Journal 2013-04

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 22 HEFT 4 Oktober 2013

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Hyperhidrose: Den Leidensdruck beenden

Depressive Verstimmungen: Kombination aus Johanniskraut, Baldrianwurzel und Passionsblume hilft aus dem Seelentief Diagnostik und Therapie des Lungenhochdrucks

Asthma: Individuelle Patientenberatung und Wahl des passenden Medikaments sind entscheidend für denTherapieerfolg Seltene lysosomale Stoffwechselkrankheiten nicht übersehen!

Chronische Hepatitis B und C: Die Zeit ist reif für gute Prognosen Migränetherapie – schnell und wirksam mit dem Fertigpen

Neu für die HIV-Therapie: Stribild® – das erste Integrase-Inhibitor-basierte Single-Tablet-Regimen Perampanel: Praxisdaten belegen therapeutischen Nutzen bei schwer behandelbarer fokaler Epilepsie

LUX-Lung 3-Daten zeigen Vorteil von Afatinib beim NSCLC mit positivem EGFR-Mutationsstatus Vismodegib – der bisher größte Fortschritt in der Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms Ab einem Alter von 50 Jahren: Gegen Gürtelrose impfen

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VON EISEN BEFREIEN – PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN Längeres Überleben durch Eisenchelation1 Verbesserung der Hämatopoese2 Belegte Langzeitverträglichkeit3

1 Rose et al., Leuk Res 2010; Vol. 34(7): 864-870 2 Gattermann et al., Haematologica 2012; Vol. 97(9) 3 Vichinsky et al., Br J Haematol 2011; Vol. 154(3): 387–397

EXJADE® 125 mg/- 250 mg/- 500 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen. Wirkstoff: Deferasirox. Zus.-setzung: 1 Tablette enthält: Arzneilich wirksamer Bestandteil: 125 mg/250 mg/500 mg Deferasirox. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat, Crospovidon Typ A, mikrokristalline Cellulose, Povidon, Natriumdodecylsulfat, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat. Anwend.-gebiete: Behandlung der chronischen Eisenüberladung auf Grund häufiger Transfusionen (≥ 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat) bei Patienten mit Beta-Thalassämia major im Alter von 6 Jahren und älter. Behandlung der chronischen, transfusionsbedingten Eisenüberladung, wenn eine Deferoxamin-Therapie bei folgenden Patientengruppen kontraindiziert oder unangemessen ist: bei Patienten im Alter zw. 2 und 5 Jahren mit Beta-Thalassämia major mit Eisenüberladung auf Grund häufiger Transfusionen (≥ 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat), bei Patienten im Alter von 2 Jahren od. älter mit Beta-Thalassämia major mit Eisenüberladung auf Grund seltener Transfusionen (< 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat), bei Patienten im Alter von 2 Jahren und älter mit anderen Anämien. Behandlung der chronischen Eisenüberladung, wenn eine Deferoxamin-Therapie bei Patienten mit nichttransfusionsabhängigen Thalassämie-Syndromen im Alter von 10 Jahren und älter, die eine Chelat-Therapie benötigen, kontraindiziert oder unangemessen ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Kombination mit anderen Eisenchelattherapien. Pat. mit einer Kreatininclearance < 60 ml/min. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Erhöhtes Serumkreatinin. Häufig: Kopfschmerz. Diarrhö (bei Kindern im Alter v. 2-5 Jahren häufiger als bei älteren Patienten), Obstipation, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Blähungen, Dyspepsie. Erhöhte Transaminasen. Hautausschlag, Juckreiz. Proteinurie. Gallensteine u. damit verbundene Gallenerkrankungen. Gelegentlich: Angstzustände, Schlafstörungen. Schwindel. Früher Katarakt, Makulopathie. Hörverlust (im hohen Frequenzbereich). Pharyngolaryngeale Schmerzen. Gastrointestinale Blutungen, Magenulkus (einschl. multipler Ulzera), Zwölffingerdarmgeschwür, Gastritis. Hepatitis, Cholelithiasis. Pigmentierungsstörung. Renale Tubulopathie (erworb. Fanconi-Syndrom) (hpsl. b. Kindern u. Jugendlichen m. Beta-Thalassämie), Glukosurie. Fieber, Ödeme, Müdigkeit. Selten: Ösophagitis. Häufigkeit nicht bekannt: Panzytopenie, Thrombozytopenie, verschlimmerte Anämie. Überempfindlichkeitsreaktionen (einschl. Anaphylaxie und Angioödem). Leberversagen (manchmal mit tödlichem Ausgang, insb. bei Patienten mit vorbestehender Leberzirrhose). Leukozytoklastische Vaskulitis, Urtikaria, Erythema multiforme, Alopezie. Akutes Nierenversagen, tubulointerstitielle Nephritis. Warnhinweis: Enthält Lactose. Verschreibungspflichtig. Weitere Angaben: siehe Fachinformation. Stand: April 2013 (MS 06/13.12). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de


EDITORIAL

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Nach der Wahl: Gesundheits-Surrogatpolitik? Deutschland hat gewählt. Was läge also näher als darüber zu orakeln, welche Auswirkungen dies für die Gesundheitspolitik haben wird? Material gäbe es genug, ich bräuchte dazu nicht einmal das Internet bemühen. Das Deutsche Ärzteblatt gab sich die allergrößte Mühe, und selbst meine Krankenkasse hat mir – rechtzeitig vor dem großen Tag – eine Information zur Bürgerversicherung ins Haus geschickt ... Doch dazu nur so viel: Es scheint mehr als überfällig, sich davon zu verabschieden, mit Adjustierungen, Korrekturen und dem Verschließen von Schlupflöchern den Supertanker Gesundheitssystem auf Kurs halten zu wollen. So problematisch das sein mag, die Zeit ist reif für eine Grundsatzdiskussion! Vor allem wünsche ich mir, dass man endlich der Tatsache Rechnung trägt, dass wir es politisch insgesamt mit einem System von kommunizierenden Röhren zu tun haben. Es grenzt deshalb an Augenwischerei, wenn mit der Aufnahme von „Schuldenbremsen“ in die Verfassung kommende Generationen vermeintlich vor einem fatalen Erbe bewahrt werden sollen, wenn gleichzeitig der Anteil der Geringverdiener kontinuierlich steigt. Und damit die Anzahl der Menschen, die ihre gesundheitliche und sozi-

ale Absicherung im Alter nicht selbst finanzieren können werden. Es grenzt ebenfalls an Augenwischerei, wenn die Förderung von Gesundheit und die Verhinderung von Krankheit, vulgo Prävention, zwar vollmundig als „vierte Säule des Gesundheitssystems“ bezeichnet wird, weiterhin aber weniger als 1 % der Kosten im Gesundheitswesen in diesem Sinne investiv und mehr als 99 % zur „Schadensregulierung“ eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang erscheint es ebenfalls unerlässlich, mehr auf die Besonderheiten der Säule Prävention zu fokussieren und deren wissenschaftsmethodische Entwicklung nicht weiter – wenn überhaupt – mit lächerlichen Almosen zu befördern. Dazu gehört ganz elementar, das Konzept „Risiko“ methodisch ähnlich aufzudröseln und so schnell wie möglich zur medizinischen Allgemeinbildung zu entwickeln, wie dies mit dem Konzept „Wirksamkeit“ in den letzten 50 Jahren so erfolgreich vonstatten gegangen ist. Bis heute begnügt sich „die Wissenschaft“ im Wesentlichen damit, Risiko mit dem Instrument der Kohortenstudie zu durchleuchten. Seit Ende der 40er Jahre an der Harvard Universität in Boston mit der

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

Framingham-Studie begonnen wurde, „steht“ das Design: Zum Zeitpunkt Null werden möglichst viele Informationen gesammelt. Zu einem späteren Zeitpunkt wird dann Bilanz gezogen: Wer aus der Kohorte hat seit Eintritt in die Studie eine beliebige Erkrankung entwickelt, medizinische Therapie erhalten oder ist (evtl. an einer definierten) Erkrankung verstorben. Spätestens seit der CAST-Studie [1] müsste klar geworden sein, dass eine enge Korrelation zwischen einem willkürlich gewählten Parameter und einem klinischen Endpunkt kein verlässliches Indiz für einen tatsächlichen Kausalbezug hat. Schon wenig später wurde klar und deutlich festgestellt und mit überzeugenden Beispielen © VERLAG PERFUSION GMBH


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INHALT

belegt, dass derartige „Surrogatparameter“ keine geeigneten Zielgrößen für Phase-IIIStudien sind [2]. Heute können das selbst Laien leicht nachvollziehen [3]. Fast 20 Jahre später muss man im New England Journal of Medicine lesen, dass eine Erhöhung des Hämoglobinspiegels bei Patienten mit Herzinsuffizienz durch Erythropoetin keinen Nutzen hat, sondern das Risiko für thromboembolische Ereignisse erhöht [4]. Klar, die Patienten litten ja nicht ursächlich an einem erniedrigten Hämoglobinspiegel, sondern an einer Herzinsuffizienz ... Solange solche „pivotalen“ Studien geplant werden und dann auch noch die Ethikkommissionen passieren können, braucht man sich nicht wundern, wenn die Parteien in Sachen Gesundheitsversorgung „Surrogatpolitik“ betreiben. Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

KASUISTIK Hyperhidrose: Den Leidensdruck beenden T. Dirschka

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INTERVIEW CDAD-Therapie: „Orales Vancomycin bleibt Standard!“ 117 Gespräch mit Professor G. Micklefield, Chefarzt Innere Mediizin, Evangelisches Krankenhaus Unna

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Depressive Verstimmungen: Kombination aus Johanniskraut, Baldrianwurzel und Passionsblume hilft aus dem Seelentief

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Cannabis-sativa-Extrakt schließt Therapielücke bei MS-induzierter Spastik

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Diagnostik und Therapie des Lungenhochdrucks

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Asthma: Individuelle Patientenberatung und Wahl des passenden Medikaments sind entscheidend für den Therapieerfolg 123 Seltene lysosomale Stoffwechselkrankheiten nicht übersehen!

Chronische Hepatitis B und C: Die Zeit ist reif für gute Prognosen

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Migränetherapie – schnell und wirksam mit dem Fertigpen 129 Axiale Spondylarthritis: Patienten profitieren von frühzeitiger Therapie mit Infliximab

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Neu für die HIV-Therapie: Stribild® – das erste Integrase-Inhibitor-basierte Single-Tablet-Regimen Literatur 1 The Cardiac Arrhythmia Suppression Trial II Investigators. Effect of the antiarrhythmic agent moricizine on survival after myocardial infarction. N Engl J Med 1992;327:227-233 2 Fleming TR, DeMets DL. Surrogate end points in clinical trials: are we being misled? Ann Intern Med 1996;125:605 613 3 http://de.wikipedia.org/wiki/Surrogat marker#HDL_und_kardiovaskul.C3. A4res_Risiko 4 Swedberg K et al. Treatment of anemia with darbepoetin alfa in systolic heart failure. N Engl J Med 2013;368:12101219

Perampanel: Praxisdaten belegen therapeutischen Nutzen bei schwer behandelbarer fokaler Epilepsie LUX-Lung 3-Daten zeigen Vorteil von Afatinib beim NSCLC mit positivem EGFR-Mutationsstatus

Vismodegib – der bisher größte Fortschritt in der Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms

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Zielgerichtete Therapie beim fortgeschrittenen malignen Melanom: Innovationssprung mit BRAF-Inhibitor Vemurafenib verändert die Praxis 140 Ab einem Alter von 50 Jahren: Gegen Gürtelrose impfen 141

RUBRIKEN Wissenswertes 116, 126, 131, 142, 151 Kongresse 144

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KASUISTIK

Hyperhidrose: Den Leidensdruck beenden

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ie Prävalenz der Hyperhidrose liegt aktuellen Erhebungen zufolge in Deutschland bei 16,3 % [1]. Die übermäßige Schweißbildung erzeugt einen hohen Leidensdruck und schränkt die Lebensqualität teilweise erheblich ein. Eine systemische Therapie mit Methantheliniumbromid kann die Situation deutlich verbessern, wie der Fall einer 32-jährigen Patientin verdeutlicht. Anamnese

Die junge Patientin arbeitet als Bankangestellte in der Kundenberatung und beschrieb nach anfänglich großer Überwindung die Symptome ihres profusen Schwitzens: Als sportlich aktive und modebewusste Frau bereite ihr das übermäßige Schwitzen erhebliche Probleme. Beim Sport störe das Schwitzen nicht, da es hier nicht auffalle. Doch besonders bei der Arbeit sei das übermäßige Schwitzen sehr unangenehm – mitunter wechsele sie bis zu zweimal täglich die Bluse, wähle die Garderobe so, dass möglichst keine Schweißränder sichtbar werden, und vermeide zu engen Kontakt mit Mitarbeitern und Kunden. Das Gefühl, auch unangenehm zu riechen, belaste sie sehr – selbst wenn Freunde versicherten, dass kein Geruch bestünde. Ihre Versuche, durch häufiges Waschen mit speziellen deodorie-

renden Seifen und handelsüblichen Deodorants die Situation zu verbessern, waren erfolglos. Diagnostik

Um andere Erkrankungen auszuschließen, fand eine detaillierte Untersuchung der Schilddrüse, der Leber- und Nierenwerte, des Blutzuckers und des Blutbildes statt, die keine Auffälligkeiten erbrachten. Mittels Jod-Stärke-Test verifizierte sich der Verdacht auf „primäre Hyperhidrose“. Diese Form der Hyperhidrose ist nicht durch internistische Erkrankungen oder externe Ursachen ausgelöst, ihr liegt vielmehr eine Überstimulation der ekkrinen Schweißdrüsen zugrunde.

Therapie und Verlauf

Da ein insgesamt profuses Schwitzen bestand, erschienen lokale Therapien, die sich z.B. nur auf die Achseln beschränken wie Botulinumtoxin oder die Schweißdrüsenliposuktion, als wenig erfolgversprechend. Die Verordnung einer systemischen Therapie mit dem Wirkstoff Methantheliniumbromid erbrachte eine deutliche Verbesserung des Schwitzens. Die Patientin fühlt sich bereits bei einer Dosierung von 2 × täglich 50 mg Methantheliniumbromid beschwerdefrei; an manchen Tagen genügt sogar die einmalige Einnahme. Als Nebenwirkung bemerkt sie lediglich bei der Maximaldosierung von 3 × 50 mg Methantheliniumbromid täglich eine leichte Mundtro-

Methantheliniumbromid Methantheliniumbromid (Vagantin®) ist ein polares quaternäres Ammoniumderivat, das durch die Blockade postsynaptischer Muskarin-M3-Rezeptoren die stimulierende Wirkung von Acetylcholin an den vorwiegend cholinerg innervierten Schweißdrüsen unterbindet und auf diese Weise die Schweißsekretion verringert [2]. Da Methantheliniumbromid – anders als andere Anticholinergika – die Blut-Hirn-Schranke nicht penetriert, sind zentralnervöse Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit oder Schlafstörungen kaum zu erwarten. Daher muss Methantheliniumbromid nicht einschleichend dosiert und kann auch situativ angewendet werden, etwa in Stresssituationen wie Prüfungen. Die Wirkung tritt innerhalb von 30 Minuten ein und hält bis zu 6 Stunden an [2]. Für die Dauertherapie wird eine Dosierung von 3 x 50 mg täglich empfohlen.

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KASUISTIK

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ckenheit. Sie kann nunmehr ihre Garderobe frei wählen, was ihr viel bedeutet. Außerdem ist sie im Umgang mit Kollegen und Kunden deutlich ungezwungener. Sie wird die Behandlung daher fortsetzen. Fazit

Der anticholinerge Wirkstoff Methantheliniumbromid kann bei Patienten mit generalisierter Hyperhidrose eine effektive Option sein, die Schweißbildung zu reduzieren und somit die Lebensqualität signifikant zu verbessern, wie das aufgeführte Fallbeispiel zeigt. Neue klinische Daten [3] legen eine Wirksamkeit des Wirkstoffs auch bei fokaler Hyperhidrose nahe. Prof. Dr. med. Thomas Dirschka, Düsseldorf

Liraglutid kontrolliert Blut­ zucker besser als Sitagliptin und Exenatid Eine retrospektive Analyse, die im Rahmen der 73. Jahrestagung der American Diabetes Association (ADA) präsentiert wurde, unterstreicht die gute Wirksamkeit von Liraglutid (Victoza®). Ihre Ergebnisse zeigen, dass bei einer Therapie mit Victoza® ein signifikant größerer Prozentsatz von Patienten mit Typ-2-Diabetes den von der ADA empfohlenen HbA1cZielwert von <7 % erreichte als bei der Verabreichung von Sitagliptin (p<0,0001) oder der zweimal täglichen Gabe von Exenatid (p<0,05). Diese Daten aus dem Behandlungsalltag stützen die Resultate klinischer Studien, die nachgewiesen haben, dass Victoza® eine im Vergleich zu Sitagliptin oder Exenatid bessere antihyperglykämische Wirksamkeit zeigt. Für die retrospektive Analyse wurde die IMS Datenbank, eine der

umfassendsten universellen Datenbanken mit wissenschaftlich validierten Patientendaten, genutzt. Ausgewertet wurden die Daten erwachsener Patienten, denen zur Behandlung des Typ-2-Diabetes über 6 Monate entweder Victoza® (n=234), Sitagliptin (n=1757) oder Exenatid (n=182) verabreicht wurde. Patienten unter Victoza® erreichten eine durchschnittliche Senkung des HbA1c-Werts ab Behandlungsbeginn von –1,08 Prozentpunkten und damit eine signifikant größere Reduktion, als sie mit Sitagliptin (–0,68 %; p<0,0001) oder Exenatid (–0,75 %; p<0,001) erzielt werden konnte. B. S.

Quelle: Dekoven M et al., LB 85, 73. Jahrestagung der American Diabetes Association, Juni 2013, Chicago, Illinois, USA.

Liraglutid Literatur 1 Augustin M et al. Hyperhidrosis in der Erwachsenenbevölkerung: Prävalenz und Krankheitslast. 1. Forschungssymposium des Institutes für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum HamburgEppendorf, Juni 2012 2 Fachinformation Vagantin®; Stand Dezember 2012 3 Müller C, Berensmeier A, Hamm H, Dirschka T, Reich K, Fischer T, Rzany B. Efficacy and safety of methantheline bromide (Vagantin®) in axillary and palmar hyperhidrosis: results from a multicenter, randomized, placebo-controlled trial. J Eur Acad Dermatol Venereol 2012;27:12781284

Liraglutid (Victoza®) ist ein humanes glukagonähnliches Peptid1(GLP-1)-Analogon mit einer Aminosäuresequenz, die zu 97 % humanem GLP-1 entspricht. Wie natürliches GLP-1 wirkt Lira­ glutid, indem es bei hohen Blutzuckerwerten die Insulinabgabe der Betazellen stimuliert und die Glukagonsekretion der Alphazellen hemmt. Aufgrund dieses glukoseabhängigen Wirkmechanismus wird Liraglutid (in Kombination mit Metformin) mit ei­ nem vergleichsweise geringen Auftreten von Hypoglykämien assoziiert. Victoza® ist zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 in Kombination mit Metformin und/oder einem Sulfonylharnstoff oder in Kombination mit Metformin und einem Thiazolidindion zugelassen.

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INTERVIEW

CDAD-Therapie: „Orales Vancomycin bleibt Standard!“ Interview mit Professor George Micklefield, Unna

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Prof. Dr. med. George Micklefield, Chefarzt Innere Medizin, Evangelisches Krankenhaus Unna

nfektionen mit Clostridium difficile sind keine Seltenheit. Die Zahl der Clostridium-difficileassoziierten Diarrhöen (CDAD) nimmt zu, vor allem im ambulanten Bereich. Im Jahr 2012 wurden mehr als 40 % der CDAD-Fälle ambulant erworben*. Anlass genug, um gerade im niedergelassenen Bereich noch wachsamer gegenüber dieser tückischen Erkrankung zu werden, meint Prof. Dr. med. George Micklefield. Wir sprachen mit ihm über Risikofaktoren, Symptome sowie überholte, bewährte und neuartige Therapieoptionen. Herr Professor Micklefield, die Zahl der CDAD ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Welche Risikofaktoren gibt es für eine Infektion mit Clostridium difficile? Prof. Micklefield: Als Risikofaktoren für eine CDAD gelten in der Regel vor allem eine Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten, ein erhöhtes Lebensalter oder Komorbiditäten. Wir beobachten jedoch in der Praxis auch immer mehr atypische Verläufe, sodass gerade Hausärzte mit ihrer sehr breiten Patientenklientel bei typischen *

RZ Referenzdaten, CDAD-KISS, N 2012

Symptomen wie Bauchschmerzen, Fieber und häufigen Durchfällen frühzeitig eine Infektion mit C. difficile in Betracht ziehen sollten. Stichwort Symptome: Woran erkennt gerade der niedergelassene Kollege eine CDAD? Prof. Micklefield: Die Symptomatik einer CDAD tritt meist sehr abrupt auf. Typisch sind neben Fieber und Erbrechen vor allem Schmerzen in den unteren Quadranten des Abdomens und wässrige Durchfälle mit charakteristischem fauligem Geruch. Um wirklich sicher zu gehen, sollte zum Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin A und B eine Stuhluntersuchung durchgeführt werden. Eine Leukozytose

(>15.000 Zellen/µl) und ein erhöhtes Serum-Kreatinin sprechen zusätzlich für eine schwere CDAD. Sonografisch und radiologisch bestätigen die Verdickung der Kolonwand und die Ausweitung des Kolonrahmens eine schwere Kolitis in der Praxis. Orales Vancomycin ist mittlerweile zur Therapie von allen Schweregraden der CDAD zugelassen und hat sich als Goldstandard etabliert. Warum? Prof. Micklefield: Orales Vancomycin (Vancomycin Enterocaps® 250 mg) gilt bereits seit vielen Jahren als Mittel der Wahl zur Therapie schwerer sowie rezidivierender CDAD-Fälle. Seit einiger Zeit ist

Clostridium difficile C. difficile ist ein obligat anaerob wachsendes, grampositives Stäbchenbakterium mit Fähigkeit zur Bildung aerotoleranter Sporen. Das ubiquitär vorkomende Bakterium wird auch ohne Krankheitserscheinungen bei bis zu 80 % der Kleinkinder und bis zu 5 % der Erwachsenen nachgewiesen. Pathogenen Wert bekommt der Erreger insbesondere dann, wenn die körpereigene Abwehr geschwächt oder das mikrobielle Gleichgewicht im Darm gestört ist, z.B. infolge einer Antibiotikatherapie. C. difficile dringt nicht in die Kolon-Enterozyten ein, sondern die Schäden entstehen durch einen toxinvermittelten Prozess. C. difficile verursacht ca. 15–20 % der Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen und mehr als 95 % der Fälle von pseudomembranöser Kolitis.

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Quelle: RKI-Ratgeber für Ärzte, http://www.rki.de

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INTERVIEW

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

es nun auch für die Behandlung von leichten CDAD-Fällen zugelassen und stellt damit eine wirksame Alternative zum immer noch häufig eingesetzten Metronidazol dar. Als großen Vorteil von oralem Vancomycin sehe ich die minimale Resorption aus dem Magen-DarmTrakt. Andererseits überzeugt die Substanz im Vergleich zu Metronidazol vor allem durch eine bessere Heilungsrate (97 vs. 76 % bei schweren Fällen). Die praktische Kapselform von Vancomycin wirkt sich außerdem positiv auf die Compliance der Patienten aus.

Depressive Verstimmungen: Kombination aus Johanniskraut, Baldrianwurzel und Passionsblume hilft aus dem Seelentief

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Im Januar 2013 wurde der Wirkstoff Fidaxomicin als weitere The­rapieoption für die CDAD zugelassen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? Prof. Micklefield: Die Erfahrungen zum Einsatz von Fidaxomicin sind noch begrenzt. Es konnte keine Überlegenheit in der klinischen Heilungsrate gegenüber Vancomycin gezeigt werden. Daher ist Fidaxomicin derzeit als reines Reserveantibiotikum für den klinischen Gebrauch zur Behandlung von schwersten CDAD-Fällen anzusehen. Um die Entstehung solch schwerer Fälle möglichst von vornherein zu verhindern, sollte frühzeitig eine gesicherte Diagnose gestellt und eine wirksame Medikation begonnen werden. Orales Vancomycin gilt bei allen CDADFormen als frühzeitig einsetzbare und bewährte Therapieoption und sollte daher in der Hausarztpraxis weiter etabliert werden. Herr Professor Micklefield, wir danken Ihnen für das informative Gespräch! Das Interview führte Sibylle Michna, Puschendorf.

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sychische Erkrankungen – an erster Stelle depressive Verstimmungen und manifeste Depressionen – sind in den Industrienationen auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen reagieren auf die Anforderungen der leistungsbetonten Gesellschaft mit psychosomatischen körperlichen Beschwerden und leiden unter Freudlosigkeit, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, innerer Unruhe oder Einschlafstörungen. Klingt ein Seelentief nicht nach 2–3 Wochen von selbst ab, besteht Therapiebedarf. Hier bietet sich die pflanzliche Dreierkombination aus Trockenextrakten von Johanniskraut, Baldrianwurzel und Passionsblume (Neurapas® balance) an. Sie stellt die physiologische Balance der bei o.g. psychischen Erkrankungen gestörten Neurotransmittersysteme synergistisch wieder her und hilft bei konsequentem, richtig dosiertem und frühzeitigem Einsatz gravierende Krankheitsverläufe zu vermeiden. Depressive Verstimmung oder echte Depression?

Viele Patienten leiden ab und zu an einem Stimmungstief. Sie sind depimiert, traurig, haben an nichts Freude, fühlen sich antriebs- und interesselos. Meist könne dieser

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Zustand auf einen Auslöser zurückgeführt werden, darunter z.B. Trennungschmerz bzw. Trauer um einen nahestehenden Menschen, Anspannung, Angst oder „nur“ schlechtes Wetter. Diese depressive Verstimmung bessert sich in der Regel nach Stunden oder Tagen von allein. Anders ist es bei einer echten Depression. Sie liegt laut ICD10 dann vor, wenn ein Mensch sich über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen fast an jedem Tag sehr depressiv, traurig und hoffnungslos fühlt, an massivem Interesseverlust und Gefühlsstarre leidet. Typische Symptome sind zudem Störungen von Appetit, Schlaf und Sexualität, Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, mangelnde Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit sowie Suizidgedanken. Eine leichte Depression ist im Frühstadium oft nur schwer von einer depressiven Verstimmung abzugrenzen. Problematisch ist, dass ein eher „harmloses“ Stimmungstief nicht selten schleichend in eine echte Depression übergeht. Multi-Target-Therapie mit pflanzlichen Kombinationen

Pathophysiologisch liegt bei beiden eine Störung des Neurotransmitterstoffwechsels von Se© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Rascher Wirkungseintritt und überzeugende Wirksamkeit

Kasuistik Patientin: 43-jährige Frau, verheiratet, 3 Kinder, Hausfrau und teilzeitberufstätig als Angestellte. Sie war vorstellig geworden mit den typischen, durch hormonelle Veränderungen mitbedingten depressiven Beschwerden einer Frau in den Wechseljahren: Seit mehreren Monaten war sie „schlecht drauf“, litt an Schlaf- und Verdauungsstörungen, unter Hitzewallungen und Libidoverlust sowie immer wieder auftretendem „Herzklopfen“. Auf Nachfrage gab sie ein Minderwertigkeitsgefühl bis hin zu Suizidgedanken an und aufgrund der Mehrfachbelastung oft von der Arbeit mit den Kindern überfordert zu sein. Therapie: Vor dem Hintergrund der erwiesenen raschen angstlösenden Wirkung des Kombinationspartners Passionblume – „das erzeugt sozusagen Licht am Ende des Tunnels“ – wurde eine Therapie mit Neurapas® balance eingeleitet. Die Anfangsdosis betrug 3 x 2 Tabletten täglich (kann langfristig auf 2 x 2 Tabletten täglich reduziert werden). Verlauf: Bereits nach wenigen Tagen gab die Patientin an, sich deutlich besser zu fühlen und kaum noch unter Hitzewallungen, Herzklopfen und Verdauungsbeschwerden zu leiden. Diese Abmilderung erklärt sich durch die synergistische Wirkung der 3 enthaltenen Pflanzenextrakte. Damit wirke Neurapas® balance nicht nur auf psychischer Ebene, sondern auch indirekt auf die Begleitsymptomatik einer depressiven Verstimmung bzw. leichten Depression. Quelle: Presseroundtable: „1. Pascoe Naturmedizin Gespräch: Brennpunkt Depression“, 19. Juni 2013, Frankfurt am Main

rotonin, Noradrenalin, GABA, Dopamin bzw. Melatonin zugrunde. Angesichts der Vielzahl involvierter Neurotransmittersysteme empfiehlt sich eine Multi-TargetTherapie. Dafür können sehr gut pflanzliche Kombinationsarzneimittel eingesetzt werden, die die physiologische Balance der gestörten Neurotransmittersysteme wieder herstellen, z.B. die einzigartige Wirkstoffkombination aus speziellen Trockenextrakten von Johanniskraut (60  mg, hyperforinarm), Passionsblumenkraut (32 mg) und Baldrianwurzel (28  mg) in Neurapas® balance: Johanniskraut mit seiner Seroto-

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nin-vermittelten, stimmungsaufhellenden Wirkung kräftigt das „Nervenkostüm“, Passionsblume wirkt GABA/Serotonin-vermittelt entspannend, beruhigend und verzehnfacht synergistisch die antidepressive Wirkung des Johanniskrauts [1]. Damit wird erreicht, dass bei adäquatem antidepressivem Effekt typische Nebenwirkungen des Johanniskrauts wie gesteigerte Empfindlichkeit vor Sonneneinstrahlung oder Wirkverlust der Antibabypille ausbleiben. Baldrian schließlich beruhigt GABA-vermittelt bei nervös bedingten Einschlafstörungen, Unruhe und Spannungszuständen.

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Mehrere klinische Studien sprechen für Neurapas® balance. Seine Wirksamkeit bei leichten Depressionen wurde bereits 2003 durch eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie belegt: Nach 6-wöchiger Behandlung waren 84 % der untersuchten Patienten beschwerdefrei oder fühlten sich deutlich besser, depressionsbegleitende Angstzustände wurden deutlich gemildert [2]. In einer aktuellen placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde der pharmakologische Effekt von Neurapas® balance auf das Gehirn mittels quantitativer Erfassung der elektrischen Hirntätigkeit (Stromdichtemessung) bei 16 gesunden Probanden nachgewiesen [3]. Dabei zeigte sich, dass Neurapas® balance sehr rasch wirkt – das Wirkungsmaximum wird schon 3 Stunden nach der Einnahme erreicht. Wachheit, Konzentrationsfähigkeit und mentale Leistungsfähigkeit bleiben unter der Medikation voll erhalten. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Fiebich BL, Knörle R, Appel K. et al. Pharmacological studies in an herbal drug combination of St. John‘s wort (Hypericum perforatum) and passion flower (Passiflora incarnata): in vitro and in vivo evidence of synergy between Hypericum and Passiflora in antidepressant pharmacological models. Fitoterapia 2011;82:474-480 2 Urlea-Schön I, Wartenberg-Demand A, McGregor G. Efficacy of a triple herbal preparation in mild depressive disorders: results of a randomised placebo-controlled trial. Focus on Alternative and Complementary Therapies 2003;8:551-552 3 Dimpfel W, Koch K, Weiss G. Early effect of Neurapas® balance on current source density (CDS) of human EEG. BMC Psychiatry 2011 Aug 2;11:123. doi: 10.1186/ 1471-244X-11-123

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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ie pulmonal arterielle Hypertonie (PAH, Lungenhochdruck) ist eine seltene chronische Erkrankung der Lungenarterien. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 2200 PAH-Patienten mit klar bestätigter Diagnose. Jährlich kommen etwa 300 Patienten neu hinzu, während etwa 100 versterben oder transplantiert werden. Unbehandelt führt die Erkrankung zu schwersten körperlichen Einschränkungen und schließlich zum Tode, der meist durch Herzversagen bedingt ist. Es ist in den letzten Jahren immer besser gelungen, die Erkrankung frühzeitiger zu diagnostizieren. Eine führende Rolle spielt hierbei eine Reihe hochspezialisierter klinischer Zentren, die über das nötige technische Equipment und medizinische Know-how zur sicheren Diagnose einer PAH verfügen. PAH-Diagnose – eine besondere Herausforderung

Die Erkrankung kann vom Neugeborenen- bis ins Seniorenalter auftreten und kommt sowohl bei Männern als auch Frauen vor. Die Diagnose der PAH ist eine Ausschlussdiagnose, denn die Symptome sind unspezifisch. Beim hartnäckigen Fortbestehen oder plötzlichen Neuauftreten von unspezifischen Symptomen wie Atemnot, Nachlassen der Leistungsfähigkeit und nicht erklärbaren Synkopen (Ohnmacht) sollte der Arzt stets auch eine PAH in Erwägung ziehen. Ist die primäre Ursachensuche erfolglos, sollten die Überweisung und Untersuchung in einem der spezialisierten PAH-Zentren veranlasst werden. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt die eindeutige Diagnose immer

Diagnostik und Therapie des Lungenhochdrucks

noch zu spät; im Mittel vergehen zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose 3 Jahre. Auffallend ist, dass Patienten mit der Erstdiagnose PAH seit Jahren immer älter werden und der Erkrankungsgipfel heute bei weit über 60 Jahren liegt, Tendenz weiter steigend. Das Älterwerden bei Diagnose ist nach einhelliger Meinung der Tatsache geschuldet, dass die Aufmerksamkeit für die PAH in den letzten Jahren stark zugenommen hat. So werden nun auch PAH-Erkrankte erkannt, deren Begleiterkrankungen die PAH „verdecken“ und so eine eindeutige Diagnose erschweren. Im Median sind die Patienten laut COMPERA-Register 71 Jahre alt. Therapie einer seltenen Erkrankung

Bis heute gibt es keine kurative medikamentöse Therapie der PAH. Es konnten jedoch mehrere Pathomechanismen entdeckt werden, deren medikamentöse Behandlung zumindest zu einer symptomatischen Besserung bei den Patienten führt und möglicherweise auch zu einer deutlichen Lebensverlängerung beiträgt. Seit nunmehr 5 Jahren wird der Endothelin-Rezeptor-Antagonist Ambrisentan (Volibris®) erfolgreich zur Behandlung der PAH (NYHA-Klasse II und III) ein-

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gesetzt. Volibris® wurde im April 2008 in der EU zugelassen, bereits im Juni konnte der erste europäische Patient außerhalb einer klinischen Studie in Deutschland eingestellt werden. Zurzeit nehmen knapp 1000 Patienten in Deutschland Volibris®, und damit fast die Hälfte aller PAH-Patienten. Die Zulassung gilt auch für die PAH, die im Rahmen von Bindegewebserkrankungen auftreten kann. Denn bei Patienten mit Bindegewebserkrankung ist die Entwicklung einer PAH eine seltene, aber gefürchtete Komplikation. Ein weiterer Wirkstoff, der bei PAH zum Einsatz kommt, ist der Phophodiesterase-5-Hemmer Tadalafil (Adcirca®). Dieser wurde ursprünglich für die Behandlung der erektilen Dysfunktion entwickelt. Beide PAH-Medikamente werden nur einmal täglich eingenommen, was eine große Erleichterung für die Patienten darstellt, die bislang bis zu 12 Tabletten täglich an 3 Einnahmezeitpunkten einnehmen mussten. Fabian Sandner, Nürnberg

Quelle: Pressekonferenz „State of the Art: Diagnostik und Therapie des Lungenhochdrucks – 5 Jahre Erfahrung mit Volibris®“, 20.06.2013 in Berlin. Veranstalter GlaxoSmithKline. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Cannabis-sativa-Extrakt schließt Therapielücke bei MS-induzierter Spastik

F

ünf von sechs MS-Patienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Spastik. Die meisten (79,8  %) davon haben trotz der Behandlung mit Antispastika weiterhin schmerzhafte Muskelkrämpfe in der Nacht [1]. Bei zunehmender Ausprägung der Spastik kommt es zu Muskelsteifigkeit, eingeschränkter Mobilität und unwillkürlichen Bewegungen, vor allem in den Extremitäten. Häufig treten Blasenentleerungsstörungen, Spasmen und Schmerzen und in der Folge Schlafstörungen mit Erschöpfung hinzu. Durch diese häufigen Symptome werden die Betroffenen in ihren täglichen Aktivitäten stark beeinträchtigt, sie sind ein häufiger Grund für Pflegebedürftigkeit und Behinderungen. Dennoch wird, wie Erhebungen im Rahmen des MS-Registers zur Versorgungssituation in Deutschland zeigen, etwa ein Drittel der an Spastik leidenden MS-Patienten weder medikamentös noch nicht medikamentös behandelt [2]. Eine neuartige Option zur Therapie der durch MS induzierten Spastik ist der als oromukosales Spray anwendbare Cannabisextrakt Nabiximols (Sativex®), der meist bereits nach wenigen Wochen zu einer relevanten Verbesserung der Symptome führt [3]. Neue Praxisdaten und Studienergebnisse zeigen, dass die Zufriedenheit der Patienten im Laufe der Behandlung steigt, und die Erfahrungen im klinischen All-

tag bestätigen eine hohe Responderrate und gute Verträglichkeit. Hohe Responderrate

Im Behandlungszentrum Kempfenhausen für MS-Kranke (Marianne-Strauß-Klinik) wurden von September 2011 bis Mai 2013 insgesamt 197 Patienten auf Sativex® eingestellt. Klinische Effekte zeigten sich meist schon innerhalb der ersten Therapiewoche [3]. Der MSS-Durchschnittswert auf der numerischen Ratingskala (NRS, 0–10 Punkte) verbesserte sich im Mittel von 7,2 auf 3,4 und die Responderrate lag mit 68 % höher als in der wichtigsten Zulassungsstudie [4]. Die Abbruchrate von 32 % war dabei relativ gering und beruhte überwiegend auf fehlender Wirksamkeit, einer Baclofenpum-

penindikation oder oralen Unannehmlichkeiten. Langzeitdaten liegen nun für 65 Patienten vor. Während der durchschnitlich 43-wöchigen Sati­vex®-Therapie war keine Dosis­ steigerung nötig, der NRS-Wert verbesserte sich und der Wert auf der Ashworth-Skala sowie der Paresegrad blieben ungefähr konstant. Diese Ergebnisse aus dem Praxisalltag bestätigen daher die Vorteile einer dauerhaften Therapie mit Sativex®. Behandlungszufriedenheit steigt durch Add-on-Therapie mit Sativex®

In der prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie MOVE 2 (Mobility Improvement in MS Induced Spasticity) wurden die

Cannabis-sativa-Extrakt (Sativex®) Sativex® ist ein Endocannabinoidsystem-Modulator, bestehend aus 2 Wirkstoffen: THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), die aus Cannabisblättern und -blüten gewonnen werden. Angewendet wird Sativex® als Mundspray, da THC über die Munschleimhaut besonders gut resorbiert wird. Der Cannabisextrakt ist indiziert zur Behandlung von Patienten mit mäßigen bis schweren Spastiken aufgrund von Multipler Sklerose, die auf keine anderen Muskelrelaxanzien angesprochen haben und die während einer anfänglichen Versuchsperiode der Behandlung eine signifikante Verbesserung der Spastiksymptome gezeigt haben. Sativex® wirkt bei allen MS-Typen und unabhängig vom Behinderungsstatus.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Keine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit Bei zentralwirksamen Medikamenten ist die Fahrtüchtigkeit häufig ein verordnungsrelevantes Kriterium. In der prospektiven Beobachtungsstudie „Resistant MS Spasticity Treatment with Sativex® and Driving“ wurde erstmalig der Einfluss der Wirkstoffe von Sativex® – Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol – auf die Fahrtauglichkeit von MS-Patienten mit therapieresistenter Spastik untersucht [6]. Dabei wurde die Fahrtüchtigkeit der 33 Studienteilnehmer – gemäß den Anforderungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Kraftfahreignung – durch computergestützte Erhebungen in den Dimensionen visuelle Orientierung, Konzentration, reaktive Stresstoleranz, Reaktionsgeschwindigkeit und Überblicksgewinnung überprüft. Zusätzlich wurde die Tagesschläfrigkeit ermittelt. Zu Studienbeginn waren von den 33 Patienten 14, also 42,4 %, kraftfahrgeeignet. Dieser Wert veränderte sich im Laufe der Studie nicht, das heißt, am Ende der Studie war keiner der Patienten durch eine Therapie mit Sativex® in seiner Fahrtauglichkeit eingeschränkt. Die Patienten hatten sogar weniger täglich auftretende Spasmen als noch zu Beginn der Studie. Dies spiegelte sich auch im NRS-Wert wider, der sich von anfänglich 6,0 auf 3,6 signifikant verbesserte (p<0,0001). Der auf der Epworth-Schläfrigkeits-Skala gemessene ESS-Wert zur Bestimmung der Tagesschläfrigkeit hatte sich nicht signifikant verändert.

klinische Wirksamkeit von Sativex® sowie die Zufriedenheit von MS-Patienten mit der Behandlung im ambulanten Versorgungsalltag untersucht [5]. Die Hälfte der Patienten hatte zu Studienbeginn eine dauerhaft vorhandene Spastik und stufte diese als schwer ein. 51 % (n=276) litten unter Begleiterkrankungen, am häufigsten traten Depressionen und Angst auf. Nach der dreimonatigen Add-on-Therapie mit dem oromukosalen Cannabinoidspray zeigte sich bei den Respondern (≥20 % Verbesserung

der Spastik nach 4 Wochen auf der NRS-Skala) eine signifikante Verbesserung von ≥30 % (p<0,0001). Die durch die Spastik hervorgerufene Schlafbeeinträchtigung verbesserte sich schon nach einem Monat: Der NRS-Wert nahm signifikant von 4,1 (±3,0) auf 3,2 (±2,5) ab. Im Zuge der Behandlung hatte sich die Zufriedenheit der Patienten fast verdoppelt: Waren zu Behandlungsbeginn lediglich 44,8 % der Studienteilnehmer partiell zufrieden bis sehr zufrieden, waren es bei der

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3-Monats-Visite bereits 79,4  %. Insgesamt sprechen die Studienergebnisse von MOVE 2 für einen nachhaltigen Therapieeffekt. Damit konnten die Resultate der klinischen Studien auch unter Praxisbedingungen bestätigt werden. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Rizzo MA, Hadjimichael OC, Preiningerova J et al. Prevalence and treatment of spasticity reported by multiple sclerosis patients. Mult Scler 2004;10:589-595 2 Flachenecker P, Stuke K, Elias W et al. Multiple sclerosis registry in Germany – results of the extension phase 2005/2006. Deutsches Ärzteblatt 2008;105:113-119 3 Koehler J. Nabiximols im klinischen Alltag – praktische Hinweise zum Spastikmanagement bei MS. Vortrag auf dem Almirall-Satellitensymposium anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, September 2013 4 Novotna A, Mares J, Ratcliffe S et al., Sativex Spasticity Study Group. A randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, enriched-design study of nabiximols (Sativex®), as add-on therapy, in subjects with refractory spasticity caused by multiple sclerosis. Eur J Neurol 2011;18:1122-1131 5 Zettl U, HenzeT, Pfiffner C et al. Effectiveness of Sativex® in multiple sclerosis spasticity (MSS). Initial data from a large German observational study. Poster zu den MOVE 2-Studiendaten präsentiert auf dem 28. Kongress des European Committee for Research and Treatment in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Oktober 2012 6 Freidel M. Resistant MS spasticity treatment with Sativex® and driving. A pilot, prospective and observational study on driving ability changes for MS patients with spasticity starting treatment with Sativex® under normal use conditions. Präsentation auf dem Almirall-Satellitensymposium anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, September 2013

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

E

uropaweit ist bei der Behandlung von Asthmapatienten die erreichte Symptomkontrolle noch nicht zufriedenstellend – so das Ergebnis der europaweiten Umfrage REALISE (Recognise Asthma and Link to Symptoms and Experiences), bei der 8000 erwachsene Asthmapatienten in 11 europäischen Ländern befragt wurden; 1000 der Teilnehmer stammten aus Deutschland [1]. 45 % der Befragten berichteten über akute schwere Asthmaattacken während des zurückliegenden Jahres. Dieses Ergebnis ist umso alarmierender, als es auch Patienten betraf, die eigentlich die Kriterien der GINALeitlinien für kontrolliertes Asthma erfüllten. Viele der Befragten (33 %) gaben außerdem an, dass sie das Leben aufgrund ihrer Asthmaerkrankung nicht voll auskosten können. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eindrücklich, wie groß der Optimierungsbedarf bei der Behandlung von Patienten mit Asthma ist. Unterschiedlicher Umgang der Patienten mit Asthma erfordert individuell adaptierte Beratung

Von Nutzen ist, wenn Ärzte bei der Behandlung Einfühlungsvermögen für die Befindlichkeit des einzelnen Patienten entwickeln. Denn die Umfrage hatte auch gezeigt, dass Patienten ganz unterschiedlich mit ihrer Erkrankung umgehen und entsprechend auch die Therapietreue unterschiedlich ausfällt. Dabei lassen sich die Patienten 4 Gruppen zuordnen: Die „Zuverlässigen“ bewältigen ihr Asthma sehr souverän und befolgen die ärztlichen Anweisungen, während die „Unbekümmerten“ es mit der Therapietreue weniger genau nehmen und dementsprechend auch

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Asthma: Individuelle Patientenberatung und Wahl des passenden Medikaments sind entscheidend für den Therapieerfolg eine besonders geringe Asthmakontrolle aufweisen. Die „Ängstlichen“ fühlen sich sehr unsicher beim Umgang mit der Erkrankung, während die „Undisziplinierten“ vielfach die Therapievorschriften ignorieren und so ihre Asthmakontrolle gefährden. Um die Ergebnisse der Asthmatherapie zu verbessern, reicht es demnach nicht aus, nur die Symptome zu behandeln. Es gilt zu beachten, dass Patienten unterschiedlich mit ihrer Erkrankung umgehen, und bei der Beratung individuell auf sie einzugehen. Fixkombination Fluticason plus Formoterol als bewährte Option

Um die Behandlungsergebnisse weiter zu verbessern, ist es auch von entscheidender Bedeutung, dass für die verschiedenen Patienten eine individuell passende Inhalationstherapie ausgewählt wird. Seit 2012 steht mit der Fixkombination Fluticason plus Formoterol (flutiform®) eine weitere Option zur Behandlung von mittelschwerem und schwerem Asthma zur Verfügung. Das Medikament hat sich inzwischen in der Praxis bewährt. Bei Fluticason handelt es sich um ein Glukokortikosteroid mit starker Wirksamkeit, das ein hohes Maß an Sicherheit

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und Verträglichkeit gewährt, während das Beta-2-Sympathomimetikum Formoterol einen besonders schnellen Wirkeintritt bietet – innerhalb von 1–3 Minuten – und gleichzeitig eine langanhaltende Bronchodilatation über mindestens 12 Stunden vermittelt [2]. Die Patienten können den Wirkeintritt spüren und entwickeln daher Vertrauen zu diesem Medikament. Vorteilhaft ist auch die Aufbereitung als Dosieraerosol, da dieses System eine hohe Dosiskonstanz und konstante Partikelgrößenverteilung gewährleistet, die beide unabhängig vom Inspirationsfluss des Patienten sind [3, 4]. Aufgrund seiner Eigenschaften kann das Präparat einen Beitrag dazu leisten, die Symptomkontrolle bei Asthma zu verbessern und die Exazerbationsrate zu verringern. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Mundipharma International Limited data on file: REALISE – Ergebnisse einer Umfrage unter europäischen Asthmapatienten, 2012 2 Fachinformation flutiform® 3 Ganderton D, Lewis D, Davies R et al. Modulite: a means of designing the aerosols generated by pressurized metered dose inhalers. Respir Med 2002;96(Suppl D): S3-S8 4 Johal D, Howald M, Fischer M et al. Fine particle profile of fluticasone propionate/ formoterol fumarate versus other combination products: the DIFFUSE study. Comb Prod Ther 2013: DOI 10.1007/s13556013-0003-9 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Seltene lysosomale Stoffwechselkrankheiten nicht übersehen!

S

eltene Erkrankungen haben eine Häufigkeit von unter 1:2.000 in der Bevölkerung. Die meisten angeborenen Stoffwechselerkrankungen sind wesentlich seltener und haben oft nur eine Häufigkeit von 1:40.000 oder noch darunter. Bei unter 700.000 Geburten im Jahr in Deutschland bedeutet dies, dass jedes Jahr nur einige Kinder mit einer seltenen Stoffwechselerkrankung auf die Welt kommen. Naturgemäß kennt der einzelne Arzt diese Krankheiten daher oft gar nicht oder nur unzureichend. Da es aber viele Hundert angeborene Stoffwechselerkrankungen gibt, wird die Gruppe der Stoffwechselerkrankungen auf einmal zu einer häufigen Diagnose. Darüber hinaus sind viele Erkrankungen in den letzten Jahren behandelbar geworden und es hat für Patienten fatale Folgen, wenn die Diagnose nicht gestellt wird. Die lysosomalen Speichererkrankungen sind dafür ein gutes Beispiel. Waren es während des Studiums vieler Ärzte noch unbehandelbare, tödlich verlaufende Erkrankungen, sind viele von ihnen heute behandelbar geworden – mit einer spezifischen Enzymersatzherapie lässt sich die Prognose deutlich verbessern. Das gelingt umso mehr, je früher mit der Behandlung begonnen wird. Deshalb ist eine frühe Diagnose so wichtig.

Hernien und häufige Atemwegsinfekte …

... können Indizien für einen Morbus Hunter (Mukopolysaccharidose II; Inzidenz: 1:162.000) sein. Hellhörig werden sollte man bei Säuglingen und Kleinkindern mit häufigen Bronchitiden, Sinusitiden und Otitiden, auch mit Hörverlust. Ebenfalls typisch sind Leisten- und Nabelhernien. Auch der Blick auf das Aussehen ist aufschlussreich: Grobe Gesichtszüge, verdickte und buschige Haare sowie eine verdickte, weißliche Haut mit knötchenartigen Hautläsionen an Oberarmen, Beinen und Rücken sind wegweisend. Die fortschreitende Akkumulation von Glykosaminoglykanen, Folge des Mangels an Iduronat-2-Sulfatase, führt im weiteren Verlauf zu einer Reihe von Funktionsstörungen, die Skelett, Atmungsorgane, das Herz-Kreislauf-System und das ZNS in Mitleidenschaft ziehen können. Entsprechend können Herzklappendysfunktion und Kardiomyopathie ebenso auftreten wie obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen, aber auch Veränderungen des Skelettsystems mit Karpaltunnelsyndrom und Kontrakturen. Eine verkürzte Achillessehne kann zu einem auffälligen Gangbild führen. Bei schwer ausgebildetem Phänotyp können zusätzlich neurologische Störungen

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mit mentaler Beeinträchtigung das klinische Bild prägen. Als Screeningtest eignet sich die Untersuchung auf die erhöhte Mucopolysaccharid-Ausscheidung (Dermatan- und Heparansulfat) im Urin. An diese Voruntersuchungen schließt sich die Bestimmung der Iduronat-Sulfatase an, und zwar entweder im Serum, in Leukozyten oder in Fibroblasten einer Hautbiopsie (ein Diagnostikpaket kann angefordert werden unter serviceHGT@shire.com). Bei positivem Befund ist eine gezielte Enzymersatztherapie mit rekombinanter Idursulfase (Elaprase®) indiziert. Elaprase® wird wöchentlich mit einer Dosis von 0,5  mg/kg Körpergewicht intravenös appliziert. Das gesamte Infusionsvolumen sollte über einen Zeitraum von 3 Stunden gegeben werden. Treten keine Infusionsreaktionen auf, kann die Dauer der Infusion auf eine Stunde verkürzt werden. Brennende Schmerzen an Händen und Füßen, …

… dunkelrote bis blauschwarze Angiokeratome, quälende Müdigkeit und eine Hypohidrose sind charakteristisch für den Morbus Fabry (Inzidenz ca. 1:40.000). Bei dieser lysosomalen Speicherkrankheit wird Globotriaosylcera© VERLAG PERFUSION GMBH


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Morbus Hunter

Morbus Fabry

Morbus Gaucher

Typische Symptome und Anzeichen im Kindesalter

abel- und Leistenhernien N äufige Infektionen der Atemwege H und der Ohren Vergröberte Gesichtszüge Hepato-/Splenomegalie Gelenkkontrakturen Erhöhtes Narkoserisiko

Brennende Schmerzen an Händen und

plenomegalie S auchschmerzen B Hepatomegalie Anämie Knochenschmerzen Müdigkeit

Enzymaktivität α-Galaktosidase

Enzymaktivität β-Glukozerebrosidase

Agalsidase alfa (Replagal®), das mittels

Velaglucerase alfa (VPRIV®), durch DNS-Rekombinationstechnik in einer humanen HT1080-Fibroblasten-Zelllinie hergestellt, identische Aminosäuresequenz wie humane Glukozerebrosidase

Füßen Hypohidrose Angiokeratome Gelenkschmerzen Vermindertes Längenwachstum in der Pubertät

Diagnostik

lukosaminoglykane im Urin G nzymaktivität Iduronat-2-Sulfatase E Enzymersatztherapie Idursulfase (Elaprase®), durch rekombinante Gentechnologie in einer humanen Zelllinie hergestellte Form der menschlichen Iduronat2-Sulfatase

Genaktivierung in einer humanen Zelllinie produzierte menschliche Enzym α-Galaktosidase A

Tabelle 1: Seltene lysosomale Speicherererkrankungen: Symptome, Diagnostik und Enzymersatztherapie.

mid (Gb3) durch einen Mangel an α-Galaktosidase nur eingeschränkt abgebaut und lagert sich in nahezu allen Körperzellen ab, vor allem in den Endothelzellen von Blutgefäßen, Kardiomyozyten und Nervenzellen. Wegen der Hypohidrose – vor allem Jungen sind hiervon betroffen – sind die Kinder nicht in der Lage, längere Strecken zu laufen. In der Schule werden sie deshalb oft als „Drückeberger“ bezeichnet. Am meisten zu schaffen machen den Patienten die wie Feuer brennenden Schmerzen an Füßen und Händen. Oftmals knickt die zunächst normal verlaufende Wachstumskurve in der Pubertät ein. Wegweisend sind auch Gelenkschmerzen. Sie werden nicht selten als „Wachstumsschmerzen“ oder als rheumatische Arthritis fehlinterpretiert, sprechen aber nicht auf Steroide an. Anders als beim Morbus Hunter haben Kinder mit Morbus Fabry kein typisches Aussehen, die ersten Symptome treten meist im Kindergartenalter auf. Die Verdachtsdiagnose wird in erster Linie anhand der klinischen

Symptome gestellt. Nachfolgend können histologische, biochemische und/oder molekulargenetische Untersuchungen weiteren Aufschluss geben. Bei Männern wird die klinische Diagnose in in der Regel durch biochemische Tests zur Bestimmung der α-GalaktosidaseAktivität und/oder den Nachweis der Speichersubstanz (Globotriaosylceramid oder Ceramidtrihexosid) verifiziert. Bei Frauen ist ein sicherer Nachweis ausschließlich durch molekulargenetische Methoden möglich. Hautbiopsien können bei der Diagnosestellung helfen. Insbesondere in unklaren Fällen und bei Fehlen eindeutiger biochemischer und molekulargenetischer Befunde liefern Biopsien oft den entscheidenden Hinweis auf die Erkrankung. Therapeutisch lässt sich mit einer Enzymersatztherapie mit Agalsidase alfa (Replagal®) der Gb3Abbau unterstützen und die Anreicherung in den Zellen vermindern. Replagal® wird alle 2 Wochen in iner Dosierung von 0,2  mg/kg Körpergewicht als intravenöse In-

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fusion über einen Zeitraum von 40 Minuten verabreicht. Eine ungeklärte Splenomegalie …

… ist das Leitsymptom bei Morbus Gaucher (Inzidenz ca. 1:50.000). Ein erster Hinweis können unklare und chronisch auftretende Bauchbeschwerden sein. Treten diese gemeinsam mit einer Splenomegalie auf, ist meist bereits eine Diagnose möglich. Eine Hepatomegalie zeigt sich wie die Splenomegalie ebenfalls in einem vorgewölbten Bauch. Darüber hinaus fallen muskuloskelettale Befunde wie Osteonekrosen, Knochenschmerzen oder Oligoarthritiden unklarer Genese auf. Dazu können sich Anämie, Thrombozytopenie und Müdigkeit gesellen. Die Diagnosesicherung gelingt durch direkte Messung der β-Glukozerebrosidase, die bei Patienten mit Morbus Gaucher defizient ist. Die Enzymaktivität der β-Glukozerebrosidase beträgt bei den meisten Patienten zwischen © VERLAG PERFUSION GMBH


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10 und 30 %. Die Analyse erfolgt in Leukozyten oder Fibroblasten bzw. in Amnion- oder Trophoblasten-Zellen. Die Höhe der Enzym­ aktivität korreliert nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung. Bei positivem Befund steht eine Enzymersatztherapie mit humaner Glukozerebrosidase (Velaglucerase alfa, VPRIV®) zur Verfügung, auf die Kinder in der Regel sehr gut ansprechen. VPRIV® wird alle 14 Tage intravenös über 60 Minuten infundiert. Die empfohlene Startdosis beträgt 60 U/kg, die Therapie muss lebenslang erfolgen. Ein rechtzeitiger Beginn der Enzymersatztherapie verhindert die pathologische Akkumulation von Glukozerebrosiden bzw. initiiert deren Abbau. Hierdurch können hämatologische Parameter verbessert, Leber- und Milzgröße reduziert, Skelettkomplikationen verhindert sowie Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erhöht werden. Bei Kindern lässt sich mithilfe der Enzymersatztherapie eine weitgehend normale Entwicklung erreichen. Fabian Sandner, Nürnberg

Quelle: Lunchsymposium „Simulant oder unerkannt? – Seltene Stoffwechselkrankheiten im Fokus“ der Shire Deutschland GmbH im Rahmen der 109. Jahrestagung der DGKJ, 13. September 2013, Düsseldorf

ROTE LISTE® ist meist­ genutztes Portal bei Allgemeinärzten und Internisten Die Website der ROTE LISTE® ist für niedergelassene Ärzte die Informationsquelle Nummer 1 unter den medizinischen OnlinePortalen. Dies ergab eine Analyse der Website-Reichweiten durch die Arbeitsgemeinschaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V. Im Rahmen der repräsentativen Studie wurden niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten erstmals gefragt, inwieweit sie medizinische Websites nutzen. Die reichweitenstärkste medizinische Internetseiten (nach Nutzern pro LA-MED 2013 API-Studie Website

Monat) ist demnach „rote-liste.de“ mit 27,5 % Reichweite, vor „doccheck.de“ mit 25,8 % (Tab. 1). Das gute Abschneiden bei der Online-Nutzung unterstreicht den Stellenwert des Arzneimittelverzeichnisses ROTE LISTE®. Ob in Buchform oder Online – die prägnanten und profunden Produktinformationen werden von den Nutzern als verlässliche Quelle rund um Arzneimittel und ausgewählte Medizinprodukte geschätzt. So ergab eine 2012 durchgeführte Umfrage unter den Nutzern des Buchs, dass 90 % der Teilnehmer nicht darauf verzichten möchten. Die Printversion wird jährlich, die Online-Ausgabe halbjährlich aktualisiert. J. S.

Reichweite NpM in %

absolut

www.rote-liste.de

27,5

17.110

www.doccheck.de

25,8

16.060

www.gelbe-liste.de

24,2

15.080

www.aerzteblatt.de

20,9

13.030

www.springermedizin.de

20,9

13.040

www.aerztezeitung.de

18,0

11.240

www.medical-tribune.de

11,5

7.180

www.coliquio.de

11,2

6.970

www.hippokranet.de*

7,0

4.330

www.journalmed.de*

3,9

2.420

www.esanum.de*

2,8

1.750

* Nutzer in den letzten 4 Wochen Tabelle 1: Nutzung medizinischer Websites, Nutzer pro Monat (NpM). Grundgesamtheit: 62.295 APIs (BRD), Stichprobe: 1.002, Feldzeit: 09/12 bis 06/13 (Quelle: LA-MED 2013 APIStudie, Zielgruppe: niedergelassene APIs).

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Chronische Hepatitis B und C: Die Zeit ist reif für gute Prognosen

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ie Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit chronischen viralen Leberentzündungen werden zunehmend besser. Bei einer Hepatitis-B-Infektion reduziert Tenofovir nachweisbar die Viruslast und das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom; zudem kann das Nukleotid-Analogon Leberschäden zurückführen. Für Patienten mit Hepatitis C steht Sofosbuvir kurz vor der Zulassung. Der Wirkstoff war als Kombinationstherapie in 4 Phase-III-Studien effektiv und vor allem deutlich verträglicher als bisherige Standardtherapien. HBV ist kontrollierbar!

Wenn Ärzte Patienten mit einer chronischen Hepatitis B behandeln, können sie ihnen seit einiger Zeit immer bessere Prognosen mit auf den Weg geben. Dank moderner Nukleos(t)id-Analoga gelingt es in den meisten Fällen, die Infektion anhaltend zu kontrollieren. So supprimierte Tenofovir nach sechsjähriger Behandlung die Viruslast je nach HBeAg-Status bei 99  % (HBeAg-positiv) bzw. 99,6 % (HBeAg-negativ) der Patienten (On-Treatment-Analyse) [1]. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass parallel dazu auch be-

stehende Leberschäden zurückgingen: 74 % der eingeschlossenen Patienten mit Zirrhose verbesserten sich nach 5 Behandlungsjahren auf einen Ishak-Score kleiner oder gleich 4 [2]. Und schließlich geht aus verschiedenen Studien hervor, dass die effektive Suppression der Viruslast auch das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) senkt [3]. In einer Langzeitbeobachtung von Tenofovir-behandelten Patienten war die tatsächliche Inzidenzrate bereits ab dem 4. Behandlungsjahr geringer als die erwartete. Nach 5,5 Jahren war der Unterschied signifikant [4]. Ein gewisses Restrisiko für ein HCC bleibt aber bestehen, vor allem wenn Patienten schon fortgeschrittene Leberschäden aufweisen [5]. Es ist daher wichtig, dass Diagnose und Therapie frühzeitig erfolgen und die Patienten weiterhin regelmäßig sonografisch untersucht werden. Schließt Sofosbuvir eine Behandlungslücke bei der HCV?

Neben der chronischen Hepatitis B stellt auch die chronische Hepatitis C einen bedeutenden Risikofaktor für Leberschäden und das HCC dar [6]. Therapieziel ist daher ein nachhaltiges virologisches Anspre-

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chen, das mit einer Reduktion der Gesamtmortalität, der leberbezogenen Mortalität und des HCC-Risikos einhergeht [7]. Dieser Marker ist nach heutigem Verständnis zudem gleichbedeutend mit einer Heilung [8, 9, 10]. Allerdings erschweren derzeit zahlreiche Barrieren die Therapie. Sie reichen von einem insgesamt zu geringen Bewusstsein für die Erkrankung und der Unterversorgung der Betroffenen bis hin zur schlechten Verträglichkeit der Behandlung [11]. Dies führt dazu, dass zahlreiche Patienten für eine Therapie nicht infrage kommen, die Therapie verweigern oder vorzeitig abbrechen [12]. Möglicherweise steht aber nun ein Durchbruch bevor. Denn das Nukleotid-Analogon Sofosbuvir (SOF) hat sich in 4 Phase-III-Studien in Kombination mit Ribavirin (RBV) bzw. mit pegyliertem Interferon (pegIFN) und RBV nicht nur als wirksam, sondern auch als gut verträglich erwiesen. Eingeschlossen waren über 1300 Hepatitis-CPatienten der Genotypen 1–6, die entweder vorbehandelt waren oder nicht bzw. die für eine Behandlung mit pegIFN nicht infrage kamen. Das Studiendesign variierte je nach Genotyp, Vorbehandlung und pegIFN-Status, der primäre Endpunkt in allen Studien war das © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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nachhaltige virologische Ansprechen 12 Wochen nach Behandlungsende. NEUTRINO-Studie [13] Nicht vorbehandelte Patienten der Genotypen 1,4,5 und 6 unterzogen sich einer 12-wöchigen Kombinationstherapie aus SOF + pegIFN + RBV. Der primäre Endpunkt wurde bei 90 % der Patienten erreicht. Schwere Nebenwirkungen ließen sich bei 1 % der Patienten beobachten, die Abbruchrate betrug 2 % und war damit niedriger als unter IFN-haltigen Regimen längerer Dauer. FISSION-Studie [13] Diese Studie diente dem Nachweis der Nichtunterlegenheit. Dazu erhielten nicht vorbehandelte Patienten der Genotypen 2 und 3 unverblindet, aber randomisiert entweder SOF + RBV für 12 Wochen oder pegIFN + RBV für 24 Wochen. Den primären Endpunkt erreichten in beiden Gruppen 67 % der Patienten, was die Nichtunterlegenheit des verkürzten und Interferon-freien SOF-Regimes belegte. Nebenwirkungen waren unter SOF + RBV seltener als im Vergleichsarm, die Abbruchraten wegen Nebenwirkungen betrugen 1 % (SOF + RBV) versus 11 % (pegIFN + RBV). FUSION-Studie [14] Vorbehandelte Patienten der Genotypen 2 und 3 wurden verblindet und randomisiert auf SOF + RBV für 12 oder 16 Wochen eingestellt. Der primäre Endpunkt wurde von 50 % der Patienten im

12-Wochen-Arm und von 73  % der Patienten im 16-Wochen-Arm erreicht (p<0,001). Die Inzidenzraten schwerer Nebenwirkungen beliefen sich auf 5 % im 12-WochenArm und 3 % im 16-Wochen-Arm, nur 1 Patient aus der Gruppe mit 12-wöchiger Therapie brach die Behandlung ab (1 %). POSITRON-Studie [14] Patienten der Genotypen 2 und 3, für die eine Behandlung mit pegIFN nicht infrage kam, wurde randomisiert und verblindet entweder SOF + RBV oder Placebo für 12 Wochen verabreicht. Den primären Endpunkt erlangten 78 % unter SOF + RBV und 0 % unter Placebo (p<0,001). Schwere Nebenwirkungen ließen sich bei 5 % im VerumArm und 3 % im Vergleichsarm beobachten, die Abbruchraten aufgrund von Nebenwirkungen lagen bei 2 % unter SOF + RBV und bei 4 % unter Placebo. Diese Studien zeigen, dass sich mit Sofosbuvir das Therapieziel des nachhaltigen virologischen Ansprechens bei vielen Patienten erreichen lässt. Darüber hinaus überzeugte die Substanz durch ihre gute Verträglichkeit und sie verkürzte die Therapiedauer im Vergleich zu bisherigen Regimen von 24–48 auf 12 Wochen. Wird dem Zulassungsantrag stattgegeben, könnte für deutlich mehr Patienten als bisher eine Heilung in greifbare Nähe rücken. ALT alleine reicht nicht

In der täglichen Praxis führen in der Regel erhöhte ALT-Werte zu einer weiterführenden Diagnostik auf Infektionen mit Hepatitis-B-

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oder -C-Viren. Damit allein werden aber viele Fälle übersehen, wie eine aktuelle Studie zeigt [15]. Den Autoren zufolge sollten Ärzte daher auch bei bestimmten Risikofaktoren an die Erkrankungen denken. Für Hepatitis B und Hepatitis C sind dies vor allem Migrationshintergrund, Promiskuität, Müdigkeit, Piercings und Tattoos sowie Transfusionen, Dialysepflicht und intravenöser Drogenmissbrauch in der Vorgeschichte. Mit ihnen als Screening-Trigger lassen sich deutlich mehr Erkrankungsfälle identifizieren als mit erhöhten ALT-Werten. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Marcellin P et al. AASLD 2012 ; Poster 374 2 Marcellin P, et al. AASLD 2011; Poster 1375 3 Hosaka T et al. Hepatology 2012 Dec 5. doi: 10.1002/hep.26180 4 Kim WR et al. EASL 2013; Oral 43 5 Wong GL et al. Gastroenterology 2013;144:933-944 6 Lee MH et al. J Clin Oncol. 2010;28:45874593 7 van der Meer AJ et al. J Am Med Ass 2012;308:2584-2593 8 Smith BD et al. Morbidity and Mortality Weekly Report 2012;61:1-32 9 Pearlman BL, Traub N. Clin Infect Dis 2011;52:889-900 10 European Association for the Study of the Liver EASL Clinical Practice Guidelines: Management of hepatitis C virus infection. J Hepatol 2011;55:245-264 11 McGowan CE et al. Liver Int 2012; 32(Suppl 1):151-156 12 North CS et al. Gen Hosp Psych 2013;35: 122-128 13 Lawitz E et al. N Engl J Med 2013. doi: 10.1056/NEJMoa1214853 14 Jacobson IM et al. N Engl J Med 2013. doi: 10.1056/NEJMoa1214854 15 Wiegand J et al. EASL 2013; Poster „Check-Up 35+“ © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Migränetherapie – schnell und wirksam mit dem Fertigpen

V

or allem Menschen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr sind von Migräne betroffen, Frauen dreimal häufiger als Männer. Die Prävalenz liegt weltweit zwischen 10 und 15 %. MigräneAttacken treten meist einseitig auf und sind durch starke, pulsierende, pochende Kopfschmerzen charakterisiert. Die Anfälle sind oft von Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Licht- und Wärmeempfindlichkeit begleitet. Bei körperlicher Anstrengung werden die Schmerzen stärker. Sumatriptan: schnellster Wirkeintritt und beste Wirksamkeit durch subkutane Applikation

Laut der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neu-

rologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) sind Triptane die erste Wahl bei der Therapie mittelschwerer und schwerer MigräneAttacken und sollten so früh wie möglich eingesetzt werden [1]. Der Wirkeintritt oraler Darreichungsformen liegt je nach Sub­ stanz zwischen 30 und 60 Minuten. Da der Leidensdruck der Patienten bei akuten Migräne-Anfällen erheblich ist, muss die Therapie möglichst rasch wirken. Den schnellsten Wirkeintritt hat Sumatriptan in subkutanen Applikationsformen: Beim Sumatriptan-Hormosan Inject Fertigpen mit 6 mg Dosierung lassen die Schmerzen schon etwa 10 Minuten nach der Injektion nach. Auch die Wirksamkeit nach 2 Stunden ist bei subkutaner Ap-

Sumatriptan Sumatriptan ist ein spezifischer und selektiver 5-Hydroxytrypta­ min(5-HT1D)-Rezeptor-Agonist. Der vaskuläre 5-HT1D-Rezeptor findet sich überwiegend in kranialen Blutgefäßen und bewirkt eine Vasokonstriktion. Sumatriptan bindet an diesen Rezeptor und führt zu einer selektiven Konstriktion der Carotis-Gefäße, verändert aber nicht den zerebralen Blutfluss. Außerdem inhibiert Sumatriptan die Aktivität des N. trigeminus. Die subkutane Injektion von Sumatriptan-Hormosan Inject ist indiziert für die Akuttherapie von Migräneattacken mit oder ohne Aura sowie für die akute Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes.

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plikation mit 70–80 % wesentlich höher als bei oralen Darreichungsformen [2]. 80 % der Migräne-Patienten leiden zusätzlich an Übelkeit, 40–50 % an Erbrechen. Dies verhindert in vielen Fällen die Einnahme eines oralen Triptans. Gerade für diese Patienten ist die subkutane Gabe von Sumatriptan eine überzeugende Therapieoption. Fertigpen bietet viele Vorteile

Migräne-Anfälle treten zumeist ohne erkennbare Vorzeichen auf. Die Applikationsform sollte deshalb mit dem Alltag der Patienten, mit Beruf, Familie, Urlaubs- und Geschäftsreisen vereinbar sein. Der gebrauchsfertige SumatriptanFertigpen ist aufgrund seiner geringen Größe und spielend einfachen Anwendung überall hin mitzunehmen und sofort einsetzbar. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Diener HC et al. Therapie der Migräne. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2012: 688-718 2 Fachinformation Sumatriptan-Hormosan Inject 6 mg/0,5 ml Injektionslösung, Stand Juli 2012 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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ie Kombinationstherapie mit dem TNF-α-Blocker Infliximab (Remicade®) und dem nicht steroidalen Antirheumatikum Naproxen im frühen, aktiven Stadium einer axialen Spondyloarthritis ist einer Naproxen-Monotherapie deutlich überlegen. Dies belegen die Ergebnisse der Studie INFAST (Infliximab as First Line Therapy in Patients with Early Active Axial Spondyloarthritis Trial), die anlässlich des Jahreskongresses der European League Against Rheumatism (EULAR) vorgestellt wurden [1]. Partielle Remission bei fast zwei Drittel der Patienten

Für die doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie wurden 158 Patienten im Alter von 18–48 Jahren in 2 Gruppen im Verhältnis 2:1 randomisiert. Alle Patienten wiesen eine axiale Spondyloarthritis im frühen, aktiven Stadium der Erkrankung (Erkrankungsdauer ≤3 Jahre, chronische Rückenschmerzen und aktive Entzündung der Sakroiliakalgelenke im MRT) auf und waren NSAR-naiv oder mit NSAR in submaximaler Dosierung behandelt. 60 % der Patienten hatten eine hohe oder sehr hohe Krankheitsaktivität (ASAS* >3,5). Die Therapiegruppe (106 Patienten, davon wurde ein Patient ausgeschlossen) erhielt über 28 Wochen Infliximab 5 mg/kg i.v. (Woche 0, 2, 6, 12, 18, 24) plus Naproxen 1000 mg/d, die Kontrollgruppe (n=51) erhielt Placebo i.v. plus Naproxen 1000 mg/d. 90,6 % der Therapiegruppe und 86,5 % der Kontrollgruppe beendeten die Studie protokollgemäß nach 28 Wochen. * Assessment in Ankylosing Spondylitis

Axiale Spondylarthritis: Patienten profitieren von frühzeitiger Therapie mit Infliximab

In der Gruppe mit der Therapiekombination Infliximab und Naproxen erreichten 61,9 % der Patienten nach 28 Wochen bezüglich der ASAS-Kriterien eine partielle Remission und damit den primären Endpunkt der Studie, in der Kontrollgruppe mit Placebo und NSAR waren es 35,3 % (p=0,002) [2]. Bereits nach 2 Wochen hatte im Infliximab-Naproxen-Arm ein höherer Anteil der Patienten eine partielle Remission. Dieser statistisch signifikante Effekt hielt über alle Untersuchungstermine bis zur 28. Woche an. Dabei zeigten Patienten mit erhöhtem C-reaktivem

Protein(CRP)-Ausgangswert im Kombinationsarm eine höhere Ansprechrate als Patienten mit niedrigem CRP-Ausgangswert (71 vs. 59 %). Das galt auch für Patienten mit axialer Spondyloarthritis, die sich zu Studienbeginn in einem frühen Erkrankungsstadium befanden und im MRT gesicherte Entzündungszeichen aufwiesen. Auch bezüglich Entzündungsaktivität, Lebensqualität und Schmerz erzielte die Kombinationstherapie bessere Ergebnisse als die Kontrollgruppe mit Naproxen allein. Die Therapie mit Infliximab wurde generell gut vertragen. Die Rate

Infliximab Infliximab (Remicade®) ist ein chimärer, human-muriner, monoklonaler Antikörper, der mit hoher Affinität sowohl an lösliche als auch an transmembrane Formen von TNF-α bindet und dadurch dessen funktionelle Aktivität hemmt. Infliximab ist unter bestimmten Voraussetzungen unter anderem zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis, schwerwiegender aktiver ankylosierender Spondylitis sowie aktiver und fortschreitender Psoriasis-Arthritis, die auf eine konventionelle bzw. krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimitteltherapie unzureichend angesprochen haben, zudem bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis vom Plaque-Typ, bei denen andere systemische Therapien einschließlich Ciclosporin, Methotrexat oder PUVA nicht ausreichend wirksam waren, kontraindiziert sind oder nicht vertragen wurden.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

schwerwiegender Nebenwirkungen war in beiden Gruppen vergleichbar (Kombination 5 %, Monotherapie 6 %). Das Spektrum der Nebenwirkungen entsprach dem bei anderen TNF-α-Antagonisten [2].

Kasuistikbuch zur TNF-α-Therapie:

Etanercept schreibt Therapie-Geschichte(n)

Kein zusätzlicher Nutzen einer Naproxen-Erhaltungstherapie

In einer im Rahmen von INFAST durchgeführten offenen Verlängerung der Studie (INFAST Teil 2) wurde untersucht, ob sich bei Patienten, die in Teil 1 bis Woche 28 eine partielle Remission gemäß ASAS-Kriterien erreicht hatten, die Remission auch ohne Biologikatherapie erhalten ließ [3]. Dazu erhielten die Patienten bis Woche 52 entweder eine Naproxen-Monotherapie oder gar keine Behandlung. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Fortsetzung der Naproxentherapie keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber dem vollständigen Absetzen beider Medikationen brachte. In Woche 52 war die Rate der in partieller Remission befindlichen Patienten in den beiden Gruppen vergleichbar: 47,5 % im NaproxenArm und 40,0 % in der therapiefreien Gruppe. Die mediale Dauer der partiellen Remission betrug in der Naproxengruppe 23 Wochen und bei den unbehandelten Patienten 12,6 Wochen (p=0,38) [3]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Sieper J et al. EULAR 2013; Abstract FRI0424 2 Sieper J et al. Ann Rheum Dis Published INFAST Part 1. Online First: [May 21, 2013] doi: 10.1136/annrheumdis-2012203201 3 Sieper J et al. Ann Rheum Dis Published INFAST Part 2. Online First: [June 5, 2013] doi: 10.1136/annrheumdis-2013203460

„Ärzte. Patienten. Leben, jeden Tag. Etanercept – unsere Geschichten“ – unter diesemTitel hat Pfizer ein Kasuistikbuch herausgebracht. Es beleuchtet praxis- und lebensnah die zahlreichen Facetten chronischentzündlicher Erkrankungen und deren Therapie mit dem TNF-αRezeptorfusionsprotein Etanercept. In insgesamt 21 Fallbeispielen zur rheumatoiden Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA), ankylosierenden Spondylitis, Plaque-Psoriasis (PsO) und juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) berichten Ärzte und Patienten aus ihrer ganz persönlichen Perspektive. Fallbeispiele aus verschiedenen Blickwinkeln

Jeder Krankheitsfall bedeutet ein neues Schicksal, Arzt und Patient erleben die Diagnose „chronische Erkrankung“ auf unterschiedliche Art und Weise. Deshalb bietet das Kasuistikbuch beide Blickwinkel: In den Fallbeispielen kommen sowohl der behandelnde Arzt als auch der betroffene Patient zu Wort. Offen und sehr persönlich berichten die Patienten über ihre Situation. Umwege bis zur richtigen Therapie,

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Schmerzen und Beeinträchtigungen im Alltag – all dies belastete viele Patienten, bevor sie in dieser schwierigen Lebensphase ihre Rheumatologen trafen und erfolgreich behandelt werden konnten. Das Buch gibt Einblicke in das Leben der Patienten und spiegelt die tägliche Praxis wider. Mut machen die Schilderungen, in denen Patienten dank einer effektiven Therapie ihr tägliches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen wieder meistern können. Biologika geben neue Hoffnung

Die Erfahrungsberichte im Kasuistikbuch ermöglichen einen Rückblick auf die diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Ärzte und Patienten sind sich einig: Die Einführung der Biologika hat die Therapie der entzündlichen Erkrankungen wesentlich vorangebracht. Sowohl empfindlichere Diagnoseverfahren, die die Früherkennung von entzündlichen Erkrankungen verbessern, als auch die Einführung der TNF-α-Inhibitoren wie Etanercept (Enbrel®) haben zu einer neuen Herangehensweise geführt. Inzwischen formulieren die entsprechenden Leitlinien als Therapieziel die Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität. Die 21 Kasuistiken im Buch veranschaulichen die immense Bandbreite der TNF-α-Therapie – ein Blick in die außergewöhnliche Fallsammlung lohnt sich! S. M. Interessierte Ärzte können das Buch unter der folgenden E-Mail-Adresse kostenlos bestellen: monika.poellot@pfizer. com. © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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Neu für die HIV-Therapie:

Stribild® – das erste Integrase-Inhibitor-basierte Single-Tablet-Regimen

I

n Deutschland leben derzeit etwa 73.000 Menschen mit HIV/Aids, die Zahl der Neuerkrankungen lag 2011 bei 2700. Zur Therapie einer HIV-Infektion stehen inzwischen mehr als 20 Arzneimittel zur Verfügung, aufgrund der Resistenzproblematik des HIVirus sowie der Nebenwirkungen einiger Substanzen ist jedoch die Entwicklung weiterer Wirkstoffe nötig. Die derzeit modernste Klasse antiretroviraler Substanzen ist die der Integrase-Inhibitoren. Am 28. Mai 2013 hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA Stribild® – das erste IntegraseInhibitor-basierte Single-TabletRegimen (STR) mit Truvada®Backbone – für die Behandlung einer HIV-1-Infektion bei Erwachsenen zugelassen, die nicht antiretroviral vorbehandelt sind oder bei denen das Virus keine Mutationen aufweist, die bekanntermaßen mit Resistenzen gegen einen der 3 antiretroviralen Wirkstoffe assoziiert sind [1]. Integrase-Inhibitoren – hohe Effektivität und gute Verträglichkeit

Integrase-Inhibitoren hemmen die Einbindung des HIV-Genoms in die Wirts-DNA und blockieren so die Replikation des Virus. Charakteristisch für Integrase-Inhibitoren

sind vor allem die schnelle und effektive Wirkung sowie die gute Verträglichkeit. Jüngste Daten einer von Molina et al. publizierten Studie zeigen, dass der neue Integrase-Inhibitor Elvitegravir bei einmal täglicher Gabe ebenso effektiv ist wie das bisher verfügbare Raltegravir [2]. Dies ermöglichte die Entwicklung von Stribild® – dem ersten Integrase-Inhibitorbasierten STR, einer vollständigen antiretroviralen Therapie (ART) in einer einzigen Tablette, die nur einmal am Tag eingenommen wird. Stribild® enthält neben dem bewährten First-Line-Backbone FTC/TDF (Emtricitabin/Tenofovirdisoproxilfumarat) den Integrase-Inhibitor Elvitegravir (EVG) und Cobicistat (COBI), einen Hemmstoff des Cytochrom-P450Isoenzyms CYP3A, der als Booster für Elvitegravir wirkt, aber keine eigene antivirale Aktivität besitzt [3]. Zulassungsstudien belegen schnelle und gute Effektivität

In den beiden Zulassungsstudien GS-102 und GS-103 [4, 5] wurde Stribild® mit zwei anderen empfohlenen First-Line-Regimen verglichen – dem STR Atripla® (Efavirenz/FTC/TDF) und Reyataz® Atazanvir/Ritonavir (ATV/RTV) plus Truvada® (FTC/TDF). In die

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randomisierten, doppelblinden, aktiv kontrollierten Phase-III-Studien wurden jeweils 700 nicht vorbehandelte Patienten eingeschlossen. Primärer Studienendpunkt war die Nicht-Unterlegenheit von Stribild® gegenüber den Vergleichsregimen (Nachweis über den Anteil an Patienten mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze von 50 Kopien/ ml). Nach 48 Wochen erreichten in der FDA-Snapshot-Analyse der Studie GS-102 unter Atripla® 84 % der Patienten eine Viruslast <50 Kopien/ ml, unter Stribild® waren es 88 % [4]. In der Studie GS-103 erreichten 87 % der ATV/RTV/FTC/TDFPatienten nach 48 Wochen dieses Therapieziel, unter Stribild® 90 % [5]. Die virologische Wirksamkeit von Stribild® ist auch im „Stresstest“ bei hoher Viruslast und allen CD4-Ausgangswerten nachweisbar. So zeigt die integrierte Analyse beider Studien nach 96 Wochen keine Unterschiede in der Effektivität zwischen den 3 Therapieregimen in Bezug auf Viruslast und CD4-Zellzahl zu Studienbeginn [6]. Die Wirkung von Stribild® setzte außerdem besonders schnell ein – bereits nach 4 Wochen erreichten in den Zulassungsstudien 60 % der Patienten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze [6]. In allen Studien wurde das Integrase-Inhibitor-STR gut vertragen, häufigste Nebenwirkung waren © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Single-Tablet-Regimen Stribild® Stribild® ist eine vollständige antiretrovirale Therapie in einer Tablette, die nur einmal am Tag eingenommen wird. Eine vollständige antiretrovirale Therapie besteht aus 3 oder mehr Wirkstoffen mit mindestens 2 unterschiedlichen Wirkmechanismen. Sie ermöglicht eine Senkung der Viruslast und eine Steigerung der CD4-Zellzahl. Stribild® beinhaltet folgende 4 Wirkstoffe: • Elvitegravir 150 mg (einen neuen Integrase-Inhibitor), • Cobicistat150 mg (einen neuen Hemmstoff des Cytochrom-P450Isoenzyms CYP3A, der als Booster für Elvitegravir wirkt und keine eigene antivirale Aktivität hat) und • den First-Line-Backbone aus Emtricitabin 200 mg (FTC) und Tenofovirdisoproxilfumarat 245 mg (TDF). Das Single-Tablet-Regimen Stribild® wurde im Mai 2013 von der europäischen Zulassungsbehörde EMA für die Behandlung von Infektionen mit HIV-1 bei Erwachsenen, die nicht vorbehandelt sind oder die keine HIV-1 Mutation aufweisen, die bekanntermaßen mit Resistenzen gegen eine der 3 antiretroviralen Wirkstoffe assoziiert ist, zugelassen.

gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit und Diarrhö, die jedoch überwiegend gering in der Intensität waren und in der Regel innerhalb der ersten 2 Wochen abklangen [4, 5]. Zu beachten ist, dass die CYP450-Hemmung von COBI bei einer Co-Medikation, die über das gleiche Enzymsystem metabolisiert wird, zu erhöhten Plasmakonzentrationen führen kann. COBI hemmt außerdem die tubuläre Kreatininsekretion und führt dadurch zu einem klinisch nicht relevanten erhöhten Serumkreatinin-Spiegel [7]. STR: verbesserte Adhärenz – verbessertes klinisches Outcome

Voraussetzung für eine erfolgreiche ART ist die regelmäßige Einnahme aller antiretroviralen Arzneimittel. STR können dem Patienten diese unverzichtbare hohe Adhärenz erleichtern, zu einer höheren virologischen und immunologischen Wirksamkeit

und damit zu einer geringeren Morbidität führen. In einer retrospektiven Analyse war der Anteil an Patienten, die unter einem STR eine Adhärenz von mehr als 90 % erreichten, signifikant höher als unter anderen ART-Regimen (p<0,001) [8]. Eine verbesserte Therapietreue war wiederum mit einer geringeren Viruslast assoziiert: Von Patienten, die im Followup zweier großer randomisierter Studien (n=540) viermal von einer 100%igen Adhärenz berichteten, hatten mehr als 70 % eine Viruslast unter der Nachweisgrenze. Dieses Therapieziel erreichten jedoch nur 35 % der Patienten, die im Beobachtungszeitraum von 12 Monaten nur einmal von einer 100%igen Adhärenz berichteten [9]. Eine partielle Nicht-Adhärenz (es werden nicht alle Bestandteile der verordneten Medikation korrekt eingenommen) konnten Cohen et al. bei 7 % der Patienten unter NNRTI, 20 % unter einem geboosteten Protease-Inhibitor und 11 % unter Raltegravir nachweisen. Da

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diese Form der Nicht-Adhärenz unter einem STR nicht möglich ist, erreichen die STR-Patienten signifikant mehr Tage unter einer kompletten Therapie (p<0,0001). Die damit einhergehende größere Therapietreue schlägt sich in einer signifikant niedrigeren Hospitalisierungsrate nieder (p<0,0001) [10]. Ausblick

Die Europäischen Leitlinien empfehlen heute, bei Menschen mit einer HIV-Infektion in früheren Erkrankungsstadien eine antiretrovirale Therapie zu beginnen, als dies in älteren Empfehlungen der Fall war. Für diese über Jahrzehnte laufende Behandlung ist es entscheidend, dass neue vereinfachte Therapieoptionen verfügbar werden. Stribild® wird HIV-Behandlern in Deutschland eine effektive, verträgliche und bequeme Therapieoption für ihre Patienten an die Hand geben. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Fachinformation Stribild®, Stand Mai 2013 2 Molina JM et al. Lancet Infect Dis 2012; 12:27-35 3 Mathias AA et al. Clin Pharmacol Ther 2010;87:322-329 4 Zolopa A et al. J Acquir Immune Defic Syndr 2013;63:96-100 5 Rockstroh J et al. J Acquir Immune Defic Syndr 2013;63:483-486 6 Zolopa A et al. 20th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections 2013, Atlanta/Georgia/USA, #553 7 Sax P et al. Lancet 2012;379:2439-2448 8 Vera J et al. 11th International Congress on Drug Therapy in HIV Infection, Glasgow/ UK, P005 9 Mannheimer S et al. Clin Infect Dis 2002; 34:1115-1121 10 Cohen C et al. 52nd Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy 2012, San Francisco/California/ USA, #H-211 © VERLAG PERFUSION GMBH


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I

n Deutschland leidet etwa eine von 200 Personen an Epilepsie, was bedeutet, dass schätzungsweise 400.000 Menschen mit dieser Erkrankung in diesem Land leben. Die erfolgreiche Behandlung fokaler Anfälle stellt nach wie vor eine Herausforderung dar, da über 30 % der Patienten trotz entsprechender Therapie mit Antiepileptika keine Anfallsfreiheit erreichen [1]. Viele dieser Patienten haben andere Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Für sie steht mit Perampanel, einem hochselektiven, nicht kompetitiven Glutamat-RezeptorAntagonist des Typs AMPA, seit Juli 2012 eine Zusatztherapie zur Verfügung. Die klinische Erfahrung mit Perampanel (Fycompa®) zeigt, dass es die Anfallshäufigkeit sowohl von komplex fokalen als auch von sekundär generalisierten Anfällen bei diesen schwierig zu behandelnden Patienten senkt [2]. Positive Erfahrungen aus der klinischen Praxis

Die bisherigen Studienergebnisse werden durch zwei neue Untersuchungen untermauert, in denen Daten aus zwei großen deutschen Epilepsiezentren ausgewertet wurden [3, 4]. In beiden Erhebungen wurden die Wirkung von Peramanel auf die Anfallshäufigkeit sowie potenzielle Nebenwirkungen untersucht. Die Ergebnisse beschreiben die ersten Erfahrungen aus der klinischen Praxis zu Perampanel als Zusatztherapie bei Patienten mit refraktärer fokaler Epilepsie. In die größere der beiden Untersuchungen unter Leitung von Professor Bernhard Steinhoff vom Epilepsiezentrum Kork in Kehl-Kork wurden 100 Patienten eingeschlossen. Davon hatten 96 eine fokale Epilepsie und

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Perampanel: Praxisdaten belegen therapeutischen Nutzen bei schwer behandelbarer fokaler Epilepsie 4 ein Lennox-Gastaut-Syndrom. 45 dieser Patienten wurden über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten nachverfolgt. Bei 47 % der Patienten kam es zu einer mindestens 50%igen Reduktion der Anfallshäufigkeit und 16 % der Patienten wurden anfallsfrei. Bei 62 % der Patienten (n=28) traten unerwünschte Ereignisse auf, wobei am häufigsten über Somnolenz und Schwindel berichtet wurde; 5 Patienten brachen die Behandlung infolgedessen ab. Gegen Ende der sechsmonatigen Beobachtungsphase wurden 71 % der Patienten weiterhin mit Perampanel behandelt [3].

In der zweiten Untersuchung am Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg wurden die Ergebnisse von 19 Patienten mit fokalen Anfällen analysiert (94,7 % mit sekundärer Generalisierung in der Anamnese). Die Daten wurden mithilfe telefonischer Interviews nach im Mittel 2,7 Monaten erhoben. Die Patienten litten im Durchschnitt seit 23,7 Jahren an Epilepsie und waren mit durchschnittlich 9 Antiepileptika vorbehandelt worden. Bei 4 Patienten (21,1 %) kam es unter Perampanel zu einer mehr als 50%igen Reduktion der Anfallshäufigkeit. Bei weiteren 5 Patienten (26,3 %) wurde eine positive Wirkung beob-

Perampanel Perampanel (Fycompa®) ist ein hochselektiver, nicht kompetitiver Glutamat-Rezeptor-Antagonist des Typs AMPA (α-Amino-3-hy­ droxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure). AMPA-Rezeptoren, die weithin in fast allen exzitatorischenNeuronen vorhanden sind, übertragen Signale, die vom Neurotransmitter Glutamat im Gehirn angeregt werden, und spielen daher vermutlich eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Ausbreitung von epileptischen Anfällen. Perampanel ist das einzige in Europa zugelassene Antiepileptikum, das selektiv auf AMPA-Rezeptoren wirkt und damit die anfallsauslösenden Effekte von Glutamat blockieren kann [5]. Perampanel ist in der Europäischen Union und in der Schweiz als Begleittherapie für Patienten ab 12 Jahren mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. Es wird entsprechend dem individuellen Ansprechen des Patienten titriert und in Dosen von 4–12 mg/d einmal täglich abends vor dem Schlafengehen eingenommen.

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

LUX-Lung 3-Daten zeigen Vorteil von Afatinib beim NSCLC mit positivem EGFR-Mutationsstatus

achtet, obgleich die Reduktion der Anfallshäufigkeit unter 50 % lag. Vier Patienten brachen die Therapie ab, zwei aufgrund von Nebenwirkungen. Bei 12 Patienten (63,2 %) wurden keinerlei Nebenwirkungen berichtet [4]. Fazit

„Die Ergebnisse dieser frühen Studien sind ein vielversprechendes Indiz für den klinischen Nutzen, den Perampanel bei Patienten mit fokaler Epilepsie hat. Sie sind von besonders großer Bedeutung für Patienten, die mehrere Antiepileptika ausprobiert haben oder mehrere Präparate gleichzeitig einnehmen und weiterhin häufig Anfälle haben“, so Professor Bernard Steinhoff vom Epilepsiezentrum Kork in Kehl-Kork, Deutschland.„Ungefähr 30 % der Epilepsiepatienten bleiben mit verfügbaren Antiepileptika unzureichend behandelt. Es gibt daher immer noch einen großen Bedarf für neue und wirksame Antiepileptika. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Perampanel als Zusatztherapieeinen eindeutigen therapeutischen Nutzen hat.“ Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Brodie MJ, Barry SJE, Bamagous, GA et al. Patterns of treatment response in newly diagnosed epilepsy. Neurology 2012;78: 1548-1554 2 Steinhoff BJ, Gauffin H, McKee P et al. Abstract presented at ECE 2012 3 Steinhoff BJ et al. First clinical experiences with perampanel. Poster P08 presented at 8th joint three country meeting of the German and Austrian Societies for Epileptology and the Suisse League against Epilepsy, Interlaken, Switzerland 2013 4 Geithner J, Frenck W, Holtkamp M. Effectiveness and side effects of perampanel: a first utilization study. Poster P06 presented at 8th joint three country meeting of the German and Austrian Societies for Epileptology and the Suisse League against Epilepsy, Interlaken, Switzerland 2013 5 Fachinformation Fycompa®, Stand August 2012

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ie Studie LUX-Lung 3 wurde initiiert, um bei Patienten mit EGFR-M+ nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Afatinib im Vergleich zu der derzeit als am wirksamsten geltenden Chemotherapie aus Cisplatin/Pemetrexed zu untersuchen. Grundlegende Annahme war, dass der Wirkmechanismus des irreversiblen Tyrosinkinase-Inhibitors der zweiten Generation eine höhere Wirksamkeit und anhaltende Antitumor-Aktivität verspricht, da die Blockade alle relevanten Rezeptordimere der ErbB-Family einschließt und damit die dadurch vermittelte Signaltransduktion in einem breiteren Ansatz gehemmt

wird [1, 2]. Vor Kurzem wurden die Studienergebnisse im Journal of Clinical Oncology in 2 Arbeiten publiziert. Afatinib ist wirksamer als Cisplatin/Pemetrexed

Der Fokus der ersten Arbeit lag auf der Wirksamkeit und AntitumorAktivität [3]. Hier ergab sich eine signifikante Überlegenheit von Afatinib: • In der Gesamtpopulation (n=345) verlängerte Afatinib das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant. Die mit dem irreversibler ErbB-Family-Blocker behandelten Patienten leb-

Afatinib Afatinib ist ein irreversibler ErbB-Family-Blocker, der kovalent und irreversibel an EGFR (ErbB1), HER2 (ErbB2) und ErbB4 bindet. Damit ist Afatinib der erste irreversible ErbB-Family-Blocker, der gegen alle relevanten Rezeptordimere der ErbB-Family gerichtet ist. Die Signalwege der ErbB-Family spielen eine zentrale Rolle für das Wachstum und die Metastasierung von Tumoren mit hoher Letalität (Lungenkarzinom, Kopf-/Hals-Tumoren). Die kombinierte Inaktivierung aller relevanten Rezeptordimere der ErbB-Family durch Afanitib ermöglicht eine effektivere Hemmung der Signalweiterleitung. Dadurch werden die die zentralen Signalwege blockiert, die Tumorwachstum, -migration und -metabolisierung steuern, und es resultiert eine höhere Wirksamkeit und anhaltende Antitumor-Aktivität.

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ten fast ein Jahr progressionsfrei, die Patienten in der Cisplatin/Pemetrexed-Gruppe nur etwas über ein halbes Jahr (11,1 Monate vs. 6,9 Monate; p<0,001). • Bei den Patienten mit den häufigsten Mutationen (del19 und L858R), die etwa 90  % der EGFR-Mutationen ausmachen (n=308), lag das PFS mit 13,6 Monaten deutlich über einem Jahr, unter der Chemotherapie dagegen bei nur 6,9 Monaten (p<0,001). Bessere Symptomkontrolle und Lebensqualität unter Afatinib

In der zweiten Publikation erörtern die Autoren den Zusammenhang zwischen Symptomverbesserung/ Symptomkontrolle und Lebensqualität [4]. Auch diesbezüglich schnitt Afatinib signifikant besser ab als die Chemotherapie mit Cis­ platin/Pemetrexed. Die Verlängerung des PFS ging mit einer effektiveren Symptomkontrolle und einer besseren Lebensqualität (erhoben mittels standardisierter Fragebögen wie EORTC QLQ-C30/ QLQ-LC13) einher: • Afatinib verzögerte die Verschlechterung der tumorbedingten Krankheitssymptome Atemnot und Husten signifikant (Husten: HR 0,60, p=0,007; Atemnot: HR 0,68, p=0,015).

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

• Der Dyspnoe-Score verbesserte sich bei 64 % der mit Afatinib behandelten Patienten, aber nur bei 50 % in der Chemotherapiegruppe (p=0,19). • Im Vergleich zur Chemotherapie waren die erhobenen Daten zur Lebensqualität in der Afatinib-Gruppe signifikant besser (p=0,15). Gleiches galt für die physische (p<0,001) und kognitive Funktion (p=0,007). Gutes Sicherheitsprofil

Die Therapie mit Afatinib wurde gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall und Hautausschlag, während unter der Chemotherapie Übelkeit und Fatigue im Vordergrund standen. Alle aufgetretenen Nebenwirkungen waren gut handhabbar [4]. Fazit

Die Ergebnisse der LUX-Lung 3Studie zeigen, dass sich mit Afatinib eines der wichtigsten Therapieziele in der Behandlung des NSCLC erreichen lässt: Die Verschlechterung krankheitsbedingter Symptome kann verzögert werden, sodass die Patienten möglichst lange ihr gewohntes Alltagsleben weiterführen können.

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Auf Basis dieser Daten wurden weltweit die Zulassungen für Afatinib zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen und/oder metastasierten EGFR-M+ NSCLC bei den Behörden eingereicht. Die Food and Drug Administration hat die Zulassung für Afatinib in den USA im Juli 2013 bereits erteilt, vom Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der European Medicines Agency (EMA) liegt ein positives Votum vor. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Solca F, Dahl G, Zoephel A et al. Target binding properties and cellular activity of afatinib (BIBW 2992), an irreversible ErbB family blocker. J Pharmacol Exp Ther 2012;343:342-350 2 Ou SH: Second-generation irreversible epidermal growth factor receptor (EGFR) tyrosine kinase inhibitors (TKIs): a better mousetrap? A review of the clinical evidence. Crit Rev Oncol Hematol 2012;8 3:407-421 3 Sequist L, Yang J, Yamamoto N et al. Phase III Study of afatinib or cisplatin plus pemetrexed in patients with metastatic lung adenocarcinoma with epidermal growth factor receptor mutations. J Clin Oncol 2013; doi: 10.1200/JCO.2012. 44.2806 4 Yang J, Hirsh V, Schuler M et al. Symptom control and quality of life in LUX-Lung 3: a phase III study of afatinib or cisplatin/ pemetrexed in patients with advanced lung adenocarcinoma with epidermal growth factor receptor mutations. J Clin Oncol 2013; doi: 10.1200/JCO.2012.46.1764

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Vismodegib – der bisher größte Fortschritt in der Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms Maximale Tumorreduktion schon nach etwa 6 Monaten

Die Zulassung von Vismodegib basiert auf den Ergebnissen der internationalen Zwei-KohortenStudie ERIVANCE [1]. Primärer Endpunkt dieser Studie war die bei einer unabhängigen Überprüfung ermittelte objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR). Wie bereits die primäre Analyse zeigte, führt die Therapie mit Vismodegib (150 mg/d; oral) bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom (locally advanced BCC, laBCC) zu einer objekti-

ven Ansprechrate von 42,9 %. Bei Patienten mit metastasiertem Basalzellkarzinom (mBCC) betrug die ORR 30,3 %. Damit wurde der primäre Endpunkt erreicht. 90 % der Patienten mit laBCC wiesen eine Größenreduktion der Läsionen auf (Abb. 1). Bei Patienten, bei denen es zu einer Tumorreduktion kam, betrug die mediane Zeit bis zur maximalen Tumorreduktion bei laBCC-Patienten 6,7 Monate und bei mBCC-Patienten 5,5 Monate (Bewertung durch den Prüfarzt). Der sichtbare Rückgang bis hin zur vollständigen Abheilung dieser ansonsten schwer zu behandelnden

40 20 % Veränderung der Tumorgröße

B

asalzellkarzinome (Basal Cell Carcinoma, BCC,) machen rund 80 % der nicht melanozytären Hautkrebserkrankungen aus. Sie wachsen in der Regel sehr langsam und sind – rechtzeitig erkannt – gut zu therapieren. Bei rund 1 % der Patienten entwickelt sich allerdings ein fortgeschrittenes Basalzellkarzinom, das bislang nur sehr eingeschränkt behandelbar war. Mit Vismodegib (Erivedge®) eröffnet sich für die Betroffenen mit dieser entstellenden und potenziell lebensbedrohlichen Form des hellen Hautkrebses erstmalig die Chance auf eine medikamentöse Behandlung der Erkrankung. Das Krebsmedikament Vismodegib ist ein Hedgehog-SignalwegInhibitor, der selektiv und gezielt die pathologische Aktivität in einem Signalweg für das Zellwachstum hemmt (vgl. Insert auf S. 138). Dieser Signalweg ist aufgrund bestimmter Mutationen in mehr als 90 % der BCC aktiv. Vismodegib wurde am 12. Juli 2013 europaweit für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms sowie des symptomatischen metastasierten Basalzellkarzinoms zugelassen. Die Zulassung gilt für die Therapie bei erwachsenen Patienten, bei denen eine Operation oder Strahlentherapie nicht geeignet ist.

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0

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-20 -40 -60 -80

-100

R SD PD

Abbildung 1: Ergebnis der ERIVANCE-Studie: Maximale Abnahme der Tumorgröße bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenem Bazalzellkarzinom unter der Therapie mit Vismodegib (Erivedge®). Die Tumorgröße basiert auf der Summe der längsten Durchmesser der Zielläsionen. PD = progressive Erkrankung, SD = stabile Erkrankung, R = Ansprechen, * = vollständiges Verschwinden der/des Geschwüre/Geschwürs [1].

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Der Hedgehog-Signalweg Der Heghehog(Hh)-Signalweg spielt eine wichtige Rolle in der humanen Embryogenese. Er kontrolliert das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung und steuert auf diesem Wege die richtige Größe und Ausdifferenzierung von Geweben [4]. Sein Name beruht darauf, dass Mutationen bei Fruchtfliegenlarven, die zu seiner unkontrollierten Aktivität führten, Larven hervorbrachten, die ein igelähnliches (von engl. hedgehog) „stacheliges“ Aussehen hatten. In den meisten adulten Geweben verliert der Hedgehog-Signalweg seine Aktivität, mit Ausnahme seiner Rolle bei der Erhaltung und Reparatur von Geweben. Seine abnorme Reaktivierung bei adulten Geweben wird mit der Entstehung verschiedener Krebserkrankungen beim Menschen, insbesondere dem Basalzellkarzinom (BCC), in Zusammenhang gebracht. Etwa 90 % aller BCC weisen infolge von Mutationen von Schlüsselmolekülen eine abnorme Aktivierung des Signalwegs auf. Zu den Schlüsselkomponenten des Hedgehog-Signalwegs gehören: 1. der Signalrezeptor Smoothened (SMO), der die Kaskade der intrazellulären Hedgehog-Signalereignisse aktiviert 2. der Hedgehog-Ligand-Rezeptor Patched (PTCH), der als Inhibitor des Transmembranrezeptors Smoothened (SMO) wirkt. Durch die Hemmung von SMO blockiert PTCH die Hedgehog-Signaltransduk­ tion innerhalb der Zelle 3. der Hedgehog-Ligand (Hh), ein Sekretionspeptid, das an das PTCH-Protein bindet, dadurch die Inhibition von SMO verhindert und somit die Hedgehog-Signalkaskade in den Zielzellen initiiert 4. Signaltransduktionsmoleküle wie der Suppressor-of-fused (SuFu) und die Transkriptionsfaktoren der Gli-Familie. Die Aktivierung eines zytosolischen Proteinkomplexes, einschließlich SuFu und Gli, führt zur Expression spezifischer Gene, die die Differenzierung und Proliferation der Zellen fördern. Solange der Hh-Signalweg inaktiv ist, befindet sich SMO normalerweise in der Membran intrazellulärer Endosomen (Abb. 2a). Erst wenn Hh an das PTCH-Protein bindet, wird das intrazellulär liegende SMO an die Zelloberfläche transportiert und die Hh-Signalkaskade unterhalb von SMO aktiviert (Abb. 2b): Es werden Transkriptionsfaktoren aktiviert und es kommt zu einer gesteigerten Zellzyklusprogression und Zellproliferation. Dies kann Vismodegib verhindern, indem es selektiv an das SMO-Protein bindet und dadurch die Hedgehog-Signaltransduktion blockiert (Abb. 3).

Hauttumoren ist ein Zeichen für die gezielte Hemmung des HedgehogSignalwegs durch Vismodegib. Anhaltender Benefit und gute Verträglichkeit

Abbildung 2a: Ist der Hh-Ligand nicht vorhanden, hemmt PTCH den Transport von SMO aus einem intrazellulären Kompartiment an die Zelloberfläche und der Hh-Signalweg ist inaktiv. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 4/2013 · 22. JAHRGANG

Langzeit-Ergebnisse aus der Follow-up-Untersuchung nach 18 Monaten geben ein deutliches Indiz, dass der klinische Benefit von Vismodegib längerfristig bestehen bleibt: Die ORR (vom Prüfarzt bewertet) lag bei 60,3 % bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC bzw. bei 48,5 % bei Patienten mit metastasiertem BCC [2]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Vismodegib erweist sich allgemein als gut verträglich. Zu häufigen Nebenwirkungen zählen Muskelkrämpfe, Haarausfall, Fatigue, Geschmacksstörungen und Gewichtsabnahme. Die Mehrzahl der unerwünschten Ereignisse ist mild bis moderat [1, 2]. Die globale Sicherheitsstudie STEVIE (Safety Events in Vismodegib), an der über 1.000 Patienten teilnahmen, dokumentiert die Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffs Vismodegib. Die Ergebnisse der dritten Interimsanalyse (Cut-off: 19. Oktober 2012) bestätigen das zuvor beobachtete Sicherheitsprofil und die gute Wirksamkeit [3]. Brigitte Söllner, Erlangen

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Abbildung 2b: Durch die Bindung des Hh-Liganden an PTCH wird der Hh-Signalweg aktiviert.

Literatur 1 Sekulic A, Migden MR, Oro AE et al. Efficacy and safety of vismodegib in advanced basal-cell carcinoma. N Engl J Med 2012; 366:2171-2179 2 Sekulic A et al. Long-term safety and efficacy of vismodegib in patients with advanced basal cell carcinoma (aBCC): 18-months update of the pivotal ERIVANCE BCC study. ASCO 2013; Abstr. 9037 and Poster 3 Grob JJ et al. Vismodegib, a Hedgehog pathway inhibitor (HPI), in advanced basal cell carcinoma (aBCC): STEVIE study interim analysis in 300 patients. ASCO 2013. Abstract 9036 4 Scales SJ, de Sauvage FJ. Mechanisms of Hedgehog pathway activation in cancer and implications for therapy. Trends Pharma Sci 2009;30:303-312

Abbildung 3 Wirkmechanismus von Vismodegib.

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Zielgerichtete Therapie beim fortgeschrittenen malignen Melanom:

Innovationssprung mit BRAF-Inhibitor Vemurafenib verändert die Praxis

M

it dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) ist nach mehr als 30 Jahren wenig erfolgreicher Forschung endlich ein Durchbruch in der Therapie des fortgeschrittenen malignen Melanoms gelungen. Die zielgerichtete BRAF-Inhibition mit Vemurafenib beendet den jahrzehntelangen Stillstand in der Therapie dieser schweren Erkrankung. Die in den 1,5 Jahren nach Zulassung gesammelten Erfahrungen zeigen nun, dass sich die Therapie von Patienten mit malignem Melanom und positiver BRAFMutation nachhaltig verändert hat. Durch die Behandlung mit Vemurafenib lässt sich nicht nur die Lebenszeit verlängern, sondern auch die Lebensqualität erhöhen. Denn der schon in den Zulassungsstudien dokumentierte Rückgang erkrankungsbedingter Beschwerden wie Tumorschmerzen, Atembehinderungen oder nachlassende Leistungsfähigkeit verbessert die Situation der Patienten im Alltag erheblich [1]. Ergebnisse aus den Zulassungsstudien in der Praxis bestätigt

Mittlerweile wurden Tausende Patienten mit Vemurafenib behandelt. Diese Erfahrungen in der täglichen Praxis bestätigen die in Studien gewonnen Ergebnisse zur

Wirksamkeit und Verträglichkeit des BRAF-Inhibitors. Demnach reagieren mehr als 80 % der Betroffenen mit einer Krankheitsregression oder -stabilisierung. Bereits in der Zulassungsstudie BRIM-3 wurde ein signifikanter Vorteil von Vemurafenib im Vergleich zum langjährigen Standard Dacarbazin nachgewiesen [1]. Die aktuellen Ergebnisse (Cut-off: 1. Februar 2012) der Phase-III-Studie BRIM-3 zum Gesamtüberleben dokumentierten zudem, dass der therapeutische Vorteil von Vemurafenib auch nach längerer Nachbeobachtung bestehen bleibt [2]. Das mediane Gesamtüberleben lag unter Vemurafenib mit 13,6 Monaten signifikant höher als unter Dacarbazin (9,7 Monate; HR 0,70; p=0,0008, zensiert bei Cross-over), sodass die Therapie mit Vemurafenib mit einer 30%igen Verringerung des Sterberisikos einhergeht. Das verbesserte progressionsfreie Überleben (median 6,9 vs. 1,6 Monate; HR 0,39; p<0,001) und die signifikant höhere objektive Ansprechrate (58 vs. 8,6 %) sind weitere Zeichen der Wirksamkeit. Die in Klinik und Praxis beobachteten Nebenwirkungen wie Hautausschläge, Juckreiz und erhöhte Photosensitivität erwiesen sich als gut kontrollierbar und stellten in der BRIM-3-Studie keinen Grund für einen Therapieabbruch dar [1].

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Forschung konsequent in der Praxis umgesetzt

Die Entwicklung des spezifischen BRAF-Inhibitors Vemurafenib wurde durch einen rasanten Zuwachs an Wissen um die molekularen Mechanismen des schwarzen Hautkrebses möglich. Ansatzpunkt ist die RAS/RAF/MEK/ERK-Kaskade. In gesunden Zellen werden über diesen Signaltransduktionsweg unter anderem das Zellwachstum, das Überleben und die Differenzierung reguliert. RAF ist eine Serin-Threonin-spezifische Proteinkinase, die durch das GProtein RAS aktiviert wird. Beim Menschen gibt es 3 Gene, die für die Proteinkinase RAF kodieren: ARAF, BRAF und CRAF. Die häufigsten somatischen Mutationen beim Melanom betreffen mit 40–50 % das BRAF-Gen. Dabei wird überwiegend die Aminosäure Valin (V) durch Glutamat (E) in Position 600 des Proteins ausgetauscht (V600E). Dies führt zu einer konstitutiven Aktivierung des BRAF-Proteins und damit der Proteinkinase. Dadurch werden die Melanomzellen von den Wachstumsfaktoren unabhängig, die normalerweise für eine Zellproliferation notwendig sind, und können sich ausbreiten. Das oral verfügbare niedermolekulare Vemurafenib hemmt spezifisch die BRAF-Kinase mit der © VERLAG PERFUSION GMBH


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aktivierenden Mutation am Kodon 600 und somit das Wachstum der Melanomzellen. Da nur Patienten mit einer BRAF-V600-Mutation von der Behandlung mit Vemurafenib profitieren, muss vor Therapiebeginn der Tumorstatus durch einen spezifischen Test nachgewiesen werden. Hochsensibel und CE-zertifiziert ist der real-time Polymerase-Kettenreaktions-Asssay cobas® 4800 BRAF V600 Mutation Test, für den DNA aus Formalin-fixiertem, in Paraffin eingebettetem Tumorgewebe verwendet wird. Bei positiv getesteten Patienten lag die Ansprechrate in der Zulassungsstudie bei 57 % [1]. Um die Wirksamkeit noch weiter zu verbessern, wird derzeit ein weiterer Ansatz untersucht: die Kombinationstherapie von Vemurafenib mit dem MEK-Inhibitor Cobimetinib. Diese hat sich als sicher und gut verträglich erwiesen, sodass bereits eine Phase-III-Studie zum dualen Targeting initiiert wurde [3]. Fabian Sandner, Nürnberg

Ab einem Alter von 50 Jahren:

Gegen Gürtelrose impfen

E

ine Infektion mit dem Varicella-Zoster-Virus (VZV) kann im Kindesalter die Windpocken verursachen. Fast alle Erwachsenen in Deutschland haben eine VZV-Infektion durchgemacht [1]. Die Viren können ein Leben lang in den Kranial- und Spinalganglien verbleiben und bei Reaktivierung eine schmerzhafte Erkrankung, den Zoster (Gürtelrose), auslösen. Jeder 4. Erwachsene erkrankt im Laufe seines Lebens an Zoster [2]. Hauptrisikofaktor ist das Alter: Ab 50 Jahren steigt die Inzidenz um mehr als das Doppelte an [3]. Zur Vorbeugung von Zoster und seiner häufigsten Komplikation, der postherpetischen Neuralgie (PHN), steht ab jetzt für Personen ab 50 Jahren in Deutschland der Lebendimpfstoff Zostavax® zur Verfügung. Zoster-Inzidenz um bis zu 70 % reduziert

Literatur 1 Chapman P et al. N Engl J Med 2011;364: 2507-2516 2 Chapman PB et al. J Clin Oncol 2012; 30(Suppl Abstr. 8502) und mündliche Präsentation beim ASCO 2012 3 Gonzales R et al. ESMO 2012, LBA 28, mündliche Präsentation

Zostavax® ist der erste und bisher einzige Impfstoff, der vor Zoster und der PHN schützen kann. Dies zeigen die Ergebnisse der Shingles Prevention Study (SPS) [4] und des Zostavax® Efficacy and Safety Trial (ZEST) [5]. Die Phase-III-Studie SPS [4] wurde an 22 Zentren in den USA von November 1998 bis September 2001 durchgeführt und umfasste 38.546

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Personen im Alter von ≥60 Jahren. Die Teilnehmer erhielten entweder eine Dosis Zostavax® oder Placebo und wurden im Durchschnitt 3,1 Jah­re (1 Tag bis 4,9 Jahre) beobachtet. Endpunkte waren unter anderem die Zoster-Inzidenz, die Inzidenz der Post-Zoster-Neuralgie und die Krankheitsbeschwerden gemessen anhand eines „Burden of Illness“-Wertes (BOI), in den die Häufigkeit der Erkrankung sowie Schweregrad und Dauer der Schmerzen einflossen. Bei den geimpften Probanden sank die Häufigkeit des Herpes zoster von 3,3 % unter Placebo auf 1,6 % (51 % protektive Wirksamkeit gegen Zoster, 95%-KI 44–58 %, p<0,001) und die Rate der postherpetischen Neuralgie nahm von 0,42 % auf 0,14 % ab (67 % protektive Wirksamkeit gegen PHN, 95%-KI 48–79  %, p<0,001). Die durch Herpes zoster bedingte Krankheitslast wurde unter dem Impfstoff relativ um 61 % (95%-Konfidenzintervall 51–69 %; p<0,001) gemindert. In die randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie ZEST [5], die von Oktober 2007 bis Januar 2010 in Europa und Nordamerika durchgeführt wurde, wurden 22.439 Personen im Alter von 50– 59 Jahren einbezogen. Sie erhielten randomisiert eine Dosis Zostavax® oder Placebo und wurden im Mittel über 1,3 Jahre (0–2 Jahre) unter anderem hinsichtlich des Auftre© VERLAG PERFUSION GMBH


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tens von Zoster und impfbedingten Nebenwirkungen beobachtet. Auch in dieser Studie führte die Impfung mit Zostavax® zu einer signifikanten Abnahme der ZosterErkrankungen: Gegenüber Placebo sank die Zoster-Inzidenz um 70 % (95%-KI 54–84 %, p<0,001) und damit deutlich stärker als bei den in ZEST untersuchten über 60-Jährigen. Die Zahl der impfstoffbezogenen Nebenwirkungen war bei den Probanden, die mit Zostavax® geimpft wurden, signifikant höher als in der Placebogruppe (63,9 % vs. 14,4 %). Die meisten der Nebenwirkungen waren lokal (z.B. zosterähnliches Erythem, Schmerz an der Injektionsstelle) und wurden als mild eingestuft. Fazit für die Praxis

Der abgeschwächte Lebendviren enthaltende Impfstoff Zostavax® ist indiziert zur Prävention des

Erstattungsbetrag für MSTherapeutikum vereinbart Das pharmazeutische Unternehmen Almirall Hermal GmbH und der GKV-Spitzenverband haben sich am 23. September 2013 auf einen Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Sativex® (Wirkstoff: Cannabis sativa) geeinigt. Sativex® ist zugelassen als Addon-Therapie zur Symptomverbesserung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik

Herpes zoster (Zoster oder Gürtelrose) und der durch Herpes zoster verursachten postherpetischen Neuralgie bei Erwachsenen ab 50 Jahren. Bei 50–59-Jährigen reduzierte Zostavax® die ZosterInzidenz signifikant um 70 % [5], bei älteren Patienten ist die protektive Wirksamkeit jedoch geringer (64 % bei 60- bis 69-Jährigen, 38 % bei ≥70-Jährigen [4]). Insgesamt verläuft die Erkrankung bei geimpften Personen meist milder; in der Zulassungsstudie SPS wurden die Beschwerden um etwa 61 % verringert [4]. Die Wirksamkeit ist – wenn auch abnehmend – für einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren belegt. Zostavax® wird in einer Impfdosis (0,65 ml) subkutan verabreicht und hat ein gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil [6]. Zostavax® ist ab sofort in Deutschland verfügbar. Die Sächsische Impfkommission (SIKO) hat bereits ihre Empfehlung für die Imp-

aufgrund von Multipler Sklerose, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben. Es ist das erste Medikament auf Basis zweier Cannabinoide – Delta9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Diese pflanzlichen Cannabinoide sind in der Lage, das körpereigene Cannabinoidsystem zu modulieren, was bei Respondern eine verbesserte Regulierung von Nervenimpulsen bewirkt. Das wiederum führt zu einer Verringerung der Spastik. Grundlage der Verhandlungen war der Beschluss über die Nut-

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fung gegen Zoster für alle Personen ab 50 Jahren ausgesprochen [7]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Wutzler P et al. Seroprevalence of varicella-zoster virus in the German population. Vaccine 2001;20:121-124 2 Bowsher D. The lifetime occurrence of herpes zoster and prevalence of postherpetic neuralgia: a retrospective survey in an elderly population. Eur J Pain 1999;3: 335-342 3 Yawn BP at al. A population-based study of the incidence and complication rates of herpes zoster before zoster vaccine introduction. Mayo Clin Proc 2007;82:13411349 4 Schmader KE et al. Efficacy, safety, and tolerability of herpes zoster vaccine in persons aged 50–59 years. Clin Infect Dis 2012;54:1320-1328 5 Oxman MN et al. A vaccine to prevent herpes zoster and postherpetic neuralgia in older adults. N Engl J Med 2005;352: 2271-2284 6 Fachinformation Zostavax®, Stand Februar 2013 7 Sächsische Impfkommission. Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen (Stand: 01.01.2013)

zenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21. Juni 2012, wo dem Medikament ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen attestiert wurde. Es handelt sich um die zweiten Verhandlungen zu diesem Arzneimittel unter mittlerweile geänderten Rahmenbedingungen hinsichtlich der Kriterien, die der Ermittlung des Erstattungsbetrags zugrunde gelegt werden. Die neuen Vertragsverhandlungen wurden aufgenommen, weil Almirall den bestehenden Vertrag ordnungsgemäß zum Juni 2013 gekündigt hatte. F. S.

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WISSENSWERTES

Neue ESH/ESC-Leitlinien zum Bluthochdruck erleichtern Behandlung Rund 1, 5 Milliarden Menschen weltweit leiden unter einem zu hohen Blutdruck. Sie haben damit ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder andere Organschäden zu erleiden. Um diese lebensbedrohlichen Folgen zu verhindern, ist eine wirksame Therapie unerlässlich. In den jetzt veröffentlichten neuen europäischen Leitlinien zum Management von Bluthochdruck (http://www. eshonline.org/Guidelines/ArterialHypertension.aspx) empfehlen Experten neue Strategien, um die Versorgung von Hochdruckpatienten zu verbessern. Die Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL, Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention) begrüßt diesen Schritt: Die neuen Leitlinien vereinfachen die Blutdruckzielwerte, rücken den Lebensstil der Patienten in den Vordergrund und geben Ärzten größeren Handlungsspielraum. Zielblutdruck unter 140/90 mmHg

„Die vielleicht wichtigste Neuerung durch die neuen Leitlinien der European Society of Hypertension (ESH) und der European Society of Cardiology (ESC) ist, dass für die meisten Patienten, einschließlich derjenigen mit Vorerkrankungen wie Herz- oder Nierenschäden, nun die gleichen Blutdruckzielwerte gelten“, erläutert Professor HansGeorg Predel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DHL. Das vereinfacht die Therapie maßgeblich und kommt der Realität weitaus näher als die bisherigen Anforderungen. Bisher lagen die Zielwerte für Hochrisikopatienten

bei 130/80 mmHg, wurden aber selten erreicht. „Das erzeugte häufig Frustration bei Ärzten und Betroffenen“, bedauert Predel. Nun gelten ab sofort Werte unter 140/90 mmHg als Zielblutdruck für die Mehrzahl aller Patienten. Denn gemäß einer kritischen Analyse der Studienlage ist ein Vorteil niedrigerer systolischer Werte unter 130 mmHg nicht belegt. „Im Gegenteil: Eine zu aggressive blutdrucksenkende Therapie kann unter Umständen mehr schädigen, als ein etwas höherer Wert“, betont Professor Reinhold Kreutz, Sprecher der Sektion Arzneimittel der DHL. Fokus auf Lebensstil und Kombinationstherapie

Ein strikteres Vorgehen fordert die Leitlinie hingegen in der Prävention und in der Nutzung nicht medikamentöser therapeutischer Maßnahmen: „Häufig, insbesondere bei leichten Blutdruckerhöhungen, reichen schon konsequente Änderungen im Lebensstil, um den Blutdruck nachhaltig zu senken“, sagt Predel. Daher ist es wichtig, konsequent auf das Rauchen zu verzichten, mindestens 30 Minuten täglich durch moderates, dynamisches Training körperlich aktiv zu sein und sich gesund, vorzugsweise „mediterran“ zu ernähren. Auch sollte der Salzkonsum eingeschränkt werden auf maximal 5–6 Gramm pro Tag und damit auf nur halb so viel wie bislang tatsächlich durchschnittlich konsumiert wird. Eine weitere wichtige Änderung für Ärzte ergibt sich laut Kreutz bei der Wahl der Medikamente. Die Leitlinien betonen die Notwendigkeit, dass bei Hochrisikopatienten häufig nur eine Kombination aus mindestens 2 Medikamenten den Blutdruck anhaltend senken kann

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und geben praktische Hinweise für Kombinationsstrategien. „Wichtiger als die Methode der Senkung ist, dass der Patient den Zielwert in angemessener Zeit erreicht. Daher begrüßen wir die neuen Bestimmungen, die hier die Verantwortung stärker in die Hände des behandelnden Arztes legen“, betont Kreutz. Dieser kann aus 5 Medikamentengruppen frei wählen und damit die Therapie individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abstimmen. Gleichzeitig werten die Leitlinien die ambulante 24-Stunden- sowie die eigenständige Blutdruckmessung der Patienten auf. Denn die bisher üblicherweise praktizierte Messung in der Arztpraxis bildet die Lebenssituation der Patienten nicht ausreichend ab und kann zu Fehldiagnosen führen, so die Experten der DHL. Sie schließen sich der Forderung der Leitlinien-Autoren an, diese Verfahren außerhalb der Praxis verstärkt bei Diagnosestellung und langfristiger Betreuung der Patienten zu berücksichtigen. Die DHL sieht in den neuen Leitlinien weitere Fortschritte für die Behandlung von HochdruckPatienten. „Sie vereinfachen für Patienten und Ärzte die Therapie maßgeblich. Zugleich legen sie mehr Wert auf Prävention, deren Bedeutung Ärzte ihren Patienten noch deutlicher als bisher nahebringen sollten,“ resümiert Predel. Denn Rauchen, Bewegungsmangel und falsche Ernährung sind die größten Risikofaktoren für einen hohen Blutdruck, ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und damit für folgeschwere Erkrankungen. Derzeit bereitet die DHL in Anlehnung an die neue europäische Leitlinie ihre aktualisierten Therapieempfehlungen in deutscher Sprache vor. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

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Neue Daten bestätigen Sunitinib als ErstlinienStandard beim metastasier­ ten Nierenzellkarzinom (mRCC) Auf dem diesjährigen Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurde der Multikinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) als Standard in der Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) bestätigt. Dies zeigen die neuen Ergebnisse der Phase-II-Studie RECORD-3. „In der mRCC-Erstlinie wird der Grundstein für das Gesamtüberleben der Patienten gelegt. Deshalb ist die Wahl der effektivsten Substanz hier entscheidend“, erklärte Professor Dr. Jochen Casper, Oldenburg, auf einer Presseveranstaltung von Pfizer Oncology in Berlin. Mit einer objektiven Ansprechrate (ORR) von 47 % und einem Gesamtüberleben (OS) von mehr als 2 Jahren ist Sunitinib ein Referenzstandard in der mRCCErstlinientherapie. Dies spiegelt sich auch in den aktuellen Leitlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO) wider, in denen Sunitinib als einziges Präparat bei Patienten mit geringem bis mittlerem Progressionsrisiko mit dem höchsten Evidenzgrad (IA) für die mRCC-Erstlinientherapie empfohlen wird. Sollte eine Behandlung mit Sunitinib keinen Erfolg mehr zeigen, steht mit Axitinib (Inlyta®) seit September 2012 eine neue Option zur effektiven Fortsetzung der mRCC-Therapie zur Verfügung. Vor dem Wechsel in die Zweitlinie sollte das Potenzial der Erstlinientherapie jedoch voll ausgeschöpft werden, beton-

te Professor Dr. Gerald Mickisch, Bremen: „Wenn ein Medikament in der mRCC-Erstlinie Effektivität zeigt, ist es wichtig, die Patienten so lange wie möglich unter dieser Therapie zu halten. So sind noch nach mehreren Monaten partielle oder komplette Remissionen möglich.“ Sunitinib Sunitinib (Sutent®) blockiert mehrere Zielmoleküle, die an Wachstum und Ausbreitung von Krebs beteiligt sind. Zwei wichtige dieser Targets – der Rezeptor für den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGFR) und der Rezeptor für den Blutplättchen-Wachstumsfaktor (PDGFR) – werden in den Zellen vieler solider Tumortypen exprimiert. Man nimmt an, dass sie eine entscheidende Rolle in der Neoangiogenese spielen, dem Prozess der Blutgefäßneubildung zur Versorgung der Tumoren mit Sauerstoff und Nährstoffen, die für das Wachstum benötigt werden. Sunitinib hemmt darüber hinaus auch andere Targets, die für das Tumorwachstum wichtig sind, u.a. c-KIT, FLT3 und RET.

Sunitinib: Die richtige Erstlinientherapie ist entscheidend für das Überleben

Mit der Vorstellung der aktuellen RECORD-3-Daten auf dem diesjährigen ASCO hat sich die hohe Wirksamkeit des TyrosinkinaseInhibitors (TKI) Sunitinib in der Erstlinientherapie des mRCC bei Patienten mit geringem bis mittlerem Progressionsrisiko bestätigt. Die Phase-II-Studie (471 eingeschlossene Patienten) hatte das

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Ziel, die Nicht-Unterlegenheit von Everolimus als Erstlinientherapie nachzuweisen (HR≤1,1). Beim progressionsfreien Überleben (PFS), dem primären Studienendpunkt, wurde jedoch die Nicht-Unterlegenheit von Everolimus nicht erreicht (medianes PFS: 10,7 vs. 7,9 Monate; HR=1,43; 95%-KI: 1,15–1,77). Das mediane OS einer Interimsanalyse – die finale Auswertung wird noch erwartet – betrug in der Sequenz Sunitinib gefolgt von Everolimus 32,0 Monate verglichen mit 22,4 Monaten in der umgekehrten Therapieabfolge (HR=1,24; 95%-KI: 0,94–1,64). „Die Wahl der Erstlinientherapie hat Auswirkungen auf das Gesamtüberleben der Patienten. In der Praxis bedeutet das: Die Substanzklassen sind in ihrer Reihenfolge nicht beliebig austauschbar“, so Casper. „Es heißt aber auch, dass die effektivste mRCC-Substanz am Anfang einer Therapie stehen sollte. Denn was zu Beginn verpasst wird, kann in späteren Therapielinien zumeist nicht mehr aufgeholt werden.“ Neben Sunitinib (bei Patienten mit geringem bis mittlerem Progressionsrisiko) ist Temsirolimus (Torisel®) bei Patienten mit hohem Progressionsrisiko Therapiestandard in der mRCC-Erstlinientherapie. In Studien konnte Temsirolimus eine signifikante Verlängerung des medianen OS in der Erstlinie bei Hochrisikopatienten zeigen (10,9 Monate vs. 7,3 Monate unter IFN-α; HR=0,73; p=0,008). Der mTOR-Inhibitor ist aktuell Erstlinienstandard (ESMO-Evidenzgrad IIA) in dieser Patientengruppe. Temsirolimus Temsirolimus (Torisel®) ist ein selektiver Inhibitor der Serin/ Threonin-spezifischen Kinase „mammalian Target of Rapamycin“ (mTOR), einem in © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

Tumorzellen überaktivierten Protein, das an der Karzinogenese beteiligte Effektormoleküle beeinflusst und dadurch Tumorproliferation, Tumorwachstum und Tumorangiogenese fördert. Temsirolimus blockiert gezielt diese Tumoreigenschaften und induziert zugleich die Apoptose von Tumorzellen.

Stellenwert von Axitinib in der Zweitlinientherapie untermauert

Auf dem ASCO wurde erneut der Stellenwert von Axitinib in der Zweitlinientherapie, gefolgt von Everolimus in der Drittlinientherapie, auf Basis der bisher bekannten Phase-III-Daten bestätigt. Kommt es unter Sunitinib oder einem Zytokin zum Progress, ermöglicht Axitinib eine wirksame Fortsetzung der mRCC-Therapie. Gestützt wird diese Therapiesequenz durch die Ergebnisse der AXIS-Studie (AXItinib versus Sorafenib in advanced renal cell carcinoma), die als direkte Vergleichsstudie konzipiert wurde. Darin wurden mit Axitinib und Sorafenib erstmalig 2 TKI in der Zweitlinientherapie des mRCC bei Patienten verglichen, die in der Erstlinie mit Sunitinib (53,8  %), einem Zytokin (34,7  %), einer Bevacizumab-basierten Therapie (8,2 %) oder Temsirolimus (3,3 %) behandelt worden waren. Primärer Studienendpunkt war das PFS, ein sekundärer Studienendpunkt umfasste die objektive Ansprechrate (ORR). Unter Axitinib konnte eine signifikante Verbesserung des medianen PFS sowohl nach einer Vorbehandlung mit Sunitinib (4,8 vs. 3,4 Monate; HR=0,74; 95 %-KI: 0,58–0,94; p=0,0063) als auch nach einer vorherigen Zytokintherapie (12,0 vs. 6,6 Monate; HR=0,52;

95%-KI: 0,38–0,72; p<0,0001) erreicht werden. Der sekundäre Studienendpunkt ORR betrug bei den mit Sunitinib vorbehandelten Patienten unter Axitinib 11,3 % gegenüber 7,7 % unter Sorafenib (Unterschied nicht signifikant). Bei zuvor mit Zytokinen vorbehandelten Patienten verbesserte sich die ORR signifikant auf 32,5 % (vs. 13,6 %, HR=2,39; 95%-KI: 1,43–3,99; p=0,0002). Die Nebenwirkungen unter Axitinib waren in der Regel gut kalkulierbar und handhabbar. „Die Überlegenheit von Axitinib in der Zweitlinientherapie unterstreicht die wichtige Rolle und hohe Effektivität von Tyrosinkinase-Inhibitoren beim metastasierten Nierenzellkarzinom, sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinientherapie“, sagte Casper. Aufgrund seiner hochselektiven Inhibition des VEGF-Rezeptors kann Axitinib eine wirksame Option sein, unabhängig von der Dauer der Erstlinientherapie mit Sunitinib. Axitinib Axitinib (Inlyta®) ist ein hochselektiver Inhibitor der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)-Rezeptoren 1, 2 und 3. Als solcher gehört er der Klasse der Tyrosinkinasen-Inhibitoren (TKI) an, die bei der Behandlung von Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Die Wirksamkeit von TKI wie Sunitinib und Axitinib beruht auf der Hemmung der Neoangiogenese. Diese Gefäßneubildung stellt die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung in wachsendem Gewebe sicher. Die Hemmung des VEGFR durch Axitinib unterbricht die Signalkette, die das Gefäßwachstum initiiert und das Tumorwachstum ermöglicht.

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Sunitinib und Axitinib in der Praxis: Patienten wirksam und möglichst lange therapieren

Wie der Einsatz von Sunitinib und Axitinib in der Praxis aussieht und welche Ergebnisse mit den Tyrosinkinase-Inhibitoren erzielt werden können, skizzierte Mickisch am Fall eines Patienten, bei dem ein Nierenzellkarzinom (mittleres Progressionsrisiko nach MSKCC/ Memorial Sloan-Kettering Cancer Center) mit multiplen Metastasen vorlag, u.a. in der Orbita und der Lunge. Nach erfolgter Tumornephrektomie erhielt der Patient initial 50 mg Sunitinib einmal täglich oral für 4 aufeinander folgende Wochen, gefolgt von einer zweiwöchigen Therapiepause (4/2-Schema). „Der Patient blieb 21 Monate nach Beginn der Sunitinib-Therapie progressionsfrei, während gleichzeitig eine Verringerung bzw. ein nekrotischer Zerfall der zahlreichen Metastasen erreicht werden konnte“, berichtete Mickisch. „Entscheidend dafür war ein optimales Dosis- und Nebenwirkungsmanagement, zu dem die effektive Prävention und Auswahl geeigneter Therapien für begleitende Nebenwirkungen gehörten.“ Nach Progress wurde der Patient auf zweimal täglich 5 mg Axitinib umgestellt – eine Therapie, die er seit 7 Monaten erhält, bei bislang stabiler Erkrankung und guter Verträglichkeit. „Jede Situation erfordert natürlich spezifische und individuelle Maßnahmen“, betonte Mickisch. „Dennoch sollte versucht werden, die effektivste Substanz zuerst und möglichst lang einzusetzen. So können für die Patienten in dieser Indikation gute Ergebnisse erzielt werden.“ Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH


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Myelodysplastisches Syndrom:

Eisenüberladung unterdrückt die Produktion erythroider Vorläuferzellen

Welche Folgen eine Eisenüberladung nach sich ziehen kann, erläuterte Santini anhand zweier aktueller Veröffentlichungen. Auf dem 12. Fachsymposium Lee et al. zeigten, dass Mäuse der internationalen MDS Foun­ - mit Eisenüberladung eine höhedation, das erstmalig in Deutsch- re Wahrscheinlichkeit aufweisen, land stattfand, wurden neue Stu- eine akute myeloische Leukämie dienergebnisse zum Thema mye- (AML) zu entwickeln, als jene, lodysplastisches Syndrom (MDS) denen kein Eisen zugeführt wurund Eisenüberladung vorgestellt. de. Zu der sich daraus ergebenden Eingangs erläuterte Dr. Valeria Fragestellung, ob durch eine EiSantini, Italien, wie sich eine Ei- senüberladung hämatopoetische senüberladung entwickelt: MDS- Zellen geschädigt werden, veröfPatienten leiden an einer gestörten fentlichten Hartmann et al. 2013 Hämatopoese, die unter anderem neue Daten. Diese belegen, dass zu einer Anämie führt. Daher er- bei MDS-Patienten mit Eisenhalten die Betroffenen regelmä- überladung die Synthese der eryßige Bluttransfusionen und damit throiden Vorläuferzellen (BFU-E) auch zusätzliches, an Hämoglo- unterdrückt ist. Sogar Patienten, bin gebundenes Eisen. Wird die die nur ein leicht erhöhtes SerumEisenspeicherkapazität des Kör- ferritin aufweisen, sind von einer pers überschritten, liegt Eisen reduzierten BFU-E-Proliferationsin einer toxischen Form, dem rate betroffen. Dieser Effekt war nicht-Transferrin-gebundenen Ei- durch eine Eisenchelat-Therapie sen (non-transferrin bound iron, reversibel. NTBI), vor. Das labile Plasmaeisen (LPI), eine Unterfraktion des Deferasirox senkt den NTBI, führt zur Produktion reaktiver Sauerstoffspezies, die die Transfusionsbedarf und DNA schädigen und damit schweverbessert die Hämatopoese re Organschäden (z.B. in Leber, Herz, Knochenmark) verursachen Die Wirkung von Deferasirox auf können. Daher empfehlen natio- die Hämatopoese wurde in der pronale und internationale Leitlinien spektiven GIMEMA-Studie Angesowohl bei Niedrigrisiko-MDS- lucci et al. untersucht. Die PatienPatienten als auch bei Patienten ten (62 low risk, 90 intermediate-1 vor Stammzelltransplantation eine risk) hatten mindestens 20 EinheiEisenchelattherapie, denn mit Ei- ten Erythrozytenkonzentrat (EK) senchelatoren wie z.B. Deferasirox erhalten. Mittels Deferasirox(Exjade®) kann das LPI aus dem Therapie erzielten die Betroffenen Körper entfernt werden. nach ca. 3 Monaten ein hämatologisches Ansprechen auf Ebene der Erythrozyten (14 %), Thrombozyten (9 %) oder Neutrophilen (7 %). Wie Santini ausführte, bestätigen diese Ergebnisse die bereits

Verbesserte Knochen­ markfunktion unter Eisenchelation

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in den Studien EPIC und US03 beobachtete Verbesserung der Hämatopoese unter Deferasirox. Das hämatologische Ansprechen wurde in allen 3 Studien mittels der IWGKriterien (International Working Group) ermittelt. Angelucci et al. untersuchten darüber hinaus den Zusammenhang zwischen der Dauer der Eisenchelation und der Wahrscheinlichkeit, eine Transfusionsunabhängigkeit zu erreichen. Der Transfusionsbedarf unter Deferasirox konnte mit zunehmender Therapiedauer deutlich gesenkt werden, teilweise sogar bis zur Transfusionsunabhängigkeit. Nach 6 Monaten erreichten 5,5 % der Patienten Transfusionsfreiheit, nach 12 Monaten 19,7 %. Auch Ricco et al., die beim MDSSymposium eine retrospektive Analyse vorstellten, beobachteten ein hämatologisches Ansprechen unter Eisenchelation: Von 30 polytransfundierten Patienten, darunter 24 mit MDS, erzielten 9 Patienten eine Verbesserung der Hämatopoese. Bei einer hämatologischen Ansprechrate von 30 % profitierte somit jeder dritte Patient. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 3 Monate. Eisenchelat-Therapie verlängert das Gesamtüberleben

Ein weiterer wichtiger Punkt in Santinis Ausführungen waren die Auswirkungen einer Eisenüberladung auf das Überleben: Transfusionsabhängige MDS-Patienten sterben an Herzversagen, an den Folgen einer AML-Transformation, Infektionen oder Hämorrhagien. Des Weiteren weisen transfusionsabhängige Patienten mehr Komorbiditäten auf als transfusionsunabhängige. Nach aktuellen © VERLAG PERFUSION GMBH


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Daten von Arnan et al. haben transfusionsabhängige MDS-Patienten eine im Median signifikant niedrigere Lebenserwartung. Der Verlust an Lebensjahren betrug 9,03 Jahre bei transfusionsabhängigen versus 6,11 Jahre bei tranfusionsunabhängigen Patienten (p=0,005). Wie Santini betonte, wurde bereits mehrfach gezeigt, dass Betroffene, die eine Eisenchelat-Therapie erhalten, signifikant länger leben. Wann und für welche Patienten ist eine Eisenchelation sinnvoll?

Santini erläuterte abschließend, wann die Einleitung einer Eisenchelattherapie bei MDS indiziert ist. Die DGHO-Leitlinie sowie internationale Guidelines empfehlen eine Eisenchelation bei MDSPatienten mit niedrigem Risiko ohne Komorbiditäten und einer Lebenserwartung von mindestens einem Jahr, die mehr als 20 EKEinheiten erhalten haben bzw. ein Serumferritin von über 1000 ng/ml aufweisen. Jedoch kann auch bei Hochrisiko-MDS-Patienten, z.B. vor oder nach einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT), eine Eisenchelation sinnvoll sein. Denn dass ein erhöhtes Serumferritin mit einem schlechteren klinischen Outcome einer HSZT assoziiert ist, wurde bereits mehrfach nachgewiesen. Auf Wechselwirkungen mit der Begleitmedikation achten

Wie eine Analyse der EPIC-Studie von Gattermann et al. belegt, können die gastrointestinalen Nebenwirkungen unter Deferasirox mit der Begleitmedikation assoziiert sein. Insbesondere die Einnahme von Paracetamol kann zu gastroin-

testinalen Störungen führen. Eine Therapie mit Opioiden, Antimykotika oder Antibiotika wirkt sich ebenfalls negativ aus. Daher ist es wichtig, die Patienten vor der Eisenchelattherapie über vorübergehend auftretende gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhö, die bei entsprechender Begleitmedikation verstärkt vorkommen können, zu informieren. Fabian Sandner, Nürnberg

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Dieser „prolongierte Überlebensvorteil“ ist etwas Neues beim metastasierten CRC, wie Professor Dirk Arnold, Freiburg, anlässlich der 2. Expertise CRC in Barcelona betonte. Nach seiner Erfahrung profitieren einzelne Patienten besonders deutlich von Aflibercept. Im klinischen Alltag zeigt sich neben der hohen Wirksamkeit auch, dass die Patienten Aflibercept bei professionellem Nebenwirkungsmanagement gut vertragen. Hohe Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit

Metastasiertes kolorektales Karzinom:

Wirksamkeit und Verträg­ lichkeit von Aflibercept im klinischen Alltag bestätigt Das seit März diesen Jahres zugelassene Fusionsprotein Aflibercept (Zaltrap®) ist in Kombination mit FOLFIRI (5-FU/Folinsäure/Irinotecan) eine wirksame ZweitlinienTherapie für Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC) mit und ohne KRAS-Mutation, die unter bzw. nach vorangegangener Erstlinientherapie mit einem Oxaliplatin-haltigen Regime progredient sind. In der randomisieren Phase-III-Zulassungsstudie VELOUR erreichte die Kombination Aflibercept/FOLFIRI bei diesen Patienten einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil mit einer Reduktion des Sterberisikos um knapp 20 % gegenüber der alleinigen Behandlung mit FOLFIRI (HR 0,817; p=0,0032). Unerheblich war, ob die Patienten bereits mit Bevacizumab vorbehandelt waren oder nicht. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 2,5 Jahren sind im Aflibercept-Arm immer noch knapp 10 % Patienten mehr am Leben (22,3 vs. 12,0 %).

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Exemplarisch für die hohe Wirksamkeit von Aflibercept stellte Arnold eine eigene, seinerzeit asymptomatische Patientin mit rezidiviertem CRC vor, die adjuvant auf Capecitabin/Oxaliplatin nur mäßig angesprochen hatte und eine wirksame Therapie benötigte. Auf die daraufhin eingesetzte Behandlung mit Aflibercept/FOLFIRI sprach sie gut an und zeigte erst nach knapp 10 Monaten wieder eine langsam einsetzende Progredienz. Die Patientin hatte Aflibercept gut vertragen, ohne die typischen Anti-VEGF-Nebenwirkungen zu entwickeln – laut Arnold ist auch dies eine wichtige Erkenntnis aus dem klinischen Alltag. Aflibercept werde insgesamt gut und tendenziell besser vertragen, als dies aufgrund der klinischen Studiendaten zu erwarten war. 3-facher Wirkansatz optimiert Anti-Angiogenese

„Wir hatten uns bei dieser Patientin auch deshalb für Aflibercept entschieden, weil wir auf jeden Fall ein erneutes suboptimales Ansprechen oder gar ein Therapie© VERLAG PERFUSION GMBH


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versagen vermeiden wollten“, berichtete Arnold. Als speziell entwickeltes Fusionsprotein, so Arnold weiter, setzt sich Aflibercept aus den Bindungsstellen des VEGFR1 und des VEGF-R2 zusammen, weshalb Aflibercept nicht nur an den Wachstumsfaktor VEGF-A, sondern auch an VEGF-B und an den PlGF (placenta growth factor) andocken und besagte Rezeptorliganden abfangen kann. Der 3-fache Wirkansatz bietet ein breites Wirkspektrum und verhindert darüber hinaus eine gegenseitige Kompensation der untereinander interagierenden Wachstumsfaktoren, was eine umfassendere Blockade der Tumorangiogenese ermöglicht, als dies bislang möglich war. Ausdruck der effektiven antiangiogenen Wirkung von Aflibercept ist die für eine Zweitlinientherapie hohe Ansprechrate von knapp 20 % in der VELOUR-Studie (19,8 vs. 11,1 %; p=0,0001). Keine Therapielinie vergeben!

Sprechen Patienten auf die SecondLine-Behandlung mit Aflibercept/ FOLFIRI nicht mehr adäquat an, was aufgrund der palliativen Therapiesituation irgendwann der Fall ist, stehen für Patienten mit KRAS/ RAS-Wildtyp die EGFR-Antikörper plus/minus Chemotherapie als weitere Therapieoption zur Verfügung. Die mit Oxaliplatin vorbehandelten Patienten, so Arnold, haben daher mit Aflibercept als Zweitlinientherapie eine zusätzliche Therapielinie erhalten. Generell sollten Patienten Aflibercept nicht zu spät bekommen, damit alle für diese Patienten verfügbaren Substanzen genutzt werden können. Elisabeth Wilhelmi, München

Bericht vom MASCC-Symposium:

Neues von der onko­logischen Supportiv­therapie Das jährliche Symposium der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) ist der größte internationale Kongress zur onkologischen Supportivtherapie. Die wichtigsten dort vorgestellten aktuellen Studienergebnisse aus den Bereichen Antiemese, Knochenmetastasen und hämatologische Toxizitäten diskutierten namhafte Experten auf dem 24. Münchener Fachpresse-Workshop „Post MASCC“. Onkologische Antiemese auch heute noch optimierbar

Die Vermeidung von Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkung der Tumortherapie ist noch immer von zentraler Bedeutung. „Früher gehörten diese Nebenwirkungen zu den dominierenden Toxizitäten, die nicht selten zum Therapieabbruch führten“, berichtete der Tübinger Chefapotheker Dr. rer. nat. Hans-Peter Lipp. Wesentliche Bedeutung für die Entstehung von Nausea und Emesis haben die verwendeten chemotherapeutischen Substanzen sowie individuelle Risikofaktoren. Dabei lassen sich 3 Phasen der Chemotherapieinduzierten Übelkeit/Erbrechen (CINV) unterscheiden: die antizipatorische Phase vor Gabe der Chemotherapie, das akute Erbrechen, das bis zu 24 Stunden nach der Chemotherapie anhalten kann, und das verzögerte Erbrechen, das bis zu 5 Tage nach Beendigung der Therapie bestehen kann. Für die Auslösung vor allem der akuten CINV spielen das Serotonin, beim verzögerten Erbrechen

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die Substanz P und Neurokinine eine wesentliche Rolle. Internationale Leitlinien empfehlen Antiemese mit Palonosetron bei HEC und MEC

Wünschenswert ist eine Substanz mit hoher antiemetischer Wirksamkeit in der akuten und verzögerten Phase. Palonosetron, ein 5-HT3Rezeptor-Antagonist (5-HT3-RA) der 2. Generation, eignet sich hierfür laut Lipp aufgrund seiner langen Halbwertszeit besonders gut. Der Wirkstoff weist im Vergleich mit älteren Setronen auch die höchste Rezeptoraffinität auf. Auf biochemischer Basis wirkt Palonosetron über allosterische Hemmung, kooperative Bindung und Rezeptorinternalisierung. Besonderheit und zusätzlicher Grund für seine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Setronen – auch bei verzögertem Erbrechen – ist die Interaktion mit dem Rezeptor, d.h. die Unterbrechung der von Serotonin vermittelten Reizleitung sowie die Hemmung des Rezeptor-Crosstalks und der durch die Substanz P vermittelten Reizleitung, wie Lipp ausführte. Er betonte außerdem, dass Palonosetron nur einmal pro Zyklus gegeben werden muss, ältere Setrone aber teils mehrmals täglich über mehrere Tage. Vorteile ergeben sich auch durch den flexiblen Verabreichungsmodus. „Auch wenn viele Zentren eine parenterale Verabreichung bevorzugen, lässt sich Palonosetron oral mit einer einmaligen Gabe in einer Dosierung von 0,5 mg verabreichen und zeigt eine vergleichbar gute Wirksamkeit“, sagte Lipp. Gepoolte Ergebnisse aus 4 multizentrischen Phase-III-Studien bestätigen die gute Verträglichkeit von Palonosetron im Vergleich © VERLAG PERFUSION GMBH


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zu Setronen der älteren Generation. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Obstipation sind seltener, verschiedene Studien belegen auch die kardiovaskuläre Sicherheit von Palonosetron. Die Sonderstellung von Palonosetron spiegeln auch die internationalen Leitlinien zur Antiemese bei Chemotherapie wider. So empfehlen die Leitlinien der ASCO und der MASCC ausschließlich Palonosetron bei moderat emetogener Chemotherapie (MEC) als 5-HT3-RA. Die Leitlinien der NCCN empfehlen Palonosetron als bevorzugten 5-HT3-RA sowohl bei MEC als auch bei hoch emetogener Chemotherapie (HEC) inklusive AC-basierten Schemata. Neue Studien bestätigen Sonderstellung von Palonosetron

Die gute Wirksamkeit von Palonosetron bestätigt eine aktuelle Studie, die das Ansprechen auf eine Palonosetron-Monotherapie bei NHL-Patienten, die eine Prednison-haltige MEC erhielten, über mehrere Zyklen analysierte. Das komplette Ansprechen war in allen Zyklen sehr hoch, berichtete Lipp. Nachdem 2012 die hohe Wirksamkeit von Palonosetron in der bei HEC empfohlenen Dreierkombination (bestehend aus NK1Rezeptor-Antagonist (NK1-RA), 5-HT3-RA und Dexamethason) über mehrere Zyklen hinweg gezeigt worden war, verglich eine auf dem ASCO und MASCC 2013 vorgestellte Studie Palonosetron vs. Granisetron in der Dreierkombination mit Aprepitant und Dexamethason. Die Dreifachkombination mit Palonosetron erwies sich in der verzögerten Phase als signifikant wirksamer. Eine weitere auf dem diesjährigen MASCC-Kongress

vorgestellte Studie überprüfte die Zweier- oder Dreier-Antiemese mit Palonosetron retrospektiv bei Mammakarzinom-Patientinnen, die in Praxen des BNGO ACbasierte Chemotherapien erhalten hatten. Die beste Wirksamkeit mit sehr guter Kontrolle der Übelkeit zeigte sich bei der Dreierkombination bestehend aus NK1-RA, Palonosetron und Dexamethason. „Palonosetron nimmt nicht nur pharmakologisch, sondern mit seiner Wirksamkeit in der akuten und in der verzögerten Phase auch klinisch einen Sonderstatus ein, was sich auch in den Empfehlungen internationaler Leitlinien niederschlägt“, fasste Lipp zusammen. Knochenmetastasen verringern die Lebensqualität drastisch

Sehr stark wird die Lebensqualität der Patienten mit soliden Tumoren auch durch Knochenmetastasen eingeschränkt. „Für die Patienten bedeutet die Diagnose Knochenmetastasen einen deutlichen Einschnitt. Die ossären Metastasen verursachen mitunter nicht nur starke Schmerzen, sondern schwächen auch den Knochen und können weitere Knochenkomplikationen und Frakturen verursachen. Außerdem sind sie Ausdruck einer fortgeschrittenen, nicht mehr heilbaren Tumorerkrankung“, erklärte Professor Dr. med. Ingo Diel, Mannheim. Knochenmetastasen können lange Zeit symptomfrei verlaufen. Bei den meisten Patienten kommt es jedoch zu Knochenkomplikationen (skeletal related events, SRE). Zu den SRE gehören neben pathologischen Frakturen auch Bestrahlungen am Knochen, Rückenmarkkompressionen und Operationen am Knochen. „Die Auswirkungen

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der SRE sind vielfältig“, erklärte Diel. „Sie führen zu Knochenschmerzen und verringern die Lebensqualität sowie Mobilität der Patienten, erhöhen die Pflegebedürftigkeit und die Gesundheitskosten“. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sie einen negativen Effekt auf das Überleben haben können. Laut Diel ermöglicht es ein Skelett-Szintigramm, ossäre Metastasen zu finden. Die Diagnose sollte jedoch mittels Kernspintomographie gestellt werden, da man bei einem Szintigramm nicht zwischen benignen Veränderungen und Metastasen unterscheiden kann. Denosumab reduziert Risiko für SRE

Knochenschmerzen sind das häufigste und auch oft das erste Symptom der Knochenmetastasen. Therapieziel bei Patienten mit ossären Metastasen sei die Verlängerung der symptomfreien Zeit, aber leider werde der Knochenschmerz von Ärzten oft falsch eingeschätzt, berichtete Diel. Zur Behandlung von Knochenschmerzen kommen neben nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei geringen und Opioiden und Opiaten bei stärkeren Schmerzen auch Radionuklide zum Einsatz. „Viele Patienten benötigen 3–4 Monate, bis die Schmerzen verschwunden sind. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir konsequent vom ersten Tag an Schmerzmedikamente verabreichen – und im Hinblick auf die Stabilität des Knochens auch eine osteoprotektive Therapie“, betonte Diel. Die Radiotherapie der Knochenmetastasen trägt auch dazu bei, das Tumorwachstum zu kontrollieren, was sowohl zur Reduktion der Schmerzen als © VERLAG PERFUSION GMBH


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auch des Frakturrisikos führt. Bei lokaler Begrenzung der ossären Metastasierung und Frakturgefahr kommt auch eine Operation infrage. Zentrale Bedeutung hat laut Diel die antiosteolytische Therapie mit Bisphosphonaten und dem RANKL-Inhibitor Denosumab. Der monoklonale Antikörper zur Prävention von SRE bei Patienten mit Knochenmetastasen aufgrund solider Tumoren wird alle 4 Wochen als subkutane Injektion in einer Dosierung von 120 mg appliziert. Wie eine aktuelle Studie zeigt, kann Denosumab die Zeit bis zum Auftreten moderater oder starker Schmerzen bei MammakarzinomPatientinnen mit Knochenmetastasen, die eingangs keine oder nur leichte Knochenschmerzen hatten, im Vergleich mit Zoledronsäure um fast 4 Monate verlängern. „Denosumab führt also zu einem Erhalt der Lebensqualität durch Schmerzprävention. Eine Verzögerung der Schmerzprogression konnte auch bei anderen Tumorarten gezeigt werden“, sagte Diel. Nach Beendigung der doppelblinden Behandlungsphase wurden den Patienten der Zulassungsstudien, die Denosumab mit Zoledronsäure zur Prävention von SRE bei Mammaund Prostatakarzinom-Patienten verglichen hatten, zwei weitere Behandlungsjahre mit Denosumab angeboten. In der verlängerten Nachbeobachtung berichteten in der Mammakarzinom-Studie 51 % der Patienten über eine Schmerzverringerung. „Nur weniger als 5 % der Patienten benötigten eine Steigerung der analgetischen Dosis oder ein stärkeres Schmerzmittel“, so Diel weiter. Ein Vorteil von Denosumab ist, dass der Antikörper im Vergleich zu Zoledronsäure weniger AkutPhase-Reaktionen auslöste (20,2

vs. 8,7 %). Beim Auftreten von Osteonekrosen bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Substanzen. Unter Denosumab traten in einer integrierten Analyse aller 3 Zulassungsstudien jedoch mehr Hypokalzämien auf als unter Zoledronsäure (9,6 vs. 5,0 %). Es ist also wichtig, vor Beginn der Therapie die Kalziumwerte zu messen. Außerdem müssen die Patienten Kalzium und Vitamin D einnehmen. „Dann ist die Gefahr einer Hypokalzämie deutlich geringer“, erklärte Diel. In einer Studie, die den Effekt von Denosumab und Zoledronsäure auf die Health Related Quality of Life (HRQoL) bei Mammakarzinom-Patientinnen untersuchte, war Denosumab im Vergleich zum Bisphosphonat Zoledronsäure mit einer besseren HRQoL verbunden. Mittels eines Fragebogens, der die Auswirkungen des Schmerzes auf verschiedene Lebensaspekte erfragte, ließ sich außerdem zeigen, dass bei Gabe von Denosumab die Schmerzen wichtige Aspekte des täglichen Lebens weniger stark beeinflussten als unter Zoledronsäure. Dies gilt sowohl für physische Aktivitäten als auch für emotionale Aspekte wie Stimmung, Interaktion mit Anderen und Lebensfreude sowie die Lebensqualität insgesamt. Prophylaxe mit G-CSF vermindert Schwere und Dauer von Neutropenien

Die adäquate supportive Therapie bei Gabe hämatotoxischer Chemotherapien stand im Zentrum des letzten Vortrags des Workshops. Professor Dr. med. Hartmut Link, Kaiserslautern, fokussierte sein Referat dabei auf das Management und die Prävention febriler Neutropenien (FN) durch die prophylak-

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tische Gabe von rekombinantem G-CSF (Granulozyten-koloniestimulierender Faktor). Eine FN liegt vor, wenn bei erhöhter oraler Temperatur ≥38°C gleichzeitig die Granulozyten-Konzentration über 1000/μl liegt. „Schwere und Dauer der Neutropenie lassen sich durch eine G-CSF-Prophylaxe deutlich vermindern“, erklärte Link. Viele Therapieprotokolle können nur in der erforderlichen Dosisintensität (d.h. mit der erforderlichen Menge an Zytostatika in einem definierten Zeitintervall) durchgeführt werden, wenn Neutropenien und febrile Neutropenien vermieden bzw. in einem klinisch akzeptablen Bereich gehalten werden können. Dass eine verringerte Dosisintensität Einfluss auf die Überlebensrate hat, zeigten Studien bei Patienten mit Mammakarzinomen und Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Leitlinien von NCCN, ASCO, EORTC, DGHO und ASORS empfehlen, G-CSF bereits ab einem FN-Risiko ≥20 % routinemäßig prophylaktisch einzusetzen. Liegt das FN-Risiko bei 10–20 %, soll die G-CSF Prophylaxe erfolgen, wenn zusätzlich patientenindividuelle Risikofaktoren vorliegen wie z.B. Alter >65 Jahre, fortgeschrittene Erkrankung, vorhergehende FN-Episoden, ein schlechter Allgemein- oder Ernährungszustand sowie Komorbiditäten. Link wies in diesem Zusammenhang auf das möglicherweise besondere FN-Risiko einer Therapie mit dem Taxan Cabazitaxel hin, die zwar grundsätzlich mit einem FNRisiko von 10–20 % einhergeht, unter der es aber zu FN-assoziierten Todesfällen kam. „Eine adäquate G-CSF-Therapie reduziert das Risiko einer febrilen Neutropenie sowie FN-assoziierter Todesfälle und die FN-assoziierte Morbidität, sie trägt dazu bei, die Lebensqualität der Pa© VERLAG PERFUSION GMBH


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tienten während der Chemotherapie zu erhalten und die notwendige Dosisintensität einzuhalten. Außerdem ist die G-CSF Prophylaxe kosteneffektiv“, fasste Link die Gründe für eine Neutropenieprophylaxe mit G-CSF, wie z.B. Pegfilgrastim, zusammen. Neutropenieprophylaxe und Leitlinientreue in Deutschland

Um die Durchführung einer Neutropenieprophylaxe bei Chemotherapie-Patienten in Deutschland zu erfassen, führte die ASORS eine retrospektive Datenerhebung und Umfrage durch. In der repräsentativen Stichprobe wurden 286 Lymphom-Patienten, 666 Patienten mit Lungenkarzinom und 976 Patientinnen mit Mammakarzinom analysiert, die von Mai 2011 bis Mai 2012 3–9 Chemotherapiezyklen mit einem FN-Risiko >10 % erhalten hatten. Die Datenerhebung zeigte, dass Akzeptanz und Umsetzung der Leitlinien zur Prophylaxe der febrilen Neutropenie mit G-CSF nach Chemotherapie nicht ausreichen. Nicht nur bei verschiedenen Tumorentitäten bestehen Unterschiede in der leitliniengerechten Behandlung, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Arztprofilen. Häufig werden patientenbezogene Risikofaktoren unterbewertet, was zu einer Unterbehandlung mit G-CSF führen kann. Besonders deutlich wurde die nicht ausreichende Einhaltung der Leitlinien in der Indikation Lungenkarzinom: Laut Leitlinien sollten alle Patienten, die eine Chemotherapie mit hohem FNRisiko (≥20 %) bekommen, eine G-CSF-Prophylaxe, beispielsweise Pegfilgastim, erhalten, unabhängig davon, ob sie noch weitere Risikofaktoren aufweisen. Die Da-

tenauswertung der entsprechenden Patienten mit Bronchialkarzinom ergab jedoch, dass 86,1 % von ihnen (gemittelt über alle Zyklen) keine G-CSF-Prophylaxe bekommen hatten. Bei den Patienten mit malignen Lymphomen hatten 15,6 % der Patienten, die eine Chemotherapie mit hohem FN-Risiko bekamen, keine FN-Prophylaxe erhalten, bei den MammakarzinomPatientinnen waren es 23,7 %. Auf die Frage nach den Gründen für die Nichtanwendung von G-CSF bei FN-Hochrisikopatienten im ersten Zyklus einer Chemotherapie antworteten viele der befragten Ärzte, dass keine zusätzlichen Risikofaktoren vorlagen. „Hier wurde die Leitlinie falsch interpretiert, bei Hochrisiko-Patienten spielen zusätzliche Risikofaktoren keine Rolle. Diese Patienten hätten alle eine Prophylaxe erhalten müssen“, unterstrich Link. Auch bei einer Chemotherapie mit intermediärem FN-Risiko war die Leitlinientreue der Ärzte ungenügend. Von den Bronchialkarzinom-Patienten mit entsprechender Chemotherapie (FN-Risiko 10–20 %) erhielten 71,2 % nicht leitliniengerecht G-CSF (Patienten, die keine Prophylaxe erhalten haben, obwohl sie eine hätten erhalten müssen, und Patienten, die eine Prophylaxe erhalten haben, obwohl sie keine benötigt hätten). Unter den Patienten mit malignen Lymphomen und intermediärem FN-Risiko wurden 30,8 % nicht leitliniengerecht behandelt und unter denen mit Mammakarzinom 31,3 %. Ihre eigene Leitlinienadhärenz hingegen überschätzten die Ärzte. „Wir müssen noch viel dafür tun, dass die Leitlinien gelesen, verstanden und umgesetzt werden“, fasste Link zusammen. Carina Jung, München

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Personalisierte Therapie des kolorektalen Karzinoms:

Panitumumab jetzt noch zielgenauer einsetzen Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC), die mit Panitumumab (Vectibix®) behandelt werden, können ab sofort noch genauer stratifiziert werden. Möglich wird dies durch einen neuen, positiv prädiktiven Biomarker: Während bislang nur KRAS getestet werden konnte, steht seit Kurzem der einfach durchzuführende RAS-Test zur Verfügung. Dadurch werden Patienten mit RAS-Wildtyp (= KRAS plus NRAS) identifiziert. Deutlich erhöhte Lebenserwartung

Für die Therapie von erwachsenen mCRC-Patienten mit RAS-Wildtyp ist Panitumumab zugelassen. Wie die Auswertung von 5 klinischen Studien (PEAK, PRIME, 408, PIMABI, PICCOLO) zeigte, profiteren mCRC-Patienten mit RAS-Wildtyp von einer Therapie mit Panitumumab, während bei Patienten mit Mutationen in RAS keine Überlebensvorteile durch eine Behandlung mit Panitumumab erzielt werden konnten. In der Phase-III-Studie PRIME führte die Erstlinientherapie mit Panitumumab + FOLFOX bei Vorliegen eines RAS-Wildtyps zu einer signifikanten Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens auf 26 Monate gegenüber etwa 20 Monaten bei alleiniger FOLFOXTherapie. Auch die PEAK-Studie konnte eine Verlängerung des Gesamt© VERLAG PERFUSION GMBH


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überlebens dokumentieren: Die Erstlinientherapie von mCRCPatienten mit RAS-Wildtyp mit Panitumumab + FOLFOX war effektiver als eine Behandlung mit Bevacizumab + FOLFOX. Mit Panitumumab + FOLFOX konnte zudem das bisher längste mediane Gesamtüberleben in einer klinischen Studie beim mCRC von 41,3 Monaten erreicht werden.

Abirateronacetat bei Chemotherapie-naiven mCRPC-Patienten: G-BA sieht Hinweise auf beträchtlichen Zusatznutzen Therapie der Wahl für symptomatische Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) ist Docetaxel plus Prednison/Prednisolon. In der Zweitlinie können der steroidale Androgen-Biosynthese-Inhibitor Abirateronacetat (Zytiga®) oder Cabazitaxel – jeweils in Kombination mit Prednison/Prednisolon – zum Einsatz kommen. Seit Kurzem stellt hier Enzalutamid eine neue Option dar. Asymptomatischen Männern mit mCRPC wird die Chemotherapie in der Regel nicht empfohlen, weil bei ihnen therapiebedingte Symptome auftreten können. Dank der Indikationserweiterung, die Zytiga® am 18. Dezember 2012 erhalten hat, haben diese Patienten, bei denen nach Versagen der Androgenentzugstherapie eine Chemotherapie noch nicht klinisch indiziert ist, jetzt die Möglichkeit, eine Erstlinientherapie mit Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon zu erhalten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seinem Beschluss vom 4. Juli 2013 mitgeteilt, dass er Hinweise auf einen beträchtlichen Zusatznutzen

Differenzierte Biomarkeranalyse

Bei mCRC ist vor Beginn einer Behandlung mit Panitumumab eine Überprüfung der RAS-Gene vorgeschrieben, um diejenigen Patienten mit RAS-Wildtyp zu identifizieren, die am meisten von einer Panitumumab-Therapie profitieren können. Schätzungen zufolge können etwa 50  % der mCRC-

Patienten mit RAS-Wildtyp aus der Behandlung mit Panitumumab einen Nutzen ziehen. Das Unternehmen Amgen unterstützt die pathologischen Institute bei der Etablierung und Validierung eines einfach durchzuführenden RASMutationstests, um eine flächendeckende und schnelle Versorgung zu gewährleisten. B. S.

Abirateronacetat Abirateronacetat (Zytiga®) ist der erste und bislang einzige zugelassene steroidale Androgen-Biosynthese-Inhibitor. Sein aktiver Metabolit Abirateron unterdrückt die beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom trotz Androgenentzugstherapie persistierende Androgenproduktion in den Hoden, den Nebennieren und dem Tumorgewebe. Dadurch senkt es die Androgenspiegel auf Konzentrationen ab, die geringer sind als die, die durch eine alleinige Gabe von LHRH-Agonisten oder eine Orchiektomie erreicht werden. Das Tumorwachstum wird entsprechend stärker verzögert [3]. Zytiga® wird oral verabreicht; die empfohlene Dosis beträgt 1000 mg (4 Tbl. à 250 mg) als tägliche Einmalgabe. Das Präparat wird zusammen mit niedrig dosiertem Prednison oder Prednisolon (10 mg/d) eingenommen; eine medizinische Kastration mit einem LHRH-Analogon sollte fortgeführt werden.

von Abirateronacetat in der neuen Indikation sieht [1]. In seiner Bewertung stützt sich der G-BA auf Ergebnisse zur Mortalität, zur Morbidität und zu patientenrelevanten Endpunkten der Zulassungsstudie COU-AA-302. Klinische Vorteile in allen primären und sekundären Studienendpunkten

In der Phase-III-Studie COUAA-302 waren 1.088 asymptomatische oder mild symptomatische Patienten mit progredientem mCRPC vor der Chemotherapie mit Abirateronacetat oder Placebo behandelt worden – jeweils plus

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Prednison (Abirateron vs. Placebo). Zum Zeitpunkt der dritten Interimsanalyse lag das mediane Gesamtüberleben bei 35,3 (Abirateron) vs. 30,1 (Placebo) Monaten (Hazard Ratio 0,79, p=0,0151) [2]. Das relative Risiko zu versterben reduzierte sich demnach um 21 %, damit einhergehend verlängerte sich das mediane Überleben um 5,2 Monate. Darüber hinaus war Abirateron gegenüber Placebo bei dem koprimären und allen sekundären Endpunkten signifikant überlegen. So betrug das mediane radiologisch progressionsfreie Überleben (rPFS) 16,5 vs. 8,3 Monate, sodass Abirateron das relative Risiko für eine radiologische Progression signifi© VERLAG PERFUSION GMBH


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kant um 47 % reduzierte (HR 0,53; p<0,0001). Außerdem zögerte Abirateron signifikant die Zunahme des Schmerzes und die Verschlechterung der Funktionalität hinaus. Günstiges Sicherheitsprofil

Sicherheit und Verträglichkeit stimmten mit der Erstzulassungsstudie COU-AA-301 von Abirateron zum Einsatz beim mCRPC nach Chemotherapie überein – es gab keine Hinweise auf neue Sicherheitsprobleme. Wie von Abirateronacetat bekannt, standen aus dem Wirkmechanismus resultierende mineralkortikoide Nebenwirkungen wie Flüssigkeitsretention, Hypokaliämie und Hypertonie im Vordergrund. Aufgrund der guten Wirksamkeit und Verträg-

lichkeit verlängerte Abirateron zudem die mediane Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität sowohl ermittelt anhand des FACT-P-Gesamtscores (Functional Assessment of Cancer Therapy-Prostate) als auch anhand der Prostatakarzinom-Subskala signifikant (p=0,005 bzw. p<0,0001). Fazit

Durch die Erweiterung der Zulassung von Zytiga® auf die Situation vor Chemotherapie wird eine Behandlungslücke für Patienten geschlossen, für die es bisher kaum Therapiealternativen gab und die nun auf ein besseres Outcome hoffen können. Denn der AndrogenBiosynthese-Inhibitor kann – im Gegensatz zum üblicherweise ab-

wartenden Vorgehen – die Krankheitsprogresssion und die Notwendigkeit einer zytotoxischen Chemotherapie hinauszögern. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Abirateronacetat (neues Anwendungsgebiet), Stand 4.7.2013: http://www.g-ba.de/ informationen/nutzenbewertung/60/#tab/ beschluesse 2 Rathkopf DE, et al. Updated interim analysis (IA) of COU-AA-302, a randomized phase III study of abiraterone acetate (AA) in patients (pts) with metastatic castrationresistant prostate cancer (mCRPC) without prior chemotherapy. J Clin Oncol 2013; 31(Suppl 6): Abstr. 5 3 Fachinformation Zytiga®, Stand Januar 2013

Titelbild: „Migräne“ (© fotolia). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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First-line-Therapie fortgeschrittenes, metastasiertes Nierenzellkarzinom

SUTENT spricht an ®

47%

objektives Ansprechen1

medianes Gesamtüberleben Januar 2012

26,4 Monate

1

März 2014

1. Motzer R et al. J Clin Oncol 2009;27:3584–3590.

Weil jeder Tag zählt Sutent® 12,5 mg/25 mg/50 mg Hartkapseln. Wirkstoff: Sunitinib. Zusammensetzung: Wirkstoff: 1 Hartkps. enthält Sunitinibmalat, entspr. 12,5 mg/25 mg/50 mg Sunitinib. Sonst. Bestandteile: Mannitol (Ph.Eur.), Croscarmellose-Natrium, Povidon (K25), Magnesiumstearat (Ph.Eur.), Gelatine, Eisen(III)-oxid (E 172), Titandioxid (E 171), Schellack, Propylenglycol, Natriumhydroxid; 25 mg/50 mg zusätzl.: Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Eisen(II,III)-oxid (E 172). Anwendungsgebiete: Bei Erw. zur Behandl. nicht resezierb. u./od. metast. maligner gastrointest. Stromatumoren (GIST), wenn eine Behandl. mit Imatinibmesylat wg. Resistenz od. Unverträglichk. fehlgeschlagen ist. Bei Erw. zur Behandl. fortgeschritt. metast. Nierenzellkarzinome (mRCC). Bei Erw. zur Behandl. nicht resezierb. od. metast., gut differenz. pankreat. neuroendokr. Tumoren (pNET) mit Krankheitsprogression; d. Erfahrung mit Sutent als Erstlinientherapie ist begrenzt. Gegenanzeigen: Überempfindlichk. gg. d. Wirkstoff od. sonst. Bestandteil. Nebenwirkungen: D. schwersten Nebenwirk., einige davon tödl., sind Nierenversagen, Herzversagen, Lungenembolie, gastrointest. Perforat. u. Hämorrhagie (z. B. Atemwegs-, Gastrointestinaltrakt-, Tumor-, Harnwegs- od. Gehirnblutungen). D. häufigsten Nebenwirk. jeden Grades (bei mind. 20 % d. Pat. in mRCC-, GIST u. pNET-Zulassungsstudien) schlossen Appetitlosigk., Beeinträchtig. d. Geschmackssinns, Hypertension, Fatigue, gastrointest. Stör. (z. B. Durchfall, Übelk., Stomatitis, Oberbauchbeschw. u. Erbrechen), Verfärbung d. Haut u. palmar-plantar. Erythrodysästhesie-Syndr. ein. Diese Sympt. können abnehmen, wenn d. Behandl. fortgesetzt wird. Während d. Behandl. kann sich ei. Hypothyreose entwickeln. Hämatol. Stör. (z. B. Neutropenie, Thrombozytopenie u. Anämie) gehören zu d. häufigsten Nebenwirk. Ereignisse mit tödl. Ausgang umfassten u. a. Multiorganversagen, dissem. intravasale Koagulopathie, periton. Blutungen, Rhabdomyolyse, Ösophagitis, Apoplex, Dehydrierung, Nebenniereninsuff., Nierenversagen, akute respirat. Insuff., Pleuraerguss, Pneumothorax, Schock u. plötzl. Tod. In klin. Studien: Sehr häufig: Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie, Appetitlosigk., Beeinträchtig. d. Geschmackssinns, Kopfschm., Hypertonie, Nasenbluten, Durchfall, Stomatitis/aphtöse Stomatitis, Erbrechen, Übelk., Dyspepsie, Bauchschm./ aufgeblähter Bauch, Obstipat., Zungenschm., Gelbfärbung/Verfärbung d. Haut/Pigmentstör., palmar-plantar. Erythrodysästhesie-Syndr., Hautausschlag, Veränderung d. Haarfarbe, trockene Haut, Schmerzen in d. Extremitäten/Gliedm., Fatigue/Kraftlosigk., Mukositis, Ödeme. Häufig: Leukopenie, Lymphopenie, Hypothyreose, Dehydratation, Schlaflosigk., Depression, Parästhesie, Schwindel, periph. Neuropathie, Hypästhesie, Hyperästhesie, verstärkter Tränenfluss, Lidödem, Hautrötung, Hautrötung mit Hitzegefühl, Dyspnoe, oropharyng. Schmerzen, Husten, Belastungsdyspnoe, trockene Nase, Pleuraerguss, verstopfte Nase, Schmerzen im Mundbereich, Blähungen, Mundtrockenh, gastroösophag. Reflux, Schluckstör., Zahnfleischbluten, Ulzerat. im Mundbereich, Lippenentzünd., Proktalgie, Hämorrhoiden, Beschw. im Mundbereich, Rektalblutungen, saures Aufstoßen, Magenbeschw., Haarausfall, Erythem, Hautreakt., Abschälen d. Haut, Juckreiz, Dermatitis, periorbit. Ödeme, Veränd./Verfärb. d. Nägel, Hautschäden, Blasenbildung, Hyperkeratose, Akne, Hyperpigment. d. Haut, Muskelschm., Gelenkschm., Muskelspasmen, Rückenschm., Muskelschwäche, muskuloskelett. Schmerzen, Nierenversagen, Chromaturie, Pyrexie, Schüttelfrost, Schmerzen im Brustbereich, Schmerzen, grippeähnl. Beschwerden, Ejektionsfraktion verringert/abnormal, Gewichtsabnahme, weißes Blutbild erniedrigt, Lipase erhöht, Thrombozytopenie, Hämoglobin erniedrigt, Kreatinphosphokinase erhöht, Amylase erhöht, Aspartataminotransferase erhöht, Alaninaminotransferase erhöht, Kreatinin erhöht, Blutdruck erhöht, Hyperurikämie. Gelegentlich: Panzytopenie, Hypersensitivität, Hyperthyreose, Tumorlyse-Syndr., apoplekt. Insult/zerebr. Infarkt, posteriores revers. Enzephalopathie-Syndrom, transitor. ischäm. Attacke, dekompens. Herzinsuff., Herzinsuff., Kardiomyopathie, Perikarderguss, Linksherzversagen, Verläng. d. QT-Intervalls, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Lungenblutung, Bluthusten, pharyngolaryng. Schmerzen, Darmperforat., Pankreatitis, gestörte Leberfkt., Cholezystitis, Ekzem, Analfistel, Fistel, akutes Nierenversagen, nephrot. Syndr., Proteinurie, Wundheilungsstör., Thyroidea-stimulierendes Hormon erhöht. Selten: Stevens-Johnson-Syndrom. Weitere Nebenwirkungen nach Markteinführung: Häufig: Atemwegsinfekt., Harnwegsinfekt., Hautinfekt., Abszesse, Virusinfekt., bakt. Infekt., Pilzinfekt., Ösophagitis. Gelegentlich: Sepsis/sept. Schock, thrombot. Mikroangiopathie, Angioödeme, Thyreoiditis, Lungenversagen, Leberversagen, Hepatitis, Myopathie, Rhabdomyolyse, Osteonekrose d. Kiefers. Selten: nekrotis. Fasziitis, Torsade de pointes, tox.-epiderm. Nekrolyse, Pyoderma gangraenosum, Erythema multif. Warnhinweis: Enthält Mannitol und Propylenglycol. Packungsgrößen: Sutent 12,5 mg/25 mg/50 mg Hartkapseln: 30 Hartkapseln. Bitte beachten Sie außerdem d. Fachinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Limited, Sandwich, Kent CT13 9NJ, Vereinigtes Königreich. Repräsentant in Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, 10785 Berlin. Stand: März 2013. www.pfizer.de

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Pfizer Pharma GmbH, Linkstraße 10, 10785 Berlin


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