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Monika Brunner-Fuchs Es ist immer etwas Gutes dabei …

edition punktuell Leseprobe

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Monika Brunner-Fuchs

Es ist immer etwas Gutes dabei ‌

edition punktuell


© 2018 by edition punktuell, CH-9103 Schwellbrunn Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck sind vorbehalten. Umschlaggestaltung: Janine Durot Umschlagbild: Monika Brunner-Fuchs Satz: Appenzeller Verlag, Schwellbrunn ISBN: 978-3-905724-59-2 www..editionpunktuell.ch


Inhalt

Wie es zu diesem Buch gekommen ist Einleitung Eltern und Geschwister Das Ried Heuen Die Krankheit der Mutter Schulzeit Keine Klosterfrau Freudenberg, lebe hoch! Fasnacht Palmen gegen Feuer Bittgänge Arbeiten und beten Frauenarbeit D Stääg Küchenlieder D Zwergli vo Oberegg Zwei alte Rezepte Niederhelfenschwil Zurück nach Appenzell Winterthur-Töss Auf dem Säntis Auf dem Weg zur Alp Bewerbungsschreiben In Trogen Verdunkelung Die Züglete Der Tod der Mutter In Winterthur

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Im Rheintal und im Bündnerland Für den Vater sorgen Zuzwil In Zürich Der Frauenalpenclub In der Letz Wiedersehen mit Hanni Zum ersten Mal schwanger An der Neugasse Der zweite Sohn Neue Werkstatt und Wohnung Die ersten Flachdächer Rückblende «Jakoblen» Ferienkolonie Kost und Logis Sturz vom Dach Die Jugendherberge Das Kind soll auf die Welt kommen Sanfte Landung Ein eigener Spengler Ein eigenes Geschäft Noch ein Dachdecker Durchs Brandenburger Tor Das fünfte Kind Hilfe im Haushalt Zu Fuss nach Lausanne an die Expo Ein Informatiker in der Familie Beim Katastrophen-Hilfskorps Auf der Sardonahütte Hilfe im Büro 6

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Die erste Tourenwoche Hilfe von aussen Im «Ländli» Auszug meines Briefs an den Bezirksammann in Nesslau Gestärkt nach Hause Rettungsversuch für das Geschäft Die neue Mieterin Der Anwalt Eine neue Anwältin Die eigene Wohnung Halbprivat versichert Der Brunner-Handel Das «Hüttli» im Steintal Gemeinsame Zeiten Familienfest in Zürich Der 12i-Club Familienfest ohne Albert senior In Uganda Geschäftsübergabe Zurück von Uganda Kochen und jassen Ein Unglücksfall Studium Tschechoslowakei Vulkane Die neue Freiheit Noch ein Prozess Ferienbrief aus Indonesien Samarinda Der Beistand Schmetterlingsball

98 99 101 103 109 111 112 113 115 117 119 120 120 122 123 124 124 126 128 129 131 131 132 132 133 135 136 138 143 144 145 7


Die liebenswerten Gärtner Meine Knieoperationen Griechenland Der Blindgänger Rund um den Bodensee Töff mit Seitenwagen Unterschriftensammlung Der 90. Geburtstag Auf dem Malanser Älpli Folgen der Scheidung Der Entschluss Albert Brunner senior Vielfältiges Angebot Eine erlebnisreiche Woche Carlo Schmid

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Dank

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Glossar Alpschtää-Schwiizerdütsch – Standard-Deutsch

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Wie es zu diesem Buch gekommen ist

In der deutlichen Erinnerung eines Sohnes der Autorin hatte sie den Ausspruch «Mein Leben würde ein Buch geben» bereits vor vierzig Jahren gemacht. In der Zwischenzeit ist viel Wasser die Thur hinuntergeflossen, und das Schreiben des Buches wurde nicht in Angriff genommen. Warum eigentlich nicht? Aus Bescheidenheit? Aus Angst, es könnte niemanden interessieren? Oder weil sie dachte: Ich habe ja bloss gelebt, das ist doch nicht wert, aufgeschrieben zu werden! An Weihnachten 2015 erzählte Monika Brunner im kleinen Kreis aus ihrem Leben. Die Schwiegertochter und der Sohn, bei der sie die Weihnachtstage verbrachte, fragte während ihrer Erzählung, ob sie das soeben Erzählte nicht aufschreiben würde. Ohne lange zu überlegen, stimmte sie zu. Ihr doch stattliches Alter hat nämlich auch bei ihr Spuren hinterlassen: Schreiben geht nicht mehr. Der findige Sohn hat kurzerhand ein Diktaphon organisiert und der Mutter die nötigen Instruktionen gegeben. So war dieses Hindernis des Nicht-mehr-Schreiben-Könnens aus dem Weg geräumt. Und so hat Monika Brunner ihr Buchprojekt anfangs Januar 2016 in Angriff genommen. Es ist ein Buch einer starken Frau entstanden. Aus Zeiten, als die Frauen als das schwache Geschlecht hingestellt und auch so behandelt wurden. Es ist die Geschichte einer Frau, die sich nicht beugen liess und den widrigen, auch gesellschaftlichen, Umständen trotzte – und dennoch dem Leben bis heute mit grosser Dankbarkeit und Freude begegnet. Wie heisst es in einem Vorwort von Michael Chabon zur Biografie seines Grossvaters? Auf die Frage, ob denn auch alles stimme, sagte er: «Es ist alles so, wie ich mich erinnern kann. Darüber hinaus kann ich für nichts garantieren.» 9


So sind auch in diesem Buch die Ereignisse aus subjektiver Wahrnehmung und Erinnerung dargestellt.

Andy Brunner 

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Einleitung

Es ist der 3. Januar 2016. Noldi ist vorbeigekommen und hat mir ein «Grätli» (Diktiergerät) mitgebracht. Nun kann ich meine Lebensgeschichte erzählen und muss sie nicht aufschreiben, das könnte ich nämlich nicht mehr. So habe ich die grösste Hoffnung, dass ich dieses Projekt jetzt in Angriff nehmen kann. Ich habe mich sehr gefreut auf dieses «Apparätli» und will nun mit meiner Geschichte anfangen. Nach dem Mittagessen bin ich ganz geschwind in den Keller, weil ich dort einen Schrank habe, indem ich Sachen aufbewahre. Ich habe eine Schachtel mit Todesanzeigen meiner Geschwister geholt, damit ich weiss, wie ich mit meiner Geschichte anfangen soll. Jetzt will ich von meinem Leben bis heute und ganz besonders von meiner schönen Jugend und meiner Dienstmädchenzeit erzählen. Denn ein Dienstmädchen zu sein in verschiedenen Haushalten ist eine gute Lebensschule. Heute fange ich ernsthaft an mit meinem Bericht! Ich habe mich letzte Woche vorbereitet, damit ich jetzt dranbleiben kann.

Eltern und Geschwister

Meine Eltern Anna Franziska und Johann Baptist Fuchs-Bischofberger hatten zehn Kinder. Wie erzählt wurde, waren die ersten beiden gestorben. Das dritte war Johann, Jahrgang 1908, es folgte Jakob‚ geboren 1910, dann sind zwei Mädchen gestorben. Beide bekamen den Namen Anna Maria. Als Lisi 1917 geboren wurde, sagte die Mutter: «Jetzt will ich nicht nochmal eine Anna taufen. Jetzt gibt es eine Maria Elisabeth.» 1921 kam Waldburga auf die Welt, am 20. April 1922 ich, und 1924 wurde Pirmin geboren. 11


Hochzeit der Eltern von Monika Brunner im Jahre 1904.

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Das Ried

Unmittelbar angrenzend an das Dorf Appenzell – im Dorf lebten die etwas vermögenderen Leute wie Lehrer und Geschäftsinhaber, aber auch Angestellte – wurde ein grosses Stück Boden in eine Stiftung gegeben. Diese Stiftung ermöglichte es nur armen Leuten, auf ihrem Boden zu wohnen, und zu diesen haben wir gehört. Wenn jemand von den armen Leuten heiratete, erhielt das Paar zwei Stück Boden, nicht als Geschenk, aber zur Nutzung. Sie konnten es als Garten nutzen oder darauf machen, was sie wollten. Man nannte diesen Boden Brache. Ein Stück unseres Stiftungsbodens befand sich gleich beim Dorf aufwärts und ein zweites Stück viel weiter oben gegen den Wald. Auf dem Stück, das beim Dorf war, hatten meine Eltern ihr Wohnhaus. Dort durfte ich aufwachsen, und ich hatte es schön mit meinen Eltern und meinen Geschwistern. Zwar waren vor meiner Zeit vier meiner Geschwister verstorben, zuletzt waren wir nur noch zu sechst, drei Buben und drei « Meedlä». Pirmin kam 1924 als letztes (10.) Kind dazu. Ich bin das zweitjüngste gewesen. Auf diesem Stiftungsboden gab es eine grosse Ziegelei und dort arbeitete mein Vater. Sein Chef wohnte in Appenzell und hatte zwei ledige Schwestern. Diese sind jeweils kurz vor Weihnachten zu uns Kindern gekommen. Die ältere der Schwestern war eine grosse Frau, die jeweils der Bischof, der Sankt Nikolaus, war, und die jüngere Schwester war der Knecht Ruprecht und durfte uns Geschenke verteilen. Diese waren sehr reichhaltig: Schuhe, Kleidung, Spielsachen und Esswaren. Heute würde man wahrscheinlich sagen, der 13. Monatslohn. Diese Stiftung wird in der Jubiläumsschrift «500 Jahre Stiftung Ried» beschrieben. Dort kann man nachlesen, wer die edlen Stiftungsgründer waren. Im Wald auf der oberen Brache durfte man 13


Holz für den Eigengebrauch sammeln und einen Christbaum holen. In der Jubiläumsschrift sehe ich das Haus abgebildet, in dem meine Mutter aufgewachsen ist. Jetzt ist es renoviert. Ich glaube nicht, dass es damals schon so schön war. Mutter war das einzige Kind in ihrer Familie. Die Grossmutter und ihre Schwester hatten dort gewohnt, beide waren wegen dem grauen Star blind. Natürlich waren alle froh, als meine Mutter heiratete und es wieder einen Mann im Haus gab. In diesem Haus bekam meine Mutter die ersten Kinder; wie viele dort geboren wurden, weiss ich nicht. Ich erinnere mich erst an mein Elternhaus auf der Riedbrache in der Nähe des Pulverturms.

Heuen

Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, hatte einen grossen «Heughalt». Im grossen Riedgaden hatte es grössere und kleinere Abteile. Darin konnten die Riedler ihr Heu aufbewahren. Wahrscheinlich brauchten sie das Heu für ihre Kaninchen. In diesem Riedgaden stand eine grosse Heupresse, die allen Riedgenossen gehörte. Wer Heu pressen wollte, konnte sie mieten oder gratis benützen. Sie war auf Rädern und wurde vor das Haus gefahren, wenn es etwas zu pressen gab. Weil mein Vater viele Brachen gepachtet hatte von Leuten, die nicht selber heuen und emden wollten, hatten wir einen grossen «Heughalt» für unser Heu. Wir konnten es immer dem gleichen Bauern verkaufen; das geschah jeweils vor der «Chilbi» im Herbst. Er holte das Heu mit Ross und Wagen. Bevor der Bauer, der in der Lank zu Hause war, es kaufte, mussten wir schauen, dass wir die Heupresse benutzen konnten. Wir Kinder bekamen einen Tag schulfrei, wenn wir Heu 14


Geburtshaus von Monika Brunner-Fuchs.

pressen mussten. Wir warfen das Heu oben aus dem Gaden, die Männer warfen es in die Presse. Auf beiden Seiten drückte je ein Mann einen Hebel. Damit wurde das Heu zusammengedrückt, bis es einen festen Ballen bildete. Dann stiess man Drähte durch einen Kanal und band die Heuballen damit zusammen. Je besser das Jahr war, desto mehr Heu gab es. Je mehr Heu wir auf die Waage brachten, desto mehr Geld gab es. Aus diesem Geld zahlte der Vater den Martinizins, den Hauszins und den Brachenzins. Der betrug etwa fünf Franken. Der Vater leerte den Güllenkasten, um die Brachen «z bschütten». Auch dabei mussten wir manchmal helfen. Der Güllenwagen hatte einen Deckel, damit die Gülle nicht herausschwappte, wenn es holperte. Wenn der Wagen schwer war, band der Vater vorne links und rechts Stricke an, und 15


Burga und ich mussten ziehen helfen. Der Vater hat dann gestossen und «gwiiselet». Wir waren immer sehr froh gewesen, wenn solche Sachen gut und unfallfrei über die Bühne gingen. Manchmal, wenn das Wetter «ruuch» und das Heu nicht ganz trocken war, hatte es «vergroobeti Bletz» im Heu. Die mussten wir herauslesen und es gab weniger Heu. Wenn es die ganze Woche geregnet hatte und am Sonntag schön war, mussten wir morgens um acht in die Kirche. Wir rannten nach Hause und sagten: «Der Pfarrer hat gesagt, wir dürfen heute heuen!» Man musste vom Pfarrer die Bewilligung zum Heuen am Sonntag einholen. Wenn wir nach Hause kamen, hatte der Vater normalerweise schon angefangen und sagte: «Die da unten haben gut sagen. Die haben zu essen, ob es regnet oder die Sonne scheint.» Er hatte Recht. So war das. Noch etwas zum Riedgaden: Wenn man mit jemandem abmachte, sagte man immer: «Wir treffen uns beim Riedgaden.» Jedes Jahr fand die Riedgemeinde – die Versammlung der Ried-Genossenschafter – im Riedgaden statt. Dann sagte man zueinander: «Gehst du auch an die Gemeinde? An die Riedgemeinde?» Und man antwortete: «Ja, sowieso! Das darf man nicht verpassen.»

Die Krankheit der Mutter

Als Pirmin fünfjährig und ich sieben war, wurde die Mutter sehr krank. Im Kreis der Familie versprach uns unsere Mutter: «Wenn ich gesund werden darf, gehe ich jeden Morgen in die Messe. Wenn ich nur leben darf, bis Pirmin achtzehn ist.» Das machte sie dann auch, als sie wieder gesund war. Meine Mutter ging zu ihrem Hausarzt im Dorf Appenzell, der an der Engelgasse wohnte. Sein Haus sah fast wie ein Schloss aus. Es hatte eine hohe Mauer darum 16


herum. Der Doktor fragte sie, wie sie sich ernähre, was sie esse. Dann musste sie es sagen. Um zu erklären, was sie gegessen hat, muss ich weiter ausholen. Unter dem «Heughalt» hatte der Vater einen Schweinestall eingerichtet. Die Mutter kannte einen Bauern, der Schweine züchtete. Und wenn es ein überzähliges Ferkel gab, für das die Muttersau keinen Strich zum Säugen mehr hatte, bekam meine Mutter das «Säuli». Sie fütterte es. Das Futter kaufte sie oder bekam es geschenkt. Hauptsächlich waren es Abfälle, die sie von einer Freundin bekam. Dort konnte sie am Abend Abfallgemüse und «derigs» holen. Das kochte sie und fütterte das Schwein damit, bis es ein gewisses Gewicht hatte. Dann brachte sie es zu einem Metzger. Der Metzger kaufte das Fleisch. Aber ein schönes Stück räucherte meine Mutter. Dieses geräucherte Fleisch hatte sie so gern, dass sie immer wieder ein Stücklein davon abschnitt. Das war ihr zum Verhängnis geworden. Zum Glück merkte der Doktor das und konnte ihr helfen. Als sie wieder gesund war, ging sie wie versprochen jeden Tag in die Messe. Das hielt sie ein. Sie hatte drei Möglichkeiten: Sie konnte ganz früh am Morgen ins Kapuzinerkloster oder später in die Pfarrkirche oder dreimal in der Woche ins KIösterIi, in die schöne Kirche des Frauenklosters gehen.

Schulzeit

Die Ziegelei war nicht weit von unserem Haus entfernt. Ich durfte den Vater abholen, wenn er Feierabend hatte. Dann sagte er jeweils: «So, so, Chruseli. kommst du mich abholen?» Das liegt schon so lange zurück. Als ich eingeschult wurde, durfte ich in die Klosterschule im Frauenkloster in Appenzell. «Maria, der Engel» hat es geheissen. 17


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