Journal 5/6 2023

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 32 HEFT 5/6 Dezember 2023

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Mirikizumab – ein innovativer Antikörper zur zielgerichteten Therapie der Colitis ulcerosa COPD – die Abwärtsspirale medikamentös aufhalten Duchenne-Muskeldystrophie – jeder Tag zählt! Morbus Parkinson: Mehr On-Zeit durch Optimierung des L-Dopa-Potenzials mit Opicapon Tremor mit MRT-geführtem fokussiertem Ultraschall behandeln Somapacitan 1 × wöchentlich vereinfacht die Behandlung des Wachstumshormonmangels Enstilar® überzeugt durch hohe Bioverfügbarkeit und gute Wirksamkeit in der Initial- und Erhaltungstherapie der Psoriasis Multiple Sklerose: Real-World-Daten bestätigen Sicherheit von Ofatumumab

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Inflammation

BEI MO MODERA DERAT TEN VERLÄUFE VERLÄUFEN: DIE THERAPIEOPTION ZWISCHEN MTX UND BIOL BIOLOGIK OGIKA A

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* Direkter Otezla®-Einsatz nach MTX und vor Biologika.1,2 1. Fachinformation Otezla®. 2. Nast A et al. J Dtsch Dermatol Ges 2021;19(6):934–951. 3. Reich K et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018;32:397–402. 4. Nash P et al. Ann Rheum Dis 2018;77:690–698. 5. Kavanaugh A et al. Arthritis Res Ther 2019;21:118. 6. Augustin M et al. EADV 2022; Poster P1624. 7. Crowley J et al. J Am Acad Dermatol 2017;77:310–317.e1.


EDITORIAL

Vor einigen Tagen fielen in einem Interview im Radio zwei bemerkenswerte Zahlen: 1. Das Robert Koch Institut (RKI) registrierte in einer Woche etwa 13.000 CoronaInfektionen in Deutschland und 2. Experten gingen davon aus, dass in besagter Woche von etwa 1 Million Corona-Infektionen auszugehen sei. Die Diskrepanz ist schnell erklärt: In die RKI-Statistik wird eine Corona-Infektion nur dann aufgenommen, wenn sie durch einen PCR-Test gesichert nachgewiesen wurde – und PCR-Tests werden inzwischen nur noch in wenigen, gut begründeten Ausnahmefällen durchgeführt. Parallel dazu mehren sich die Anzeichen, dass für den kommenden Winter eine außergewöhnliche hohe Inzidenz für die gesamte Palette der üblichen Atemwegsinfektionen zu erwarten ist. Dazu muss man wahrlich kein Hellseher sein! Jeder von uns hat die Erfahrung gemacht, dass man nach einer durchgemachten Erkältung in aller Regel erst einmal von weiteren Infektionen mit ähnlich ausgeprägten Symptomen verschont bleibt, dass es einen aber in der nächsten kalten Jahreszeit wieder erwischt. Unzählige Statistiken belegen, dass die durchschnittliche Inzidenz von Erwachsen bei etwa 1 liegt, also einer stark symptomatischen Infektion pro Jahr. Über weite Strecken der Pandemie ziemlich umfassende und aussagekräftige Statistiken zur Inzidenz von Corona-Infektionen nach einer Corona-Impfung bestätigten diese primär empirischen Erkenntnisse: Der einigermaßen gute Schutz vor Infektionen und der ziemlich gute Schutz vor einer schweren Erkrankung nach Infektion hielt typischerweise nur wenige Monate und ging dann schnell deutlich zurück. Die Erklärung dafür findet sich in jedem guten Lehrbuch zur Physiologie des Immunsystems. Atemwegsinfektionen, in den allermeisten Fällen ausgelöst durch Viren, sind eine ziemliche Herausforderung für das Immunsystem.

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Atemwegsinfekte: Das Immunsystem unterstützen! Während es üblicherweise etwa dreimal pro Tag mit einem erhöhten Risiko auf eine enterale Infektion konfrontiert wird, nämlich dann, wenn wir Nahrung zu uns nehmen, kommt es im Bereich der Atemwege zu etwa 7 – 10 Expositionsrisiken pro Minute oder 10.000 bis 15.000 Expositionsrisiken pro Tag (eben einem bei jedem Atemzug). Als erste Abwehrreihe fungieren vor allem Zellen des angeborenen Immunsystems wie z.B. Makrophagen, die sich einerseits auf alles stürzen, was verdächtig ist, und andererseits Informationen über die Bedrohung an Zellen des erworbenen Immunsystems weiterleiten. „Schlafende“ Immunzellen, die bei einer vorausgegangen Infektion/Impfung die Fähigkeit entwickelt hatten, spezifisch ein bestimmtes Pathogen zu neutralisieren, werden ggf. aktiviert und sind nach kurzer Zeit „kampfbereit“. Das muss gerade bei viralen Infektionen besonders schnell gehen und gut funktionieren. Während bei bakteriellen Infekten jede Zellteilung und damit jede neue Generation die Zahl der pathogenen Keime verdoppelt, produziert jede einzelne Körperzelle, in die ein Virus eingedrungen ist, Hunderte oder gar Tausende von Virus-Kopien. Zur effektiven Unterstützung der Immunabwehr für besonders gefährdete Epithelien, nämlich solche, bei denen die Zellen „blank liegen“, enthalten diese Deckgewebe eine besondere Art von Zellen: Becherzellen, die Schleim sezernieren und dem Epithel seinen Namen gegeben haben: Schleimhaut. Diese Schutzschicht müssen Viren erst einmal durchdringen, was Zeit kostet. Zeit, in der Zilien den Schleim

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG

Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

Richtung Ausgang transportieren, sodass er geschluckt und im Magen neutralisiert werden kann. Jede (beginnende) Infektion kurbelt die Schleimproduktion massiv an, was uns bei jeder Erkältung ein wohlbekanntes, wenig angenehmes Symptom beschert. Es liegt auf der Hand, dass der Alarmzustand mit maximal effizienter Abwehrbereitschaft höchst aufwendig ist. Damit lässt sich auch einfach erklären, wieso die Immunität gerade bei Atemwegsinfekten so schnell abnimmt. Der Körper schaltet zunehmend in den Normalbetrieb um, wenn einige Monate kein Alarm ausgelöst wurde. Und damit sind wir bei der oben beschriebenen Vorhersage, dass wir in diesem Winter mit einer besonders hohen Inzidenz aller möglichen Atemwegsinfektionen rechnen müssen. Es handelt sich schlichtweg um einen „Kollateralschaden der Pandemie“. FFP2Masken, Abstandhalten, die Minimierung von Körperkontakten, © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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verschiedene Desinfektionsrituale und vieles mehr haben das Immunsystem in einen ziemlich niedrigen Trainingszustand gebracht – wir sind heute gegenüber Influenza-, Rhino- und anderen pathogenen Atemwegsviren erheblich weniger abwehrbereit als vor der Pandemie. Was kann man tun? Nun, man könnte sich auch in diesem Winter für die gesamte Palette der Hygienemaßnahmen aus den Jahren der Pandemie entscheiden. Man kann das eigene Immunsystem aber auch dadurch unterstützen, dass man konsequent einfache Prophylaxemaßnahmen durchführt, die darauf abzielen, die eingefangenen Viren zu dezimieren. Einige Vorschläge dazu stammen noch aus der Zeit der Pandemie selbst, auch wenn sie seinerzeit kaum Beachtung fanden: nach jedem Aufenthalt unter Menschen auf engem Raum Gurgeln mit Lösungen, die antiviral wirksame Substanzen enthalten, und gerne auch eine Nasenspülung [1, 2, 3]. Auch Omas klassische Inhaliermethode (heißer Kamillentee, Handtuch über den Kopf) erscheint vielversprechend, da viele Viren – auch die CoronaViren – sehr hitzeempfindlich sind. Wer eine Sauna zu Hause hat, tut in diesem Winter gut daran, diese häufig und regelmäßig zu nutzen: zum „Ausschwitzen“ der Viren und zum Trainieren des Immunsystems [4]. Kommen Sie gesund ins neue Jahr! Karl-Ludwig Resch, Nürnberg

Quellen 1 Ansarin K et al. Bioimpacts 2020; 10:209-215 2 Choudhury MIM et al. Bioresearch Communications 2021;7:919-923 3 Espinoza SR et al. www.sciencedirect.com/science/article/pii/ S1081120623008566) 4 Ernst E et al. Ann Med 1990;22:225227

ÜBERSICHTSARBEIT Mirikizumab – ein innovativer Antikörper zur zielgerichteten Therapie der Colitis ulcerosa Brigitte Söllner

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS COPD – die Abwärtsspirale medikamentös aufhalten

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Duchenne-Muskeldystrophie – jeder Tag zählt!

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Morbus Parkinson: Mehr On-Zeit durch Optimierung des L-Dopa-Potenzials mit Opicapon

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Tremor mit MRT-geführtem fokussiertem Ultraschall behandeln

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Somapacitan 1 × wöchentlich vereinfacht die Behandlung des Wachstumshormonmangels

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Enstilar® überzeugt durch hohe Bioverfügbarkeit und gute Wirksamkeit in der Initial- und Erhaltungstherapie der Psoriasis 154 Multiple Sklerose: Real-World-Daten bestätigen Sicherheit von Ofatumumab

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Nicht muskelinvasives Harnblasenkarzinom: Hyperthermische Chemotherapie als Therapiealternative bei BCG-Versagern

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RUBRIKEN Wissenswertes 141, 149, 164 Kongresse 160

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1. Sogroya® Fachinformation, aktueller Stand 2. Johannsson G et al. J Clin Endocrinol Metab 2020;105(4):1–19 3. Johannsson G et al. Eur J Endocrinol 2018;178(5):491–499 4. Miller BS et al. J Clin Endocrinol Metab 2022;00(0):1–11 5. Rohrer TR, Horikawa R & Kappelgaard AM. Expert Opin Drug Deliv 2017; 14(11):1253–1264

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ÜBERSICHTSARBEIT

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Mirikizumab – ein innovativer Antikörper zur zielgerichteten Therapie der Colitis ulcerosa Brigitte Söllner, Erlangen

M

it Mirikizumab (Omvoh®, Lilly Pharma) steht Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) seit Mai 2023 eine neue Therapieoption zur Verfügung. Der humanisierte IgG4-Antikörper bindet spezifisch an die p19-Untereinheit von Interleukin (IL) 23 und inhibiert damit gezielt den für die Inflammation bei CU maßgeblichen Signalweg [1]. Angezeigt ist Mirikizumab für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver CU, die auf eine konventionelle oder eine Biologika-Therapie unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit zeigen [1]. In den Zulassungsstudien LUCENT-1 und LUCENT-2 überzeugte Mirikizumab durch seine schnelle und anhaltende Wirksamkeit auch mit Blick auf neue, ambitionierte Therapieziele wie die histologisch-endoskopische Schleimhautremission und die Remission der Bowel Urgency. Das Nebenwirkungsprofil lag auf Placeboniveau [2].

T-Zell-Untergruppen (z.B. Th17Zellen und Tc17-Zellen) sowie Untergruppen von angeborenen Immunzellen, die Quellen für Effektor-Zytokine darstellen, einschließlich IL-17A, IL-17F und IL-22, die entzündliche Erkrankungen antreiben (vgl. Insert auf S.139) [3]. Indem Mirikizumab IL-23 selektiv inhibiert, wird die Produktion dieser Zytokine normalisiert und der Teufelskreis der Inflammation durchbrochen (Abb. 1) [2, 4].

Studiendaten belegen eine frühe Symptomkontrolle und anhaltende Wirksamkeit

Die Zulassung von Mirikizumab erfolgte auf Basis der Studien LUCENT-1 und LUCENT-2 [2]. In diesen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien wurden u.a. das klinische Ansprechen, die symptomatische Remission, aber auch erstmalig die Bowel Urgency (imperativer Stuhldrang) mittels

IL-23 als Schlüsseltarget der CU-Behandlung

IL-23 ist ein Schlüsselzytokin der Inflammationskaskade in der Pathophysiologie der CU. Denn es beeinflusst die Differenzierung, Expansion und das Überleben von

Abbildung 1: Durch Bindung an die p19-Untereinheit von IL-23 blockiert Mirikizumab die Bindung von IL-23 an seinen Rezeptor und reduziert so die intrazelluläre Signalübertragung, die zur Entzündung bei CU beiträgt [4] (© Eli Lilly and Company).

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Epithel Schleimhaut

ÜBERSICHTSARBEIT

Vene Arterie Lamina propria

Becherzelle

Paneth-Zelle

Bei der Colitis ulcerosa kommt es zu einer Entzündung der Schleimhaut. Diese geht einher mit der Schädigung des Epithels, der Schleimschicht sowie einer Translokation von Antigenen und Bakterien aus dem Darmlumen. 1-3

Lymphgefäß

Muscularis mucosae

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Submukosa

Colitis ulcerosa

Muscularis

externa CU ist eine der häufigsten Formen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, in Deutschland sind etwa 270.000Serosa Menschen davon betroffen [5]. Typische Symptome sind Schmerzen, Durchfälle, Bowel Urgency (imperativer Stuhldrang), Blutbeimengungen im Stuhl und Fatigue [6]. Diese können relevante emotionale Belastungen und eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität nach sich ziehen,9insbesondere weil die CU schubweise auftritt: Rückfall und Remission wechseln sich im Verlauf der Erkrankung ab [7]. Über 80 % der Betroffenen berichten von Bowel Urgency bzw. der Angst vor einem Urgency-assoziierten Unfall [8]. Daher leiden Menschen mit CU nicht nur körperlich, sondern häufig auch psychisch unter Scham und Isolation [9]. Ursächlich ist eine Fehlfunktion der Barriere im Darm, die durch Trigger wie proinflammatorische Zytokine weiter verstärkt werden kann. Bakterien können leichter eindringen – es kommt zur vermehrten Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen wie IL-23, ein Teufelskreis entsteht [3, 10, 11, 12]: 1. Neurath MF. Nat Rev Immunol 2014; 14(5): 329-342 | 2. Rieder F et al. Gut 2007;56 (1): 130-139 | 3. Lueschow SR und McElroy SJ. Front Immunol 2020; 11: 587 © 2023 Eli Lilly and Company. All rights reserved.

Mukus

Bakterien

Lumen

Epithel

Antigene

Lamina propria Dendritische Zelle

®

Omvoh Launchfachpressekonferenz Hamburg

Störung der Integrität der Epithelbarriere IFN TNF-α IL-1β IL-6 IL-23 IL-12

Makrophage

IL-18

Als Reaktion auf die Translokation von luminalen Antigenen und Bakterien setzen dendritische Zellen, Makrophagen und andere Zelltypen in der Lamina propria des Darms eine Reihe von inflammatorischen Zytokinen frei, darunter IL-23.

14.09.2023

1. Neurath MF. Nat Rev Immunol 2014; 14(5): 329-342 © Eli Lilly and Company © 2023 Eli Lilly and Company. All rights reserved.

10

5

Neutrophile

IL-23 fördert die Bildung von Th17Zellen, die IL-17 produzieren, das an der Rekrutierung von Neutrophilen aus den Kapillaren in die Mukosa beteiligt ist. IL-23 hemmt auch regulatorische

T-Zell-Reaktionen im Darm und fördert so die Entzündung der Schleimhaut.

Dendritische Zelle

Becherzelle

Kryptenabszess IL-17

Paneth-Zelle

Th17 Blutgefäß

IL-23 könnte ein Schlüsselfaktor für die molekulare Resistenzentwicklung gegen TNF-Antagonisten während der laufenden Therapie sein.

1. Griffin GK et al. J Immunol 2012;188 (12): 6287-6299 | 2. Fournier BM und Parkos CA. Mucosal Immunol 2012; 5(4): 354-366 | 3. Soehnlein O und Lindbom L. Nat Rev Immunol 2010; 10(6): 427-439 © 2023 Eli Lilly and Company. All rights reserved.

© Eli Lilly and Company 13

Primäres Ziel der CU-Therapie ist das rasche Erreichen der klinischen Remission mit darauffolgender langfristiger steroidfreier klinischer und endoskopischer Remission.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG

MIRIKIZUMAB:

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ÜBERSICHTSARBEIT

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KLINISCHE REMISSION NACH 52 WOCHEN 50 % der Patienten* unter Mirikizumab waren zu Woche in klinischer Remission.1 KLINISCHE REMISSION NACH 52 52 WOCHEN Erhaltung der klinischen Remission

Klinische Remission 100 Ansprechrate Induktionsresponder, % (95 % CI)

Ansprechrate Induktionsresponder, % (95 % CI)

100 90 80

p < 0,001 Δ = 23,2 %

70 60 50 40 30 20 10 0 Placebo (n=179)

MIRI 200 mg SC (n=365)

p < 0,001 Δ = 24,8 %

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Placebo (n=65)

MIRI 200 mg SC (n=143)

Abbildung 2: Ergebnisse der=Studie für die 52-wöchiger Therapie Remission: mit Mirikizumab (MIRI) bzw.zu Placebo Klinische Remission: SF 0 oderLUCENT-2 1, mit Abnahme vonklinische ≥ 1 Punkt Remission gegenüber nach Erhaltung der klinischen Klinische Remission Woche[2]. 12 Baseline; RB = 0; ES = 0 oder 1 (ohne Schleimhautvulnerabilität).

LUCENT-1 und Woche 40 LUCENT-2

Ansprechrate Induktionsresponder, % (95 % CI)

Urgency Numeric Rating Skala DieAnsprechen Responder** aus LUCENT-1 Mirikizumab-Therapie ein klini* Patienten, die unter Mirikizumab in LUCENT-1 ein klinisches erreichten; SC = subkutan. CI = Konfidenzintervall; MIRI = Mirikizumab; ES = endoskopischer D’Haens et al. N Englsches J Med 2023; 388: 2444-2455 Subscore; MMS = Modified Score; RB = Rektale Blutungen; SF = Stuhlfrequenz; mod. n. 1.die (UNRS) sowie dieMayohistologisch(544 der 551 Patienten, in GLUAnsprechen und es befand endoskopische Schleimhaut-Ver- CENT-1 in Woche 12 ein klini- sich ein signifikant größerer Anteil 47besserung bzw. Remission als sches Ansprechen auf Mirikizumab der Patienten in klinischer RemisEffekte der Inhibition von IL-23 erreichten) gingen über in die LU- sion* als in der Placebogruppe durch Mirikizumab untersucht. CENT-2-Studie. Sie wurden in ei- (24,2 % vs. 13,3 %; p < 0,00006). In LUCENT-1 wurden 1.281 er- nem Verhältnis von 2 : 1 erneut ran- Signifikante Verbesserungen der wachsene Patienten mit mittel- domisiert und erhielten 40 Wochen Stuhlfrequenz, der rektalen Bluschwerer bis schwerer aktiver CU lang alle 4 Wochen eine subkutane tungen und Bowel Urgency traten nach Versagen einer konventio- Erhaltungstherapie mit 200 mg Mi- bereits nach 2 Wochen ein [2, 13, nellen Therapie und/oder einer rikizumab (n = 365) oder Placebo 14]. Biologika-Therapie eingeschlos- (n = 179). Auch hier war der primä- In Woche 52 erreichte die Hälfte sen. Sie erhielten randomisiert im re Endpunkt die klinische Remissi- der Induktionsresponder***, die Verhältnis 3 : 1 in Woche 0, Woche on in Woche 40 bzw. nach insge- Mirikizumab 200 mg subkutan alle REMISSION NACH 52 WOCHEN 4 KLINISCHE und Woche 8 entweder 300 mg samt 52 Wochen. 4 Wochen erhielten, die klinische Mirikizumab intravenös (n = 868) Alle Studienziele konnten erreicht Remission im Vergleich zu 25,1 % 1,2 50 Placebo % der Patienten* unter Mirikizumab oder (n = 294) [2]. Primäwerdenwaren [2]: zu Woche 52 in klinischer in derRemission. Placebogruppe (p < 0,001). rer Endpunkt dieser InduktionsstuAuch der Anteil der Patienten mit die war der Anteil der Studienteilanhaltender klinischer Remission Klinische Remission Anhaltende klinische Remission nehmer in klinischer Remission* war mit 63,6 % versus 36,9 % in basierend auf dem modifizierten unter Mirikizumab über 52 Wochen der Placebogruppe signifikant gröMayo-Score (MMS) in Woche 12. ßer (Abb. 2). p < 0,001 In LUCENT-1 erreichten zu WoHervorzuheben ist, dass 98 % der Δ = 23,2 % che 12 63,5 % der Patienten unter Patienten, die nach 52 Wochen * Die klinische Remission basiert auf dem Therapie mit Mirikizumab eine modifizierten Mayo-Score (MMS) und ist klinische Remission erreichten, definiert als: Stuhlfrequenz (SF)-Subscore = ** Responder war definiert als klinisches 0 oder 1 mit einer Abnahme von ≥1 Punkt gegenüber dem Ausgangswert, rektale Blutung (RB)-Subscore = 0 und endoskopischer Subscore (ES) = 0 oder 1 (ohne Schleimhautvulnerabilität).

Ansprechen: Abnahme des MMS um ≥2 Punkte und ≥30 % Abnahme gegenüber *** Bezogen auf die Patienten, die unter MiBaseline (BL) und Abnahme des RB-Subsrikizumab ein klinisches Ansprechen zu Wocores um ≥1 Punkt gegenüber BL oder eider Patienten ininklinischer Remission waren che 12 LUCENT-1 erzielten. nem RB-Score von 0 oder 1.

98 %

mindestens 12 Wochen steroidfrei (n=178/182). **

MIRI 200 mg SC JOURNAL PHARMAKOL. U.Placebo THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG (Entzugsarm) (n=179)

(n=365)

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ÜBERSICHTSARBEIT

PUNKT HEMR

nach 52 Wochen eine histologisch-endoskopische Remission

Histologisch-endoskopische Schleimhautremission (HEMR)

kopische ung (HEMI)

Woche 40 LUCENT-2 (nach 52 Wochen Therapie)

IRI 300 mg IV

eboes-Scoring-System ≤ 3,1), keine er Granulationsgewebe;

Ansprechrate Induktionssresponder, % (95% CI)

T-1

p < 0,001 Δ = 19,9 %

Placebo (n=179)

In LUCENT-2 erreichten in Woche 52 43,3 % der Patienten eine HEMR im Vergleich zu 21,8 % in der Placebo-Gruppe (p < 0,001) (Abb. 3) [2]. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die HEMR mit einer signifikanten (p < 0,001) Verbesserung der Lebensqualität einherging [2].

MIRI 200 mg s.c. (n=365)

HEMR: Histologische Remission mit Auflösung der mukosalen Neutrophilen, bestimmt durch den Geboes ≤ 2B.0; und endoskopische Verbesserung

Abbildung 3: Ergebnisse der Studie LUCENT-2 für den innovativen Endpunkt histologisch-endoskopische Schleimhautremission nach 52-wöchiger Therapie mit Mirikizumab (MIRI) bzw. Placebo [2].

seit mindestens 12 Wochen steroidfrei waren [2]. Gerade die steroidfreie Remission ist eines der geforderten Ziele gemäß der S3Leitlinie [15]. Erreichen der histologischendoskopischen mukosalen Remission

In den Mirikizumab-Zulassungsstudien LUCENT-1 und LUCENT-2 wurde als innovativer Endpunkt auch die histologischendoskopische Schleimhautremission**** (HEMR) untersucht, die trotz besseren Outcomes wie einem geringeren Schubrisiko und geringerem Bedarf an Steroiden bislang kein formales Therapieziel war [16]. **** HEMR wurde definiert als das Erreichen von sowohl der histologischen Remission, definiert als Geboes-Sub-Scores von 0 für die Grade 2b (Neutrophile in der Lamina propria), 3 (Neutrophile im Epithel), 4 (Zerstörung der Krypten) und 5 (Erosion oder Ulzeration), als auch der endoskopischen Verbesserung, definiert als endoskopischer Subscore (ES) = 0 oder 1 (ohne Schleimhautvulnerabilität).

Verbesserung der Bowel Urgency

Auch die Remission der Bowel Urgency, des imperativen Stuhldrangs, stellt einen neuen Endpunkt 16 dar, der in den Zulassungsstudien von Mirikizumab untersucht wurde und für den eigens in Abstimmung mit der FDA ein Bewertungstool, die UrgencyNRS, entwickelt wurde [17]. Anhand dieser Numeric Rating Scale können die Patienten selbstständig den Einfluss der Bowel Urgency in den letzten 24 Stunden auf ih-

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ren Alltag klassifizieren. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil die Bowel Urgency als eines der Symptome der CU gilt, das die Lebensqualität am stärksten negativ beeinflusst. Trotz dieser großen klinischen Bedeutung wurde die Bowel Urgency in bisherigen klinischen Studien jedoch nicht systematisch erfasst und daher im Prozess der Arzneimittelzulassung bis vor kurzem nicht berücksichtigt [18]. In den LUCENT-Studien war die Remission der Bowel Urgency dagegen ein wichtiger Endpunkt. Wie die Ergebnisse zeigen, wirkte sich Mirikizumab auch positiv auf die Bowel Urgency aus und verbesserte die Symptome bereits signifikant nach 2 Wochen im Vergleich zu Placebo (Abb. 4) [13]. Patienten, die Mirikizumab erhielten, erreichten im Vergleich zur Placebogruppe in Woche 12 in LUCENT-1 (22,1 % vs. 12,3 %)

Bowel Urgency Die Bowel Urgency (BU) ist eines der häufigsten und belastendsten Symptome bei CU. Rund 80 % der CU-Patienten sind von diesem Symptom betroffen [19], über die Hälfte sogar täglich [20]. Ein Indikator für den Schweregrad der BU ist die „Aufschubzeit“. Sie beschreibt die Zeit, in der der Stuhlgang aufgeschoben werden kann, nachdem die Dringlichkeit verspürt wurde, und beträgt in schweren Fällen weniger als 30 Sekunden [21]. Mit weiteren Symptomen wie Fatigue und Schmerz kann die BU über die klinische Remission hinweg persistieren. Dadurch ist ihr Einfluss auf das Sozial- und Berufsleben sowie die intime Privatsphäre groß und kann die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Die Kontrolle der BU gehört daher zu den Therapiezielen bei CU und ist ein wichtiger Teil der Leitlinie des American College of Gastroenterology (ACG) 2019 zur Behandlung der CU. Demnach sollte sich die initiale Behandlung auf die Wiederherstellung der normalen Stuhlfrequenz und die Kontrolle der primären Symptome wie die BU konzentrieren [22]. Aktuelle Studiendaten zeigen zudem, dass die BU bei CU-Patienten mit der Krankheitsaktivität, Lebensqualität und Biomarkern wie beispielsweise dem C-reaktiven Protein (CRP) korreliert [23, 24].

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ÜBERSICHTSARBEIT

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VERBESSERUNG DER BOWEL URGENCY IM ZEITVERLAUF UNRS

UNRS-Veränderung gegenüber Baseline (LSM ± SE)

0

®

LUCENT-2 MIRI Induktionsresponder, Erhaltung

LUCENT-1, Induktion

-1

0

2

4

8

12/0

4

8

12

16

20

24

28

32

36

40 Wochen

**

*** voh Launchfachpressekonferenz -2 mburg ***

14.09.2

***

-3 -4 -5

*

Abbildung *** *** 5 *** ***

***

MIRI 300 mg i.v. (n=868)

***

MIRI 200 mg s.c. (n=365)

Placebo (n=294)

***

Placebo (n=172)

Abbildung 4: Ergebnisse der LUCENT-Studien für den Endpunkt Bowel Urgency. MIRI = Mirikizumab UNRS = Urgency Numeric Rating Scale, LSM = Least Squares Mean, SE = Standardfehler, Signifikanz vs. Plaebo: *p < 0,05; ** p < 0,01; ***p < 0,001 [13].

38

BOWEL URGENCY NACH 52 WOCHEN Erhaltung (Woche 52)

Ansprechrate Induktionsrespnder, %(95 % CI)

Bowel Urgency Remission

Mirikizumab Induktionsresponder

100

1

IBDQ abdominelle Symptome

90 80

25

p < 0,001 Δ = 18,1 %

70

Ja (n=187) Nein (n=207)

20 15

60

10

50 IBDQ systemische Symptome

40 30

5

IBDQ emotionale Funktion

0

20 10 0

Placebo (n=172)

IBDQ soziale Funktion

MIRI 200 mg s.c. (n=336)

Bowel Urgency Remission: UNRS = 0 oder 1 bei Patienten mit UNRS ≥ 3 zu LUCENT-1 Studienbeginn

Dargestellt ist die mittlere Veränderung gegenüber Baseline (LSM) der IBDQ-Domänen Werte

Abbildung 5: Ergebnisse der Studie LUCENT-2 für die Bowel Urgency Remission und die damit korrespondierende Verbesserung der Lebens-

nach 52-wöchiger Therapie mit Mirikizumab (MIRI) bzw. Placebo. UNRS = Urgency Numeric Rating Scale, IBDQ = Inflammatory 39 qualität Bowel Disease Questionnaire [13].

und in Woche 40 in LUCENT-2 (42,9 % vs. 25 %) signifikant häufiger eine BU-Remission [2]. Auch hinsichtlich ihrer Lebensqualität profitierten die Patienten von einer Remission der BU (Abb. 5) [13].

Verbesserung der Lebensqualität

Die Verbesserung der Symptome unter Mirikizumab wirkt sich auch auf die Lebensqualität gemessen mittels Inflammatory Bowel Dis-

BOWEL URGENCY NACH 52 WOCHEN

ease Questionnaire (IBDQ) aus: 72,3 % der mit Mirikizumab behandelten Patienten gaben an, eine IBDQ-Remission zu erfahren. Diese war definiert durch einen Score ≥170 im Fragebogen. In der Placebo-Gruppe waren es 43 % [25].

Remission der Bowel Urgency war mit einer stärkeren Verbesserung der IBDQ-Werte assoziiert. 1,2 Bei Patienten, die mit Mirikizumab in LUCENT-1 ein klinisches Ansprechen erreichten JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG Bowel Urgency Remission

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ÜBERSICHTSARBEIT

Überzeugende Verträglichkeit auf Placebo-Niveau

In den LUCENT-Studien verhielten sich beide Testgruppen bezüglich unerwünschter Ereignisse ähnlich. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen und Reaktionen an der Injektionsstelle bei der subkutanen Applikation der Erhaltungsdosis [2]. Fazit für die Praxis

Die LUCENT-Studien bestätigten die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit des innovativen IgG4-Antikörper Mirikizumab (Omvoh®), der zielgerichtet Interleukin(IL)23p19 und damit ein wichtiges Schlüsselzytokin im entzündlichen Prozess der Colitis ulcerosa hemmt [2]. Mit Mirikizumab lassen sich nicht nur die typischen Symptome signifikant verbessern und eine klassische klinische Remission erreichen, sondern auch ambitioniertere Therapieziele wie die steroidfreie Remission, die Remis-

Relugolix-Kombinations­ therapie auch zur sympto­ matischen Behandlung der Endometriose zugelassen EU-weit leben ungefähr 14 Millionen Frauen mit Endometriose – einer chronischen Erkrankung, deren schmerzhafte Symptome die Betroffenen erheblich bei ihren Alltagsaktivitäten einschränken können. Bei ihnen befindet sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle, meist im Unterbauch oder

sion der Bowel Urgency – eines der häufigsten und belastendsten Symptome der CU – und die histologisch-endoskopische Schleimhautremission. Wobei Letztere mit einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität einhergeht [2]. Alle diese Daten sprechen dafür, dass dieses neue Medikament das Potenzial hat, den Teufelskreis der Inflammation bei dieser chronischentzündlichen Darmerkrankung zu durchbrechen und damit das Outcome der Patienten zu verbessern. Literatur 1 Fachinformation Omvoh®; Stand: Mai 2023 2 D‘Haens et al. N Engl J Med. 2023; 388:2444-2455 3 Neurath MF et al. Cytokine Growth Factor 2019;45:1-8 4 Verstockt B et al. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2023;20:433-446 5 Holstiege J et al. Versorgungsatlas 2021. DOI: 10.20364/VA-21.03 6 Knowles SR et al. Inflamm Bowel Dis 2018;24:742-751 7 Cosnes J et al. Gastroenterol 2011;140: 1785-1794 8 Petryszyn PW et al. Adv Clin Exp Med 2018;27:813-818 9 Sninsky JA et al. AM J Gastroeneterol 2022;117:769-776 10 Griffin GK et al. J Immunol 2012;188: 6287-6299

Becken und an den Eierstöcken, das Entzündungen verursacht. Die Folgen sind schmerzhafte Regelblutungen und chronische Unterleibsschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, starke Blutungen und Unfruchtbarkeit. Mit der Relugolix-Kombinationstherapie Ryeqo® (Relugolix 40 mg, Estradiol 1,0 mg und Norethiste­ ronacetat 0,5 mg) steht ab sofort für die Betroffenen eine neue symptomatische Behandlungsoption in der EU zur Verfügung. Ryeqo® ist indiziert zur symptomatischen Behandlung bei Frauen mit vorausgegangener medikamentöser oder chirurgischer Behandlung

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11 Fournier BM et al. Mucosal Immunol 2012;5:354-366 12 Soehnlein O et al. Nat Rev Immunol 2010;10:427-439 13 Dubinsky MC et al. Crohn’s Colitis 360 2022;5:otac044 14 Danese S et al. J Can Assoc Gastroenterol 2023;6 (Suppl 1):28-29 15 Kucharzik T et al. Aktualisierte S3 Leitlinien Colitis ulcerosa (Version 6.1), https:// register.awmf.org/assets/guidelines/021009l_S3_Colitis-ulcerosa_2023-03.pdf 16 Wetwittayakhlang P et al. J Clin Med 2021;10:5551 17 Dubinsky MC et al. J Patient Rep Outcomes 2022;6:31 18 Hibi T et al. Inflamm Intest Dis 2020;5: 27-35 19 Nóbrega VG et al. Arq Gastroenterol 2018;55:290-295 20 Petryszyn PW et al. Adv Clin Exp Med 2018;27:813-818 21 Kemp K et al. J Crohns Colitis 2018;12: 760-776 22 Rubin DT et al. Am J Gastroenterol 2019;114:384-413 23 Ghosh S et al. J Crohns Colitis 2019; 13:S240-S241 24 Jajeh H et al. Inflamm Bowel Dis 2020; 26:S25 25 Sands BE et al. Poster presented at United European Gastroenterology Week (UEGW); Vienna 2022: P0476

Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen

ihrer Endometriose und bereits seit Juli 2021 für die Behandlung von mäßigen bis starken Symptomen von Uterusmyomen bei erwachsenen Frauen im gebärfähigen Alter zugelassen. Ryeqo® enthält neben Relugolix, das die von den Eierstöcken produzierte Menge an Östrogen (und anderen Hormonen) reduziert, auch das Östrogen Estradiol, das das Risiko von Knochenschwund verringern kann, und das Gestagen Norethisteronacetat, das bei Frauen mit einer Gebärmutter im Rahmen einer Östrogeneinnahme notwendig ist. S. M. © VERLAG PERFUSION GMBH


142

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

D

ie chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD ist durch die Symptome Atemnot, Husten und Auswurf gekennzeichnet. Die Erkrankung beeinflusst nicht nur die Lebensqualität der Patienten, sondern führt auch zu einer geringeren körperlichen Belastbarkeit. Dies kann in einer Dekonditionierung und letztendlich in einer erhöhten Hospitalisierung und Sterblichkeit resultieren [1, 2]. Ziele der medikamentösen Therapie sind deshalb laut der COPD-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) u.a. die Linderung bzw. Vermeidung von Symptomen sowie die Verbesserung der Lebensqualität und der körperlichen Leistungsfähigkeit [3]. Einen zentralen Stellenwert in der COPD-Therapie hat gemäß der Leitlinie bzw. den internationalen GOLD*-Empfehlungen bei Patienten der Gruppe B die LAMA/LABA**-Kombinationstherapie [3, 4]. Effektive Reduktion der morgendlichen Symptome durch die Aclidinium/FormoterolFixkombination

Aclidinium 322 μg (Bretaris® Genuair®) war der erste LAMA und Aclidinium/Formoterol 340/12 μg (Brimica® Genuair®) die erste LAMA/LABA-Fixkombination, die in Deutschland als Zweimalgabe (morgens und abends) zur Verfügung standen. Als bronchodilatatorische Erhaltungstherapie sind * GOLD: Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease ** LAMA: Long-Acting Muscarinic Ant­ agonist/langwirksamer Muskarin-Re­z­ ep­tor-Antagonist LABA: Long-Acting Beta-Agonist/ langwirksamer Beta-Rezeptor-Agonist

COPD – die Abwärtsspirale medikamentös aufhalten

die Präparate zur Befreiung (Bretaris® Genuair®) bzw. Linderung (Brimica® Genuair®) von Symptomen bei Erwachsenen mit COPD zugelassen [5, 6]. Frühmorgendliche Symptome treten bei vielen Betroffenen unabhängig vom Schweregrad auf, wie eine Übersichtsarbeit mit 10.550 eingeschlossenen Patienten zeigte [7]. Dass sich die frühmorgendlichen Beschwerden bei COPD durch die Zweimalgabe von Aclidinium/Formoterol beeinflussen lassen, belegen die beiden 24-wöchigen Phase-III-Studien ACLIFORM-COPD (n = 1.729) und AUGMENT (n = 1.692) [8, 9, 10]. Die gepoolte Analyse beider Studien ergab bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD eine signifikante Reduktion der frühmorgendlichen Symptomschwere unter Aclidinium/Formoterol im Vergleich zu Placebo (gesamt p < 0,001) [10]. Die Fixkombination reduzierte zudem den Gesamtscore der „Early-Morning Symptoms of COPD Instrument“ (EMSCI) relativ um 26 % stärker als Formoterol bzw. um 39 % stärker als Aclidinium [10]. Zweimalgabe kommt dem zirkadianen Rhythmus entgegen

Die nächtliche bzw. frühmorgendliche Zunahme von COPD-spezifischen Symptomen lässt sich

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zum Teil durch die Aktivität des Parasympathikus erklären, der vor allem nachts aktiv ist und zu einer Bronchokonstriktion und erhöhten Schleimproduktion führt [11]. In einer Studie bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD, die Aclidinium als Zweimalgabe mit Tiotropium als Einmalgabe verglich, kam es bei den mit Aclidinium behandelten Studienteilnehmern zu einer bereits am ersten Tag zu beobachtenden signifikant stärkeren Verbesserung der nächtlichen Bronchodilatation als unter Tiotropium [12]. Am Ende der 6-wöchigen Therapie konnten nur in der Aclidinium-Gruppe die frühmorgendlichen Symptome Husten, Keuchen, Kurzatmigkeit und Auswurf signifikant gegenüber Placebo reduziert werden (p < 0,05) [12]. Symptomreduktion auch über den gesamten Tag

Neben der Reduktion der frühmorgendlichen Symptome lässt sich durch die Therapie mit Aclidinium bzw. der Kombination aus Aclidinium und Formoterol auch eine über den gesamten Tag hinweg anhaltende Symptomerleichterung erreichen. So führte die morgendliche und abendliche Inhalation von Aclidinium/Formoterol 400/12 μg in der AUGMENT- und ACLIFORM-COPD-Studie [8, 9] nach 6 © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Monaten zu einer klinisch relevanten Verbesserung der Dyspnoe, die mithilfe des Transitional Dyspnea Index (TDI) bestimmt wurde. In der AUGMENT-Studie erreichten 58,1 % der mit der LAMA/LABAKombination behandelten Patienten gegenüber 36,6 % in der Placebogruppe (p < 0,0001) eine klinisch relevante Verbesserung des TDIScores um mindestens eine Einheit, in der ACLIFORM-Studie waren es 64,8 % versus 45,5 % (p < 0,001) [8, 9]. Vergleichbare Ergebnisse erbrachte die ATTAINStudie, in der sich der TDI-Score unter der LAMA-Monotherapie mit Aclidinium 322 μg bei 56,9 % der Patienten gegenüber 45,5 % unter Placebo verbesserte [13].

143

Pulverinhalator Genuair® Sowohl Aclidinium (Bretaris®) als auch Aclidinium/Formoterol (Brimica®) werden über den Mehrdosisinhalator Genuair® inhaliert. Der vorbefüllte Pulverinhalator ist nach der Entnahme aus der Packung schnell einsetzbar. Verschiedene Feedback- und Kontrollmechanismen unterstützen die korrekte Anwendung. Genuair® verfügt über ein Sichtfenster, das nach Druck auf die orangefarbene Taste die Bereitstellung des Medikaments durch einen Farbwechsel auf Grün visualisiert. Wird der für die Desagglomeration und Inhalation erforderliche inspiratorische Atemfluss erreicht, ertönt ein Klickgeräusch und das Kontrollfenster wechselt auf Rot. Die Restdosisanzeige informiert darüber, welche Wirkstoffmenge noch zur Verfügung steht.

Schnelle Verbesserung der Lungenfunktion

Die bronchodilatatorische Wirkung der Aclidinium/FormoterolFixkombination setzt sehr schnell ein. In der AUGMENT-Studie kam es bereits am ersten Tag innerhalb von 5 Minuten nach Verabreichung der morgendlichen Dosis zu einer signifikanten Erhöhung der EinSekunden-Kapazität (FEV1) im Vergleich zu Placebo (p < 0,0001). Diese Wirkung blieb über das gesamte Dosierungsintervall bzw. über die gesamte 6-monatige Studie bestehen [9]. Sowohl in der AUGMENT- als auch in der ACLIFORM-COPD-Studie verbesserte sich der FEV1-Wert morgens vor der 1. Dosisgabe (trough FEV1) klinisch relevant um 130 ml bzw. 143 ml versus Placebo (beide p < 0,0001) [6]. In der AUGMENT-Studie erhöhte sich eine Stunde nach Dosisgabe das FEV1 um 284 ml gegenüber Placebo und um 108 ml im Vergleich zu Aclidinium (jeweils p< 0,0001). Ana-

© Berlin-Chemie AG

Ein Sicherheitsmechanismus sorgt dafür, dass pro Anwendung keine doppelte Dosis inhaliert werden kann. Außerdem rastet bei der letzten Dosis die Taste zur Dosisbereitstellung ein, sodass eine Inhalation ohne Wirkstoff verhindert wird [5, 6]. In einer klinischen Studie mit 48 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD wendeten 97 % der Probanden den Inhalator erfolgreich an. Diese Untersuchung bestätigte zudem, dass auch Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD den nötigen inspiratorischen Atemfluss aufbringen und den mittleren Gerätewiderstand überwinden können [18].

log war auch in der ACLIFORMCOPD-Studie eine Verbesserung von 299 ml versus Placebo bzw. 125 ml versus Aclidinium (jeweils p < 0,0001) zu verzeichnen [6]. Die Wirkung von Aclidinium setzt 30 Minuten nach Verabreichung ein [5]. Die Therapie mit Aclidinium führte in der ATTAIN-Zulassungsstudie zu einer klinisch relevanten Verbesserung der Lungenfunktion: Nach 6 Monaten erhöhte sich das trough FEV1 im

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Vergleich zu Placebo signifikant um 128 ml (p < 0,0001) [13]. Aclidinium reduziert die Lungenüberblähung und steigert die Belastungstoleranz

Pathophysiologisch ist die COPD sehr heterogen, primär liegt ihr jedoch eine chronische Entzündung zugrunde [3]. Diese kann zum einen durch Umbauprozesse zu einer © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Obstruktion der Bronchiolen und zu einem erhöhten Atemwegswiderstand führen, zum anderen aber auch zum Verlust elastischer Fasern in den Alveolen und damit zur Minderung der Rückstellkräfte („elastic recoil“). Als Folge kann ein größeres Luftvolumen in der Lunge verbleiben – die Lunge überbläht [3, 4]. Es kommt zur Dyspnoe und die Belastungstoleranz sinkt [14]. Ein Maß für die Überblähung ist das Residulavolumen (RV), also das Volumen, das nach maximaler Exspiration noch in der Lunge verbleibt. Santus et al. untersuchten den Effekt von Aclidinium und Glycopyrronium auf die Lungenüberblähung bei Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD [14]. Aclidinium verbesserte das RV bereits 5 Minuten nach Dosisgabe signifikant um 360 ml gegenüber Baseline (p < 0,05). Dagegen führte Glycopyrronium erst nach einer Stunde zu einer signifikanten Senkung (p < 0,05) und verbesserte das RV zudem auch weniger stark als Aclidinium (p < 0,05) [14]. In einer weiteren Studie erhöhte sich nach der zweimal täglichen Inhalation von Aclidinium 400 μg die Belastbarkeit der Probanden im Vergleich zu Placebo: Nach 3 Wochen verbesserte sich die mittels Fahrrad-Ergometrie gemessene mittlere Ausdauer-Belastungszeit unter Aclidinium um 58,5 Sekunden im Vergleich zu Placebo (p < 0,05) [15]. Außerdem waren die Patienten unter Aclidinium

10,1 Minuten pro Tag länger aktiv (mindestens moderate Intensität) als unter Placebo (p < 0,05) [15]. Gute Verträglichkeit, geringe systemische Effekte

Nur ein kleiner Anteil (<5 %) der inhalierten Aclidinium-Dosis gelangt in den systemischen Blutkreislauf, sodass es nur zu geringen systemischen anticholinergen Nebenwirkungen kommt. Systemische Effekte werden außerdem dadurch reduziert, dass der Wirkstoff im Blutplasma schnell in seine inaktiven Metaboliten hydrolysiert. Auch die Aclidinium/FormoterolFixkombination weist im Allgemeinen eine gute Verträglichkeit auf. Wie die gepoolte Analyse von 3 Phase-III-Studien mit 3.398 Patienten und einer Beobachtungszeit von bis zu einem Jahr ergab, sind die Nebenwirkungen der Fixkombination vergleichbar mit denen der jeweiligen Einzelkomponenten [16]. Fazit

Um die Abwärtsspirale Luftnot – reduzierte körperliche Aktivität – Dekonditionierung – vermehrte Hospitalisierung und Sterblichkeit aufzuhalten, kann die medikamentöse Therapie mit der Zweimalgabe von Bretaris® Genuair® oder Brimica® Genuair® ein essenzieller Schritt sein. Die schnelle Redukti-

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on der Lungenüberblähung und die sehr geringe systemische Exposition von Aclidinium ebenso wie die schnelle bronchodilatatorische Wirkung und die effektive Symptomlinderung von Aclidinium/Formoterol machen Aclidinium bzw. Aclidinium/Formoterol zu hochwertigen Optionen der COPDTherapie. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Watz H et al. Eur Respir J 2009;33:262272 2 Reardon JZ et al. Am J Med 2006;11:3237 3 Vogelmeier CF et al. Pneumologie 2018; 72:253-308 4 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Global Strategy for Prevention, Diagnosis and Management of COPD: 2023 Report 5 Fachinformation Bretaris® Genuair®; Stand: Dezember 2022 6 Fachinformation Brimica® Genuair®; Stand: Dezember 2022 7 Van Buul AR et al. Eur Respir Rev 2017; 26:160033 8 Singh D et al. BMC Pulm Med 2014; 14:178 9 D’Urzo AD et al. Respir Res 2014;15:123 10 Bateman ED et al. Respir Res 2015;16:92 11 Blasi F et al. Respir Res 2017;18:19 12 Beier J et al. COPD 2013;10:511-522 13 Jones PW et al. Eur Respir J 2012;40: 830-836 14 Santus P et al. Pulm Pharmacol Ther 2015;35:42-49 15 Beeh KM et al. BMC Pulm Med 2014;14:209 16 Korn S et al. Poster auf dem European Respiratory Society Annual Congress, München, 2014 17 Løkke A et al. Eur Clin Respir J 2015; 2:29445 18 Magnussen H et al. Resp Med 2009;103: 1832-1837

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DUCHENNE-MUSKELDYSTROPHIE FRÜH ERKENNEN – FRÜH HANDELN Hinter einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen kann mehr stecken. Helfen Sie Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) auszuschließen!

WICHTIGE MERKMALE DER DMD: • Kennzeichen der DMD sind progrediente Muskeldystrophie und Atrophie • Unspezifische Frühsymptome können bereits im Säuglingsalter auftreten1 • Auftreten der Symptome im Alter von 2–5 Jahren2–4

SCHNELLE DIAGNOSE FÜR IHRE PATIENTEN: Zutreffen von Kriterium 1 und mindestens eines der Kriterien 2– 4 rechtfertigt ein selektives CK-Screening, um den Verdacht auf das Vorliegen einer DMD zu erhärten

1. Männliches Geschlecht (obligat) 2. Unspezifische Entwicklungsverzögerung (betrifft sowohl die Motorik, das Lernen als auch die Sprache) 3. Nichterreichen des freien Laufens mit 18 Monaten 4. Unklare Erhöhung der Transaminasen

Weitere Informationen finden Sie unter www.duchenne.de

Referenzen: 1. Birnkrant DJ et al. Lancet Neurol 2018;17:251–67. 2. Bushby K et al. Lancet Neurol 2010;9:77–93. 3. Yiu E et al. J Paediatr Child Health 2015;51:759–64. 4. Humbertclaude V et al. Eur J Paed Neurol 2012;16:149–60. 5. Walter MC et al. Kinder- und Jugendarzt 2019;50:100–4.

PTC2107KK541

Modifiziert nach Walter 5


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Duchenne-Muskeldystrophie – jeder Tag zählt!

„B

arrieren überwinden“ lautete das treffende Motto des Welt-Duchenne-Tages 2023. Dieser alljährlich weltweit am 7. September begangene Tag soll das Bewusstsein in der Bevölkerung für die seltene, lebensbedrohliche Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) steigern und damit das Verständnis für die Betroffenen und ihre Familien verbessern. Zudem weist der Tag auf die Wichtigkeit der Früherkennung einer DMD hin, denn frühzeitige therapeutische Maßnahmen können dazu beitragen, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern [1, 2]. Verlust der Gehfähigkeit – ein Schlüsselereignis im Verlauf der DMD

Die DMD ist eine seltene, X-chromosomal vererbte, tödlich verlaufende, muskelabbauende Erkrankung, die vornehmlich bei Jungen auftritt. Ursächlich ist ein Gendefekt, der bei den Betroffenen dazu führt, dass ihnen das funktionsfähige Muskeleiweiß Dystrophin fehlt. Dieses Protein ist für die strukturelle Stabilität und den Erhalt der gesamten Muskulatur, einschließlich der Skelett-, Atem- und Herzmuskulatur unerlässlich [3]. Ohne funktionsfähiges Dystrophin setzt daher schon im Säuglingsalter ein fortschreitender Abbau der Mus-

kelzellen ein. Zunächst ist nur die Bewegungsmuskulatur betroffen, später auch die Atem- und Herzmuskulatur. Die Muskelschwäche nimmt im Lauf der Zeit zu und breitet sich im ganzen Körper aus. Im Schnitt verlieren Kinder mit DMD im Alter von 8 – 12 Jahren ihre Gehfähigkeit und im weiteren Krankheitsverlauf die Beweglichkeit von Rumpf und Armen. Ab dem späten Jugendalter müssen DMD-Patienten beatmet werden und leiden an lebensbedrohlichen Lungen- und Herzkomplikationen. Die Patienten sterben vorzeitig, meist zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr [1, 4–10]. Die frühzeitige Diagnose ist entscheidend

Muskelgewebe, das einmal zerstört wurde, kann nicht wieder regeneriert werden. Daher ist die Früherkennung der DMD so wichtig. Nur so kann man dem Muskelabbau zuvorkommen und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen [1, 2]. Die Frühdiagnose ist gleichbedeutend mit einem möglichst raschen Einstieg in eine adäquate Behandlung. Zwar ist die DMD bis heute nicht heilbar, durch multidisziplinäre Maßnahmen wie die Therapie mit Kortikosteroiden sowie durch respiratorische, kardiale, orthopädische und rehabilitative Maßnahmen ist es jedoch möglich, die Prognose und die Lebensqualität der Kinder zu verbessern [1, 2]. Das

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gilt umso mehr, da aufgrund intensiver Forschung bereits für bestimmte Typen des Gendefekts erste Therapien zur Verfügung stehen, die an der Ursache der Erkrankung ansetzen. Außerdem befinden sich zahlreiche weitere Substanzen in der klinischen Entwicklung [4]. In nur drei Schritten zur Frühdiagnose

Es ist eine Herausforderung, eine DMD früh zu erkennen. Eltern und Ärzte sollten auf unspezifische frühe Zeichen der Entwicklungsverzögerung, z.B. beim Bewegen, Sprechen und Lernen, achten. Dies können erste Alarmsignale sein. Die Website www.hinterherstattvolldabei.de bietet eine schnelle Orientierung über die Krankheitszeichen, einen einfachen „DMDCheck“ in drei Schritten (Tab. 1) sowie Informationen zum weiteren Vorgehen für eine mögliche Abklärung. Unterstützung für Patienten und ihre Angehörigen

PTC Therapeutics möchte die Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie und ihre Angehörigen tatkräftig unterstützen. Daher engagiert sich das Unternehmen, die Öffentlichkeit auf DMD und ihre Folgen für die Betroffenen aufmerksam zu machen und ihnen mehr Gehör zu verschaffen. PTC © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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P&T 5-6-2023, ATK18, Duchenne-Muskeldysdrophie, PTC Therapeutics

Schritt 1: Die Zeichen erkennen FRÜHE Zeichen (bis zum Ende des 2. Lebensjahres) Mein Kind ist ein Junge

ja

nein

Wenn Ihr Kind ein Junge ist und Sie eine oder beide der nachfolgenden Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie Ihren Haus- oder Kinderarzt kontaktieren: Mein Junge hat Zeichen einer unspezifischen Entwicklungsverzögerung

ja

nein

Eine Entwicklungsverzögerung kann vorliegen, wenn Sie eines oder mehrere der folgenden Zeichen beobachten:  Kann den Kopf nicht selber halten mit 6 Monaten  Kein freies Sitzen mit 9 Monaten  Kein aktives Krabbeln mit 9 Monaten  Kein aktives Hochziehen in den Stand mit 12 Monaten  Kein Entlanghangeln an Möbeln/Wand mit 15 Monaten  Auffälligkeiten beim Sprechen, Lernen, Verhalten im Vergleich zu Gleichaltrigen  Schlaffer, unkoordinierter und energieloser Gesamteindruck Mein Junge kann mit 18 Monaten noch nicht frei gehen

ja

nein

SPÄTE Zeichen (3. bis 5. Lebensjahr) Wenn Sie eine oder mehrere der nachfolgenden Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie Ihren Haus- oder Kinderarzt kontaktieren:  Fällt häufig hin

ja

nein

 Hat Schwierigkeiten beim Rennen/Springen

ja

nein

 Hat Schwierigkeiten beim Treppensteigen

ja

nein

 Hat verdickte Waden

ja

nein

 Geht auf den Zehenspitzen

ja

nein

 Hat einen „watschelnden“ Gang

ja

nein

 Hat weniger Ausdauer als Gleichaltrige

ja

nein

 Stemmt/zieht sich beim Aufstehen am eigenen Körper hoch

ja

nein

Test fällt normal aus: DMD ausgeschlossen

CK > 1000 U/l: weitere Abklärung nötig

Schritt 2: CK-Test machen Bestimmung des Muskelenzyms Kreatinkinase (CK) im Blut

Schritt 3: Spezialisten aufsuchen: Neuropädiater, Muskelzentren Tabelle 1: Die drei Schritte zur Früherkennung der Duchenne-Muskeldystrophie (Quelle: www.hinterherstattvolldabei.de, © PTC Therapeutics Germany GmbH).

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betreibt intensive Forschung, um mehr über die Erkrankung zu lernen und den Betroffenen und ihren Familien zu helfen. Für sie zählt jeder Tag – und jeder wissenschaftliche Fortschritt schenkt ihnen mehr wertvolle gemeinsame Zeit! Großes Engagement rund um die DMD zeigen auch zwei Organisationen: die Deutsche Duchenne Stiftung – Duchenne Deutschland e. V., eine Initiative von Eltern an DMD erkrankter Kinder, und die Patientenorganisation Deutsche Muskelschwund-Hilfe e. V. (DMH), die deutschlandweit muskelkranke Menschen sowie ihre Angehörigen auf ihrem Weg begleitet. Beide Organisationen helfen u.a. mit vielen Aktionen, „Barrieren zu überwinden“ – ganz im Sinne des Welt-Duchenne-Tages 2023. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Bushby K et al. Lancet Neurol 2010;9: 77-93 2 Goemans N et al. Eur Neurol Rev 2014;9: 78-82 3 Nowak KJ et al. Embo reports 2004;5: 872-876 4 Birnkrant DJ et al. Lancet Neurol 2018; 17:251-267 5 Bushby K et al. Muscle Nerve 2014;50: 477-487 6 McDonald CM et al. Muscle Nerve 2013; 48:357-368 7 Yiu E et al. J Paediatr Child Health 2015; 51:759-764 8 Humbertclaude V et al. Eur J Paed Neurol 2012;16:149-160 9 McDonald CM et al. Muscle Nerve 2013; 48:357-368 10 Vry J et al. Monatsschr Kinderheilkd 2012;160:177-186

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Morbus Parkinson: Mehr On-Zeit durch Optimierung des L-DopaPotenzials mit Opicapon

Z

iel der Parkinson-Basistherapie ist die kontinuierliche dopaminerge Stimulation. Allerdings kann insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium die Wirkung von Levodopa (L-Dopa) mit der Zeit nachlassen, sodass es infolge der fluktuierenden L-Dopa-Plasmaspiegel zu motorischen Fluktuationen (MF) kommt. Daher leiden nach 2,5 Jahren Erkrankung bereits mehr als 40 % der Parkinson-Patienten an Wearing-OFF-Zuständen und damit einhergehenden MF. Diese sind in der Praxis oft unterdiagnostiziert und stellen eine besondere Herausforderung im Therapie-Management dar [1]. Um die für die Patienten stark belastenden OFF-Zustände zu verhindern, empfiehlt sich eine Addon-Therapie mit einem Inhibitor der Catechol-O-Methyltransferase (COMT), die maßgeblich am Abbau von Dopamin beteiligt ist. Wird die Aktivität dieses Enzyms gehemmt, steigt die DopaminKonzentration. Klinisch relevante Vorteile von Opicapon gegenüber älteren COMT-Hemmern

Ein moderner COMT-Hemmer der 3. Generation ist Opicapon (Ongentys®). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es mit hoher Affi-

nität an COMT bindet und mit dem Enzym einen kaum dissoziierenden Komplex bildet [2]. Dadurch wird der Abbau von L-Dopa stärker und länger gehemmt als unter dem älteren COMT-Hemmer Entacapon [3, 4]. Außerdem erhöht Opicapon bei Patienten, die Levodopa und einen peripheren Dopa-DecarboxylaseHemmer (DDCI) wie Carbidopa oder Benserazid einnehmen, die Levodopa-Plasmaspiegel und verbessert dadurch das klinische Ansprechen auf Levodopa [4]. Aufgrund dieses besonderen Wirkmechanismus kann Opicapon die Patienten effektiv vor motorischen Fluktuationen schützen, die aufgrund limitierter Dosissteigerungen von Levodopa auftreten und nicht beherrschbar sind. Wie eine Post-hoc-Analyse einer Vergleichsstudie zeigt, führte die

Add-on-Therapie mit Opicapon bei bei COMT-Hemmer-naiven Parkinson-Patienten mit kürzlich aufgetretenen MF mit 124 Minuten zu einem signifikant höheren Gewinn an ON-Zeit als die Addon-Therapie mit Entacapon mit 60 Minuten (p = 0,0344) [5]. Für die Patienten nicht weniger wichtig ist die gute Verträglichkeit von Opicapon. Die von Entacapon bekannten Nebenwirkungen Diarrhö oder verfärbter Urin treten unter der Add-on-Therapie mit Opicapon kaum auf [2, 6]. Durch frühzeitige Add-onTherapie die Lebensqualität verbessern

Da sich die Pharmakokinetik von Levodopa durch den Zusatz von

Opicapon Opicapon (Ongentys®), ein Inhibitor der Catechol-O-Methyltransferase (COMT), die maßgeblich am Abbau von Dopamin beteiligt ist, ist indiziert als Zusatztherapie zu Levodopa/DOPA-Decarboxylase-Hemmern (DDCI) bei erwachsenen Patienten mit Morbus Parkinson mit motorischen „End-of-dose“-Fluktuationen, bei denen unter diesen Kombinationen keine Stabilisierung erreicht werden kann. Opicapon ist einfach und flexibel zu handhaben und muss nur einmal täglich eingenommen werden. Die empfohlene Dosis beträgt 50 mg Opicapon. Die Gabe von L-Dopa kann unter der Add-onTherapie mit Opicapon gut an den individuellen Patientenbedarf angepasst werden [2].

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Opicapon verbessert, sollte der COMT-Hemmer frühzeitig beim ersten Auftreten motorischer Fluktuationen – bereits nach der 3. bis 4. L-Dopa-Einnahme – eingesetzt werden, um den Patienten durch die effektivere Kontrolle der Parkinson-Symptome mehr ON-Zeit zu ermöglichen. Außerdem ist der frühe Einsatz von Opicapon im Vergleich zur

späteren Gabe mit einem niedrigeren Auftreten von dopaminergen Nebenwirkungen wie Dyskinesien verbunden [7], was sich ebenfalls positiv auf die Lebensqualität auswirkt. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Stocchi F et al. Parkinsonism Relat Disord 2014;20:204-211 2 Fachinformation Ongentys®, Stand: März 2022 3 Jenner P et al. Expert Rev of Neurother 2021;21:1019-1033 4 Rocha JF et al. Eur J Clin Pharmacol 2014;70:1059-1071 5 Ferreira JJ et al. Mov Disord 2020;35: S447/Abstract 998 6 Fachinformation Comtess®, Stand: Oktober 2021 7 Ebersbach G et al. Mov Disord 2020;35: S445/Abstract 994

Innovativer ApomorphinSublingualfilm als schnell wirkende Bedarfstherapie bei OFF-Zuständen

morphinhydrochlorid beschichteten Filmstreifens, der am 9. März 2023 in Deutschland zugelassen wurde und demnächst unter dem Warenzeichen Kynmobi® verfügbar sein wird. Kynmobi® ist indiziert zur intermittierenden Behandlung von OFF-Episoden bei erwachsenen Patienten mit Parkinson-Krankheit, die durch oral angewendete Antiparkinsonmittel nicht ausreichend eingestellt sind. Es ist in den Dosierungen von 10 mg, 15 mg, 20 mg, 25 mg und 30 mg Apomorphinhydrochlorid erhältlich.

In der Zulassungsstudie* konnten – bezogen auf den Untersuchungszeitraum nach 12 Wochen – innerhalb von 30 Minuten etwa 80 % der OFF-Phasen beendet und in einen vollständigen ON-Zustand überführt werden. Bereits nach 15 Minuten war gegenüber Placebo eine signifikante Verbesserung auf der Movement Disorder SocietyUnified Parkinson‘s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS) Part III zu beobachten (–6,4 vs. –3,0; p = 0,039). Nach 30 Minuten betrug die Verbesserung unter Kynmobi® –11,1 gegenüber –3,5 unter Placebo (p = 0,0002). Kynmobi® weist ein gutes Sicherheitsprofil auf und ist im Allgemeinen gut verträglich. Die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen sind Übelkeit, Somnolenz und Schwindel. Im im Mund-Rachen-Raum kann es zu Rötungen, Schwellungen oder Entzündungen der Schleimhäute kommen, die entweder spontan oder nach Absetzen der Behandlung abklingen. B. S.

Patienten mit Morbus Parkinson können in bestimmten Situationen eine schnell wirkende Bedarfstherapie benötigen, wie etwa bei morgendlichen OFF-Zuständen, einem Nachlassen der L-Dopa-Wirkung („Wearing-OFF“) oder plötzlichen Wirkfluktuationen, die binnen kurzer Zeit zu einer OFF-Phase führen. Im Sinne einer „RescueTherapie“ kann zur Überbrückung dieser Episoden Apomorphin, ein direktes Stimulans der Dopaminrezeptoren, zum Einsatz kommen, das seit fast 20 Jahren als subkutaner Bolus oder als subkutane Dauerinfusion zugelassen ist. Zwar hat sich diese Therapie als sehr effektiv erwiesen, die subkutane Applikation geht aber mit mehreren Nachteilen einher: Sie ist umständlich, erfordert einen hohen pflegerischen Aufwand und kann zu Irritationen an der Injektionsstelle führen. Eine nicht invasive und einfach zu dosierende Alternative ist die sublinguale Applikation von Apomorphin mittels eines mit Apo-

Vorteile der sublingualen Applikation

Die Anwendung von Kynmobi® ist einfach und bei Bedarf vom Patienten selbst durchführbar. Der Sublingualfilm wird für 3 Minuten unter die Zunge gelegt und setzt dort Apomorphin frei. Diese Verabreichungsform umgeht den First-Pass-Stoffwechsel, was zu einer schnellen und anhaltenden Wirkung führen kann. Die Wirkung setzt in der Regel rasch ein und kann bis zu 90 Minuten andauern.

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*O lanow CW et al. Lancet Neurol 2020; 19:135-144

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

D

er essenzielle Tremor (ET) gehört mit einer Prävalenz von 4,6 % bei über 65-Jährigen und mehr als 30 % bei über 80-Jährigen zu den häufigsten neurologischen Bewegungsstörungen – allein in Deutschland sind zwischen 500.000 und 750.000 Menschen davon betroffen [1]. Der Tremor beginnt schleichend, verläuft jedoch progredient und kann den Alltag der Patienten besonders in späten Stadien erheblich einschränken: Betroffene berichten von einer deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität, benötigten Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben und bemerken erhebliche Auswirkungen auf das Berufsund Sozialleben [2]. Konventionelle Behandlungsoptionen können mit Nebenwirkungen verbunden sein und/oder für einige Patienten nicht infrage kommen [2]. Daher besteht ein wachsender Bedarf an innovativen zielgerichteten Therapien. Die neue S2kLeitlinie zur Indikation Tremor der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) trägt diesem Bedarf Rechnung und empfiehlt für Patienten mit medikamentenresistentem ET den von INSIGHTEC entwickelten MRT-gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS) [3].

Tremor mit MRT-geführtem fokussiertem Ultraschall behandeln Leitlinienupdate der DGN greift fortschrittliche Behandlungsoptionen auf

Die Therapielandschaft des ET hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt – dies spiegelt sich in der aktualisierten S2k-Leitlinie zum Tremor wider [3]. Als bereits bekannte konventionelle Therapieoptionen sind die medikamentöse Behandlung und die tiefe Hirnstimulation (THS) aufgeführt. Bei stark ausgeprägtem Tremor führen die Medikamente aber oftmals nicht zum gewünschten Erfolg: 30 – 50 % der Patienten sprechen nicht auf die Therapie an, bis zu 30 % brechen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen frühzeitig ab [2]. In diesen Fällen kann die THS in Erwägung gezogen werden [3]. Hierfür ist allerdings ein invasiver Eingriff erforderlich, der mit einem Infektionsrisiko verbunden und nicht für jeden Patienten geeignet ist [3].

Motorik außer Kontrolle Der essenzielle Tremor ist gekennzeichnet durch deutliche Einschränkungen der Motorik, die sich auf den Alltag und die Lebensqualität der Betroffenen auswirken [4]. Die meisten Patienten zeigen sowohl einen Aktions- als auch einen Haltetremor – ein rhythmisches Zittern, das bei Bewegungen bzw. beim Halten einer Position auftritt. Oftmals sind vor allem Hände und Arme betroffen, der Tremor kann sich jedoch auf Kopf, Beine oder auch die Stimme ausweiten [2]. Die Pathophysiologie des ET ist nicht abschließend geklärt, vermutet wird jedoch eine Störung im neuronalen Regelkreis von Zerebellum, Thalamus und Hirnstamm. Bei etwa der Hälfte der Patienten ist die Familienanamnese positiv – die Vererbung verläuft in der Regel autosomal-dominant [2].

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Bei medikamentenresistentem ET wird MRgFUS empfohlen, wenn eine einseitige Behandlung aussichtsreich und/oder eine Verbesserung der Lebensqualität trotz nur unilateraler Tremorreduktion anzunehmen ist [3]. Inzisionslose Therapie mit sofortiger nachhaltiger Wirkung

Beim MRgFUS handelt es sich um ein zielgerichtetes, inzisionsloses Verfahren, bei dem die thermische Ablation des Thalamus unter MRBildgebung erfolgt und damit eine Visualisierung der Patientenanatomie, Echtzeit-Thermometrie sowie sofortige Bestätigung des Behandlungsergebnisses ermöglicht [5]. Wesentliche Vorteile für den Patienten sind [6, 7]: • ein minimales bis kein Infektionsrisiko, da keine Schnitte oder Implantate erforderlich sind • eine Behandlungsdauer von ca. 3 Stunden • ein sofort eintretender Therapieeffekt • keine Strahlenbelastung • keine Narkose erforderlich, da das Verfahren am wachen Patienten durchgeführt wird • keine starken bzw. bleibenden Nebenwirkungen Eine der Voraussetzungen für die MRgFUS-Behandlung ist eine korrekte Diagnose – vor allem eine Differenzialdiagnose zur Parkinson-Krankheit, mit der ET häufig verwechselt wird [2]. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Veränderung ab Baseline

RE BESSERUNG RHALTEN RE 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

RUNG DER72,6 ALITÄT

%

Jr. 1

77,0 %

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Zeit seit Behandlung (Jahre)

Abbildung 1: Reduktion des posturalen Tremors um 73,1 % über einen Zeitraum von 5 Jahren. Der Tremor auf der behandelten Seite blieb deutlich verbessert, was darauf hindeutet, dass die Behandlung sehr nachhaltig wirkt (mod. nach [5]).

90

de

der blick ät

QUEST-Gesamtscores

guided focused dem Druck online S212483.

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****

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***

80 70 60 50 40 30

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+

+

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Literatur Jr. 5

Zeit seit Behandlung (Jahre) **** P < 0,0001

*** P < 0,0003

Abbildung 2: Die QUEST-Scores zur Beurteilung der Lebensqualität verbesserten sich gegenüber dem Ausgangswert im 4. Jahr und im 5. Jahr signifikant (mod. nach [5])

Verwendung des Exablate Neuro behandelt. Ihr Durchschnittsalter betrug 75 Jahre (±8,5 Jahre). Daten bezüglich der Wirksamkeit wurden Die Aufnahme des MRgFUS in jeweils nach 1, 2, 3, 4 und 5 Jahdie DGN-Leitlinieneue beruht vorsich al- verschlechternde ren mithilfe der Clinical Rating ende unerwünschte oder lem auf den überzeugenden Daten Scale forwurden Tremorweder (CRST) erhowurden während der unerwünschte Ereignisse einer randomisierten, ben. Zur Beurteilung der Lebensachbeobachtung 1 Jahrscheinkonnach der Behandlung noch bei der trollierten Doppelblindstudie [5]. qualität wurde der Fragebogen zur 5-Jahres-Nachbeobachtung festgestellt In dieser über 5 Jahre laufenden Lebensqualität bei essenziellem mulation: Underlying mechanisms and solutions Alfonso Fasano MD, PhD, Rick C. Helmich MD, PhD wurden Patienten mit einem Tremor (QUEST) verwendet. Die die verbleibendenStudie unerwünschten Wirkungen (bei 40 gemeldeten Patienten) Parästhesie (8 Patienten), Gleichgewichtsstörungen wäche (2), Dysmetrie (2), Dysgeusie (2), langsame Bewegungen (1) und Kopfdruck (1). moderaten bis schweren essenziel- CRST- und QUEST-Scores 48 und Magnetic resonance imaging-guided focused ultrasound thalamotomy for essential tremor: 5-year follow-up results. len von Tremor mit einerklinischen unilateralen 60 Monate nach MRgFUS wurden 3. Auf Grundlage einer Insightec gesponserten Studie. beschriebene Studie von Insightec eine klinische oder forschungsbezogene außerdem sind waren diese MRgFUS-Thalamotomie unter Unterstützung; mit den Werten zuoder Studienbeginn

%

A.

behalten.

5-Jahres-Daten unterstreichen Evidenz für Wirksamkeit und Sicherheit

0%

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verglichen, um die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Behandlung zu beurteilen [5]. Die Ergebnisse der 5-Jahre-Nachbeobachtungsstudie bestätigen eine anhaltende signifikante Reduktion des posturalen Tremors um 73 % (p < 0,0001) – ohne progressive oder verzögerte Komplikationen (Abb. 1). Die kombinierten Werte für Handtremor/Motorik verbesserten sich ebenfalls um 49,5 % bzw. 40,4 % (p < 0,0001). Die Lebensqualität blieb gegenüber der Baseline erheblich verbessert (Abb. 2), was für die Patienten einen wichtigen, klinisch bedeutungsvollen Unterschied darstellt. Damit erweitert das interventionelle MRgFUS-Verfahren das Therapiespektrum für ET-Patienten um eine sichere und langfristig wirksame Option. Brigitte Söllner, Erlangen

30

0

BL

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1 Diener H-J et al. Extrapyramidalmotorische Störungen – Tremor. In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart: Thieme Verlag, 2012 2 Zesiewicz TA et al. Overview of essential tremor. Neuropsychiatr Dis Treat 2010; 6:401-408 3 Deuschl G et al. Tremor, S2k-Leitlinie, 2022; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Verfügbar unter: www.dgn.org/leitlinien 4 Gerbasi ME et al. Essential tremor patients experience significant burden beyond tremor: a systematic literature review. Front Neurol 2022;22;13:891446 5 Cosgrove GR et al. Magnetic resonance imaging-guided focused ultrasound thalamotomy for essential tremor: 5-year follow-up results. J Neurosurg 2022;138: 1028-1033 6 Hopfner F et al. Managing essential tremor. Neurotherapeutics 2020;17:1603-1621 7 Health Quality Ontario. Magnetic resonance-guided focused ultrasound neurosurgery for essential tremor: a health technology assessment. Ont Health Technol Assess Ser 2018;18:1-141 © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Somapacitan 1 × wöchentlich vereinfacht die Behandlung des Wachstumshormonmangels

E

in Wachstumshormonmangel (growth hormone deficiency, GHD) tritt bei Kindern mit einer Häufigkeit von 60 pro 1 Million Einwohner auf und gehört damit zu den seltenen Erkrankungen. Der daraus resultierende Kleinwuchs und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bringen für die Betroffenen erhebliche Einschränkungen mit sich [1]. Behandlungsstandard war bislang die tägliche Injektion von rekombinantem menschlichem Somatropin, was im Verlauf der jahrelangen Therapie jedoch zunehmend belastend für die Patienten ist und daher zu einer abnehmenden Therapieadhärenz und folglich zu schlechteren klinischen Ergebnissen führen kann [2]. Mit Somapacitan (Sogroya®) steht nun ein langwirksames Wachstumshormon-Derivat zur Behandlung von Kindern ab 3 Jahren, Jugendlichen sowie Erwachsenen mit Wachstumshormonmangel zur Verfügung, das aufgrund seiner besonders langen Halbwertszeit nur 1 × wöchentlich subkutan injiziert werden muss [3]. Für die Patienten bedeutet das 313 injektionsfreie Tage im Jahr, was eine enorme Erleichterung mit sich bringt. Zudem kann Somapacitan als einziges Wachstumshormon ohne Umstellung ab dem 3. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter eingesetzt werden. Dabei weist Somapacitan eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit auf wie die bisher verfüg-

baren täglich zu verabreichenden Standardtherapien [4]. Studien bestätigen Wirksamkeit und Sicherheit

Ergebnisse der REAL4-Studie bei Kindern Die zulassungsrelevante PhaseIII-Studie REAL4 verglich die

Wirksamkeit und Sicherheit von Somapacitan mit der eines einmal täglich zu applizierenden rekombinanten Wachstumshormons (Somatropin) bei Kindern [4]. An der 52-wöchigen, randomisierten, offenen, aktiv kontrollierten Parallelgruppenstudie mit 3-jähriger Verlängerungsphase nahmen 200 präpubertäre Kinder mit GHD teil, die zuvor noch nicht mit einem Wachstumshormon behandelt wor-

Wachstumshormonmangel Wachstumshormonmangel ist durch eine unzureichende Menge an Wachstumshormon (Somatropin) gekennzeichnet. Somatropin wird im Hypophysenvorderlappen gebildet und ist essenziell für ein normales Längenwachstum. Bei einer unzureichenden Produktion (z.B. infolge einer Hypophyseninsuffizienz) kommt es zu einem verzögerten Wachstum und die Kinder erreichen eine geringere Körpergröße als Gleichaltrige. Somatropin hat außerdem einen erheblichen Einfluss auf den Stoffwechsel: Es reguliert den Fett-, Muskel- und Wasseranteil des Körpers und kann auch die Leistungsfähigkeit des Herzens sowie die Knochenstruktur beeinflussen. Symptome eines Wachstumshormonmangels können daher auch eine verminderte Knochenmineraldichte, eine langsame Entwicklung der Gesichts- und Röhrenknochen, ein verzögerter Zahndurchbruch sowie eine Verminderung der Muskelmasse, der körperlichen Kraft und der Leistungsfähigkeit sein [1]. Wachstumshormonmangel tritt auch bei Erwachsenen auf. Schätzungen zufolge sind 2 – 3 Erwachsene pro 10.000 Einwohner davon betroffen (Beginn im Erwachsenenalter und Beginn im Kindesalter zusammengenommen). Ursache für einen Beginn der Erkrankung im Erwachsenenalter sind insbesondere Hypophysentumoren oder schwere Schädel-Hirn-Verletzungen. Symptomatisch äußert sich der Mangel in Übergewicht mit vermehrtem Bauchfett und veränderten Blutfettwerten, geringerer Knochendichte, Depressionen und Antriebslosigkeit [5].

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Somapacitan Somapacitan (Sogroya®) ist ein reversibles Albumin-bindendes Derivat des menschlichen Wachstumshormons (growth hormone, GH). Durch die Zugabe eines kurzen Fettsäure-Linkers wird die Somapacitan-Bindung an endogenes Albumin erleichtert. Diese reversible Bindung verzögert die Elimination von Somapacitan und verlängert so dessen In-vivo-Halbwertszeit und Wirkdauer. Daher muss Somapacitan zur Behandlung eines Wachstumshormonmangels nur einmal wöchentliche subkutan injiziert werden [3]. Der Wirkmechanismus von Somapacitan wird entweder direkt über den GH-Rezeptor und/oder indirekt über den Insulin-like Growth Factor I (IGF-I) vermittelt, der in den Geweben des gesamten Körpers, aber vorwiegend in der Leber, produziert wird. Somapacitan wird zur Substitution des endogenen Wachstumshormons bei Kindern ab 3 Jahren und Jugendlichen mit Wachstumsstörung aufgrund eines Wachstumshormonmangels sowie bei Erwachsenen mit einem Wachstumshormonmangel angewendet [3]. Es wird mittels eines vorgefüllten Fertigpens (FlexPro® Pen) verabreicht. Folgende Dosierungen stehen zur Verfügung:

• 5 mg/1,5 ml Injektionslösung im Fertigpen • 10 mg/1,5 ml Injektionslösung im Fertigpen • 15 mg/1,5 ml Injektionslösung im Fertigpen

den waren. Die Studienteilnehmer wurden randomisiert im Verhältnis 2 : 1 auf 2 Gruppen verteilt. Die eine Gruppe (n = 132) erhielt 1 × wöchentlich eine subkutane Injektion von 0,16 mg/kg/Woche Somapacitan, die andere Gruppe (n = 68) eine 1 × tägliche subkutane Injektion von 0,034 mg/kg/Tag Soma-

tropin. Primärer Studienendpunkt war die annualisierte Wachstumsgeschwindigkeit nach 52 Behandlungswochen [4]. Die Ergebnisse zeigen eine an­nu­ alisierte Wachstumsgeschwindigkeit von 11,2 cm/Jahr unter Somapacitan gegenüber 11,7 cm/Jahr unter Somatropin.

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Damit wurde der primäre Endpunkt für die Nicht-Unterlegenheit nach Ablauf der 52 Wochen erreicht. Neben der vergleichbaren Wirksamkeit zeigten sich zudem keine Unverträglichkeiten oder sicherheitsrelevanten Ereignisse [4]. Ergebnisse der REAL1-Studie bei Erwachsenen Ebenfalls positive Ergebnisse erbrachte die 34-wöchige REAL1Studie mit 52-wöchentlicher Verlängerungsphase zur Behandlung des Wachstumshormonmangels bei Erwachsenen (adult growth hormone deficiency, AGHD) mit 1 × wöchentlichem Somapacitan im Vergleich zu täglichem Somatropin oder Placebo [6]. Während der Hauptphase der Studie kam es zu einer deutlichen Reduktion des prozentualen Stammfettanteils sowie zu einer Verbesserung weiterer Parameter, wie dem Insulin-like Growth Factor-I (IGF-I) Standard Deviation Score (SDS), die über den Folgezeitraum von 52 Wochen erhalten blieb. Auch in dieser Studie waren die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Somapacitan und Somatropin vergleichbar [6]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 National Organisation for Rare Disorders. Growth Hormone Deficiency. https://rarediseases.org/rare-diseases/growth-hormone-deficiency/ 2 Brod M et al. Patient 2017;10:653-666 3 Fachinformation Sogroya®; Stand: Juli 2023 4 Miller BS et al. J Clin Endocrinol Metab 2022;107:3378-3388 5 Yuen KCJ et al. Endocr Pract 2019;25: 1191-1232 6 Johannsson G et al. J Clin Endocrinol Metab 2020;105:e1358-e1376 © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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I

n der topischen Psoriasistherapie wird sowohl für die Initial- als auch für die Erhaltungstherapie die Fixkombination aus Calcipotriol (Cal) und Betamethason (Bet) als Goldstandard empfohlen [1]. Enstilar® Sprühschaum kombiniert die pharmakologischen Wirkungen von Calcipotriol-Monohydrat als synthetisches Vitamin-D3-Derivat und Betamethasondipropionat als synthetisches Kortikosteroid. Enstilar® enthält 50 μg/g Cal und 0,5 mg/g Bet und ist als einzige Fixkombination auch für die Erhaltungstherapie zugelassen (Tab. 1) [2]. Die gute Wirksamkeit von Enstilar® Sprühschaum wurde in einem umfangreichen klinischen Studienprogramm untersucht. Zusätzliche Daten wurden in nicht interventionellen Studien im Behandlungsalltag erhoben [2]. Die innovative Galenik macht den Unterschied

In Studien konnte gezeigt werden, dass der Enstilar® Sprühschaum eine bessere Wirksamkeit hat als eine wirkstoffgleiche Salbe oder Gel [3, 4]. Die Wirksamkeit einer topischen Medikation hängt davon ab, wie viele Wirkstoffmoleküle in die Haut eingebracht werden. Daher sollte die Galenik des Topikums eine möglichst hohe Hautpenetrationsrate ermöglichen. Die Hautbarriere können nur im Vehikel gelöste Wirkstoffe durchdringen, bilden sich Kristalle, sinkt die Bioverfügbarkeit. Während Calcipotriol und Betamethason im Sprühschaum in den Treibmitteln Dimethylether und Butan vollständig gelöst vorliegen und durch Diffusion in die Haut aufgenommen werden können, bilden die Wirkstoffe in der Salbe bzw. dem Gel

Enstilar® überzeugt durch hohe Bioverfügbarkeit und gute Wirksamkeit in der Initial- und Erhaltungstherapie der Psoriasis z.T. Kristalle, die kaum zu absorbieren sind, was sich negativ auf die Bioverfügbarkeit auswirkt [5]. Die Galenik von Enstilar® hat aber noch einen weiteren Vorteil: Nach dem Auftragen des Sprühschaumes auf die Haut verdunsten die Treibmittel relativ schnell, sodass die Wirkstoffe nun in einer stabilen, übersättigten Lösung vorliegen. Durch diese Supersaturation ist die Konzentration der gelösten Wirkstoffe höher, als ihre Löslichkeit unter normalen Umständen erlaubt. Da die Hautpenetration nach dem Fick’schen Diffusionsgesetz konzentrationsabhängig ist, wird entsprechend mehr Wirkstoff

in die Haut aufgenommen, als dies z.B. bei der Salbe und dem Gel der Fall ist, sodass die kutane Bioverfügbarkeit von Enstilar® deutlich höher ist (Abb. 1) [5]. Rasche Verbesserung des Pruritus

Neben den sichtbaren Hautläsionen ist der Juckreiz eines der belastendsten Symptome der Psoriasis, denn er beeinträchtigt auch den Schlaf und die Lebensqualität der Patienten. In der Studie von Leonardie et al. [6], die die Wirkung der einmal täglichen Anwendung von Enstilar®

Calcipotriol/Betamethason-Fixkombinationen Anwendung gemäß Zulassung

Cal/Bet-Fixkombination

Initialtherapie

Cal/Bet-Salbe*

Cal/Bet-Gel**

Cal/Bet-Sprühschaum***

Cal/Bet-Creme****

Erhaltungs­ therapie

* Fachinformation Daivobet Salbe ; Stand Januar 2018 ** Fachinformation Daivobet Gel®; Stand August 2019 *** Fachinformation Enstilar®; Stand Juli 2022 **** Fachinformation Wynzora®; Stand Oktober 2021 ®

Tabelle 1: Anwendungsgebiete von Calcipotriol/Betamethason-Fixkombinationen (© LEO Pharma).

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Die Supersaturation und die gesteigerte Hautpenetration erhöhen zudem die Bioverfügbarkeit der

entspricht. 155

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Abb. 1: Änderung der Wirkstoffkonzentration im Enstilar® Sprühschaum im Laufe der Applikation

Unter Druck stehende Formulierung

Verdunstung Treibmittel

Schaum auf der Haut

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Hautpenetration und höhere Bioverfügbarkeit durch Supersaturation

e M en g

Konzentration der Wirkstoffe

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Phase 1

Phase 2

Phase 3

Stand: 07/2023 –MAT-67226

Abbildung 1: Die innovative Galenik des Calcipotriol/Betamethason-Sprühschaumes führt zu einer effektiveren Penetration der Wirkstoffe in die Haut und damit zu einer höheren kutanen Bioverfügbarkeit [5] (© LEO Pharma).

auf Juckreiz und juckreizbeding- randomisierten, doppelblinden, stilar® (1 × tägl. für 4 Wochen) Fazit: Die stabile supersaturierte Lösung des Calcipotriol/Betamethason-Sprühschaums n te Schlafstörungen im Vergleich vehikelkontrollierten Phase-III- • Reaktives Management (n = Applikation führtVehikel zu einer Bioverfügbarkeit. zeigten, dass zum wirkstofffreien un- erhöhten Studie PSO-LONG zur Langzeit-Klinische 265):Studien Vehikel-Sprühschaum (2 × Enstila tersuchten, war Wirksamkeit die Verbesserunggegenüber wirksamkeitwirkstoffgleicher und -sicherheit vonSalbepro Woche überlegene und Gelwährend hat. der Remisdes Pruritus unter der Therapie Enstilar® wurden 545 Patienten zusion); Bedarfstherapie bei Remit ist mit Enstilar® Sprühschaum nächst 4 Wochen lang mit Enstilar® zidiv: Enstilar® (1 × tägl. für 4 bereits ab Tag 3 spürbar: Mehr als Sprühschaum (1 × tägl.) behandelt Wochen) ein Drittel der Patienten erreichte [7]. 80 % der Patienten zeigten ei- Primärer Endpunkt war die Zeit bis eine mindestens 70%ige Verbes- nen Behandlungserfolg (vollstän- zum ersten Rezidiv (definiert als serung des Pruritus, verglichen dig abgeheiltes Hautbild = PGA* PGA ≥2). Sekundäre Endpunkte mit 24,0 % unter Vehikelschaum 0 und Verbesserung um ≥ 2 Punkte umfassten die Dauer der RemissiEnstilar® 50 Mikrogramm/g + 0,5 mg/g Schaum zur Anwendung auf der Haut. Zusammens.: 1 g enth. 50 µg Calcipotriol (als Monohydrat), 0,5 m (p = 0,10). Im Lauf der Therapie oder ein nahezu abgeheiltes Haut- on (PGA 0 oder 1), die Anzahl von Dipropionat). Sonst. Bestandt.: dickflüssiges Paraffin, α-Hydro-ω-octadecyloxypoly(oxypropylen)-11, all-rac-alpha-Tocopherol, weißes Vaselin, Buty stiegDimethylether. die Verbesserung des Juck= PGA 1 und Verbesserung Rezidiven (PGA ≥2) während der Butan, Eine Sprühdose enthält 60bild g Schaum. Anwend.: Top. Behandlg. v. Psoriasis vulgaris bei Erw. Gegenanz.: Überempfindlichk. gg reizes weiter an [6]. um ≥2 Punkte). Sie konnten an Erhaltungsphase sowie die SicherStörung d. Kalziumstoffwechs., erythroderm./pustul. Psoriasis, Hautinfekt. (viral/myk./bakt./paras.), Hauterkrank. als Folge. v. Tuberkulose, periorale Der erhöhte Fragilität d. Hautgefäße, Striae, Ichthyose, vulgaris, Akne Rosacea, Rosacea,heit Ulzera, Nebenw.: Gelegentlich: Follikulitis, der Akne anschließenden 52-wöchigen undWunden. Verträglichkeit. Hyperkalzämie, Hypopigmentierung, Rebound Effekt, Pruritus, Irritationen am Verabreichungsort, Schmerzen am Verabreichungsort. Unbek. Häufig Erhaltungsphase teilnehmen und Unter der Erhaltungstherapie mit Haarfarbe, Verschw. Sehen, Erythem am Verabreichungsort. Nebenw. für pharmakolog. Klassen: Betamethason: Hautatrophien, Teleangiektasi ® Proaktives Management zur wurden 1:1 randomisiert einem der Enstilar wurde das Risiko eines Hypertrich., periorale Dermat., allerg. Kontaktdermatitis, Kolloidmilium, Depigment. Risiko e. general. pustul. Psoriasis. selten: adrenokortik. Suppress folgenden Behandlungsarme zuge- ersten Rezidivs signifikant um Verhinderung von Rezidiven Einfluss a. diabet. Stoffwechsellage, erhöhter Augeninnendruck; Calcipotriol: lokale Reakt., Hautirrit., Pruritus, Brennen u. Stechen, trockene Haut, Eryt 43 % Hyperkalzämie, im VergleichHyperkalzurie. zur reaktiven wiesen: Dermatitis, Verschlecht. d. Psoriasis, Photosensib., Überempfindl., sehr selten: Angio-/Gesichtsödem, Verschreibungs einer chronischen Erkrankung Therapie reduziert (HR: 0,57; • Proaktives Management = Druck: für Bei Kinder unzugänglich aufbewahren. Extrem entzündbares Aerosol. Behälter steht(nunter Kann bei Erwärmung platzen. Vor Sonnenlicht Temperaturen über 50 °C aussetzen. Nicht gewaltsam öffnen oder ®verbrennen, auch nicht nach dem Gebrauch. offene[7]. Flammen oder (2 × pro Woche wie der Psoriasis kehren die Haut95%-KI: 47 – 69 %;Nicht p < in 0,001) 256): Enstilar sprühen. Von Funken, Flammen und anderen Zündquellenarten fernhalten. BeNicht rauchen. Pharmazeut. LEO Pharma A/ während der Remission); läsionen immeroffenen wieder zurück. Die mittlere Zeit Unternehmer: bis zum ersten Örtl. Vertreter: LEO Pharma GmbH, 63263 Neu-Isenburg. Darreichungsformen, Packungsgrößen: Sprühdose mit 1 x 60 g, 2 x 60 g. Stand: Ju darfstherapie bei Rezidiv: En- Rezidiv verlängerte sich bei 50 % Dem können Ärzte vorbeugen, indem sie im Anschluss an die der Patienten im Mittel um 26 Schubbehandlung ein proaktives * PGA = Physician’s Global Assessment Tage. Für 50 % der Patienten hatte Management durchführen. In der (5-Punkte-Skala von 0–4) sich die Zeit bis zum ersten ReziJOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


1269-1277 5 Ortonne J et al. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2009; NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL 23(12): 1435-44

Kopfhautpsoriasis im Verlauf der 4-wöchigen Behandlung, (Kopfhaut-PaGA, 0 = erscheinungsfrei, 5 = sehr schwer; n = 193; LOCF, Mittelwert ± SD); *p < 0,001 vs. Baseline. 156

Kopfhaut-BSA: Percentage of the scalp surface area affected; Die Zufriedenheit der Patienten †mit Kopfhaut-PGA: Scalp der Wirksamkeit und der AnPhysician’s Global wenderfreundlichkeit von En­ ® Assessment (a 5-point -Sprühschaum wurde im stilar Treatment Satisfaction Questionscale ranging from 0–4); forPsoriasis Medication 9 (TSQM-9)‡naire PSSI: Scalp Score jeweils mit über 70 Punkten Severity Index; Darüber hinaus gaben §bewertet. PaGA: Patient Global mehr als 60 % der Patienten an, Assessment; ® -Sprühschaum Enstilar **dass DLQI: Dermatology Life ziemlich stark, stark, oder sehr stark linQuality Index; dernde sowie kühlende und # PASI: Psoriasis Area and juckreizstillende Eigenschaften hat [8]. Severity Index; % Last der observation Ärzte bewerteten ††97,4 LOCF: diecarried Verträglichkeit forward; von Cal/BetSprühschaum als gut/sehr gut. Es *** TSQM-9: Treatment wurden keine neuen Sicherheits­ Satisfaction Questionnaire signale gemeldet. for Medication 9 *

6 5 Kopfhaut - PaGA

aum r/ gste sfreie“

*

4 3

* *

3,3

*

2,8 2

2,3 1,9 1,3

1 0 Baseline

3 Tage nach Baseline

1 Woche nach Baseline

2 Wochen nach Baseline

4 Wochen nach Baseline

Abbildung 2: Ergebnisse der Studie CAPITIS: Patientenbewertung des Schweregrads der Kopfhautpsoriasis im Verlauf der 4-wöchigen Behandlung mit Enstilar®-Sprühschaum (Kopfhaut-PaGA: = erscheinungsfrei, 5 = sehr schwer). *p < 0 ,001 vs. Baseline [8]. ome im Verlauf der 04-wöchigen Behandlung: Schuppenbildung, Erythem,

Brigitte Söllner, Erlangen

nkte-Skala), Ausbreitung der Psoriasis (6-Punkte-Skala) und Pruritus

div gegenüber der reaktiven TheSichtbarkeit rapie damit nahezu verdoppelt [7].

Bereits nach 3 Tagen konnten PaAusbreitung tienten eine Milderung ihres Juckythem Verdickung der Läsion der Psoriasis reizes feststellen. Pruritus Auch die Fläche der betroffenen nKopfhaut nahm = 188 n = 183 n = 181 n = 194 = 194 Sehr gute Wirksamkeit schnell ab: Nach 4 Wochen er,75 ± 0,93 2,20 ± 1,30 2,35 ± 1,30 2,59 ± 0,97 6,11 ± 2,21 reichten 53,4 % der Patienten eine auch auf der Kopfhaut Kopfhaut-BSA ,19 ± 1,05§ 1,77 ± 1,26§ 1,96 ± 1,29§ 2,44 ± 1,06* (body 4,90surface ± 2,36§area) Literatur Bis zu 80 % der Psoriasis-Patiender betroffenen Hautfläche von § 68 ± 1,05§ ten leiden 1,30 ± 1,21 1,48 ± 1,25§ 2,07%±[8]. 1,06§ 3,73 ± 2,41§ 1 Körber A et al. J Dtsch Dermatol Ges an Kopfhautpsoriasis, <10 2019;17:3-14 Symptomen Der den§ Patienten 28 ± 1,05§ die mit 0,89belastenden ± 1,14§ 1,07 ± 1,22§ 1,65von ± 1,15 2,84wahrgenom± 2,63§ 2 Fachinformation Enstilar®; Stand: Juli einhergeht und die Lebensqualität mene Schweregrad der Erkran2022 § § ,99 ± 0,95§stark 0,57 ± 0,90§ – 0,66 0,94 1,27 ±(Kopfhaut-PaGA**) 1,09§ 1,96 ± 2,19verbes3 Koo J et al. J Dermatolog Treat 2016; beeinträchtigt und ±als be- kung 27:120-127 sonders schwer therapierbar gilt. serte sich kontinuierlich während 4 Paul C et al. Eur Acad Dermatol Venereol In der prospektiven nicht interven- der vierwöchigen Behandlung 2017;31:119-126 tionellen Studie CAPITIS wurden (p < 0,001 vs. Baseline) und re- 5 Lind M et al. Dermatol Ther (Heidelb) 2016;6:413-425 217 Patienten mit Psoriasis vul- duzierte sich im Mittel von von 6 Leonardi C et al. J Drugs Dermatol 2015; ITIS zeigte eine hohe Wirksamkeit und einen schnellen Wirkeintritt, 14:1468-1477 garis und Kopfhautbeteiligung 4 3,3 ± 0,9 bei Baseline auf 1,3 ± 1,0 7 Lebwohl M et al. J Am Acad Dermatol Wochen lang einmal täglich mit zum Ende der Studie (Abb. 2). in der und Sicherheitsprofil von Cal/Bet-Sprühschaum Behandlung 2021;84:1269-1277 ® Enstilar -Sprühschaum behandelt ** PaGA = Patient Global Assessment (0 = 8 Staubach P et al. Dermatology 2023; tag. Die Symptomverbesserung über 239:206-216 [8]. schnelle und anhaltende erscheinungsfrei, 5 = sehr schwer)

g der Lebensqualität verbunden.

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endung auf der Haut. Zusammens.: 1 g enth. 50 µg Calcipotriol (als Monohydrat), 0,5 mg Betamethason (als ydro-ω-octadecyloxypoly(oxypropylen)-11, all-rac-alpha-Tocopherol, weißes Vaselin, Butylhydroxytoluol (E321), m. Anwend.: Top. Behandlg. v. Psoriasis vulgaris bei Erw. Gegenanz.: Überempfindlichk. gg. einen d. Bestandt., sis, Hautinfekt. (viral/myk./bakt./paras.), Hauterkrank. als Folge. v. Tuberkulose, periorale Dermat., Hautatrophien, PHARMAKOL. U. THER. 5-6/2023 · 32. JAHRGANG © VERLAG PERFUSION GMBH e vulgaris,JOURNAL Akne Rosacea, Rosacea, Ulzera, Wunden. Nebenw.: Gelegentlich: Follikulitis, Überempfindlichkeit, itus, Irritationen am Verabreichungsort, Schmerzen am Verabreichungsort. Unbek. Häufigkeit: Änderungen d.


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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Multiple Sklerose: Real-World-Daten bestätigen Sicherheit von Ofatumumab

A

ktuelle Daten zu Ofatumumab (Kesimpta®) aus dem Behandlungsalltag stützen das bekannte Sicherheitsprofil und die belegte Wirksamkeit des Anti-CD20-Antikörpers bei aktiver schubförmiger Multipler Sklerose (Relapsing Multiple Sclerosis, RMS) [1,4, 5, 6]. Diese Erkenntnisse aus der klinischen Praxis untermauern die bereits in der offenen Phase-IIIb-Verlängerungsstudie ALITHIOS [5, 6] gezeigte Wirksamkeit und Sicherheit von Ofatumumab über einen Behandlungszeitraum von bis zu 5 Jahren (Abb. 1).

Antikörpers in der Muttermilch bei RMS-Patientinnen, die nach der Geburt eine Behandlung mit Ofatumumab begonnen hatten [1]. Laut den Ergebnissen des DMSKW blieb die mögliche Aufnahme des Wirkstoffs über die Muttermilch bei allen Proben deutlich unter dem zugelassenen Grenzwert. Wenn indiziert, steht Patientinnen mit Ofatumumab damit auch während der Stillzeit eine hochwirksame Therapie mit einem günstigen Sicherheitsprofil zur Verfügung.

Auch während der Stillzeit sicher

Eine große Herausforderung in der klinischen Praxis ist die Prognose der zukünftigen Krankheitsaktivität bei RMS-Patienten. Diese ist

Multiple Sklerose wird überwiegend bei Frauen im gebärfähigen Alter diagnostiziert [7]. Die Phase nach der Geburt ist mit einer erhöhten Krankheitsaktivität assoziiert [8]. Bei der Wahl der krankheitsmodifizierenden Therapie (DMT) sind daher neben den Auswirkungen auf die Krankheitsaktivität der Patientin auch mögliche Gefahren für das gestillte Kind zu berücksichtigen [1]. Ofatumumab ist für die Anwendung während der Stillzeit zugelassen, wenn dies aus klinischer Sicht notwendig ist [9]. Eine Analyse des deutschsprachigen MS und Kinderwunsch Registers (DMSKW) an der RuhrUniversität in Bochum untersuchte die Konzentration des Anti-CD20-

Präzisere Prognose: sNfL als Biomarker der Zukunft?

grundlegend für die individuelle Planung und Wahl der Langzeittherapie [2]. Bislang fehlten Prädiktoren, die es ermöglichen, Patienten zu erkennen, die aufgrund eines voraussichtlich nachteiligen Krankheitsverlaufs keine Umwege über niedrigwirksamere Basistherapien nehmen sollten. Mit sNfL wurde nun ein im Blut messbarer Biomarker für neuroaxonale Schäden identifiziert, der zur Überwachung der Krankheitsaktivität und des Therapieansprechens, speziell in Phasen ohne klinische oder MRT-Krankheitsaktivität, herangezogen werden kann [2, 3]. Eine Analyse der Zulassungsstudien ASCLEPIOS I und II bestätigt für Ofatumumab den prognostischen Wert von sNfL hinsichtlich Läsionsaktivität und Hirnvolumenverlust über den Zeitraum von

Abbildung 1: Die frühzeitige Behandlung mit Ofatumumab (OFA, Kesimpta®) führte im Beobachtungszeitraum von bis zu 5 Jahren zu einer kontinuierlichen Abnahme der Schubrate (mod. nach [5]).

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Ofatumumab Ofatumumab (Kesimpta®) ist ein vollhumaner Anti-CD20-Antikörper, der durch eine monatliche (ab Woche 4) subkutane Applikation von den Patienten selbst mittels Fertigpen verabreicht werden kann [9, 10]. Ofatumumab zeigte ein vergleichbares Sicherheitsund Verträglichkeitsprofil zur Erstlinientherapie mit Teriflunomid [10]. Der Antikörper bindet zielgerichtet an das CD20-Molekül auf der Oberfläche von B-Zellen, wobei es auf einem anderen Epitop andockt als andere Anti-CD20-Antikörper und dadurch eine B-ZellLyse und Depletion induziert [11]. Der selektive Wirkmechanismus und die subkutane Verabreichung ermöglichen eine spezifische Wirkung auf die B-Zellen in den Lymphknoten, die in der MS-Pathologie eine entscheidende Rolle spielen [12]. Ofatumumab ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmig verlaufender Multipler Sklerose (Relapsing Multiple Sclerosis, RMS) mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung [9].

1 – 2 Jahren [2]. sNfL könnte demnach zukünftig als ein Baustein zur Therapieoptimierung genutzt werden. Insbesondere therapienaive Patienten könnten vom Einsatz standardisierter Testungen vor Behandlungsbeginn profitieren, aber auch bei einem Therapiewechsel ist die Bestimmung von sNfL aussagekräftig. Aus dem Behandlungsalltag: Gründe für den Wechsel zu Ofatumumab

Einblick in die Gründe, warum RMS-Patienten im klinischen Alltag von einer anderen krankheits-

modifizierenden Therapie (DMT) auf Ofatumumab umgestellt werden, gibt die prospektive, multizentrische nicht interventionelle Studie KAIROS [4]. Erste Ergebnisse einer Interimsanalyse wurden auf dem ECTRIMS-Kongress präsentiert. Demnach wechselten 44 % der 168 ausgewerteten RMS-Patienten aufgrund der unzureichenden Wirksamkeit ihrer vorherigen DMT in Bezug auf die MRT-Läsionsaktivität und/ oder die jährliche Schubrate zu Ofatumumab. Von den Patienten, die vorher eine moderat wirksame DMT erhielten, wurden 44 % der ausgewerteten RMS-Patienten wegen ungenügender Wirksamkeit

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der Vortherapie auf Ofatumumab umgestellt [4]. Sicherheitsbedenken gaben bei einem Drittel (33 %) der Patienten mit vorheriger hochwirksamer Therapie den Ausschlag für die Umstellung auf Ofatumumab. Diese Erkenntnisse aus dem Behandlungsalltag stehen im Einklang mit den Ergebnissen der offenen Extensionsstudie ALITHIOS [5, 6]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Witt L et al. Presentation at the 39th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) 2023; Milan, Italy 2 Ziemssen T et al. Front Immunol 2022; 13:852563 3 Benkert P et al. Lancet Neurol 2022;21: 246-257 4 Bischof F et al. Poster Presentation at the 9th Joint ECTRIMS-ACTRIMS Meeting 2023; Milan, Italy 5 Kappos L et al. Poster Presentation at the European Academy of Neurology (EAN) 2023; Budapest, Hungary 6 Cohen JA et al. P8.3-004 presented at the American Academy of Neurology (AAN) 2023; Boston, MA 7 Hemmer B et al. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. https://www.dgn.org/leitlinien 8 Bove R et al. Obstet Gynecol 2014;124: 1157-1168 9 Fachinformation Kesimpta®, aktueller Stand 10 Hauser SL et al. N Engl J Med 2020;383: 546-557 11 Smith P et al. Poster P1143 presented at ECTRIMS; 2016; London, UK 12 Smith P et al. Poster P401 presented at ECTRIMS; 2016; London, UK

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

M

it einer geschätzten Zahl von 549.000 Neuerkrankungen und 200.000 Todesfällen pro Jahr ist das Harnblasenkarzinom der siebthäufigste diagnostizierte solide Tumor weltweit [1]. In etwa 75 % der Fälle handelt es sich um einen nicht muskelinvasiven Blasenkrebs (NMIBC). Therapie der Wahl ist in den meisten Fällen die vollständige Resektion des Tumors. Allerdings ist dabei das Risiko für ein Rezidiv groß. Selbst wenn alles sichtbare Tumorgewebe operativ mittels einer Elektroschlinge entfernt wurde, besteht trotzdem das Risiko, dass einzelne, für den Operateur nicht sichtbare Tumorzellen in der Blase zurückbleiben. Um ein Wiederauftreten der Krebserkrankung zu verhindern, muss daher zusätzlich zur Tumorentfernung eine lokale Therapie durchgeführt werden. Dabei wird ein Immuntherapeutikum (Bacillus CalmetteGuérin, BCG) direkt in die Blase instilliert. Spricht der Patient auf diese adjuvante Therapie nicht an, ist nach medizinischen Leitlinien in einigen Fällen eine komplette Entfernung der Harnblase notwendig. Mit Hyperthermie die Wirksamkeit des Zytostatikums erhöhen ...

Eine Alternative zur radikalen Zyst­ ektomie bei NMIBC-Patienten, bei denen die BCG-Therapie versagt hat, ist die HIVEC®-Therapie. Bei dieser hyperthermischen intravesikalen Chemotherapie wird das mit destilliertem Wasser verdünnte Chemotherapeutikum MitomycinC außerhalb des Körpers mithilfe des Rezirkulationssystems Combat BRS (Abb. 1) auf 43°C erwärmt und über einen Katheter direkt in

Nicht muskelinvasives Harnblasenkarzinom:

Hyperthermische Chemotherapie als Therapiealternative bei BCG-Versagern die Harnblase eingebracht. Der erwärmte Wirkstoff zirkuliert dann zwischen dem Combat-BRS-Gerät und der Harnblase und kann sich so optimal verteilen [2]. Der Vorteil dieser Prozedur: Bei 43°C wirkt Mitomycin-C effektiver als bei normaler Körpertemperatur. Durch die Erwärmung wird das Gewebe durchlässiger und das Chemotherapeutikum kann tiefer in die Blasenwand eindringen, sodass es gelingt, wesentlich mehr Krebszellen abzutöten. Die Hyperthermie hat außerdem tiefgreifende Auswirkungen auf das Immunsystem: Es werden mehr natürliche KillerZellen aktiviert, die sich gegen wärmegeschädigte Krebszellen richten, da sie Hitzeschockproteine auf der Oberfläche der Krebszellen erkennen [3].

... und die Rezidivrate effektiv senken

Pijpers et al. untersuchten anhand von retrospektiven Daten von 56 Patienten mit nicht auf BCG reagierendem NMIBC, die zwischen Oktober 2014 und März 2020 ≥5 erhalten HIVEC®-Instillationen hatten, die Langzeitwirksamkeit der hyperthermischen intravesikalen Chemotherapie [4]. Die Patienten wurden mit Zystoskopie und/oder Blasenbiopsien, Urinzytologie und jährlicher CT-Urographie nachuntersucht. Primärer Endpunkt war das hochgradige rezidivfreie Überleben (HG-RFS), definiert als die Zeit von der ersten HIVEC-Instillation bis zum histologisch bestätigten intravesikalen Rezidiv oder der letzten Nachun-

Touch Screen

Sicherheitsalarme

Peristaltikpumpe

Wärmetauscher

Drucksensor Katheter

Abbildung. 1: COMBAT Bladder Recirculation System (BRS) für die HIVEC®-Therapie (© Combat Group).

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL / KONGRESSE

tersuchung. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 32,2 Monate. Die HIVEC®-Therapie führte zu einem 2-Jahres-HG-RFS von 35 %. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf [4]. Auch eine neue Registerdatenstudie aus Köln, dem Zentrum mit den meistens HIVEC®-Patienten in Deutschland, bestätigt, dass mit der HIVEC®-Therapie eine gute mittelfristige onkologische Wirksamkeit erreicht werden kann: Die 2-Jahres-RFS lag bei 50,6 %, die Rate der Blasenerhaltung bei 80 %. Lediglich ein Patient entwickelte ein muskelinvasives Harnblasenkarzinom (MIBC) [5].

Betäubung durch die Harnröhre in die Harnblase eingeführt und das erwärmte Mitomycin-C instilliert. Nach einer Stunde wird die Flüssigkeit wieder abgelassen und der Blasenkatheter wird entfernt. Das Verfahren wird sechsmal in wöchentlichen Abständen wiederholt. Im Anschluss daran erfolgt eine monatliche Erhaltungstherapie für insgesamt 6 Monate. Nebenwirkungen sind ein erhöhter Harndrang und gelegentlich auftretende leichte Schmerzen im Unterbauch. Diese Nebenwirkungen sind jedoch selten und lassen sich mit Medikamenten gut beherrschen.

Für die Patienten nicht belastend

Fazit für die Praxis

Für die HIVEC®-Therapie ist keine Narkose notwendig. Der dünne Blasenkatheter wird unter lokaler

Angesichts dieser Ergebnisse ist die HIVEC®-Therapie für Patienten mit NMIBC und BCG-Versa-

Secukinumab bei axialer Spondyloarthritis und Psoriasis-Arthritis: Schnelles Ansprechen zeigt nachhaltig Vorteile

ein frühzeitiges Ansprechen identifiziert werden. Außerdem wurde anhand der AQUILA-Daten mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) ein Modell entwickelt, das zukünftig eine Beurteilung des Ansprechens vorhersagen könnte.

Im Rahmen des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) wurden aktuelle Ergebnisse der nicht interventionellen AQUILA-Studie zu Secukinumab (Cosentyx®) bei axialer Spondyloarthritis (axSpA) und Psoriasis-Arthritis (PsA) vorgestellt. Sie zeigen, dass insbesondere diejenigen Patienten mit axSpA oder PsA, die schnell auf eine Therapie mit dem Interleukin (IL)17A-Inhibitor ansprachen, nachhaltig profitierten. Der klinische Phänotyp sowie weitere Charakteristika betroffener Patienten konnten dabei als Prädiktoren für

Stärkerer Therapieeffekt und anhaltende Remission bei frühen Respondern

Bei den retrospektiven Subgruppenanalysen wurde das Ansprechen als eine Kombination aus Patienten-basierten (BASDAI respektive PsAID-12) und ärztlichen (PhGA) Bewertungen definiert. Patienten, die einen definierten Zustand der Remission (BASDAI ≤3 / PsAID-12 ≤1,4 und PhGA ≤1) oder eine klinisch relevante Ver-

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gen, die für eine radikale Zystektomie nicht geeignet sind oder es vorziehen, ihre Blase zu behalten, eine wirksame gut verträgliche blasenschonende Behandlung, die einen Blasenerhalt auf gewisse Zeit ermöglicht. In dieser Zeit profitieren die Patienten vom Erhalt ihrer Lebensqualität. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Bray F et al. CA Cancer J Clin 2018;68: 394-424 2 https://combatcancer.com/products/brshivec-bladder-cancer 3 Liem EI et al. Int J Hyperthermia 2016; 32:363-373 4 Pijpers OM et al. Urol Oncol 2022;40:62. e13-62.e20 5 Heidenreich A. Hyperthermische Chemotherapie bei BCG-Versagern mit einem nicht-muskelinvasiven Harnblasenkarzinom, eine evidenzbasierte Datenanalyse. Workshop im Rahmen des DGU 2023

besserung (20%ige Verbesserung von BASDAI / PsAID-12 und PhGA im Vergleich zu Baseline) erreichten, wurden als Responder betrachtet. Das Erreichen einer klinisch relevanten Verbesserung innerhalb der ersten 8 Behandlungswochen wurde als schnelles Ansprechen definiert und war sowohl bei axSpA als auch bei PsA im Vergleich zu einem späten Ansprechen mit einem stärkeren und länger anhaltenden Therapieeffekt im weiteren Studienverlauf verbunden: Nach 52 Wochen konnten bei Patienten mit raschem Therapieansprechen häufiger ein 50%iges Ansprechen (p = 0,007 bzw. p = 0,003) sowie eine anhaltende Remission (p = 0,03 bzw. p = 0,019) gegenüber der Baseline beobachtet werden. © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

Qualität des Ansprechens ist anhand des klinischen Phänotyps vorhersehbar

Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis profitieren von Apremilast

Ausgehend von den AQUILADaten wurde ein KI-basiertes Modell entwickelt, mithilfe dessen die Qualität des Ansprechens vorhergesagt werden soll. Dazu wurden die Charakteristika der Fast Responder untersucht und ein zugrunde liegendes Muster aufgezeigt. Für ein prädiktives Modell wurden demnach bei PsA-Patienten PGA (Patient Global Assessment), PhGA (Physician Global Assessment), die Anzahl an vorangegangenen Behandlungen mit biologic disease-modifying anti-rheumatic drugs (bDMARDs), TJC (tender joint count) und das Alter (jeweils zu Baseline) als relevanteste Kriterien definiert. Beispielsweise zeigten Biologika-naive Patienten eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine niedrige Krankheitsaktivität in Woche 16 zu erreichen als Patienten, die bereits mit Biologika therapiert wurden. Auch die auf dem Kongress präsentierten Studiendaten zeigten, dass Patienten ohne Vorbehandlung mit Biologika von einem frühzeitigen Ansprechen profitierten. Weitere relevante Faktoren waren Raucherstatus und Body-Mass-Index (BMI). „AQUILA ist ein gutes Beispiel dafür, weshalb wir alle Facetten einer Studie auch im Nachgang intensiv betrachten sollten“, kommentierte die Studienleiterin PD Dr. Uta Kiltz, Bochum. „Neben der Aussage, dass Patienten langfristig von einem schnellen Ansprechen profitieren, sind wir nun sogar in der Lage, mittels KI das individuelle Ansprechen auf eine Therapie mit Secukinumab vorhersagen zu können. “ Elisabeth Wilhelmi, München

Aktuelle Daten vom Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) belegen erneut den hohen Nutzen einer Therapie mit dem Phosphodiesterase 4 (PDE4)-Hemmer Apremilast (Otezla®) für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer chronischer Plaque-Psoriasis (PsO) und Psoriasis-Arthritis (PsA). Der orale immunmodulierende PDE4Hemmer besitzt einen einzigartigen Wirkmechanismus: Apremilast inhibiert PDE4 und moduliert über erhöhte intrazelluläre cAMP-Spiegel indirekt die Zytokinproduktion. Im Rahmen eines von Amgen veranstalteten virtuellen Post-EADVMediadialogs diskutierten Experten die Einsatzmöglichkeiten von Apremilast. Konsens bestand darin, dass Apremilast sowohl die Lebensqualität als auch das Hautbild und die Gelenkbeschwerden von PsO- und PsA-Patienten verbessern kann. Apremilast verbessert die Lebensqualität bei chronischer PsO

Psoriasis kann sich als chronischentzündliche Systemerkrankung in verschiedenen Manifestationsformen der Haut äußern. Dr. Beate Schwarz, Langenau, erinnerte daran, dass gemäß der Upgrade-Kriterien der aktuellen S3-Leitlinie Psoriasis der Schweregrad auch bei flächenmäßig geringem Befall hochgestuft werden kann, sodass damit eine Systemtherapie indiziert ist. Zu diesen Kriterien zählen Juckreiz, der zum Kratzen veranlasst, betroffene sichtbare oder sensitive Areale, wie z.B. Gesicht, Kopfhaut, Handflächen und Fuß-

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sohlen, Genitalbereich oder Nägel, sowie eine stark beeinträchtigte Lebensqualität. „Besondere Lokalisationen sind häufig und relevant“, betonte die Dermatologin. In einer Umfrage beschrieben 60 % der PsO-Patienten mit mindestens einer besonderen Manifestation und begrenzter Hautbeteiligung (≤3 Handflächen) ihre aktuelle Erkrankung als moderat oder schwer. Diese stark belastete Patientengruppe wurde unter anderem in der EMBRACE-Studie untersucht. In dieser placebokontrollierten Phase-IV-Studie verbesserte Apremilast 30 mg 2 × täglich schnell und deutlich die hautbezogene Lebensqualität bei bei Patienten mit chronischer PsO, denen eine topische Therapie oder eine konventionelle systemische Erstlinientherapie keine Linderung gebracht hat, die diese nicht vertragen haben oder bei denen sie kontraindiziert war. Eingeschlossen wurden PsOPatienten mit moderater Hautbeteiligung, die Manifestationen in mindestens einem sichtbaren oder belastenden Hautbereich aufwiesen. Einschlusskriterien waren ein Dermatologischer Lebensqualitäts-Index (DLQI) >10 sowie ein Psoriasis Area and Severity Index (PASI) im Bereich von ≥3 bis ≤10. Nach 16 Wochen erreichten 73,3 % der mit Apremilast behandelten Patienten den primären Endpunkt – eine Reduktion des DLQI um ≥4 Punkte. Damit war der PDE4-Inhibitor gegenüber Placebo signifikant überlegen (73,3 % vs. 41,3 %; p < 0,0001). Nach 16 Wochen war die Hautbeteiligung deutlich zurückgegangen: Die betroffene Körperoberfläche reduzierte sich um 38,4 % und mehr Patienten erreichten einen PASI <3. Die Verbesserungen im DLQI blieben über eine Behandlungsdauer von 52 Wochen bestehen. „Die starke © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

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Verbesserung der Lebensqualität durch Apremilast ist ein beeindruckendes Ergebnis. Der deutliche Rückgang der Hautsymptome belegt zudem den Therapieerfolg“, kommentierte Schwarz. Der positive Behandlungseffekt auf die Lebensqualität in Woche 16 war unabhängig von Geschlecht, BMI und einer vorherigen Gabe konventioneller systemischer oder Biologika-Therapien. Hoher Nutzen trotz mehrerer Vortherapien

Eine auf dem EADV-Kongress 2023 präsentiert Subgruppenanalyse der EMBRACE-Daten zu Woche 16 ergab, dass PsO-Patienten unabhängig von der Anzahl vorheriger konventioneller systemischer Behandlungen von Apremilast profitieren können. Die Mehrheit der Studienteilnehmer hatte zuvor konventionelle Systemtherapien wie Methotrexat oder Dimethylfumarat erhalten. „Ungeachtet der Anzahl vorheriger Therapien (0, 1, 2 oder ≥3) zeigte Apremilast einen konsistenten Behandlungsvorteil gegenüber Placebo hinsichtlich Lebensqualität, Juckreiz, Hautbeschwerden und Schmerzen. Das Ansprechen blieb auf gleichem Niveau“, berichtete Schwarz. Aktuelle Daten zur Langzeitsicherheit über 5 Jahre liegen von knapp 4.200 Patienten aus einer gepoolten Analyse von 15 randomisierten kontrollierten Studien zu Apremilast vor. „Hier bestätigte sich das gute Verträglichkeitsprofil. Es zeigten sich auch über die Behandlungsdauer von 5 Jahren keine neuen Sicherheitssignale – weder im Hinblick auf schwere kardiale Ereignisse, schwerwiegende Infektionen noch auf Malignität“, so Schwarz abschließend.

Real-World-Daten zeigten höhere Zufriedenheit nach Wechsel auf Apremilast

„Daten aus dem Behandlungsalltag könnten die Erkenntnisse aus randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) sinnvoll ergänzen“, konstatierte Professor Michael Sticherling, Erlangen, und ergänzte: „RCTs sind bedeutsam, aber Real-World-Daten repräsentieren Patienten, die wir täglich in der Praxis sehen.“ Der Dermatologe präsentierte aktuelle Ergebnisse der prospektiven, nicht interventionellen APART-Studie, die den Nutzen einer Umstellung von Fumarsäureestern (FSE) auf Apremilast bei mittelschwerer bis schwerer PsO im Praxisalltag in Deutschland untersuchte. Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer PsO und ohne vorherige Behandlung (Biologika, FSE oder Apremilast) erhielten zunächst FSE und wurden 24 Wochen lang beobachtet. In der zweiten Studienphase wurden Patienten, die wegen mangelnder Wirksamkeit, Nebenwirkungen oder aus anderen Gründen von FSE auf Apremilast umgestellt wurden, weitere 32 Wochen lang beobachtet. Primärer Endpunkt war die von den Patienten angegebene Zufriedenheit mit der Apremilast-Behandlung, gemessen mit dem Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication (TSQM)-Gesamtscore in Woche 24 nach Umstellung auf Apremilast. Von den 681 eingeschlossenen Patienten setzten 77 % FSE ab und 39 % wechselten zu Apremilast, die meisten davon aufgrund von Nebenwirkungen (60 %) oder mangelnder Wirksamkeit (30 %). In der Apremilast-Gruppe wurden bereits in Woche 8 klinisch be-

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deutsame Verbesserungen und eine höhere Behandlungszufriedenheit beobachtet, die bis Woche 24 anhielten. Von den Patienten, die den Fragebogen zur Patientenpräferenz (Patient Preference Questionnaire, PPQ) in Woche 24 ausfüllten, bevorzugten 85 % Apremilast gegenüber der vorherigen FSE-Behandlung und hielten es für besser verträglich (79 %) und wirksamer (77 %). Der mittlere DLQI-Wert verbesserte sich unter der Apremilast-Therapie von 9,4 auf 4,6 in Woche 24. 38 % der Studienteilnehmer gaben in Woche 24 an, dass die verbleibende PsO keine oder wenig Auswirkungen auf ihre Lebensqualität habe (DLQI 0/1). 81 % berichteten über klinisch bedeutsame Verbesserungen unter der ApremilastBehandlung. „Die Zufriedenheit unter der Therapie mit Apremilast stieg deutlich an – die Umstellung von Fumarsäureestern bedeutet einen Gewinn in puncto Wirksamkeit und Verträglichkeit“, kommentierte Sticherling. Frühe Detektion und Behandlung einer PsA sind entscheidend

„Die PsA ist eine häufige assoziierte Erkrankung, selbst bei Patienten mit leichter PsO“, erinnerte Sticherling. „Es ist wichtig, PsOPatienten auf mögliche undiagnostizierte PsA-Symptome zu untersuchen und frühzeitig therapeutisch einzugreifen.“ Neue Daten der Phase-IV-Studie FOREMOST deuten darauf hin, dass die frühe oligoartikuläre PsA auf die Behandlung mit Apremilast anspricht. Die randomisierte, doppelblinde Parallelgruppen-Studie verglich Apremilast 30 mg 2 × täglich plus © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

Standardtherapie mit Placebo plus Standardtherapie bei Patienten mit oligoartikulärer PsA (>1, aber ≤4 druckschmerzempfindliche Gelenke und ≤4 geschwollene Gelenke) und früher Erkrankung (PsA-Dauer ≤5 Jahre). Die PsA bestand seit durchschnittlich 10 Monaten, 40 % der Patienten nahmen begleitend csDMARDs ein. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, die in Woche 16 eine modifizierte minimale Krankheitsaktivität in Bezug auf die Gelenke (Minimal Disease Activity, MDA-Joints) erreichten. Diesen Endpunkt erreichten 33,9 % der mit Apremilast und 16,0 % der mit Placebo behandelten Patienten (p = 0,0008). In Woche 16 zeigten 70,2 % der Patienten in der Apremilast-Gruppe ein Ansprechen, ausgedrückt im cDAPSA REM/ LDA (clinical Disease Activity in Psoriatic Arthritis Remission/Low Disease Activity) im Vergleich zu 51,8 % unter Placebo (p = 0,0017). Mehr Patienten erzielten mit dem PDE4-Hemmer (61,0 %) im Vergleich zu Placebo (41,8 %) ein gutes/moderates Ansprechen im PASDAS (Psoriasis Arthritis Dis­ ease Activity Score). „FOREMOST ist die erste globale randomisierte kontrollierte Studie, die ausschließlich die frühe oligoartikuläre PsA untersucht. Es zeigte sich, dass mit Apremilast plus Standardtherapie eine bessere Krankheitskontrolle erreicht werden kann: So war das Ansprechen auf die Gelenke in der Verumgruppe nach 16 Wochen etwa doppelt so hoch wie in der Placebogruppe“, resümierte Sticherling. „Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, das Therapiemanagement bei früher oligoartikulärer PsA zu verbessern.“ Elisabeth Wilhelmi, München

Rheumatoide Arthritis – bereits ab Woche 1 Schmerzreduktion unter Filgotinib Im Fokus des Galapagos-Symposiums beim Deutschen Rheumatologiekongress (DGRh) 2023 stand das Thema Schmerz bei rheumatoider Arthritis (RA). Die interdisziplinäre Diskussion eröffnete Professor Christoph Baerwald, Leipzig, mit den Ergebnissen der Kerndokumentation des deutschen Rheuma-Forschungszentrums, die zeigen, dass etwa 15 % der befragten Patientinnen und Patienten mit RA unter starken Schmerzen leiden. Diese beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen in den verschiedensten Bereichen – darunter die Mobilität und die Möglichkeit zur Selbstversorgung. „Entsprechend steht der Wunsch nach einer erfolgreichen Schmerztherapie bei RA-Patientinnen und -Patienten ganz oben“, unterstrich Baerwald. So gaben in einer Befragung von 254 RA-Betroffenen 42 % an, dass für sie „weniger Schmerz“ das wichtigste Therapieziel sei. Filgotinib adressiert den Schmerz bei RA

Dass der präferenzielle JAK1-Inhibitor Filgotinib (Jyseleca®*) in der Lage ist, RA-assoziierte Schmerzen schnell und anhaltend zu reduzieren, demonstrierte Professor Georg Pongratz, Regensburg, an* Jyseleca® ist angezeigt zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis bei erwachsenen Patienten, die auf ein oder mehrere krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs) unzureichend angesprochen haben oder diese nicht vertragen haben. Jyseleca® kann als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat angewendet werden.

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hand der FINCH-1-Studie: Beide Filgotinib-Dosierungen (100 mg und 200 mg) führten bis Woche 24 zu signifikanten Verbesserungen gegenüber Baseline auf der visuellen Analog-Skala (VAS) für Schmerz im Vergleich zu Placebo. Die Schmerzreduktion zeigte sich bereits ab Woche 2 und wurde über 52 Wochen aufrechterhalten. „Ein Teil der RA-Betroffenen spricht hervorragend auf JAK-Inhibitoren an“, berichtete Pongratz. In der FINCH-1-Studie erreichten 26,3 % der Teilnehmer unter Filgotinib 200 mg + Methotrexat (MTX) zusätzlich zur DAS28 (CRP**)-Remission eine VAS-Schmerzreduktion auf ≤10 mm im Vergleich zu 17,2 % unter Adalimumab + MTX. Unter Filgotinib 100 mg + MTX zeigten 17,9 % der Teilnehmer diese Remission und Schmerzreduktion. Mit 48,4 % erreichten darüber hinaus mehr RA-Betroffene unter Filgotinib 200 mg + MTX und vergleichbar viele Betroffene unter Filgotinib 100 mg + MTX (35,2 %) eine DAS28 (CRP)-Remission wie unter Adalimumab + MTX (35,7 %). Prospektive Real-World-Daten sprechen für Filgotinib

Diese Ergebnisse stehen laut Pongratz im Einklang mit einer Interimsanalyse der europaweit durchgeführten prospektiven Beobachtungsstudie FILOSOPHY, die 480 RA-Patienten im mittleren Alter von 57,6 Jahren erfasste. Über die Hälfte der Teilnehmer erhielt Filgotinib 200 mg oder 100 mg als Monotherapie. Die Auswertung zeigte, dass auch im Praxisalltag der Schmerz unter ** DAS28 = Disease Activity Score 28; CRP = C-reaktives Protein © VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE / WISSENSWERTES

einer Filgotinib-Therapie rasch zurückging – hier bereits in der ersten Behandlungswoche. Der Effekt auf den Schmerz hielt über die Beobachtungsdauer von bisher 6 Monaten an.

Studie untersuchte 242 RA-Patienten der deutschen Kohorte, die im Durchschnitt 57,3 Jahre alt waren. 92,1 % von ihnen waren mit mindestens einem konventionellen synthetischen DMARD (Disease Modifying Anti-Rheumatic Drug) vorbehandelt. Nach 6 Monaten unter Filgotinib war neben den positiven Effekten auf die Schmerzen auch die Krankheitsaktivität zurückgegangen: 58,3 % der RAPatienten erreichten eine DAS28

(CRP)-Remission und 28 % eine Remission des CDAI (Clinical Disease Activity Index). Die Verminderung der Krankheitsaktivität war bereits nach einem Monat unter Filgotinib messbar. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass Filgotinib als Monotherapie oder in Kombination mit konventionellen synthetischen DMARDs (csDMARDs) ähnlich wirksam ist. Fabian Sandner, Nürnberg

Die STIKO hat daher ihre COVID19-Impfempfehlung aktualisiert: • Personengruppen mit erhöhtem Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf werden zusätzlich zur Basisimmunität jährliche Auffrischimpfungen empfohlen. Diese sollen präferentiell mit Varianten-adaptierten Impfstoffen und in der Regel in einem Mindestabstand von jeweils 12 Monaten zur letzten Impfung oder Infektion erfolgen. Es soll vorzugsweise im Herbst geimpft werden, damit vulnerable Personen auch bei möglicherweise steigenden Infektionszahlen im Herbst und Winter bestmöglich geschützt sind. Das gilt für Personen ab 60 Jahren, Bewohnern in Einrichtungen der Pflege und Personen ab dem Alter von 6 Monaten mit Grundkrankheiten, die mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe einhergehen. Dieselbe Empfehlung zur jährlichen Auffrischimpfung gilt für Personen mit einem erhöhten beruflichen SARS-CoV-2 Infektionsrisiko in der medizinischen und pflegerischen Versorgung.

• Personen ohne Grunderkrankungen zwischen 18 und 59 Jahren (inkl. Schwangeren) empfiehlt die STIKO eine Grundimmunisierung plus eine Auffrischimpfung, um die Basisimmunität aufzubauen. Für einen guten und andauernden Schutz ist wichtig, dass das Immunsystem mindestens dreimal Kontakt mit Antigenen des Erregers (Impfung) oder dem Erreger selbst hat (Infektion). Mindestens zwei dieser Kontakte sollten durch Impfungen erfolgen. • Für gesunde Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird keine routinemäßige COVID-19-Impfung (Grund­ immunisierung oder Auffrischimpfung) empfohlen. Unter den Omikron-Varianten hat sich die Erkrankungsschwere (inkl. potenzieller Langzeitfolgen) in dieser Altersgruppe hin zu überwiegend milden oder asymptomatischen Verläufen entwickelt. Die bis dato vorliegende Evidenz zeigt, dass SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen in aller Regel problemlos verlau-

Update zur FILOSOPHY-Studie

Eine beim DGRh-Kongress 2023 als Poster präsentierte weitere Interimsanalyse der FILOSOPHY-

COVID-19-Impfung in die allgemeinen STIKOImpfempfehlungen aufgenommen Die epidemiologische Situation von COVID-19 hat sich im Verlauf der vergangenen 3 Jahre stark verändert. SARS-CoV-2 zirkuliert zwar weiterhin in der Bevölkerung, doch schwere Verläufe sind durch die erreichte Basisimmunität deutlich seltener geworden. Das ist insbesondere ein großer Erfolg der Impfung, aber teilweise auch Ergebnis einer Immunität durch Infektionen. Trotzdem bleibt COVID-19 vor allem für ältere Menschen und vorerkrankte Personen ein Risiko. Die neue Impfempfehlung der STIKO folgt diesen neuen Voraussetzungen. Ziel der aktualisierten STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung ist es weiterhin, schwere COVID-19-Verläufe zu verhindern, mögliche Langzeitfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen in der gesamten Bevölkerung so weit wie möglich zu reduzieren sowie Beschäftigte in der medizinischen und pflegerischen Versorgung vor SARS-CoV-2-Infektionen zu schützen.

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WISSENSWERTES

fen. Die STIKO empfiehlt daher eine Impfung in dieser Altersgruppe jetzt nicht mehr. Es bestehen jedoch keine Sicherheitsbedenken bei der Impfung von gesunden Kindern und Jugendlichen. • Bei immundefizienten Personen mit einer relevanten Ein-

schränkung der Immunantwort können zusätzliche Impfstoffdosen in kürzerem Abstand sinnvoll sein. Die Entscheidung über weitere Impfungen trifft der/die behandelnde Arzt/Ärztin, ggf. unter Berücksichtigung der Bestimmung spezifischer Antikörper.

Ausführliche Informationen finden sich im Epidemiologischen Bulletin 21/2023: www.rki.de/DE/Content/Infekt/ EpidBull/Archiv/ 2023/Ausgaben/ 21_23.pdf?__blob= publication File RKI

Titelbild: Quelle iStock Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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„Dank Ihnen wieder ein Alltagsheld!“

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Here with you

* Signifikante Wirksamkeit auf die PsA-Manifestationen nach GRAPPA und Symptome der axSpA.1 PsA: angezeigt für Erwachsene mit aktiver Psoriasis-Arthritis nach DMARDs, in Monotherapie oder in Kombination mit MTX. axSpA: angezeigt für die Behandlung von Erwachsenen mit aktiver AS nach konventioneller Therapie und mit aktiver nr-axSpA mit objektiven Entzündungsanzeichen nach NSAR. 1. Fachinformation Cosentyx®. Cosentyx® 75 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 150 mg Injektionslösung in einem Fertigpen, Cosentyx® 300 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 300 mg Injektionslösung in einem Fertigpen. Wirkstoff: Secukinumab (in Ovarialzellen d. chines. Hamsters [CHO-Zellen] produzierter, gg. Interleukin-17A gerichteter, rekombinanter, vollständig humaner monoklonaler Antikörper d. IgG1/κ-Klasse). Zus.-setz.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 1 Fertigspritze enthält 75 mg Secukinumab in 0,5 ml bzw. 1 Fertigspritze/ Fertigpen enthält 150 mg Secukinumab in 1 ml bzw. 300 mg Secukinumab in 2 ml. Sonst. Bestandt.: Trehalose-Dihydrat, Histidin, Histidinhydrochlorid-Monohydrat, Methionin, Polysorbat 80, Wasser f. Inj.-zwecke. Anwend.: Behandl. v. Kindern u. Jugendl. ab 6 J. mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, d. für eine system. Therapie in Frage kommen. Behandl. v. Kindern u. Jugendl. ab 6 J. mit Enthesitisassoziierter Arthritis od. juveniler Psoriasis-Arthritis, allein od. in Kombination mit Methotrexat (MTX), wenn Erkrankung unzureich. auf eine konventionelle Therapie angesprochen hat od. d. diese nicht vertragen. 150/300 mg Injektionslösung zusätzl.: Behandl. erw. Pat. mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, d. für eine system. Therapie in Frage kommen. Behandl. erw. Pat. mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Hidradenitis suppurativa (Acne inversa), d. auf eine konventionelle system. HS-Therapie unzureichend angesprochen haben. Behandl. erw. Pat. mit aktiver Psoriasis-Arthritis, allein od. in Kombination mit MTX, wenn d. Ansprechen auf eine vorhergeh. Therapie mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) unzureich. gewesen ist. Behandl. erw. Pat. mit aktiver ankylosierender Spondylitis, d. auf eine konventionelle Therapie unzureich. angesprochen haben. Behandl. erw. Pat. mit aktiver nicht-röntgenolog. axialer Spondyloarthritis mit objektiven Anzeichen d. Entzündung, angez. durch erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) u./od. Nachweis durch Magnetresonanztomographie (MRT), d. unzureich. auf nichtsteroid. Antirheumatika (NSAR) angesprochen haben. Gegenanz.: Überempfindlichkeit gg. d. Wirkstoff od. einen d. sonst. Bestandt. Klinisch relevante, aktive Infekt. (z. B. aktive Tuberkulose). Nebenw.: Sehr häufig: Infekt. d. oberen Atemwege. Häufig: Oraler Herpes. Kopfschmerzen. Rhinorrhö. Diarrhö, Übelkeit. Ermüdung. Gelegentl.: Orale Candidose, Otitis externa, Infekt. d. unteren Atemwege, Tinea pedis. Neutropenie. Konjunktivitis. Entzündl. Darmerkrankungen. Dyshidrot. Ekzem. Urtikaria. Selten: Anaphylakt. Reakt. Exfoliative Dermatitis, Hypersensitivitätsvaskulitis. Häufigkeit nicht bekannt: Mukokutane Candidose (einschl. ösophageale Candidose). Pyoderma gangraenosum. Verschreibungspflichtig. Weit. Angaben: S. Fachinformationen. Stand: Mai 2023 (MS 05/23.23). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de


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