das in der Schiedsrichtersprache, und das ist ein Kompliment. Wenn dann ein Ball wirklich einmal über die Seitenlinie rollt, streckt Jakob sein Fahne blitzschnell in die Höhe und blickt zum Schiedsrichter.

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Fan des FC Gossau Jakob,

Dieser übernimmt den Entscheid seines Assistenten und nickt ihm an erkennend zu. Jakob ist glücklich. Er hat gezeigt, dass er seine Aufgabe korrekt erfüllen kann. Ich weiss noch genau, wie ich ihn, als ich während des Spiels in seiner Nähe bin, anspreche. Ich will ihm sagen, dass er seine Sache gut macht.

Wir treffen uns im Jahr 1956 zum ersten Mal auf dem Sportplatz in Gossau. Das ist kein Zufall, denn beide lieben wir den Fussball. Ich bin Stürmer bei den Junioren des FC Winkeln, er ist Linienrichter beim FC Gossau. Immer auf Ballhöhe

Aber Jakob reagiert nicht, erwidert meinen Blick nicht, gibt keine Ant wort. Es ist klar: Ich gehöre nicht zum FC Gossau, ich bin aus Winkeln. Ich bin sein Gegner. Das ändert sich gut zwanzig Jahre später, als ich 1977 Trainer der ersten Mannschaft des FC Gossau in der Nationalliga B werde. Jakob gehört

immer noch zur Mannschaft, jetzt aber nicht mehr als Linienrichter, sondern als Maskottchen, als Fähnrich. Wir werden Freunde.

Jakob Schäfler kommt am 8. September 1942 als elftes von zwölf Kin dern in Gossau auf die Welt. Er hat Trisomie 21. Diese Behinderung hat auch Vorteile. Im Internet finde ich die folgende Charakterisierung: «Menschen mit Down-Syndrom besitzen ausgeprägte emotionale Fä higkeiten und ein sonniges Wesen. Sie sind liebevoll, zärtlich, freund lich und heiter. Zudem sind viele musikalisch begabt und haben ein ausgeprägtes Gefühl für Rhythmus.» Ja, genau so ist Jakob. Als Kind geht er zusammen mit seiner Schwester oft in den Kindergar ten. Dort ist er aufmerksam. Die Schule kann er allerdings nicht besu chen, er bleibt zu Hause bei den Eltern. Als er grösser wird, findet er einen Job, seine Lebensstellung. Er wird Ausläufer bei der Bäckerei Gehr in Gossau, bringt also jeden Tag Brot zu den Kundinnen und Kun den. Seine Nichte Susanne bezeichnet ihn liebevoll als Lebensmittel logistiker. Diese Aufgabe erledigt Jakob aufmerksam und freundlich. Auf ihn ist Verlass. An den Haustüren hat er Zeit für einen Schwatz. Kein Wunder, dass ihn bald ganz Gossau kennt. Er wird zum Dorforiginal. Zusätzlich hat Jakob sogar einen Nebenberuf. Einer seiner Brüder ist Mesmer in der Pauluskirche. Ihm hilft er oft. Diese Aufgabe erledigt Jakob aufmerksam und freundlich. Auf ihn ist Verlass. An den Haustüren hat er Zeit für einen Schwatz. Kein Wunder, dass ihn bald ganz Gossau kennt. Jakob wird Mitglied beim Damenturnverein. Susanne schreibt über die se ungewöhnliche Mitgliedschaft: «Ob die vielen Frauen wegen Jakob in den Turnverein gekommen sind, oder ob Jakob wegen der vielen Frauen dort war?»

Jakob Schäfler, Gossau20

Lebensmittellogistiker

Heimspielzeremonie

Auf der Sportanlage Buechenwald hinter dem Bahnhof ist Jakob da heim. Wenn ein Fussballspiel stattfindet, ein Heimspiel des FCG, dann wird das Spielfeld für Jakob zur Bühne, dann hat er seinen grossen Auf tritt. Den Höhepunkt erreicht er im Sommer 1975, als der FC Gossau in die Nationalliga B aufsteigt. Beim Aufstiegsspiel gegen den FC Bern sind über 5000 Zuschauer anwesend. Aber auch im Nationalliga-B-Alltag zwei Jahre später, als der FCG in der gleichen Liga vor weniger als tau send Zuschauern gegen den Abstieg kämpft, steht Jakob vor Spielbeginn im ZehnMittelpunkt.Minutenvor dem Anpfiff marschiert Jakob im FCG-Trainingsan zug auf den Platz. Über die Schulter trägt er den weissen Fahnenträger gurt, im kleinen Köcher steckt die blauweisse FCG-Fahne. Die Fans be grüssen ihn mit Applaus. Im Mittelkreis stellt er sich auf und schwenkt seine Fahne langsam, weit ausholend, andächtig. Dann spaziert er zum ersten Tor, verneigt sich und schwenkt die Fahne erneut. Diese Seg nungszeremonie wiederholt er vor dem anderen Tor. Dabei macht er ein ernstes Gesicht, wirkt konzentriert.

An Festen und Feiern Jakobs Schwester Claire Brücker-Schäfler, in deren Familie er lange ge lebt hat, besorgt ihm ein Sennenkleid, also eine gelbe Hose, ein weisses Hemd, ein rotes Brusttuch mit Blumenverzierung, einen schwarzen breitkrempigen Filzhut und die goldene Ohrschuefe (eine kleine Schöpf kelle) als Schmuck am rechten Ohr. So tritt er an Familienfesten und Geburtstagen auf. Er kann, passend zur Kleidung, auch ein bisschen jo deln, und wenn er dann sogar, auf einem Stuhl stehend, aus einem Alp horn einen Ton herausbringt, ist das ein Ereignis, das dem Künstler grossen Applaus beschert. An Festen und Feiern steht er gerne auf und hält eine Rede. Das ist auch an seinem fünfzigsten Geburtstag so, den er 1992 im Paulus-Zentrum feiert. Von seinen Geschwistern erhält er an diesem Tag eine neue FCGFahne. Sie kommt nicht nur auf dem Fussballplatz zum Einsatz. Karl Schmuki und Ruedi Zingg schreiben in der Broschüre «100 Jahre FC Gossau – 1906 bis 2006»: «Köbi nahm damit auch regelmässig und mit grossem Stolz an den offiziellen Vereinsempfängen am Gossauer Bahn hof teil und präsentierte mit geschwollener Brust seinen FC Gossau.»

An diesem Geburtstagsfest beweist Jakob seine Musikalität und das Ge fühl für Rhythmus: Er dirigiert die Gossauer Bürgermusik.

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Das ist ideal für Jakob. So kann er zuerst seine Arbeit bei der Bäckerei Gehr verrichten, nachher bei Metzger Grüebler den Vorplatz wischen und kommt immer noch rechtzeitig zum Match. Nach Siegen strahlt Jakob. Und nicht selten hält er dann eine Ansprache an die Mannschaft. Er stellt sich auf einen Stuhl, fuchtelt mit den Armen in der Luft und ruft Unverständliches. Aber dazwischen versteht man das eine oder andere Wort, und den Sinn seiner Ansprache kennt man ohnehin. «Zuelose.» «FC Gossau.» «Guet gspielt.» «Gwonne!» «Bravooo!» «Zigi-zagi!» Zum Auswärtsspiel Ein Auswärtsspiel am Samstag? Da ist Jakob unabkömmlich. Der Beruf geht vor: «Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.» Aber glücklicherwei se finden Auswärtsspiele auch am Sonntag statt. Die Fahrt zum Spiel wird für Jakob jeweils zum schönen Ausflug. Vor der Abreise werden die Sporttaschen der Spieler in den Kofferraum des Cars verstaut. Jakobs Fahne hat dort ihren festen Platz. Bis der Kof ferraum abgeschlossen wird, behält er sie im Auge. Einmal, so hat man mir erzählt, versteckte der Spieler Angelo Sieber die Fahne kurz vor der Abfahrt. Sobald Jakob dies entdeckte, geriet er völlig aus der Fassung, wurde unruhig, raste hin und her und bat um Hilfe. An eine Abfahrt war nicht zu denken. Erst als der «Dieb» die Fahne wieder am richtigen Ort platziert hatte und der Kofferraum abgeschlossen war, konnte die Reise Dieserbeginnen.Unfug hatte für Angelo Konsequenzen. Jakob nahm sein kleines Notizheft hervor. Da waren die Namen aller Freunde notiert, die er zu seinem runden Geburtstag einladen wollte. Einen Namen strich er: «Angelo nöd.»

Die Heimspiele des FC Gossau finden oft am frühen Samstagabend statt.

Jakob Schäfler, Gossau22

Dann folgt der Höhepunkt. Jakob stellt sich vor den FCG-Fans auf. Jetzt ertönt sein Schlachtruf: «Zigi-zagi zigi-zagi hoi-hoi-hoi!» Die Fans ant worten lautstark mit dem gleichen Spruch, und Jakob dirigiert dazu. Auch das wiederholt sich. Nun begibt sich Jakob an den Spielfeldrand an die Stelle, wo sich die beiden Mannschaften und das Schiedsrichtertrio für den Einmarsch bereit machen. Er begrüsst die drei Spielleiter und die beiden Captains mit Handschlag. Dann führt der Fähnrich die Ak teure aufs Feld. In der Spielfeldmitte endet sein Auftritt. Er eilt nach draussen und versorgt seine Fahne. Das Spiel beginnt.

Trost von Jakob Zu meiner Zeit verliert der FC Gossau häufiger, als er gewinnt. Am Schluss der Saison 1977/1978 steigen wir nach drei Jahren Nationalliga B in die 1. Liga ab. Kein schönes Ereignis, aber alle tragen es mit Fassung. Niederlagen bedrücken Jakob schon, aber er bleibt immer korrekt, im mer sportlich-anständig. Ich habe gehört, dass er das Niederlagenresul tat jeweils auf einem Zettel notiert. Wenn ihn dann einer auf dem Heim weg nach dem Ergebnis fragt, muss er nicht antworten. Er holt nur den Zettel aus dem Sack, hält ihn dem Frager vors Gesicht und flüstert: «Nöd Eswitersäge.»isteingrauer

Herbstsonntag im Jahr 1977. Das Spiel ist vorbei – wir haben schon wieder verloren, weshalb der Tag noch grauer wird. Rasch nach dem Match verabschiede ich mich von den Spielern und gehe im Trainingsanzug auf die nahe Finnenbahn. Da kann ich mir die Sorgen und die Enttäuschung von der Seele laufen. Ich bin allein, drehe meine Runden und versuche, die schlechten Gedanken zu vertreiben. Dieses Auslaufen wird wohl eine Stunde gedauert haben. Ich kehre auf den menschenleeren Fussballplatz zurück, innerlich ein wenig ruhiger als vorher, aber immer noch traurig. Auf der Bank, neben meinen Kleidern, sitzt Jakob. Er hat lange gewartet, aber er hat gewusst: Der Trainer kommt noch. Jakob schaut mich mit grossen Augen an, steht auf und umarmt mich. Lange, wortlos. Ich betrete die Garderobe – und staune. Auf der Bank, neben meinen Kleidern, sitzt Jakob. Er hat lange gewartet, aber er hat gewusst: Der Trainer kommt noch. Jakob schaut mich mit grossen Augen an, steht auf und umarmt mich. Lange, wortlos. Ich gehe unter die Dusche. Jakob be gleitet mich. Er lässt mich nicht allein. Was für ein schöner Trost! Zu Besuch Im Frühling 1978 laden wir Jakob zu uns nach Widnau ein. Ich hole ihn in Gossau ab. Auf seinen Wunsch besuchen wir vor der Abfahrt das Hochamt in der Andreaskirche. Ich merke sofort: Auch hier ist er da heim. Er ist aufmerksam, betet mit. Als ich ihm während des Gottes diensts etwas zuflüstern will, schaut er mich streng an und hält den Zei

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gefinger vor die Lippen, so, als wollte er sagen: «Weisst du denn nicht, wie man sich in einer Kirche benimmt?» Er verfolgt die kirchlichen Ze remonien andächtig und beobachtet, wie sich der Pfarrer verneigt und wie er das Rauchfass schwingt. In diesem Moment wird mir klar, woher Jakob die Segnungszeremonie kennt, die er jeweils vor einem Match ze Wirlebriert.fahren

Beim Mittagessen schneidet Jakob die Speisen sorgfältig, führt sie mit der Gabel sicher zum Mund, isst langsam, kaut mit geschlossenem Mund, legt das Besteck gelegentlich wieder neben den Teller und wischt sich vor dem Trinken mit der Serviette den Mund ab. Nach dem kleinen Schluck hat er Zeit für ein paar Worte, nachher isst er konzentriert wei ter. Diese Tischmanieren! Eine Karte zum Abschied Im Oktober 1978 verlasse ich auf eigenen Wunsch den FC Gossau, mitten in der Saison. Ich bin mit mir nicht im Reinen, kann mich von der Mann schaft und von Jakob nicht verabschieden, kann aber eine grosse Last zur Seite legen. Ich spüre, dass ich nicht der richtige Mann fürs Fussball geschäft mit den Erwachsenen bin. Bald entdecke ich den Kinderfuss Zumball.

Jahreswechsel 1978/79 schicke ich meinem Freund Jakob in Gossau eine Neujahrskarte. Von seiner Schwester weiss ich, dass er sie bis an sein Lebensende an der Wand in seinem Zimmer aufgehängt hat. Jakob hat mir zurückgeschrieben, mit Kugelschreiber: «Herzlichen Dank und alles Gute im neuen Jahr. Jakob.» Daneben hat er seine FCG-Fahne ge zeichnet, auf der anderen Seite einen Fussball. Ich werde seine Karte bis an mein Lebensende aufbewahren. Dann haben wir uns nur noch selten gesehen. Als der FC Gossau im Jahr 1993 wieder in die Nationalliga B aufsteigt, bin ich Radiojournalist und Jakob

Schäfler, Gossau24

nach Widnau. Vor dem Mittagessen haben wir Zeit, die Aus stellung der Handarbeiten im Singsaal des Schulhauses Wyden zu be suchen. Claudia und Christa, meine beiden Töchter, dreizehn und elf Jahre alt, begleiten uns. Wir drei gehen durch die Ausstellung, betrach ten dieses und jenes und haben bald alles gesehen. Nicht so unser Be gleiter. Jakob beginnt seine Beobachtungen am ersten Ausstellungstisch und schaut die Gegenstände gründlich an. Auch wenn zehn ähnliche Holztierchen ausgestellt sind – jedem schenkt er seine Beachtung. Bald ist unsere Zeit um. Jakob ist nur ein paar Tische weit gekommen, aber das, was er angeschaut hat, hat er auch gesehen.

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gestalte fürs Regionaljournal Ostschweiz einen Beitrag, in dem auch Ja kob zu Wort kommt. Ich verabrede mich telefonisch mit ihm und bin gespannt, ob er mich überhaupt noch kennt. Ja, er weiss, wer ich bin: Er kommt mit meiner Neujahrskarte zum Interview! Bald wird es ruhig um Jakob. Den Aufzeichnungen seiner Nichte Susan ne entnehme ich, dass er sich im Jahr 2008 einer Hüftoperation unter ziehen musste. Später war er im Rollstuhl. Für kurze Zeit lebte er im Pflegeheim. Nachher kehrte er wieder in die Familie zurück. Er lebte in den Familien seiner Geschwister. Am Abend des 11. August 2010 starb er. Er bat seinen Bruder noch: «Mach mir no es Chrüzli.» Erinnerungen Jakobs Schwester Claire Brücker-Schäfler schreibt nach seinem Tod: «Für Jakob war der FC Gossau ein und alles. Mit euch Fussballern war er überglücklich.» Karl Schmuki und Ruedi Zingg, die Chronisten des FC Gossau, erinnern sich so: «Jakob, der grösste FCG-Fan aller Zeiten, war immer ein Vorbild. Er ist und bleibt eine Persönlichkeit, und viele Freunde schätzen ihn und seine Fröhlichkeit. Unser Köbi hat im FCG viele Präsidenten, Trainer und ganze Spielergenerationen überlebt –sein Herz schlägt blau-weiss. Er gehört zum FC Gossau und geniesst in unserer Stadt Kultstatus.» «Jakob, der grösste FCG-Fan aller Zeiten, war immer ein Vorbild. Er ist und bleibt eine Persönlichkeit, und viele Freunde schätzen ihn und seine Fröhlichkeit. Er gehört zum FC Gossau und geniesst in unserer Stadt Kultstatus.»

Karl Schmuki/Ruedi Zingg, Chronisten FC Gossau Am Mittwoch, 18. August 2010, nimmt eine grosse Trauergemeinde in der Pauluskirche Abschied von Jakob. Nach der fröhlichen Trauerfeier – oft habe ich geschmunzelt, gelegentlich gar gelacht – begeben sich sei ne Verwandten und Freunde ins Paulus-Zentrum zum Mittagessen. Ich bleibe einen Moment allein in der Kirche und verabschiede mich von meinem Freund. Und dann kommt mir eine Idee. In zehn Tagen bin ich mit meiner Pilgergruppe wieder auf dem Jakobsweg in Frankreich un terwegs. Jakobsweg! Jakob? Das passt.

abwechslungsweise

Jakob Schäfler, Gossau26

Also schildere ich in diesen Pilgertagen jeden Morgen im Rahmen einer Besinnung, während der wir zwei, drei Lieder singen, eine Episode aus dem Leben von Jakob Schäfler. Meine Begleiterinnen und Begleiter freuen sich auf jede neue Jakob-Geschichte. Sie schliessen ihn ins Herz. Am letzten Wandertag erzähle ich, dass Jakob vor drei Wochen gestor ben ist. Die Pilger werden still. Am nächsten Tag reisen wir mit unserem Kleinbus heim. Bei der Kapel le von Limon, südlich von Lyon, machen wir einen Halt. Es ist der 8. September, Jakobs Geburtstag. Wir singen, unter anderem auch «Frère Jacques», denn Jakob ist einer von uns. Er ist unser Bruder Jakob geworden. Bei dieser Geburtstagsfeier hören wir dieses Gedicht: Als Linienrichter machtest du gerne etwas Show, warst aufmerksam, gerecht, genau. Du zeigtest uns: Ist die Aufgabe auch noch so klein, die Ausführung muss stets tadellos sein. Brot hast du täglich in die Häuser gebracht und bei vielen Kunden einen kurzen Schwatz gemacht.

Ich kann mir keine schönere Zeremonie denken. Bei der Ausstellung hast du Werke betrachtet, hast keins übersehen, hast alle beachtet.

Wenn in Gossau ein Fussballspiel begann, dann warst du als segnender Fähnrich dran mit Zigi-zagi und Fahnenschwenken.

Du zeigtest uns: Nicht Hektik, nicht Oberflächlichkeit ist wichtig, sondern: Nimm dir Zeit!

Auf dich war Verlass, warst pünktlich zur Stell. Freundlich und genau, das war wichtig – nicht schnell. Auf dem Fussballplatz warst du daheim, da konntest du glücklich, fanatisch oder traurig sein. Doch auch in der Kirche bist du gern gewesen, das entsprach ganz deinem ruhigen Wesen.

Dein Garderoben-Trost tat mir so gut, du gabst mir damals wieder neuen Mut.

Jakob, als dein Weg dann zu Ende war, wurde uns allen nochmals klar: Wer glaubt, der hat es leicht im Leben. Dir, Jakob, war ein guter Tod gegeben. Oktober 2010 27

Du warst bei uns daheim am Tisch so aufgeweckt, so froh, so frisch, und zeigtest uns beim fein Dinieren deine perfekten Tischmanieren.

Ich bin noch heute voller Dankbarkeit, denn du zeigtest mir deine Feinfühligkeit.

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