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Einstieg ins Drachenzähmen

Fotos: Voigt & Kranz UG

Mit dem Wind über das Wasser

Wenn Winde Fahrt aufnehmen, prägen Kitesurfer:innen das Bild der Küste. Mit beachtlichen Geschwindigkeiten rauschen sie über energiegeladene Wellen, getrieben von ihren aufgeblähten Schirmen. Je stürmischer die See, desto imposanter der Anblick. Mehrere Meter hohe Sprünge mit akrobatischen Einlagen sind keine Seltenheit. Faszinierend!
Das richtige Anlegen des Trapezes ist das A und O für sicheres Kitesurfen.
Foto: Voigt & Kranz UG

Auf Fischland-Darß-Zingst entwickelte sich schon in den 90ern eine ausgeprägte Kite- und Windsurfer-Szene. Unzählige Anbieter locken Einsteiger, Anfänger und Aufsteiger mit mehrtägigen Kursen.

Was viele Anfänger überrascht: Übungsgebiet ist nicht die tosende Ostsee – das sind die Bodden. „An den seichten Ufern gehst du 300 Meter raus und stehst immer noch hüfthoch im Wasser. Das erleichtert die ersten Übungen enorm und minimiert Risiken“, erklärt Simon vom Wassersportcenter-Saal. „Und wer noch nicht in der Lage ist, den Wind zu brechen und zurückzufahren, der läuft einfach zurück.“ Weitere Vorteile gegenüber der Ostseeküste: Der Bodden ist trotz seiner vom Meer abgewandten Lage nicht nur windsicher, sondern beschleunigt diesen auch, wenn er aus Westen weht. Somit ist er meist intensiver als am Meer. Zudem erwärmt sich der Bodden zügig durch die niedrige Wassertiefe, und die Wiese am Ufer ist frei von Sand. Der störe am Strand nicht nur an windigen Tagen, er setze sich auch im Material fest und scheuere daran.

Simon ist sozusagen ein alter Hund im Geschäft. Seine Kite-Schule feiert gerade zwanzigjähriges Bestehen. Und er erinnert sich noch sehr genau daran, wie er damals für das Areal am Saaler Bodden schwärmte: „Wir sind die komplette Küste abgefahren, erst die Nordsee, dann die Ostsee“. Die Nordsee habe einen entscheidenden Nachteil: Ebbe und Flut. „Nicht nur vom Wind, sondern auch vom Wasserstand abhängig zu sein, ist für Wassersport ungünstig und kann jede Planung extrem stressig machen.“

Fair surfen und kiten

  • Ostseeküste und Bodden sind einzigartige Naturräume, die unzählige und teils seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Somit stößt die Begeisterung für Wassersport unmittelbar auf die Belange der Natur. Es gilt, Rücksicht zu nehmen, egal, wo man auf den Brettern steht. Dazu zählt, Schilf- und andere Vegetationszonen als Rückzugsorte und Brutgebiete für Wasservögel zu meiden, zu Vogelansammlungen reichlich Abstand einzuhalten und den eigenen Abfall ordnungsgemäß zu entsorgen. Große Teile der Region zählen zudem zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Hier ist Wassersport nur eingeschränkt oder gar nicht gestattet. Da Kite-Drachen von Wasservögeln schon aus der Ferne als Bedrohung wahrgenommen werden, ist Kiten im gesamten Nationalpark verboten. Für Windsurfer sind geeignete Windsurfplätze ausgewiesen. Einen guten Überblick über freigegebene Zonen und gesperrten Gebiete gibt die interaktive Karte des Nationalparkamtes. Zu finden unter t1p.de/kiten

Erst fanden sie ein Revier am Salzhaff, später in Born – das perfekte Lernrevier war nicht dabei. Ein alter Windsurfer wies sie auf die Boddenbereiche hinter Saal hin. „Dort grasten noch Kühe auf den Wiesen. Doch als wir im Wasser standen, spürten wir die bombastisch guten Bedingungen.“

Wer unter diesen Bedingungen Kitesurfen lernen möchte, sollte trotz Stehrevier schwimmen können und nicht zu Panikattacken neigen. Blutige Anfänger starten mit Theorie und Trockenübungen. „Etwas Wissen ist schon notwendig, um die Aerodynamik richtig einzuschätzen, Luv und Lee zu unterscheiden oder Sicherheitsregeln zu befolgen. Anschließend geht es ans Fliegen mit dem kleinen Kite-Drachen und ins Wasser. Je nach Fähigkeit entscheiden wir, wer ein größeres Kite oder das Board unter die Füße bekommt“, erklärt Simon weiter. Ein Hexenwerk sei dies alles nicht, auch keine Frage des Alters – es ist eine Frage der Lebenseinstellung und des Willens. „Der bisher älteste Teilnehmer war 84. Darüber hinaus haben wir auch schon Kiteschüler mit nur einem Arm oder Beinprothese aufs Board gebracht“, verrät der Wahl-Saaler.

Trockenübungen helfen ein Grundverständnis für den Kitesport zu entwickeln.
Foto: Voigt & Kranz UG

Wenn das Wetter passt, wird täglich drei bis vier Stunden geübt. Nach einer Woche sind die meisten in der Lage, die ersten Meter auf dem Board zurückzulegen. Eine eigene Ausrüstung muss niemand für den Kurs mitbringen. Anbieter stellen für gewöhnlich das Equipment, einschließlich der Sicherheitsausrüstung, wie Neoprenanzug, Prallschutz und Helme. Diese Entscheidungen werden immer nach Wetterlage, Körpergewicht und Können getroffen.

Simon setzt dabei auf aktuelle, hochwertige und umweltverträgliche Materialien. „Wem nützt es zum Beispiel, wenn ein Neopren-Anzug die Körpertemperatur nicht hält. Dann fangen die Leute an zu frieren, werden unachtsam, machen Fehler.“ Die Qualität von Ausrüstung und Ausbildung sowie den Wissensstand seines Teams lässt er sich als Mitglied des VDWS (Internationalen Ausbildungsverbandes für Wassersport) regelmäßig zertifizieren.

Das Team um Simon ist so vielfältig wie seine Teilnehmer. Für ihn arbeiten Studierende, Polizisten und Piloten, genauso wie Schreiner und Lehrer – hauptsächlich Leute, die eine Auszeit machen. Sie wohnen während der Saison von Ende April bis September auf dem Gelände oder in einer der umliegenden Gemeinden. Sie eint die Liebe zum Wassersport und der Wunsch, Menschen von diesem Sport zu begeistern. Sie sind stolz darauf, eine international bekannte Anlaufstelle für Wassersportler geschaffen zu haben. Davon profitieren nicht nur die umliegenden Orte, sondern auch viele touristische Anbieter.

Bei all der Arbeit ist Simons Freizeit rar. Umso mehr schätzt er den Moment, an dem er für sich allein aufs Board kann. „Wenn Du draufstehst, die Leinen im Wind pfeifen hörst und das Wasser ans Board spritzt – dann schaltet der Kopf ab und du merkst, dass du frei bist. Ganz ohne Motor. Angetrieben nur durch die Natur.“

Geduld und Ausdauer sind zu Beginn besonders gefordert.
Foto: Voigt & Kranz UG

WASSERSPORTCENTER SAAL powered by Kitemafia.de wassersportcenter-saal.de Tel. 0172 3484618

Hier könnt ihr Kiten lernen:

  • WASSERSPORTCENTER SAAL wassersportcenter-saal.de

  • Kiteschule Darß, Prerow kiteschule-darss.de Kitesurf & Kanu Born kiten-lernen.de

  • Surf and Wave Club Zingst surfandwave.club

  • LOOP IN Surf & Kiteschule Dierhagen loop-in.net Kiteverein Pruchten kiteverein.de

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