bayerntennis 9/2020 - Ausgabe September

Page 45

Interview des Monats |

Foto: Claudio Gärtner

Michael Kohlmann Bei den US Open 1998 spielte er sich immerhin bis ins Achtelfinale. Seine große Stärke jedoch lag im Doppel (fünf Titel auf der ATP Tour). Und so ist Teamarbeit für Michael Kohlmann stets auch eine Basis seiner so erfolgreichen Arbeit als Cheftrainer des Deutschen Tennis Bundes, stationiert am Bundesstützpunkt in Oberhaching. Für den DTB wirkte er bereits als Kompagnon der Davis-Cup-Kapitäne Patrik Kühnen und Carsten Arriens, ehe er 2015 die Verantwortung übernahm. Seither war das deutsche Team stets in der Weltgruppe vertreten. Der gebürtige Westfale (46 Jahre) ist seit 2006 in München verliebt und hat mit seiner Frau zwei kleine Töchter. Was halten Sie davon, dass plötzlich aus dem Nichts gleich zwei Turniere hintereinander in Köln, in der Lanxess Arena, ablaufen sollen? Generell ist es sehr gut, wenn wir möglichst viele Turniere am Standort Deutschland haben. Die ATP sucht derzeit händeringend nach Turnierveranstaltern, nachdem gerade in der Coronazeit speziell Hallenveranstaltungen ausfallen, weil die unter den behördlichen Auflagen in den einzelnen Regionen so schwierig zu organisieren sind. So sind in Europa unter anderem schon Basel und Stockholm ausgefallen. Weil der Turnierkalender bis zum ATP Masters gefüllt werden soll, vergibt die ATP kurzfristig einjährige Lizenzen. Diese Gelegenheit hat Edwin Weindorfer mit seiner Agentur Emotion genutzt. So kam es dazu, dass zwei Turniere hintereinander in Köln ausgetragen werden. Das ist zumindest ein Novum im internationalen Tennis. Wie kann das funktionieren, vom 11. bis 18. das eine und vom 19. bis 25. Oktober das zweite? Das ist ein Novum, aber es gibt zwei eigene Meldelisten. Natürlich ist es theoretisch möglich, dass zwei Mal exakt die gleichen Spieler antreten. Das kommt auf den individuellen Terminplan der Einzelnen an – man wird sehen. Weindorfer hat ja bereits die Show-Turniere in Berlin ausgetragen und ist auch bei dem ATP-Turnier in Stuttgart und dem neuen WTA-Event in Berlin Veranstalter. Beim zukünftigen ATP-Doppelpack in Köln haben sich bereits große Namen wie Sascha Zverev oder Andy Murray angesagt. Gleichzeitig mit Köln Zwei findet das Challenger Turnier statt, die Wolffkran Open in Ismaning. Hat das Auswirkungen auf dessen Teilnehmerliste? Ich glaube, dass es kaum Überschneidungen geben wird. Die Spieler in Köln sind in der Rangliste durchwegs so hoch, dass sie in der Woche nicht unbedingt ein Challenger spielen würden. Natürlich wird es den einen oder anderen geben, der sich überlegt, lieber die Quali in Köln zu spielen

als im Hauptfeld in Ismaning. Möglicherweise erhöht das die Chancen der deutschen, der bayerischen Spieler in Ismaning, wenn einige gute internationale Akteure dort nicht antreten. Apropos ATP: Gerade hat Novak Djokovic mit einigen Kollegen die PTPA Professional Tennis Players Association, so etwas wie eine Spielergewerkschaft, gegründet. Wie geht das zusammen? Die ATP hat mit Andrea Gaudenzi im vergangenen Jahr eine neue Führung erhalten, die ab Januar auch komplett neue Ziele für 2020 verfolgen wollte. Dann kam im März der abrupte Pandemie-Stopp. Nach der zaghaften Wiederaufnahme im August fielen zahlreiche Veranstaltungen auch aus wirtschaftlichen Gründen aus. Die Kommunikation zwischen ATP und den Spielern ist in dieser Zeit und unter diesen Bedingungen nicht optimal gelaufen. Das führte unter anderem dazu, dass bereits im vergangenen Jahr begonnene Gespräche über die Gründung einer Spielergewerkschaft von den Wortführern Djokovic und Pospisil wieder aufgenommen und intensiviert wurden. Persönlich finde ich es eher unglücklich, dass gerade jetzt, da viele Veranstalter große wirtschaftliche Probleme haben, die Spieler über die neue PTPA u.a. höhere Preisgelder fordern. Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, wenn sich die Spieler zusammentun, denn die ATP vertritt nur zu 50 Prozent die Interessen der Aktiven. Der Zeitpunkt allerdings ist sehr unglücklich. Nochmals zu Djokovic: Wie sehen Sie seine Disqualifikation bei den US Open? Dazu gibt es keine zwei Meinungen. Wenn man aus Frust einen Ball irgendwo hinschießt und dabei einen Schieds- oder Linienrichter trifft, wird man disqualifiziert. Es war sicher keine Absicht im Spiel und sehr unglücklich, dass er die Linienrichterin an der Kehle getroffen hat. War es denn überhaupt sinnvoll, die US Open unter diesen Bedingungen durchzuführen?

Es war wichtig und richtig, dass mit dem Grand Slam-Turnier Tennis endlich wieder in der Öffentlichkeit stattfindet. Ich finde, dass die Veranstalter trotz aller noch nie dagewesener Probleme das Turnier gut über die Runden gebracht haben. Die Auflagen der Politik und der Medizin zu befolgen, war schon eine besondere Herausforderung. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des deutschen Tennissports? Wir haben bei den Herren, wie auch gerade bei den Generali Open in Kitzbühel zu beobachten war, eine Aufwärtstendenz. Speziell die Spieler, die sich in der vom DTB im Sommer veranstalteten German Pro Series in den Vordergrund gespielt haben und erfolgreich waren, befinden sich auf einem guten Weg. Ganz besonders Hanfmann aber auch Marterer und Otte. Außerdem veranstaltet der DTB in den nächsten Wochen sechs internationale Jugendturniere hintereinander, damit wir vielen deutschen Nachwuchsspielern eine Möglichkeit bieten, sich international mit den Besten aus der ganzen Welt messen zu können. Wie wichtig ist der DTB-Bundesstützpunkt in Oberhaching für die sportliche Entwicklung? Oberhaching ist eines der Topzentren, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Die besten Jugendlichen hier zu versammeln, um aus ihnen Topspieler zu machen, das ist unsere Aufgabe, dafür müssen alle Beteiligten hart arbeiten. Erste Erfolge beim Nachwuchs sind bereits durchaus sichtbar. Wie sieht der Davis-Cup-Kapitän den Status Quo dieser Traditionsveranstaltung? Es ist sehr schade, dass das Endturnier in diesem Jahr abgesagt und auf das Ende 2021, ohne weitere Qualifikation, verschoben wurde. Ich glaube auch, dass es im nächsten Jahr noch einmal in dieser Art stattfinden wird – natürlich unter der Voraussetzung, dass es coronabedingt möglich ist. Wie es danach weitergeht, steht in den Sternen, das werden wir sehen. Das Gespräch führte Ludwig Rembold

Bayern Tennis 9.2020

45


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Interview des Monats

8min
pages 45-48

Return

3min
page 44

Talentinos

1min
pages 42-43

Tenniscamps

4min
pages 40-41

mybigpoint

3min
pages 38-39

TennisBase-Physiotherapie

3min
pages 34-35

Bezirke

47min
pages 18-33

Turniere

2min
page 17

Strukturreform

12min
pages 14-16

Senioren

7min
pages 12-13

US Open

3min
page 6

Deutsche Jugendmeisterschaft

2min
pages 8-9

Vorschau Wolffkran Open

3min
pages 10-11

Generali Open

2min
page 7

Aufschlag

5min
pages 4-5
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.