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Ein Darßer Handwerk und seine Meister
Seefahrer verhalfen dem Darß einst zu Wohlstand – und zu seinem Erkennungszeichen: den Darßer Türen. Heute stehen die vielverzierten Augenweiden für eine Verbundenheit mit der Region und für Traditionsbewusstsein. Vor allem jedoch für ein fast vergessenes Handwerk.
Eine schwedenrote Doppelflügeltür prägt das alte Handwerkerhaus, das leicht versteckt hinter einer Hecke zu vernehmen ist. Symmetrisch verziert mit fein gearbeiteten Ornamenten, allerlei Schnörkeln und gleich mehreren auffälligen Motiven. Noch bevor wir ein paar Schritte weiter das kleine Firmenschild entdecken, wird uns klar: Hier sind wir richtig.
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Durch eines der braunumrahmten Holzfenster an der Hausseite wird der Blick frei auf eine Hobelbank. Auf ihr ein hölzernes Oval, leicht bedeckt mit hellen Spänen. „Die Tür ist offen“, ruft Dirk Roloff und legt sein Schnitzeisen zur Seite. Wir treten über die Schwelle. „Das wird eine aufgehende Sonne. Die ist nahezu auf jeder unserer Türen zu finden.“ Stimmt. Wir erinnern uns an die schwedenrote Eingangstür, welche die halbe Sonne gleich zwei Mal zur Schau stellte.

Letzte Pinselstriche
Voigt&Kranz UG, Prerow
„Hier ging vor rund 200 Jahren alles los“, erzählt René Roloff, der kurzerhand dazu stößt. Gemeinsam führen die Brüder die urige Kunsttischlerei in sechster Generation – inzwischen mit einem ganz besonderen Alleinstellungsmerkmal: der Herstellung der Darßer Türen. „Die Türen waren das Ergebnis der jahrelang erfolgreichen Segelschifffahrt der Darßer Seeleute.
Die Kapitäne, Steuerleute und Schiffseigner hatten Geld und wollten das mit einem Aushängeschild an ihren schmucken Häusern auch allen zeigen.“ Wir erfahren, dass die Darßer Türen dabei nicht nur zum repräsentativen Zweck verbaut wurden. Mit heidnischen und volkstümlichen Motiven versehen hatten sie auch die Aufgabe, Häuser und ihre wohlhabenden Bewohner vor Unheil zu schützen.

Die Roloffsche Eingangstür
Voigt&Kranz UG, Prerow
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hielt die Blütezeit der Darßer Türen an. „Um 1850 änderte sich die Lebensweise der Menschen und damit auch ihr modisches Bewusstsein. Viele zogen in die Stadt und verloren dabei ihre eigene Kultur aus den Augen. Es waren unser Großvater und Urgroßvater, die 1931 nach langer Zeit wieder eine Darßer Tür bauten und die langjährige Tradition aufleben ließen“, sagt René Roloff und fügt hinzu, dass es sich bei dieser Tür um jene für das neu errichtete Gemeindeamt von Prerow handelte. Getischlert nach dem Vorbild alter Häuserder Segelschifffahrtszeit, besetzt mit einer Sonne, Blüten, einem Tulpenstrauß und einem Anker. „Eine Schlüsseltür. Sie hat unser Handwerk am Leben gehalten.“

Werkstattimpressionen
Voigt&Kranz UG, Prerow
„Mittlerweile ist es weniger die Symbolik als die Lebendigkeit einer Tradition, die Hausbesitzer auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst motiviert, sich eine Darßer Tür anzuschaffen“, sagt René Roloff, während er uns in einen kleinen Nebenraum führt. An der Wand angelehnt eine gerade fertiggestellte blaue Tür mit klassizistisch gestaltetem Rahmen und ähnlichen Verzierungen, wie wir sie auch schon von der Eingangstür der Roloffs kennen.
„Bis so eine Tür alle Arbeitsschritte durchlaufen hat, vergehen meist mehrere Wochen. Deshalb schaffen wir im Jahr auch höchstens zehn komplette Türen und Schnitzereien für rund 30 weitere“, erklärt der Tischlermeister und macht klar, dass bis zu 40 verschiedene Werkzeuge nötig sind, um das sogenannte Meranti-Holz in Form zu bringen. „Früher wurden Darßer Türen traditionell aus Kiefernholz hergestellt. Die heute verfügbare Kiefer verspricht jedoch nicht mehr die nötige Haltbarkeit und Qualität. Wir haben den Anspruch, dass unsere Türen mindestens 100 Jahre halten, weshalb wir auf ein exotisches Holz ausgewichen sind.“

Pure Handarbeit an einer Sonne
Voigt&Kranz UG, Prerow
(René Roloff, Kunsttischlerei Roloff)
Während in früheren Zeiten ohne Maschinen gehobelt und gesägt wurde, erleichtert inzwischen das ein oder andere technische Gerät das Handwerk. Aber nicht vollkommen. „Wichtig ist uns, dass wir uns die Gestaltung nicht von den Maschinen diktieren lassen. Der entscheidende Teil wird immer noch von Hand hergestellt und mit jenem umfangreichen Werkzeugbestand bearbeitet, der über Generationen weitervererbt wurde. Das ist nicht zuletzt einer der Gründe, warum die traditionelle kunsthandwerkliche Herstellung der Darßer Türen 2018 von der UNESCO in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden ist“, sagt René Roloff und zeigt auf ein mehr als hundert Jahre altes Schnitzeisen, mit dem sein Bruder Dirk die letzten Späne von der aufgehenden Sonne abhebt.
Text: Mathias Christmann
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