Journal 2023-04

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 32 HEFT 4 September 2023

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Virtual-Reality-Simulationstraining für die Schlaganfallbehandlung Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® plus Bevacizumab als neue Option für die Drittlinienbehandlung Vitiligo zielgerichtet mit Ruxolitinib-Creme behandeln Individualisierte kognitive Verhaltenstherapie statt Opioide bei Rückenschmerzen Secukinumab bei Spondyloarthritiden – eine Alternative bei fehlendem Therapieansprechen 10 Jahre HyQvia® – die moderne Kombination aus Immunglobulinen und Hyaluronidase CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel – eine neue Option für die Zweitlinientherapie des r/r DLBCL Multiple Sklerose: Subkutane Injektion von Natalizumab ist intravenöser Applikation nicht unterlegen

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PERFUSION


Opzelura® ist die erste und einzige zugelassene Therapie für die Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo* • Opzelura® ist der erste und einzige zugelassene topische JAK-Inhibitor1 • Nach knapp einem Jahr erreicht jeder zweite Patient eine 75%ige Verbesserung der Repigmentierung im Gesicht2 • Opzelura® wurde gut vertragen und und führte zu wenigen behandlungsbedingten Studienabbrüchen2 • Opzelura® ist eine schnell einziehende Creme, die auch auf sensitive Bereiche aufgetragen und mit Make-Up und Sonnencreme# kombiniert werden kann2

Scannen, um mehr zu erfahren * Opzelura® wird angewendet zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren.1 # Sonnencreme sollte frühestens 2 Stunden nach der Anwendung von Opzelura® aufgetragen werden.1 Referenzen: 1. Aktuelle Fachinformation Opzelura®. 2. Rosmarin D, Passeron T, Pandya AG, et al. Two Phase 3, randomized, controlled trials of ruxolitinib cream for vitiligo. N Engl J Med. 2022;387(16):1445-1455. OPZELURA® 15 mg/g Creme Wirkstoff: Ruxolitinib (als Phosphat) Bevor Sie Opzelura® verschreiben, lesen Sie bitte die vollständige Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein Gramm der Creme enthält 15 mg Ruxolitinib (als Phosphat). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Propylenglykol (E1520) 150 mg/g der Creme, Cetylakohol (Ph.Eur.) 30 mg/g der Creme, Stearylalkohol (Ph.Eur.) 17,5 mg/g der Creme, Methyl-4-hydroxybenzoat (E218) 1 mg/g der Creme, Propyl-4-hydroxybenzoat (Ph.Eur.) 0,5 mg/g der Creme, Butylhydroxytoluol (als Antioxidationsmittel in weißem Vaselin) (E321). Weitere sonstige Bestandteile: Dimethicon (E900),Natriumedetat (Ph.Eur.) (E385),Glycerolstearate SE,Macrogol,mittelkettigeTriglyceride,dünnflüssiges Paraffin (E905),weißesVaselin (E905),Phenoxyethanol (Ph.Eur.), Polysorbat 20 (E432), gereinigtes Wasser, Xanthangummi (E415). Anwendungsgebiete: Opzelura® wird angewendet zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft und Stillzeit. Nebenwirkungen: Häufige Nebenwirkungen (≥ 1/100, < 1/10): Akne an der Applikationsstelle. Verkaufsabgrenzung: Deutschland: Verschreibungspflichtig. Österreich: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Dermatika, Mittel zur Behandlung der atopischen Dermatitis, exklusive Corticosteroide, ATC-Code: D11AH09. Inhaber der Zulassung/pharmazeutischer Unternehmer: Incyte Biosciences Distribution B.V., Paasheuvelweg 25, 1105 BP Amsterdam, Niederlande. Weitere Informationen: Ausführliche Informationen zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Dosierung und Art/Dauer der Anwendung entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Stand: 05/2023 © 2023, Incyte Biosciences Germany GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Erstellungsdatum: April 2023. DE/RUXO/P/23/0012


EDITORIAL

Ende 2021, also fast 2 Jahre nach Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie, lagen dem Robert Koch-Institut (RKI) gut 7 Millionen durch einen PCR-Test bestätigte Infektionen mit dem „neuartigen Virus“ vor. Diese Zahl dürfte nahe an der Realität gewesen sein, da bis Ende 2021 PCRTests bei Verdacht und vielfach auch bei symptomfreien Personen durchgeführt wurden. Die Dunkelziffer war deshalb eher niedrig (Größenordnung vielleicht 10 %), es dürfte sich also bis Ende 2021 etwa jeder 10. Bundesbürger mit Corona infiziert haben. Ein Jahr später, Ende 2022, war die Zahl der dem RKI gemeldeten, durch PCR-Test gesicherten Infektionen auf etwa 37,5 Millionen gestiegen. Allerdings liefen schon in den ersten Monaten des Jahres 2022 die bis dato strengen CoronaSchutzverordnungen aus und es ließen sich zunehmend weniger Menschen mit (leichten) Symptomen testen, und wenn, dann kam oft ein billiger Schnelltest zur Anwendung, kein RKI-relevanter PCR-Test. Infolgedessen schätzten führende Epidemiologen die Dunkelziffer im Jahr 2022 eher in einer Dimension von 100 % ein – auf jede PCR-bestätigte Infektion kam wohl etwa eine weitere, die nicht in die Statistik einfloss. Warum ist das so wichtig? Weil wohl allein 2022 de facto 60 Millionen Corona-Infektionen dazugekommen sein dürften (inzwischen wuchs natürlich auch die Zahl der Mehrfachinfizierten), d.h., die meisten Menschen in Deutschland hatten 2022 Kontakt mit dem Virus. Parallel dazu waren dann mindestens 70 % der Bevölkerung zweimal geimpft. Beides zusammen erklärt ziemlich schlüssig den Befund, dass inzwischen „fast alle“ bezüglich SARSCoV-2 seropositiv sind. Aus dem „neuartigen Coronavirus“ ist ein endemisches Virus geworden, eine weitere virale Atemwegserkrankung, mit der wir leben müssen, die aber viel von ihrem Schrecken (insbesondere quoad vitam) verloren hat. Auch wenn im August 2023 dem RKI immer noch etwa genauso

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Die Pandemie geht, Long-COVID bleibt viele Todesfälle durch Corona gemeldet wurden wie Menschen in Deutschland im selben Zeitraum bei Verkehrsunfällen umgekommen sind, ist die Lage inzwischen ziemlich entspannt – Corona wurde von einem Hurrikan der höchsten Stufe auf ein normales Gewitter zurückgestuft. Die Impfempfehlung für diesen Herbst und Winter unterscheidet sich nicht mehr von der gegen Influenza. Unverändert problematisch sind aber die Komplikationen im Gefolge einer solchen Infektion, die man lange als Long-COVID (Symptome bleiben über viele Wochen) bzw. PostCOVID (neue Symptome setzen Wochen nach der vermeintlichen Genesung ein) unterschieden hat, inzwischen aber häufiger gemeinsam als PASC-Syndrom (Post Acute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection) oder einfach als „Long-COVID“ bezeichnet. Charakteristisch ist, dass die klinische Symptomatik (und v.a. die subjektiven Beschwerden) sich so bunt und wechselnd darstellen, dass es bis heute nicht gelingt, bestimmte Pathologien konkreten Störungen zuzuordnen und in Konsequenz zielgerichtet (erfolgreich) zu behandeln. Immer klarer wird, dass Long-COVID nicht für eine einzige Erkrankung steht, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Pathologien ist [1]. Besonders problematisch: ein außer Rand und Band geratenes Immunsystem („immune system gone haywire“) [1]. Gut vorstellbar, dass die Zellen vieler verschiedener Gewebe und Organe Schaden nehmen, entweder durch Autoimmunaktivitäten oder als Folge der natürlichen Reaktion des Körpers auf ein aktiviertes Immunsystem: die Entzündung.

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Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

3 der 5 Kardinalsymptome der Entzündung, nämlich Schwellung (Tumor), Schmerz (Dolor) und eine eingeschränkte Funktion (Functio laesa) sind nicht notwendigerweise auf einen zirkumskripten entzündeten Bereich beschränkt, sondern können überall (gleichzeitig oder zeitversetzt) auftreten. Großräumigere, auch blande Schwellungen, die immer mit einer Zunahme des Binnendrucks einhergehen, können nutritive Prozesse empfindlich stören und einen Teufelskreis unterhalten. Eine solche relativ unspezifische, systemische Pathologie dürfte auch massive Auswirkungen auf viele autonom gesteuerte Regelkreise haben. Und tatsächlich thematisiert die wohl bedeutendste aktuelle Long-COVID-Zwischenbilanz detailliert das Problem der „Dysautonomie“ [2], ein „unscharfer Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, welche die Funktion des autonomen Nervensystems beeinträchtigen,

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INHALT

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das die unwillkürlichen Körperprozesse steuert“ [3]. Das würde erklären, warum man sich so schwer tut herauszufinden, welches Instrument genau falsch spielt im Orchester. Vielleicht ist es ja gar keiner der Musiker, sondern der Dirigent … Diese für Betroffene mit massiven Einbußen an Lebensqualität einhergehenden Funktionsstörungen multipler vegetativer Regelkreise, die sich als eine wesentliche „Ursache“ einer Long-COVID-Symptomatik herauskristallisieren, sind übrigens nicht spezifisch für Long-COVID und neu schon gar nicht. „Chronic Fatigue Syndrome“ wurde bereits 1990 als definierter Begriff in den Schlagwort-Katalog von Medline, die sog. MeSH-Terms, aufgenommen und u.a. mit folgenden Begriffen als Synonyme verlinkt: Chronic Fatigue and Immune Dysfunction Syndrome, Myalgic Encephalomyelitis, Systemic Exertion Intolerance Disease und Postviral Fatigue Syndrome. In der Tat scheint der Körper auf nicht wenige Viren ähnlich zu reagieren, z.B. diverse Arboviren, Herpes, Epstein-Barr, Zytomegalie, Coxackie B und andere mehr. Epidemiologisch gesehen sprengt Long-COVID mutmaßlich alle Dimensionen. Die anderen genannten Virusinfektionen haben eine Lebensinzidenz von weniger als 1, mit dem Atemwegsvirus SARS-CoV-2 dürfte sich künftig jeder von uns alle 1, 2 oder 3 Jahre infizieren. Die jährliche Inzidenz an Long-COVID dürfte deshalb perspektivisch das Zigfache des klassischen „Postviral Fatigue Syndroms“ betragen. Sich schützen und sich impfen lassen bleibt bis auf Weiteres das Gebot der Stunde! Karl-Ludwig Resch, Nürnberg Quellen 1 Couzin-Frankel J. Clues to long COVID. Science. 2022;376:1261-1265 2 Davis HE et al. Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. Nat Rev Microbiol 2023;21:133146 3 h ttps://flexikon.doccheck.com/de/ Dysautonomie

ORIGINALARBEIT Virtual-Reality-Simulationstraining für die Schlaganfallbehandlung 104 Servet Yilmaz, Jan Sobesky, Waltraud Pfeilschifter, Annica Stähly, Joris Klause, Daniel Kalanovic

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® plus Bevacizumab als neue Option für die Drittlinienbehandlung 108 Vitiligo zielgerichtet mit Ruxolitinib-Creme behandeln

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Individualisierte kognitive Verhaltenstherapie statt Opioide bei Rückenschmerzen

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Secukinumab bei Spondyloarthritiden – eine Alternative bei fehlendem Therapieansprechen

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL 10 Jahre HyQvia® – die moderne Kombination aus Immunglobulinen und Hyaluronidase

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CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel – eine neue Option für die Zweitlinientherapie des r/r DLBCL

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Multiple Sklerose: Subkutane Injektion von Natalizumab ist intravenöser Applikation nicht unterlegen 118

RUBRIKEN Wissenswertes 113, 117, 130 Kongresse 120

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KLARHEIT SCHAFFEN. Dank Ihrer Diagnose und Ihrer Wahl der passenden Therapie.

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Medikinet® adult · Schnelle Anflutung innerhalb von ca. 30 Minuten1 · Flexible Wirkdauer von 8 bis 16 Stunden1,2

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Medikinet® adult 5 mg, 10 mg, 20 mg, 30 mg, 40 mg, 50 mg, 60 mg. Wirkst.: Methylphenidathydrochlorid. Zus.setzg.: 1 Hartkps. enthält Methylphenidathydrochlorid 5 mg/10 mg/20 mg/30 mg/40 mg/50 mg/60 mg. Sonst. Best.teile: Kps.inhalt: Sucrose, Maisstärke, Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer, Talkum, Triethylcitrat, Poly(vinylalkohol), Macrogol 3350, Polysorbat 80, Na-hydroxid, Na-dodecylsulf., Simeticon, hochdispers. Sidioxid, Methylcellul., Sorbinsäure, Indigocarmin-Al-hydroxid. Kps.hülle: Gelatine, Ti-dioxid, Na-dodecylsulfat, Ger. Wasser; zusätzl. b. 10 mg u. 20 mg: Erythrosin, Patentblau V; zusätzl. bei 30 mg, 40 mg, 50 mg u. 60 mg: Erythrosin, Fe(II, III)-oxid, Indigocarmin. Anw.: Im Rahmen einer therap. Ges.strategie zur Behandl. einer seit Kindesalter fortbest. Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei Erw. ab 18 J., wenn sich and. therap. Maßn. allein als unzureich. erwiesen haben. Die Behandl. Muss unter Aufsicht e. Spezialisten f. Verh.störungen durchgef. werden. Die Diagn. sollte anhand der gültigen DSM-Krit. o. Richt. in ICD-10 gestellt werden u. basiert auf e. vollst. Anamn. u. Unters. d. Pat. Diese schließen ein strukturiertes Interview inkl. SB-Skalen zur Erfassung d. akt. Sympt. d. Pat. ein. Die retrosp. Erf. d. Vorbest. e. ADHS im Kindesalt. muss anhand val. Instr. erfolgen. Die Diagn. darf sich nicht allein auf das Vorhandens. eines o. mehrerer Sympt. stützen. Gegenanz.: Überempfindlichkeit gg. den Wirkstoff o. einen der sonst. Bestandt.; Glaukom; Phäochromozytom; während od. inn. v. mind. 14 Tagen n. Einn. v. MAO-Hemmern; Hyperthyreose o. Thyreotoxikose; Diagn. o. Anamn. v. schw. Depr.; Anorexia nerv./anorekt. Störg.; Suizidneig.; psychot. Sympt.; schw. affekt. Störg.; Manie; Schizophr.; psychopath./Borderline-Pers.k.störg.; Diagn. o. Anamn. v. schw. u. episod. (Typ I) bipol. affekt. Störg.; vorbest. Herz-Kreislauf-Erkr. einschl. schw. Hypertonie, Herzinsuffizienz, art. Verschlusskrankh., Angina pec., hämodyn. signifik., angeb. Herzfehler, Kardiomyopathien, Myokardinf., Arrhythmien u. Kanalopathien; vorbest. zerebrovaskul. Erkrank.; bek. ausgepr. Anazidität d. Magens mit pH-Wert > 5,5, bei H2-Rezeptorenblocker- o. Antazidatherapie, Protonenp.-Inhibit.. Nebenw.: Sehr häufig: Appetitminderung; Schlaflosigk., Nervos.; Kopfschm.; Nausea, Mundtrockenh. Häufig: Nasopharyng.; Anorexie, mäßige Vermind. Gewichts-und Größenzunahme b. längerer Anw. b. Kindern; abnormes Verhalten, Aggression, Affektlab., Agitiertheit, Ängstlichkeit, Depression, Reizbark., Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Libidoabnahme, Panikattack., Stress, Bruxismus; Tremor, Somnolenz, Schwindel, Dyskinesie, psychomot. Hyperakt.; Tachykardie, Palpitationen, Arrythmie; Hypertonie, periphere Kälte; Husten, Rachen- u. Kehlkopfschm., Dyspnoe; Bauchschm., Durchfall, Magenbeschw. u. Erbrechen; Dyspepsie, Zahnschm.; Hyperhidrose, Haarausfall, Pruritus, Hautausschl., Urtikaria; Arthralgie; Fieber, Wachstumsverzögerung unter längerer Anw. b. Kindern, Gefühl der inneren Unruhe, Fatigue, Durst; Veränd. v. Blutdr.u. Herzfreq., Gewichtsabnahme. Gelegentlich: Gastroenteritis; Überempf.keitsreakt., wie z. B. angioneurot. Ödem, anaphylakt. Reakt., Ohrschwellung, bullöse u. exfol. Hauterkrank., Urtikaria, Juckreiz, Hautausschläge u. Eruptionen; Hypervigilanz, auditive, visuelle. u. takt. Halluzinationen, Stimmungsänd. u. -schwankungen, Zorn, Suizidgedanken, Weinerlichk., psychotische Erkrankungen, Tics, Verschlecht. vorbesteh. Tics o. des Tourette-Syndroms, Anspannung; Sedierung, Akathisie; Diplopie, verschw. Sehen; Brustschmerzen; Verstopfung; Anstieg v. Leberenzym.; angioneurotisches Ödem, bullöse Hauterkrankungen, exfoliative Hauterkrankungen; Myalgie, Muskelzucken, Muskelverspann.; Hämaturie; Herzgeräusch. Selten: Manie, Desorientierth., Libidostörungen.; Probl. b. d. Augenakkommodat., Mydriasis, Sehstörg.; Angina pec.; makul. Hautausschl., Erythem; Gynäkomastie. Sehr selten: Leukopenie, Thrombozytopenie, Anämie, thrombozytop. Purpura; Suizidvers. (einschl. vollend. Suizid), vorüberg. depr. Verstimmung, anorm. Denken, Apathie, stereotype Verh.weisen, Überfokussierung; Krampfanf., choreo-athetoide Beweg., revers. ischäm. neurol. Defizit, NMS (schwach dokumentiert); Herzstillst., Myokardinf.; zerebr. Arteriitis u./o. Hirngef.verschl., Raynaud- Phänom.; gestört. Leberfunkt. einschl. hepat. Koma; Erythema multif., exfoliat. Dermatitis, fix. AM-Exanthem; Muskelkrämpfe; plötzl. Herztod; erhöhte alkal. Phosphatase u. erh. Bilirubin im Blut; red. Thromboz.zahl, anorm. Zahl d. weißen Blutkörp. Nicht bekannt: Panzytopenie; Wahnvorstell., Denkstörungen, Verwirrtheitszust., Logorrhö; zerebrovask. Erkrank. (einschl. Vaskulitis, Hirnblutungen, Schlaganf., zerebr. Arteriitis, Hirngefäßverschluss), Grand-Mal-Anfälle, Migräne, Dysphemie; supraventrikul. Tachykardie, Bradykardie, ventrikul. Extrasystolen, Extrasystolen; Epistaxis; Trismus; Inkontinenz; Menstruationsstörungen, erektile Dysfunktion, Priapismus, verstärkte Erektion und Dauererektion; Thoraxbeschw., Hyperpyrexie. Hinw.: Es wurden Fälle v. Missbrauch u. Abhängigk. beschrieben, öfter b. sofort freisetzenden Darreichungsformen. Warnhinw.: Enth. Sucrose. Verschreibungspflichtig. Weitere Hinw. s. Fachinfo. Stand: 04/2023. MEDICE Pharma GmbH & Co. KG, Kuhloweg 37, 58638 Iserlohn. www.adhs-infoportal.de * Bezogen auf Abverkaufszahlen. Insight Health Fusion 03/2023. 1 Fachinformation Medikinet adult, Stand 04/2023; 2 bei einer 2x-Gabe


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ZUSAMMENFASSUNG Simulationen werden routinemäßig als Vorbereitung für komplexe Situationen in Bereichen mit hoher Verantwortung eingesetzt, z.B. in der Aus- und Weiterbildung von Berufspiloten. Auch der Schlaganfall ist eine hochkomplexe Situation, bei der Zeit und eingeübte Abläufe eine entscheidende Rolle spielen und zahlreiche Spezialisten zusammenarbeiten. Im Rahmen des hier erstmals vorgestellten Simulationstrainings wird eine realitätsnahe Akutversorgung im Team mithilfe von Virtual Reality erzeugt, um darin die Abläufe gezielt und wiederholt zu üben. Durch ein anschließendes 360°-Feedback können optimierte Abläufe die Therapie für den Patienten verbessern und die effektive Kommunikation im Team sowie den Umgang mit dem Patienten fördern. Schlüsselwörter: medizinische Fortbildung, virtuelle Realität, Schlaganfall, Simulationstraining, Gamifizierung

Virtual-RealitySimulationstraining für die Schlaganfallbehandlung Servet Yilmaz, Jan Sobesky, Waltraud Pfeilschifter, Annica Stähly, Joris Klause, Daniel Kalanovic Pfizer Pharma GmbH, Berlin

F

ür Schlaganfall-Patienten zählt jede Minute [1]. Das praktische Erlernen von Kompetenzen im Bereich Schlaganfall war – neben der praktischen klinischen Erfahrung – bis dato nur theoretisch oder in einem Rollenspiel (simuliertem Training) im Krankenhaus möglich. Eine neue Form des Simulationstrainings nutzt die innovativen digitalen Möglichkeiten der VR-Technologie. Aus anderen Bereichen mit hoher Verantwortung und Komplexität wie z.B. der professionellen Luftfahrt wissen wir, dass Simulationstrainings einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit leisten [2]. Auch für angehende Fachärzte sind simulierte Trainings von entscheidender Bedeutung, um ihre Fähigkeiten zu trainieren und sie auf realistische Anwendungsfälle vorzubereiten [3]. Sie bieten den Assistenzärzten ein sicheres Umfeld, um Erfahrungen zu sammeln, routinierte Arbeitsabläufe zu erlernen und Feedback aus verschiedenen Perspektiven zu erhalten. Bohmann et al. untersuchten 2021 in ihrer STREAM-Studie den Effekt des Simulationstrainings zur Bewertung und Behandlung akuter Schlaganfälle anhand von standardisierten Kriterien. Vor

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allem die sogenannte „Door-toGroin-Zeit“ ist ein relevanter Parameter, weil er beschreibt, wie viel Zeit seit der Einlieferung (Door) vergeht, bis ein Katheter in die Leiste (Groin) des Patienten zur endovaskulären Therapie eingesetzt werden kann. Über einen Zeitraum von fast 2 Jahren konnten an mehreren Kliniken mit simulationserfahrenen Teams signifikant kürzere Door-to-GroinZeiten erzielt werden. Die Studie zeigte eine durchschnittliche Verbesserung der Door-to-GroinZeiten um 21 Minuten auf. Zudem verbesserten sich das Sicherheitsund Teamarbeitsklima sowie die Arbeitszufriedenheit der Teilnehmer [4]. Es ist jedoch anzumerken, dass es sich bei dieser Studie nicht um ein Virtual Reality-Simulationstraining handelte.

VR-Technologie eröffnet neue Möglichkeiten der Fortbildung

Pfizer engagiert sich seit Jahren in der Fortbildung junger Ärzte im Bereich Schlaganfall und entwickelt diese – vor allem mithilfe neuer digitaler Möglichkeiten – beständig weiter. Dabei wird © VERLAG PERFUSION GMBH


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Beobachter Arbeitsabläufe

Beobachter Kommunikation

Instruktor

Patient

Simulationstraining Pfleger

Radiologe

Neurologe

Abbildung 1: Simulationstraining mit 7 Rollen, wobei 4 Rollen eine VR-Brille tragen.

verstärkt darauf geachtet, neue Formen der Zusammenarbeit einzubinden und Fortbildungsinhalte einfach, ortsunabhängig, spielerisch, in Echtzeit, realitätsnah und vor allem digital darzustellen [5]. Eine spannende Entwicklung in diesem Bereich ist der Einsatz der Virtual-Reality(VR-)Techniken. Das Virtual-Reality-Simulationstraining ermöglicht es den Assistenzärzten, dank der immersiven Wirkung der VR-Technologie Situationen sehr realistisch wahrzunehmen und Szenarien zu erleben, die in der Realität nur schwer oder kostenintensiv simuliert werden können [6]. Durch realitätsnahe Simulationen [7] lässt sich die Stresssituation eines Schlaganfalls nachstellen und die Abläufe können gezielt erprobt werden. Ziel ist es, die Arbeitsabläufe beim Schlaganfall zu verinnerlichen, um im Ernstfall routiniert handeln zu können. Realistische VR-Simulationen und teambasierte Zusammenarbeit

In diesem Virtual-Reality-Simulationstraining wird ein Schlaganfall

im Zeitfenster mit einem schweren Hemisphärensyndrom rechts dargestellt. Für einen immersiven Einstieg ins Training schildert ein Notarzt den fiktiven Fall eines 78-jährigen Patienten mit Sprachstörungen und Lähmungserscheinungen. Am Rollenspiel nimmt ein interdisziplinäres Team aus 7 Personen teil, denen die folgenden Rollen zugeteilt werden: der Instruktor, der Patient, der Pfleger, der Neurologe, der Radiologe sowie der Beobachter für die Kommunikation und der Beobachter für die Arbeitsabläufe (Abb. 1). In der Simulation tragen der Patient, der Pfleger, der Neurologe und der Radiologe eine VRBrille, während die Beobachter die Handlungen über eine Bildschirmübertragung an einem Monitor verfolgen. Dabei haben die Beobachter die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Sichtweisen der anderen Rollen auf dem Monitor zu wechseln. Die 4 Assistenzärzte in der Virtual Reality befinden sich räumlich zuerst im Schockraum einer Notaufnahme, bevor sie weiter in den CTUntersuchungsraum gehen. Über Controller in den Händen werden

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SUMMARY Simulations are routinely used as preparation for complex situations in areas of high responsibility, e.g. in the training of pilots. As well as stroke is a highly complex situation in which time and processes play a decisive role with many specialists working together. Within this simulation training, presented here for the first time, a realistic acute stroke situation is recreated using virtual reality to practice and repeat specific procedures. Subsequent 360° feedback can improve time-critical processes, optimize therapy for the patient, and ensure effective communication within the team and in interactions with the patient. Keywords: medical education, virtual reality, stroke, simulation training, gamification

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Trainingsablauf in drei Phasen

Abbildung 2: Die Phase 2 des Simulationstrainings in der Schlaganfall-Akutversorgung ermöglicht es der Neurologin, den Patienten zu anamnestizieren.

entsprechende Handlungen gesteuert. Dabei können die Teilnehmer nicht nur die Hände ihres eigenen Avatars sehen, sondern auch die der anderen Team-Mitglieder, mit denen sie die gesamte Zeit kommunizieren und interagieren. Die Assistenzärzte können sich frei im Trainingsbereich bewegen. Alle Schritte, von der Notaufnahme, über Anamnese und Bildgebung bis hin zur Therapieentscheidung werden geübt. Während der Anamnese werden bereits die nächsten Schritte geplant: Der Radiologe, der Teil des Teams ist, wird im Rollenspiel telefonisch kontaktiert, die Werte werden durchgegeben und das CT wird vorbereitet. Das Ganze geschieht unter großem Zeitdruck – 10 Minuten bleiben dem Team im Schockraum der Notaufnahme, bevor es in die Radiologie geht, wo sich aufgrund des CT-Befundes der Verdacht auf einen Gefäßverschluss erhärtet und die ersten Maßnahmen zur Thrombektomie, dem mechanischen Entfernen des Blutgerinnsels, eingeleitet werden.

Das Training besteht aus drei Phasen und dauert insgesamt 60 Minuten: • Phase 1 beinhaltet ein kurzes technisches Tutorial und einen emotionalen Einstieg in das Szenario durch die Übernahme des Patienten vom Rettungsdienst. • In Phase 2 erfolgt das medizinische Training wie oben beschrieben. Es umfasst die Bereiche Notaufnahme, Anamnese, Bildgebung und Therapieentscheidung. Abbildung 2 zeigt die Situation bei der Anam­nese. • In Phase 3 des Trainings findet eine umfassende Auswertung statt. Neben der wichtigen Door-to-Groin-Zeit werden die Kompetenzen und Leistungen aus verschiedenen Perspektiven in einem 360°-Feedback bewertet. Dazu gehören die Erkenntnisse der Beobachter, die die Kommunikation und Arbeitsabläufe während des Trainings evaluiert haben. Das Training des Notfalls mithilfe der Virtual-Reality-Simulationen wurde bei Pilotveranstaltungen mit angehenden Fachärzten positiv evaluiert. Der Net Promotor Score (NPS), der angibt, wie wahrscheinlich es ist, dass die Teilnehmer das VR-Simulationstraining anderen Assistenzärzten empfehlen würden, wurde auf einer Skala von 0 bis 10 von den Teilnehmern mit 10 Punkten bewertet. Bildungsziele und Kompetenzen

Prozessabläufe Das Virtual Reality-Training bietet eine eigenständige Simulationsübung, bei der sowohl das klini-

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sche Wissen getestet als auch die technischen Fähigkeiten erweitert werden können. Durch die realitätsnahe Umgebung werden Assistenzärzte dazu ermutigt, ihre Aufgaben und Denkansätze direkt umzusetzen. Der innovative Ansatz ermöglicht es den Teilnehmern, zeitkritische Abläufe in der Schlaganfallversorgung praktisch zu trainieren. Es geht darum, die Tätigkeitsabfolgen sinnvoll auszuführen, unnötige Zeitverzögerungen zu erkennen, diese beim nächsten Durchlauf zu vermeiden sowie eine richtige Therapieentscheidung zu treffen. Das Simulationstraining legt besonderen Fokus auf das Prinzip von „Trial-and-Error“ [8], da die Virtual-Reality-Umgebung ein sicheres Lernumfeld bietet, ohne einen Patienten real zu gefährden. Den Teilnehmern ist es – anders als in der Realität – erlaubt, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Dabei steht jederzeit der Patient im Fokus und es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht, um die Therapie zu optimieren. Kommunikation Ein weiterer wichtiger Aspekt der Simulation ist die Förderung der Kommunikationsfähigkeiten jedes einzelnen Teilnehmers. Im interdisziplinären Team ist eine effektive und klare Kommunikation essenziell, um gemeinsame Ziele zu erreichen und eine optimale Versorgung des Patienten zu gewährleisten. Durch das Simulationstraining lernen die Assistenzärzte, sich verständlich auszudrücken, aktiv zuzuhören und aufmerksam auf die Bedürfnisse anderer einzugehen. Die Simulation bietet außerdem die Möglichkeit, den Umgang mit Fairness und Rücksichtnahme zu © VERLAG PERFUSION GMBH


üben. Die Teilnehmer lernen, auf die Bedürfnisse ihrer Teammitglieder einzugehen und ihre eigenen Interessen zugunsten des Teamerfolgs zurückzustellen. Dadurch werden nicht nur die sozialen Kompetenzen der Assistenzärzte gestärkt, sondern auch ein respektvolles Umgangsverhalten gefördert. Der Gamification-Ansatz [9] ermöglicht es den Teams, ihre Aufmerksamkeit gezielt auf die spielerischen Elemente zu lenken. Dadurch werden nicht nur die Lerninhalte besser verinnerlicht, sondern auch der Spaßfaktor und die Motivation für das Teamspiel erhöht. Neue Perspektiven gewinnen Die Virtual-Reality-Simulation bietet den Assistenzärzten die Möglichkeit, sich in verschiedene Rollen hineinzuversetzen. Das fördert die sozial-emotionale Entwicklung [10]. Die Assistenzärzte vollziehen einen Perspektivenwechsel. Sie können sich in die Lage des Patienten oder der Pflegekraft versetzen, was eine Grundvoraussetzung für das soziale Miteinander ist. Gerade im stressigen Klinikalltag sind solche Rollenspiele von großer Bedeutung. Die Teilnehmer haben die Gelegenheit, in andere Personen zu schlüpfen, das Verhalten anderer zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Die Rolle des Instruktors spielt hierbei eine wichtige Rolle, da er einen sicheren Raum für die Teilnehmer schafft. Er leitet die Simulation, hält die Gruppendynamik aufrecht und fungiert als persönlicher Betreuer, der bei Fragen und Unsicherheiten zur Seite steht.

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Fazit und Ausblick

3 Deinzer R, Kiupel S, Weik U. Endocrine and psychological stress response in simulated doctor-patient interactions in medical education. Psychoneuroendocrinology 2019;105:172-177 4 Bohmann FO, Gruber K, Kurka N et al. Simulation- based training improves process times in acute stroke care (STREAM). Eur J Neurol 2021;29:138148 5 Hentschel C, Gundlach C, Nähler HT. Systematische Innovation. In: Kamiske GF, Hrsg. TRIZ – Innovation mit System. München: Hanser; 2010:7-14 6 Dörner R, Broll W, Jung B, Grimm P, Göbel M. Einführung in Virtual und Augmented Reality. In: Dörner R et al., Hrsg. Virtual and Augmented Reality (VR/AR). Berlin: Springer; 2019:1-41 7 Langer E. Medieninnovationen AR und VR, Erfolgsfaktoren für die Entwicklung von Experiences, Berlin: Springer Vie­ weg; 2020:61-65 8 Pförtsch WA, Sponholz U. Das neue Marketing-Mindset: Management, Methoden und Prozesse für ein Marketing von Mensch zu Mensch, Wiesbaden: Springer Gabler; 2019:9-45 9 Alter A. Irresistible: The Rise of Addictive Technology and the Business of Keeping Us Hooked. New York: Penguin; 2017:291-314 10 Blank-Mathieu M. Spielformen in Bezug auf Bildungsprozesse 2007. http://www. schola-europaea.eu/ELC/popups/08.pdf; Zugriff: 30.07.2023 11 Apple. Introducing Vision Pro 2023. https://www.apple.com/apple-vision-pro/; Zugriff: 19.08.2023

Wir haben in diesem Artikel ein neuartiges Schlaganfalltraining für Ärzte- und Behandlerteams in einer VR-Umgebung vorgestellt. Erste Erfahrungen sind von allen Seiten durchweg positiv und ermutigen uns, die technische und inhaltliche Entwicklung weiter voranzutreiben und systematisch auszuwerten. Wir sind der Auffassung, dass ein medizinisches Training und die Simulation in einer virtuellen Umgebung die Qualität und Sicherheit komplexer medizinischer Behandlungsabläufe verbessern können und somit einen wichtigen Beitrag für die praktische Medizin darstellen. Angesichts der fortlaufenden Verbesserung der technischen Möglichkeiten (Rechenleistung, bessere Grafikkarten, komfortablere Headsets) glauben wir zudem, dass die Popularität von VR-Anwendungen im Konsumentenbereich deutlich zunehmen wird und somit auch dem Einsatz im medizinischen Bereich neue Potenziale eröffnet. Ein Meilenstein ist dabei die Vorstellung des ersten VRHeadsets „Vision Pro“ durch den weltweit führenden Technologiekonzern Apple [11].

Literatur 1 Meretoja A, Keshtkaran M, Saver JL et al. Save a minute, save a day. Stroke 2014;4:053-1058 2 Müller M. Risiko- und Fehlermanagement in der Luftfahrt. Kann die Medizin davon profitieren? Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2015;58:95-99

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Anschrift des Verfassers: Servet Yilmaz Customer Education Manager Medical Affairs Germany Pfizer Pharma GmbH Linkstraße 10 10785 Berlin E-Mail: servet.yilmaz@pfizer.com

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® plus Bevacizumab als neue Option für die Drittlinienbehandlung

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m August hat die Europäische Kommission Lonsurf® (Trifluridin/Tipiracil) in Kombination mit Bevacizumab als erste Kombination für die Drittlinienbehandlung erwachsener Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom zugelassen. Die Zulassungserweiterung gilt für Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen bereits 2 vorherige Chemotherapien (z.B. auf Basis von Fluoropyrimidin, Oxaliplatin und Irinotecan) inklusive Anti-EGFRund/oder Anti-VEGFR-Substanzen versagt haben. Relevant für die Entscheidung der EK waren die Ergebnisse der Phase-III-Studie SUNLIGHT*. Senkung des Sterberisikos um 39 Prozent

Eingeschlossen in die randomisierte, aktiv-kontrollierte, offene, zweiarmige SUNLIGHT-Studie wurden 492 Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom, bei denen bereits 2 vorherige Chemotherapien erfolglos waren. Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1 : 1 einer Kombination aus Trifluridin/Tipiracil und Bevacizumab oder einer Monotherapie mit Trifluridin/Tipiracil zugeteilt.

Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben, wichtige sekundäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben sowie die Sicherheit und Verträglichkeit von Trifluridin/Tipiracil in Kombination mit Bevacizumab im Vergleich zur Trifluridin/Tipiracil-Monotherapie. Die Patienten, die mit Trifluridin/ Tipiracil plus Bevacizumab behandelt wurden, erreichten im Vergleich zu Trifluridin/Tipiracil allein eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserung des Gesamtüberlebens um 3,3 Monate (10,8 Monate vs. 7,5 Monate; HR: 0,61; 95%-KI: 0,49 – 0,77; p < 0,001). Das bedeutet, dass das Sterberisiko durch die kombinierte Therapie um 39 % gesenkt wurde. Auch beim progressionsfreien Überleben, dem wichtigsten sekundären Studienendpunkt, ergab sich eine klinisch bedeutsame und statistisch signifikante Verbesserung unter der Trifluridin/TipiracilBevacizumab-Kombinationstherapie gegenüber Trifluridin/Tipiracil allein (5,6 Monate vs. 2,4 Monate; HR: 0,44; 95%-KI: 0,36 – 0,54, p < 0,001). Das Sicherheitsprofil der Kombination war mit dem der einzelnen Wirkstoffe vergleichbar. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in beiden Gruppen waren Neutro-

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penie, Übelkeit und Anämie. Es wurden keine behandlungsbedingten Todesfälle gemeldet. Fazit

Angesichts der begrenzten Behandlungsmöglichkeiten und des dringenden Bedarfs an wirksamen neuen Optionen sind die Ergebnisse der SUNLIGHT-Studie von großer Bedeutung für Patienten, die an einem fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom leiden und bei denen bereits zwei frühere Chemotherapien versagt haben, denn sie zeigen, dass Lonsurf® in Kombination mit Bevacizumab eine wirksame und gut handhabbare Therapie für sie sein kann. Brigitte Söllner, Erlangen

* Quelle: Prager GW et al. Trifluridine-ti­ piracil and bevacizumab in refractory me­ tastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2023;388:1657-1667 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Vitiligo zielgerichtet mit Ruxolitinib-Creme behandeln

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itiligo (Weißfleckenkrankheit) ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung, die mit einem Pigmentierungsverlust in Form heller, pigmentfreier Hautflecken einhergeht (Abb. 1) [1]. Sie ist jedoch weitaus mehr als nur ein kosmetisches Problem: Vitiligo stellt eine behandlungsbedürftige Autoimmunerkrankung dar, die mit hohen psychosozialen Belastungen verbunden sein und das Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigen kann [2]. In Deutschland leiden etwa 650.000 Menschen an Vitiligo [3]. Ihnen steht nun eine neue Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung, denn seit April 2023 ist in der EU der selektive JAK1/JAK2Inhibitor Opzelura® (RuxolitinibCreme) als erste und einzige Therapie explizit für die Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo mit Gesichtsbeteiligung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen [4]. Zwei Subtypen

Klinisch unterscheidet man 2 Subtypen: die segmentale Vitiligo mit Pigmentverlust auf einer Körperhälfte und die häufigere nichtsegmentale Vitiligo mit beidseitiger bzw. symmetrischer Verteilung an Akren und Gesicht bzw. am ganzen Körper. Beide Subtypen unterscheiden sich im Pathomechanismus. Bei der nichtsegmentalen

Gute Wirksamkeit und Verträglichkeit

Abbildung 1: Nichtsegmentale Vitiligo (©Incyte Biosciences Germany GmbH).

Form spielt der JAK-STAT-Signalweg eine maßgebliche Rolle, sodass neue Therapieansätze auf die Blockade dieses Signalweges abzielen. Eine neue Therapieoption ist eine 1,5-prozentige Ruxolitinib-Creme (Opzelura®). Der topische Januskinasehemmer Ruxolitinib greift zielgerichtet in den JAK-STAT-Signalweg ein [5] und moduliert damit die entzündungsbedingte Zerstörung der Melanozyten. Der Prozess der Repigmentierung verläuft über melanozytäre Vorläuferzellen, die sich in reife Melanozyten differenzieren und von der Haarfollikelwölbung zur interfollikulären Epidermis wandern. So kommt es zur schrittweisen Repigmentierung der Vitiligoläsionen [6].

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Die Wirksamkeit und Sicherheit der Ruxolitinib-Creme wurden in 2 doppelblinden Vehikel-kontrollierten Phase-III-Studien nachgewiesen [7]. So erreichten u.a. nach einem Jahr etwa 50 % der mit Opzelura® behandelten Patienten eine 75%ige Verbesserung der Repigmentierung im Gesicht (fazialer Vitiligo Area Scoring Index, F-VASI75) und die Hälfte der Teilnehmer eine mehr als 50%ige Verbesserung der gesamten Körperpigmentierung (= T-VASI50Ansprechen) [7]. Die Verträglichkeit wurde als gut beurteilt. Bei lediglich 5,8 % der Patienten trat Akne an der Applikationsstelle auf, die auch die einzige Nebenwirkung ist, die in der aktuellen Fachinformation gelistet wird [4]. Einfache Anwendung ohne Laborkontrollen

Die leicht aufzutragende, nicht fettende Ruxolitinib-Creme wird zweimal täglich auf die depigmentierten Hautbereiche in einer dünnen Schicht bis zu höchstens 10 % der Körperoberfläche gleichzeitig appliziert. Ruxolitinib-Creme ist mit Sonnenschutz und Make-up kombinierbar, unter Berücksichtigung eines zeitlichen Abstands von 2 Stunden nach Behandlung © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

mit Ruxolitinib-Creme. Eine zufriedenstellende Repigmentierung kann eine Behandlung mit Opzelura® über mehr als 24 Wochen erfordern [4]. Das von oralen JAK-Inhibitoren bekannte Sicherheits- bzw. Nebenwirkungsprofil lässt sich nicht mit dem des topischen JAK-Inhibitors Opzelura® vergleichen. Eine Überwachung der Laborwerte ist unter Therapie mit Ruxolitinib-Creme nicht erforderlich. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Agarwal K et al. Dermatol Ther 2020; 33:e13215 2 Bergqvist C et al. Vitiligo: Dermatol Basel Switz 2020;236:571-592 3 Mohr N et al. Clin Epidemiol 2021;13: 373-382 4 Fachinformation Opzelura®, aktueller Stand 5 Hann SK et al. Am Acad Dermatol 1996; 35:671-674 6 Birlea SA et al. Dermatol Clin. 2017;35:205-21 7 Rosmarin D et al. N Engl J Med 2022; 387:1445-1455

Individualisierte kognitive Verhaltenstherapie statt Opioide bei Rückenschmerzen

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ückenschmerzen sind ein Volksleiden, das in der Mehrzahl der Fälle weder mit Schmerzmitteln noch Operationen dauerhaft in den Griff zu bekommen ist. Diagnostisch wird zunächst versucht, konkrete Ursachen zu finden, insbesondere, um ernsthafte Erkrankungen auszuschließen. Frakturen, Entzündungen, Nervenwurzelschäden oder Tumoren müssen immer ausgeschlossen werden, z.B. wenn die Schmerzen ganz plötzlich auftreten, bei einem Sturz oder Unfall oder bei zusätzlichen Symptomen wie Sensibilitätsstörungen (Taubheit oder Kribbeln), Muskelschwäche, Problemen mit der Blasen- oder Darmfunktion sowie Fieber, Schüttelfrost oder Übelkeit/Erbrechen. Wenn keine Ursache ausgemacht werden kann, wird von unspezifischen Rückenschmerzen gesprochen. Therapeutisch kommen dann Wärme, Schmerzmittel und Physiotherapie in Betracht. Die vorübergehende Gabe von Schmerzmitteln bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen ist oft sehr hilfreich; meist reichen hier die klassischen Präparate wie Ibuprofen oder Diclofenac aus. Nicht selten werden bei sehr starken Schmerzen auch OpioidAnalgetika eingesetzt, wobei es hier insgesamt bisher wenige Da-

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ten zur Wirksamkeit und Sicherheit gab. Zwei jüngst in der Zeitschrift „Lancet“ publizierte Studien zeigen nun, dass bei akuten Rückenschmerzen Opioid-haltige Schmerzmittel keine stärkere Wirkung haben als Placebo [1] und dass bei chronischen Rückenschmerzen eine individualisierte, kognitive Verhaltenstherapie [2] wesentlich wirksamer, anhaltender und kostengünstiger ist als eine Standardtherapie. Opioid und Placebo bei akuten Rückenschmerzen gleich wirksam

Die OPAL-Studie aus Australien [1] war die erste placebokontrollierte Studie mit einem Opioid ohne zusätzliche Gabe eines weiteren Schmerzmittels bei akuten Schmerzen im unteren Rücken oder Nackenbereich. 347 Erwachsene (≥18 Jahren, 49 % weiblich), die seit maximal 12 Wochen unter mäßigen bis starken Rücken- und/ oder Nackenschmerzen litten, wurden verblindet nach Zufallsprinzip einer Opioid-Behandlung (n = 174; Oxycodon-Naloxon, bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag oral) oder der Placebogruppe (n = 173) zugeteilt. Primärer Endpunkt war die Schmerzstärke nach 6 Wochen, gemessen mit einer 10-PunkteSchmerz-Skala. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Abschließend konnten in der Opioidgruppe 151 und in der Placebogruppe 159 Personen ausgewertet werden. Der mittlere BPI-PS-Schmerzwert nach 6 Wochen betrug in der Opioidgruppe 2,78 (initial 5,7) gegenüber 2,25 (initial 5,6) in der Placebogruppe (Unterschied nicht signifikant, p = 0,051). Unerwünschte Ereignisse traten in den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich auf (35 % mit Opioid und 30 % mit Placebo; p = 0,30), jedoch berichteten doppelt so viele Probanden in der Opioidgruppe über eine Verstopfung (7,5 % gegenüber 3,5 % in der Placebogruppe). Das Autorenteam schlussfolgert, dass Opioide bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen nicht besser wirksam sind als Placebo und daher nicht zu empfehlen sind. Sie fordert daher (zumindest in Australien wie auch den USA; in Deutschland ist man zumeist etwas vorsichtiger bei der Verschreibung von Opioiden) vom häufigen Einsatz von Opioiden bei diesen Indikationen abzusehen. Kognitive Funktionstherapie wirksamer als Standardbehandlung

Die RESTORE-Studie [2], ebenfalls aus Australien, untersuchte randomisiert kontrolliert bei chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich die kognitive Verhaltenstherapie (CFT) im Hinblick auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. CFT ist ein individualisierter Ansatz, der schmerzbezogene Empfindungen (Angst und „Schmerzüberzeugungen“) sowie Verhaltensweisen ändern soll, wie z.B. Schonhaltung oder Bewegungsvermeidung, die den

Schmerz sogar verstärken statt verbessern können. Insgesamt 492 Erwachsene (≥18 Jahre, mittleres Alter ca. 47 Jahre, ca. 60 % Frauen), die seit über 3 Monaten an unteren Rückenschmerzen mit mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen litten, wurden randomisiert zu gleichen Teilen in 3 Gruppen eingeteilt. Sie erhielten über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder bis zu 7 CFT-Behandlungssitzungen (sowie eine weitere Sitzung nach 26 Wochen; n = 164) oder CFT plus Biofeedback (Bewegungssensoren zur Verstärkung der CFTEffekte; n = 163) oder eine Standardbehandlung (Kontrollgruppe n = 165; z.B. Physiotherapie, Massage, Chiropraktik, Schmerzmittel, Injektionen oder chirurgische Eingriffe). Der primäre klinische Endpunkt war die Aktivitätseinschränkung nach 13 Wochen, die anhand des 24-Punkte-Fragebogens RMDQ ermittelt wurde („Roland Morris Disability Questionnaire“; mehr Punkte bedeuten ein schlechteres Ergebnis). Initial betrug der mittlere RMDQ-Score in der CFT-Gruppe 13,3; in der „CFTplus“-Gruppe 14,0 und in der Kontrollgruppe 13,3. Der primäre gesundheitsökonomische Endpunkt wurde mittels sog. QALYs („quality-adjusted life years“) erfasst. Im Ergebnis war die kognitive Funktionstherapie wirksamer als die Standardbehandlung; das Biofeedback zeigte dabei keinen Zusatznutzen. In den 3 Gruppen betrugen die RMDQ-Scores nach 13 Wochen 7,5 (CFT sowie CFTplus) und 12,1 bei den Kontrollen (mittlere RMDQ-Differenz zur Kontrollgruppe für beide CFT-Gruppen –4,6). Auch nach 52 Wochen war der Effekt noch immer ähnlich gut (RMDQ-Scores 6,7 und 6,1

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versus 11,5). Auch wirtschaftlich (QALYs und Fallkosten) schnitten die Interventionen besser ab. Fazit für die Praxis

„Beide Studien zeigen interessante Ergebnisse, insbesondere, dass starke Schmerzmittel bei Rückenschmerzen als Standardbehandlung kaum zielführend sind“, kommentiert DGN-Experte Professor Hans-Christoph Diener, Essen. „In der Mehrzahl der Fälle ist auch die Operation keine dauerhafte Lösung, vor allem weil häufig muskuläre bzw. myofasziale Schmerzkomponenten vorhanden sind. Die Bedeutung der funktionellen Aspekte der Rückengesundheit, d.h. richtige Bewegungen bzw. veränderte Bewegungsmuster anstatt Vermeidungsverhalten und sportliche Aktivitäten im Rahmen von Therapie und Prävention, kann daher gar nicht oft genug betont werden.“ DGN

Literatur 1 Jones CMP et al. Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2023;402:304-312 2 Kent P et al. Cognitive functional therapy with or without movement sensor biofeedback versus usual care for chronic, disabling low back pain (RESTORE): a randomised, controlled, three-arm, parallel group, phase 3, clinical trial. Lancet 2023;401:1866-1877 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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m Rahmen des diesjährigen EULAR-Kongresses wurden neueste Erkenntnisse für die Behandlung der axialen Spondyloarthritis (axSpA) vorgestellt. Aktuelle Ergebnisse der nicht interventionellen Studie INVISIBLE ergaben, dass insbesondere die Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS), die eine hohe Krankheitsaktivität aufwiesen und mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Tumornekrosefaktor-Inhibitoren (TNFi) behandelt wurden, häufig Fehlzeiten bei der Arbeit aufwiesen [1]. Dies deutet darauf hin, dass die Krankheitskontrolle und das Ansprechen unter diesen Therapien suboptimal sein könnten und beobachtet werden sollten. Daten der Head-to-Head-Studie SURPASS geben Hinweise darauf, dass auch nach 2 Jahren geringe Raten einer röntgenologischen Progression unter den biologic disease-modifying antirheumatic drugs (bDMARDs) Secukinumab (Cosentyx®) bzw. Adalimumab (Biosimilar, Santoz) bei gleichbleibend günstigem Sicherheitsprofil vorhanden sind [2]. Eine Subgruppenanalyse der SURPASS-Studie zeigte darüber hinaus, dass dies selbst bei Patienten mit negativen prädiktiven Faktoren, wie einem erhöhten C-reaktiven Protein (CRP)-Wert oder Syndesmophyten, zu Studienbeginn zutraf [3]. INVISIBLE: Optimierungsbedürftiges Ansprechen unter NSAR- und TNFi-Therapie

In der nicht interventionellen Studie INVISIBLE [1] wurde ermittelt, wie hoch der Anteil an AS-Patienten war, der ein suboptimales Therapieansprechen nach einer

Secukinumab bei Spondyloarthritiden – eine Alternative bei fehlendem Therapieansprechen mindestens 12-wöchigen Behandlung mit NSAR und/oder einem TNFi zeigte, definiert durch den Bath Ankylosing Spondylitis Dis­ ease Activity Index (BASDAI). Von 747 Teilnehmern wiesen fast 40 % einen BASDAI von ≥4 auf [4]. Diese Patienten berichteten von einer höheren Krankheitsaktivität und erzielten einen signifikant höheren Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS) [1]. Des Weiteren waren fast 35 % der Patienten der Gesamtpopulation mit ihrem aktuellen Zustand laut Patient Acceptable Symptom State (PASS) nicht zufrieden. Unter diesen unzufriedenen Patienten machten die mit BASDAI ≥4 den größten Teil aus (61,3 %). Darüber hinaus waren viele der Patienten mit BASDAI ≥4 arbeitssuchend oder länger als 6 Wochen krankgeschrieben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere Patienten mit BASDAI ≥4 unter NSAR oder TNFi nicht optimal behandelt worden sind [1]. SURPASS: Untersuchung der Hemmung der röntgenologischen Progression

Die randomisierte, teilverblindete Head-to-Head-Studie SURPASS [2] untersuchte die Verringe-

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rung des röntgenologischen Fortschreitens durch Secukinumab gegenüber Adalimumab nach 104 Wochen und die Bewertung der langfristigen Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit bis zu 2 Jahren bei 859 Patienten mit aktiver AS. Primärer Endpunkt war die Überlegenheit von Secukinumab (150 mg oder 300 mg) gegenüber Adalimumab, gemessen an der Anzahl der Patienten ohne röntgenologische Progression (Modified Stoke Ankylosing Spondylitis Spinal Score [mSASSS]-Veränderung ≤0,5) in Woche 104. Sowohl Patienten unter Secukinumab als auch unter Adalimumab zeigten eine geringe röntgenologische Progression der Wirbelsäule über 2 Jahre [2]. Eine Subgruppenanalyse der SURPASS-Studie untersuchte Patienten mit spezifischen negativen prädikativen Faktoren auf die Entwicklung einer röntgenologischen Progression nach 2 Jahren im Vergleich zu den Ausgangswerten [3]. Unabhängig vom Vorhandensein von Syndesmophyten (bei 73 % der Patienten) oder erhöhtem high sensitivity C-reactive Protein (hsCRP) (bei 76 % der Patienten) zu Studienbeginn, war die röntgenologische Progression sowohl unter Secukinumab als auch unter Adalimumab gering [3]. 54 % der Patienten wiesen zu Studienbeginn © VERLAG PERFUSION GMBH


WISSENSWERTES

sowohl einen erhöhten hsCRP als auch Syndesmophyten auf. Auch hier war die röntgenologische Progression bei Secukinumab und Adalimumab gering [3]. Fazit: Secukinumab ist eine wirksame Therapie auch bei negativen prädikativen Faktoren

Die Möglichkeiten zur Behandlung der axSpA sind in den letzten Jahren enorm gewachsen. Die Daten der INVISIBLE-Studie geben Hinweise darauf, dass eine Behandlung allein mit NSAR und/ oder TNFi optimierungsbedürftig sein kann [1]. Weitere biologic and targeted synthetic DMARD (b/tsDMARD)-Therapien ergänzen die vorhandenen Therapieoptionen und können insbesondere bei Patienten mit vorliegenden negativen prädiktiven Faktoren eine wirksame Alternative bei der Therapiewahl sein. Es ist wichtig, die Therapie bei suboptimalem Ansprechen frühzeitig anzupassen, denn so kann irreversiblen Schäden durch eine röntgenologische Progression vorgebeugt werden. Secukinumab stellt auch hinsichtlich der röntgenologischen Progression unter suboptimalen BaselineWerten, wie einem erhöhten hsCRP und Syndesmophyten, eine wirksame Therapieoption dar [3]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Brandt-Jürgens J et al. Abstract presented at EULAR 2023 2 Baraliakos X et al. Abstract presented at EULAR 2023; 301 3 Baraliakos X et al. Abstract presented at EULAR 2023; 1274 4 Brandt-Jürgens J et al. Poster presented at DGRh 2022; SpA.04

RSV-Impfstoff Arexvy für ältere Erwachsene seit dem 1. August verfügbar Das Respiratorische SynzytialVirus (RSV) ist ein weit verbreitetes, ansteckendes Atemwegsvirus, das bei Erwachsenen ab 60 Jahren Schätzungen zufolge im Jahr 2019 zu mehr als 380.000 akuten Atemwegsinfektionen, 34.000 Krankenhausaufenthalten und etwa 2.500 stationären Todesfällen in Deutschland führte. Die Mehrzahl der Krankenhausaufenthalte infolge von RSV-Infektionen entfallen auf Menschen mit Grunderkrankungen wie beispielsweise Diabetes oder chronische Herz- und Lungenerkrankungen. Arexvy von GSK ist der erste in der EU zugelassene Impfstoff für die aktive Immunisierung älterer Erwachsener (ab 60 Jahren) zur Prävention von RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege. In Deutschland ist Arexvy seit dem 1. August 2023 erhältlich, sodass eine Immunisierung rechtzeitig vor Beginn der nächsten RSV-Saison im Herbst möglich ist.

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Hoch wirksame Prävention durch die aktive Immunisierung

Arexvy hat in der Zulassungsstudie AReSVi-006 eine hohe Wirksamkeit bewiesen: Der Impfstoff reduzierte die Rate an RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege bei Erwachsenen im Alter von 60 Jahren oder älter in der ersten RSV-Saison statistisch signifikant um 82,6 % gegenüber einer Placebo-Impfung. Bei älteren Erwachsenen mit mindestens einer relevanten Grunderkrankung lag die Wirksamkeit bei 94,6 % gegenüber Placebo. Dabei weist der Impfstoff eine gute Verträglichkeit auf: Die häufigsten Nebenwirkungen waren in der Regel mild bis moderat verlaufende Schwellungen oder Schmerzen an der Einstichstelle sowie systemische Reaktionen wie Abgeschlagenheit, Kopf-, Muskel- oder Gliederschmerzen, die innerhalb weniger Tage nach der Impfung vollständig zurückgingen. B. S.

Arexvy Der neue RSV-Impfstoff von GSK besteht aus einem rekombinanten RSV-Antigen und dem Adjuvans AS01. Bei dem RSV-Antigen handelt es sich um das rekombinante, in der Präfusionskonformation stabilisierte Glykoprotein F (RSVPreF3) aus der Lipidhülle von RSV. Das Glykoprotein F ist essenziell für das Virus, um in die Wirtszelle eindringen zu können, indem es eine feste Bindung und Verschmelzung der RSV-Lipidhülle mit der Membran der humanen Wirtszelle bewirkt. Befindet sich das Virus in der Nähe der Wirtszelle, ändert sich die Präfusionskonformation von Protein F zur Postfusionskonformation. Diese Konformationsänderung führt zu einer sehr stabilen Bindung an die Wirtszelle und anschließend zum Eindringen von RSV in die Zelle. RSVPreF3 ist der nativen Protein-F-Struktur in der Virushülle sehr ähnlich. Indem die gebildeten Antikörper sich bereits an die Präfusionskonformation des RSV-Erregers anlagern, blockieren sie die nachfolgende Konformationsänderung und Fusion von RSV mit der Plasmamembran der humanen Wirtszelle.

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

10 Jahre HyQvia® – die moderne Kombination aus Immunglobulinen und Hyaluronidase

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or genau 10 Jahren begann die Erfolgsgeschichte von HyQvia®. Seit Markteinführung konnten mit dem Hyaluronidase-unterstützten, subkutanen Immunglobulin-Präparat zahlreiche Patienten mit primären und sekundären Immundefekten (PID und SID) erfolgreich behandelt werden. Sein besonderer Wirkmechanismus basiert auf dem Enzym Hyaluronidase, das für den natürlichen Auf- und Abbau von Hyaluronsäure im Unterhautgewebe sorgt [1]. So bereitet die Hyaluronidase in HyQvia® den Weg für die subkutane Infusion höherer Volumina der Immunglobulin-Lösung vor [2]. Der Vorteil: Mit einem Infusionsintervall von nur 3 – 4 Wochen ermöglicht die unterstützte subkutane Immunglobulin-Therapie (fSCIg) mit HyQvia® stabile Wirkspiegel im Normbereich [1]. Immunglobulin-Substitution reduziert das Infektionsrisiko signifikant

Primäre und sekundäre Immundefekte bedeuten für die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für häufige und schwere Infektionen. HyQvia® kann dieses Risiko vermindern. In der HyQvia®-Zulassungsstudie [2] lag die Rate an akuten schweren bakteriellen Infektionen bei 0,025 pro Patient/Jahr und war signifikant niedriger als der Schwellen-

wert der EMA-Richtlinien von 1,0 pro Patient und Jahr. Auch die Anzahl der Tage unter Antibiotikatherapie war mit 1,69 pro Patient und Jahr gegenüber 3,15 bei intravenöser (i.v.) Gabe geringer [2]. Die im Vergleich zur i.v. Gabe deutlich reduzierte Rate an systemischen Nebenwirkungen spiegelt die sehr gute Verträglichkeit von HyQvia® wider [2]. Dies untermauern auch die Langzeitdaten der prospektiven, offenen, nicht kontrollierten Phase-III-Studie zur Sicherheit von HyQvia®, in der die Infektionsrate nach einem Jahr durch die Therapie mit HyQvia® vermindert werden konnte und die Rate an Nebenwirkungen gering war [5]. Neutralisierende Antikörper gegen die rekombinante humane Hyaluronidase wurden nicht entdeckt. Weitere Studien zur Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit waren die Basis für eine Zulassungserweiterung im Jahr 2020, sodass HyQvia® inzwischen einem breiten Patientenspektrum mit PID oder SID zur Verfügung steht [6, 7, 8]. Zufriedene Patienten mit guter Therapie-Adhärenz

Aktuelle Daten zur erfolgreichen Anwendung von HyQvia® durch die Selbstapplikation zuhause lieferte vor Kurzem die FIGAROStudie [9]. An der prospektiven

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Beobachtungsstudie nahmen 156 Patienten teil (15 Kinder, 120 Erwachsene und 21 ältere Erwachsene). Follow-up-Daten über 12 Monate sind für 128 Patienten verfügbar. Bei Studienbeginn erhielten 75,6 % ihre fSCIg-Infusion zu Hause und 78,7 % verabreichten sie selbst*. Nach 12-monatiger Anwendung konnten mehr Teilnehmer selbst infundieren (86 %). Die meisten nutzten dabei ein Infusionsintervall von 3 – 4 Wochen. Das Verträglichkeitsprofil war konsistent mit dem aus früheren Studien. Die FIGARO-Studie bestätigt die Durchführbarkeit, Verträglichkeit und gute Infektionskontrolle durch HyQvia® bei PID und SID in allen Altersgruppen. Das gilt sowohl für die Applikation zu Hause als auch in medizinischen Einrichtungen. Die Selbstapplikation zuhause bedeutet für die Betroffenen eine deutliche Verbesserung der subjektiven Lebensqualität, denn die Therapie lässt sich einfacher in den Alltag und Beruf integrieren – entsprechend hoch war auch die Adhärenz der Patienten. Darüber hinaus bietet die fSCIg-Infusion im Vergleich zur intravenösen Substitution auch bessere Voraussetzungen für eine individualisierte Therapie. * Hierzu zählen Patienten, die sich in der Klinik oder einem anderen medizinischen Umfeld selbst infundieren. © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Die FIGARO-Ergebnisse werden durch Real-Life-Daten bestätigt: In einer retrospektiven LangzeitDie moderne Form der Immunglobulin-Substitution ist die substudie [10] mit einer BeobachHYALURONIDASE kutane Gabe von –Immunglobulinen in Kombination mit zuvor tungszeit von bis zu 5 Jahren ersubkutan applizierter rekombinanter Hyaluronidase, kurz fSCIg wies sich HyQvia® bei PID- und IST DER SCHLÜSSEL ZU SID-Patienten mit einer Langzeit(facilitated subcutaneous immunoglobulin, HyQvia®) [1]. Die Hyaluronidase nutzt einen natürlichen Prozess im Körper: Das rekomSelbstapplikation als effektiv und EINER 3– 4 WÖCHENTLICHEN binant hergestellte Enzym erhöht lokal, vorübergehend und revergut verträglich. Die Infektionsrate IMMUNGLOBULIN-GABE* sibel die Permeabilität des subkutanen Gewebes und erleichtert und die Rate schwerer Infektionen so die gleichmäßige Verteilung der Immunglobulin-Dosis. Dadurch wurden reduziert; es gab im Beobkönnen bei dieser Form der subkutanen Anwendung im Vergleich achtungszeitraum keine Hospitalizur konventionellen subkutanen Ig-Gabe (SCIg) statt maximal sierungen. Langfristige, klinische 60 ml pro Infusionsstelle bis zu 600 ml pro Infusionsstelle (bei PatiVeränderungen der Haut oder des enten ≥40 kg Körpergewicht) bei Flussraten von bis zu 300 ml/h pro subkutanen Gewebes wurden unInfusionsstelle verabreicht werden. Für die Patienten bedeutet das ter der Langzeitanwendung von weniger Nadelstiche und weniger Infusionen pro Monat gegenHyQvia® und der Hyaluronidanidase depolymerisiert Rekombinante lokal, humane vorübergehend Hyaluronidase depolymerisiert lokal, vorüberg se nicht gesehen. Eine 1–3 Befragung über der SCIg. Denn bei einer 1–3 konventionellen SCIg-Gabe hemmt e im subkutanen und reversibel Gewebe die Hyaluronsäure im subkutanen Gewebe der Anwender mithilfe des TSQM die Hyaluronsäure im Gewebe die Aufnahme höherer Volumina (Treatment Satisfaction Questionsowie die Verteilung der Immunglobuline und deren Resorption in naire for Medication) zeigt deren die Lymphgefäße [3, 4]. Zufriedenheit mitMIT der Therapie. KONVENTIONELLE THERAPIE MIT SCIg-INFUSION HyQvia® THERAPIE HyQvia® Konventionelle subkutane Hayluronidase-unterstützte subkutane Brigitte Söllner, Immunglobulin-Infusion Immunglobulin-Infusion Erlangen Hyaluronidase erleichtert die subkutane ImmunglobulinSubstitution

Literatur

• 15–60 ml pro Infusionsstelle möglich

• Bis zu 600 ml pro Infusionsstelle möglich

HyQvia® ist indiziert zur Substitutionstherapie bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, sowohl zur Behandlung eines primären Immundefektsyndroms (PID) mit unzureichender Antikörperbildung als auch zur Therapie von sekundären Immundefekten (SID) bei Patienten, die an schweren oder rezidivierenden Infektionen leiden oder bei denen eine antimikrobielle Behandlung unwirksam ist und die entweder ein nachgewiesenes Versagen von spezifischen Antikörpern (PSAF, proven specific antibody failure) oder einen Serum-IgG-Spiegel von <4 g/l aufweisen [3].

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1 Fachinformation HyQvia®; Stand: Oktober 2022 2 Wasserman RL et al. J Allergy Clin Immunol 2012;130:951-957 3 Bookbinder LH et al. J Control Release 2006;114:230-241 4 Frost GI. Expert Opin Drug Deliv 2007; 4:427-440 5 Wasserman RL et al. J Clin Immunol 2016;36:571-582 6 Cinetto F et al. Eur J Allergy Clin Immunol 2017;Suppl. S103:252-253 7 Vacca A et al. Clin Immunol 2018;191: 110-115 8 Dimou M. Anticancer Res 2018;38:41874191 9 Borte M et al. J Clin Immunol 2023;43: 1259-1271 10 Angelotti F et al. Clin Exp Med 2020;20: 387-392

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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as diffuse großzellige BZell-Lymphom (DLBCL) ist die häufigste Neoplasie des lymphatischen Systems. Es geht von reifen B-Zellen aus und führt unbehandelt rasch zum Tode. Charakteristisch sind rasch progrediente Lymphknotenvergrößerungen und/oder extranodale Manifestationen [1]. Die Erstlinienbehandlung erfolgt in kurativer Intention mit 6 – 8 Zyklen des RCHOP-Protokolls bzw. je nach Risikoprofil mit R-CHOP ähnlichen Protokollen. Die Heilungsrate liegt bei etwa 60 – 70 % [2]. Hoher Medical Need in der Zweitlinie

Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (r/r DLBCL) erhalten in der Zweitlinie bislang standardmäßig eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation, sofern die Krankheit auf eine Salvage-Chemoimmuntherapie anspricht [3]. Bestimmte Krankheitsmerkmale, wie primäre Refraktärität, ein hoher altersangepasster Second-Line IPI-Score und doppelt oder dreifach auftretende genetische Läsionen im Tumor, schränken die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens ein. Patienten, deren Krankheit nicht auf eine Salvage-Chemotherapie anspricht, und diejenigen, die nicht für eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation infrage kommen, haben bislang eine schlechte Prognose [3]. Für diese Patienten steht mit der Zulassung der CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®) nun eine dringend benötigte neue Behandlungsoption zur Verfügung. Yescarta® ist indiziert zur

CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel – eine neue Option für die Zweitlinientherapie des r/r DLBCL Zweitlinientherapie bei erwachsenen Patienten mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und hochmalignem B-Zell-Lymphom (HGBL), das innerhalb von 12 Monaten nach Abschluss einer Erstlinien-Chemoimmuntherapie rezidiviert oder gegenüber dieser refraktär ist [4]. Ereignisfreies Überleben nach 24 Monaten von 40,5 %

Die Zulassung der CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-Cel) basiert auf Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Axi-Cel bei r/r DLBCL aus der randomisierten, offenen PhaseIII-Studie ZUMA-7 [3, 5]. In ZUMA-7 wurden 359 Patienten eingeschlossen. Sie erhielten im Verhältnis 1:1 randomisiert eine Axi-Cel-Einzelinfusion oder die aktuelle Standardbehandlung, definiert als 2 – 3 Zyklen einer Standard-Chemoimmuntherapie (Standard of Care, SOC*) gefolgt von einer Hochdosistherapie und einer allogenen Stammzelltransplantation bei Patienten mit Ansprechen der Erkrankung. Primärer End* R-ICE, R-DHAP oder R-DHAX, R-ESHAP oder R-GDP.

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punkt war das ereignisfreie Überleben (EFS). Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten die objektive Ansprechrate (ORR) und das Gesamtüberleben (OS). Weitere sekundäre Endpunkte umfassten die von den Patienten berichteten Ergebnisse (Patient Reported Outcomes, PRO) und die Sicherheit [3]. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren erreichten die Patienten im Axi-Cel-Arm ein EFS von 8,3 Monaten gegenüber 2 Monaten unter SOC (HR: 0,398; 95%-KI: 0,308 – 0,514; p < 0,0001). Das 24-Monats-EFS betrug 40,5 % unter Axi-Cel gegenüber 16,3 % unter SOC. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) im Axi-Cel-Arm lag bei 14,7 Monaten verglichen mit 3,7 Monaten im SOC-Arm (HR: 0,490; 95%-KI: 0,368 – 0,652). Auch hinsichtlich ORR (81 % versus 68 %) und CR-Rate (42 % versus 23 %) war die CART-T-Zelltherapie der Standard-Chemoimmuntherapie überlegen. Über ausgewählte Subgruppen hinweg, einschließlich Ansprechen auf die Erstlinientherapie, auf die Zweitlinientherapie bezogener altersangepasster IPI-Score, ECOGLeistungsstatus, Alter, Lymphom mit Doppelexpressionsstatus und © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL / WISSENSWERTES

CAR-T-Zelltherapie Axicabtagen-Ciloleucel Bei der Therapie mit CAR-T-Zellen werden autologe T-Zellen genetisch so modifiziert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) auf ihrer Oberfläche tragen. Nach der Reinfusion leiten die CAR-TZellen die Apoptose und Nekrose der erkannten Zielzellen ein. Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®) ist eine gegen CD19 gerichtete CAR-T-Zelltherapie. Das Arzneimittel basiert auf genetisch modifizierten, autologen Zellen und enthält T-Zellen, die ex vivo mit einem retroviralen Vektor transduziert wurden, der einen gegen CD19 gerichteten chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimiert, welcher ein variables Maus-Anti CD19-Einzelkettenfragment (ScFv) umfasst, das mit der kostimulatorischen Domäne CD28 und der Signaldomäne CD3 zeta verbunden ist [4].

Erkrankungs-Subtyp HGBL, wurde eine gleichbleibende Wirksamkeit beobachtet. Signifikante Verbesserung der Lebensqualität

In einer separaten, sekundären Analyse der PROs [6] zeigten Patienten, die Axicabtagen-Ciloleucel erhielten und für die PRO-Auswertung der Studie infrage kamen (n = 165), statistisch signifikante Verbesserungen der Lebensqualität an Tag 100 im Vergleich zu Patienten (n = 131), die SOC unter Verwendung einer vorab spezifizierten Analyse für 3 PRO-Domänen erhielten (EORTC QLQ-C30 Physical Functioning, EORTC QLQ-C30 Global Health Status/ QOL und EQ-5D-5L Visual Analog Scale [VAS]). In der Axi-CelGruppe wurde im Vergleich zur SOC-Gruppe auch ein Trend hin zu einer schnelleren Erholung der Lebensqualität festgestellt [6]. Ergebnisse der Sicherheitsanalyse

Die bedeutendsten und am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen unter der CART-T-Zelltherapie

waren Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS, 92 %), Enzephalopathie (49 %) und Infektionen (45 %). Die häufigsten (≥5 %) schwerwiegenden Nebenwirkungen umfassten unter anderem CRS (17 %), Enzephalopathie (16 %), Infektionen mit nicht spezifizierten Erregern (8 %), Fieber (6 %) und Virusinfektion (5 %). Die häufigsten (≥5 %) nicht-hämatologischen Nebenwirkungen 3. oder höheren Grades waren u.a. Enzephalopathie (19 %), Infektionen mit nicht spezifizierten Erregern (8 %), CRS (6 %) und bakterielle Infektion (5 %) [3]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Onkopedia. Leitlinie Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom, Stand Juli 2022. www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/diffuses-grosszelliges-b-zell-lymphom/@@guideline/html/index. html#ID0EG 2 Pfreundschuh M et al. Lancet Oncol 2008;9:105-116 3 Locke FL et al. N Engl J Med 2022;386: 640-654 4 Fachinformation Yescarta®; Stand: Oktober 2022 5 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT 03391466 6 Elsawy M et al. Blood 2022, 2022015478. doi: 10.1182/blood.20220 15478

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Migräne Akademie bietet neue OnlineFortbildungsplattform

Die vom Unternehmen Teva initiierte Migräne Akademie bietet unter www.migraene-akademie.de seit Kurzem ein umfangreiches Informations- und Fortbildungsangebot für Ärztinnen und Ärzte rund um das Thema Migräne. Das kostenfreie Online-Angebot beinhaltet eine Vielzahl von Expertenpodcasts, monatliche Publikationsupdates zu neuen Forschungsergebnissen sowie Kongressberichte zu aktuellen Entwicklungen in der Neurologie und richtet sich speziell an neurologisch tätige Ärzte, Schmerztherapeuten sowie niedergelassene Hausärzte. Abgerundet wird das Angebot durch CME-zertifizierte Fortbildungen und Webinare. In den Podcasts berichten namhafte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Neurologie und Schmerztherapie in ausführlichen Gesprächen über spannende und aktuelle Fragen aus den Bereichen Migräne und Kopfschmerzen und geben tiefergehende Einblicke in die Thematik. Zudem kommen Betroffene selbst in Patientenberichten zu Wort und schildern ihre Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung. Zu den besonderen Highlights gehört die monatliche Veröffentlichung interessanter und aktueller Forschungsergebnisse aus der Kopfschmerzforschung, die von Professor Stefan Evers zusammengestellt werden. S. M. © VERLAG PERFUSION GMBH


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eben der i.v. Verabreichungsform ist das Biologikum Natalizumab (Tysabri™) seit März 2021 auch zur s.c. Injektion bei hochaktiver schubförmig remittierend verlaufender Multipler Sklerose (RRMS) zugelassen [1, 2]. Bisher haben weltweit 16.961 Patienten über 20.061 Patientenjahre die subkutane Verabreichungsform erhalten (Stand: 30. April 2023) [3]. Die auf dem diesjährigen Kongress der European Academy of Neurology (EAN) vorgestellte Real-WorldDaten können anhaltende Effekte in der Langzeittherapie mit Natalizumab stützen und zeigen für dessen subkutane Verabreichungsform ein geringes immunogenes Potenzial [3, 4]. Die Nichtunterlegenheit in Bezug auf die Effektivität von Natalizumab s.c. gegenüber Natalizumab i.v. wurde in einer Post-hoc-Analyse der Studie REFINE untermauert [5]. Langzeitdaten zu Natalizumab i.v. über 15 Jahre

Daten aus dem Tysabri™ Observational Program (TOP), einer offenen, prospektiven Beobachtungsstudie über einen Zeitraum von 15 Jahren, bestätigen die konsistente Effektivität und das etablierte Sicherheitsprofil von Natalizumab über einen Zeitraum von 15 Jahren [4]. Insgesamt waren 6.321 Patienten eingeschlossen (Stand: 1. November 2022). Die mediane Natalizumab-Exposition lag bei 46 Dosen, die mediane Nachverfolgungszeit betrug 116 Monate. Die jährliche Schubrate (ARR) sank dabei von 2,0 im Jahr vor Beginn der Therapie mit Natalizumab auf 0,25 während des 1. Behandlungsjahrs und auf 0,22 während des 2. Behandlungsjahrs. Die Gesamt-

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Multiple Sklerose: Subkutane Injektion von Natalizumab ist intravenöser Applikation nicht unterlegen ARR lag bei 0,18, dies entsprach einer Reduktion der jährlichen Schubrate um 91 % im Vergleich zum Jahr vor Beginn der Natalizumab-Behandlung. 82 % der Teilnehmer wiesen überdies keine Behinderungsprogression auf [4]. Neue Sicherheitssignale wurden nicht identifiziert. 17,8 % der Patienten erlitten ≥1 schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE), 4,7 % ≥1 behandlungsassoziiertes SUE. Am häufigsten waren eine progressive multifokale Leuk­ enzephalopathie (PML) und ein Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) [4]. Beide Applikationsformen zeigen vergleichbare Wirksamkeit

Aufgrund der ähnlichen pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften der beiden Applikationsformen ist der

therapeutische Nutzen von Natalizumab i.v. auf Natalizumab s.c. übertragbar [2]. Im Rahmen einer Post-hoc-Analyse der Studie REFINE wurde die Nichtunterlegenheit in Bezug auf die Wirksamkeit von Natalizumab alle 4 Wochen s.c. im Vergleich zu Natalizumab alle 4 Wochen i.v. über einen Nachverfolgungszeitraum von 1 Jahr geprüft. Primärer Endpunkt war die Anzahl der Combined unique active(CUA)-Läsionen (definiert als neue bzw. sich vergrößernde T2-Läsionen und bereits zuvor existierende Gd+-anreichernde T2-Läsionen) [5]. Der mediane Unterschied hinsichtlich der Effektivität zwischen der subkutanen und der intravenösen Applikation in Bezug auf CUA-Läsionen betrug 0. Dieses Ergebnis deutet auf eine Nichtunterlegenheit der subkutanen gegenüber der intravenösen Natalizumab-Gabe in puncto Wirksamkeit hin [5].

StratifyJCV™ – ein kostenfreier Service von Biogen Um Neurologen die individuelle Nutzen-Risiko-Bewertung bei Erwachsenen mit hochaktiver RRMS, die bereits Natalizumab erhalten oder in Erwägung ziehen, zu erleichtern, bietet das Unternehmen Biogen den kostenfreien Service StratifyJCV™ an [7]. Durch die Ermittlung des Anti-JCV-Antikörper-Status mit dem hochsensitiven, validierten und spezifischen Labortest kann das individuelle Risiko für eine PML abgeschätzt werden [8]. Die Abwicklung des Anti-JCV-Antikörper-Tests kann das medizinische Fachpersonal einfach über www.stratifyjcv.com erledigen.

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Real-World-Daten untermauern ein geringes immunogenes Potenzial der subkutanen Applikationsform

Ziel einer derzeit laufenden RealWorld-Studie ist es, Immunogenität, Verträglichkeit und Effektivität von Natalizumab s.c. zu untersuchen [3]. Eingeschlossen wurden 171 Patienten. 142 (83 %) wechselten von Natalizumab i.v. auf Natalizumab s.c., von 34 Patienten, die eine erstmalige NatalizumabTherapie begannen, erhielten 68 % die s.c. Verabreichungsform. Anti-Natalizumab-Antikörper und Antikörper gegen das John-Cunningham-Virus (JCV) wurden zu Studienbeginn und danach bei jeder 3. Natalizumab-Gabe erfasst. Aktuelle Interimsdaten zur Immunogenität nach einer medianen Nachverfolgungszeit von 8 Monaten zeigen bei einem Patienten, der eine erstmalige Behandlung mit Natalizumab i.v. begonnen hatte, persistierende Anti-NatalizumabAntikörper in Monat 3, 6 und 9 ohne klinische oder radiologische Krankheitsaktivität. Ein Studienteilnehmer, der von Natalizumab i.v. alle 6 Wochen auf Natalizumab s.c. alle 6 Wochen gewechselt war, wies zum Zeitpunkt des Wechsels (Baseline) sowie in Monat 1 und 4 Anti-Natalizumab-Antikörper auf. Eine klinische Krankheitsaktivität lag nicht vor, jedoch wurde im MRT eine Krankheitsaktivität unter der intravenösen und nach 6 Monaten unter der subkutanen Natalizumab-Therapie festgestellt [3]. Die Studienautoren schließen aus diesen Daten auf ein geringes immunogenes Potenzial von Natalizumab s.c. Die Erwartungen an die vergleichbare Immunogenität zwischen der i.v. und der s.c. Applikationsform wurden somit erfüllt.

Patientenpräferenz und Zeitersparnis

In der Real-World-Studie SISTER [6] präferierten zur Baseline (definiert als Zeitraum zwischen der 1. und 4. Gabe) 89,6 % der Patienten die s.c. Injektion gegenüber der i.v. Infusion des Biologikums; nach 6 Monaten stieg dieser Anteil auf 96,4 %. 98,7 % (Baseline) bzw. 98,1 % (Monat 6) der Patienten unter Natalizumab s.c. gaben zudem an, mit dieser Anwendungsform zufrieden zu sein. Die mit Natalizumab i.v. behandelten Patienten berichteten, durchschnittlich 2,8 Stunden pro Infusionstermin zu benötigen, bei der subkutanen Applikation waren es nur 1,3 Stunden* [6]. Die Zeitersparnis von 1,5 Stunden kann den Betroffenen einen Zugewinn an Flexibilität im Alltag ermöglichen. Brigitte Söllner, Erlangen

REPUBLIK MOLDAU: Raisa Pavlova flieht vor den Kämpfen in der Ukraine, unsere Mitarbeiterin Svetlana Bujac bietet ihr Hilfe an. © Peter Bräunig

REPUBLIK MOLDAU: Raisa Pavlova flieht vor den Kämpfen in der Ukraine, unsere Mitarbeiterin Svetlana Bujac bietet ihr Hilfe an. © Peter Bräunig

KRIEGEN SETZEN WIR HOFFNUNG ENTGEGEN KRIEGEN SETZEN WIR HOFFNUNG ENTGEGEN

Mit Ihrer Spende rettet ÄRZTE OHNE GRENZEN Leben: Mit 52 Euro können wir zum Beispiel 40 Menschen auf der Flucht drei Monate lang mit den wichtigsten Medikamenten versorgen.

Literatur

Private Spender*innen ermöglichen unsere weltweite Hilfe – jede Spende macht uns stark

1 Fachinformation Tysabri™ 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze; Stand: Mai 2022 2 Fachinformation Tysabri™ 300 mg i.v.; Stand: Mai 2022 3 Lizrova Preiningerova J et al. EAN 2023; EVP-512 4 Trojano M et al. EAN 2023; EPO-658 5 Mealli F et al. EAN 2023; EPR-190 6 Gold R et al. ECTRIMS 2022; P365 7 Lee P et al. J Clin Virol 2013;57:141-146 8 Arzt-lnformation und Management-Leitlinien für Patienten mit Multipler Sklerose, die Tysabri (i. v. & s. c.) erhalten. https:// www.pei.de/SharedDocs/schulungsmaterial/ Tysabri-Schulungsmaterial-Aerzte_Version-2-21_Arztinformation.pdf? blob=pub licationFile&v=3

Mit Ihrer Spende rettet ÄRZTE OHNE GRENZEN Leben: Mit 52 Euro können wir zum Beispiel Spendenkonto: Bank für 40 Menschen aufSozialwirtschaft der Flucht drei IBAN: DE72 3702 0500 0009 7097 00 Monate lang mit den wichtigsten BIC: BFSWDE33XXX Medikamenten versorgen. www.aerzte-ohne-grenzen.de/spenden Private Spender*innen ermöglichen unsere weltweite Hilfe – jede Spende macht uns stark

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE72 3702 0500 0009 7097 00 BIC: BFSWDE33XXX www.aerzte-ohne-grenzen.de/spenden

* Bei der s.c. Verabreichung von Natalizu­ mab ist nach den ersten 6 Applikationen eine Nachbeobachtungszeit von 1 Stunde nötig, bei allen weiteren Applikationen liegt die Nachbeobachtung im Ermessen des Arztes [1]. Bei der i.v. Verabreichung ist nach den ersten 12 Applikationen eine Nachbeobachtungszeit von 1 Stunde nötig, bei allen wei­ teren Applikationen liegt die Nachbeobachtung im Ermessen des Arztes [2].

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KONGRESSE

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ADHS IMPULSE: Mehr interdisziplinärer Austausch zwischen der Kinder/Jugend- und Erwachsenenmedizin Erstmals fand in diesem Jahr das etablierte Fortbildungsformat der Praxisworkshops der MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH unter dem neuen Namen „ADHS IMPULSE“ statt. In 6 verschiedenen Workshops wurden spezifische Fragestellungen rund um die Diagnose und Therapie einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowohl fachspezifisch als auch indikationsübergreifend diskutiert. Durch dieses neue Konzept sollen die verschiedenen Facharztgruppen, die in die Behandlung der ADHS involviert sind, besser vernetzt und der interdisziplinäre Austausch zwischen der Kinderund Jugend- sowie Erwachsenenmedizin gefördert werden. „Trauen Sie sich die Diagnose zu!“

Dr. Andrea Boreatti, Lohr am Main, warb bei den teilnehmenden Psychiatern dafür, sich den ADHSPatienten im Erwachsenenalter anzunehmen und sich die Diagnose zuzutrauen. „Die Patienten sind dankbar und oft zeigt sich relativ rasch nach Therapiestart eine Besserung der Symptomatik“, erklärte die Expertin. Die Diagnostik lässt sich beispielsweise mithilfe der „Integrierten Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter“ (IDA-R, https://ida-r-digital.de/) im Praxis­ alltag zeitökonomisch und verläss-

lich durchführen. Zudem steht mit Medikinet® adult bereits seit 2011 eine wirksame Therapieoption zur Verfügung. Boreatti räumte auch mit dem Mythos auf, dass ein vorwiegend unaufmerksames Erscheinungsbild der ADHS per se weiblich und ein vorwiegend hyperaktiv-impulsives Erscheinungsbild der ADHS ausschließlich männlich geprägt sei. So beschrieb Heinrich Hoffmann in seinem Buch „Der Struwwelpeter“ schon im Jahr 1844 neben dem „Zappelphilipp“ auch das „zündelnde Paulinchen“, das sich selbst in Brand steckte. „ADHS mit hyperaktiv-impulsivem Verhalten kommt durchaus auch bei Mädchen vor“, erklärte die Expertin. Oft fällt die Störung bei Frauen jedoch lange nicht auf, weil die Betroffenen besonders gut strukturiert und fast schon zwanghaft sind, jedoch die Kriterien für eine Zwangsstörung nicht erfüllen. Diese Frauen kommen möglicherweise mit einem Erschöpfungssyndrom in die Praxis oder beschreiben eine depressive Symptomatik. Auch bei Patientinnen mit der Diagnose „Depression“ oder „Borderline-Persönlichkeitsstörung“, die nur mäßig von einer Therapie profitiert haben, sollte an eine ADHS gedacht werden. Wird die Diagnostik erst im Erwachsenenalter durchgeführt, soll­ten Schulzeugnisse eingehend studiert werden, um eine AD(H)S zu rekonstruieren, empfahl PD Dr. Robert Waltereit, Marsberg. Definitionsgemäß müssen die Symptome bereits vor dem 12. Lebensjahr bestanden haben. Bei vielen Mädchen wird die Problematik zum ersten Mal in der weiterführenden Schule manifest, bestand jedoch in latenter Form schon vorher. „Die Schülerinnen sind den neuen Herausforderungen und der größe-

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ren Verantwortung oftmals nicht gewachsen“, schilderte er seine Erfahrungen aus der Praxis. Waltereit merkte zudem an, dass eine Verordnung von Stimulanzien aufgrund des häufigen Konsums von Cannabis und anderen Substanzen bei ADHS-Betroffenen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte. „Es ist heute gut belegt, dass sich gerade durch die frühzeitige multimodale Therapie einer ADHS das Risiko für Substanzkonsum und Abhängigkeitserkrankungen reduziert.“ Außerdem, so der Experte weiter, haben Methylphenidat und Dexamfetamin keine Bedeutung in der Drogenszene und das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung ließe sich beispielsweise durch die Verordnung von Retard-Präparaten deutlich reduzieren. Angststörungen und Depressionen bei ADHS

„Angststörungen und Depressionen sind häufige Komorbiditäten bei einer ADHS“, konstatierte Professor Peter Greven, Berlin. In einer Studie zu den medizinischen Gesamtkosten bei ADHS und wichtigen Komorbiditäten ergab die Auswertung von Krankenkassendaten, dass etwa 22 % der Kinder und 59 % der Erwachsenen mit einer ADHS zusätzlich unter einer Angststörung litten. Dabei liegt der Altersmedian des ersten Auftretens von Angststörungen bei 13 Jahren. Somit ist davon auszugehen, dass eine bestehende ADHS für komorbide Angststörungen prädisponiert. Bei Depressionen ist laut Greven der Unterschied zwischen Kindesund Erwachsenenalter noch auffälliger, wobei das erste Auftreten typischerweise auch später in der Lebensspanne liegt. Außerdem © VERLAG PERFUSION GMBH


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gibt es eine Überlappung zwischen Angsterkrankungen und Depressionen. Bei vorbestehenden Angststörungen setzt die Depression früher ein, häufig in Verbindung mit einem höheren Schweregrad sowie einer vermehrten Suizidalität. Die Behandlung von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter erfolgt überwiegend über Psychoedukation und kognitive Verhaltenstherapie, wobei, wie Greven betone, eine Exposition wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil ist. Eine gute Wirksamkeit wird für SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und – etwas weniger – SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) beschrieben, wobei diese für diese Indikation aber nicht für Kinder und Jugendliche zugelassen sind. Greven wies darauf hin, dass die Behandlung des einen Störungsbildes Einfluss auf die Symptomatik des anderen Störungsbildes haben kann. Dabei können Angstsymptome Folge einer ADHS sein – die Differenzialdiagnostik ist hier oftmals komplex. Welches Störungsbild zuerst behandelt werden sollte, muss im Einzelfall entschieden werden. Wie Dr. Frank-Matthias Rudolph, Boppard, ergänzte, finden sich ADHS-Betroffene häufiger in emotional belastenden Situationen wieder und verfügen oftmals über geringere Bewältigungsstrategien, was die Entstehung einer komorbiden Depression begünstigen kann. Hinsichtlich der Therapie riet er, zunächst die ADHS zu behandeln, sofern die Depression nicht deutlich klinisch im Vordergrund steht: „Normalerweise schlägt eine medikamentöse ADHS-Therapie rasch an, was auch die Symptome der Depression verändern kann. Bleiben die Symptome jedoch

weiterhin bestehen, könnten Stimulanzien (z.B. Medikinet® adult) nach sorgfältiger Nutzen-RisikoAbwägung mit SSRIs kombiniert werden.“ Der Experte empfahl, insbesondere bei Patienten mit „therapieresistenter Depression“ nach einer möglicherweise zugrunde liegenden ADHS zu forschen, da sich gerade im Erwachsenenalter Patienten nicht primär mit einer ADHS beim Arzt vorstellen, sondern mit einer Angststörung oder einer Depression. ADHS & Transition: Mangelnde Adhärenz thematisieren

Dr. Konstantin Mechler, Mannheim, beleuchtete das Thema ADHS & Transition. Wie er betonte, ist die Altersgrenze zum Erwachsenenalter von 18 Jahren willkürlich gewählt und berücksichtigt nicht den individuellen Entwicklungsstand. Hinzu kommt, dass die Ausprägung der ADHSSymptomatik sehr variabel ist und sich über die Lebensspanne verändert. Mechler verwies dazu auf eine dänische Kohortenstudie, die die mit einer ADHS assoziierten Risiken untersuchte. Die Ergebnisse zeigen, dass dissoziale Störungen (Gewalt, Kriminalität), Substanzmissbrauch sowie riskante Verhaltensweisen aufgrund von Unaufmerksamkeit und Impulsivität verbunden mit einem Risiko für vermehrte Unfälle bei den ADHSBetroffenen gehäuft auftreten. Zur Prävention dieser Risiken ist laut Mechler eine frühzeitige, konsequente multimodale Behandlung, bestehend aus unterschiedlichen und individuell zusammengestellten Bausteinen wie Psychoedukation, Psychotherapie oder einer me-

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dikamentösen Intervention unter Einbeziehung der Eltern sowie des schulischen Umfelds unerlässlich. Beim Übergang von der kinderund jugendpsychiatrischen in die erwachsenenpsychiatrische Versorgung besteht die Herausforderung darin, dafür zu sorgen, dass Patienten die für sie optimale Therapie für die jeweilige Lebensphase und den individuellen Entwicklungsstand erhalten. Patienten, die auch über das Jugendalter hinaus eine Behandlung benötigen, sollten nicht „verloren“ gehen. Bislang, so Mechler, gibt es jedoch keine etablierten, evaluierten Interventionen zur Verbesserung der Adhärenz bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen wie einer ADHS. Grundsätzlich sollte jedoch der Fokus auf den Bedürfnissen und Wünschen des Patienten liegen und eine gute therapeutische Allianz angestrebt werden. Aus diesem Grund empfahl er, bei Adhärenzproblemen unbedingt auch das Gespräch mit den Betroffenen allein – ohne die Eltern – zu suchen. Eine mangelnde Adhärenz sollte offen thematisiert und gemeinsam nach Ursachen und Lösungsansätzen geforscht werden. Abschließend empfahl der Experte, den Patienten, die eine Stimulanzientherapie, beispielsweise mit Methylphenidat erhalten und Auto fahren, eine ärztliche Bescheinigung für Routinekontrollen im Straßenverkehr auszustellen. Eine Vorlage hierfür kann beispielsweise über info@adhs-infoportal.de abgerufen werden. Fabian Sandner, Nürnberg

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Colitis ulcerosa: Lebensqualität verbessern mit Filgotinib Mit dem präferenziellen Januskinase 1 (JAK1)-Inhibitor Filgotinib (Jyseleca® 200-mg- und 100-mg-Filmtabletten) steht seit Ende 2021 eine innovative Therapieoption zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Colitis ulcerosa (CU) bei erwachsenen Patienten zur Verfügung. Filgotinib adressiert wichtige Aspekte einer umfassenden Krankheitskontrolle und rückt so eine langfristige Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität der Betroffenen immer stärker in den Fokus. „Dies entspricht dem Anspruch von Galapagos, Pionierarbeit für Patienten zu leisten“, betonte Dr. Sabine Koken, Geschäftsführerin der Galapagos Biopharma Germany GmbH, im Rahmen einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main und ergänzte: „Uns geht es darum, den Menschen das zu geben, was ihnen wichtig ist – mehr Zeit mit der Familie und Freunden, mehr Lebensfreude und ein längeres und gesünderes Leben bei höherer Lebensqualität.“ PD Dr. med. Elisabeth Schnoy, Augsburg, wies auf die hohe Belastung hin, die eine Colitis ulcerosa für die Betroffenen darstellt: „In einer paneuropäischen Umfrage gab etwa die Hälfte der Teilnehmer an, dass die Symptome der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ihr Leben etwas oder erheblich beeinflussen.“ Zu den zentralen Belastungen, die von Patienten berichtet wurden, gehörten die Sorge um die Verfügbarkeit von Toiletten, schmerzbedingte Schlafstörungen und die Tatsache, dass Pläne verschoben oder abgesagt werden müssen.

Die Erwartungen an die Therapie steigen

„Bei der Therapie der Colitis ulcerosa gab es in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte; diese haben die Erwartungen an die Therapie steigen lassen. Das spiegelt sich u.a. im Treat-to-Target-Ansatz der STRIDE II-Empfehlungen, der zunehmenden Bedeutung von patientenberichteten Ergebnissen (PROs) und immer ambitionierteren Therapiezielen wider“, erklärte Professor Dominik Bettenworth, Münster. Als neues Therapieziel wird beispielsweise die umfassende Krankheitskontrolle diskutiert, die sowohl Aspekte aus ärztlicher Sicht als auch aus der Betroffenenperspektive berücksichtigt. Zu einer umfassenden Krankheitskontrolle gehören Bettenworth zufolge eine kontrollierte Entzündung sowie eine Minimierung von Behandlungslast und unerwünschten Ereignissen mit dem ultimativen Ziel, eine Normalisierung der Lebensqualität von Patienten mit CU zu erreichen. Wichtige Aspekte auf dem Weg zur umfassenden Krankheitskontrolle sind Beginn und Erhalt des Ansprechens sowie eine steroidfreie Remission. Filgotinib: Rasch eine symptomatische Remission erreichen

„Insbesondere für schwer symptomatische Patienten ist ein schneller Wirkeintritt essenziell“, betonte Schnoy und fügte hinzu: „Mit dem präferenziellen JAK1-Inhibitor konnte in der SELECTION-Studie eine rasche und anhaltende Verbesserung der Symptome gezeigt werden.“ Biologika-naive Patienten erreichten in der Studie unter 200 mg Filgotinib innerhalb von

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9 Tagen und Biologika-erfahrene innerhalb von 7 Tagen eine symptomatische Remission. Bei Teilnehmern, die die Filgotinib-Therapie fortsetzten, war der Unterschied zu Placebo auch nach 58 Wochen signifikant (p < 0,0001). Filgotinib war dabei gut verträglich, die Häufigkeit von behandlungsbedingten und schweren unerwünschten Ereignissen lag auf Placeboniveau. Anhaltende Wirkung

Eine beim ECCO 2023 vorgestellte Analyse einer Kohorte, die zunächst in der SELECTION-Studie verblindet und anschließend in der Verlängerungsstudie SELECTION LTE unverblindet für insgesamt 3,9 Jahre mit Filgotinib 200 mg behandelt wurde, zeigte, dass die in der SELECTION-Studie erreichte Verbesserung des partiellen Mayo Clinic Scores (pMCSg) über den gesamten Beobachtungszeitraum von 144 Wochen erhalten blieb (As-observed-Analyse). Die Analyse bestätigte zudem das Sicherheitsprofil von Filgotinib. Steroideinsatz immer noch verbreitet

Die S3-Leitinie zur Therapie der CU sieht als primäres Therapieziel das Erreichen und den Erhalt einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission vor. Einer aktuellen Studie zufolge werden viele Patienten mit Krankheitsaktivität in Deutschland über 3 Jahre hinweg ausschließlich mit Steroiden behandelt. „Eine Steroid-Erhaltungstherapie ist mit erheblichen kurz- und langfristigen Nebenwirkungen assoziiert und sollte wann immer möglich vermieden werden“, betonte Bet© VERLAG PERFUSION GMBH


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tenworth. Auch hier gibt es gute Daten zu Filgotinib: Eine Post-hocAnalyse der SELECTION-Studie zeigte, dass über 90 % der Patienten, die unter Filgotinib 200 mg in Remission waren, in Woche 58 seit mindestens 6 Monaten ohne Steroide auskamen. Verbesserte Lebensqualität als langfristiges Therapieziel

Dass eine umfassende Krankheitskontrolle schon heute bei einem Teil der CU-Patienten erreichbar ist, belegt eine Post-hoc-Analyse der SELECTION-Studie. In deren kombinierten Endpunkt gingen klinische und biologische Remission, endoskopische Verbesserung sowie der Inflammatory Bowel Dis­ease Questionnaire als Parameter für die gesundheitsbezogene Lebensqualität ein – alle 4 Endpunkte mussten dabei von jedem einzelnen Patienten erreicht werden. Verglichen wurden Patienten, die in der Induktions- und Erhaltungsphase mit Filgotinib 200 mg behandelt wurden, mit Teilnehmern, die Placebo erhalten hatten. Es zeigte sich, dass signifikant mehr Teilnehmer unter dem präferenziellen JAK1-Inhibitor den kombinierten Endpunkt in Woche 10 erreichten als unter Placebo (p < 0,001). Die erzielte Verbesserung in der Induktionsphase konnte in der Erhaltungsphase (bis Woche 58) bestätigt werden (p = 0,002). Wie Bettenworth abschließend kommentierte, kann die Colitis ulcerosa mit Filgotinib möglicherweise auch auf histologischer Ebene beeinflusst werden, denn das Erreichen des explorativen kombinierten Endpunkts war meist auch mit einer histologischen Remission verbunden. Fabian Sandner, Nürnberg

Schizophrenie: Mit dem schnellwirksamen Depot-Antipsychotikum Risperidon ISM® die Therapiekontinuität verbessern Kontinuität in der Betreuungssituation und der medikamentösen Therapie trägt maßgeblich zum Behandlungserfolg bei Schizophrenie-Patienten bei. Um die Therapieadhärenz zu verbessern und die therapeutische Beziehung zu intensivieren, werden DepotPräparate eingesetzt. Seit April 2022 ist in Deutschland die innovative, schnellwirksame Depot-Formulierung Risperidon ISM® (Okedi®) auf dem Markt verfügbar. Es zeichnet sich durch eine schnelle und anhaltende Wirksamkeit, ein einfaches Ein- und Umstellungsschema sowie gute Verträglichkeit aus. Im Rahmen des Klinik-Workshops der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Suchtmedizin der KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte und der ROVI GmbH berichteten Experten

von ihren Erfahrungen mit Okedi® und diskutierten dessen Einsatzmöglichkeiten in der stationären und der ambulanten Betreuung von Schizophrenie-Patienten. Patienten profitieren stark von einer kontinuierlichen Behandlung

„Für Schizophrenie-Patienten ist das Absetzen der antipsychotischen Medikation oder auch nur eine Dosisreduktion mit einem höheren Risiko für eine Exazerbation oder einen Rückfall verbunden“, stellte Dr. Thomas Aubel, stellv. Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Suchtmedizin der KEM, klar und ergänzte: „Und jedes Krankheitsrezidiv verringert die Chancen auf eine erneute vollständige Recovery.“ Wenn es um den langfristigen Erhalt der Funktionalität geht, sollten deswegen immer auch Depot-Präparate, die mit geringeren Rückfallraten assoziiert sind, in Betracht gezogen werden, wie z.B. die neuartige schnellwirksame

ISM®-Technologie, Okedi® ISM® ist eine vom spanischen Pharmaunternehmen ROVI patentierte Technologieplattform für die Freisetzung von Medikamenten. Sie basiert auf der In-situ-Bildung von biologisch abbaubaren Matrices nach Verabreichung mit einem flüssigen Träger. Diese Technologie erlaubt es, innerhalb des ersten Tages nach der Injektion therapeutische Plasmaspiegel einer Substanz aufzubauen, ohne Notwendigkeit einer oralen Supplementierung oder zusätzlichen Loading Dose. Damit werden therapeutische Plasmaspiegel in einer vorhersehbaren und nachhaltigen Weise erreicht. Das Risperidon-Depotpräparat Okedi® ist in den Dosierungen 75 mg und 100 mg zur intramuskulären Injektion alle 4 Wochen erhältlich. Es verbindet die bekannte Wirksamkeit und Verträglichkeit des Wirkstoffs Risperidon mit der besonderen Pharmakokinetik der ISM®-Technologie. Okedi® wird angewendet zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen, bei denen die Verträglichkeit und Wirksamkeit von oralem Risperidon nachgewiesen ist.

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Depotformulierung des bewährten Wirkstoffs Risperidon (Okedi®), die in der Zulassungsstudie PRISMA-3 mit einem raschen Wirkeintritt und einer guten Effektstärke überzeugte. So zeigte sich eine signifikant stärkere Reduktion des PANSS*-Gesamtscores im Vergleich zu Placebo an Tag 8 für die 100-mg- und an Tag 15 für die 75-mg-Dosierung von Risperidon ISM®. Dosisabhängig konnten Effektstärken von –0,69 (100 mg) bzw. –0,70 (75 mg) gemessen werden; die Number needed to treat lag bei 3. „Ein Präparat mit einer so guten und rasch einsetzenden Wirksamkeit kann sich sehr positiv auf die gesamte Behandlungssituation auswirken“, sagte Aubel. „Mit vielen Patienten mussten wir bei jeder Visite die Medikation diskutieren. Nach der Umstellung rückten Themen aus dem Alltag in den Mittelpunkt, wie z.B. ein geplanter Besuch bei Verwandten. Das hat positive Effekte auf die therapeutische Beziehung.“ In der Akutstation werden die Weichen für eine kontinuierliche Behandlung gestellt

Wenn eine Person mit der Diagnose Schizophrenie auf der Akutstation aufgenommen wird, ist das erste Ziel des Personals, einen Zugang zur Patientin bzw. zum Patienten herzustellen und die Einwilligung in eine Behandlung zu erreichen. Wie Simon Kurzhals, Leiter der psychiatrischen Akutstation der KEM, berichtete, sind * PANSS = Positive and Negative Syndrome Scale (Skala zur Bewertung des Schweregrads einer Schizophrenie; Subskalen sind Positivsyndrom, Negativsyndrom und allgemeine Psychopathologie)

dafür Beharrlichkeit sowie eine individuelle Argumentationsführung wichtig. „Patienten, die mit einer medikamentösen Therapie einverstanden sind, bieten wir immer auch die Behandlung mit einem Depot-Präparat als Therapieoption an. Die schnellwirksame Depot-Formulierung Risperidon ISM® ist vielen Patienten dabei leicht zu vermitteln, da sich der Übergang von der oralen Therapie zum langwirksamen injizierbaren Präparat nahtlos und unkompliziert gestaltet.“ Denn beim Einsatz von Risperidon ISM® werden therapeutische Plasmaspiegel bereits innerhalb des ersten Tages nach der ersten Injektion erreicht. Eine orale Supplementierung oder Loading Dose, die bei Anwendung anderer DepotPräparate üblich ist, ist daher nicht erforderlich. Diese Werte lassen sich laut Kurzhals anhand des auf der Akutstation der KEM durchgeführten therapeutischen Drug-Monitorings bestätigen. „Bei Erwachsenen, bei denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Risperidon nachgewiesen ist, setzen wir Risperidon ISM® daher nach wenigen Tagen oraler Behandlung bereits im Verlauf der Entaktualisierung ein und beobachten in der Regel ein rasches Fortschreiten der Stabilisierung“, resümierte Kurzhals. Langfristige Therapieadhärenz zu ermöglichen ist eine zentrale Aufgabe der PIA

Nach der Erfahrung von Dirk Held, Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) der KEM, ist der Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung immer ein Einschnitt und damit eine potenzielle Schwachstelle für die Behandlungskontinuität.

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Gute Erfahrungen hat er mit Patienten gemacht, die bereits stationär oder zeitnah in der PIA auf ein Depot-Antipsychotikum eingestellt werden. Eine Betreuung durch gleichbleibende Bezugspersonen und eine kontinuierliche antipsychotische Behandlung mittels Depot-Formulierungen tragen maßgeblich zur Therapietreue von Schizophrenie-Patienten bei. „Weil es bei uns um den langfristigen Behandlungserfolg geht, rücken im Zusammenhang mit der Adhärenz in der PIA zusätzliche Aspekte, wie die anhaltende Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten, in den Fokus“, sagte Held. „Mit Risperidon ISM® steht ein Präparat mit bekanntem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung, das Rückfälle effektiv verhindert.“ Die Rezidivrate lag in der 12-monatigen unverblindeten Extensionsstudie, die im Anschluss an PRISMA-3 durchgeführt wurde, bei 10,7 %, nur 4,1 % der Patienten mussten rehospitalisiert werden. Konstante Plasmaspiegel

In der täglichen Praxis bestätigen sich auch die Studiendaten, denen zufolge die Injektion schmerzfrei ist und nur in 0,3 % aller Anwendungen zu einer Injektionsreaktion führte. „Unser therapeutisches Drug-Monitoring zeigte, dass die Plasmaspiegel des Wirkstoffs verlässlich über den Behandlungszeitraum von 4 Wochen konstant bleiben. Zu einem Behandlungsabbruch aufgrund von Unverträglichkeit von Risperidon ISM® ist es in unserer PIA bislang nicht gekommen“, schloss Held. Fabian Sandner, Nürnberg

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Okuläre Symptome – Begleitsymptomatik erweist sich oft als wegweisend in der Differenzialdiagnostik zur Epilepsie Es gibt eine Vielzahl von okulären Symptomen: Bei einigen kann die Ursache „auf einen Blick“ bestimmt werden, andere stellen für die behandelnden Ärzte eine diagnostische Herausforderung dar, da die Symptome bei verschiedenen Erkrankungen auftreten können. Ein typisches Beispiel hierfür sind okulogyre Krisen, d.h. ein unwillkürliches krampfhaftes Augenverdrehen nach oben. Sie treten bei einigen Epilepsieformen auf, aber auch bei der seltenen Erbkrankheit Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC)-Mangel. Wie wichtig die Begleitsymptome für die exakte Diagnosestellung sind, berichteten Experten auf einem Symposium im Rahmen der Dreiländertagung 2023 der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie und der Schweizerischen Epilepsie Liga. Okuläre Symptome – möglich sind harmlose bis schwerwiegende Ursachen

Professor Gerd Kurlemann, Lingen, eröffnete seinen Vortrag zu okulären Symptomen in der Differenzialdiagnostik zur Epilepsie mit Goethe: „Man sieht nur, was man weiß.“ Eine erste grobe Zuordnung von okulären Symptomen zu einem epileptischen oder einem nicht epileptischen Anfall ist laut Kurlemann anhand einer einfachen Beobachtung möglich: Bei einem epileptischen Anfall kommt es am Anfang in der Regel zu einem Öffnen oder Weiten der Augen, bei einem nicht epileptischen

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AADC-Mangel Der AADC-Mangel ist eine seltene, häufig tödlich verlaufende neurometabolische autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch verschiedene Mutationen im Dopa-Decarboxylase (DDC)-Gen verursacht wird. Das Gen codiert für das Enzym AADC, das eine Schlüsselrolle in der Neurotransmittersynthese spielt. In der Folge kommt es zu einem kombinierten Mangel an Dopamin, Serotonin, Adrenalin und Noradrenalin. Das Fehlen dieser Neurotransmitter hemmt die postsynaptische neuronale Signalübertragung im Zentralnervensystem, die für die motorische Entwicklung, das Verhalten und die autonome Funktion erforderlich ist. Ohne Dopamin können die Patienten keine Meilensteine in der motorischen Entwicklung erreichen. Sie können den Kopf nicht heben, nicht sitzen, stehen, gehen oder gar sprechen.

Anfall treten meist Augenflattern und sehr oft ein unfreiwilliger Augenschluss auf. In einer Studie mit 46 Früh- und Neugeborenen, waren bei 88 % aller untersuchten Anfälle die Augen offen. „Daher machen geschlossene Augen auch bei Früh- und Neugeborenen einen epileptischen Anfall unwahrscheinlich“, betonte Kurlemann. Anschließend zeigte er in einem „Augenquiz“ anhand zahlreicher Fallbeispiele die Vielfalt von okulären Symptomen und ihren zugrunde liegenden Ursachen. Einige Symptome waren leicht zu erkennen, bei anderen war die Differentialdiagnostik, insbesondere die Abgrenzung zu Epilepsieformen, schwieriger. Einige okuläre Symptome sind harmlos, wie z.B. der gar nicht so seltene WillkürNystagmus mit willkürlich auslösbaren Serien konjugierter, rascher kleinamplitudiger horizontaler Hin- und Her-Bewegungen der Augen, oder eine Myokymie (Zuckungen des Lids), wenn sie bei Kindern auftritt. Andere Augensymptome gehen mit späteren Erkrankungen einher: Beispielsweise haben Säuglinge mit Irispigment­ epithelzysten als Erwachsene ein erhöhtes Risiko für ein thorakales

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Aortenaneurysma. Ein weiteres Fallbeispiel zeigte ein Kleinkind mit Hydrozephalus, das morgens mit binokularem, horizontalem Nystagmus erwachte und nicht ansprechbar war. Hier handelte es sich um einen epileptischen Nystagmus mit der Gefahr eines Status epilepticus. Okulogyre Krisen werden häufig mit einem epileptischen Anfall verwechselt

Bei einer okulogyren Krise kommt es zu einem tonischen Verdrehen beider Augen nach oben, das mehrfach am Tag Minuten bis Stunden anhalten kann. Kurlemann demonstrierte hierzu den Fall eines hypotonen Säuglings mit okulogyren Krisen, die ohne Zungenfaszikulieren oder Zungenprotrusionen auftraten. Das Wach-EEG war unauffällig, der Glabella-Reflex nicht habituierend. „Bei einer Kombination aus Muskelhypotonie, okulogyren Krisen und normalem EEG und MRT bei einem Säugling oder Kleinkind besteht der dringende Verdacht auf einen AromatischeL-Aminosäure-Decarboxylase(AADC)-Mangel“, betonte Kurle© VERLAG PERFUSION GMBH


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Eladocagene exuparvovec Eladocagene exuparvovec (Upstaza™) ist eine einmalige intrapu­ taminale Genersatztherapie, die für die Behandlung von Patienten ab 18 Monaten mit einer klinisch, molekularbiologisch und genetisch bestätigten Diagnose eines AADC-Mangels mit einem schweren Phänotyp indiziert ist. Upstaza™ enthält die für das humane AADC-Enzym kodierende cDNA (complementary DNA) unter Kontrolle eines Zytomegalievirus-Promoters, eingebettet in den viralen Vektor rAAV2 (rekombinanter adeno-assoziierter Serotyp-2-Vektor). Dabei handelt es sich um ein kleines, nicht replizierendes und nicht pathogenes Parvovirus. Upstaza™ wird im Rahmen eines stereotaktischen neurochirurgischen Verfahrens einmalig bilateral in das Putamen infundiert. Das Putamen ist verantwortlich für motorische Kontrolle, Lernen, Verhalten und Emotionen. Mit Upstaza™ wird ein funktionierendes DDC-Gen direkt in das Putamen gebracht, sodass der zugrunde liegende genetische Defekt korrigiert werden kann. Dadurch kommt es zur Exprimierung des AADC-Enzyms, was wiederum zur Produktion von Dopamin und folglich zur Entwicklung der motorischen Funktionen bei den Patienten führt.

mann. In diesen Fällen muss eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden. Einen ersten Hinweis vorab gibt die Bestimmung von 3-O-Methyldopa (3-OMD) im Blut. Hierfür können Trockenblutkarten z.B. im Stoffwechsellabor der Universität Heidelberg angefordert werden. Entscheidend für die Diagnose AADC-Mangel sind aber die Bestimmung der AADC-Enzymaktivität im Blutplasma und bestimmter Neurotransmittervorstufen im Liquor sowie eine genetische Untersuchung (Whole Exome/Genome). Zwei der 3 Untersuchungen müssen zur Bestätigung positiv ausfallen. Eine frühzeitige korrekte Diagnose eines AADC-Mangels ist entscheidend, denn für die bislang nicht heilbare Krankheit gibt es mittlerweile eine kausale therapeutische Option: die intraputaminale Gentherapie Upstaza™ (Eladocagene exuparvovec).

Diagnostik von Augenbewegungsstörungen – Begleitsymptomatik kann wegweisend sein

Wie Professor Johannes Lemke, Leipzig, ausführte, betreffen Augenbewegungsstörungen (okulomotorische Dysfunktionen, OMD) vorwiegend 3 Bereiche: die Fähigkeit zur Fixation, zu Sakkaden sowie zur Blickfolge – einzeln oder in Kombination. Wie Lemke erläuterte, ist die Gruppe der OMD sehr heterogen und in der Regel Teil einer übergeordneten, häufig genetisch bedingten Entität. Zudem sind auch vermeintlich spezifische OMD mit vielen verschiedenen Syndromen assoziiert, betonte Lemke. Das bedeutet, dass man bei einer OMD immer auch den Phänotyp genau im Blick haben muss – auch als Genetiker. Als erstes Beispiel führte er die Duane-Anomalie an, einen angeborenen Strabismus mit eingeschränk-

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ter horizontaler Beweglichkeit der Augen. Je nach begleitender Symptomatik kommen hier verschiedene Differenzialdiagnosen infrage, denen jeweils unterschiedliche Genmutation zugrunde liegen: bei zusätzlichen radialen Malformationen z.B. das Okihiro-Syndrom, bei Arthrogryposis z.B. das Wieacker-Wolff-Syndrom, bei genitalen Malformationen z.B. das CCAcardiac-ocular-genital-Syndrom oder bei gleichzeitig zu beobachtenden Entwicklungsverzögerungen z.B. das Cat-Eye-Syndrom. Wie schon Kurlemann berichtet hatte, sind okulogyre Krisen eine Augenbewegungsstörung, bei der die Begleitsymptomatik wegweisend sein kann. Bei begleitenden Bewegungsstörungen könnten ein infantiler Parkinsonismus, eine Dystonie oder Dyskinesie zugrunde liegen. Bei Entwicklungsverzögerungen kommen z.B. epileptische Enzephalopathien infrage. Fallen bei einem Säugling oder Kleinkind mit okulogyren Krisen zusätzlich eine generalisierte Muskelhypotonie, Entwicklungsverzögerungen sowie autonome Symptome wie vermehrte Speichelbildung, nasale Kongestion oder übermäßiges Schwitzen auf, muss an einen AADC-Mangel gedacht werden. Darüber hinaus könnten okulogyre Krisen „erworben“ sein, verursacht u.a. durch Medikamente, Traumata oder Infektionen, und sie treten bei multipler Sklerose und Tourette-Syndrom auf. „Wünschenswert ist auf jeden Fall, dem Genetiklabor die ausführlichen klinischen Angaben zum Phänotyp des Patienten mitzuteilen, denn diese sind für eine exakte Beurteilung der Befunde sehr wichtig“, so Lemke abschließend. Brigitte Söllner, Erlangen © VERLAG PERFUSION GMBH


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Chronische Hepatitis-DVirus-Infektion – EU erteilt Vollzulassung für Bulevirtid Der Entry-Inhibitor Hepcludex® (Bulevirtid, BLV) ist das erste und derzeit einzige Arzneimittel mit einer EU-Zulassung für die Behandlung der chronischen Hepatitis-Delta-Virus (HDV)-Infektion. Am 18. Juli 2023 genehmigte die Europäische Kommission die Umwandlung der bisher bedingten Zulassung von Hepcludex® in eine Vollzulassung ohne spezifische Auflagen. Bulevirtid überzeugt auch über 96 Wochen mit gutem Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil

Auf dem diesjährigen Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL) in Wien wurden neue Daten zur antiviralen Therapie der chronischen HDV-

Infektion mit Bulevirtid (Hepcludex®) vorgestellt. Wie Dr. Kathrin Sprinzl, Frankfurt/Main, berichtete, führte der Entry-Inhibitor in der 96-Wochen-Interimsanalyse der Phase-III-Studie MYR301 bei 76 % der Patienten zu einem virologischen Ansprechen, definiert als HDV-RNA-Spiegel unterhalb der Nachweisgrenze oder eine Reduktion der HDV-RNA-Spiegel um mindestens 2 log10 IU/ml. Eine Normalisierung der ALT-Konzentrationen wurde bei 63 % der Patienten beobachtet, die Kombination aus beiden Endpunkten bei 55 %. Die Lebersteifigkeit ging unter der Bulevirtid-Therapie kontinuierlich zurück. Sprinzl zeigte anhand der Daten, dass manche Patienten erst später auf die Therapie ansprechen. So nahm der Anteil der Behandelten, die den kombinierten Endpunkt aus virologischem Ansprechen und ALT-Normalisierung erreichten, im Studienverlauf kontinuierlich zu und stieg allein von Woche 48 zu Woche 96 um 10 %. „Behand-

Bulevirtid Der Entry-Inhibitor Bulevirtid (Hepcludex®) ist das erste und derzeit einzige Arzneimittel mit einer EU-Zulassung für die Behandlung der chronischen Hepatitis-Delta-Virus (HDV)-Infektion. Indiziert ist Bulevirtid bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung, die im Plasma (oder Serum) positiv auf HDV-RNA getestet wurden. Bulevirtid wird einmal täglich (alle 24 h ± 4 h) in einer Dosierung von 2 mg subkutan injiziert, entweder als Monotherapie oder – zur gleichzeitigen Behandlung der zugrunde liegenden HepatitisB(HBV)-Virus-Infektion – in Kombination mit einem Nukleos(t)idAnalogon. Bulevirtid bindet und inaktiviert den NTCP (Natriumtaurocholatkotransportierendes Polypeptid)-Transporter in den Zellmembranen von Hepatozyten. Dieser transportiert Gallensäuren über die Zellmembran hinweg und wird von HBV und HDV als Eintrittspforte in die Hepatozyten genutzt. Durch die Bindung an NTCP hindert Bulevirtid die Viren am Zelleintritt, ist daher ein sogenannter Entry-Inhibitor.

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ler sollten die Therapie daher nicht wegen eines vermeintlichen NichtAnsprechens zu früh abbrechen“, empfahl Sprinzl. Die Ergebnisse zum Sicherheitsprofil bewertete sie als positiv. So gab es keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse mit Bezug zur Therapie oder unerwünschte Ereignisse, die zu einem Abbruch der Behandlung führten. Häufigste Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle (20 %), Kopfschmerzen (18 %) und Fatigue (14 %). Gut wirksam auch in unselektierten Kollektiven

Neben den klinischen Studiendaten zu Bulevirtid liegen unterschiedliche Real-World-Daten vor, unter anderem eine Erhebung aus 37 Zentren, die ebenfalls auf dem EASL-Kongress veröffentlicht und bei der Pressekonferenz von Dr. Münevver Demir, Berlin, vorgestellt wurde. Eingeschlossen waren 176 Patienten, alle mit kompensierter Leberzirrhose ChildPugh A. Nach 96 Behandlungswochen mit einmal täglich 2 mg s.c. Bulevirtid erreichten 77 % von ihnen ein virologisches Ansprechen, 73 % ein biochemisches Ansprechen und 58 % ein kombiniertes Ansprechen. „Damit bestätigen die Praxisdaten zur Wirksamkeit jene der MYR301-Studie vollumfänglich“, kommentierte Demir. Sie berichtete außerdem über ihre Erfahrungen mit einer Berliner Real-World-Kohorte, die mittlerweile 21 Patienten mit einer BulevirtidBehandlungsdauer von bis zu 60 Wochen einschließt. Die publizierten Daten einer Teilkohorte (n = 8) zeichnen das bereits bekannte Bild: „Über 48 Wochen beobachteten wir bei 7 Patienten einen kontinuierlichen Rückgang der HDV-RNA, © VERLAG PERFUSION GMBH


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bei 3 Patienten bis unter die Nachweisgrenze“, erläuterte Demir. Besonders in Erinnerung blieb ihr der komplexe Fall eines 61-jährigen Patienten mit kompensierter Leberzirrhose Child-Pugh A, der schließlich ein Leberzellkarzinom entwickelte. Bis zur Lebertransplantation erhielt der Patient Bulevirtid. „Der Fall zeigt, dass wir auch in dieser schwierigen Situation mit Bulevirtid gut und verträglich therapieren und die Patienten kompensiert und mit niedriger Viruslast in die Transplantation bringen können“, schlussfolgerte Demir. Appell: Leitliniengemäß auf HDV-Infektion testen!

Gemäß der aktuellen EASL-Leitlinie sollte die Therapie mit Bulevirtid 2 mg bei allen Patienten mit chronischer HDV-Infektion und kompensierter Lebererkrankung erwogen werden. Ein derzeit in der Konsultationsfassung veröffentlichtes Addendum zur S3-Leitlinie für Hepatitis B verzeichnet Bulevirtid ebenfalls als Therapieoption bei diesen Patienten. Demir und Sprinzl gaben zu bedenken, dass in Deutschland nur ein kleiner Teil der Menschen mit einer Indikation zum HDV-Screening auch getestet wird – in einer retrospektiven Datenanalyse für die Jahre 2012 – 2021 waren es gerade einmal 20 %. Dadurch bleiben HDVInfektionen unerkannt und die Betroffenen erhalten keinen Zugang zur Therapie. Die Expertinnen erinnerten daher an internationale und nationale Leitlinien-Empfehlungen, wonach alle HBsAg-positiven Patienten mindestens einmal auf eine HDV-Infektion getestet werden sollten. Elisabeth Wilhelmi, München

Früher Einsatz von Biologika bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn für das Erreichen der Therapieziele Die Behandlungsstrategien und -ziele sowie die diagnostische Methoden bei Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn (MC) haben sich im Lauf der Jahre verändert. Wo diese Entwicklung heute angelangt ist und wie die Wahl geeigneter Therapiestrategien zukünftig aussehen kann, diskutierten Experten im Rahmen zweier von Takeda unterstützten Symposien anlässlich des 18. Kongresses der European Crohn‘s and Colitis Organisation (ECCO) in Kopen­ hagen. Wichtige langfristige Therapieziele gemäß der STRIDE-II- und SPIRITEmpfehlungen

Laut Professor Axel Dignaß, Frankfurt/Main, gingen die gewünschten Ziele „immer tiefer“ und würden immer enger gesteckt: angefangen von der klinischen Remission über die endoskopische bis hin zur histologischen (bei CU) bzw. transmuralen (bei MC) Remission als ergänzende Maßnahmen zur Messung der Remissionstiefe. Laut den STRIDE-II-Empfehlungen (Selecting Therapeutic Targets in Inflammatory Bowel Disease) aus 2021 müssen zuerst ein rasches Ansprechen (Symptomkontrolle) und mittelfristig eine klinische Remission mit Normalisierung des Creaktiven Proteins (CRP) und des fäkalen Calprotectins (FCP) sowie langfristig eine endoskopische Heilung erzielt werden. Daneben wurden eine normalisierte Lebensqualität und die Abwesenheit von

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Behinderungen als Langzeit-Therapieziele gefordert. Die SPIRIT-Initiative (Selecting End PoInts foR Disease-ModIfication Trials) empfiehlt, noch mehr Gewicht auf PROs, darunter gesundheitsbezogene Lebensqualität, eventuell Stuhlinkontinenz oder Behinderung, zu legen. Zudem müssten mittel- und langfristige Komplikationen – von CEDbezogenen Operationen bis hin zu Krebserkrankungen – vermieden werden. Die SPIRIT-Empfehlungen bedürfen jedoch erst noch einer Validierung in klinischen Studien, bevor sie in Studien zur Disease Modification umgesetzt werden können. Frühe Disease Clearance als neues Therapieziel

„Um für den CU-Patienten das bestmögliche Langzeit-Outcome zu erreichen, sollte zukünftig eine Disease Clearance aus symptomatischer (basierend auf PROs), endoskopischer und histologischer Remission (Mukosaheilung) angestrebt werden“, forderte Professor Fernando Magro, Porto. Gerade eine histologische Remission ist wichtig, da sich in Studien histologische Endpunkte als informativ erwiesen haben. Auch kann eine persistierende histologische Krankheitsaktivität bei CU mit einem höheren Rezidivrisiko assoziiert sein. Zudem ist laut einer Arbeit von Yoon et al. bei CU-Patienten mit einer endoskopischen plus histologischen Remission das Rezidivrisiko deutlich niedriger als bei Patienten, die nur eine klinische Remission erreichen. Laut Magro ist die Histologie ein starker Prädiktor für eine Krankheitsprogression bei CU. „Sind Neutrophile im Epithel vorhanden © VERLAG PERFUSION GMBH


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sowie mukosale Erosionen oder Ulzera, dann sind die FCP-Werte erhöht. Somit ist das Vorhandensein von Neutrophilen im Epithel der Hauptmarker für eine histologische Krankheitsaktivität. Ziel ist also, bei einem CU-Patienten eine Disease Clearance zu erreichen“, erklärte Magro. Wichtiger Part dabei ist die histologische Krankheitsaktivität, die ein Risikofaktor für Krankheitsprogression sein kann. Zudem kann eine Disease Clearance, wenn sie frühzeitig erzielt wird, mit einem signifikant reduzierten Risiko für Hospitalisierung und Operationen assoziiert sein. „Die frühe Disease Clearance könnte daher einen neuen validen kombinierten Endpunkt im CUManagement darstellen“, resümierte Magro. Frühe Therapieinitiierung bei Morbus Crohn zur Vermeidung von Komplikationen und Rezidiven

Auch bei Morbus Crohn sollten die Therapieziele möglichst rasch erreicht werden. Dafür ist laut Professor Shomron Ben-Horin, Tel-Aviv, eine sequenzielle Behandlung entsprechend dem Krankheitsverlauf erforderlich. Gemeinsam mit Professor Séverine Vermeire, Leuven, erläuterte er anhand eines Patientenfalls die Therapiesequenzierung bei MC (vgl. Insert). Studien haben gezeigt, dass ein unkontrollierter MC zu Schädigungen des Darmgewebes mit Komplikationen wie Ulzerationen und Strikturen führen kann. So haben sich u.a. der Befall des Ileums, eine perianale Beteiligung sowie tiefe und ausgedehnte Ulzerationen als Risikofaktoren für spätere Komplikationen erwiesen.

Patientenkasuistik – Therapiesequenzierung mit Vedolizumab als Firstline-Biologikum Die von Ben-Horin und Vermeire vorgestellte Patientin, Raucherin, litt 3 Monate lang unter Durchfällen, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust und Erschöpfung. C-reaktives Protein (CRP) und fäkales Calprotectin (FCP) waren erhöht, Eisen erniedrigt. Koloskopie und Magnetresonanzenterographie ergaben einen nicht stenosierenden, nicht penetrierenden MC mit mukosalen Ulzera und einem 15 cm langen Befall des terminalen Ileums und des Zökums. Nach systemischer und lokaler Kortikosteroidtherapie kam es zunächst zu einer deutlichen Symptombesserung, jedoch 15 Wochen nach Ausschleichen der Steroide traten erneut starke Durchfälle und Bauchschmerzen auf. Die Sonographie zeigte eine Wandverdickung des terminalen Ileums, verstärke Vaskularisation und eine proximale Dilatation. Daraufhin wurde eine Ileozökalresektion durchgeführt. Es wurde keine postoperative Prophylaxe begonnen, da die Patientin keine Symptome bei insgesamt verbesserter Lebensqualität aufwies. Nach 6 Monaten zeigten sich jedoch in der Koloskopie eine verengte ulzerierte Anastomose sowie wieder vereinzelt kleine Ulzera im Dünndarm. Jetzt wurde eine Therapie mit Vedolizumab 300 mg i.v. (Entyvio®) als Firstline-Biologikum begonnen. Es kam rasch zur klinischen Remission, Normalisierung der Biomarker (CRP und FCP) sowie zur Abheilung aller Ulzera bei regelrechter Anastomose. Die Patientin berichtete zudem von einer wieder guten Lebensqualität. Die Behandlung wurde in Abstimmung mit der Patientin nach 6 Monaten auf die subkutane Formulierung von Vedolizumab umgestellt.

Entscheidend ist auf jeden Fall auch bei MC eine frühe Therapieinitiierung, um die Krankheitsprogression zu verlangsamen. Es gibt zunehmend Evidenz dafür, dass der frühe Einsatz von Biologika nach erfolgter konventioneller Therapie bei MC mit höheren Raten an klinischer Remission und Mukosaheilung sowie geringeren Rezidivraten und weniger Operationen assoziiert ist. MC-Patienten können vom frühen Einsatz von Vedolizumab profitieren

Inzwischen gibt es eine zunehmende Zahl an Therapieoptionen bei CED, so Ben-Horin. Dazu zählen u.a Anti-TNFα-Therapien (Infli-

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ximab, Adalimumab, Golimumab), der α4β7-Integrin-Antagonist Vedolizumab, der IL-12/23-Antagonist Ustekinumab sowie Small Molecules. Dass MC-Patienten von einem frühen Einsatz von Vedolizumab profitieren können, unterstreichen die Real-World-Daten des US-amerikanischen VICTORY-Konsortiums: Eine im frühen Stadium (≤2 Jahre) des MC begonnene Vedolizumab-Therapie bei Biologika-naiven Patienten führte im Vergleich zu einem Beginn erst nach längerer Krankheitsdauer (>2 Jahre) zu besseren Ergebnissen bei klinischer, kortikosteroidfreier sowie endoskopischer Remission. Elisabeth Wilhelmi, München

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Spinale Muskelatrophie: Sequenzielle Behandlung mit Nusinersen nach unzu­ reichender Gentherapie Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist gekennzeichnet durch den Untergang von Motoneuronen im Rückenmark und im unteren Hirnstamm. Ursache ist eine Deletion oder Mutation auf Chromosom 5q. Infolge des Gendefekts wird nicht ausreichend SMN-Protein (SMN: Survival of Motor Neuron) gebildet, das für das Überleben von Motoneuronen von zentraler Bedeutung ist. Zur Behandlung der 5q-SMA bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern steht eine Gentherapie mit Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma®) zur Verfügung, auf die aber nach Beurteilung des behandelnden Arztes nicht alle Kinder ausreichend ansprechen, sodass weiter klinischer Behandlungsbedarf besteht. In der RESPOND-Studie* wird nun erstmals untersucht, ob sich in diesen Fällen, durch die sequenzielle Therapie mit Nusinersen (Spinraza™) die motorische Funktion verbessern lässt. Nusinersen (Spinraza™) ist ein An­tisense-Oligonukleotid. Diese kurzen synthetischen Nukleotidketten, binden selektiv an eine Ziel-RNA und regulieren indirekt die SMNGenexpression – das Genom wird dadurch nicht verändert. Nusinersen nimmt Einfluss darauf, wie die prä-mRNA von SMN2 gespleißt wird. In der Folge wird in größeren Mengen vollständiges und funktionsfähiges SMN-Protein gebildet. * ClinicalTrials.gov NCT04488133 (RESPOND). https://clinicaltrials.gov/ct2/show/ NCT04488133

Vielversprechende Zwischenergebnisse der RESPOND-Studie

Auf der diesjährigen Konferenz von Cure SMA (Orlando, Florida) stellte Biogen Interimsdaten zur laufenden RESPOND-Studie vor. Ziel dieser einarmigen, offenen, multizentrischen Phase-IVStudie ist die Beurteilung der klinischen Effekte und der Sicherheit der Behandlung mit Nusinersen (Spinraza™) bei Säuglingen und Kleinkindern mit 5q-SMA, bei denen nach der Behandlung mit Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma®) weiter klinischer Behandlungsbedarf besteht. Primärer Studienendpunkt ist die Entwicklung des Gesamt-Scores gemäß Abschnitt 2 der Hammersmith Infant Neurological Examination (HINE-2) nach 95 Wochen Nusinersen-Therapie. Sekundäre Endpunkte sind Sicherheit und Verträglichkeit sowie weitere Scores (WHO Motor Milestones, CHOP INTEND, HFMSE und RULM) im Vergleich zur Baseline. Nach 6 Monaten (Studientag 183) erbrachten Zwischenanalysen zur Wirksamkeit bei 29 mit Nusinersen behandelten Studienteilnehmern folgende Ergebnisse: • Bei den meisten Teilnehmern kam es zu einer Verbesserung der motorischen Funktion, bestimmt anhand einer Erhöhung des mittleren HINE-2-Gesamtscores gegenüber dem Ausgangswert. – Die Teilnehmer mit 2 SMN2Kopien (n = 24) verbesserten sich nach HINE-2 im Mittel um mehr als 5 Punkte. – Die Teilnehmer mit 3 SMN2Kopien (n = 3) verbesserten sich ebenfalls; eine mittlere Veränderung gegenüber dem Ausgangswert wurde auf-

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grund der geringen Fallzahl nicht berechnet. • 25 von 27 Teilnehmern, die zu Studienbeginn laut Einschätzung ihres Prüfarztes eine suboptimale motorische Funktion aufwiesen, verbesserten sich. Nach einer medianen Teilnahmedauer von 230,5 Tagen wurden bei 13 von 38 Teilnehmern (34 %) schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (UEs) beschrieben. Kein schwerwiegendes UE wurde als mit Nusinersen in Zusammenhang stehend eingestuft oder führte zum Ausstieg aus der Studie. Zum Zeitpunkt der Sicherheitsanalyse wurden keine Sicherheitsbedenken für die Studienteilnehmer festgestellt, die mit Nusinersen nach einer Onasemnogen-Abeparvovec-Therapie behandelt wurden. „Wir stellen fest, dass die Gentherapie möglicherweise nicht alle Motoneuronen erreicht, sodass ein Fortschreiten der Krankheit weiterhin möglich ist“, kommentierte Dr. Crystal Proud, pädiatrische Neurologin am Children‘s Hospital of the King‘s Daughters (Norfolk, Virginia). „Mithilfe der RESPONDStudie gelingt es uns zunehmend, den verbleibenden Therapiebedarf bei bestimmten mit Onasemnogen-Abeparvovec behandelten SMA-Patienten, bei denen die Ergebnisse nicht den klinischen Erwartungen entsprechen, näher einzuordnen. Die nun vorliegenden Zwischenergebnisse liefern der SMA-Community die ersten klinischen Studiendaten zur Bewertung einer Nusinersen-Behandlung im Anschluss an Onasemnogen-Abeparvovec. Die Studiendaten deuten darauf hin, dass die sequenzielle Therapie mit Nusinersen das Potenzial hat, einen zusätzlichen Nutzen zu entfalten.“ B. S. © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

(177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan (Pluvicto®)

G-BA bescheinigt Radioliganden­therapeu­ ti­kum Pluvicto® beträcht­ lichen Zusatznutzen bei mCRPC-Patienten Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Radioligandentherapie mit dem Wirkstoff (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan (Pluvicto®) einen beträchtlichen Zusatznutzen bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) zuerkannt, für die Abirateron in Kombination mit Prednison oder Prednisolon, Enzalutamid oder BSoC die am besten geeignete Therapie ist. Der beträchtliche Zusatznutzen basiert insbesondere auf den deutlichen Vorteilen von Pluvicto® in Bezug auf Mortalität, Morbidität und Nebenwirkungsprofil. Für die Patientengruppe, die alternativ mit Cabazitaxel als zweite Taxan-basierte Chemotherapie oder einem PARP-Inhibitor behandelt werden könnte, wurde aufgrund unzureichender Datenlage ein Zusatznutzen als nicht belegt angesehen. Das Radioligandentherapeutikum (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan wurde im Dezember 2022 in Europa zugelassen und ist indiziert für die Behandlung von Patienten mit progredientem oder metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC), die positiv für den Marker Prostataspezifisches Membranantigen (PSMA) sind und mittels Inhibition des Androgenrezeptor-(AR-) Signalwegs und einer taxanbasierten Chemotherapie vorbehandelt wurden.

Bei der Radioligandentherapie handelt es sich um eine Präzisionskrebsbehandlung, bei der ein zielgerichtetes Biomolekül (PSMALigand) mit einem Radionuklid (Lutetium-177) kombiniert wird. Nach der Verabreichung in die Blutbahn bindet der Ligand an die PSMA-positiven Zielzellen und die von Lutetium-177 ausgehende Strahlung beeinträchtigt deren Fähigkeit, sich zu replizieren und führt somit zum Zelltod.

Überzeugende Ergebnisse der VISION-Studie

Die G-BA-Entscheidung basiert auf den Ergebnissen der prospektiven, offenen, randomisierten Phase-III-Studie VISION, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Radioligandentherapeutikums untersuchte, sowie auf Stellungnahmen der behandelnden Ärzteschaft und Patientenorganisationen. In die VISION-Studie wurden 831 Patienten mit PSMA-positivem mCRPC eingeschlossen, die mindestens einen Inhibitor des An­ drogenrezeptor (AR)-Signalwegs und eine oder zwei Taxan-basierte Chemotherapien erhalten hatten. Die Studienteilnehmer wurden im Verhältnis 2:1 zugunsten des Prüfarms randomisiert und erhielten im Prüfarm (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan (verabreicht als intravenöse Infusion alle 6 Wochen über maximal 6 Zyklen) zusätzlich zur bestmöglichen Standardversorgung (Best Standard of Care, BSoC) und im Kontrollarm nur die BSoC. Primäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben und das radiographische progressionsfreie Überleben. Hinsichtlich beider Endpunkte war die Behandlung mit (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan + BSoC der alleinigen BSoC statistisch signifikant überlegen: Das Sterberisiko war im Prüfarm um 38 %

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(p < 0,001) und das Risiko eines radiographischen Progresses um 60 % (p < 0,001) niedriger als im Kontrollarm. Unter der Radioligandentherapie traten keine unerwarteten und keine schweren Nebenwirkungen auf. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen gehörten: Ermüdung, Mundtrockenheit, Übelkeit, Anämie, verminderter Appetit und Obstipation. B. S.

Copaxone® wurde in die WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen Im Juli 2023 veröffentlichte die WHO die neueste Ausgabe der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel (Essential Medicines List, EML), die den wichtigsten Bedarf an medizinischer Versorgung decken sollen. Als Novum wurden erstmalig auch Arzneimittel zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) in die Liste aufgenommen, darunter der Immunmodulator Glatirameracetat (Copaxone®) zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose (RRMS). Dies unterstreicht die Bedeutung des seit über 20 Jahren verfügbaren Basistherapeutikums, das mit einer besonders umfangreichen Datenlage punktet und für viele Patienten mit RRMS eine wirksame Behandlungsoption darstellen kann. © VERLAG PERFUSION GMBH


WISSENSWERTES

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Glatirameracetat überzeugt mit Langzeitdaten

Mit Glatirameracetat steht eine wirksame und verträgliche Therapieoption zur Behandlung der RRMS zur Verfügung, für die prospektive Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit von bis zu 27 Behandlungsjahren vorliegen. Die Wirksamkeit des 2015 eingeführten Immunmodulators, der 3 × wöchentlich in einer Dosierung von 40 mg appliziert wird und seit 2019 auch als Fertigpen (Copaxone Pen® 40 mg) erhältlich ist, wurde in der Zulassungsstudie GALA nachgewiesen und durch die 7-Jahres-Daten der offenen Verlängerung der GALA-Studie bestätigt. Der Verlängerungsstudie zufolge kann ein früher Therapiestart von GA gegenüber einem späteren Start klinisch vorteilhaft sein. Patientenindividuelle Faktoren berücksichtigen

Für viele Patienten mit milder/moderater schubförmiger MS – auch für Frauen und Männer in höherem Lebensalter – kann Glatirameracetat eine wirksame und im Allgemeinen gut verträgliche Therapieoption darstellen. Ein besonderer Vorteil des Wirkstoffs sind die geringen therapieassoziierten Monitoring-Anforderungen in der Praxis sowie die wenigen Gegenanzeigen und Wechselwirkungen, weshalb es sich auch gut für komorbide MS-Patienten mit Multimedikation eignet. Auch MS-Patientinnen, die eine Schwangerschaft planen, sollte laut der aktuellen Leitlinie des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) eine Therapie mit Glatirameracetat oder einem Inter-

feron-Präparat angeboten werden. Bei klinischer Notwendigkeit und nach individueller Nutzen-RisikoAbwägung kann die Therapie sogar während der Schwangerschaft fortgeführt werden. Auch die Behandlung von stillenden Müttern zeigte keine negativen Effekte auf die kindliche Entwicklung und Gesundheit. S. M.

Neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration:

Aflibercept 8 mg überzeugt durch nachhaltige Sehkraftgewinne im zweiten Jahr Wie die 2-Jahres-Daten der doppelblinden, aktiv kontrollierten Studie PULSAR belegen, erzielte Aflibercept 8 mg als erster Wirkstoff bei mehr als 70 % der Patienten mit neovaskulärer (feuchter) altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD) bei bis zu 24 Wochen verlängerten Behandlungsintervallen anhaltende Sehkraftgewinne. Dabei waren die Wirksamkeit und Sicherheit von Aflibercept 8 mg vergleichbar mit dem derzeitigen Therapiestandard Eylea® (Aflibercept 2 mg) mit festen Intervallen von 8 Wochen. Langfristige Wirksamkeit bei verlängerten Behandlungsintervallen

Die Phase-III-Studie PULSAR bei nAMD untersuchten die Wirksamkeit und Sicherheit von Aflibercept 8 mg mit einem 12-wöchigen (n = 335) und 16-wöchigen (n = 338) Behandlungsintervall im Vergleich zu Eylea® (Aflibercept 2 mg) mit einem 8-wöchigen

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Behandlungsintervall (n = 336). Alle in PULSAR einbezogenen Patienten erhielten 3 anfängliche monatliche Dosen. Primärer Endpunkt der 2 Jahre (96 Wochen) dauernden Studie war die NichtUnterlegenheit der Behandlung mit Aflibercept 8 mg hinsichtlich der bestkorrigierten Sehschärfe (BCVA) in Woche 48. Die PULSAR-Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Patienten, die mit Aflibercept 8 mg behandelt wurden, erzielten klinisch gleichwertige Sehzuwächse wie die mit Aflibercept 2 mg behandelten Studienteilnehmer. Nach 2 Jahren betrug der Anteil der Patienten, die ein ≥12-wöchiges Behandlungsintervall erreicht hatten 88 % im Vergleich zu 83 % nach 1 Jahr. 71 % aller Patienten, die mit Aflibercept 8 mg behandelt wurden, erreichten ein ≥16-wöchiges Behandlungsintervall. Davon erfüllten 47 % sogar die Kriterien für ein ≥20-Wochen-Intervall und 28 % für ein 24-Wochen-Intervall. Von den Patienten, die zu Studienbeginn auf ein 16-WochenBehandlungsintervall mit Aflibercept 8 mg randomisiert wurden, erreichten am Studienende 78 % ein ≥16-wöchiges Behandlungsintervall und 53 % ein ≥20-wöchiges Behandlungsintervall. Sie erhielten bis zur Woche 96 durchschnittlich 8,2 Injektionen mit Aflibercept 8 mg vs. 12,8 Injektionen mit Aflibercept 2 mg mit festen Behandlungsintervallen von 8 Wochen, also 4,6 weniger Injektionen. Vergleichbares Sicherheitsprofil

Das Sicherheitsprofil von Aflibercept 8 mg in der PULSAR-Studie war über 2 Jahre hinweg vergleichbar mit dem von Aflibercept 2 mg. © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

In der Aflibercept-8-mg-Gruppe gab es keine Fälle von retinaler Vaskulitis, okklusiver Retinitis oder Endophthalmitis. Die Rate für intraokulare Entzündung betrug 1,3 % unter Aflibercept 8 mg und 2,1 % unter Aflibercept 2 mg. Es zeigten sich keine Unterschiede beim Anstieg des Augeninnendrucks in den Behandlungsarmen.

Ausblick

Die 2-Jahres-Daten markieren das Ende der verblindeten PULSARStudie und bieten Patienten die Option, die Behandlungsintervalle auf bis zu 24 Wochen zu verlängern, gefolgt von einer optionalen, unverblindeten, einjährigen Verlängerung bis Woche 156.

Aflibercept 8 mg ist derzeit in keinem Land zugelassen, hat aber aufgrund der überzeugenden Studienergebnisse das Potenzial, zum neuen Behandlungsstandard für die neovaskuläre (feuchte) altersabhängige Makuladegeneration zu werden. Bayer hat entsprechende Zulassungsanträge gestellt. B. S.

Titelbild: Innovative Möglichkeiten in der Krebsbehandlung bietet die Therapie mit CAR-T-Zellen. Dabei werden autologe T-Zellen genetisch so modifiziert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) auf ihrer Oberfläche tragen. Nach der Reinfusion leiten die CAR-T-Zellen die Apoptose und Nekrose der erkannten Zielzellen ein. Quelle: Shutterstock. Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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PM-DE-RSA-JRNA-230001 07/2023

Wie jeder Impfstoff schützt AREXVY möglicherweise nicht alle Geimpften vollständig.1 KI = Konfidenzintervall; LRTD = Erkrankungen der unteren Atemwege; RSV = Respiratorisches Synzytial-Virus # Auftreten von RSV-assoziierter LRTD: 7 Fälle von insgesamt 12.466 Patienten in der AREXVY-Gruppe und 40 Fälle von insgesamt 12.494 Patienten in der Placebo-Gruppe.1 * Relevante Grunderkrankungen1: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Asthma, jede chronische respiratorische/pulmonale Erkrankung, chronische Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 sowie fortgeschrittene Leber- oder Nierenerkrankungen (endokrin-metabolisch). § Auftreten von RSV-assoziierter LRTD: 1 Fall von insgesamt 4.937 Patienten in der AREXVY-Gruppe und 18 Fälle von insgesamt 4.861 Patienten in der Placebo- Gruppe.1 Diese Ergebnisse sind deskriptiv. 2 1. Arexvy Fachinformation, Stand 06/2023 2. Papi A, et al. Respiratory syncytial virus prefusion F protein vaccine in older adults. N Engl J Med. 2023;388:595–608.


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