Appenzeller Magazin Mai 2020

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Judith Bischofberger führt mit ihrem Mann in Büriswilen im Appenzeller Vorderland – der Weiler gehört zum Innerrhoder Bezirk Oberegg – einen Biobauernhof, den «Sunnehof». Die 52-jährige Bäuerin ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Die Produkte vom Hof und die hausgemachten Spezialitäten aus der Hofbackstube verkaufen Bischofbergers am St. Galler Bauernmarkt.

Natur bekommt höheren Stellenwert Was macht Ihnen an der Coronakrise am meisten Angst? Die Coronakrise macht mir keine Angst. Natürlich stimmen mich die Bilder in den Nachrichten nachdenklich, und die Einzelschicksale vieler direkt Betroffener berühren mich. Trotzdem erachte ich diese Krise auch als Chance. Ich glaube, dass das «Immer mehr», «Immer schneller» und «Alles zu jeder Zeit» seinen Höchststand erreicht hat. Viele bekommen durch diese Krise eine andere Sichtweise. Wie erleben Sie in der Krise Solidarität? Helfen Sie selbst? Wird Ihnen geholfen? Da wir momentan unseren Verkaufsstand am Bauernmarkt in St. Gallen nicht aufstellen dürfen, haben wir auf Anregung einiger Kunden kurzerhand einen Hauslieferdienst aufgebaut. Wir schätzen es sehr, dass dieses spontane Angebot viele Bestellungen ausgelöst hat und wir dadurch in der Selbstvermarktung unserer Hofprodukte unterstützt werden.

Hat sich Ihre Einstellung zur Politik, zum Föderalismus, zur Armee, zur Wirtschaft, zur Globalisierung geändert? Wir leben in einem gut organisierten Staat. Wichtig ist vor allem, dass jeder seine Eigenverantwortung wahrnimmt. Ein Blick auf die Zeit nach Corona: Wird die Welt eine andere sein, und wird sich die überstandene Krise auf Ihr Handeln auswirken, beispielsweise bezüglich Mobilität, Umweltschutz und Konsum? Wir werden weiterhin überzeugt unseren Weg gehen. Wir bewirtschaften unseren Hof seit dreissig Jahren biologisch. Biodiversität und Produktion haben einen hohen Stellenwert. Da meine letzte und einzige Flugreise gut zwanzig Jahre zurückliegt, werde ich auch bezüglich Mobilität kaum etwas verändern. Selbstverständlich sind auch wir bei der Arbeit auf das Auto und auf Maschinen angewiesen. Da wir eher etwas abgelegen wohnen, stehe ich weniger unter gesellschaftlichem Druck. Damit meine ich, dass ich unabhängiger in der Freizeit- und Feriengestaltung bin. Ich habe selten Gelegenheit für Shoppingtouren und arbeite lieber im Garten. Wird die Welt eine andere sein? Einerseits wünscht man sich das «alte» Leben zurück, andererseits hoffe ich, dass aus dieser Krise einiges hängen bleibt. Ich denke, dass viele Leute ein anderes Verhältnis zur Arbeit entwickeln werden. Und die Natur bekommt einen höheren Stellenwert.


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