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Stefan Sonderegger Appenzeller Sein und Bleiben

Appenzeller Verlag Leseprobe

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Stefan Sonderegger

Appenzeller Sein und Bleiben Sechzig Impressionen zur Wesensbestimmung des appenzellischen Menschen

Appenzeller Verlag 3


Wir danken für die Unterstützung zur Herausgabe dieses Buches – Steinegg Stiftung – Dr. Fred Styger Stiftung – Hans und Wilma Stutz Stiftung

1. Auflage, 1973 2.–4. erweiterte Auflage, 1979–1984 5. unveränderte Auflage mit editorischen Fussnoten, 2018

© by Appenzeller Verlag, CH-9103 Schwellbrunn Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Umschlaggestaltung: Janine Durot Gesetzt in Stempel Garamond LT Satz: Appenzeller Verlag, Schwellbrunn ISBN: 978-3-85882-805-7 www.appenzellerverlag.ch

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Meinen Freunden in Volk und Regierung beider Appenzell

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Inhaltsverzeichnis Zur Einführung   9 Aller Anfang ist heiter  11 Die appenzellische Launigkeit  12 Zufriedene Unzufriedenheit  13 Pflicht?  14 Unprogrammiertes Leben  15 Die Sprache des Appenzellers  16 Näseln  19 Der Name Appenzell  20 Konstanten appenzellischer Geschichte  23 Sein Land ersitzen  26 Die Appenzeller an der Landletzi  27 Appenzellisches Recht  29 Innerrhoden und Ausserrhoden  30 Geheimnisvoller Alpstein  38 Der appenzellische Witz und sein Hintergrund  42 Mehr spritzig als fröhlich  46 Vom Umgang mit Appenzellern  48 Der Appenzeller Bläss  49 Vertäuben  52 Der wägende Appenzeller  53 Im Wirtshaus  54 Wirte und Wirtschaften  56 Der Appenzeller als Erzähler  59 Der appenzellische Lehrer  60 Sicherheit und Unsicherheit  62 Der Geschäftig-Ungeschäftige  64 Kein «Leider»  67 Trotziges Trotzdem  68 Kurpfuscher  70 Lesen und Schreiben  72 Appenzeller Zeitung  73 7


Des Appenzellers Heimweh  76 Das Wesen der Landsgemeinde  78 Der appenzellische Landammann  80 Antizentralistisches Prinzip  82 Appenzell und St. Gallen   83 Die Appenzeller Eisenbahnen  84 Des Appenzellers Definition für Milch  89 Der Renner  90 Zwei Begleiter  92 Latenz  93 Einsamkeit und Musse  95 Von der Musikalität des Appenzellers  97 Bauernmaler der Hirtenkultur  99 Zuwendung und Abwendung  106 Kreiselnde Selbstbeobachtung  107 Zum Wesen des Voralpinen  109 Halbe soo, halbe n andersch  112 Kleingrosses Fabrikantentum  114 Der Appenzeller und die Zeit  117 Die Suche nach dem Menschen  119 Die appenzellische Frau  121 Unzwielichtiges Doppelgängertum  124 Selbstverantwortlichkeit  125 Die Zukunft des Appenzellers  127 Warum Appenzeller bleiben?  129 Der Appenzeller im Alter  130 Des Appenzellers letzte Stunde  131 Das Vaterunser auf appenzellisch  133 Versuch einer Definition  134 Nachwort von Peter Kleiner  137

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Zur Einführung Über das appenzellische Wesen kann kein Nichtappenzeller schreiben – denn er fühlt weder die heimliche Grösse noch den inneren Zwiespalt, schon gar nicht die wetterwendische Launigkeit auf vergnügtem Hintergrund. Geschweige denn, dass er sie versteht. Er weiss auch nicht, dass äusserliche Kleinwüchsigkeit weder mit niedlich noch mit Kleinlichkeit zu tun hat. Und er bemerkt nicht einmal, dass gar nicht alle Appenzeller so klein gewachsen sind, wie er es haben möchte in seiner plumpen, scheinbar witznachahmenden Übertreibungssucht. So gibt es nur Zerrbilder appenzellischer Darstellung von aussen: das Sennen- und Schottenidyll auf alpestrem Hintergrund, mehr durch das Fernglas folkloristischer Lieblichkeit gesehen als wirklich geschaut oder erfahren; die witzlose Kleinverzerrung ins Absurde hinein, aus der Abwehr des ungeschlachten Goliath-Nichtappenzellers heraus geschaffen; das unverstandene Rückständigschildern aus der Warte mittelländisch empfundener Hochkultur heraus, die den voral­ pinen Einbruch mehr fürchtet als wirklich begreift; oder der verständnislose Hochmut und das Missverstehen derer, die noch nie appenzellische Luft geatmet haben oder denen sie unangenehmer in ihre feiner Nase sticht. Hier soll es einmal um anderes gehen; um den Versuch nämlich, den appenzellischen Menschen aus innerer Erfahrung und äusserer Erscheinung sprachlich-schildernd darzustellen. So ist diese kleine Schrift im Winter 1971/72 und im Sommer 1972 entstanden – mit wesentlichen Nachträgen für die zweite, vermehrte Auflage vom Sommer 1979 – und als Wesensbestimmung des appenzellischen Menschen gedacht, denn eine solche gibt es bisher noch kaum. Sie soll nicht eine Wiederaufnahme des poetischen Appenzellers, sondern die Konstitution eines rhetorischen Appenzellers sein, den es schon immer gab. Herisau, Herbst 1979, Stefan Sonderegger 9


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Aller Anfang ist heiter Die Lust, soviel Angefangenes gerade so zu lassen, wie es angefangen in sich verweilen mag, in dynamischer Selbstentwicklung aus langem Liegenlassen heraus, aus der Heiterkeit darum heraus und gleichzeitig tiefer in sie hinein – gerade das ist appenzellisch. Sagt nicht Hugo von Hofmannsthal so wahr wie treffend: Aller Anfang ist heiter – etwas ÖsterreichischÖstliches liegt darin, etwas von dem, wonach der Appenzeller ostwärts ins Österreichische hinein von seinen Höhen Ausschau hält. Allem Angefangenen seine Heiterkeit belassen – und darum es in seinem Angefangensein zunächst auch sein zu lassen, das ist so typisch appenzellisch, aber es findet sich darin ein übersichtiges Vorausahnen der späteren Schwere ein, die allem Angefangen so bald beschieden sein wird. Verzweifelter Versuch, das Vergängliche für einmal zu bannen – in seiner anfänglichen Heiterkeit? Oh glücklicher Appenzeller in Deiner lachenden Heiterkeit, und dabei voll Vorausahnung, die halb verdeckt, halb schon gebannt so frühzeitig dem späteren Schweren trotz, und sei es auch nur für kurz bemessene Zeit, so angefangen wie heiter, so wie nur jeder Anfang in seinen ersten Gängen heiter sein kann – und es nur anfänglich so bleibt.

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Die appenzellische Launigkeit Alles in allem ist der Appenzeller mehr launig als launisch, wenn er auch beides – und dazu oft gleichzeitig – sein kann, gerade so wie sein Ebenbild, der Bläss. Aber launig heisst eben gelaunt – in Richtung gut gelaunt nämlich, und auch das Launische ist dabei nur eine auf dem Weg zur guten Laune notwendige Station – sozusagen Bereitschaftraum des Gemütes nach allen Richtungen hin mit der Sprungfedereinstellung zur Fröhlichkeit, dort, wo sie einem eben passt. Also passende Launigkeit, das gehört zum Appenzeller, aber verpasst – im Sinne des Zuschneiderns – wird sie nur dann, wenn sie wirklich angemessen ist, einem selbst zunächst, ohne viel Rücksicht auf die Passform der andern. So ist die appenzellische Launigkeit eine Gemütsform aus einem selbst: für oder gegen die andern, und wäre es auch nur aus Trotz.

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Zufriedene Unzufriedenheit Der Appenzeller, so zufrieden in seiner latenten Unzufriedenheit und so unzufrieden in seiner haushöflichen Zufriedenheit – aber nur soweit, als sie anderen gegenüber nicht zuzugeben ist: so gefällt es ihm zufrieden zwischen Un­ zufriedenheit und Zufriedenheit und unzufrieden zwischen seinem bescheidenen Glückswohlstand und der täglichen Plackerei darum. So sitzt er auf der sonnengebleichten Holzbank vor dem Haus, so steht er sinnig am Hag beim weidenden Vieh: bereit zu beidem – zum Zufriedenen wie zum Unzufriedenen. Weder erfüllt ihn das eine, noch frisst ihn das andere innerlich auf.

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Pflicht? Diese alte allzu deutsche Pflicht und Schuldigkeit hat den Appenzeller weder angefressen noch je innerlich oder äusserlich bewegt. Er lässt sich nämlich nicht gerne befehlen, schon gar nicht von sich selbst. Er tut etwas oder tut etwas nicht – aus Freude an beidem. Aber was er tut, davon ist er erfüllt – und was er nicht tut, von dem weiss er, warum nicht, mindestens der Gefühlsrechtfertigung nach. Pflicht ist – appenzellisch gesehen – die Uneignung und Unneigung seiner selbst zu etwas, was man auf keinen Fall tun sollte: denn in die Zwangsjacke der Pflicht hat sich noch kaum ein Appenzeller wahrhaft stecken lassen. Dennoch erfüllt er Aufgaben – und schwierige dazu. Aber nicht aus Pflicht, sondern aus der Lockung der Aufgabe heraus oder aus fragloser Selbstverständlichkeit seines Einsatzes heraus. Denn Pflicht bleibt für den Appenzeller eine Abstraktion, für die er in seinem Dialekt nicht einmal ein Wort kennt. Öppis müeserschi tue – «gemussterweise tun» – ist nämlich nicht Pflicht, sondern einfach Notwendigkeit. Jene falsche Verbrämung und sich selbstgerecht gebende oder erzieherisch penetrant wirkende Beschönigung des im Grunde genommen Unangenehmen unter dem Pflichtmantel – die mag der Appenzeller nicht mitmachen. Pfiife, sagt er in solchen Fällen – und leistet dabei mehr als mancher Pflichtbeflissene, dem sein eigenes Pflichtgerüchlein in die hochmütige Nase steigt. Es gehört zum Wesen des Appenzellers, dass er sich ausgibt, sehr sogar und ohne Rücksicht auf seinen momentanen Zustand. Er scheint dann auch bald verbraucht zu sein – aber eben nur scheinbar. Denn er bleibt zäh und wendig, gerade und blitzig – als Appenzeller. Der Appenzeller ist als Appenzeller dauerhaft, dauerhafter als der Pflichtbegriff.

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Unprogrammiertes Leben Nichts wäre schlimmer für den Appenzeller, als das Einfinden in ein programmiertes Leben: denn das wäre Nötigung des appenzellischen Selbsts. Denn das Leben des Appenzellers verläuft weder programmiert noch programmässig. Es wird auch nie zum Programm für andere. Es ist da auch keine Karriere einprogrammiert. Das lustig-sprunghafte Leben des Appenzellers kennt nämlich so viele verschiedene Teilprogramme, dass ein Gesamtprogramm überhaupt nicht zustande kommt – aber auch kein Potpourri, wohlverstanden. Es enthält nämlich jene spontane Ursprünglichkeit, die sich nie ins Programm einfindet – und darum auch nie bewusst Beifall erheischt. Der Appenzeller plant nicht gerne im einzelnen – er planiert zwar und plant im grösseren Allgemeinen. Aber ein Stück weit lässt er sich auch nicht ungern treiben – um diesem Getriebensein plötzlich im Sprung zu entweichen und dem Ganzen auf einmal zuzuschauen, wie wenn es ihn nichts mehr anginge. So bleibt es gefährlich, den Appenzeller zu treiben: weil die Triebkräfte dann auf einmal sich gegen den richten könnten, der dieses Treiben veranlassen zu müssen meinte.

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Die Sprache des Appenzellers Weit davon entfernt, eine äussere Einheit zu sein in der Vielfalt ihrer verschiedenen Erscheinungsformen von Dorf zu Dorf, von Halbrhode zu Halbrhode, liegt in der Sprache des Appenzellers doch eine unnachahmliche Einheit vor – sie hebt ihn vom westlichen und südwestlichen Toggenburger so ab wie vom östlichen Rheintaler oder Rientler – und erst recht vom nördlichen Fürstenländer, den sprachlich eine spitzige Freundlichkeit bis ins Langweilige hinein auszeichnet. Nicht so den Appenzeller: ist seine Sprache überhaupt freundlich? Jedenfalls nie langweilig. Es sind wie Landschaftsstufen ins Mundartliche der Sprache transportiert, was die Verschiedenheiten appenzellischer Dialektformen ausmacht. Die Helltönigkeit des rasch sprechenden Vorderländers mit seinen aspirierten k-Lauten, der mit seinem hellen a sozusagen auf die rheintalischen Zerdehnungen und Verschleifungen einer Grenzmundart herabblickt und ein bisschen noch daran teil hat – sozusagen luftige, windige Höhe aus klein gekammerter Landschaft heraus, doch überall mit gegenwärtigem Ausblick in eine weite Region zu Füssen. Die Mittellage des Mittelländischen – so geizig wie breit im überoffenen Gääser ää, mit einem Stück Weltgewandtheit aus dem hablich Bürgerlichen von Bühler, Trogen, Teufen, aber ohne viel Archaismen, ausser bei den recht selbstbezogenen Gaisern. Die heimlich-heimische Sonorität der Innerrhoder-Mundart, alles um eine Nuance tonlich gehoben und gleichzeitig verdämmert, wie um die besondere Lebhaftigkeit des Geistes aus der Sprache heraus ein wenig verbergen zu wollen – etwas Mysterienhaftes inmitten sonnenklarer Zentrallandschaft – ein Stück weit das ausstrahlende, aber um des Heiligen willen gedämpft-zurückhaltende Licht aus der Kirche des alten, ehrwürdigen Appenzell, zu dem man hinströmt und von dem es wie durch Kirchenfenster 16


nach aussen hervorbricht. Das Träfe, bisweilen schockierend Nüchterne, vielleicht auch Nützliche des Hinterländers – Sprache wie trockenes Brot, aber nie verleidend, und draussen auf den Höfen und drinnen im Tal von Urnäsch noch recht altertümlich bewegt. Und über allem der unnachahmliche Tonfall einer sprachlich aufbrechenden und doch gebändigtverhaltenen Musikalität im Wort- und Satzakzent, trotz durchgehend monophthongischer Haltung, aber mit den emporziehenden leisen Obertönen einer rhythmisch-melodischen Gestaltung: jóò wélèwég! Z Hodle ond Fetze geht dies Sprache noch lange nicht, wenn auch der Mundartwandel in den Randgebieten von Ausserrhoden sowie der schriftsprachliche Umsetzungseinfluss wie im Gesamtschweizerdeutschen beträchtlich sind. Was aber die Appenzeller auszeichnet, ist die Tatsache, dass es keine Sondermundart mit Prestigewörtern nur für bestimmte gesellschaftlich-folkloristische Anlässe gibt, wie das Sechseläuten-Zürichdeutsch, wo Sprachschichten zutage treten, die man das Jahr durch gar nicht mehr hört. Zwasli (niedliches, etwas beschränktes Geschöpf), Ströpflig (unansehnlicher Mensch von bescheidenem Zuschnitt), Toggebaabe (puppenhaft dummes Weibsbild) ond Mufersli (alte, verkümmerte Frauen), die bleeggen (weinen), gibt es noch täglich, und das Ziböllele (feiner Eisregen) tut dem Pfifolder oder Flickflauder (Schmetterling) nicht gut. So konnte sich auch eine hübsche Mundartliteratur entfalten, die sich freilich nur im engeren Eigenen erfüllt, hier von Johannes Merz (1776–1840) aus Herisau bis zu Julius Ammann (1882–1962), der seine Jugend im grosselterlichen Sturzenegger-Haus zu Trogen verbracht hat, und weiterhin zu Heinrich Altherr in Herisau, Paul Kessler aus der Waldstatt und Andreas Anton Räss (1893–1972) von der Steinegg hinter Appenzell. 17


Viel gerühmt und ehrend genannt worden ist die Ap­ penzeller Mundart seit dem 18. Jahrhundert, Johann Christoph Adelung spricht von ihr wie Jacob Grimm, und in einer St. Petersburger Übersicht aller bekannten Sprachen und ihrer Dialekte, die Friedrich Adelung 1820 erscheinen liess, ist Appenzellisch unter nur fünf aus der Schweiz genannten Volksdialekten aufgeführt, wobei Zürichdeutsch zum Beispiel fehlt. Auch als literarische Übersetzungssprache dürfte die Appenzeller Mundart geeignet sein, man müsste es darin nur einmal konsequenter versuchen. Vergleichen wir doch, wie der berühmte Eingang von Homers altgriechischer Odyssee auf Neuhochdeutsch und dann in Appenzellerdeutsch tönt. Johann Heinrich Voss hat den Text 1781 wie folgt in die Schriftsprache übertragen: Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, Welcher so weit geirrt nach der heiligen Troja Zerstörung, Vieler Menschen Städte gesehn und Sitte gelernt hat Und auf dem Meere so viel unnennbare Leiden erduldet, Seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft. Appenzellerisch lautet der grossartige griechische Text Andra moi ennepe, Mousa, polütropon hos mala polla aber so: Säg mer, hee Müüseli, wá de vilgréist Maa áalls enaart túe hed, láng isch er ómme gstréche set Trójas – wie nóobel – Zerstöörig, hét vo vil Völkere d Städt gseche, glérnet au vónne d Maníere, ónd of em Méer vil óogwärligs – cháa nüd aalls säge – erlétte, ómm sini Séel chönne z rétte ond z lúege, das áall wider hé chönd.

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Näseln Das Näseln der Innerrhoder – es mag einem sympathisch erscheinen oder nicht – es liegt, anders als beim sonst aus Sprachen, Sprachstufen oder Sprachschichten bekannten Näseln, etwas Gedämpft-Sonores, ja Heimlich-Heimisches darin wie dahinter. Es ist nicht per se Ausdruck der Verachtung, wie man sie sonst dem Näseln sprachtypologisch zuordnet: sondern gezielt mögliche Verachtung gegenüber dem, der einem seiner eigenen ländlichen Einfachheit wegen etwa verachten sollte. So fassen wir die innerrhodische Nasalierung als ein zunächst weises, bescheidenes Zurücktreten in die innerlich erfüllte Eigenheit, aus der es gegen den verachtend heraustreten kann, der diese etwas selbstüberheblich seinerseits verachten wollte. Also sonore Heimlichkeit unter sich, raunend, intern äusserst verbindend, neben zwickgeisselnder Verachtung von innen heraus gegen Verachtung von aussen – doch ohne jede Spur von Selbstverachtung, die der Innerrhoder wie der Appenzeller überhaupt kaum kennt.

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