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Neue Perspektiven für Pros und Amateure

Am olympischen Kongress in Kopenhagen im Oktober hat das Internationale Olympische Komitee nicht nur Rio de Janeiro als Ausrichter der Sommerspiele 2016 den Vorzug vor Chicago, Madrid und Tokyo gegeben, sondern es hat sich auch für Golf und Rugby als die beiden neuen Sportarten für die Spiele entschieden. Damit ist für Golf eine jahrelanger Prozess zu einem guten Ende gekommen nach Paris 1900 und St. Louis 1904 wird es damit wieder olympisch gespielt.

Olympia, das ist im heutigen Sport, ja, in der heutigen menschlichen Gesellschaft etwas vom Grössten. Alle vier Jahre bewegen die Olympischen Spiele in irgendeiner Form wohl die allermeisten Menschen, den ganzen Planeten Erde. Warum das so ist, diese Frage mögen Soziologen oder Historiker beantworten. Dass das aber so ist, das erleben wir alle regelmässig wieder: wir alle sind fasziniert von der Olympischen Idee. Sportliche Meldungen gehören in den täglichen News zu den wenigen guten Nachrichten; nicht wie Naturkatastrophen, Kriege, Verbrechen oder korrupte Politik. Zwar ist auch an Olympia, ist auch im Sport nicht alles Gold, was glänzt; dessen sind wir uns alle wohl bewusst. Doch die Bilanz des Sports bleibt positiv, und unter dem Strich machen unsere Kinder nichts Dümmeres, wenn sie Sport treiben. Wenn sie also Golf spielen.

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Sport, repräsentiert durch Olympia, ist sicher ein Refugium geworden; ein Bereich des Lebens, in welchem wir alle uns ein bisschen freier betätigen können, den allgegenwärtigen Zwängen, Auflagen und Einschränkungen ein wenig entfliehen können, um uns den Emotionen des Moments hinzugeben. Millionen, vielleicht Milliarden von Menschen treiben Sport; von den mit Blechdosen Fussball spielenden Kids in den brasilianischen Favelas bis hin zu den Senioren im Dorf der Provence, welche unter den Platanen dem Pétanque frönen.

Sport erlebt jeder Mensch auf seine Weise. An der Spitze der Sportbewegung der Welt, da thront Olympia. Für alle jungen Sportler, für die «Jugend der Welt», wie man das ausdrückt, ist eine Teilnahme an Olympischen Spielen das allerhöchste sportliche Ziel – sofern sie in einer olympischen Sportart aktiv sind. Deshalb konnte sich bis heute kein Golfer, keine Golferin ein solches Ziel setzen.

Tiger, Michelle, Matteo, Ernie, Karrie, Suzann

Das hat sich nun geändert; denn mit der Aufnahme von Golf ins Olympiaprogramm eröffnen sich für die Turnierspieler ganz neue Perspektiven. Natürlich wissen wir heute nicht, wer 2016 in Rio das Privileg haben wird, um die Olympiamedaillen spielen zu dürfen. Sicher ist einzig, dass eine ganze Reihe von extrem prominenten Spielern ihre Begeisterung über die Möglichkeit, olympisch zu spielen, geäussert haben – von Tiger Woods, Ernie Els, Vijay Singh, Phil Mickelson oder Anthony Kim bis zu Karrie Webb, Lorena Ochoa, Michelle Wie und Matteo Manassero, dem erst 16-jährigen Supertalent aus Italien. Padraig Harrington war einer der Athleten, welcher anlässlich des Kongresses in Kopenhagen als Botschafter der Turnierspieler ein Bekenntnis für Olympia abgab. Er hat zwar bereits drei Majors gewonnen; aber die Chance, olympisch zu spielen, ist auch für ihn noch höher angesiedelt. Bis 2016 gebe es noch 28 Majors, sagte er, aber nur ein einziges Olympiaturnier.

Sie selber, meinte anschliessend Michelle Wie, habe als ganz kleines Kind Olympiaathleten bewundert, doch sie habe nie damit gerechnet, einmal selber eine Chance zu bekommen, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Sollte sie das schaffen, dann sei sie sicher, dass irgendwo in der Welt ein kleines Girl sie bewundern und sich vornehmen werde, es ihr gleich zu tun.

Noch vor wenigen Jahren war die Aufnahme von Golf ins Olympiaprogramm eine theoretische Möglichkeit; und viele prominente Pros gaben sich eher distanziert und schlossen sich der vorherrschenden Meinung an, Golf habe Olympia nicht nötig. Das ist sicherlich richtig; geändert hat sich aber in der Zwischenzeit die Meinung der meisten Spieler in den Tours der Welt. Denn jetzt ist Olympia konkret, und jetzt will man dabei sein. Olympiagolf wird, sagen zahlreich Experten, dem Golfspiel weltweit weiteren Auftrieb geben. Insbesondere dürfte unser Spiel in Ländern, wo es bisher nicht oder kaum Fuss gefasst hat, ebenfalls Anhänger finden, es werden neue Golfplätze gebaut, und die Gesamtzahl der aktiven Golfspieler auf der ganzen Welt könnte sich durchaus weiter steigern.

Weltverband ist federführend

Anders als in den meisten anderen Sportarten herrscht im Golf in Sachen Wettkampfbetrieb etwas speziellere Ver- hältnisse (was übrigens immer als Hindernis für Golf an Olympia hingestellt worden ist). Einerseits sind wir die letzte Sportart, welche noch immer zwischen Profis und Amateuren unterscheidet; diese Unterschiede sind vor längerer Zeit sogar im Tennis und im Radsport abgeschafft worden. Nicht so im Golf, wie wir alle wissen. Zum zweiten sind zahlreiche Organisationen im nationalen und internationalen Turnierbetrieb aktiv, die zu koordinieren nicht immer ganz einfach ist. Da sind die nationalen Golfverbände, die das Amateurgolf unter sich haben; sie sind in kontinentalen Verbänden (wie der EGA, der European Golf Association) zusammengeschlossen, welche die kontinentalen Titelkämpfe (die Europameisterschaften) ausrichten. Einen Weltverband, der analog der FIFA zum Beispiel Weltmeisterschaften durchführt, den gab es bis 1958 nicht. Aber alle Fans schauen vor allem aufs Golf der Pros – und das wird von den PGA’s der Länder und der Kontinente kontrolliert, vielerorts delegiert an die Tours. Die grössten Tours der Welt sind die US PGA Tour und die European Tour. Doch es gibt zahlreiche andere Tours, bis hin zu den Satellite Tours, wie es die EPD Tour von

Golf imStadion –eine wunderbare Vision, die an den Olympischen Spielen 2016 eine neue Dimension bekommen wird.

Wer an Olympia siegt, der hat die höchste Krone, die es imSport zu erringen gibt, gewonnen – das war im alten Griechenland so, das ist auch in der Neuzeit eine Tatsache.

Deutschland oder die Alps Tour in den Alpenländern sind.

Keine dieser Organisationen, das war klar, konnte sich anmassen, Golf als Sportart zu repräsentieren und als Gesprächspartner des IOC überhaupt in Frage zu kommen. Es waren mit der USGA und dem R&A die beiden wichtigsten Verbände, welche zusammen mit 35 nationalen Golfverbänden (darunter auch die ASG) 1958 den World Amateur Golf Council gründeten; damals in erster Linie mit dem Ziel, Weltmeisterschaften zu veranstalten. Diese finden seither alle zwei Jahre als «World Amateur Team Championships» statt; das letzte Mal 2008 in Adelaide, das nächste Mal 2010 in Buenos Aires. 1958 gewannen die Australier die erste WM, welche schon damals als Tribut an einen der grossen Förderer des Golfspiels Eisenhower Trophy genannt wurde; Bobby Jones war der Captain des US-Teams!

Seit 1964 werden auch Team-Weltmeisterschaften der Frauen durchgeführt; unter dem Namen Espirito Santo Trophy. Erste Weltmeisterinnen waren die Französinnen. 2003 wurde der Name des World Amateur Golf Council in International Golf Federation geändert, mit dem statutarischen Ziel der Aufnahme von Golf ins Olympiaprogramm.

Ethische Werte von Golf vs. Olympische Charta

Die IGF ist heute breit abgestützt, auch wenn sie öffentlich nur am Rande wahrgenommen wird. Die Tours der Welt und die PGA unterstützen sie genauso wie die 123

Wie wird man Olympiasieger?

Noch längst ist nicht entschieden, wie die Qualifikation und anschliessend das eigentliche Olympiaturnier durchgeführt werden. Die IGF hat als Diskussionsbasis einen Vorschlag gemacht, der vom IOC sicher zur Kenntnis genommen werden wird.

• Turnier mit vier Runden Strokeplay.

• 60 Männer und 60 Frauen startberechtigt.

• Top-15 Spieler des World Rankings fest qualifiziert.

• Zusätzlich sind zwei Spieler pro Land ausserhalb der Top-15 qualifiziert, basierend auf dem World Ranking, bis zur Gesamtzahl von 60.

nationalen Amateurverbände, welche sie als Mitglieder tragen. Der Erfolg der durch die IGF vorgetragenen Bewerbung hat diese nun natürlich ins Spotlight gerückt. Im Zentrum dieser Bewerbung standen einige Argumente, welche kaum zu schlagen sind. So steht Golf für weit über 60 Millionen Spieler und Spielerinnen weltweit – eine enorme Zahl, welche Golf mitten im Kreis der populärsten Sportarten ansiedelt. Dank der Tours und der Präsenz von Golf am Fernsehen in über 200 Ländern kennen sich ein paar weitere Hundert Millionen Menschen als Fans im Golf aus.

Trotzdem gab es innerhalb der olympischen Bewegung auch Gegner; schliesslich ging die Abstimmung in Kopenhagen aber positiv aus, woran sicherlich intensive Lobbyarbeit hinter den Kulissen ihren Anteil hatte, wie John C. Storjohann, der Generalsekretär der ASG, berichtet. Er war am IOC-Kongress mit dabei: «Ich habe mich selber intensiv darum bemüht, die Kontakte, die ich zu den Schweizer Mitgliedern des IOC habe, auszunützen. Und das hat sicherlich zum positiven Abstimmungsergebnis ein klein wenig beigetragen!»

Aber ebenso wichtig sind auch die ethischen Werte, welche wir alle mit dem Golfspiel in Zusammenhang bringen. Respekt, Rücksichtnahme, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Achtung für den Gegner, Sich-an-die-Regeln-Halten – das sind alles Begriffe, wie sie auch in der Olympischen Charta auftauchen. Zahlreiche Organisationen und ebenso zahlreiche bekannte Pros engagieren sich in Programmen, welche minderbemittelten Menschen und vor allem auch Kindern einen Zugang zum Spiel und damit zu einem besseren Leben verschaffen wollen; genannt seien hier stellvertretend für alle anderen nur die Tiger Woods Foundation oder das First-Tee-Programm.

Golf und Olympia, das passt also ausgezeichnet zusammen. Wie sich diese Zusammenarbeit konkret genau ausgestalten wird, das werden die nächsten Jahre zeigen. Dass ein Start in Rio aber Zehntausende von jungen Golfern – darunter sicher auch ein paar Hundert Schweizer –inspirieren wird, das ist sicher. Olympia wird all diesen Spielern, seien sie jünger oder schon etwas bestandener, zu einem besseren Lebensgefühl verhelfen. Das ist mit Bestimmtheit der wahre innere Wert der Tatsache, dass «wir» nun olympisch sind.

(Siehe zu Olympia auch «Letzte Seite»).

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